Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 10. Apr. 2014 - A 4 K 2202/11

bei uns veröffentlicht am10.04.2014

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung seines Asylantrags als unzulässig sowie die Anordnung seiner Abschiebung nach Italien.
Der Kläger ist nach eigenen Angaben ein 1982 geborener Staatsangehöriger Sri Lankas mit tamilischer Volks- und hinduistischer Glaubenszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben am 11.03.2011 ins Bundesgebiet ein und stellte am 12.04.2011 einen Asylantrag. Bereits im Rahmen seiner Befragung zur Vorbereitung der Anhörung am 06.05.2011 gab der Kläger an, er habe im Juni 2010 in Lecce / Italien Asyl beantragt. Von Januar 2010 bis Oktober 2010 habe er sich in Italien aufgehalten.
Am 20.06.2011 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (künftig: Bundesamt) an die italienischen Behörden ein Übernahmeersuchen unter Berufung auf Art. 16 c) Dublin-II-VO. Die italienischen Behörden gaben hierzu keine Stellungnahme ab.
Mit Bescheid vom 25.08.2011, zugestellt nach dem 02.11.2011, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab und ordnete seine Abschiebung nach Italien an. Der Bescheid war auf § 27a AsylVfG, Art. 20 Abs. 1 c) Dublin-II-VO gestützt. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.
Der Kläger hat am 07.11.2011 Klage erhoben und wie folgt begründet: Eine Abschiebung erfolge gegenwärtig „ins Blaue hinein“, nachdem die italienischen Behörden das Übernahmeersuchen nicht beantwortet hätten. Er habe in Italien kein faires Asylverfahren erhalten; er habe bis heute keinen Ablehnungsbescheid bekommen, sondern sei ohne die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, unter Setzung einer kurzen Frist zur Ausreise aufgefordert worden. Auch der EGMR habe Bedenken an der Durchführung eines rechtsstaatlichen Mindestgrundsätzen genügenden Asylverfahrens in Italien. Die Ausführungen in der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes widersprächen der aktuellen Erkenntnislage sowie der praktisch einhelligen Rechtsprechung, wonach Überstellungen nach Italien aufgrund fehlender Gewährleistung des Flüchtlingsschutzes gegenwärtig unzulässig seien. Die Situation dort habe sich gerade nicht entscheidend verbessert. Die Überstellungsfristen nach Italien seien zwischenzeitlich wohl abgelaufen. Die Beklagte ignoriere die aktuelle Rechtsprechung, die zum Vorliegen systemischer Mängel komme. Es bestünden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich die Aufnahmesituation für zurückgeschobene Flüchtlinge verbessert habe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 25.08.2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
10 
Italien erfülle gegenüber Asylantragstellern die Mindeststandards. Es handele sich bei Italien um einen EU-Mitgliedstaat und damit um einen sicheren Drittstaat i.S.v. Art. 16a Abs. 2 GG, § 26 AsylVfG. Es sei daher aufgrund des diesen Vorschriften zugrunde liegenden Konzepts der normativen Vergewisserung davon auszugehen, dass die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt sei. Die Dublin-II-Verordnung beruhe auf der Prämisse, dass die zuverlässige Einhaltung von GFK und EMRK in allen Mitgliedstaaten gesichert sei. Weder UNHCR noch SFH hätten Bedenken an einer Zurückschiebung von Flüchtlingen nach Italien geäußert. Die Auskunft des Auswärtigen Amtes gebe die Situation wider, wie sie von zahlreichen Verwaltungsgerichten gesehen werde. Die Möglichkeit und der Ablauf des Asylverfahrens seien gesetzlich geregelt, Unterbringung werde Asylbewerbern in den Erstaufnahmeeinrichtungen und in den Aufnahmezentren gewährt. Es liege im Verantwortungsbereich des Antragstellers, dass ihn Zustellungen erreichten, wie es auch in Deutschland der Fall sei. In Italien liege der Fall im Gegensatz zu Griechenland offenbar eher so, dass sich ein großer Teil der Flüchtlinge unabhängig vom Asylverfahren dort aufhalte. Der daraus entstehende Eindruck schwieriger Lebensverhältnisse könne keinen Einfluss auf die Beurteilung haben, ob die Mindestanforderungen an das Asylverfahren erfüllt seien. Der EGMR sei der Auffassung, dass die Situation in Italien nicht mit der in Griechenland vergleichbar sei. Der EGMR habe das Vorliegen systemischer Mängel verneint. Auch das BVerfG habe in keinem einzigen Fall entschieden, dass eine Rückführung nach Italien im Rahmen des Dublin-II-Verfahrens unzulässig sei. Dies sähen auch Obergerichte wie der OVG Sachsen-Anhalt im Verfahren 4 L 44/13 so. Die Auskunft des UNHCR bestätige die Rechtsauffassung, dass eine systemische Störung des Asylsystems in Italien nicht bestehe. Der UNHCR bestätige die positive Entwicklung im italienischen Verfahren. Die unentgeltliche Prozesskostenhilfe sei gesetzlich verankert, finanzielle Hilfen stünden prinzipiell zur Verfügung, wenn die Unterbringungskapazitäten der staatlichen Unterkünfte nicht ausreichten. Zur Gesundheitsversorgung und Ernährungssituation äußere sich der UNHCR positiv. Auch kurzzeitige und geringfügige Verschlechterungen und Verzögerungen erreichten nicht die Qualität einer menschenrechtswidrigen Behandlung. Die Zuständigkeit Italiens sei gemäß Art. 16 Abs. 1 c) i.V.m. Art. 29 Abs. 1 Dublin-II-VO begründet; ein Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte sei später nicht erfolgt. Für Wiederaufnahmegesuche nach Art. 16 Abs. 1 c) bis e) Dublin-II-VO gebe es keinerlei Frist. Da der Kläger gegen seine Überstellung innerhalb der Frist, bis zu der gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO seine Überstellung nach Italien habe erfolgen können, einen Rechtsbehelf eingelegt habe, beginne gemäß Art. 20 Abs. 1 d) Satz 2 der Verordnung die sechsmonatige Frist im Zeitpunkt der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung zu laufen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Gerichte - wie vorliegend - aufgrund der Annahme eines Ausnahmefalles tatsächlich vorläufigen Rechtsschutz gewährten.
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Mit Beschluss vom 24.04.2012 hat die Kammer Beweis erhoben durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes sowie eines Gutachtens des UNHCR zu verschiedenen Fragen betreffend die rechtlichen Grundlagen sowie die Praxis des Asylverfahrens sowie der Aufnahmebedingungen in Italien. Das Auswärtige Amt erteilte unter dem 11.07.2012 eine Auskunft, das Gutachten des UNHCR stammt vom 19.12.2013. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
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Mit Beschluss der Kammer vom 02.02.2013 ist die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid der Beklagten vom 25.08.2011 angeordnet und der Beklagten aufgegeben worden, dem Regierungspräsidium Karlsruhe mitzuteilen, dass eine Abschiebung des Klägers nach Italien vorläufig nicht durchgeführt werden darf.
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Dem Gericht haben die einschlägigen Verwaltungsakten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (1 Bd.) vorgelegen. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten im Verfahren A 4 K 2203/11 und im vorliegenden Verfahren wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
A.
14 
Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß §§ 40, 42 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Denn mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 25.08.2011 hat die Beklagte den Asylantrag des Klägers unter Bezugnahme auf § 27a AsylVfG für unzulässig erklärt und auf der Grundlage des § 34a AsylVfG seine Abschiebung nach Italien angeordnet. Für die Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage - gerichtet auf das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen - besteht kein Raum. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig unter Berufung auf die fehlende Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre trotz fehlender Sachprüfung durch das Bundesamt nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Folglich ist im Falle des § 27a AsylVfG - wie auch in Konstellationen einer Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens nach § 33 Abs. 1 AsylVfG (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 05.09.2013 - 10 C 1/13 -, juris; Urteil vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 -, juris) - nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt vorbehalten (so auch VG Stuttgart, Urteil vom 20.09.2012 - A 11 K 2519/12 -, juris; Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K 383/14 -; VG Karlsruhe, Urteil vom 03.03.2010 - A 4 K 4072/08 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Nieders., Beschluss vom 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -, juris, sowie jüngst VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; a.A. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris).
B.
15 
Die Klage ist jedoch unbegründet. Das Bundesamt ist im angefochtenen Bescheid vom 25.08.2011 zu Recht davon ausgegangen, dass nicht die Bundesrepublik Deutschland für die Prüfung des am 12.04.2011 gestellten Asylantrages des Klägers zuständig ist, sondern die Republik Italien, und hat daher auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet.
I.
16 
Gemäß Art. 49 (Abs. 2) der Dublin-III-Verordnung 604/2013/EU ist für vor dem 19.07.2013 in Deutschland gestellte (Alt-)Anträge auf internationalen Schutz (i.S. von Art. 2 lit. h QRL: Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiären Schutzes) weiterhin die Dublin-II-Verordnung 343/2003/EG (- Dublin-II-VO -) anwendbar. Nach den hiernach anwendbaren Regelungen der Dublin-II-VO ist Italien für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers auch dann zuständig, wenn das von ihm nach eigenen Angaben im Jahr 2011 in Lecce eingeleitete Asylverfahren, wie er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, rechtskräftig abgeschlossen worden ist; insoweit ergibt sich eine Zuständigkeit der italienischen Behörden für die Prüfung des klägerischen Asyl(-folge-)antrags aus Art. 16 Abs. 1 e) Dublin-II-VO, nachdem diese innerhalb der Frist des Art. 20 Abs. 1 c) Dublin-II-VO keine Antwort erteilt haben.
17 
Die Zuständigkeit Italiens ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Beklagte übergegangen. Nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin-II-VO geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag gestellt wurde, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wird. Das knüpft an Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO an, welcher (u.a.) bestimmt, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf erfolgt, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Diese Frist ist hier noch nicht abgelaufen, wobei es maßgeblich auf die zweite Alternative der Regelung ("oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf") ankommt. Denn solange die Vollziehung der Überstellung - wie es vorliegend ausnahmsweise der Fall ist - weiter ausgesetzt ist, ist insoweit entscheidend auf die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzustellen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 -, juris).
II.
18 
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO ausübt.
19 
1. Ein Hauptzweck der Verordnung VO (EG) Nr. 343/2003 besteht, wie aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 hervorgeht, in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaates, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden. Allerdings kann abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-II-VO gemäß Absatz 2 der Vorschrift jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen.
20 
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (grundlegend Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u. C-493/10, N.S. u.a. -, juris sowie Slg. 2011, I-13905) kann ein Mitgliedstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet sein, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen (vgl. zum Folgenden auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris; Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - OVG 7 S 58.13 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, juris). Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) aus.
21 
1.1 Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtscharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten haben bei der Ausübung ihres Ermessens diese Grundsätze daher zu beachten. Im Rahmen seiner Ermessensausübung kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen; es gilt insoweit das sog. Prinzip gegenseitigen Vertrauens beziehungsweise normativer Vergewisserung (dazu grundlegend BVerfG, Urteil vom 15.05.1996 - 2 BvR 1938/93 -, juris). Daraus folgt die Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat stehe in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.). Ein Ausländer, der in einen sicheren Drittstaat zurück verbracht werden soll, kann infolgedessen entsprechend dem Konzept normativer Vergewisserung den Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor einer politischen Verfolgung oder sonstigen schwerwiegenden Beeinträchtigungen in seinem Herkunftsstaat grundsätzlich nicht mit der Begründung einfordern, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt würden (BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 -, juris).
22 
1.2 Die Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat stehe in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, ist jedoch nicht unwiderleglich. Nicht ausgeschlossen werden kann nämlich, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.).
23 
Eine Widerlegung der Vermutung wurde vom EuGH mit Blick auf die gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems indes an hohe Hürden geknüpft. Nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der Dublin-II-VO und nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts - wie etwa von Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK - durch den zuständigen Mitgliedstaat vermag die Überstellung eines Asylbewerbers an den laut Dublin-II-VO eigentlich zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln und das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage zu stellen. Das Zuständigkeitssystem ist nach der Rechtsprechung des EuGH vielmehr nur dann auszusetzen, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.; Urteil vom 10.12.2013 - C-394/12 -, juris; Urteil vom 14.11.2013 - C 4/11 -, juris). Diese Rechtsprechung ist auch in die Neufassung von Art. 3 Abs. 2 VO (EU) Nr. 604/2013 (v. 26.06.2013 - Dublin-III-VO) eingeflossen.
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Die sich aus dieser EuGH-Rechtsprechung ergebenden Anforderungen an das deutsche verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -, juris) dahingehend zusammengefasst, dass sich der Tatrichter im Rahmen der Amtsermittlung zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen muss, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. (Nur) dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus.
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Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 -, NVwZ 2011, 413) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da Asylbewerber dort systematisch ohne Angabe von Gründen in Haftzentren untergebracht würden. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden. Art. 3 EMRK allein verpflichte die Vertragsstaaten zwar nicht, Flüchtlinge in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen, sie finanziell zu unterstützen oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Etwas anderes gilt aber ausweislich des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie -), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen (so nun auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris).
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Aus dem Gesagten ergibt sich: Eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK liegt im Hinblick auf die Asylverfahren nur dann vor, wenn mit Blick auf das Gewicht und Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieses Grundrechts mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit die reale, nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass dem Betroffenen in dem Mitgliedstaat, in den er als den nach der Dublin-II-VO „zuständigen“ Staat überstellt werden soll, schon der Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt oder massiv erschwert wird, dass das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet oder dass der Betroffene während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbarer Weise befriedigen kann.
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2. Trotz der in Teilen weiterhin defizitären Umsetzung der in Italien bestehenden asylrelevanten Regelungen durch die italienischen Behörden und der nach wie vor bestehenden Mängel in Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern in Italien sind zur Überzeugung der Kammer auf der Grundlage einer ausführlichen Auswertung der vorliegenden Erkenntnismitteln (vgl. zum Folgenden AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2011; Consiglio Italiano per i Rifugiati / European Council on Refugees and Exiles, Asylum Information Database, National Country Report Italy, Mai 2013, Update November 2013, verfügbar unter http://www.asylumineurope.org/files/report-download/italy_aida_report_first_update_final_dec13.pdf - CIR/ecre, National Country Report Italy -; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013; Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, 07/2013 - UNHCR, Empfehlungen 2013 -; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; Associazione per gli Studi Giuridici sull’Immigrazione, Die derzeitige Situation von Asylbewerbern in Italien, 20.11.2012 - ASGI, Asylbewerber in Italien -) zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die strengen Voraussetzungen, die nach dem oben Gesagten für die Annahme einer Eintrittspflicht der Beklagten erfüllt sein müssten, nicht gegeben. Es steht nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und / oder die Aufnahmebedingungen in Italien derart grundlegende Mängel aufweisen, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an Italien im Rahmen der Dublin-II-Verordnung überstellten Asylbewerber zu erwarten steht (in diesem Sinne auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo; Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 20 A 10656/13 -, juris; OVG Nieders., Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 -, juris; Beschluss vom 18.03.2014 - 13 LA 75/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris).
28 
Denn Italien verfügt über ein ausdifferenziertes Asylverfahrensrecht und konkrete Regelungen betreffend die Aufnahme von Flüchtlingen (2.1). Auch wenn die diesbezüglichen Regelungen in der Praxis mitunter defizitär angewendet werden, sind die hierbei zutage tretenden Mängel jedenfalls gegenwärtig nicht von einer Tragweite, die das Vorliegen systemischer Mängel implizierte (2.2).
29 
Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob die Anforderungen an das Vorliegen systemischer Mängel in den Fällen, in denen der Betroffene - wie hier der Kläger - in dem nach der Dublin-Verordnung zuständigen Staat bereits ein Asylverfahren durchlaufen hat, sogar noch strengere Anforderungen zu stellen sind (in diese Richtung VG Potsdam, Beschluss vom 14.11.2013 - 6 L 767/13.A -, juris).
30 
2.1. Das italienische Rechtssystem sieht ein ausdifferenziertes Asylverfahren vor. Die italienische Verfassung kennt ein Grundrecht auf Asyl (Art. 10 Abs. 3); daneben bestehen verschiedene Einwanderungs- und Asylverfahrensgesetze. Die gesetzlichen Regelungen gelten auch für - hier relevante und daher zuvörderst in die Betrachtungen einzubeziehende - Überstellungen nach der Dublin-II-Verordnung; Besonderheiten bestehen insoweit nicht (AA, Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2011; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
31 
2.1.1 Das Asylverfahren läuft in mehreren Schritten ab:
32 
2.1.1.1 Asylgesuche werden beim Polizeipräsidium (questura) oder bei dem Grenzschutz (polizia di frontiera) entgegengenommen; eine inhaltliche Überprüfung des Gesuchs, das an keine Form gebunden ist, findet nicht statt (ASGI, Asylbewerber in Italien). Im Zusammenhang mit der Stellung des Schutzersuchens findet eine erkennungsdienstliche Behandlung (fotosegnalamento) statt (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Antragsteller, deren Anträge vom Grenzschutz aufgenommen worden sind, erhalten ein Schreiben, in dem sie an die zuständige „Questura“ weiterverwiesen werden (verbale di invito).
33 
2.1.1.2 Die förmliche Erfassung des Asylantrags (verbalizzazione) mittels „C3-Formular“ (verbale) erfolgt durch die örtlich zuständige „Questura“, die dem Asylsuchenden eine Bescheinigung über den Erstantrag sowie eine Aufenthaltserlaubnis (permesso di soggiorno) ausstellt (CIR/ecre, National Country Report Italy; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Eine gesetzliche Frist, innerhalb derer die Verbalizzazione zu erfolgen hat, existiert nicht (CIR/ecre, National Country Report Italy). Außerdem soll der Asylbewerber dort mit einer Informationsbroschüre in einer nach Möglichkeit für den Asylbewerber verständlichen Sprache über den Gang des Asylverfahrens, seine Rechte und Pflichten und den Zugang zum Gesundheitssystem informiert werden (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Ferner ist dem Asylsuchenden in jeder Phase des Asylverfahrens der Kontakt zum UNHCR und Nichtregierungsorganisationen zu ermöglichen (CIR/ecre, National Country Report Italy).
34 
2.1.1.3 Nach der Verbalizzazione wird der Fall an die jeweilige für die Region verantwortliche, dem Innenministerium unterstehende Kommission (Commissione territoriale per il riconoscimento dello status di rifugiato) übergeben, deren Mitglieder sich aus zwei Bediensteten des Innenministeriums, einem Vertreter einer lokalen Behörde (Kommune, Provinz oder Region) sowie einem UNHCR-Vertreter zusammensetzen (UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Bestandteil des Verfahrens ist eine nicht-öffentliche persönliche Anhörung des Asylbewerbers, die laut Gesetz innerhalb von 30 Tagen stattfinden soll und zu der ein Dolmetscher hinzugezogen wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). In bestimmten Fällen (etwa offensichtlich begründeter Asylanträge) findet ein beschleunigtes Verfahren statt (esame prioritario). Die abschließende Entscheidung soll binnen drei, im beschleunigten Verfahren binnen zwei Tagen nach der Anhörung ergehen.
35 
Während des Asylverfahrens haben die Asylbewerber Anspruch auf sprachliche und kulturelle Übersetzungsdienste. Sie haben das Recht, sich auf eigene Kosten von einem Rechtsanwalt beraten und vertreten zu lassen (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; ASGI, Asylbewerber in Italien).
36 
2.1.1.4 Gegen einen ablehnenden Bescheid können Asylbewerber innerhalb von 30 Tagen, Bewohner von CIE (Centro di Identificazione ed Espulsione) und CARA (centro die accoglienza per richiedenti asilo) grundsätzlich innerhalb von 15 Tagen nach Zustellung durch das hierfür zuständige Polizeipräsidium (questura) vor einem ordentlichen Gericht (Tribunale Ordinario) Widerspruch einlegen. Der Widerspruch hat grundsätzlich aufschiebende Wirkung; entfällt im Ausnahmefall, etwa bei als unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylanträgen, die aufschiebende Wirkung, kann der Antragsteller bei Gericht das Aussetzen der Rechtswirkung der erstinstanzlichen ablehnenden Entscheidung beantragen (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). Bestandteil des gerichtlichen Verfahrens ist eine (nicht-öffentliche) Anhörung des Asylbewerbers (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013). Das Gesamtverfahren einschließlich Widerspruch gegen einen ablehnenden Bescheid soll nicht länger als sechs Monate dauern (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
37 
2.1.1.5 Gegen die erstinstanzliche Entscheidung ist der Instanzenweg (Berufung, Revision) eröffnet (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012); insoweit findet keine automatische Aussetzung der Wirksamkeit der richterlichen Entscheidung statt, eine solche kann jedoch auf Antrag vom angerufenen Gericht gewährt werden (ASGI, Asylbewerber in Italien).
38 
2.1.1.6 Während des Gerichtsverfahrens besteht die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe; diese ist vom Nachweis der Vermögensverhältnisse sowie der Prüfung der Erfolgsaussichten des Prozesses durch das zuständige Gericht abhängig (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; ASGI, Asylbewerber in Italien).
39 
2.1.1.7 Asylbewerber haben die Möglichkeit, nach negativem Abschluss ihres Asylverfahrens bei der Questura einen Folgeantrag zu stellen. Dieser wird nach der Verbalizzazione von derjenigen Commissione territoriale, die auch für den Erstantrag zuständig war, daraufhin überprüft, ob der Asylantragsteller neue Gesichtspunkte betreffend seine eigene Person oder die Umstände im Heimatland vorbringt. Ist dies nicht der Fall, wird der Asylfolgeantrag als unzulässig abgelehnt; gegen die Ablehnungsentscheidung steht der Rechtsweg einschließlich der Möglichkeit des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes offen (CIR/ecre, National Country Report Italy). Andernfalls tritt die Commissione territoriale in eine erneute Prüfung ein. Hierfür enthält das italienische Recht keine besonderen Vorschriften, vielmehr gelten die gleichen gesetzlichen Regelungen und Verfahrensgarantien wie für das Asylerstverfahren (CIR/ecre, National Country Report Italy; zur Möglichkeit, in Italien einen Folgeantrag zu stellen, vgl. auch VG Minden, Urteil vom 20.01.2014 - 10 K 1096/13.A -, juris; VG Aachen, Beschluss vom 03.04.2014 - 7 L 165/14.A -, juris).
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2.1.2 Auch hinsichtlich der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende enthält das italienische Recht umfangreiche Regelungen.
41 
2.1.2.1 Im Hinblick auf die Unterbringung von Asylbewerbern ist geregelt, dass diese, falls sie nicht selbst ihren Lebensunterhalt für sich und ihre Familienangehörigen finanzieren können, einen entsprechenden Antrag stellen können, der von der Präfektur (prefettura) bearbeitet wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). Die Präfektur weist den Asylbewerbern dann Plätze zu.
42 
Italien verfügt über unterschiedliche Unterbringungsmodalitäten für Asylbewerber (ausführlich dazu borderline-europe e.v., Gutachten an VG Darmstadt, 12/2012; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; CIR/ecre, National Country Report Italy). CARA-Erstaufnahmeeinrichtungen (centro di accoglienza per richiedenti asilo) sind von Gesetzes wegen nur für den vorübergehenden (maximal 35 Tage) Aufenthalt von Asylbewerbern mit ungeklärter Identität in erster Linie zum Zwecke der Identitätsklärung vorgesehen (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013); ähnliche Funktionen erfüllen CIE (Centro die identificazione ed espulsione). Daneben gibt es CDAs (Centro di accoglienza per Richiedenti Asilo), die ebenfalls Erstaufnahmeeinrichtungen sind und dem kurzfristigen Aufenthalt u.a. auf dem Staatsterritorium aufgegriffenen Migranten dienen. CSPA (Centro di Soccorso e Prima Accoglienza) dienen nur der Aufnahme von Bootsflüchtlingen. Für den längerfristigen (normalerweise bis zu 6-monatigen) Aufenthalt von Asylbewerbern vorgesehen sind die Unterkunftsplätze in SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e rifugiati), einem Netzwerk von durch Kommunen, Kirchen, kirchliche Einrichtungen sowie sonstige Hilfsorganisationen betriebenen Unterkünften, das seine Grundlage in einer Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium, den Kommunen und den beteiligten nichtstaatlichen Organisationen hat.
43 
Ist in diesen Unterkünften kein Platz vorhanden, sieht das Gesetz vor, dass den Asylbewerbern bis zum Freiwerden eines Platzes finanzielle Unterstützung gewährt wird.
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Zugang zu den Einrichtungen besteht für Asylbewerber von Gesetzes wegen bereits ab dem Zeitpunkt des Asylgesuchs (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). In den Erstaufnahmeeinrichtungen (CARA, CDA, CSPA) werden den Asylbewerbern Essen, Unterkunft, Kleidung, erste Hilfe sowie grundlegende Informationen gewährt (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013); SPRARs sind besser ausgestattet und gewähren darüber hinaus etwa Dolmetscherdienste und Gesundheitsfürsorge (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Daneben wird den Asylbewerbern ein Taschengeld für persönliche Bedürfnisse gezahlt, das in CARA 2,50 Euro/Tag beträgt und in SPRAR in unterschiedlicher Höhe von etwa 2,00 Euro/Tag gewährt wird (CIR/ecre, National Country Report Italy). Unterstützungsleistungen können durch die Präfektur gestrichen werden, wenn sich der Asylberechtigte nicht in die zugewiesene Unterkunft begibt oder diese unerlaubt verlässt; hiergegen ist Rechtsschutz möglich (CIR/ecre, National Country Report Italy).
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Wird das Asylverfahren nicht binnen sechs Monaten abgeschlossen, erhalten Asylbewerber im Anschluss an ihren zunächst auf sechs Monate befristeten Aufenthaltstitel einen erneuten Aufenthaltstitel, der ihnen die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme gewährt und bis zum Ende des Asylverfahrens verlängert wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013). Unterbringung und Versorgungsleistungen werden ebenfalls entsprechend verlängert (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
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Legt der Asylbewerber Rechtsmittel gegen die Ablehnung seines Asylantrags ein, wird seine Aufenthaltserlaubnis verlängert (ASGI, Asylbewerber in Italien). Allerdings muss er die Aufnahmeeinrichtung verlassen, wenn er arbeitsfähig ist (borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012).
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Haben Dublin-Rückkehrer bereits während ihres ersten Asylverfahrens Platz in einer Aufnahmeeinrichtung gefunden, steht ihnen kein Recht zu, nach ihrer Rückführung nach Italien bis zum Abschluss des Asylerstverfahrens erneut dort untergebracht zu werden; dies schließt es nicht aus, dass sie bei freien Kapazitäten einen Platz etwa in einem SPRAR erhalten (CIR/ecre, National Country Report Italy; borderline-europe e.v., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2102). Gleiches gilt für Folgeantragsteller (CIR/ecre, National Country Report Italy).
48 
2.1.2.2 Asylbewerber sind vom Zeitpunkt der Registrierung ihres Asylgesuchs zusammen mit ihren Familienmitgliedern über die gesetzliche Krankenversicherung versichert und sind italienischen Staatsbürgern gleichgestellt; sie haben Anspruch auf kostenlose Gesundheitsversorgung (CIR/ecre, National Country Report Italy). Hierfür ist die Anmeldung mit Aufenthaltstitel, der Steuernummer sowie einer festen Adresse beim nationalen Gesundheitsdienst (Servizio Sanitario Nazionale) erforderlich, welcher einen zur ambulanten oder stationären Behandlung berechtigenden Gesundheitsausweis ausstellt (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Diese kostenfreie medizinische Versorgung steht auch Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft wohnen (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
49 
2.1.2.3 Zur Durchsetzung einer Unterbringung und Mindestversorgung besteht möglicherweise (genau ist dies den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht zu entnehmen) prinzipiell die Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten in Anspruch zu nehmen (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Einen gerichtlich durchsetzbaren Rechtsanspruch (etwa mittels einstweiliger Anordnung) auf einen Unterbringungsplatz gibt es indes nicht (AA, Auskunft an VG Minden vom 24.05.2013), und auch im Übrigen gibt es jedenfalls keine Informationen darüber, dass von Asylbewerbern Rechtsschutz zur Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Mindestversorgung in Anspruch genommen worden wäre (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012).
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2.1.2.4 Im Falle einer Abschiebung werden abgelehnte Asylbewerber zunächst aufgefordert, das Land zu verlassen; geschieht dies nicht, werden sie in eine Abschiebhaftanstalt verbracht. Vor der Abschiebung muss ein Richter auf Grundlage eines Gesprächs mit dem Häftling die Rechtmäßigkeit des Ausreisebescheids prüfen. Dem Häftling wird bei diesem Gespräch ein Rechtsanwalt und ein Dolmetscher zur Seite gestellt. Ferner besteht in der Abschiebehaft die Möglichkeit, rechtliche Informationen einzuholen und an Sprachkursen teilzunehmen. Psychologischer sowie ärztlicher Beistand werden gewährleistet (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012).
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2.1.3 Aus dieser Darstellung ergibt sich, dass die rechtlichen Regelungen, das Asylverfahren und die Aufnahme von Asylbewerbern betreffend, in Italien den an sie zu stellenden Anforderungen durchweg gerecht werden. Diese Bewertung steht in Übereinstimmung mit der aktuellen Erkenntnismittellage. Auch wenn hier die tatsächliche Situation mitunter sehr kritisch beurteilt wird, werden die bestehenden gesetzlichen Vorgaben nur vereinzelt und nur im Hinblick auf vergleichsweise wenig gewichtige Punkte - etwa recht kurze Rechtsmittelfristen (vgl. dazu etwa CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien) - kritisiert. Es besteht daher keinerlei Anlass für die Annahme, bereits die rechtlichen Rahmenbedingungen implizierten systemische Mängel, aufgrund derer anzunehmen wäre, dass dort dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Italien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohe.
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2.2 Die rechtlichen Vorgaben werden in der Praxis jedoch nicht durchgängig eingehalten. Vielmehr verweisen etwa der UNHCR, die Schweizerische Flüchtlingshilfe, borderline-europe e.V., der European Council on Refugees and Exiles und das Consiglio italiano per i Rifugiati, in abgeschwächter Form auch das Auswärtige Amt auf verschiedene Mängel sowohl betreffend den Zugang Asylsuchender zum Asylverfahren und dessen Ablauf als auch betreffend die Aufnahmebedingungen, insbesondere die Unterbringung und (gesundheitliche) Versorgung der Asylbewerber in Italien.
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Rückblickend gesehen war das italienische Aufnahmesystem jedenfalls auf die erheblichen Flüchtlingsströme in den Jahren 2008 und 2011 nicht hinreichend vorbereitet; es gibt gravierende Hinweise darauf, dass in dieser Zeit wiederholt Asylbewerber ohne Prüfung ihres Asylbegehrens oder während noch laufender Rechtsmittelfristen und damit unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot in ihre Herkunftsländer abgeschoben wurden und ferner viele Asylbewerber in Italien keinen Zugang zu den völlig überlasteten Unterkünften hatten, der Obdachlosigkeit anheimfielen und keinerlei staatliche Unterstützung, etwa im Hinblick auf Nahrung und Kleidung oder Zugang zu medizinischer Versorgung, erlangen konnten (vgl. dazu etwa SFH, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, 05/ 2011; Bethke/Bender, „Zur Situation von Flüchtlingen in Italien“, 02/2011; Norwegian Organization für Asylum Seekers, The Italian approach to asylum: System and core problems“, 04/2011, sowie weitere, von der Kammer im Beschluss vom 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 -, juris zitierte Quellen). Dem entspricht es, wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung berichtet hat, er habe während der Durchführung des Asylerstverfahrens zu keinem Zeitpunkt staatliche Unterstützung in irgend einer Form erhalten, ihm sei insbesondere nie ein Platz in einer Unterkunft zugewiesen worden, und er sei nur deshalb nicht obdach- und völlig mittellos gewesen, weil er auf eigene Initiative bei Landsleuten habe unterkommen und für diese zeitweise gegen Unterkunft und Mahlzeiten habe arbeiten und eine Adresse für die behördliche Erreichbarkeit habe angeben können.
54 
Die italienischen Behörden haben auf die teilweise chaotischen Zustände zwischenzeitlich jedoch, etwa durch Verbesserungen im Verfahren oder auch die massive Erweiterung der zur Verfügung stehenden Unterkünfte (dazu im Einzelnen s.u.), reagiert. Auch die gegenwärtige Situation weist Mängel wie administrative Hürden, zeitliche Verzögerungen sowie Engpässe bei den Unterkünften auf, die allerdings als weniger schwerwiegend einzustufen sind und die Schwelle zum systemischen Mangel weder für sich genommen noch im Zusammenspiel überschreiten. Vielmehr ist in der Gesamtschau des vorliegenden Erkenntnismaterials davon auszugehen, dass das Asyl- und Aufnahmeverfahren im wesentlichen richtlinienkonform verläuft und grundsätzlich funktionsfähig ist und dabei insbesondere hinreichend sicherstellt, dass im Rahmen des Dublin-Verfahrens rücküberstellte Asylbewerber, die, wie der Kläger, nicht etwa aufgrund Alters, gesundheitlicher Beeinträchtigungen oder sonstiger besonderer in ihrer Person liegender Umstände besonders schutzwürdig sind, bei normalem Verlauf der Dinge nicht mit schwerwiegenden Verstößen oder Rechtsbeeinträchtigungen im Sinne von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh rechnen müssen.
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Im Einzelnen:
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2.2.1 In jüngerer Zeit sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013) keine Fälle mehr bekannt geworden, in denen Flüchtlingen und Asylsuchenden die Einreise nach Italien oder der Aufenthalt in Italien verweigert worden oder Flüchtlinge und Asylsuchende ohne die Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen, in ihren Herkunftsstaat oder ein Drittland zurückgeführt worden wären; auch sind dem Auswärtigen Amt keine Fälle neueren Datums bekannt, in denen Asylbewerber trotz laufender Asylverfahren abgeschoben worden wären. Jedenfalls gegenwärtig lässt sich daher nicht mehr feststellen, dass in Italien der Anspruch Schutzsuchender auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens generell oder auch nur regelmäßig vereitelt würde (OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo). Ebenso wenig lässt sich den vorliegenden Erkenntnismitteln entnehmen, dass Asylbewerbern nach erfolglosem Abschluss ihres Asylerstverfahrens die Stellung eines Asylfolgeantrags verweigert worden wäre.
57 
2.2.2 Eine Feststellung, die in den vorliegenden Erkenntnismitteln fast durchgängig bemängelt wird, ist die oftmals lange Verfahrensdauer. Diese rechtfertigt jedoch gegenwärtig nicht (mehr) die Feststellung systemischer Mängel.
58 
2.2.2.1 Das Asylverfahren dauert in vielen Regionen regelmäßig etwa 6 bis 10 Monate, während die gesetzlichen Vorgaben vorsehen, dass die Anhörung des Asylbewerbers binnen 30 Tagen erfolgen, die behördliche Entscheidung binnen weiterer 3 Tagen ergehen soll (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Dieser Umstand hat indes auf die Asylbewerber regelmäßig keine gravierenden Auswirkungen, weil auch Unterbringung und Versorgungsleistungen sowie der Aufenthaltstitel entsprechend verlängert werden (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
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2.2.2.2 Anders ist dies, wenn sich die Ausstellung der Verbalizzazione verzögert.
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2.2.2.2.1 Vom Asylgesuch bis zur Ausstellung der Verbalizzazione dauert es nach einhelliger Erkenntnislage (etwa CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013) nach wie vor oftmals mehrere Wochen, mitunter, insbesondere in größeren Städten wie Rom oder Mailand, auch mehrere Monate. Diese Verzögerung beruht mitunter auf fehlenden personellen Kapazitäten. Etwa in Mailand oder Rom liegt sie aber auch darin begründet, dass die dortigen Questure systematisch eine Wohnbestätigung oder den Nachweis einer Adresse als Voraussetzung für die Einreichung eines Asylgesuchs verlangen (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013), eine (gesetzlich nicht vorgesehene) Anforderung, die Asylbewerber mitunter nur dann erfüllen können, wenn ihnen Nichtregierungsorganisationen „virtuelle“ Adressen zur Verfügung stellen oder sie Leute dafür bezahlen, dass diese ihnen eine (fiktive) Wohnbestätigung ausstellen (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Diese Wartezeit bis zur Ausstellung der Verbalizzazione führt zu erheblichen Schwierigkeiten für die Asylbewerber. Denn in der Zwischenzeit haben sie Anspruch nur auf medizinische Notfallversorgung (CIR/ecre, National Country Report Italy). In der Praxis haben sie ferner vor Ausstellung der Verbalizzazione keinen Zugang zu CARA- oder SPRAR-Unterkünften, auch wenn von Gesetzes wegen der Zugang zu Unterkunft ab dem Moment der Stellung des Asylgesuchs zu gewährleisten wäre (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013). In diesen Fällen sind alternative Maßnahmen zur Sicherung des Lebensunterhalts von Asylsuchenden selten verfügbar, die Asylsuchenden sind vielmehr oftmals auf sich selbst gestellt und häufig obdachlos (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Allerdings wird dieses Problem von Nichtregierungsorganisationen und kirchlichen Organisationen erkannt, die hier im Rahmen ihrer Möglichkeiten, etwa durch die Vermittlung von provisorischen (Not-)Unterkünften, tätig werden (AA, Auskunft an VG Minden vom 24.05.2013).
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Dass Asylbewerber diese Verzögerungen vor einem Gericht angefochten oder überhaupt vorläufigen Rechtsschutz beantragt hätten, ist weder dem Auswärtigen Amt (Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012) noch dem UNHCR (Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; UNHCR, Empfehlungen 2013) bekannt. Die Praxis der Questura Mailand, eine Wohnbestätigung zu verlangen, wurde bereits von Hilfsorganisationen angefochten (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012), vom zuständigen Gericht jedoch gebilligt (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013).
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2.2.2.2.2 Von den Schwierigkeiten infolge der erheblichen Wartezeit bis zur Ausstellung der Verbalizzazione sind grundsätzlich auch Dublin-Rückkehrer betroffen. Diese treffen in der Regel auf dem Luftweg in Italien ein. Nach einer erneuten erkennungsdienstlichen Behandlung durch die Polizei erfolgt die Feststellung, welche Questura für die Person zuständig ist und wie der Stand des Verfahrens ist. Davon, ob der Asylbewerber während des laufenden Asylverfahrens Italien verlassen oder ob er in Italien nie ein Asylverfahren durchgeführt bzw., wie der Kläger, das Asylverfahren dort rechtskräftig abgeschlossen hat, hängt der weitere Ablauf ab:
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Dublin-Rückkehrer, die sich noch im Asylverfahren befinden, erhalten nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013) umgehend eine Unterkunft in einem entsprechenden Aufnahmezentrum zugewiesen, die ihnen von den auf dem Flughafen tätigen Nichtregierungsorganisationen vermittelt werde. Laut UNHCR hat diese Personengruppe in der Regel Zugang zu Transitunterbringungseinrichtungen (Auskunft an VG Freiburg, 12/2103). Laut Schweizerischer Flüchtlingshilfe (Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013) erfolgt die Unterbringung in einem FER-Projekt, soweit freie Plätze bestehen. Sind für sie nicht die Präfekturen Rom bzw. Varese zuständig, gilt diese Unterkunftsmöglichkeit nur für wenige Tage, bis sie in die für sie zuständige Region weiterreisen, um sich dort bei der Questura zu melden und von dieser einen Berechtigungsschein für ein CARA zu erhalten. Laut borderline-europe e.V. (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012) gibt es in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten mit der Ausstellung dieses Scheins; auch stünden mitunter nicht genügend Plätze zur Verfügung. Plätze in einem SPRAR könnten außerdem nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Betreffende vor seiner Ausreise keinen Platz dort in Anspruch genommen habe.
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Für Dublin-Rückkehrer, die sich, wie der Kläger, noch nicht oder nicht mehr in einem Asylverfahren befinden, etwa für diejenigen, die vor ihrer Asylantragstellung in einem anderen Land durch Italien gereist sind, ohne dort einen Asylantrag gestellt zu haben, erfolgt die Zuweisung der Unterkunft dagegen grundsätzlich, wie bei anderen Asylbewerbern auch, erst nach der Verbalizzazione, die auch für diese Gruppe mitunter erst nach Wochen oder Monaten erfolgt (so ausdrücklich UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012); eine frühere Möglichkeit, in eine FER-Unterkunft oder ein CARA zugewiesen zu werden, hängt von freien Kapazitäten ab (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Borderline-europe (a.a.O.) berichtet davon, von den Dublin-Rückkehrern, die über Rom eingereist seien, hätten nur knapp 8% eine CARA- oder SPRAR-Unterkunft erhalten, weitere etwa 12% eine Kurzzeitunterkunft, um sich von dort aus zu den für sie zuständigen Questure zu begeben. Allerdings bemühen sich die am Flughafen zuständigen Hilfsorganisationen, dem Betreffenden zumindest eine Übergangs- oder Notunterkunft in einer kommunalen oder karitativen Einrichtung zu besorgen; sollte dies nicht umgehend möglich sein, müssen Dublin-Rückkehrer unter Umständen einige Tage am Flughafen verbleiben und dort, zwar ohne besondere Schlafplätze, offenbar aber geduldet, übernachten (SFH, Aufnahmebedingungen, 10/2013; UNHCR, Empfehlungen 2013; AA, Auskunft an OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.09.2013). Nicht ausgeschlossen ist in diesem Zusammenhang indes, dass die Nichtregierungsorganisationen nicht rechtzeitig von der Ankunft von Dublin-Rückkehrern informiert werden und diese daher keine besondere Betreuung am Flughafen erfahren (SFH, a.a.O.).
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2.2.2.2.3 Der Umstand, dass der Zugang zu Unterkünften in der Praxis italienischer Behörden von der Ausstellung der Verbalizzazione abhängt und deren Ausstellung zeitlich jedenfalls in der Behördenpraxis (noch) nicht an das Asylgesuch geknüpft ist, ist sicherlich ein gravierender Mangel, der auch im System angelegt ist und grundsätzlich - wenn infolge der intensiveren Betreuung am Flughafen in möglicherweise geringerem Maße - auch Dublin-Rückkehrer wie den Kläger betrifft. Allerdings hat die italienische Regierung dieses Problem erkannt und sich dessen angenommen. So hat im Februar 2013 das italienische Innenministerium eine Weisung an die Questure herausgegeben, wonach die Verbalizzazione zeitlich mit der Asylgesuchsstellung zusammenfallen soll, und versucht, durch ein neues Onlinesystem (VESTANET) die Bearbeitung der Asylgesuche zu beschleunigen, die Bearbeitung von Einzelfällen im gesamten Verfahren zu verbessern, die Zeit zwischen dem erstmaligen Asylgesuch und der formalen Registrierung des Antrags zu überwachen und Verzögerungen umgehend entgegenzuwirken (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; CIR/ecre, National Country Report Italy). Im Report von CIR/ecre (a.a.O.) heißt es, die italienischen Behörden hätten insoweit wichtige Anstrengungen unternommen, um den förmlichen Zugang zum Asylverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Auch der UNHCR (a.a.O.) spricht insoweit von „positiven Entwicklungen“. Seinen jüngsten Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien (07/2013) lässt sich zwar entnehmen, dass es immer wieder zu wochen- oder auch monatelangen Verzögerungen bis zur Erstellung der Verbalizzazione kommt; wenn der UNHCR insoweit jedoch von „einigen Fällen“ oder auch Schwierigkeiten „in einigen regionalen Polizeidirektionen“ spricht, so handelt es sich gegenwärtig nicht mehr um größere Funktionsstörungen oder regelhafte Defizite, die das Asylverfahren in ihrer Gesamtheit prägen, sondern um - freilich in ihren Auswirkungen zulasten der Betroffenen keinesfalls zu unterschätzende - partielle Überlastungen oder verwaltungstechnische Missstände. Und auch insoweit ist davon auszugehen, dass sich die Situation, wenn die neuen Anweisungen und Verwaltungsvereinfachungen landesweit implementiert sind, weiter verbessern wird (so auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 20 A 10656/13 -, juris; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris). Insbesondere für Dublin-Rückkehrer und ihre im Vergleich zu anderweitig ins Land kommende Asylbewerber regelmäßig intensivere Betreuung durch Nichtregierungsorganisationen bereits am Flughafen lässt sich im Hinblick auf die Verzögerungen im Asylverfahren daher nicht (mehr) von einem systemischen Mangel sprechen.
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2.2.3 Weitere in vielen der vorliegenden Erkenntnismitteln beklagte Missstände sind die nach wie vor bestehende - und auch Dublin-Rückkehrer betreffende - Überlastung des Aufnahmesystems und die damit verbundenen Lebensbedingungen der Asylbewerber. Aber auch im Hinblick auf die Aufnahmebedingungen ist auf Grundlage der aktuellen Erkenntnismittel nicht (mehr) von strukturellen Mängeln auszugehen.
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2.2.3.1 Immer wieder in der Kritik steht die Zahl der Unterkünfte, die Asylsuchenden zur Verfügung gestellt werden.
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Die italienische Regierung hat in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen, um die Zahl verfügbarer Unterkünfte zu erhöhen. So gab es im Zusammenhang mit den sprunghaft angestiegenen Asylbewerberzahlen im Jahr 2011 ein Notstandskonzept „Nordafrika“, in dessen Rahmen Aufnahmestrukturen durch den Zivilschutz in der Größenordnung von 26.000 Plätzen bereitgestellt wurden (SFH, Aufnahmebedingungen; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013 spricht sogar von 50.000 Plätzen). Daneben wurde insbesondere die Zahl der regulär verfügbaren Plätze in den vergangenen Jahren massiv erhöht. Noch im Juli 2012 war das Auswärtige Amt (Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; vgl. auch Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2012) von (nur) je 3.000 Plätzen in CARA und SPRAR ausgegangen, während es im August 2013 bereits von insgesamt über 16.000 Plätzen in CARA, CIE, CDA und SPRAR ausging (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013). Die Entwicklung der verfügbaren Unterkünfte spiegelt sich auch in den von CIR/ecre erhobenen Zahlen wider: Während im Länderreport Stand Mai 2013 von insgesamt 4.007 Plätzen in CDA und CARA die Rede war, waren es ein halbes Jahr später bereits 6.866 Plätze; statt 151 SPRAR standen ausweislich CIR/ecre nun bereits 175 Einrichtungen zur Verfügung. Aufgrund eines im September 2013 erlassenen Dekrets des Innenministeriums soll die SPRAR-Kapazität bis 2016 zudem auf 16.000 Plätze erhöht werden (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen; CIR/ecre, National Country Report Italy). Auch durch die Praxis, insbesondere die CARA entgegen ihrer Zweckbestimmung auch für den längerfristigen Aufenthalt zu nutzen, konnte der Überlastungssituation Rechnung getragen werden, und auch wenn das Notstandsprogramm „Nordafrika“ zwischenzeitlich ausgelaufen ist und (Stand September 2013) nur noch etwa 1.000 Personen („vulnerable Cases“ und Asylbewerber, die Widerspruch eingelegt haben, vgl. AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013) dort lebten, zeigt es doch, dass Italien in der Lage ist, Unterbringungsplätze in erheblichem Umfang zusätzlich zur Verfügung zu stellen, wenn dies durch den Zustrom von Flüchtlingen erneut erforderlich werden sollte. Um bestehende Lücken und Fehlentwicklungen aufzudecken, wurde ferner Ende 2012 im Rahmen des Präsidium-Projekts testweise ein Überwachungssystem in staatlichen Einrichtungen eingeführt (UNHCR, Empfehlungen 2013). Laut Auswärtigem Amt bestanden im öffentlichen System im August 2013 rund 8.000 Plätze in CARA-Aufnahmelagern, die in der Praxis dem längerfristigen Aufenthalt von Asylbewerbern dienen, nahezu 3.000 Plätze in CIE und CDA und über 5.000 Plätze in SPRAR (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013). Laut CIR/ecre, Stand November 2013, bestanden zu diesem Zeitpunkt in CARA, CIE und CPSA insgesamt deutlich weniger, nämlich nur gut 7.500 Plätze, dafür in SPRAR 3.000 reguläre sowie 9.500 zusätzliche Plätze.
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Finden Asylsuchende keinen Platz in einer öffentlichen Aufnahmeeinrichtung - sei es, weil die Kapazitäten erschöpft sind, sei es, dass sie etwa als Dublin-Rückkehrer, die bereits vor ihrer Ausreise aus Italien einen Platz in einer Aufnahmeeinrichtung beansprucht hatten, keinen erneuten Zugang zu öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen haben -, bekommen sie in der Praxis keine staatliche (finanzielle) Unterstützung, um sich selbst um eine Unterkunft kümmern zu können; die gesetzliche Regelung, wonach der Asylbewerber im Falle fehlender Unterbringungsmöglichkeiten eine finanzielle Unterstützung erhält, um sich selbst eine Unterkunft zu suchen, ist in der Praxis nicht umgesetzt worden (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Für diesen Personenkreis gibt es kommunale, kirchliche und karitative Einrichtungen etwa der CARITAS, die die Asylantragsteller versorgen, ihnen Unterkunftsplätze besorgen und ihnen medizinischen, rechtlichen und psychologischen Beistand zur Verfügung stellen (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Diese nicht-staatlichen Unterkünfte werden teilweise von der öffentlichen Hand finanziert und sind im Auftrag des Staates tätig. Sie sind bei der Frage, ob die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines Verstoßes gegen Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK aufgrund fehlender Unterbringungsmöglichkeiten besteht, mit einzubeziehen. Denn aus Sicht des Unionsrechts ist lediglich entscheidend, dass tatsächlich eine hinreichende Zahl an Unterkünften besteht; dies aber ist auch dann der Fall, wenn der Staat mit nichtstaatlichen Trägern zusammenarbeitet, die zuverlässig einen Teil der erforderlichen Plätze zur Verfügung stellen.
70 
Darüber, ob das verfügbare - im Übrigen je nach Auskunft deutlich differierende - Zahlenmaterial den tatsächlichen Bestand an Unterkünften widerspiegelt und wenn ja, ob die vorhandenen Unterkünfte ausreichend sind, um den Bedarf zu decken, gehen die Ansichten in den aktuellen Erkenntnismitteln auseinander. Das Auswärtige Amt stellt fest, dass - Stand August 2013 - alle Asylbewerber / Flüchtlinge in öffentlichen Zentren untergebracht werden könnten. Lokalen oder regionalen Überbelegungen stünden freie Kapazitäten in anderen Regionen, etwa in Norditalien, gegenüber, und landesweit seien genügend Plätze vorhanden (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013; mit dem gleichen Tenor auch bereits AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Auch nach Auffassung des UNHCR ist Italien in der Lage, den Aufnahmebedarf jedenfalls einer erheblichen Zahl an Asylsuchenden zu decken (Empfehlungen 2013; ähnlich auch bereits im Gutachten an VG Braunschweig vom 24.04.2012). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe zeichnet ein etwas düstereres Bild und berichtet - Stand Oktober 2013 - davon, zurzeit seien die Kapazitäten der Erstaufnahmezentren CARA ausgeschöpft und neu ankommende Flüchtlinge könnten dort nicht untergebracht werden (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Auch anderen Auskünften lässt sich entnehmen, dass die verfügbaren Plätze immer noch nicht ausreichten und die bestehenden Einrichtungen daher oft deutlich überbelegt seien (CIR/ecre, National Country Report Italy), bzw. dass nicht alle Asylbewerber einen Platz in einer Aufnahmeeinrichtung finden (borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012) oder mitunter aufgrund fehlender Kapazitäten erst nach Wochen oder Monaten Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen bekommen können (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Viele Auskünfte berichten davon, dass Asylbewerber unter schlechten Bedingungen in überfüllten Privatunterkünften, die teilweise in besetzten Häusern eingerichtet worden seien, unterkommen müssten (CIR/ecre, National Country Report Italy) oder obdachlos seien (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.v., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012).
71 
Tatsächlich dürfte eine genaue Ermittlung, ob die vorhandenen Plätze rechnerisch gesehen landesweit ausreichend sind, um den Bedarf an Wohnraum zu decken, nur sehr schwer seriös möglich sein. Insoweit ist nicht nur von Bedeutung, dass die vorhandenen Einrichtungen mitunter deutlich mehr Flüchtlinge aufnehmen als die Anzahl, für die sie ausgelegt sind; so sollen etwa im November 2013 9.771 Asylsuchende in CDA/CARA untergebracht gewesen sein, die nur 6.866 reguläre Plätze boten (CIR/ecre, National Country Report Italy). Auch bedürfte es für die Frage, ob die Anzahl an Plätzen ausreichend ist, belastbarem statistischem Material nicht nur zu der Frage, wie lang die durchschnittliche Belegungszeit eines Platzes in einer Unterkunft ist, sondern auch dazu, wie viele Asylbewerber aus eigenem Antrieb keinen Platz in Anspruch nehmen, sondern entweder untertauchen oder in ein anderes europäisches Land weiterreisen. Belastbare Zahlen gibt es jedoch insoweit nicht (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris). Ferner fehlt es auch an methodisch korrekten statistischen Erhebungen zu der Frage, welcher Prozentsatz an Asylsuchenden tatsächlich Interesse an der Zuweisung einer öffentlichen Unterkunft hätte. Vor diesem Hintergrund haben insbesondere die Prozentzahlen der in öffentlichen Unterkünften untergebrachten Dublin-Rückgeführten, die borderline-europe e.V. (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; hierzu ausführlich OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris) nennt, eine nur sehr begrenzte Aussagekraft. Denn diesen Zahlen lässt sich weder entnehmen, wie viele der Rückgeführten bereits über einen Aufenthaltstitel etwa aufgrund der Zuerkennung subsidiären Schutzes in Italien verfügen (und daher keinen Anspruch mehr auf Aufnahme in eine der Unterkünfte haben), noch, wie viele von ihnen überhaupt Interesse an einem Platz in einer öffentlichen Aufnahmeeinrichtung gehabt hätten. Insoweit wäre im Hinblick auf fehlendes Interesse an einer öffentlichen Unterkunft nicht nur an Rückkehrer zu denken, die auf die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens von vornherein verzichten, sondern auch an solche, die bei ihrem letzten Aufenthalt in Italien bereits ein soziales Netzwerk aufgebaut haben, das sie von öffentlichen Unterkünften unabhängig macht, oder solche, die ein Leben in Rom oder Mailand, wo die Wohnraumkapazitäten bekanntermaßen erschöpft sind, auch um den Preis schlechterer Unterbringungsverhältnisse bewusst einem Aufenthalt in einem anderen Landesteil, in dem ihnen eine Unterkunft zugewiesen werden könnte, vorziehen.
72 
Aber auch wenn unter Zugrundelegung der aktuellen Erkenntnismittel davon auszugehen ist, dass insbesondere in Großstädten wie Rom oder Mailand die vorhandenen Aufnahmekapazitäten in staatlichen wie privat betriebenen Einrichtungen erschöpft und die Unterkünfte überfüllt sind und es daher Asylsuchende gibt, die keinen Platz in einer Unterkunft finden und daher ohne Obdach sind oder unter völlig unzureichenden Wohn- und Lebensverhältnissen leben, lässt sich doch den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht entnehmen, dass dieses Schicksal für Asylbewerber gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachte; vielmehr handelt es sich hierbei um drastische Einzelschicksale, die keiner Verallgemeinerung zugänglich sind (darauf hinweisend auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris, sowie nunmehr VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris). Auf Grundlage der genannten Zahlen von mutmaßlich deutlich mehr als 16.000 Plätzen allein in den öffentlichen Unterkünften ist jedenfalls gegenwärtig nicht (mehr) davon auszugehen, dass im Hinblick auf die Unterbringungssituation dauerhafte erhebliche Missstände vorlägen, aufgrund dessen Asylbewerber quasi typischerweise und in signifikanter Zahl der Obdachlosigkeit überlassen würden (so i.Erg. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/10 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo, geht davon aus, alle Asylbewerber fänden Platz in den öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen).
73 
2.2.3.2 Es lässt sich nach den vorliegenden Auskünften auch nicht davon ausgehen, dass systematische Mängel im Hinblick auf die Schwierigkeiten derjenigen Asylsuchenden, die keinen Platz in einer staatlichen Unterkunft gefunden haben, bestünden bei der Zustellung offizieller Schreiben, etwa ablehnender Asylbescheide. Denn auch wenn für Flüchtlinge außerhalb staatlicher Unterkünfte, insbesondere für Obdachlose, der Zugang offizieller Schreiben typischerweise größeren Schwierigkeiten begegnet als für Flüchtlinge in staatlichen Unterkünften, haben sich auch insoweit Strukturen gebildet, die die Situation der Betroffenen erleichtern. Inzwischen bieten Hilfsorganisationen wie die CARITAS Sammeladressen für Personen ohne festen Wohnsitz an, die gegenüber öffentlichen Stellen verwendet werden und an die Poststücke zugestellt werden können (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Derartige Möglichkeiten „virtueller Wohnsitznahme“ gibt es zwar nur in wenigen Städten Italiens, insbesondere in Rom; da es hier aber auch die größten Engpässe in der Wohnraumversorgung gibt, dürfte Dank des den Behörden bekannten und von ihnen akzeptierten Konzepts der virtuellen Wohnsitznahme jedenfalls im Regelfall die Zustellung von Schreiben an den Empfänger gewährleistet sein.
74 
2.2.3.3 Die vorliegenden Erkenntnismittel lassen auch nicht den Rückschluss darauf zu, dass Asylbewerber infolge unzureichender und unzumutbarer Verhältnisse in den staatlichen bzw. privaten Unterkünften, namentlich etwa aufgrund unhygienischer Zustände oder Gewalttätigkeiten, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind. Dabei wird nicht verkannt, dass es in Unterkünften mit einer Vielzahl von Flüchtlingen unterschiedlicher Nationalität, Religion und kultureller Prägung häufiger als in anderen Bereichen der Gesellschaft zu Konflikten und gelegentlich auch gewaltsamen Übergriffen kommen dürfte, zumal in einer Situation, die oftmals von überstandenen Leiden und ungewisser Zukunft geprägt ist. Es dürfte sich dabei allerdings um ein allgemeines Phänomen in Gemeinschaftseinrichtungen handeln, dem die staatlichen Stellen nur bedingt wirksam entgegenwirken können. Auch ist der Kammer bewusst, dass die Aufnahme-, Unterbringungs- und Lebensbedingungen von Asylbewerbern in Italien regelmäßig nicht mit dem hiesigen Standard vergleichbar sein dürften. Andererseits gibt es keine greifbaren Anhaltspunkte, dass die Zustände in den Unterkünften nicht nur in Einzelfällen, sondern regelhaft unzumutbar und unhaltbar sind, so dass schon unter diesem Gesichtspunkt die Feststellung einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung der Asylbewerber gerechtfertigt erschiene. So wird nach Auskunft des Auswärtigen Amtes von den staatlichen Aufnahmezentren und Einrichtungen Kleidung gestellt, ebenso Wäsche und Hygieneartikel zum persönlichen Gebrauch (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Die Verhältnisse im Einzelnen unterscheiden sich und hängen von den jeweiligen Trägern der Unterkünfte ab (CIR/ecre, National Country Report Italy). Laut Auswärtigem Amt stellen sich die hygienischen Verhältnisse aber nicht regelmäßig oder überwiegend in der Weise dar, dass man ernstlich Gefahr läuft zu erkranken. Es seien durchgehend kleinere Schlafräume in Wohnhäusern oder Containern vorhanden, die auch einer ausreichenden Zahl an Toiletten- und Waschräumen sowie zumeist mit Klimaanlagen und Zentralheizung versehen seien. Die Verpflegung werde vielfach in einem gemeinsamen Speisesaal bereitgestellt. Ferner seien in den Einrichtungen Sozialräume sowie getrennte Räumlichkeiten für medizinische Dienste und Sonderfälle vorhanden. Zur Aufrechterhaltung der Sauberkeit der allgemeinen Räumlichkeiten würden spezielle Reinigungsdienste beschäftigt. Es gebe zwar mitunter gewaltsame Überfälle, hierbei handelt es sich aber um Einzelfälle. Darüber hinaus würden die Aufnahmeeinrichtungen zumindest durch die Polizei oder Carabinieri überwacht und geschützt; wegen auftretender Spannungen zwischen verschiedenen Ethnien seien in manchen Einrichtungen zudem zusätzliche Polizeikräfte postiert worden (vgl. dazu auch OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo).
75 
2.2.3.4 Ist nach den vorliegenden Erkenntnismitteln, wie gesehen, davon auszugehen, dass jedenfalls die meisten Flüchtlinge Platz in einer staatlichen Unterkunft erhalten, so ist dort ihr Lebensunterhalt - wenn auch auf niedrigem Niveau - gesichert. Es lässt sich den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht entnehmen, dass den Flüchtlingen dort entgegen der Gesetzeslage keine Kleidung, Nahrung oder Hygieneartikel zur Verfügung gestellt würden.
76 
Nach Auskunft des Auswärtigen Amts (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012) werden auch diejenigen Flüchtlinge, die außerhalb staatlicher Einrichtungen, etwa in karitativen oder kirchlichen Unterkünften, leben, teilweise unter Einbeziehung privater Dienstleister, mit Nahrung und Kleidung versorgt. Dagegen berichtet etwa borderline-europe (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012), Asylsuchende, die in keinem Zentrum untergebracht seien, erhielten weder Sach- noch Geldleistungen zur Abdeckung ihrer Grundbedürfnisse wie Nahrung oder Kleidung. Geklärt sein dürfte jedoch, dass für diese Gruppe der Flüchtlinge Hilfsorganisationen die notwendige grundlegende Versorgung der bei ihnen lebenden Flüchtlinge übernehmen. Auch für diesen Personenkreis dürfte daher nicht festzustellen sein, dass dieser regelhaft in einem menschenrechtlichen Mindeststandards widersprechenden Zustand leben müsse. Dies schließt es nicht aus, dass einzelne Asylbewerber in prekären Verhältnissen extremer Armut und Obdachlosigkeit leben; dieser Umstand ist aber für die Annahme, der Kläger werde im Falle seiner Überstellung nach Italien ernstlich der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK ausgesetzt sein (vgl. dazu auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, juris), nicht ausreichend.
77 
2.2.3.5 Schließlich ist nach aktueller Auskunftslage auch nicht davon auszugehen sein, dass Flüchtlinge regelhaft von medizinischen Leistungen ausgeschlossen sind.
78 
Zwar mag es im Einzelfall auch bei Bewohnern öffentlicher Unterkünfte - sei es durch fehlende Informationen, sei es durch fehlerhaft arbeitende oder überlastete Verwaltungen - zu Schwierigkeiten kommen, in den Besitz einer Gesundheitskarte zu gelangen. Dies ist aber offenbar der Ausnahmefall.
79 
Für Asylbewerber, auch Dublin-Rückkehrer, die keinen festen Wohnsitz vorweisen können, hat dieser Umstand allerdings Konsequenzen. Der Erhalt der Gesundheitskarte ist an das Erfordernis eines festen Wohnsitzes geknüpft. Während das Auswärtige Amt davon ausgeht, es genüge insoweit die Angabe des Asylbewerbers, berichtet borderline-europe (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012), die Anmeldung eines Wohnsitzes werde durch die Behörde überprüft. Die Associazione per gli Studi Giuridici sull’Immigrazione (Asylbewerber in Italien, Bericht vom 20.11.2012) berichtet darüber hinaus davon, viele Flüchtlinge würden aufgrund von bürokratischen und restriktiven Interpretationen seitens der Gemeinden nicht im Einwohnermelderegister eingetragen. Selbst wenn dies so wäre, führte dieser Umstand jedoch nicht dazu, dass diese Flüchtlinge vom Erhalt der Gesundheitskarte ausgeschlossen würden. Denn vor allem in Rom - wo die Wohnungsnot, wie gesehen, und daher auch der Anteil der nicht in öffentlichen Unterkünften untergebrachten Flüchtlinge vermutlich am größten ist - besteht, wie bereits erwähnt, die Möglichkeit einer von den Behörden anerkannten, durch Hilfsorganisationen wie die CARITAS zur Verfügung gestellten „virtuellen Wohnsitznahme“ (borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. dazu auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Davon abgesehen ist jedenfalls die medizinische Notfallversorgung in Italien auch ohne Gesundheitskarte gewährleistet.
80 
2.2.3.6 Vor diesem Hintergrund lässt sich trotz nach wie vor bestehender Defizite in den Aufnahmebedingungen und auch unter Berücksichtigung der gravierenden Folgen, die das Fehlen einer zumutbaren Unterkunft für den hiervon Betroffenen im Einzelfall hat, nicht feststellen, dass die bestehenden Engpässe und Mängel die Funktionsfähigkeit des Aufnahmesystems insgesamt in Frage stellen und so gravierend sind, dass sie das Asylverfahren regelhaft seiner Funktion berauben.
81 
2.3 Im Ergebnis lässt sich daher auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnismittel feststellen, dass Asylsuchende, die nach den Regelungen der Dublin-II-Verordnung nach Italien überstellt werden sollen, derzeit jedenfalls dann, wenn in ihrer Person keine besonderen (etwa gesundheitlichen) Gründe gegeben sind, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer durch das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen verursachten unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh rechnen müssen. Dies scheint der Auffassung des UNHCR zu entsprechen, der sich - anders als seinerzeit im Falle Griechenlands - trotz deutlicher Worte in Bezug auf bestehende Defizite und Mängel im italienischen Asyl- und Aufnahmesystem nicht veranlasst gesehen hat, sich gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien auszusprechen.
82 
Vorliegend aber sind keine besonderen Umstände des Einzelfalles ersichtlich, die befürchten ließen, dass gerade dem Kläger in Italien entgegen der allgemeinen Lageeinschätzung eine mit Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK nicht vereinbare Behandlung drohte. Der Kläger hat nach seiner Ankunft in Italien die Möglichkeit, einen Asylfolgeantrag zu stellen. Bis zum Abschluss dieses Verfahrens hat er, da er nach eigenen Angaben während des Asylerstverfahrens nie einen Platz in einer Unterkunft zugewiesen bekommen hat, die Möglichkeit, in einer öffentlichen Einrichtung unterzukommen, wo neben der Unterkunft auch Essen, Bekleidung und sonstige persönliche Bedürfnisse sichergestellt sind. Sollte sich der Kläger dagegen dafür entscheiden, nach seiner Rückkehr keinen erneuten Asylantrag zu stellen, bestünden zu seinen Gunsten - nachdem das Asylerstverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist - keine Verfahrensgarantien nach der Genfer Flüchtlingskonvention, und auch die Aufnahmerichtlinie (RL 2003/9/EG) fände auf ihn gemäß Art. 3 Abs. 1 keine Anwendung (mehr). Er wäre vielmehr, wenn sein Aufenthalt nicht behördlicherseits legalisiert wird, verpflichtet, Italien zu verlassen, und hätte keinen Anspruch auf Unterstützung mehr (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Kommt er seiner Ausreisepflicht nicht nach, kann er kein Mehr an Unterstützung verlangen, als dies italienischen Staatsangehörigen zuteil wird. Ein staatliches Sozialhilfesystem aber existiert in Italien nur sehr eingeschränkt; vielmehr sind auch italienische Staatsangehörige grundsätzlich verpflichtet, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen, was naturgemäß mit Schwierigkeiten verbunden, für einen gesunden, arbeitsfähigen Mann wie den Kläger aber, wie er bereits bei seinem ersten Aufenthalt in Italien bewiesen hat, nicht unmöglich ist. Der Umstand, dass es in Italien anders als in Deutschland kein System staatlicher Unterstützung auch für ausreisepflichtige, jedoch tatsächlich noch nicht abgeschobene Ausländer gibt, reicht, nachdem, wie bereits gesehen, aus Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh nicht die Verpflichtung erwächst, jemandem finanzielle Unterstützung zu gewähren, um ihm einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen, nicht für die Annahme aus, der Kläger werde im Falle seiner Überstellung nach Italien ernstlich der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh ausgesetzt sein.
III.
83 
Die Abschiebungsanordnung in Ziff. 2 des angefochtenen Bescheides ist hiernach ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen nach § 27a AsylVfG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies ist der Fall, nachdem Italien keine Einwände gegen seine Zuständigkeit erhoben hat und der Abschiebung keine relevanten Hindernisgründe entgegenstehen.
84 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Das Gericht sieht von einem Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach Ermessen ab.

Gründe

 
A.
14 
Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß §§ 40, 42 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Denn mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 25.08.2011 hat die Beklagte den Asylantrag des Klägers unter Bezugnahme auf § 27a AsylVfG für unzulässig erklärt und auf der Grundlage des § 34a AsylVfG seine Abschiebung nach Italien angeordnet. Für die Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage - gerichtet auf das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen - besteht kein Raum. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig unter Berufung auf die fehlende Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre trotz fehlender Sachprüfung durch das Bundesamt nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Folglich ist im Falle des § 27a AsylVfG - wie auch in Konstellationen einer Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens nach § 33 Abs. 1 AsylVfG (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 05.09.2013 - 10 C 1/13 -, juris; Urteil vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 -, juris) - nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt vorbehalten (so auch VG Stuttgart, Urteil vom 20.09.2012 - A 11 K 2519/12 -, juris; Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K 383/14 -; VG Karlsruhe, Urteil vom 03.03.2010 - A 4 K 4072/08 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Nieders., Beschluss vom 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -, juris, sowie jüngst VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; a.A. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris).
B.
15 
Die Klage ist jedoch unbegründet. Das Bundesamt ist im angefochtenen Bescheid vom 25.08.2011 zu Recht davon ausgegangen, dass nicht die Bundesrepublik Deutschland für die Prüfung des am 12.04.2011 gestellten Asylantrages des Klägers zuständig ist, sondern die Republik Italien, und hat daher auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet.
I.
16 
Gemäß Art. 49 (Abs. 2) der Dublin-III-Verordnung 604/2013/EU ist für vor dem 19.07.2013 in Deutschland gestellte (Alt-)Anträge auf internationalen Schutz (i.S. von Art. 2 lit. h QRL: Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiären Schutzes) weiterhin die Dublin-II-Verordnung 343/2003/EG (- Dublin-II-VO -) anwendbar. Nach den hiernach anwendbaren Regelungen der Dublin-II-VO ist Italien für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers auch dann zuständig, wenn das von ihm nach eigenen Angaben im Jahr 2011 in Lecce eingeleitete Asylverfahren, wie er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, rechtskräftig abgeschlossen worden ist; insoweit ergibt sich eine Zuständigkeit der italienischen Behörden für die Prüfung des klägerischen Asyl(-folge-)antrags aus Art. 16 Abs. 1 e) Dublin-II-VO, nachdem diese innerhalb der Frist des Art. 20 Abs. 1 c) Dublin-II-VO keine Antwort erteilt haben.
17 
Die Zuständigkeit Italiens ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Beklagte übergegangen. Nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin-II-VO geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag gestellt wurde, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wird. Das knüpft an Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO an, welcher (u.a.) bestimmt, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf erfolgt, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Diese Frist ist hier noch nicht abgelaufen, wobei es maßgeblich auf die zweite Alternative der Regelung ("oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf") ankommt. Denn solange die Vollziehung der Überstellung - wie es vorliegend ausnahmsweise der Fall ist - weiter ausgesetzt ist, ist insoweit entscheidend auf die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzustellen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 -, juris).
II.
18 
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO ausübt.
19 
1. Ein Hauptzweck der Verordnung VO (EG) Nr. 343/2003 besteht, wie aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 hervorgeht, in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaates, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden. Allerdings kann abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-II-VO gemäß Absatz 2 der Vorschrift jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen.
20 
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (grundlegend Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u. C-493/10, N.S. u.a. -, juris sowie Slg. 2011, I-13905) kann ein Mitgliedstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet sein, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen (vgl. zum Folgenden auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris; Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - OVG 7 S 58.13 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, juris). Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) aus.
21 
1.1 Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtscharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten haben bei der Ausübung ihres Ermessens diese Grundsätze daher zu beachten. Im Rahmen seiner Ermessensausübung kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen; es gilt insoweit das sog. Prinzip gegenseitigen Vertrauens beziehungsweise normativer Vergewisserung (dazu grundlegend BVerfG, Urteil vom 15.05.1996 - 2 BvR 1938/93 -, juris). Daraus folgt die Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat stehe in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.). Ein Ausländer, der in einen sicheren Drittstaat zurück verbracht werden soll, kann infolgedessen entsprechend dem Konzept normativer Vergewisserung den Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor einer politischen Verfolgung oder sonstigen schwerwiegenden Beeinträchtigungen in seinem Herkunftsstaat grundsätzlich nicht mit der Begründung einfordern, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt würden (BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 -, juris).
22 
1.2 Die Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat stehe in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, ist jedoch nicht unwiderleglich. Nicht ausgeschlossen werden kann nämlich, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.).
23 
Eine Widerlegung der Vermutung wurde vom EuGH mit Blick auf die gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems indes an hohe Hürden geknüpft. Nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der Dublin-II-VO und nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts - wie etwa von Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK - durch den zuständigen Mitgliedstaat vermag die Überstellung eines Asylbewerbers an den laut Dublin-II-VO eigentlich zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln und das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage zu stellen. Das Zuständigkeitssystem ist nach der Rechtsprechung des EuGH vielmehr nur dann auszusetzen, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.; Urteil vom 10.12.2013 - C-394/12 -, juris; Urteil vom 14.11.2013 - C 4/11 -, juris). Diese Rechtsprechung ist auch in die Neufassung von Art. 3 Abs. 2 VO (EU) Nr. 604/2013 (v. 26.06.2013 - Dublin-III-VO) eingeflossen.
24 
Die sich aus dieser EuGH-Rechtsprechung ergebenden Anforderungen an das deutsche verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -, juris) dahingehend zusammengefasst, dass sich der Tatrichter im Rahmen der Amtsermittlung zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen muss, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. (Nur) dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus.
25 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 -, NVwZ 2011, 413) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da Asylbewerber dort systematisch ohne Angabe von Gründen in Haftzentren untergebracht würden. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden. Art. 3 EMRK allein verpflichte die Vertragsstaaten zwar nicht, Flüchtlinge in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen, sie finanziell zu unterstützen oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Etwas anderes gilt aber ausweislich des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie -), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen (so nun auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris).
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Aus dem Gesagten ergibt sich: Eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK liegt im Hinblick auf die Asylverfahren nur dann vor, wenn mit Blick auf das Gewicht und Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieses Grundrechts mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit die reale, nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass dem Betroffenen in dem Mitgliedstaat, in den er als den nach der Dublin-II-VO „zuständigen“ Staat überstellt werden soll, schon der Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt oder massiv erschwert wird, dass das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet oder dass der Betroffene während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbarer Weise befriedigen kann.
27 
2. Trotz der in Teilen weiterhin defizitären Umsetzung der in Italien bestehenden asylrelevanten Regelungen durch die italienischen Behörden und der nach wie vor bestehenden Mängel in Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern in Italien sind zur Überzeugung der Kammer auf der Grundlage einer ausführlichen Auswertung der vorliegenden Erkenntnismitteln (vgl. zum Folgenden AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2011; Consiglio Italiano per i Rifugiati / European Council on Refugees and Exiles, Asylum Information Database, National Country Report Italy, Mai 2013, Update November 2013, verfügbar unter http://www.asylumineurope.org/files/report-download/italy_aida_report_first_update_final_dec13.pdf - CIR/ecre, National Country Report Italy -; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013; Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, 07/2013 - UNHCR, Empfehlungen 2013 -; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; Associazione per gli Studi Giuridici sull’Immigrazione, Die derzeitige Situation von Asylbewerbern in Italien, 20.11.2012 - ASGI, Asylbewerber in Italien -) zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die strengen Voraussetzungen, die nach dem oben Gesagten für die Annahme einer Eintrittspflicht der Beklagten erfüllt sein müssten, nicht gegeben. Es steht nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und / oder die Aufnahmebedingungen in Italien derart grundlegende Mängel aufweisen, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an Italien im Rahmen der Dublin-II-Verordnung überstellten Asylbewerber zu erwarten steht (in diesem Sinne auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo; Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 20 A 10656/13 -, juris; OVG Nieders., Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 -, juris; Beschluss vom 18.03.2014 - 13 LA 75/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris).
28 
Denn Italien verfügt über ein ausdifferenziertes Asylverfahrensrecht und konkrete Regelungen betreffend die Aufnahme von Flüchtlingen (2.1). Auch wenn die diesbezüglichen Regelungen in der Praxis mitunter defizitär angewendet werden, sind die hierbei zutage tretenden Mängel jedenfalls gegenwärtig nicht von einer Tragweite, die das Vorliegen systemischer Mängel implizierte (2.2).
29 
Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob die Anforderungen an das Vorliegen systemischer Mängel in den Fällen, in denen der Betroffene - wie hier der Kläger - in dem nach der Dublin-Verordnung zuständigen Staat bereits ein Asylverfahren durchlaufen hat, sogar noch strengere Anforderungen zu stellen sind (in diese Richtung VG Potsdam, Beschluss vom 14.11.2013 - 6 L 767/13.A -, juris).
30 
2.1. Das italienische Rechtssystem sieht ein ausdifferenziertes Asylverfahren vor. Die italienische Verfassung kennt ein Grundrecht auf Asyl (Art. 10 Abs. 3); daneben bestehen verschiedene Einwanderungs- und Asylverfahrensgesetze. Die gesetzlichen Regelungen gelten auch für - hier relevante und daher zuvörderst in die Betrachtungen einzubeziehende - Überstellungen nach der Dublin-II-Verordnung; Besonderheiten bestehen insoweit nicht (AA, Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2011; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
31 
2.1.1 Das Asylverfahren läuft in mehreren Schritten ab:
32 
2.1.1.1 Asylgesuche werden beim Polizeipräsidium (questura) oder bei dem Grenzschutz (polizia di frontiera) entgegengenommen; eine inhaltliche Überprüfung des Gesuchs, das an keine Form gebunden ist, findet nicht statt (ASGI, Asylbewerber in Italien). Im Zusammenhang mit der Stellung des Schutzersuchens findet eine erkennungsdienstliche Behandlung (fotosegnalamento) statt (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Antragsteller, deren Anträge vom Grenzschutz aufgenommen worden sind, erhalten ein Schreiben, in dem sie an die zuständige „Questura“ weiterverwiesen werden (verbale di invito).
33 
2.1.1.2 Die förmliche Erfassung des Asylantrags (verbalizzazione) mittels „C3-Formular“ (verbale) erfolgt durch die örtlich zuständige „Questura“, die dem Asylsuchenden eine Bescheinigung über den Erstantrag sowie eine Aufenthaltserlaubnis (permesso di soggiorno) ausstellt (CIR/ecre, National Country Report Italy; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Eine gesetzliche Frist, innerhalb derer die Verbalizzazione zu erfolgen hat, existiert nicht (CIR/ecre, National Country Report Italy). Außerdem soll der Asylbewerber dort mit einer Informationsbroschüre in einer nach Möglichkeit für den Asylbewerber verständlichen Sprache über den Gang des Asylverfahrens, seine Rechte und Pflichten und den Zugang zum Gesundheitssystem informiert werden (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Ferner ist dem Asylsuchenden in jeder Phase des Asylverfahrens der Kontakt zum UNHCR und Nichtregierungsorganisationen zu ermöglichen (CIR/ecre, National Country Report Italy).
34 
2.1.1.3 Nach der Verbalizzazione wird der Fall an die jeweilige für die Region verantwortliche, dem Innenministerium unterstehende Kommission (Commissione territoriale per il riconoscimento dello status di rifugiato) übergeben, deren Mitglieder sich aus zwei Bediensteten des Innenministeriums, einem Vertreter einer lokalen Behörde (Kommune, Provinz oder Region) sowie einem UNHCR-Vertreter zusammensetzen (UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Bestandteil des Verfahrens ist eine nicht-öffentliche persönliche Anhörung des Asylbewerbers, die laut Gesetz innerhalb von 30 Tagen stattfinden soll und zu der ein Dolmetscher hinzugezogen wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). In bestimmten Fällen (etwa offensichtlich begründeter Asylanträge) findet ein beschleunigtes Verfahren statt (esame prioritario). Die abschließende Entscheidung soll binnen drei, im beschleunigten Verfahren binnen zwei Tagen nach der Anhörung ergehen.
35 
Während des Asylverfahrens haben die Asylbewerber Anspruch auf sprachliche und kulturelle Übersetzungsdienste. Sie haben das Recht, sich auf eigene Kosten von einem Rechtsanwalt beraten und vertreten zu lassen (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; ASGI, Asylbewerber in Italien).
36 
2.1.1.4 Gegen einen ablehnenden Bescheid können Asylbewerber innerhalb von 30 Tagen, Bewohner von CIE (Centro di Identificazione ed Espulsione) und CARA (centro die accoglienza per richiedenti asilo) grundsätzlich innerhalb von 15 Tagen nach Zustellung durch das hierfür zuständige Polizeipräsidium (questura) vor einem ordentlichen Gericht (Tribunale Ordinario) Widerspruch einlegen. Der Widerspruch hat grundsätzlich aufschiebende Wirkung; entfällt im Ausnahmefall, etwa bei als unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylanträgen, die aufschiebende Wirkung, kann der Antragsteller bei Gericht das Aussetzen der Rechtswirkung der erstinstanzlichen ablehnenden Entscheidung beantragen (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). Bestandteil des gerichtlichen Verfahrens ist eine (nicht-öffentliche) Anhörung des Asylbewerbers (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013). Das Gesamtverfahren einschließlich Widerspruch gegen einen ablehnenden Bescheid soll nicht länger als sechs Monate dauern (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
37 
2.1.1.5 Gegen die erstinstanzliche Entscheidung ist der Instanzenweg (Berufung, Revision) eröffnet (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012); insoweit findet keine automatische Aussetzung der Wirksamkeit der richterlichen Entscheidung statt, eine solche kann jedoch auf Antrag vom angerufenen Gericht gewährt werden (ASGI, Asylbewerber in Italien).
38 
2.1.1.6 Während des Gerichtsverfahrens besteht die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe; diese ist vom Nachweis der Vermögensverhältnisse sowie der Prüfung der Erfolgsaussichten des Prozesses durch das zuständige Gericht abhängig (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; ASGI, Asylbewerber in Italien).
39 
2.1.1.7 Asylbewerber haben die Möglichkeit, nach negativem Abschluss ihres Asylverfahrens bei der Questura einen Folgeantrag zu stellen. Dieser wird nach der Verbalizzazione von derjenigen Commissione territoriale, die auch für den Erstantrag zuständig war, daraufhin überprüft, ob der Asylantragsteller neue Gesichtspunkte betreffend seine eigene Person oder die Umstände im Heimatland vorbringt. Ist dies nicht der Fall, wird der Asylfolgeantrag als unzulässig abgelehnt; gegen die Ablehnungsentscheidung steht der Rechtsweg einschließlich der Möglichkeit des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes offen (CIR/ecre, National Country Report Italy). Andernfalls tritt die Commissione territoriale in eine erneute Prüfung ein. Hierfür enthält das italienische Recht keine besonderen Vorschriften, vielmehr gelten die gleichen gesetzlichen Regelungen und Verfahrensgarantien wie für das Asylerstverfahren (CIR/ecre, National Country Report Italy; zur Möglichkeit, in Italien einen Folgeantrag zu stellen, vgl. auch VG Minden, Urteil vom 20.01.2014 - 10 K 1096/13.A -, juris; VG Aachen, Beschluss vom 03.04.2014 - 7 L 165/14.A -, juris).
40 
2.1.2 Auch hinsichtlich der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende enthält das italienische Recht umfangreiche Regelungen.
41 
2.1.2.1 Im Hinblick auf die Unterbringung von Asylbewerbern ist geregelt, dass diese, falls sie nicht selbst ihren Lebensunterhalt für sich und ihre Familienangehörigen finanzieren können, einen entsprechenden Antrag stellen können, der von der Präfektur (prefettura) bearbeitet wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). Die Präfektur weist den Asylbewerbern dann Plätze zu.
42 
Italien verfügt über unterschiedliche Unterbringungsmodalitäten für Asylbewerber (ausführlich dazu borderline-europe e.v., Gutachten an VG Darmstadt, 12/2012; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; CIR/ecre, National Country Report Italy). CARA-Erstaufnahmeeinrichtungen (centro di accoglienza per richiedenti asilo) sind von Gesetzes wegen nur für den vorübergehenden (maximal 35 Tage) Aufenthalt von Asylbewerbern mit ungeklärter Identität in erster Linie zum Zwecke der Identitätsklärung vorgesehen (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013); ähnliche Funktionen erfüllen CIE (Centro die identificazione ed espulsione). Daneben gibt es CDAs (Centro di accoglienza per Richiedenti Asilo), die ebenfalls Erstaufnahmeeinrichtungen sind und dem kurzfristigen Aufenthalt u.a. auf dem Staatsterritorium aufgegriffenen Migranten dienen. CSPA (Centro di Soccorso e Prima Accoglienza) dienen nur der Aufnahme von Bootsflüchtlingen. Für den längerfristigen (normalerweise bis zu 6-monatigen) Aufenthalt von Asylbewerbern vorgesehen sind die Unterkunftsplätze in SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e rifugiati), einem Netzwerk von durch Kommunen, Kirchen, kirchliche Einrichtungen sowie sonstige Hilfsorganisationen betriebenen Unterkünften, das seine Grundlage in einer Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium, den Kommunen und den beteiligten nichtstaatlichen Organisationen hat.
43 
Ist in diesen Unterkünften kein Platz vorhanden, sieht das Gesetz vor, dass den Asylbewerbern bis zum Freiwerden eines Platzes finanzielle Unterstützung gewährt wird.
44 
Zugang zu den Einrichtungen besteht für Asylbewerber von Gesetzes wegen bereits ab dem Zeitpunkt des Asylgesuchs (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). In den Erstaufnahmeeinrichtungen (CARA, CDA, CSPA) werden den Asylbewerbern Essen, Unterkunft, Kleidung, erste Hilfe sowie grundlegende Informationen gewährt (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013); SPRARs sind besser ausgestattet und gewähren darüber hinaus etwa Dolmetscherdienste und Gesundheitsfürsorge (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Daneben wird den Asylbewerbern ein Taschengeld für persönliche Bedürfnisse gezahlt, das in CARA 2,50 Euro/Tag beträgt und in SPRAR in unterschiedlicher Höhe von etwa 2,00 Euro/Tag gewährt wird (CIR/ecre, National Country Report Italy). Unterstützungsleistungen können durch die Präfektur gestrichen werden, wenn sich der Asylberechtigte nicht in die zugewiesene Unterkunft begibt oder diese unerlaubt verlässt; hiergegen ist Rechtsschutz möglich (CIR/ecre, National Country Report Italy).
45 
Wird das Asylverfahren nicht binnen sechs Monaten abgeschlossen, erhalten Asylbewerber im Anschluss an ihren zunächst auf sechs Monate befristeten Aufenthaltstitel einen erneuten Aufenthaltstitel, der ihnen die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme gewährt und bis zum Ende des Asylverfahrens verlängert wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013). Unterbringung und Versorgungsleistungen werden ebenfalls entsprechend verlängert (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
46 
Legt der Asylbewerber Rechtsmittel gegen die Ablehnung seines Asylantrags ein, wird seine Aufenthaltserlaubnis verlängert (ASGI, Asylbewerber in Italien). Allerdings muss er die Aufnahmeeinrichtung verlassen, wenn er arbeitsfähig ist (borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012).
47 
Haben Dublin-Rückkehrer bereits während ihres ersten Asylverfahrens Platz in einer Aufnahmeeinrichtung gefunden, steht ihnen kein Recht zu, nach ihrer Rückführung nach Italien bis zum Abschluss des Asylerstverfahrens erneut dort untergebracht zu werden; dies schließt es nicht aus, dass sie bei freien Kapazitäten einen Platz etwa in einem SPRAR erhalten (CIR/ecre, National Country Report Italy; borderline-europe e.v., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2102). Gleiches gilt für Folgeantragsteller (CIR/ecre, National Country Report Italy).
48 
2.1.2.2 Asylbewerber sind vom Zeitpunkt der Registrierung ihres Asylgesuchs zusammen mit ihren Familienmitgliedern über die gesetzliche Krankenversicherung versichert und sind italienischen Staatsbürgern gleichgestellt; sie haben Anspruch auf kostenlose Gesundheitsversorgung (CIR/ecre, National Country Report Italy). Hierfür ist die Anmeldung mit Aufenthaltstitel, der Steuernummer sowie einer festen Adresse beim nationalen Gesundheitsdienst (Servizio Sanitario Nazionale) erforderlich, welcher einen zur ambulanten oder stationären Behandlung berechtigenden Gesundheitsausweis ausstellt (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Diese kostenfreie medizinische Versorgung steht auch Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft wohnen (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
49 
2.1.2.3 Zur Durchsetzung einer Unterbringung und Mindestversorgung besteht möglicherweise (genau ist dies den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht zu entnehmen) prinzipiell die Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten in Anspruch zu nehmen (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Einen gerichtlich durchsetzbaren Rechtsanspruch (etwa mittels einstweiliger Anordnung) auf einen Unterbringungsplatz gibt es indes nicht (AA, Auskunft an VG Minden vom 24.05.2013), und auch im Übrigen gibt es jedenfalls keine Informationen darüber, dass von Asylbewerbern Rechtsschutz zur Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Mindestversorgung in Anspruch genommen worden wäre (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012).
50 
2.1.2.4 Im Falle einer Abschiebung werden abgelehnte Asylbewerber zunächst aufgefordert, das Land zu verlassen; geschieht dies nicht, werden sie in eine Abschiebhaftanstalt verbracht. Vor der Abschiebung muss ein Richter auf Grundlage eines Gesprächs mit dem Häftling die Rechtmäßigkeit des Ausreisebescheids prüfen. Dem Häftling wird bei diesem Gespräch ein Rechtsanwalt und ein Dolmetscher zur Seite gestellt. Ferner besteht in der Abschiebehaft die Möglichkeit, rechtliche Informationen einzuholen und an Sprachkursen teilzunehmen. Psychologischer sowie ärztlicher Beistand werden gewährleistet (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012).
51 
2.1.3 Aus dieser Darstellung ergibt sich, dass die rechtlichen Regelungen, das Asylverfahren und die Aufnahme von Asylbewerbern betreffend, in Italien den an sie zu stellenden Anforderungen durchweg gerecht werden. Diese Bewertung steht in Übereinstimmung mit der aktuellen Erkenntnismittellage. Auch wenn hier die tatsächliche Situation mitunter sehr kritisch beurteilt wird, werden die bestehenden gesetzlichen Vorgaben nur vereinzelt und nur im Hinblick auf vergleichsweise wenig gewichtige Punkte - etwa recht kurze Rechtsmittelfristen (vgl. dazu etwa CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien) - kritisiert. Es besteht daher keinerlei Anlass für die Annahme, bereits die rechtlichen Rahmenbedingungen implizierten systemische Mängel, aufgrund derer anzunehmen wäre, dass dort dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Italien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohe.
52 
2.2 Die rechtlichen Vorgaben werden in der Praxis jedoch nicht durchgängig eingehalten. Vielmehr verweisen etwa der UNHCR, die Schweizerische Flüchtlingshilfe, borderline-europe e.V., der European Council on Refugees and Exiles und das Consiglio italiano per i Rifugiati, in abgeschwächter Form auch das Auswärtige Amt auf verschiedene Mängel sowohl betreffend den Zugang Asylsuchender zum Asylverfahren und dessen Ablauf als auch betreffend die Aufnahmebedingungen, insbesondere die Unterbringung und (gesundheitliche) Versorgung der Asylbewerber in Italien.
53 
Rückblickend gesehen war das italienische Aufnahmesystem jedenfalls auf die erheblichen Flüchtlingsströme in den Jahren 2008 und 2011 nicht hinreichend vorbereitet; es gibt gravierende Hinweise darauf, dass in dieser Zeit wiederholt Asylbewerber ohne Prüfung ihres Asylbegehrens oder während noch laufender Rechtsmittelfristen und damit unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot in ihre Herkunftsländer abgeschoben wurden und ferner viele Asylbewerber in Italien keinen Zugang zu den völlig überlasteten Unterkünften hatten, der Obdachlosigkeit anheimfielen und keinerlei staatliche Unterstützung, etwa im Hinblick auf Nahrung und Kleidung oder Zugang zu medizinischer Versorgung, erlangen konnten (vgl. dazu etwa SFH, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, 05/ 2011; Bethke/Bender, „Zur Situation von Flüchtlingen in Italien“, 02/2011; Norwegian Organization für Asylum Seekers, The Italian approach to asylum: System and core problems“, 04/2011, sowie weitere, von der Kammer im Beschluss vom 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 -, juris zitierte Quellen). Dem entspricht es, wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung berichtet hat, er habe während der Durchführung des Asylerstverfahrens zu keinem Zeitpunkt staatliche Unterstützung in irgend einer Form erhalten, ihm sei insbesondere nie ein Platz in einer Unterkunft zugewiesen worden, und er sei nur deshalb nicht obdach- und völlig mittellos gewesen, weil er auf eigene Initiative bei Landsleuten habe unterkommen und für diese zeitweise gegen Unterkunft und Mahlzeiten habe arbeiten und eine Adresse für die behördliche Erreichbarkeit habe angeben können.
54 
Die italienischen Behörden haben auf die teilweise chaotischen Zustände zwischenzeitlich jedoch, etwa durch Verbesserungen im Verfahren oder auch die massive Erweiterung der zur Verfügung stehenden Unterkünfte (dazu im Einzelnen s.u.), reagiert. Auch die gegenwärtige Situation weist Mängel wie administrative Hürden, zeitliche Verzögerungen sowie Engpässe bei den Unterkünften auf, die allerdings als weniger schwerwiegend einzustufen sind und die Schwelle zum systemischen Mangel weder für sich genommen noch im Zusammenspiel überschreiten. Vielmehr ist in der Gesamtschau des vorliegenden Erkenntnismaterials davon auszugehen, dass das Asyl- und Aufnahmeverfahren im wesentlichen richtlinienkonform verläuft und grundsätzlich funktionsfähig ist und dabei insbesondere hinreichend sicherstellt, dass im Rahmen des Dublin-Verfahrens rücküberstellte Asylbewerber, die, wie der Kläger, nicht etwa aufgrund Alters, gesundheitlicher Beeinträchtigungen oder sonstiger besonderer in ihrer Person liegender Umstände besonders schutzwürdig sind, bei normalem Verlauf der Dinge nicht mit schwerwiegenden Verstößen oder Rechtsbeeinträchtigungen im Sinne von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh rechnen müssen.
55 
Im Einzelnen:
56 
2.2.1 In jüngerer Zeit sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013) keine Fälle mehr bekannt geworden, in denen Flüchtlingen und Asylsuchenden die Einreise nach Italien oder der Aufenthalt in Italien verweigert worden oder Flüchtlinge und Asylsuchende ohne die Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen, in ihren Herkunftsstaat oder ein Drittland zurückgeführt worden wären; auch sind dem Auswärtigen Amt keine Fälle neueren Datums bekannt, in denen Asylbewerber trotz laufender Asylverfahren abgeschoben worden wären. Jedenfalls gegenwärtig lässt sich daher nicht mehr feststellen, dass in Italien der Anspruch Schutzsuchender auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens generell oder auch nur regelmäßig vereitelt würde (OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo). Ebenso wenig lässt sich den vorliegenden Erkenntnismitteln entnehmen, dass Asylbewerbern nach erfolglosem Abschluss ihres Asylerstverfahrens die Stellung eines Asylfolgeantrags verweigert worden wäre.
57 
2.2.2 Eine Feststellung, die in den vorliegenden Erkenntnismitteln fast durchgängig bemängelt wird, ist die oftmals lange Verfahrensdauer. Diese rechtfertigt jedoch gegenwärtig nicht (mehr) die Feststellung systemischer Mängel.
58 
2.2.2.1 Das Asylverfahren dauert in vielen Regionen regelmäßig etwa 6 bis 10 Monate, während die gesetzlichen Vorgaben vorsehen, dass die Anhörung des Asylbewerbers binnen 30 Tagen erfolgen, die behördliche Entscheidung binnen weiterer 3 Tagen ergehen soll (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Dieser Umstand hat indes auf die Asylbewerber regelmäßig keine gravierenden Auswirkungen, weil auch Unterbringung und Versorgungsleistungen sowie der Aufenthaltstitel entsprechend verlängert werden (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
59 
2.2.2.2 Anders ist dies, wenn sich die Ausstellung der Verbalizzazione verzögert.
60 
2.2.2.2.1 Vom Asylgesuch bis zur Ausstellung der Verbalizzazione dauert es nach einhelliger Erkenntnislage (etwa CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013) nach wie vor oftmals mehrere Wochen, mitunter, insbesondere in größeren Städten wie Rom oder Mailand, auch mehrere Monate. Diese Verzögerung beruht mitunter auf fehlenden personellen Kapazitäten. Etwa in Mailand oder Rom liegt sie aber auch darin begründet, dass die dortigen Questure systematisch eine Wohnbestätigung oder den Nachweis einer Adresse als Voraussetzung für die Einreichung eines Asylgesuchs verlangen (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013), eine (gesetzlich nicht vorgesehene) Anforderung, die Asylbewerber mitunter nur dann erfüllen können, wenn ihnen Nichtregierungsorganisationen „virtuelle“ Adressen zur Verfügung stellen oder sie Leute dafür bezahlen, dass diese ihnen eine (fiktive) Wohnbestätigung ausstellen (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Diese Wartezeit bis zur Ausstellung der Verbalizzazione führt zu erheblichen Schwierigkeiten für die Asylbewerber. Denn in der Zwischenzeit haben sie Anspruch nur auf medizinische Notfallversorgung (CIR/ecre, National Country Report Italy). In der Praxis haben sie ferner vor Ausstellung der Verbalizzazione keinen Zugang zu CARA- oder SPRAR-Unterkünften, auch wenn von Gesetzes wegen der Zugang zu Unterkunft ab dem Moment der Stellung des Asylgesuchs zu gewährleisten wäre (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013). In diesen Fällen sind alternative Maßnahmen zur Sicherung des Lebensunterhalts von Asylsuchenden selten verfügbar, die Asylsuchenden sind vielmehr oftmals auf sich selbst gestellt und häufig obdachlos (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Allerdings wird dieses Problem von Nichtregierungsorganisationen und kirchlichen Organisationen erkannt, die hier im Rahmen ihrer Möglichkeiten, etwa durch die Vermittlung von provisorischen (Not-)Unterkünften, tätig werden (AA, Auskunft an VG Minden vom 24.05.2013).
61 
Dass Asylbewerber diese Verzögerungen vor einem Gericht angefochten oder überhaupt vorläufigen Rechtsschutz beantragt hätten, ist weder dem Auswärtigen Amt (Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012) noch dem UNHCR (Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; UNHCR, Empfehlungen 2013) bekannt. Die Praxis der Questura Mailand, eine Wohnbestätigung zu verlangen, wurde bereits von Hilfsorganisationen angefochten (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012), vom zuständigen Gericht jedoch gebilligt (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013).
62 
2.2.2.2.2 Von den Schwierigkeiten infolge der erheblichen Wartezeit bis zur Ausstellung der Verbalizzazione sind grundsätzlich auch Dublin-Rückkehrer betroffen. Diese treffen in der Regel auf dem Luftweg in Italien ein. Nach einer erneuten erkennungsdienstlichen Behandlung durch die Polizei erfolgt die Feststellung, welche Questura für die Person zuständig ist und wie der Stand des Verfahrens ist. Davon, ob der Asylbewerber während des laufenden Asylverfahrens Italien verlassen oder ob er in Italien nie ein Asylverfahren durchgeführt bzw., wie der Kläger, das Asylverfahren dort rechtskräftig abgeschlossen hat, hängt der weitere Ablauf ab:
63 
Dublin-Rückkehrer, die sich noch im Asylverfahren befinden, erhalten nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013) umgehend eine Unterkunft in einem entsprechenden Aufnahmezentrum zugewiesen, die ihnen von den auf dem Flughafen tätigen Nichtregierungsorganisationen vermittelt werde. Laut UNHCR hat diese Personengruppe in der Regel Zugang zu Transitunterbringungseinrichtungen (Auskunft an VG Freiburg, 12/2103). Laut Schweizerischer Flüchtlingshilfe (Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013) erfolgt die Unterbringung in einem FER-Projekt, soweit freie Plätze bestehen. Sind für sie nicht die Präfekturen Rom bzw. Varese zuständig, gilt diese Unterkunftsmöglichkeit nur für wenige Tage, bis sie in die für sie zuständige Region weiterreisen, um sich dort bei der Questura zu melden und von dieser einen Berechtigungsschein für ein CARA zu erhalten. Laut borderline-europe e.V. (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012) gibt es in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten mit der Ausstellung dieses Scheins; auch stünden mitunter nicht genügend Plätze zur Verfügung. Plätze in einem SPRAR könnten außerdem nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Betreffende vor seiner Ausreise keinen Platz dort in Anspruch genommen habe.
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Für Dublin-Rückkehrer, die sich, wie der Kläger, noch nicht oder nicht mehr in einem Asylverfahren befinden, etwa für diejenigen, die vor ihrer Asylantragstellung in einem anderen Land durch Italien gereist sind, ohne dort einen Asylantrag gestellt zu haben, erfolgt die Zuweisung der Unterkunft dagegen grundsätzlich, wie bei anderen Asylbewerbern auch, erst nach der Verbalizzazione, die auch für diese Gruppe mitunter erst nach Wochen oder Monaten erfolgt (so ausdrücklich UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012); eine frühere Möglichkeit, in eine FER-Unterkunft oder ein CARA zugewiesen zu werden, hängt von freien Kapazitäten ab (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Borderline-europe (a.a.O.) berichtet davon, von den Dublin-Rückkehrern, die über Rom eingereist seien, hätten nur knapp 8% eine CARA- oder SPRAR-Unterkunft erhalten, weitere etwa 12% eine Kurzzeitunterkunft, um sich von dort aus zu den für sie zuständigen Questure zu begeben. Allerdings bemühen sich die am Flughafen zuständigen Hilfsorganisationen, dem Betreffenden zumindest eine Übergangs- oder Notunterkunft in einer kommunalen oder karitativen Einrichtung zu besorgen; sollte dies nicht umgehend möglich sein, müssen Dublin-Rückkehrer unter Umständen einige Tage am Flughafen verbleiben und dort, zwar ohne besondere Schlafplätze, offenbar aber geduldet, übernachten (SFH, Aufnahmebedingungen, 10/2013; UNHCR, Empfehlungen 2013; AA, Auskunft an OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.09.2013). Nicht ausgeschlossen ist in diesem Zusammenhang indes, dass die Nichtregierungsorganisationen nicht rechtzeitig von der Ankunft von Dublin-Rückkehrern informiert werden und diese daher keine besondere Betreuung am Flughafen erfahren (SFH, a.a.O.).
65 
2.2.2.2.3 Der Umstand, dass der Zugang zu Unterkünften in der Praxis italienischer Behörden von der Ausstellung der Verbalizzazione abhängt und deren Ausstellung zeitlich jedenfalls in der Behördenpraxis (noch) nicht an das Asylgesuch geknüpft ist, ist sicherlich ein gravierender Mangel, der auch im System angelegt ist und grundsätzlich - wenn infolge der intensiveren Betreuung am Flughafen in möglicherweise geringerem Maße - auch Dublin-Rückkehrer wie den Kläger betrifft. Allerdings hat die italienische Regierung dieses Problem erkannt und sich dessen angenommen. So hat im Februar 2013 das italienische Innenministerium eine Weisung an die Questure herausgegeben, wonach die Verbalizzazione zeitlich mit der Asylgesuchsstellung zusammenfallen soll, und versucht, durch ein neues Onlinesystem (VESTANET) die Bearbeitung der Asylgesuche zu beschleunigen, die Bearbeitung von Einzelfällen im gesamten Verfahren zu verbessern, die Zeit zwischen dem erstmaligen Asylgesuch und der formalen Registrierung des Antrags zu überwachen und Verzögerungen umgehend entgegenzuwirken (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; CIR/ecre, National Country Report Italy). Im Report von CIR/ecre (a.a.O.) heißt es, die italienischen Behörden hätten insoweit wichtige Anstrengungen unternommen, um den förmlichen Zugang zum Asylverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Auch der UNHCR (a.a.O.) spricht insoweit von „positiven Entwicklungen“. Seinen jüngsten Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien (07/2013) lässt sich zwar entnehmen, dass es immer wieder zu wochen- oder auch monatelangen Verzögerungen bis zur Erstellung der Verbalizzazione kommt; wenn der UNHCR insoweit jedoch von „einigen Fällen“ oder auch Schwierigkeiten „in einigen regionalen Polizeidirektionen“ spricht, so handelt es sich gegenwärtig nicht mehr um größere Funktionsstörungen oder regelhafte Defizite, die das Asylverfahren in ihrer Gesamtheit prägen, sondern um - freilich in ihren Auswirkungen zulasten der Betroffenen keinesfalls zu unterschätzende - partielle Überlastungen oder verwaltungstechnische Missstände. Und auch insoweit ist davon auszugehen, dass sich die Situation, wenn die neuen Anweisungen und Verwaltungsvereinfachungen landesweit implementiert sind, weiter verbessern wird (so auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 20 A 10656/13 -, juris; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris). Insbesondere für Dublin-Rückkehrer und ihre im Vergleich zu anderweitig ins Land kommende Asylbewerber regelmäßig intensivere Betreuung durch Nichtregierungsorganisationen bereits am Flughafen lässt sich im Hinblick auf die Verzögerungen im Asylverfahren daher nicht (mehr) von einem systemischen Mangel sprechen.
66 
2.2.3 Weitere in vielen der vorliegenden Erkenntnismitteln beklagte Missstände sind die nach wie vor bestehende - und auch Dublin-Rückkehrer betreffende - Überlastung des Aufnahmesystems und die damit verbundenen Lebensbedingungen der Asylbewerber. Aber auch im Hinblick auf die Aufnahmebedingungen ist auf Grundlage der aktuellen Erkenntnismittel nicht (mehr) von strukturellen Mängeln auszugehen.
67 
2.2.3.1 Immer wieder in der Kritik steht die Zahl der Unterkünfte, die Asylsuchenden zur Verfügung gestellt werden.
68 
Die italienische Regierung hat in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen, um die Zahl verfügbarer Unterkünfte zu erhöhen. So gab es im Zusammenhang mit den sprunghaft angestiegenen Asylbewerberzahlen im Jahr 2011 ein Notstandskonzept „Nordafrika“, in dessen Rahmen Aufnahmestrukturen durch den Zivilschutz in der Größenordnung von 26.000 Plätzen bereitgestellt wurden (SFH, Aufnahmebedingungen; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013 spricht sogar von 50.000 Plätzen). Daneben wurde insbesondere die Zahl der regulär verfügbaren Plätze in den vergangenen Jahren massiv erhöht. Noch im Juli 2012 war das Auswärtige Amt (Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; vgl. auch Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2012) von (nur) je 3.000 Plätzen in CARA und SPRAR ausgegangen, während es im August 2013 bereits von insgesamt über 16.000 Plätzen in CARA, CIE, CDA und SPRAR ausging (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013). Die Entwicklung der verfügbaren Unterkünfte spiegelt sich auch in den von CIR/ecre erhobenen Zahlen wider: Während im Länderreport Stand Mai 2013 von insgesamt 4.007 Plätzen in CDA und CARA die Rede war, waren es ein halbes Jahr später bereits 6.866 Plätze; statt 151 SPRAR standen ausweislich CIR/ecre nun bereits 175 Einrichtungen zur Verfügung. Aufgrund eines im September 2013 erlassenen Dekrets des Innenministeriums soll die SPRAR-Kapazität bis 2016 zudem auf 16.000 Plätze erhöht werden (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen; CIR/ecre, National Country Report Italy). Auch durch die Praxis, insbesondere die CARA entgegen ihrer Zweckbestimmung auch für den längerfristigen Aufenthalt zu nutzen, konnte der Überlastungssituation Rechnung getragen werden, und auch wenn das Notstandsprogramm „Nordafrika“ zwischenzeitlich ausgelaufen ist und (Stand September 2013) nur noch etwa 1.000 Personen („vulnerable Cases“ und Asylbewerber, die Widerspruch eingelegt haben, vgl. AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013) dort lebten, zeigt es doch, dass Italien in der Lage ist, Unterbringungsplätze in erheblichem Umfang zusätzlich zur Verfügung zu stellen, wenn dies durch den Zustrom von Flüchtlingen erneut erforderlich werden sollte. Um bestehende Lücken und Fehlentwicklungen aufzudecken, wurde ferner Ende 2012 im Rahmen des Präsidium-Projekts testweise ein Überwachungssystem in staatlichen Einrichtungen eingeführt (UNHCR, Empfehlungen 2013). Laut Auswärtigem Amt bestanden im öffentlichen System im August 2013 rund 8.000 Plätze in CARA-Aufnahmelagern, die in der Praxis dem längerfristigen Aufenthalt von Asylbewerbern dienen, nahezu 3.000 Plätze in CIE und CDA und über 5.000 Plätze in SPRAR (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013). Laut CIR/ecre, Stand November 2013, bestanden zu diesem Zeitpunkt in CARA, CIE und CPSA insgesamt deutlich weniger, nämlich nur gut 7.500 Plätze, dafür in SPRAR 3.000 reguläre sowie 9.500 zusätzliche Plätze.
69 
Finden Asylsuchende keinen Platz in einer öffentlichen Aufnahmeeinrichtung - sei es, weil die Kapazitäten erschöpft sind, sei es, dass sie etwa als Dublin-Rückkehrer, die bereits vor ihrer Ausreise aus Italien einen Platz in einer Aufnahmeeinrichtung beansprucht hatten, keinen erneuten Zugang zu öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen haben -, bekommen sie in der Praxis keine staatliche (finanzielle) Unterstützung, um sich selbst um eine Unterkunft kümmern zu können; die gesetzliche Regelung, wonach der Asylbewerber im Falle fehlender Unterbringungsmöglichkeiten eine finanzielle Unterstützung erhält, um sich selbst eine Unterkunft zu suchen, ist in der Praxis nicht umgesetzt worden (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Für diesen Personenkreis gibt es kommunale, kirchliche und karitative Einrichtungen etwa der CARITAS, die die Asylantragsteller versorgen, ihnen Unterkunftsplätze besorgen und ihnen medizinischen, rechtlichen und psychologischen Beistand zur Verfügung stellen (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Diese nicht-staatlichen Unterkünfte werden teilweise von der öffentlichen Hand finanziert und sind im Auftrag des Staates tätig. Sie sind bei der Frage, ob die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines Verstoßes gegen Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK aufgrund fehlender Unterbringungsmöglichkeiten besteht, mit einzubeziehen. Denn aus Sicht des Unionsrechts ist lediglich entscheidend, dass tatsächlich eine hinreichende Zahl an Unterkünften besteht; dies aber ist auch dann der Fall, wenn der Staat mit nichtstaatlichen Trägern zusammenarbeitet, die zuverlässig einen Teil der erforderlichen Plätze zur Verfügung stellen.
70 
Darüber, ob das verfügbare - im Übrigen je nach Auskunft deutlich differierende - Zahlenmaterial den tatsächlichen Bestand an Unterkünften widerspiegelt und wenn ja, ob die vorhandenen Unterkünfte ausreichend sind, um den Bedarf zu decken, gehen die Ansichten in den aktuellen Erkenntnismitteln auseinander. Das Auswärtige Amt stellt fest, dass - Stand August 2013 - alle Asylbewerber / Flüchtlinge in öffentlichen Zentren untergebracht werden könnten. Lokalen oder regionalen Überbelegungen stünden freie Kapazitäten in anderen Regionen, etwa in Norditalien, gegenüber, und landesweit seien genügend Plätze vorhanden (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013; mit dem gleichen Tenor auch bereits AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Auch nach Auffassung des UNHCR ist Italien in der Lage, den Aufnahmebedarf jedenfalls einer erheblichen Zahl an Asylsuchenden zu decken (Empfehlungen 2013; ähnlich auch bereits im Gutachten an VG Braunschweig vom 24.04.2012). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe zeichnet ein etwas düstereres Bild und berichtet - Stand Oktober 2013 - davon, zurzeit seien die Kapazitäten der Erstaufnahmezentren CARA ausgeschöpft und neu ankommende Flüchtlinge könnten dort nicht untergebracht werden (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Auch anderen Auskünften lässt sich entnehmen, dass die verfügbaren Plätze immer noch nicht ausreichten und die bestehenden Einrichtungen daher oft deutlich überbelegt seien (CIR/ecre, National Country Report Italy), bzw. dass nicht alle Asylbewerber einen Platz in einer Aufnahmeeinrichtung finden (borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012) oder mitunter aufgrund fehlender Kapazitäten erst nach Wochen oder Monaten Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen bekommen können (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Viele Auskünfte berichten davon, dass Asylbewerber unter schlechten Bedingungen in überfüllten Privatunterkünften, die teilweise in besetzten Häusern eingerichtet worden seien, unterkommen müssten (CIR/ecre, National Country Report Italy) oder obdachlos seien (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.v., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012).
71 
Tatsächlich dürfte eine genaue Ermittlung, ob die vorhandenen Plätze rechnerisch gesehen landesweit ausreichend sind, um den Bedarf an Wohnraum zu decken, nur sehr schwer seriös möglich sein. Insoweit ist nicht nur von Bedeutung, dass die vorhandenen Einrichtungen mitunter deutlich mehr Flüchtlinge aufnehmen als die Anzahl, für die sie ausgelegt sind; so sollen etwa im November 2013 9.771 Asylsuchende in CDA/CARA untergebracht gewesen sein, die nur 6.866 reguläre Plätze boten (CIR/ecre, National Country Report Italy). Auch bedürfte es für die Frage, ob die Anzahl an Plätzen ausreichend ist, belastbarem statistischem Material nicht nur zu der Frage, wie lang die durchschnittliche Belegungszeit eines Platzes in einer Unterkunft ist, sondern auch dazu, wie viele Asylbewerber aus eigenem Antrieb keinen Platz in Anspruch nehmen, sondern entweder untertauchen oder in ein anderes europäisches Land weiterreisen. Belastbare Zahlen gibt es jedoch insoweit nicht (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris). Ferner fehlt es auch an methodisch korrekten statistischen Erhebungen zu der Frage, welcher Prozentsatz an Asylsuchenden tatsächlich Interesse an der Zuweisung einer öffentlichen Unterkunft hätte. Vor diesem Hintergrund haben insbesondere die Prozentzahlen der in öffentlichen Unterkünften untergebrachten Dublin-Rückgeführten, die borderline-europe e.V. (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; hierzu ausführlich OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris) nennt, eine nur sehr begrenzte Aussagekraft. Denn diesen Zahlen lässt sich weder entnehmen, wie viele der Rückgeführten bereits über einen Aufenthaltstitel etwa aufgrund der Zuerkennung subsidiären Schutzes in Italien verfügen (und daher keinen Anspruch mehr auf Aufnahme in eine der Unterkünfte haben), noch, wie viele von ihnen überhaupt Interesse an einem Platz in einer öffentlichen Aufnahmeeinrichtung gehabt hätten. Insoweit wäre im Hinblick auf fehlendes Interesse an einer öffentlichen Unterkunft nicht nur an Rückkehrer zu denken, die auf die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens von vornherein verzichten, sondern auch an solche, die bei ihrem letzten Aufenthalt in Italien bereits ein soziales Netzwerk aufgebaut haben, das sie von öffentlichen Unterkünften unabhängig macht, oder solche, die ein Leben in Rom oder Mailand, wo die Wohnraumkapazitäten bekanntermaßen erschöpft sind, auch um den Preis schlechterer Unterbringungsverhältnisse bewusst einem Aufenthalt in einem anderen Landesteil, in dem ihnen eine Unterkunft zugewiesen werden könnte, vorziehen.
72 
Aber auch wenn unter Zugrundelegung der aktuellen Erkenntnismittel davon auszugehen ist, dass insbesondere in Großstädten wie Rom oder Mailand die vorhandenen Aufnahmekapazitäten in staatlichen wie privat betriebenen Einrichtungen erschöpft und die Unterkünfte überfüllt sind und es daher Asylsuchende gibt, die keinen Platz in einer Unterkunft finden und daher ohne Obdach sind oder unter völlig unzureichenden Wohn- und Lebensverhältnissen leben, lässt sich doch den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht entnehmen, dass dieses Schicksal für Asylbewerber gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachte; vielmehr handelt es sich hierbei um drastische Einzelschicksale, die keiner Verallgemeinerung zugänglich sind (darauf hinweisend auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris, sowie nunmehr VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris). Auf Grundlage der genannten Zahlen von mutmaßlich deutlich mehr als 16.000 Plätzen allein in den öffentlichen Unterkünften ist jedenfalls gegenwärtig nicht (mehr) davon auszugehen, dass im Hinblick auf die Unterbringungssituation dauerhafte erhebliche Missstände vorlägen, aufgrund dessen Asylbewerber quasi typischerweise und in signifikanter Zahl der Obdachlosigkeit überlassen würden (so i.Erg. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/10 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo, geht davon aus, alle Asylbewerber fänden Platz in den öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen).
73 
2.2.3.2 Es lässt sich nach den vorliegenden Auskünften auch nicht davon ausgehen, dass systematische Mängel im Hinblick auf die Schwierigkeiten derjenigen Asylsuchenden, die keinen Platz in einer staatlichen Unterkunft gefunden haben, bestünden bei der Zustellung offizieller Schreiben, etwa ablehnender Asylbescheide. Denn auch wenn für Flüchtlinge außerhalb staatlicher Unterkünfte, insbesondere für Obdachlose, der Zugang offizieller Schreiben typischerweise größeren Schwierigkeiten begegnet als für Flüchtlinge in staatlichen Unterkünften, haben sich auch insoweit Strukturen gebildet, die die Situation der Betroffenen erleichtern. Inzwischen bieten Hilfsorganisationen wie die CARITAS Sammeladressen für Personen ohne festen Wohnsitz an, die gegenüber öffentlichen Stellen verwendet werden und an die Poststücke zugestellt werden können (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Derartige Möglichkeiten „virtueller Wohnsitznahme“ gibt es zwar nur in wenigen Städten Italiens, insbesondere in Rom; da es hier aber auch die größten Engpässe in der Wohnraumversorgung gibt, dürfte Dank des den Behörden bekannten und von ihnen akzeptierten Konzepts der virtuellen Wohnsitznahme jedenfalls im Regelfall die Zustellung von Schreiben an den Empfänger gewährleistet sein.
74 
2.2.3.3 Die vorliegenden Erkenntnismittel lassen auch nicht den Rückschluss darauf zu, dass Asylbewerber infolge unzureichender und unzumutbarer Verhältnisse in den staatlichen bzw. privaten Unterkünften, namentlich etwa aufgrund unhygienischer Zustände oder Gewalttätigkeiten, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind. Dabei wird nicht verkannt, dass es in Unterkünften mit einer Vielzahl von Flüchtlingen unterschiedlicher Nationalität, Religion und kultureller Prägung häufiger als in anderen Bereichen der Gesellschaft zu Konflikten und gelegentlich auch gewaltsamen Übergriffen kommen dürfte, zumal in einer Situation, die oftmals von überstandenen Leiden und ungewisser Zukunft geprägt ist. Es dürfte sich dabei allerdings um ein allgemeines Phänomen in Gemeinschaftseinrichtungen handeln, dem die staatlichen Stellen nur bedingt wirksam entgegenwirken können. Auch ist der Kammer bewusst, dass die Aufnahme-, Unterbringungs- und Lebensbedingungen von Asylbewerbern in Italien regelmäßig nicht mit dem hiesigen Standard vergleichbar sein dürften. Andererseits gibt es keine greifbaren Anhaltspunkte, dass die Zustände in den Unterkünften nicht nur in Einzelfällen, sondern regelhaft unzumutbar und unhaltbar sind, so dass schon unter diesem Gesichtspunkt die Feststellung einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung der Asylbewerber gerechtfertigt erschiene. So wird nach Auskunft des Auswärtigen Amtes von den staatlichen Aufnahmezentren und Einrichtungen Kleidung gestellt, ebenso Wäsche und Hygieneartikel zum persönlichen Gebrauch (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Die Verhältnisse im Einzelnen unterscheiden sich und hängen von den jeweiligen Trägern der Unterkünfte ab (CIR/ecre, National Country Report Italy). Laut Auswärtigem Amt stellen sich die hygienischen Verhältnisse aber nicht regelmäßig oder überwiegend in der Weise dar, dass man ernstlich Gefahr läuft zu erkranken. Es seien durchgehend kleinere Schlafräume in Wohnhäusern oder Containern vorhanden, die auch einer ausreichenden Zahl an Toiletten- und Waschräumen sowie zumeist mit Klimaanlagen und Zentralheizung versehen seien. Die Verpflegung werde vielfach in einem gemeinsamen Speisesaal bereitgestellt. Ferner seien in den Einrichtungen Sozialräume sowie getrennte Räumlichkeiten für medizinische Dienste und Sonderfälle vorhanden. Zur Aufrechterhaltung der Sauberkeit der allgemeinen Räumlichkeiten würden spezielle Reinigungsdienste beschäftigt. Es gebe zwar mitunter gewaltsame Überfälle, hierbei handelt es sich aber um Einzelfälle. Darüber hinaus würden die Aufnahmeeinrichtungen zumindest durch die Polizei oder Carabinieri überwacht und geschützt; wegen auftretender Spannungen zwischen verschiedenen Ethnien seien in manchen Einrichtungen zudem zusätzliche Polizeikräfte postiert worden (vgl. dazu auch OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo).
75 
2.2.3.4 Ist nach den vorliegenden Erkenntnismitteln, wie gesehen, davon auszugehen, dass jedenfalls die meisten Flüchtlinge Platz in einer staatlichen Unterkunft erhalten, so ist dort ihr Lebensunterhalt - wenn auch auf niedrigem Niveau - gesichert. Es lässt sich den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht entnehmen, dass den Flüchtlingen dort entgegen der Gesetzeslage keine Kleidung, Nahrung oder Hygieneartikel zur Verfügung gestellt würden.
76 
Nach Auskunft des Auswärtigen Amts (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012) werden auch diejenigen Flüchtlinge, die außerhalb staatlicher Einrichtungen, etwa in karitativen oder kirchlichen Unterkünften, leben, teilweise unter Einbeziehung privater Dienstleister, mit Nahrung und Kleidung versorgt. Dagegen berichtet etwa borderline-europe (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012), Asylsuchende, die in keinem Zentrum untergebracht seien, erhielten weder Sach- noch Geldleistungen zur Abdeckung ihrer Grundbedürfnisse wie Nahrung oder Kleidung. Geklärt sein dürfte jedoch, dass für diese Gruppe der Flüchtlinge Hilfsorganisationen die notwendige grundlegende Versorgung der bei ihnen lebenden Flüchtlinge übernehmen. Auch für diesen Personenkreis dürfte daher nicht festzustellen sein, dass dieser regelhaft in einem menschenrechtlichen Mindeststandards widersprechenden Zustand leben müsse. Dies schließt es nicht aus, dass einzelne Asylbewerber in prekären Verhältnissen extremer Armut und Obdachlosigkeit leben; dieser Umstand ist aber für die Annahme, der Kläger werde im Falle seiner Überstellung nach Italien ernstlich der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK ausgesetzt sein (vgl. dazu auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, juris), nicht ausreichend.
77 
2.2.3.5 Schließlich ist nach aktueller Auskunftslage auch nicht davon auszugehen sein, dass Flüchtlinge regelhaft von medizinischen Leistungen ausgeschlossen sind.
78 
Zwar mag es im Einzelfall auch bei Bewohnern öffentlicher Unterkünfte - sei es durch fehlende Informationen, sei es durch fehlerhaft arbeitende oder überlastete Verwaltungen - zu Schwierigkeiten kommen, in den Besitz einer Gesundheitskarte zu gelangen. Dies ist aber offenbar der Ausnahmefall.
79 
Für Asylbewerber, auch Dublin-Rückkehrer, die keinen festen Wohnsitz vorweisen können, hat dieser Umstand allerdings Konsequenzen. Der Erhalt der Gesundheitskarte ist an das Erfordernis eines festen Wohnsitzes geknüpft. Während das Auswärtige Amt davon ausgeht, es genüge insoweit die Angabe des Asylbewerbers, berichtet borderline-europe (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012), die Anmeldung eines Wohnsitzes werde durch die Behörde überprüft. Die Associazione per gli Studi Giuridici sull’Immigrazione (Asylbewerber in Italien, Bericht vom 20.11.2012) berichtet darüber hinaus davon, viele Flüchtlinge würden aufgrund von bürokratischen und restriktiven Interpretationen seitens der Gemeinden nicht im Einwohnermelderegister eingetragen. Selbst wenn dies so wäre, führte dieser Umstand jedoch nicht dazu, dass diese Flüchtlinge vom Erhalt der Gesundheitskarte ausgeschlossen würden. Denn vor allem in Rom - wo die Wohnungsnot, wie gesehen, und daher auch der Anteil der nicht in öffentlichen Unterkünften untergebrachten Flüchtlinge vermutlich am größten ist - besteht, wie bereits erwähnt, die Möglichkeit einer von den Behörden anerkannten, durch Hilfsorganisationen wie die CARITAS zur Verfügung gestellten „virtuellen Wohnsitznahme“ (borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. dazu auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Davon abgesehen ist jedenfalls die medizinische Notfallversorgung in Italien auch ohne Gesundheitskarte gewährleistet.
80 
2.2.3.6 Vor diesem Hintergrund lässt sich trotz nach wie vor bestehender Defizite in den Aufnahmebedingungen und auch unter Berücksichtigung der gravierenden Folgen, die das Fehlen einer zumutbaren Unterkunft für den hiervon Betroffenen im Einzelfall hat, nicht feststellen, dass die bestehenden Engpässe und Mängel die Funktionsfähigkeit des Aufnahmesystems insgesamt in Frage stellen und so gravierend sind, dass sie das Asylverfahren regelhaft seiner Funktion berauben.
81 
2.3 Im Ergebnis lässt sich daher auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnismittel feststellen, dass Asylsuchende, die nach den Regelungen der Dublin-II-Verordnung nach Italien überstellt werden sollen, derzeit jedenfalls dann, wenn in ihrer Person keine besonderen (etwa gesundheitlichen) Gründe gegeben sind, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer durch das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen verursachten unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh rechnen müssen. Dies scheint der Auffassung des UNHCR zu entsprechen, der sich - anders als seinerzeit im Falle Griechenlands - trotz deutlicher Worte in Bezug auf bestehende Defizite und Mängel im italienischen Asyl- und Aufnahmesystem nicht veranlasst gesehen hat, sich gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien auszusprechen.
82 
Vorliegend aber sind keine besonderen Umstände des Einzelfalles ersichtlich, die befürchten ließen, dass gerade dem Kläger in Italien entgegen der allgemeinen Lageeinschätzung eine mit Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK nicht vereinbare Behandlung drohte. Der Kläger hat nach seiner Ankunft in Italien die Möglichkeit, einen Asylfolgeantrag zu stellen. Bis zum Abschluss dieses Verfahrens hat er, da er nach eigenen Angaben während des Asylerstverfahrens nie einen Platz in einer Unterkunft zugewiesen bekommen hat, die Möglichkeit, in einer öffentlichen Einrichtung unterzukommen, wo neben der Unterkunft auch Essen, Bekleidung und sonstige persönliche Bedürfnisse sichergestellt sind. Sollte sich der Kläger dagegen dafür entscheiden, nach seiner Rückkehr keinen erneuten Asylantrag zu stellen, bestünden zu seinen Gunsten - nachdem das Asylerstverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist - keine Verfahrensgarantien nach der Genfer Flüchtlingskonvention, und auch die Aufnahmerichtlinie (RL 2003/9/EG) fände auf ihn gemäß Art. 3 Abs. 1 keine Anwendung (mehr). Er wäre vielmehr, wenn sein Aufenthalt nicht behördlicherseits legalisiert wird, verpflichtet, Italien zu verlassen, und hätte keinen Anspruch auf Unterstützung mehr (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Kommt er seiner Ausreisepflicht nicht nach, kann er kein Mehr an Unterstützung verlangen, als dies italienischen Staatsangehörigen zuteil wird. Ein staatliches Sozialhilfesystem aber existiert in Italien nur sehr eingeschränkt; vielmehr sind auch italienische Staatsangehörige grundsätzlich verpflichtet, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen, was naturgemäß mit Schwierigkeiten verbunden, für einen gesunden, arbeitsfähigen Mann wie den Kläger aber, wie er bereits bei seinem ersten Aufenthalt in Italien bewiesen hat, nicht unmöglich ist. Der Umstand, dass es in Italien anders als in Deutschland kein System staatlicher Unterstützung auch für ausreisepflichtige, jedoch tatsächlich noch nicht abgeschobene Ausländer gibt, reicht, nachdem, wie bereits gesehen, aus Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh nicht die Verpflichtung erwächst, jemandem finanzielle Unterstützung zu gewähren, um ihm einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen, nicht für die Annahme aus, der Kläger werde im Falle seiner Überstellung nach Italien ernstlich der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh ausgesetzt sein.
III.
83 
Die Abschiebungsanordnung in Ziff. 2 des angefochtenen Bescheides ist hiernach ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen nach § 27a AsylVfG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies ist der Fall, nachdem Italien keine Einwände gegen seine Zuständigkeit erhoben hat und der Abschiebung keine relevanten Hindernisgründe entgegenstehen.
84 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Das Gericht sieht von einem Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach Ermessen ab.

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Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 10. Apr. 2014 - A 4 K 2202/11 zitiert 6 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

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(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. (2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 40


(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Stre

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 87b


(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Die Fristsetzung nach Satz 1 kann mit d

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Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 10. Apr. 2014 - A 4 K 2202/11 zitiert oder wird zitiert von 16 Urteil(en).

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Tenor I. Der Antrag wird mit der Maßgabe abgelehnt, dass die Abschiebung des Antragstellers nur gemeinsam mit seiner Mutter erfolgen darf und erst, sobald die Antragsgegnerin in Abstimmung mit der zuständigen italienischen Behörde sic

Verwaltungsgericht München Beschluss, 11. Nov. 2014 - M 16 S 14.50551

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Tenor I. Der Antrag wird mit der Maßgabe abgelehnt, dass die Abschiebung der Antragstellerin nur gemeinsam mit ihrem Kind erfolgen darf und erst, sobald die Antragsgegnerin in Abstimmung mit der zuständigen italienischen Behörde sicher

Verwaltungsgericht München Beschluss, 04. Juli 2014 - 23 S 14.50311

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Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gründe I. Am 3. Dezember 2013 stellte der Antragsteller, ein kongolesischer Staatsangehöriger,

Verwaltungsgericht Schwerin Beschluss, 16. Okt. 2014 - 3 B 915/14 As

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Tenor Die aufschiebende Wirkung der Klage 3 A 1737/14 As wird angeordnet. Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen. Gründe I. 1 Der Antragsteller wendet sich im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes

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(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (A 4 K 2202/11) gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 25.08.2011 wird angeordnet.

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, dem Regierungspräsidium Karlsruhe mitzuteilen, dass eine Abschiebung des Antragstellers nach Italien vorläufig nicht durchgeführt werden darf.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

 
A. Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage (A 4 K 2202/11) gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 25.08.2011, zugestellt am 02.11.2011, anzuordnen (§ 80 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylVfG), ist zulässig.
I. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes richtet sich vorliegend nach § 80 Abs. 5 VwGO. Der Antragsteller beantragt im Hauptsacheverfahren (A 4 K 2202/11) die isolierte Aufhebung des Bescheids der Antragsgegnerin vom 25.08.2011, hat folglich eine isolierte Anfechtungsklage erhoben. Die Anfechtungsklage ist in Fällen der §§ 27a, 34a AsylVfG statthafte Klageart. Denn die antragsgemäße Entscheidung des Gerichts - Aufhebung der ablehnenden Entscheidung, mit der die Durchführung eines Asylverfahrens für unzulässig erklärt wurde - führt zu einer formellen und materiellen Prüfung des Asylantrags durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, ohne dass dem Kläger eine mit umfassenden Verfahrensgarantien ausgestattete Tatsachenentscheidung genommen wird (für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage in Fällen des § 27a AsylVfG auch VG Wiesbaden, Urteil vom 17.06.2011 - 7 K 327/11.WI.A -, juris, unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 -, juris; VG Neustadt, Urteil vom 16.06.2009 - 5 K 1166/08.NW -, juris; ohne nähere Begründung auch VG Braunschweig, Urteil vom 01.06.2010 - 1 A 47/10 -, juris; VG München, Urteil vom 29.11.2011 - M 24 K 11.30219 -, juris; VG Ansbach, Beschluss vom 08.11.2011 - AN 11 S 11.30508 -, juris; VG Frankfurt, Urteil vom 23.06.2010 - 7 K 2789/09.F.A. -, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 01.02.2010  - Au 5 S 10.30014 -, juris; a.A. [Statthaftigkeit nur der Verpflichtungsklage] OVG NRW, Urteil vom 10.05.2010 - 3 A 133/10.A -, juris). Ist aber in der Hauptsache die Anfechtungsklage statthaft, richtet sich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 123 Abs. 5 VwGO allein nach § 80 Abs. 5 VwGO.
II. § 34a Abs. 2 AsylVfG, der seinem Wortlaut nach vorläufigen Rechtsschutz bei Abschiebungen nach § 34a Abs. 1 AsylVfG ausschließt, steht dem nicht entgegen. Zwar handelt es sich bei der geplanten Abschiebung des Antragstellers um eine solche nach § 34a Abs. 1 AsylVfG, denn der Antragsteller soll nach Italien als dem gemäß § 27a AsylVfG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 b und c, Art. 4 und Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 - Dublin II-VO - für die Durchführung seines Asylverfahrens zuständigen Staat überstellt werden. Auch im Falle von Italien kommt jedoch angesichts der jüngsten Berichte zur Lage der Flüchtlinge dort eine im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG verfassungskonforme Auslegung bzw. Reduktion des § 34a Abs. 2 AsylVfG, wie sie das Bundesverfassungsgericht in Fällen der Abschiebung nach Griechenland annimmt (vgl. zul. Beschluss vom 15.07.2010 - 2 BvR 1460/10 -, juris), zum Tragen.
1. Das Bundesverfassungsgericht hat im Hinblick auf § 26a AsylVfG (sicherer Drittstaat) bereits im Jahr 1996 entschieden (Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 -, juris), dass die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes trotz der in § 34a Abs. 2 AsylVfG enthaltenen Ausschlussregelung und trotz des der Drittstaatenreglung zugrundeliegenden Konzepts der normativen Vergewisserung gleichwohl statthaft und geboten sein kann, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass der Ausländer von einem Sonderfall betroffen ist, der vom Vergewisserungskonzept nicht aufgefangen wird. Auch in den Fällen, in denen Gegenstand des Eilrechtsschutzantrags eine beabsichtigte Abschiebung in einen nach der Dublin II-Verordnung zuständigen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ist, kann eine verfassungsrechtlich gebotene Reduktion des § 34a Abs. 2 AsylVfG in Betracht kommen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.07.2010 - 2 BvR 1460/10 -, juris). Diese ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf § 27a AsylVfG dann geboten, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass der Ausländer von einem Sonderfall betroffen ist, der außerhalb des Konzepts normativer Vergewisserung über die Sicherheit im jeweiligen EU-Mitgliedstaat liegt. An diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen. Das Konzept normativer Vergewisserung bezieht sich darauf, dass diese Staaten Flüchtlingen den nach der Genfer Flüchtlingskonvention und der Menschenrechtskonvention gebotenen Schutz gewähren, was beinhaltet, dass es schutzsuchenden Ausländern nach den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen möglich ist, ein Schutzgesuch tatsächlich anzubringen und dadurch die Verpflichtung einer zuständigen Stelle zu begründen, hierüber nach vorgängiger Prüfung eine Entscheidung zu treffen. Ein Sonderfall kann daher ausnahmsweise dann vorliegen, wenn sich ein Staat von seinen mit seinem Beitritt zur Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK eingegangenen und von ihm auch generell eingehaltenen Verpflichtungen löst und Ausländern Schutz dadurch verweigert, dass er sich ihrer ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigt (BVerfG, Urteil vom 14.05.1996., a.a.O.), oder wenn das Asylverfahren in einem Staat in der Praxis solche erheblichen strukturellen Mängel aufweist, dass Asylbewerber nur eine sehr geringe Chance haben, dass ihr Antrag ernsthaft geprüft wird (EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09 -, NVwZ 2011, 413). Auch der EuGH hat jüngst (Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u. C-493/10 -, juris) bekräftigt, grundsätzlich sei von einer Vermutung dahingehend auszugehen, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK stehe. Dessen ungeachtet ist nach Auffassung des EuGH jedoch die Überstellung eines Asylbewerbers in einen Staat mit Art. 4 Grundrechte-Charta unvereinbar, wenn systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Statuiert der EuGH für diesen Fall eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den im Sinne der Dublin II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, muss in diesem Ausnahmefall in einschränkender Auslegung des § 34a AsylVfG die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes möglich sein.
2. Unter Berücksichtigung der aktuellen Auskunftslage bestehen erhebliche Zweifel an einer Befugnis der Antragsgegnerin zur Rücküberstellung des Antragstellers nach Italien auf Grundlage des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Denn jedenfalls nach der im Eilverfahren gebotenen und auch nur möglichen summarischen Prüfung ist zweifelhaft, ob Italien gegenwärtig seinen übernommenen Verpflichtungen rechtlich und tatsächlich in ausreichendem Umfang nachkommt und die hinreichende Gewähr dafür bietet, dass Ausländer, die dort einen Asyl- oder Schutzantrag gestellt haben bzw. im Falle ihrer Rücküberstellung noch stellen wollen, nicht von individuellen Gefährdungen i.S.d. Art. 4 Grundrechte-Charta, Art. 3 EMRK betroffen sind.
a) Die in Italien herrschenden Zustände für Asylbewerber, die im Rahmen einer Überstellung nach der Dublin II-Verordnung dorthin zurückkehren, waren bereits vor Beginn der Unruhen in der arabischen Welt im Februar vergangenen Jahres kritikwürdig: Der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe („Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011) deutet darauf hin, dass insbesondere die Richtlinie 2003/9/EG zum Flüchtlingsschutz, nach der die Mitgliedstaaten insbesondere solche materiellen Aufnahmebedingungen schaffen, die Lebensunterhalt einschließlich Unterbringung wie auch Gesundheit der Asylbewerber gewährleisten (vgl. Art. 13 Abs. 2 und Art. 14 dieser Richtlinie), derzeit in vielen Bereichen nicht umgesetzt wird. Der ausführliche Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe schildert Obdachlosigkeit und fehlende existenzielle Versorgung der großen Mehrheit der Asylsuchenden: Zwar sollten Asylsuchende für die Dauer des Asylverfahrens in Erstaufnahmeeinrichtungen, den so genannten CARA (Centri di accoglienza per richiedenti asilo), untergebracht werden; hier seien etwa 2.000 Plätze verfügbar. In der Zeit zwischen dem Erstkontakt mit italienischen Behörden und der formellen Registrierung ihres Asylgesuchs (Verbalizzazione) durch die personell nicht ausreichend ausgestatteten Questura - ein Zeitraum, der einige Monate dauern könne - hätten Asylsuchende jedoch keinen Zugang zu Unterkünften und lebten meist auf der Straße; auch müssten Asylsuchende das CARA regelmäßig nicht nur in jedem Fall nach Erlass des erstinstanzlichen Entscheids, sondern auch dann, wenn das Asylverfahren nicht abgeschlossen ist, nach längstens sechs Monaten verlassen. Das staatliche Aufnahmesystem SPRAR (Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugiati), das italienweit die Unterbringung und Integration von Schutzberechtigten und teilweise auch Asylsuchenden gewährleisten solle, sei mit nur gut 3.000 Plätzen völlig überlastet. Die allermeisten Asylsuchenden hätten, auch wenn sie sich nach sechs Monaten um Arbeitsstellen bewerben dürften, aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit in Italien keine Chance auf reguläre Arbeit, die es ihnen ermöglichte, sich selbst zu versorgen. Sie würden mit der Entlassung aus dem CARA in den meisten Fällen obdachlos und lebten unter freiem Himmel oder in besetzen Häusern unter unhaltbaren Lebensbedingungen; nachdem der Erhalt von Unterstützungsleistungen an den Aufenthalt in einem Zentrum geknüpft sei, habe die Obdachlosigkeit schwerwiegende Folgen nicht nur für ihre grundlegenden Menschenrechte, sondern auch für die weitere Durchführung ihres Asylverfahrens. Auch Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, hätten häufig Schwierigkeiten, eine Unterkunft zu erhalten und seien für die Sicherstellung ihrer lebensnotwendigen Bedürfnisse auf Hilfsorganisationen und NGO’s angewiesen. Diese Bedingungen gälten im wesentlichen auch für auf Grundlage der Dublin II-Verordnung auf dem Luftweg nach Italien zurückgeführte Asylsuchende; die italienischen Behörden seien ebenso wenig wie bei sonstigen Asylsuchenden in der Lage, ihnen bei Rückkehr nach Italien würdige Lebensbedingungen zu gewährleisten, auch insoweit fehle es an Plätzen im staatlichen Aufnahmesystem SPRAR.
b) Mit dieser Einschätzung der Lage steht die Schweizerische Flüchtlingshilfe nicht allein. Vielmehr existieren mehrere in ihren inhaltlichen Aussagen im wesentlichen übereinstimmende Berichte von Nichtregierungsorganisationen, die ausweislich des EuGH geeignet sind, die Mitgliedstaten in die Lage zu versetzen, sich ein Bild über das Funktionieren des Asylsystems im zuständigen Mitgliedstaat zu machen (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.): Der ausführliche Bericht von Maria Bethke und Dominik Bender („Zur Situation von Flüchtlingen in Italien“, Februar 2011; abrufbar unter http://www.proasyl.de/fileadmin/fm-dam/q_PUBLIKATIONEN/2011/Italienbericht_FINAL_15MAERZ2011.pdf) nach ihrer Recherchereise im Oktober 2010, der Bericht der Norwegian Organization für Asylum Seekers („The Italian approach to asylum: System and core problems“, April 2011; abrufbar unter http://www.noas.org/) und der aus dem November 2009 stammende Bericht der Schweizerischen Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht („Rückschaffung in den 'sicheren Drittstaat' Italien“; abrufbar unter http://www.beobachtungsstelle.ch/index.php?id=428&L=2%2F%2F%3F_SERVER%5BDOCUMENT_ROOT%5D%3D) vermitteln ein ganz ähnliches Bild der Situation von Flüchtlingen in Italien (vgl. zur Auswertung aktueller Quellen auch Maria Bethke, „Die Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten in Italien“, Stand 7/2011; abrufbar unter http://www.nds-fluerat.org/6521/aktuelles/infos-fuer-dublin-ii-verfahren-italien/). Im Bericht von Bethke/Bender (a.a.O.) sowie in der Quellenauswertung von Bethke wird insbesondere darauf hingewiesen, dass das Platz- und Obdachlosigkeitsproblem auch Rückkehrer im Rahmen von Dublin-II-Verfahren betreffe, die weder Anspruch auf Wohnraum noch auf existenzsichernde Sozialleistungen hätten; in den Jahren 2008 und 2009 seien nur etwa 12 % der Dublin-Rückkehrer in ein SPRAR-Projekt vermittelt worden, während die ganz überwiegende Mehrzahl der Obdachlosigkeit überlassen worden sei. Weiter verweisen Bethke/Bender (a.a.O.) ausdrücklich darauf, dass bei obdachlosen Personen oder solchen, die in besetzen Häusern wohnten, Postzustellungen nicht möglich seien, so dass amtliche Dokumente, etwa ein im italienischen Asylverfahren noch ausstehender Bescheid, sie nicht erreichen könnten; ebenso wenig sei es ihnen möglich, eine für ein in Deutschland ggf. noch laufendes Gerichtsverfahren notwendige ladungsfähige Anschrift anzugeben.
c) Für die Lagebeurteilung nicht außer Betracht gelassen werden darf weiter der Umstand, dass sich die zitierten Erkenntnismittel mit den Zuständen in Italien beschäftigen, wie sie sich im wesentlichen vor dem Frühjahr 2011 darstellten, zu einem Zeitpunkt also, zu dem die Zahl der Asylanträge in Italien rückläufig war; so wurden im Jahr 2008 30.145 Asylanträge gestellt, 2009 17.670 und 2010 (nur) noch 10.050 (zu den Zahlen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Entscheiderbrief 7/2011). Bereits diese vergleichsweise geringen Zahlen führten zu den in den zitierten Berichten beschriebenen massiven Schwierigkeiten der Asylbewerber, angesichts ihrer prekären Lebenssituation, aber auch angesichts der völlig überlasteten behördlichen Strukturen ein Asylverfahren zu betreiben. Seit Beginn der Unruhen in Nordafrika aber stieg die Zahl der Flüchtlinge, die Italien erreichen, sprunghaft an; nach Angaben des UNHCR (http://www.unhcr.de/home/artikel/042d9651d6d525aad46e97d7ee7848db/hunderte-neuankoemmlinge-aus-libyen-und-tunesien-in-italien.html?L=0) hatten im Jahr 2011 bis Mitte August 52.000 Menschen im Zuge der nordafrikanischen Flüchtlingskrise Italien erreicht, italienische Quellen sprechen Ende September 2011 von über 60.000 Flüchtlingen, die seit Jahresbeginn die italienische Küste erreicht haben (http://www.interno.it/mininterno/export/sites/default/it/sezioni/sala_stampa/notizie/immigrazione/0000070_2011_09_29_informativa_Viale_al_Senato.html). Angesichts dieser Zahlen gibt es keinerlei Anhaltspunkte für eine zwischenzeitliche Verbesserung der Situation der Flüchtlinge in Italien.
d) Diesen Berichten hat die Antragsgegnerin nichts substantiiert entgegengesetzt. Die - unbestrittene - Tatsache, dass es anders als bei Griechenland im Falle von Italien keine Empfehlung des UNHCR dahingehend gibt, Asylsuchende nicht an diesen Staat zu überstellen, genügt nach Auffassung der Kammer nicht; auch das Bundesverfassungsgericht hat sich in seinen die Lage in Griechenland betreffenden Entscheidungen nicht isoliert auf eine entsprechende Stellungnahme des UNHCR, sondern auf die „umfangreichen Stellungnahmen verschiedener Organisationen zur Situation von Asylantragstellern in Griechenland“ berufen (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 22.12.2009 - 2 BvR 2879/09 -, juris; Beschluss vom 13.11.2009 - 2 BvR 2603/09 -, juris). Der Hinweis der Antragsgegnerin darauf, aus dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe ergebe sich keine Empfehlung, Flüchtlinge nicht nach Italien zurückzuschieben, ist in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend. Für bestimmte Personengruppen - verletzliche Personen sowie Asylsuchende, bei denen prima facie die Flüchtlingseigenschaft oder ein subsidiäres Schutzbedürfnis als bestehend betrachtet werden kann - fordert die Schweizerische Flüchtlingshilfe vielmehr explizit die Mitgliedstaaten auf, Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO (Souveränitätsklausel) anzuwenden, um eine Verletzung von Art. 3 EMRK zu verhindern. Aber auch bei allen anderen Asylsuchenden fordert die Schweizerische Flüchtlingshilfe die Mitgliedstaaten ausdrücklich auf, vor der Überstellung der Betroffenen deren Situation sorgfältig abzuklären und dafür zu sorgen, von den italienischen Behörden eine verbindliche Zusage zu erhalten, dass sie in der Lage sind, die Rückkehrenden ab ihrer Ankunft angemessen zu unterstützen. Für eine sorgfältige Abklärung oder gar eine Kontaktaufnahme mit den italienischen Behörden bestehen vorliegend nach Aktenlage indes - insoweit in Übereinstimmung mit der gängigen Praxis der EU-Mitgliedstaaten - keine Anhaltspunkte; in einer solchen Situation aber sind die Empfehlungen, die die Schweizerische Flüchtlingshilfe ausgesprochen hat, durchaus dahingehend zu verstehen, dass eine Überstellung aus Gründen des Menschenrechtsschutzes unterbleiben solle. Ebenso wenig vermag die Kritik des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Entscheiderbrief 7/2011) an den Erkenntnisquellen und den in der Rechtsprechung hieraus gezogenen Konsequenzen zu überzeugen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beruft sich in erster Linie, wie auch die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall, auf die von Gesetzes wegen in Italien bestehenden Rechte von Asylsuchenden auf Unterkunft, Arbeit und Sozialleistungen, setzt sich jedoch nicht auseinander mit den vielfältigen konkreten Hinweisen auf die erhebliche Diskrepanz zwischen den von Italien eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen, denen durch entsprechende Rechtsakte auf formeller Ebene Rechnung getragen worden sein mag, und ihrer Umsetzung in der Praxis. Das Auswärtige Amt und das Bundesamt stellen - soweit ersichtlich - keine eigenen Erkenntnisse zur Verfügung; auch im Übrigen fehlt es an jeglichen Erkenntnismitteln, die eine von den zitierten Auskünften abweichende - günstigere - Lagebeurteilung der Verhältnisse in Italien erlaubten.
10 
e) Nach Auffassung der Kammer nach der bisherigen Recherche und Lektüre der aktuellen Informationen zur Lage in Italien liegen damit aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe im Sinne der EuGH-Rechtsprechung (Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.) für die Annahme vor, der Antragsteller laufe tatsächlich Gefahr, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Angesichts der konkreten Umstände - insbesondere der unter Flüchtlingen verbreiteten Obdachlosigkeit, welche die Zustellung amtlicher Dokumente und damit auch das Betreiben behördlicher wie gerichtlicher Verfahren maßgeblich erschwert, wenn nicht unmöglich macht, aber auch der gerichtsbekannten langen Laufzeiten italienischer Gerichtsverfahren - bestehen nach Aktenlage auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, die Asylbewerber hätten faktisch die Möglichkeit, die ihnen ausweislich der von Italien unterzeichneten internationalen Abkommen wie auch nationalen Gesetze zustehenden (Menschen-)Rechte innerhalb eines überschaubaren Zeitraums einzuklagen. Daher ist der Antrag des Antragstellers in verfassungs- bzw. europarechtskonformer Reduktion des § 34a Abs. 2 AsylVfG zulässig (so für Fälle der Überstellung nach Italien auch VG Freiburg, Beschluss vom 20.10.2011 - A 1 K 1936/11 -; Beschluss vom 06.09.2011 A 3 K 1738/11 -; Beschluss vom 25.10.2011 - A 5 K 2081/11 -; VG Arnsberg, Beschluss vom 25.03.2011 - 12 L 165/11.A -, asyl.net; VG Minden, Beschluss vom 01.09.2011 - 3 L 427/11.A -, asyl.net; VG Stuttgart, Beschluss vom 01.08.2011 - A 6 K 2577/11 -, juris; VG Meiningen, Beschluss vom 21.09.2011 - 8 E 20262/11 -, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 01.08.2011 - 21 L 1083/11.A -, asyl.net; VG Osnabrück, Beschluss vom 23.05.2011 - 5 B 38/11 -, juris; i.Erg. auch VG Wiesbaden, Beschluss vom 12.04.3022 - 7 L 303/11.WI.A -, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 08.07.2011 - Au 6 S 11.30229 -, juris (unter Verweis auf besondere Schutzbedürftigkeit des Antragstellers); a.A. VG Saarlouis, Beschluss vom 22.08.2011 - 5 L 744/11 -, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 05.09.2011 - Au 6 E 11.1320 -, juris; VG Ansbach, Beschluss vom 21.09.2011 - AN 11 S 11.30425 -, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 12.09.2011 - 6 L 866/11.A -, juris; VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 23.05.2011 - 9 L 1025/11.F.A. -, asyl.net; VG Bremen, Beschluss vom 24.01.2012 - 6 V 1549/11.A -, juris).
11 
B. Der Antrag ist auch begründet. Im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Prüfung hat das Gericht das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Bescheids dem privaten Interesse des Betroffenen an einem Absehen von der sofortigen Vollziehung gegenüber zu stellen und abzuwägen. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache maßgeblich. Lassen sich die offensichtliche Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids und damit die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs im Rahmen der summarischen Prüfung nicht ohne weiteres feststellen, hat das Gericht eine Interessenabwägung zu treffen. Dabei hat es die Folgen abzuschätzen, die einträten, wenn der Bescheid sofort vollzogen würde, ein Hauptsacherechtsbehelf des Antragstellers hingegen später Erfolg hätte bzw. wenn der Bescheid nicht sofort vollzogen würde, aber der Hauptsacherechtsbehelf später erfolglos bliebe.
12 
I. Der vorliegende Antrag ist nicht schon deshalb begründet, weil, wie der Antragsteller meint, die zuständigen Behörden der Republik Italien die Übernahme des Asylverfahrens nicht angezeigt hätten und daher nicht feststehe, ob Italien die Übernahme des Antragstellers akzeptiere, so dass die Abschiebungsanordnung rechtswidrig sei. Denn nach Art. 20 Abs. 1 c) Dublin II-VO wird in Fällen, in denen - wie vorliegend - der ersuchte Mitgliedstaat innerhalb der Frist keine Antwort erteilt, davon ausgegangen, dass er die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiert.
13 
II. Das Gericht kommt jedoch im Rahmen der ihm nach § 80 Abs. 5 VwGO obliegenden Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass das private Interesse des Antragstellers, bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht abgeschoben zu werden, das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Abschiebungsanordnung überwiegt.
14 
Im vorliegenden Fall bestehen, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Die offensichtliche Begründetheit der Klage in der Hauptsache lässt sich jedoch wegen der schwierigen Sach- und Rechtsfragen im Rahmen der summarischen Prüfung nicht feststellen; hierzu bedarf es vielmehr einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren, gegebenenfalls nach Durchführung einer Beweisaufnahme. In der daher vorzunehmenden Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO gebührt dem Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung der Abschiebung der Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug der nach summarischer Prüfung rechtswidrigen Abschiebungsanordnung. Denn gegenüber dem Anspruch des Antragstellers auf Schutz entsprechend der europaweit vereinbarten Mindeststandards hat das öffentliche Interesse an der Umsetzung der Zuständigkeitsregelungen der Dublin II-Verordnung zurückzutreten. Dies gilt umso mehr, als die Rückstellungsfristen des Art. 19 Abs. 3 Satz 1, Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO erst nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu laufen beginnen dürften, weil die Klage hier ausnahmsweise nach nationalem Recht aufschiebende Wirkung hat, so dass eine Rücküberstellung des Antragstellers im Falle seines Unterliegens in der Hauptsache wohl immer noch möglich sein dürfte (Hess. VGH, Beschluss vom 23.08.2011 - 2 A 1863/10.Z.A. -, juris, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08 -, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 08.07.2011 - Au 6 S 11.30229 -, juris, m.w.N.). Umgekehrt bestünde bei einer Überstellung nach Italien im laufenden Verfahren angesichts der dem Antragsteller dort drohenden Obdachlosigkeit die konkrete Gefahr, behördlich und gerichtlich unerreichbar zu sein mit der Folge, dass selbst im Falle seines Obsiegens in der Hauptsache die Folgen nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten (vgl. VG Freiburg, Beschluss vom 20.10.2011 - A 1 K 1936/11 -).
15 
Nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Regierungspräsidium Karlsruhe - Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge - bereits die Abschiebungsanordnung übersandt hat, war der Antragsgegnerin zur Sicherung effektiven Rechtsschutzes für den Antragsteller entsprechend § 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO aufzugeben, dem Regierungspräsidium die Aussetzung der Abschiebung mitzuteilen.
16 
Der Antragsgegnerin bleibt es unbenommen, bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zu stellen.
17 
Die Kostenentscheidung folgt § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).
18 
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Die Fristsetzung nach Satz 1 kann mit der Fristsetzung nach § 82 Abs. 2 Satz 2 verbunden werden.

(2) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann einem Beteiligten unter Fristsetzung aufgeben, zu bestimmten Vorgängen

1.
Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen,
2.
Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen sowie elektronische Dokumente zu übermitteln, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist.

(3) Das Gericht kann Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn

1.
ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und
2.
der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
3.
der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen. Satz 1 gilt nicht, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln.

(4) Abweichend von Absatz 3 hat das Gericht in Verfahren nach § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 15 und § 50 Absatz 1 Nummer 6 Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückzuweisen und ohne weitere Ermittlungen zu entscheiden, wenn der Beteiligte

1.
die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
2.
über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

Tatbestand

1

Der Kläger, nach eigenen Angaben ein somalischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Einstellung seines Asylverfahrens nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG.

2

Er beantragte am 23. August 2010 die Anerkennung als Asylberechtigter. Ihm wurden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - am gleichen Tag Fingerabdrücke abgenommen. Dabei wurde festgestellt, dass eine Auswertung zum Zwecke des erkennungsdienstlichen Abgleichs nicht möglich war. Der mit der Abnahme der Fingerabdrücke befasste Mitarbeiter des Bundesamts hielt in einem Vermerk fest, dass die Fingerkuppen des Klägers Spuren von Manipulationen aufwiesen (z.B. Verletzungen der Haut), was dieser bestritt. Daraufhin wurde der Kläger mit Schreiben vom 23. August 2010 aufgefordert, sein Asylverfahren dadurch zu betreiben, dass er zum einen binnen eines Monats in der Außenstelle des Bundesamts erscheine und sich "auswertbare Fingerabdrücke" abnehmen lasse. Zum anderen solle er schriftlich darlegen, in welchen Staaten er sich nach dem Verlassen seines Herkunftslandes aufgehalten habe, ob er dort bereits einen Asylantrag gestellt habe und dieser ggf. abgelehnt worden sei. Gleichzeitig wurde er unter Bezugnahme auf § 33 AsylVfG darauf hingewiesen, dass sein Asylantrag als zurückgenommen gelte, wenn er das Verfahren länger als einen Monat nicht betreibe und in diesem Fall über das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 7 AufenthG nach Aktenlage zu entscheiden sei. Ihm wurde eine Übersetzung des Schreibens in die Sprache Somali überreicht.

3

Der Kläger hat sich in einem weiteren Termin - nach Angaben des Bundesamts am 8. September 2010 - erneut Fingerabdrücke abnehmen lassen, die nach Mitteilung des Bundeskriminalamts vom 8. Oktober 2010 wiederum nicht verwertbar waren.

4

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 27. Oktober 2010 fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt und das Asylverfahren eingestellt ist (Ziff. 1). Weiter wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 2). Schließlich wurde der Kläger unter Androhung der Abschiebung in den Herkunftsstaat aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen (Ziff. 3). Das Bundesamt hat den Bescheid im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Kläger der Betreibensaufforderung nicht nachgekommen sei. Weder am 23. August 2010 noch beim Folgetermin hätten verwertbare Fingerabdrücke gewonnen werden können. Die angeforderten schriftlichen Erklärungen (zum Reiseweg) habe der Kläger nicht abgegeben. Die Feststellung von Abschiebungsverboten nach Abs. 2 bis  scheitere bereits daran, dass für den Kläger kein Herkunftsland habe festgestellt werden können.

5

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des Bescheids sowie hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG hinsichtlich Somalias. Zur Begründung hat er geltend gemacht, es habe kein Anlass zum Erlass einer Betreibensaufforderung vorgelegen. Zudem habe er sein Verfahren dadurch betrieben, dass er sich einer weiteren erkennungsdienstlichen Maßnahme unterzogen habe.

6

Während des Klageverfahrens forderte das Bundesamt den Kläger mit einem an seine Verfahrensbevollmächtigten gerichteten Schreiben vom 26. Oktober 2011 erneut auf, das Verfahren dadurch zu betreiben, dass er beim Bundesamt erscheine und sich Fingerabdrücke abnehmen lasse. Dazu erhalte er vom Bundesamt einen Ladungstermin. Die Pflicht zur Duldung erkennungsdienstlicher Maßnahmen umfasse auch die Verpflichtung, im Vorfeld der erneuten Fingerabdrucknahme alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit der Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten. Das Schreiben ging den Verfahrensbevollmächtigten am 28. Oktober 2011 zu.

7

Mit Schreiben vom 9. November 2011 wurde der Kläger zur erneuten erkennungsdienstlichen Behandlung auf den 24. November 2011 geladen. Er erschien an diesem Termin; die abgenommenen Fingerabdrücke erwiesen sich wiederum als nicht auswertbar. Nach einem Vermerk stellte der mit der Abnahme befasste Mitarbeiter des Bundesamts an den Fingerkuppen des Klägers Abschürfungen, Vernarbungen, starke Hornhautbildung, Verhärtungen, besonders trockene Finger und äußerst schwache Papillarlinien fest. Der Kläger bestritt, seine Fingerkuppen manipuliert zu haben.

8

Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des Bundesamts aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten mit Urteil vom 14. Januar 2013 zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass der Asylantrag nicht nach § 33 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG als zurückgenommen gelte. Denn der Kläger sei gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG nicht verpflichtet, Fingerabdrücke abzugeben, die im Rahmen des Eurodac-Systems verwertbar seien. Er habe vielmehr seiner gesetzlichen Mitwirkungspflicht genügt, indem er sämtlichen Aufforderungen der Beklagten, erkennungsdienstliche Maßnahmen nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG zu dulden, gefolgt sei und sich Fingerabdrücke habe abnehmen lassen. Beschränke der Gesetzgeber die Mitwirkung im Fall einer erkennungsdienstlichen Behandlung auf eine Duldungspflicht, sei es dem Bundesamt verwehrt, durch behördliche Verfügung darüber hinausgehende Mitwirkungshandlungen einzufordern und diese bei Unterbleiben mit einer Verfahrenseinstellung zu sanktionieren. Mangels entsprechender gesetzlicher Verpflichtung zur Abgabe verwertbarer Fingerabdrücke komme es nicht darauf an, ob der Kläger die Unverwertbarkeit seiner Fingerabdrücke zu vertreten habe. Soweit die Einstellungsverfügung auch darauf gestützt sei, dass der Kläger entgegen der Betreibensaufforderung keine Angaben zum Reiseweg und bereits gestellten Asylanträgen gemacht habe, sei er dazu vom Bundesamt nicht angehört worden. Auch insoweit lägen daher die Voraussetzungen des § 33 AsylVfG nicht vor.

9

Die Beklagte rügt mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, die Auslegung des § 15 AsylVfG seitens des Berufungsgerichts verletze Bundesrecht. Aus § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG oder dem Rückgriff auf Absatz 1 der Vorschrift ergebe sich die Pflicht, alle zielgerichteten Maßnahmen zu unterlassen, die den Erfolg einer erkennungsdienstlichen Behandlung vereiteln könnten. Nach der maßgeblich unionsrechtlich beeinflussten gesetzlichen Konzeption habe das Bundesamt vorrangig die Frage der Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union für die Prüfung des Schutzbegehrens zu klären. Selbst wenn Deutschland zuständig sei, müsse geklärt werden, ob und ggf. mit welchem Ergebnis der Asylbewerber zuvor ein Asylverfahren betrieben habe, da ein weiteres Asylbegehren sich als Zweitantrag darstelle.

10

Der Kläger hält sich in Übereinstimmung mit den Urteilen der Vorinstanzen nicht für verpflichtet, verwertbare Fingerabdrücke abzugeben. Ferner rügt er, in der Betreibensaufforderung vom 23. August 2010 nur unzureichend belehrt worden, insbesondere nicht darauf hingewiesen worden zu sein, dass die Einstellung des Verfahrens unmittelbar den Erlass einer Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylVfG zur Folge habe. Der an seine Verfahrensbevollmächtigten gerichteten Betreibensaufforderung vom 26. Oktober 2011 sei keine Übersetzung beigefügt gewesen.

11

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht schließt sich weitgehend der Rechtsauffassung der Beklagten an. Nach seiner Auffassung darf das Bundesamt nicht darauf verwiesen werden, die Tatsache einer Manipulation der Fingerkuppen nur bei der Prüfung der Voraussetzungen einer Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG zu würdigen. Die Betreibensaufforderung diene gerade der Klärung, ob die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung vorlägen oder ob eine Überstellung des Ausländers in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zu erfolgen habe, in dem der Kläger (bei Schutzbedürftigkeit) internationalen Schutz beanspruchen könne.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Beklagten hat Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Aufhebung der angefochtenen Einstellungsverfügung durch das Verwaltungsgericht mit einer Begründung bestätigt, die Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 VwGO). Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof zutreffend entschieden, dass sich aus § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG keine Garantieverpflichtung des Asylbewerbers ableiten lässt, für die Auswertbarkeit seiner Fingerabdrücke einstehen zu müssen. Die in der Vorschrift normierte Mitwirkungspflicht umfasst aber entgegen der Auffassung der Vorinstanz die Verpflichtung, im Vorfeld der Abnahme von Fingerabdrücken deren Auswertbarkeit nicht zu vereiteln. Da das Berufungsgericht die Aufforderung zur Schilderung des Reisewegs in der Betreibensaufforderung vom 23. August 2010 zu Unrecht beanstandet und unter Verletzung von § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die zweite Betreibensaufforderung vom 26. Oktober 2011 und das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit der dritten erkennungsdienstlichen Behandlung vom 24. November 2011 nicht in den Blick genommen hat, kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen im Berufungsurteil weder zugunsten noch zulasten des Klägers selbst abschließend entscheiden. Daher ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

13

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens ist das Asylverfahrensgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258).

14

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die hier erhobene Anfechtungsklage statthaft ist. Der Gesetzgeber hat mit der in §§ 32, 33 AsylVfG geregelten Verfahrenseinstellung durch Verwaltungsakt dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - eine Handlungsmöglichkeit zur Verfügung gestellt, gegen die der Betroffene nur im Wege der Anfechtungsklage Rechtsschutz erlangen kann. Macht das Bundesamt von dieser gesetzlichen Ermächtigung fehlerhaft Gebrauch, darf das Gericht mit der Aufhebung der nach §§ 32, 33 AsylVfG getroffenen Entscheidung nicht zugleich über die Begründetheit des Begehrens auf Gewährung von Asyl und Zuerkennung der Flüchtlingsanerkennung entscheiden. Vielmehr ist die Sachentscheidung nach den Regelungen des Asylverfahrensgesetzes zunächst dem Bundesamt vorbehalten. Der Asylsuchende muss die Aufhebung dieses Bescheides erreichen, wenn er eine Entscheidung über seinen Asylantrag erhalten will (so schon Urteil vom 7. März 1995 - BVerwG 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 S. 2).

15

2. Nach § 33 Abs. 1 AsylVfG gilt ein Asylantrag, der nach § 13 Abs. 1 und 2 AsylVfG auch den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erfasst, als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Verfahren trotz Aufforderung des Bundesamts länger als einen Monat nicht betreibt (Satz 1). In der Aufforderung ist der Ausländer auf die nach Satz 1 eintretende Folge hinzuweisen (Satz 2). Liegen die Voraussetzungen einer (fiktiven) Antragsrücknahme vor, darf das Bundesamt keine Sachentscheidung mehr über den Asylantrag treffen. Vielmehr hat es nach § 32 AsylVfG in seiner Entscheidung festzustellen, dass das Asylverfahren eingestellt ist und ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 bis 5 oder 7 AufenthG vorliegt (Satz 1). In den Fällen des § 33 AsylVfG ist nach Aktenlage zu entscheiden (Satz 2). Das Bundesamt erlässt ferner eine Abschiebungsandrohung; die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist beträgt nach §§ 34, 38 Abs. 2 AsylVfG eine Woche.

16

Die Vorschriften über die fiktive Rücknahme des Asylantrags im Verwaltungsverfahren bei Nichtbetreiben des Verfahrens und die daran anknüpfende Einstellungsentscheidung des Bundesamts wurden durch das Gesetz zur Neuregelung des Asylverfahrens vom 26. Juni 1992 (BGBl I S. 1126) in das Asylverfahrensgesetz eingefügt. Die in § 33 AsylVfG getroffene Regelung ist der für das Gerichtsverfahren geltenden fiktiven Rücknahme der Klage (§ 81 AsylVfG) nachgebildet (vgl. BTDrucks 12/2062 S. 33). Durch sie soll verhindert werden, dass Ausländer das Asylverfahren durch bewusstes Nichtbetreiben verzögern. Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter sowie die weitreichenden Konsequenzen der Vorschrift dürfen die Anforderungen an das Verhalten eines Schutzsuchenden, mit dem dieser sein fortbestehendes Interesse an einer behördlichen Sachentscheidung zum Ausdruck bringen muss, nicht überspannt werden (vgl. zur Betreibensaufforderung im gerichtlichen Verfahren: BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1998 - 2 BvR 2662/95 - DVBl 1999, 166; BVerwG, Beschluss vom 18. September 2002 - BVerwG 1 B 103.02 - Buchholz 310 § 92 VwGO Nr. 16). Diese bisher nur für die gerichtliche Betreibensaufforderung formulierten Maßstäbe sind auch auf § 33 AsylVfG übertragbar (so auch Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, Stand: Januar 2010, § 33 Rn. 6).

17

Die Aufforderung im Sinne des § 33 Abs. 1 AsylVfG setzt einen bestimmten Anlass voraus, der geeignet ist, Zweifel an dem Bestehen oder Fortbestehen des Sachentscheidungsinteresses zu wecken. Solche Zweifel können sich auch aus einer Vernachlässigung verfahrensrechtlicher Mitwirkungspflichten ergeben; in diesem Fall dient die Betreibensaufforderung dazu, den Ausländer nachdrücklich auf diese Pflichten hinzuweisen (vgl. Urteil vom 23. April 1985 - BVerwG 9 C 48.84 - BVerwGE 71, 213 <219> = Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 3 S. 12; Beschluss vom 18. September 2002 a.a.O.). Berechtigte Zweifel können sich aber nur aus der Verletzung einer Mitwirkungspflicht ergeben, die eine gesetzliche Grundlage hat. Auch die Betreibensaufforderung selbst darf inhaltlich nur auf die Erfüllung einer gesetzlich begründeten Mitwirkungspflicht gerichtet sein. Das Instrument der Betreibensaufforderung stellt sich gerade auch in solchen Fällen als geeignete Reaktion auf eine Vernachlässigung gesetzlicher Mitwirkungspflichten dar, in denen der Ausländer bei der Klärung der Zuständigkeit deutscher Behörden für die Sachentscheidung über das Asylbegehren nicht hinreichend mitwirkt.

18

Die allgemeinen Mitwirkungspflichten von Asylbewerbern und Ausländern, die die Anerkennung als Flüchtling im Sinne von § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG begehren, ergeben sich aus § 15 AsylVfG. Diese Vorschrift wurde ebenfalls durch das Gesetz zur Neuregelung des Asylverfahrens 1992 in das Asylverfahrensgesetz eingefügt. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist der Ausländer persönlich verpflichtet, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. § 15 Abs. 2 AsylVfG regelt beispielhaft ("insbesondere") einzelne, besonders wichtige Mitwirkungspflichten (BTDrucks 12/2062 S. 30). Danach ist der Ausländer u.a. verpflichtet, den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden die erforderlichen Angaben mündlich und nach Aufforderung auch schriftlich zu machen (Nr. 1), den gesetzlichen oder behördlichen Anordnungen, sich bei bestimmten Behörden oder Einrichtungen zu melden oder dort persönlich zu erscheinen, Folge zu leisten (Nr. 3) und die vorgeschriebenen erkennungsdienstlichen Maßnahmen zu dulden (Nr. 7).

19

3. Anlass zum Erlass einer Betreibensaufforderung kann sich folglich aus der Verletzung der dem Asylbewerber nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG auferlegten Pflicht zur Duldung der vorgeschriebenen erkennungsdienstlichen Maßnahmen ergeben. Zwar lässt sich aus dieser Vorschrift keine Garantieverpflichtung für die Auswertbarkeit der Fingerabdrücke ableiten. Die in § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG normierte Mitwirkungspflicht umfasst aber auch die Verpflichtung des Asylbewerbers, im Vorfeld einer geplanten Fingerabdrucknahme alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit seiner Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten.

20

Inhalt und Bedeutung der Mitwirkungspflicht des Ausländers bei der erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG ergeben sich aus dem Sinnzusammenhang der Regelung mit § 16 AsylVfG und den unionsrechtlichen Regelungen zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach der Verordnung (EG) Nr. 343 des Rates vom 18. Februar 2003 (ABl EU L Nr. 50 vom 25. Februar 2003 S. 1) - sog. Dublin-Verordnung - und der Verordnung vom 11. Dezember 2000 über die Einrichtung von "Eurodac" für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens (Abl EG L 316/1) - Eurodac-Verordnung. Zu dulden sind nach Art, Umfang und Zielsetzung die nach § 16 AsylVfG gebotenen erkennungsdienstlichen Maßnahmen, auch wenn der Asylbewerber selbst nicht unmittelbarer Adressat dieser Regelung ist. Auch § 16 AsylVfG wurde durch das Gesetz zur Neuregelung des Asylverfahrens vom 26. Juni 1992 (BGBl I S. 1126) in das Asylverfahrensgesetz eingefügt. Die Vorschrift regelt, welche Mittel der Identitätsfeststellung zulässig sind, wer dafür zuständig ist, wer dabei Amtshilfe leistet, in welchem Rahmen die erhobenen Daten verwendet, gespeichert und übermittelt werden dürfen und wann sie zu löschen sind. In § 16 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG wird die Verpflichtung der zuständigen Behörde zur Sicherung der Identität eines um Asyl nachsuchenden Ausländers durch erkennungsdienstliche Maßnahmen begründet, sofern er das 14. Lebensjahr vollendet hat. Zur Identitätssicherung nach Satz 1 dürfen gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG nur Lichtbilder und Abdrücke aller zehn Finger aufgenommen werden. Nach Satz 3 darf zur Bestimmung des Herkunftsstaats oder der Herkunftsregion auch das gesprochene Wort des Ausländers auf Ton- oder Datenträger aufgezeichnet werden. Dabei ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien das Ziel des Gesetzgebers, durch eine generelle erkennungsdienstliche Behandlung der Gefahr entgegen zu wirken, dass Asylsuchende gleichzeitig oder nacheinander unter verschiedenen Namen und unter Verschweigen des anhängigen oder abgeschlossenen anderweitigen Asylverfahrens einen weiteren Asylantrag stellen (BTDrucks 12/2062 S. 30).

21

Außerdem dient § 16 AsylVfG der Erfüllung der unionsrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus der Eurodac-Verordnung (BTDrucks 14/7386 S. 59; allgemein S. 36). Nach Art. 4 Abs. 1 der Eurodac-Verordnung ist die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, jedem Asylbewerber, der mindestens 14 Jahre alt ist, unverzüglich die Fingerabdrücke aller Finger abzunehmen und der Eurodac-Zentraleinheit zu übermitteln. Die Zentraleinheit vergleicht sie nach Art. 4 Abs. 3 der Verordnung mit den von anderen Mitgliedstaaten übermittelten und in der zentralen Datenbank bereits gespeicherten Daten, auf Wunsch auch mit früher übermittelten Fingerabdruckdaten des gleichen Mitgliedsstaats (Art. 4 Abs. 4 Verordnung). Zweck des Eurodac-Systems ist es, die Anwendung des Dubliner Übereinkommens über die Bestimmung des für die Prüfung zuständigen Mitgliedsstaats zu erleichtern (Art. 1 Abs. 1 der Eurodac-Verordnung). Um den Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus der Eurodac-Verordnung nachzukommen, muss das Bundesamt den Asylbewerbern Fingerabdrücke in einer Qualität abnehmen, die einen Datenabgleich innerhalb des Eurodac-Systems ermöglicht.

22

Dient § 16 AsylVfG jedenfalls auch der Erfüllung der Verpflichtungen aus der Eurodac-Verordnung und verpflichtet § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG den Ausländer, die in § 16 AsylVfG inhaltlich näher bestimmten erkennungsdienstlichen Maßnahmen zu dulden, ergibt sich daraus für die Abnahme von Fingerabdrücken Folgendes: § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG ist nur als Duldungspflicht formuliert. Diese soll der Behörde aber erkennungsdienstliche Maßnahmen im Sinne von § 16 Abs. 1 AsylVfG ermöglichen, die zur Auswertung im Eurodac-System geeignet sind. Den Asylsuchenden trifft mit der ihm obliegenden Pflicht zur Duldung dieser erkennungsdienstlichen Maßnahmen zwar nicht die Garantieverpflichtung zu gewährleisten, dass die von ihm abgegebenen Fingerabdrücke im Rahmen des Eurodac-Systems auswertbar sind. Er ist nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. § 16 Abs. 1 AsylVfG aber verpflichtet, alle Maßnahmen zu unterlassen, die eine Identitätsfeststellung auf Grundlage der gesetzlichen Vorschriften - einschließlich der Eurodac-Überprüfung - erschweren oder vereiteln (ähnlich Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, § 33, Stand: Mai 2011, Rn. 21.3). Dieser Inhalt der gesetzlichen Verpflichtung des Asylbewerbers ergibt sich hinreichend klar aus einer an Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung orientierten Auslegung, ohne dass es hierfür - wie das Berufungsgericht meint - einer gesetzlichen Neuregelung oder Klarstellung bedarf.

23

Die dem Asylbewerber nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG auferlegte Pflicht zur Duldung der Abnahme seiner Fingerabdrücke und Unterlassung aller Maßnahmen, die eine Verwertbarkeit der Fingerabdrücke zum Zwecke der Identitätsfeststellung erschweren oder vereiteln, ist mit Art. 11 der Richtlinie 2005/85/EG vom 1. Dezember 2005 (Asylverfahrensrichtlinie) vereinbar. Diese Fassung der Verfahrensrichtlinie findet nach der Übergangsregelung in Art. 52 der Richtlinie 2013/32/EU vom 26. Juni 2013 im vorliegenden Verfahren weiterhin Anwendung. Nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85/EG können die Mitgliedstaaten die Asylbewerber verpflichten, mit den zuständigen Behörden zusammenzuarbeiten, sofern diese Verpflichtung für die Bearbeitung des Antrags erforderlich ist. Der Katalog der Pflichten in Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie, die Asylbewerbern auferlegt werden dürfen, enthält die Verpflichtung zur Duldung der Abnahme von Fingerabdrücken zwar nicht. Das ist aber auch nicht erforderlich, da es sich nur um Regelbeispiele handelt ("insbesondere"). Die Auferlegung einer Pflicht zur Mitwirkung bei der Abnahme von Fingerabdrücken ist jedoch durch die Generalklausel des Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie gedeckt, wonach die Asylbewerber von den Mitgliedstaaten zu den Mitwirkungshandlungen verpflichtet werden können, die für die Bearbeitung des Asylantrags erforderlich sind. Denn die Abnahme von Fingerabdrücken, die für einen Datenabgleich im Eurodac-System geeignet sind, gehört zu den für die Antragsbearbeitung erforderlichen Pflichten. Dies unterstreicht auch Art. 23 Abs. 4 Buchst. n der Richtlinie, der eine Verpflichtung der Antragsteller zur Abnahme ihrer Fingerabdrücke als nach gemeinschaftsrechtlichen oder nationalen Rechtsvorschriften zumindest möglich voraussetzt. Auch aus der Pflicht der Mitgliedstaaten zur Fingerabdrucknahme nach der Eurodac-Verordnung ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten insoweit die Antragsteller zur Duldung der Fingerabdrucknahme verpflichten dürfen.

24

Eine weitergehende Pflicht zur Abgabe auch auswertbarer Fingerabdrücke kann auch nicht aus § 15 Abs. 1 AsylVfG hergeleitet werden. Die in Absatz 2 der Vorschrift speziell geregelten Pflichten sind zwar nicht abschließend ("insbesondere"). Auch soweit Pflichten in Bezug auf erkennungsdienstliche Behandlungen nicht abschließend in § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG normiert sein sollten, verlangte eine Einstandspflicht für die Auswertbarkeit abgenommener Fingerabdrücke dem Asylbewerber mehr ab, als dieser zumutbar zu leisten vermag; dies bürdete dem Asylbewerber nicht zuletzt auch das Risiko einer ihm nicht zurechenbaren Nichtauswertbarkeit auf.

25

4. Mit dem Instrument der Betreibensaufforderung darf auf die Verletzung der Pflicht zur Mitwirkung an der Identitätsklärung reagiert werden. Dies schließen weder die nationalen noch die unionsrechtlichen Vorschriften über die Behandlung von Asylanträgen aus.

26

§ 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG, nach dem ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist, wenn der Asylbewerber über seine Identität täuscht oder diese Angaben verweigert, bildet keine abschließende Regelung. § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG setzt einen als unbegründet abzulehnenden Asylantrag und damit die Befugnis des Bundesamts für die Sachprüfung des Antrages voraus. Er tritt selbständig neben die Möglichkeit, zur Prüfung dieser Befugnis einen Asylbewerber nach § 33 AsylVfG durch entsprechende Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens durch Mitwirkung an der Identitätsfeststellung anzuhalten und im Falle des Nichtbetreibens das Verfahren ohne Sachprüfung einzustellen. Der vorliegende Fall gibt dabei keinen Anlass, das Verhältnis beider Regelungen näher zu bestimmen. Jedenfalls in der hier vorliegenden Fallkonstellation kommt ein Vorgehen nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (Betreibensaufforderung und ggf. die Verfahrenseinstellung) dem gesetzgeberischen Ziel näher, Mehrfachanerkennungen und einander widersprechende Sachentscheidungen über Asylanträge innerhalb der EU zu vermeiden. Denn ohne die Möglichkeit der Verfahrenseinstellung nach §§ 32, 33 AsylVfG im Fall der unzureichenden Mitwirkung bei der Identitätsfeststellung müsste das Bundesamt eine Sachentscheidung über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft treffen, obwohl ihm dies nach § 60 Abs. 1 Satz 6 i.V.m. Satz 2 AufenthG verwehrt ist, wenn dem Betroffenen die Rechtsstellung eines Konventionsflüchtlings bereits außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zuerkannt worden ist. Demgegenüber gewährleistet die Möglichkeit der Verfahrenseinstellung nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG, dass über seinen Antrag nicht inhaltlich entschieden wird, wenn der Asylbewerber in zurechenbarer Weise die Klärung seiner Identität verhindert.

27

Auch das Unionsrecht lässt für Fälle der vorliegenden Art Raum für eine Betreibensaufforderung nach § 33 AsylVfG. Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85/EG (Asylverfahrensrichtlinie) eröffnet ausdrücklich sowohl die Einstellung des Verfahrens als auch die Ablehnung des Asylantrags als alternative Reaktionen im Falle des Nichtbetreibens des Verfahrens durch den Asylbewerber. Zwar ermöglicht Art. 28 Abs. 2 i.V.m. Art. 23 Abs. 4 Buchst. n der Asylverfahrensrichtlinie den Mitgliedstaaten auch die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet, wenn der Antragsteller sich weigert, der Verpflichtung zur Abnahme seiner Fingerabdrücke gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften nachzukommen. Hiermit wird jedoch nur eine von mehreren Möglichkeiten eröffnet, wie die Mitgliedstaaten auf die Verletzung der Mitwirkungspflicht reagieren können. Dass insoweit keine abschließende Regelung getroffen wurde, ergibt sich schon daraus, dass Art. 23 Abs. 4 der Asylverfahrensrichtlinie auf die Grundprinzipien nach Kapitel II der Richtlinie verweist, wozu die Möglichkeit der Einstellung der Antragsprüfung nach Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie im Fall der Nichtbetreibung des Verfahrens zählt. Wollte man dem nicht folgen, müsste auch bei ungeklärter Identität des Asylbewerbers stets eine Sachentscheidung ergehen. Dies würde aber dem unionsrechtlichen Ziel der Bestimmung eines - und nur eines - zuständigen Mitgliedstaats für die Asylentscheidung durch Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der Dublin-Verordnung widersprechen.

28

Das Urteil des französischen Cour Nationale du Droit d' Asile vom 21. Februar 2012 (No. 11032252) besagt nichts anderes. Danach widerspricht es französischem Recht, den Asylantrag eines Ausländers wegen fehlender Ausweisdokumente und nicht verwertbarer Fingerabdrücke abzulehnen, ohne sich mit den individuellen Gegebenheiten des Schutzgesuchs auseinanderzusetzen. Die Begründung der Entscheidung bezieht sich nämlich nicht auf Unionsrecht, sondern ausschließlich auf die in Frankreich geltenden nationalen Rechtsvorschriften, in denen eine Verfahrenseinstellung entsprechend den §§ 32, 33 AsylVfG gerade nicht vorgesehen ist.

29

5. Berechtigte Zweifel am Bestehen eines Sachentscheidungsinteresses ergeben sich allerdings nicht allein aus der Unverwertbarkeit der einem Schutzsuchenden abgenommenen Fingerabdrücke. Denn die Unverwertbarkeit von Fingerabdrücken ist nicht zwangsläufig auf eine zielgerichtete Manipulation zurückzuführen. Sie kann ihre Ursache beispielsweise auch in einer genetischen Disposition oder Erkrankung des Betroffenen haben (zur Seltenheit eines angeborenen Fehlens von Papillarleisten vgl. Bettina Burger u.a., Das "Immigrationsverzögerungs-Leiden" in: HAUT 2011 S. 25 f.) oder auf die Folgen einer Chemotherapie zurückzuführen sein. Außerdem kann sie auf einer fehlerhaften Abnahme und/oder Auswertung der Fingerabdrücke durch die Behörde beruhen. Auch eine untypische Häufung von Qualitätsmängeln bei bestimmten Herkunftsländern stellt für sich genommen keinen hinreichenden Anlass dar. Anders verhält es sich jedoch, wenn über die bloße Unverwertbarkeit der Fingerabdrücke hinaus bei der Abnahme konkrete Anhaltspunkte für eine Manipulation der Fingerkuppen bestehen, etwa wenn die Fingerkuppen sichtbare Anomalien aufweisen (z.B. Abschürfungen, Vernarbungen, Schleifspuren, Fehlen von oder auffallend geringe Höhe der Papillarleisten) und der Betroffene diese nicht schlüssig erklären kann. Gleiches gilt bei mehrfacher Unverwertbarkeit der Fingerabdrücke mit unterschiedlichen Fehlstellen. In diesen Fällen besteht der Verdacht, dass der Asylsuchende die Verwertbarkeit seiner Fingerabdrücke durch eigenes Tun vereitelt hat, um so seine wahre Identität zu verschleiern. Ein derartiges Verhalten ist geeignet, Zweifel an der Ernsthaftigkeit seines Asylbegehrens zu begründen. Das Bundesamt ist gut beraten, wenn es dann die Indizien, die auf eine Manipulation hindeuten, und die Einlassung des Betroffenen hinreichend dokumentiert, um im Streitfall das Bestehen berechtigter Zweifel am Vorliegen eines Sachentscheidungsinteresses nachweisen zu können.

30

Liegt ein hinreichender Anlass für den Erlass einer Betreibensaufforderung vor, muss diese folgenden Maßgaben genügen: Eine besondere Form ist für die Betreibensaufforderung nicht vorgeschrieben. Als verfahrensleitende Verfügung braucht sie in Ermangelung einer entsprechenden Regelung nicht förmlich zugestellt zu werden, wie in § 31 Abs. 1 AsylVfG für Entscheidungen über Asylanträge vorgeschrieben (vgl. Urteil vom 7. März 1995 - BVerwG 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 S. 6). Wegen der mit ihrem Zugang in Lauf gesetzten Monatsfrist bedarf es aber eines Nachweises, dass und zu welchem Zeitpunkt die Aufforderung dem Betroffenen tatsächlich zugegangen ist. Außerdem bestehen wegen der einschneidenden Folgen der gesetzlichen Rücknahmefiktion besondere Anforderungen hinsichtlich der inhaltlichen Bestimmtheit einer Betreibensaufforderung. Sowohl der die Betreibensaufforderung auslösende Anlass als auch das von dem Schutzsuchenden erwartete Verhalten sind in der Aufforderung so weit zu individualisieren und zu konkretisieren, dass dieser hinreichend deutlich erkennen kann, warum das Bestehen eines Sachentscheidungsinteresses angezweifelt wird. Schließlich muss klar erkennbar sein, welche konkreten Mitwirkungshandlungen von dem Betroffenen binnen Monatsfrist verlangt werden, um so den Eintritt der gesetzlichen Rücknahmefiktion nach Ablauf eines Monats zu verhindern. Dabei gehen etwaige Unklarheiten hinsichtlich Art und Umfang des vom Ausländer zur Vermeidung der Rücknahmefiktion konkret erwarteten Verhaltens zu Lasten der Behörde.

31

Außerdem ist der Schutzsuchende über die gesetzlich eintretende Rücknahmefiktion zu belehren (§ 33 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG). Dazu gehört, dass er zutreffend und unmissverständlich auf die Monatsfrist des § 33 AsylVfG hingewiesen wird, innerhalb derer er die geforderte Mitwirkung erbringen muss und nach deren Ablauf der Antrag als zurückgenommen gilt, wenn er der Aufforderung nicht nachkommt (Beschluss vom 1. März 2002 - BVerwG 1 B 403.01 - Buchholz 402.25 § 81 AsylVfG Nr. 1). Des Weiteren gebietet der Grundsatz des fairen Verfahrens (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. März 1994 - 2 BvR 2371/93 - DVBl 1994, 631), den Asylbewerber darüber zu belehren, dass das Bundesamt im Fall der Beendigung des Verfahrens ohne weitere Anhörung nach Aktenlage über etwaige Abschiebungsverbote entscheidet (§ 32 AsylVfG). Eines darüber hinausgehenden Hinweises auf den mit einer Einstellungsverfügung im Fall der negativen Entscheidung über Abschiebungsverbote regelmäßig verbundenen Erlass einer Abschiebungsandrohung gemäß § 34 AsylVfG bedarf es jedoch - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht. Denn selbst für einen anwaltlich nicht vertretenen Asylbewerber ist erkennbar, dass die Einstellung seines Asylverfahrens wegen Verletzung einer ihm obliegenden Mitwirkungspflicht bei gleichzeitiger negativer Entscheidung über Abschiebungsverbote die Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen zur Folge haben wird. Schließlich muss das Bundesamt den Asylbewerber über den Inhalt der ergangenen Aufforderung und die erforderliche Belehrung über die Monatsfrist und die Folgen ihrer Versäumung - jedenfalls in Fällen, in denen er anwaltlich nicht vertreten ist und die Betreibensaufforderung ihm unmittelbar zugeht - in einer für ihn verständlichen Sprache unterrichten, etwa durch Übersetzung der Betreibensaufforderung (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG).

32

Inhaltlich muss eine Betreibensaufforderung auf die Erfüllung einer gesetzlich begründeten Mitwirkungspflicht gerichtet sein. Weiter muss die geforderte Handlung zur weiteren Durchführung des Asylverfahrens erforderlich und dem Schutzsuchenden tatsächlich möglich und zumutbar sein. Wird vom Asylbewerber eine Mitwirkung bei der Abnahme von Fingerabdrücken verlangt, darf die Betreibensaufforderung - wie sich aus oben näher dargelegten Gründen ergibt (Rn. 22, 24) - nur auf die gesetzesunmittelbar bestehende Pflicht hinweisen, im Vorfeld alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit seiner Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten. Auf einen Erfolg der Auswertung der Fingerabdrücke darf sie hingegen nicht gerichtet sein.

33

Auch darf vom Asylbewerber verlangt werden, schriftliche Angaben zu seinen bisherigen Voraufenthalten und zu einer eventuell bereits erfolgten Asylantragstellung zu machen. Eine solche Mitwirkungspflicht ergibt sich aus § 15 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG, wonach der Ausländer verpflichtet ist, dem Bundesamt die erforderlichen Angaben mündlich und nach Aufforderung auch schriftlich zu machen. Zu den erforderlichen Angaben zählen nach § 25 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG (u.a.) auch solche über Reisewege, Aufenthalte in anderen Staaten und dort eingeleitete oder durchgeführte Asylverfahren. Diese Angaben benötigt das Bundesamt, um seine Zuständigkeit im Rahmen der Dublin-Verordnung feststellen zu können und um u.a. die Frage zu klären, ob der Ausländer bereits Schutz in einem sicheren Drittstaat gefunden hat oder aus einem solchen Staat eingereist ist (vgl. § 26a ff. AsylVfG).

34

6. Die Prüfung der Betreibensaufforderungen vom 23. August 2010 und 26. Oktober 2011 anhand der o.g. Vorgaben als Vorfrage für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einstellungsbescheids führt zu dem Ergebnis, dass das Berufungsurteil in mehrfacher Hinsicht auf der Verletzung von Bundesrecht beruht. Der Senat vermag nicht selbst festzustellen, ob wegen Verdachts der Manipulation der Fingerkuppen des Klägers ein hinreichender Anlass für den Erlass der Betreibensaufforderungen vorlag und der Kläger das Verfahren nicht betrieben hat, weil er gegen seine Mitwirkungspflicht aus § 15 Abs. 2 Nr. 1 oder 7 AsylVfG verstoßen hat.

35

6.1 Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die dem Kläger in der Betreibensaufforderung vom 23. August 2010 auferlegte Verpflichtung, sich "auswertbare Fingerabdrücke" abnehmen zu lassen, rechtswidrig und unwirksam ist. Wie oben bereits ausgeführt (Rn. 24), lässt sich aus § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG keine Garantieverpflichtung für die Auswertbarkeit der Fingerabdrücke ableiten.

36

6.2 Das Berufungsurteil verletzt jedoch Bundesrecht, da es die in der Betreibensaufforderung vom 23. August 2010 enthaltene, erkennbar selbständige Verpflichtung zur schriftlichen Darlegung des Reisewegs und der Stellung von Asylanträgen mangels Anhörung durch das Bundesamt als unwirksam erachtet hat (UA Rn. 30). Die Verpflichtung beruht auf § 15 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG und ist inhaltlich nicht zu beanstanden (s.o. Rn. 33). Die Angaben waren zur weiteren Durchführung des Asylverfahrens erforderlich, und es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, warum sie dem Kläger nicht möglich und zumutbar gewesen sein sollten. Die Aufforderung enthält auch den Hinweis auf die Rechtsfolge eines Nichtbetreibens des Verfahrens gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG, dass der Antrag als zurückgenommen gilt. Darüber hinaus weist sie darauf hin, dass in diesem Fall über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 7 AufenthG ohne persönliche Anhörung nach Aktenlage zu entscheiden ist. Die Betreibensaufforderung wurde für den Kläger übersetzt (§ 24 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG), und dieser hat den Empfang des Schreibens am 23. August 2010 mit seiner Unterschrift bestätigt. Er hat dieser Aufforderung jedoch keine Folge geleistet.

37

Das würde aber nur dann die gesetzliche Fiktion der Rücknahme des Asylantrags gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auslösen, wenn bei der erkennungsdienstlichen Behandlung am 23. August 2010 für das Bundesamt tatsächlich ein hinreichender Anlass für ein Vorgehen gemäß § 33 AsylVfG bestand. Dieser wäre gegeben, wenn die Fingerkuppen des Klägers zu diesem Zeitpunkt tatsächlich Manipulationsspuren in Gestalt von Verletzungen der Haut sowie schlechter Erkennbarkeit und Beschädigung der Papillarlinien aufgewiesen hätten und der Kläger dies nicht schlüssig zu erklären vermochte, wie das der mit der Abnahme der Fingerabdrücke betraute Mitarbeiter des Bundesamts in einem Vermerk vom gleichen Tag festgehalten hat (BA-Akte Bl. 18). Da der Verwaltungsgerichtshof hierzu -von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, nötigt das zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

38

6.3 Das Berufungsgericht hat zudem § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG verletzt, weil es die Betreibensaufforderung vom 26. Oktober 2011 bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einstellungsbescheids nicht berücksichtigt hat. Denn für die Überprüfung des Bescheids kommt es maßgeblich darauf an, ob die Voraussetzungen der §§ 32, 33 AsylVfG im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht vorlagen. Das ergibt sich aus § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG, wonach das Gericht in Streitigkeiten nach diesem Gesetz auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abstellt. Das hat zur Folge, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Einstellungsbescheids vom 27. Oktober 2010 nicht nur die Betreibensaufforderung vom 23. August 2010, sondern auch die erst nach Bescheidserlass ergangene Betreibensaufforderung vom 26. Oktober 2011 zu berücksichtigen ist. Selbst wenn die erste Betreibensaufforderung zu Unrecht ergangen und der daraufhin ergangene Einstellungsbescheid des Bundesamts ursprünglich rechtswidrig gewesen sein sollte, könnte er durch die Nichterfüllung der in der Betreibensaufforderung vom 26. Oktober 2011 geforderten Mitwirkungspflicht nachträglich rechtmäßig geworden sein. Das Verfahren wäre dann nach Ablauf eines Monats seit Zugang der zweiten Betreibensaufforderung am 28. Oktober 2011 eingestellt.

39

Die Betreibensaufforderung vom 26. Oktober 2011 entspricht - vorbehaltlich des noch aufzuklärenden berechtigten Anlasses - den gesetzlichen Anforderungen. Sie bezeichnet die vom Kläger erwartete Mitwirkungshandlung - das Erscheinen in der Außenstelle des Bundesamts zum Zwecke der erneuten Abnahme von Fingerabdrücken - hinreichend konkret. Auch wird erneut darüber belehrt, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung länger als einen Monat nicht betreibt. Der Klarheit der Belehrung über die Monatsfrist steht nicht entgegen, dass dem Kläger in der Betreibensaufforderung zugleich eine Ladung zu einem Termin zur Abnahme der Fingerabdrücke angekündigt wird. Zum einen lag der mit gesonderten Schreiben anberaumte Termin (24. November 2011) innerhalb der Monatsfrist. Zum anderen entsteht durch den Hinweis auf die Terminsladung keine Unklarheit hinsichtlich der geltenden Monatsfrist. Denn für den Empfänger wurde nicht der Eindruck erweckt, dass der Termin die gesetzliche Monatsfrist für das Betreiben des Verfahrens verkürzt. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers brauchte die Betreibensaufforderung nicht erneut übersetzt zu werden, da sie an seine Verfahrensbevollmächtigten gerichtet war. Dadurch wurden die Grundsätze des fairen Verfahrens schon deshalb nicht verletzt, weil der Kläger auf die Monatsfrist und die Folgen eines Nichtbetreibens bereits am 23. August 2010 in einer für ihn verständlichen Sprache hingewiesen worden war. Weitergehende Übersetzungspflichten ergeben sich auch nicht aus Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85/EG. Eines nochmaligen Hinweises auf die mit einer Verfahrenseinstellung einhergehende Entscheidung über Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 5 oder 7 AufenthG bedurfte es schon deshalb nicht, weil bei Erlass der zweiten Betreibensaufforderung insoweit bereits eine negative Entscheidung vorlag.

40

Materiell war die Betreibensaufforderung vom 26. Oktober 2011 auf eine Mitwirkungshandlung gerichtet, die im Gesetz eine Stütze findet (§ 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG). Denn durch sie wurde der Kläger neben der Pflicht zur Duldung der Abnahme von Fingerabdrücken lediglich darauf hingewiesen, im Vorfeld der geplanten Fingerabdrucknahme alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit seiner Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten. Die Erfüllung dieser von der Kernmitwirkungspflicht umfassten, gesetzesunmittelbaren Unterlassungspflicht war zur weiteren Durchführung des Asylverfahrens erforderlich, und es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, warum sie dem Kläger nicht möglich und zumutbar sein sollte.

41

Auch insoweit fehlen jedoch tatsächliche Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, ob für diese Betreibensaufforderung ein hinreichender Anlass bestand. Sollte sich der Manipulationsverdacht des Bundesamts vom 23. August 2010 bestätigen, wäre auch der Erlass der Betreibensaufforderung vom 26. Oktober 2011 gerechtfertigt. Denn auch die - nach Angaben des Bundesamts am 8. September 2010 erfolgte - weitere Abnahme von Fingerabdrücken führte nach Aktenlage nicht zu einem auswertbaren Ergebnis.

42

7. Der Verwaltungsgerichtshof wird nunmehr aufzuklären haben, ob ein hinreichender Anlass zum Erlass der beiden Betreibensaufforderungen bestand. Dabei wird er insbesondere aufklären müssen, ob bei der Abnahme der Fingerabdrücke am 23. August 2010 tatsächlich die in dem Vermerk vom gleichen Tag dokumentierten Anhaltspunkte für eine Manipulation der Fingerkuppen vorlagen und der Kläger hierfür keine nachvollziehbaren Gründe angegeben hat. Einer hautärztlichen Untersuchung bedarf es für die Annahme eines hinreichenden Anlasses für den Erlass einer Betreibensaufforderung in derartigen Fällen grundsätzlich nicht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Asylbewerber nachvollziehbare Gründe für eine Beschädigung seiner Fingerkuppen, deren besondere Glätte oder eine besonders geringe Ausprägung der Papillarleisten vorträgt. Dabei ist auch der Regenerationszeitraum der Hautzellen zu berücksichtigen, der nach den dem Revisionsgericht vorliegenden (allgemein zugänglichen) Quellen in der Regel vier Wochen beträgt (vgl. Moll, Dermatologie, 7. Aufl. 2010, S. 6 oben - "Turn-over-Zeit" von zweimal zwei Wochen). Bestätigt sich der Manipulationsverdacht, liegen die Voraussetzungen einer rechtmäßigen Betreibensaufforderung zur schriftlichen Darlegung der Voraufenthalte und eventuellen Stellung von Asylanträgen vor. Da der Kläger keine entsprechenden Angaben gemacht hat, wäre das Asylverfahren dann bereits mit Ablauf eines Monats nach Zugang der Betreibensaufforderung vom 23. August 2010 eingestellt. Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass vor Erlass der ersten Betreibensaufforderung kein hinreichender Anlass bestand, wird es weiter zu prüfen haben, ob zumindest die zweite Betreibensaufforderung zu einer Einstellung des Verfahrens geführt hat. Das würde voraussetzen, dass für den Erlass dieser Betreibensaufforderung ein hinreichender Anlass bestand und der Kläger zur vollen Überzeugung des Gerichts das Verfahren infolge Manipulation seiner Fingerkuppen nicht betrieben hat. Für den Fall, dass die Klage im Hauptantrag keinen Erfolg hat, wird es schließlich auch über den Hilfsantrag des Klägers auf Feststellung von Abschiebungsverboten zu entscheiden haben.

Tenor

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24.10.2011 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten über die Unzulässigkeit des von ihm gestellten Asylantrags.
Der am 03.08.1987 geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Er reiste mit einem ihm am 10.12.2010 ausgestellten ungarischen Visum am 24.01.2011 nach Ungarn ein. Ab dem 07.02.2011 studierte der Kläger an der Universität Budapest. Am 20.06.2011 reiste der Kläger in das Bundesgebiet ein und beantragte am 06.07.2011 die Gewährung von Asyl.
Auf ein entsprechendes Übernahmeersuchen der Beklagten stimmte Ungarn mit Schreiben vom 20.10.2011 einer Überstellung des Klägers nach Ungarn zu.
Mit Bescheid vom 24.10.2011 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Asylantrag des Klägers sei unzulässig, da für das Asylverfahren Ungarn aufgrund der dem Kläger erteilten Aufenthaltserlaubnis gemäß Art. 9 Abs. 1 Dublin II-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Vom Selbsteintrittsrecht werde kein Gebrauch gemacht.
Dieser Bescheid wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 24.07.2012 zugestellt.
Am 01.08.2012 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, in Ungarn sei die ordnungsgemäße Durchführung eines Asylverfahrens nicht gewährleistet. Das Asylsystem in Ungarn sei defizitär. Die dortigen Aufnahme- und Unterbringungsbedingungen genügten dem europäischen Mindeststandard nicht. Asylsuchende und Flüchtlinge würden in Ungarn rechtswidrig bis zu 12 Monate inhaftiert. Effektive Rechtsmittel gegen die Verhängung von Abschiebehaft bestünden nicht. Die in den Haftanstalten Untergebrachten seien regelmäßigen Misshandlungen seitens der ungarischen Polizeikräfte ausgesetzt. Diese Verhältnisse stellten eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Artikel 4 GRCh dar.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24.10.2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
10 
die Klage abzuweisen.
11 
Sie verweist auf den Inhalt des angefochtenen Bescheids.
12 
Mit Beschluss vom 02.04.2012 - A 11 K 139/12 - hat das Gericht im Wege der einstweiligen Anordnung angeordnet, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Klägers nach Ungarn vorläufig auszusetzen.
13 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die zur Sache gehörende Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Mit dem Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
15 
Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft. Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheids vom 24.10.2011, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt hat. Für die Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage - gerichtet auf das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen - besteht kein Raum. Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.02.1998 - 9 C 28/97 - BVerwGE 106, 171). Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz kann jedoch auf behördliche Entscheidungen, die - wie vorliegend - auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwendung finden. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Außerdem führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Art. 20 Abs. 2 GG bedenklich wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - DVBl 1995, 857). Im Übrigen würde eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung der Sache und zum Durchentscheiden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen, wenn eine behördliche Sachentscheidung über das Asylbegehren noch nicht ergangen ist. Käme das Verwaltungsgericht zu der Auffassung, dass dem Asylantragsteller weder ein Anspruch auf Asylgewährung und Flüchtlingszuerkennung noch ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots zusteht, müsste die Behörde nachträglich eine Abschiebungsandrohung erlassen, was dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes widerspricht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - a.a.O.). Demnach ist in Fällen des § 27a AsylVfG die Anfechtungsklage die statthafte Klageart (ebenso VG Wiesbaden, Urt. v. 17.06.2011 - 7 K 327/11.WI.A - juris -; VG Neustadt, Urt. v. 16.06.2009 - 5 K 1166/08.NW - juris -; VG Hamburg, Urt. v. 15.03.2012 - 10 A 227/11 - juris -; VG Trier, Urt. v. 30.05.2012 - 5 K 967/11.TR - juris -; VG Freiburg, Beschl. v. 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 - juris -; VG Karlsruhe, Urt. v. 03.03.2010 - A 4 K 4052/08 - juris -; VG Düsseldorf, Urt. v. 15.01.2010 - 11 K 8136/09.A - juris -; a. A. OVG Münster, Urt. v. 10.05.2010 - 3 A 133/10.A - juris -; VGH Mannheim, Urt. v. 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - juris -). Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Bescheids ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren des Klägers von ihr in der Sache zu prüfen.
16 
Die auch sonst zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
17 
Zu Unrecht hat die Beklagte den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt. Nach dieser Bestimmung ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
18 
Der Kläger ist am 24.01.2011 mit dem Flugzeug aus dem Iran nach Ungarn gereist und hat sich dort bis Juni 2011 zu Studienzwecken aufgehalten. Ein Asylantrag wurde in Ungarn bislang nicht gestellt. Am 20.06.2011 reiste der Kläger in das Bundesgebiet ein und beantragte hier am 06.07.2011 die Gewährung von Asyl. Da der Kläger mit einem gültigen ungarischen Visum eingereist ist, ist Ungarn für die Prüfung des Asylantrags an sich zuständig (Art. 9 Abs. 2 Dublin II - VO). Die ungarischen Behörden haben auch mit Schreiben vom 20.10.2011 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags erklärt. Der Kläger wäre im Falle einer Überstellung nach Ungarn indes einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GRCh ausgesetzt.
19 
Es obliegt den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417). Wird aufgezeigt, dass systemische Störungen dazu führen, dass Asylanträge nicht einzeln, objektiv und unparteiisch geprüft und entschieden (Art. 8 Abs. 2 RL 2005/85/EG) sowie die nach Art. 10 RL 2005/85/EG gewährleisteten Verfahrensgarantien für Antragsteller und das Recht auf eine wirksame Überprüfung ablehnender Asylentscheidungen (Art. 23 RL 2005/85/EG) verletzt werden, handelt der Mitgliedstaat, der den Asylsuchenden gleichwohl an diesen Mitgliedstaat überstellt, Art. 4 GRCh zuwider. Sind den Behörden schwerwiegende Mängel des Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund zuverlässiger Berichte internationaler und nichtstaatlicher Organisationen bekannt, darf dem Asylsuchenden nicht die vollständige Beweislast dafür auferlegt werden, dass das dortige Asylsystem nicht wirksam ist; unter diesen Umständen darf sich der ersuchende Mitgliedstaat nicht auf Zusicherungen des ersuchten Mitgliedstaates, dass dem Asylsuchenden dort keine konventionswidrige Behandlung drohen werde, verlassen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - NVwZ 2011, 413). Nach diesen Grundsätzen umfasst die Darlegungslast des Asylsuchenden den Hinweis auf die zuverlässigen Quellen. Macht der Asylsuchende unter Hinweis auf Berichte internationaler Menschenrechtsorganisationen systemische Mängel im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates geltend, ist der um Schutz gebetene Mitgliedstaat verpflichtet nachzuweisen, dass das dortige Asylverfahren wirksam und in der Lage ist, den Asylantrag nach Maßgabe unionsrechtlicher Vorgaben zu behandeln. Kann der um Prüfung des Asylantrags gebetene Mitgliedstaat dies nicht belegen und überstellt er gleichwohl den Asylsuchenden an den zuständigen Mitgliedstaat, verletzt er Art. 4 GRCh.
20 
Nach diesen Grundsätzen ist das Gericht der Überzeugung, dass in Ungarn systemische Mängel des Asylverfahrens für Asylbewerber bestehen.
21 
Der Leiter des österreichischen Büros des UNHCR hat in einer Stellungnahme vom 03.02.2012 an den österreichischen Asylgerichtshof ausgeführt, dass Asylsuchende, die - wie der Kläger - aufgrund der Dublin II-VO nach Ungarn überstellt werden, unmittelbar nach ihrer Überstellung regelmäßig eine Abschiebungsverfügung erhalten und darauf basierend in der Regel inhaftiert werden, so dass viel dafür spricht, dass Ungarn Art. 18 der Richtlinie 2005/85/EG nicht beachtet, wonach die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Gewahrsam nehmen dürfen, weil sie ein Asylbewerber ist. Eine derartige Praxis wird auch durch die Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 09.11.2011 an das VG Regensburg bestätigt. Darin ist ausgeführt, dass der dortige Kläger nach seiner Rücküberstellung nach Ungarn im Dublin II-Verfahren zunächst in Györ und anschließend in Nyirbator in Gewahrsam genommen worden sei und sich Asylbewerber in der zuletzt genannten Gewahrsamseinrichtung täglich nur eine Stunde frei bewegen könnten.
22 
Derartige Praktiken werden außerdem in dem vom Kläger vorgelegten Bericht „Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, Bericht einer einjährigen Recherche bis Februar 2012“ von „Pro Asyl“ vom 15.03.2012 bestätigt. Nach diesem Bericht wird die Mehrheit der Asylsuchenden in Ungarn und der auf der Grundlage der Dublin II-Verordnung Überstellten in besonderen Haftzentren inhaftiert. De facto gebe es keine Möglichkeit, gegen die Inhaftierung ein effektives Rechtsmittel einzulegen. Nach dokumentierten Aussagen von inhaftierten Schutzsuchenden würden den Asylsuchenden in den Haftanstalten systematisch Medikamente oder Beruhigungsmittel verabreicht. Außerdem sei bei Befragungen der Inhaftierten durch den UNHCR festgestellt worden, dass Misshandlungen durch Polizeikräfte in den Hafteinrichtungen an der Tagesordnung seien.
23 
Auch der UNHCR spricht in seinem neuesten Bericht zur Situation von Asylsuchenden in Ungarn vom 24.04.2012 unter Darlegung von Einzelheiten von besorgniserregenden Entwicklungen und sieht Verbesserungen als dringend erforderlich an. Auch wenn er in diesem Bericht abschließend die Schritte Ungarns zur Verbesserung der Situation begrüßt, rechtfertigt dies angesichts seiner vorherigen Ausführungen gleichwohl nicht die Schlussfolgerung, dass die aufgezeigten Missstände beseitigt und in Zukunft nicht mehr zu befürchten sind.
24 
Bei dieser dargelegten Sachlage besteht auch im Falle des Klägers die tatsächliche Gefahr, im Falle einer Überstellung nach Ungarn einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden. Denn gegen den Kläger wird nach einer Überstellung nach Ungarn ein Ausweisungsbescheid ergehen und er wird infolge dessen in Haft genommen werden. In der Haft drohen ihm aber der Einsatz von Beruhigungsmitteln sowie Misshandlungen. Diese Maßnahmen stellen eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung dar.
25 
Da der Kläger mangels Zuständigkeit Ungarns aus rechtlichen Gründen nicht nach dorthin überstellt werden kann, erweist sich auch die auf der Grundlage von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG angeordnete Abschiebung als rechtswidrig.
26 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.

Gründe

 
14 
Mit dem Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
15 
Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft. Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheids vom 24.10.2011, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt hat. Für die Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage - gerichtet auf das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen - besteht kein Raum. Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.02.1998 - 9 C 28/97 - BVerwGE 106, 171). Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz kann jedoch auf behördliche Entscheidungen, die - wie vorliegend - auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwendung finden. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Außerdem führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Art. 20 Abs. 2 GG bedenklich wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - DVBl 1995, 857). Im Übrigen würde eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung der Sache und zum Durchentscheiden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen, wenn eine behördliche Sachentscheidung über das Asylbegehren noch nicht ergangen ist. Käme das Verwaltungsgericht zu der Auffassung, dass dem Asylantragsteller weder ein Anspruch auf Asylgewährung und Flüchtlingszuerkennung noch ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots zusteht, müsste die Behörde nachträglich eine Abschiebungsandrohung erlassen, was dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes widerspricht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - a.a.O.). Demnach ist in Fällen des § 27a AsylVfG die Anfechtungsklage die statthafte Klageart (ebenso VG Wiesbaden, Urt. v. 17.06.2011 - 7 K 327/11.WI.A - juris -; VG Neustadt, Urt. v. 16.06.2009 - 5 K 1166/08.NW - juris -; VG Hamburg, Urt. v. 15.03.2012 - 10 A 227/11 - juris -; VG Trier, Urt. v. 30.05.2012 - 5 K 967/11.TR - juris -; VG Freiburg, Beschl. v. 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 - juris -; VG Karlsruhe, Urt. v. 03.03.2010 - A 4 K 4052/08 - juris -; VG Düsseldorf, Urt. v. 15.01.2010 - 11 K 8136/09.A - juris -; a. A. OVG Münster, Urt. v. 10.05.2010 - 3 A 133/10.A - juris -; VGH Mannheim, Urt. v. 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - juris -). Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Bescheids ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren des Klägers von ihr in der Sache zu prüfen.
16 
Die auch sonst zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
17 
Zu Unrecht hat die Beklagte den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt. Nach dieser Bestimmung ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
18 
Der Kläger ist am 24.01.2011 mit dem Flugzeug aus dem Iran nach Ungarn gereist und hat sich dort bis Juni 2011 zu Studienzwecken aufgehalten. Ein Asylantrag wurde in Ungarn bislang nicht gestellt. Am 20.06.2011 reiste der Kläger in das Bundesgebiet ein und beantragte hier am 06.07.2011 die Gewährung von Asyl. Da der Kläger mit einem gültigen ungarischen Visum eingereist ist, ist Ungarn für die Prüfung des Asylantrags an sich zuständig (Art. 9 Abs. 2 Dublin II - VO). Die ungarischen Behörden haben auch mit Schreiben vom 20.10.2011 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags erklärt. Der Kläger wäre im Falle einer Überstellung nach Ungarn indes einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GRCh ausgesetzt.
19 
Es obliegt den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417). Wird aufgezeigt, dass systemische Störungen dazu führen, dass Asylanträge nicht einzeln, objektiv und unparteiisch geprüft und entschieden (Art. 8 Abs. 2 RL 2005/85/EG) sowie die nach Art. 10 RL 2005/85/EG gewährleisteten Verfahrensgarantien für Antragsteller und das Recht auf eine wirksame Überprüfung ablehnender Asylentscheidungen (Art. 23 RL 2005/85/EG) verletzt werden, handelt der Mitgliedstaat, der den Asylsuchenden gleichwohl an diesen Mitgliedstaat überstellt, Art. 4 GRCh zuwider. Sind den Behörden schwerwiegende Mängel des Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund zuverlässiger Berichte internationaler und nichtstaatlicher Organisationen bekannt, darf dem Asylsuchenden nicht die vollständige Beweislast dafür auferlegt werden, dass das dortige Asylsystem nicht wirksam ist; unter diesen Umständen darf sich der ersuchende Mitgliedstaat nicht auf Zusicherungen des ersuchten Mitgliedstaates, dass dem Asylsuchenden dort keine konventionswidrige Behandlung drohen werde, verlassen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - NVwZ 2011, 413). Nach diesen Grundsätzen umfasst die Darlegungslast des Asylsuchenden den Hinweis auf die zuverlässigen Quellen. Macht der Asylsuchende unter Hinweis auf Berichte internationaler Menschenrechtsorganisationen systemische Mängel im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates geltend, ist der um Schutz gebetene Mitgliedstaat verpflichtet nachzuweisen, dass das dortige Asylverfahren wirksam und in der Lage ist, den Asylantrag nach Maßgabe unionsrechtlicher Vorgaben zu behandeln. Kann der um Prüfung des Asylantrags gebetene Mitgliedstaat dies nicht belegen und überstellt er gleichwohl den Asylsuchenden an den zuständigen Mitgliedstaat, verletzt er Art. 4 GRCh.
20 
Nach diesen Grundsätzen ist das Gericht der Überzeugung, dass in Ungarn systemische Mängel des Asylverfahrens für Asylbewerber bestehen.
21 
Der Leiter des österreichischen Büros des UNHCR hat in einer Stellungnahme vom 03.02.2012 an den österreichischen Asylgerichtshof ausgeführt, dass Asylsuchende, die - wie der Kläger - aufgrund der Dublin II-VO nach Ungarn überstellt werden, unmittelbar nach ihrer Überstellung regelmäßig eine Abschiebungsverfügung erhalten und darauf basierend in der Regel inhaftiert werden, so dass viel dafür spricht, dass Ungarn Art. 18 der Richtlinie 2005/85/EG nicht beachtet, wonach die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Gewahrsam nehmen dürfen, weil sie ein Asylbewerber ist. Eine derartige Praxis wird auch durch die Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 09.11.2011 an das VG Regensburg bestätigt. Darin ist ausgeführt, dass der dortige Kläger nach seiner Rücküberstellung nach Ungarn im Dublin II-Verfahren zunächst in Györ und anschließend in Nyirbator in Gewahrsam genommen worden sei und sich Asylbewerber in der zuletzt genannten Gewahrsamseinrichtung täglich nur eine Stunde frei bewegen könnten.
22 
Derartige Praktiken werden außerdem in dem vom Kläger vorgelegten Bericht „Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, Bericht einer einjährigen Recherche bis Februar 2012“ von „Pro Asyl“ vom 15.03.2012 bestätigt. Nach diesem Bericht wird die Mehrheit der Asylsuchenden in Ungarn und der auf der Grundlage der Dublin II-Verordnung Überstellten in besonderen Haftzentren inhaftiert. De facto gebe es keine Möglichkeit, gegen die Inhaftierung ein effektives Rechtsmittel einzulegen. Nach dokumentierten Aussagen von inhaftierten Schutzsuchenden würden den Asylsuchenden in den Haftanstalten systematisch Medikamente oder Beruhigungsmittel verabreicht. Außerdem sei bei Befragungen der Inhaftierten durch den UNHCR festgestellt worden, dass Misshandlungen durch Polizeikräfte in den Hafteinrichtungen an der Tagesordnung seien.
23 
Auch der UNHCR spricht in seinem neuesten Bericht zur Situation von Asylsuchenden in Ungarn vom 24.04.2012 unter Darlegung von Einzelheiten von besorgniserregenden Entwicklungen und sieht Verbesserungen als dringend erforderlich an. Auch wenn er in diesem Bericht abschließend die Schritte Ungarns zur Verbesserung der Situation begrüßt, rechtfertigt dies angesichts seiner vorherigen Ausführungen gleichwohl nicht die Schlussfolgerung, dass die aufgezeigten Missstände beseitigt und in Zukunft nicht mehr zu befürchten sind.
24 
Bei dieser dargelegten Sachlage besteht auch im Falle des Klägers die tatsächliche Gefahr, im Falle einer Überstellung nach Ungarn einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden. Denn gegen den Kläger wird nach einer Überstellung nach Ungarn ein Ausweisungsbescheid ergehen und er wird infolge dessen in Haft genommen werden. In der Haft drohen ihm aber der Einsatz von Beruhigungsmitteln sowie Misshandlungen. Diese Maßnahmen stellen eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung dar.
25 
Da der Kläger mangels Zuständigkeit Ungarns aus rechtlichen Gründen nicht nach dorthin überstellt werden kann, erweist sich auch die auf der Grundlage von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG angeordnete Abschiebung als rechtswidrig.
26 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der am … 1988 geborene Kläger ist gambischer Staatsangehöriger. Er reiste am 20.05.2013 - u.a. von Italien kommend - in das Bundesgebiet ein und beantragte am 11.06.2013 seine Anerkennung als Asylberechtigter. Dabei teilte er mit, dass er bereits in Italien erfolglos ein Asylverfahren betrieben habe, weshalb er nunmehr nach Deutschland weitergereist sei („I was already in Italy, after my asyl application, my case was rejected by the Italian government, that’s wyh I came in Germany to try my chance“).
Nach entsprechendem EURODAC-Treffer (registrierter Asylantrag in Italien am 27.08.2011) ersuchte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 14.11.2013 bei der italienischen Dublin-Koordinierungsstelle um die Wiederaufnahme des Klägers. Die Anfrage wurde am 16.12.2013 wiederholt. Nachdem die italienische Dublin-Koordinierungsstelle keine Antwort erteilte, lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 15.01.2014 den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Italien an. Der Bescheid wurde dem Kläger am 18.01.2014 zugestellt.
Am 28.01.2014 hat er diesbezüglich beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und sich zur Begründung im Wesentlichen auf systemische Mängel im italienischen Asylverfahren berufen.
Der Kläger beantragt sachdienlich,
den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 15.01.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ein Asylverfahren durchzuführen sowie ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG zuzuerkennen;
hilfsweise: die Beklagte zu verpflichten, ihm den (subsidiären) Schutzstatus nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen;
höchst hilfsweise: die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass ein (komplementäres) Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Gründe des angefochtenen Bescheids.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter erklärt.
10 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die dem Gericht vorliegenden Akten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
11 
Soweit sich der Klageantrag auf ein Verpflichtungsbegehren bezieht, ist die Klage schon unzulässig. Denn der Kläger hat keine überlange Verfahrensdauer im Sinne des Art. 47 GRCh gerügt, die auch nicht ersichtlich ist, weswegen ihm von vorneherein kein Anspruch auf „Durchentscheiden“ zustehen kann (hierzu III.), es also insoweit an der Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO fehlt. Bezüglich des Anfechtungsbegehrens hingegen ist die Klage zulässig, weil sich der Kläger auf ihn betreffende systemische Mängel im italienischen Asylverfahren beruft, sodass insoweit die Verletzung eigener Rechte aus Art. 4 GRCh möglich erscheint.
12 
Selbst wenn aber nicht nur das Anfechtungs-, sondern auch das Verpflichtungsbegehren als zulässig angesehen würde, ist die Klage in jedem Fall insgesamt unbegründet. Denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung seines Asylverfahrens im Bundesgebiet sowie auf die geltend gemachten Rechtspositionen (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO). Ob im konkreten Fall das italienische Asylverfahren tatsächlich durch ablehnenden Bescheid bestandskräftig negativ abgeschlossen wurde, ist nicht hinreichend ersichtlich (nur: „my case was rejected by the Italian government“). Es kann im Ergebnis aber offen bleiben, ob ein Zweitantrag im Sinne von § 71a AsylVfG vorliegt oder der Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG unzulässig ist. In beiden Fällen ist Italien für die Fortführung des Asylverfahrens zuständig im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (- GEAS -; hierzu: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., Vorb-AsylVfG Rn. 20 ff., sowie Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen, 2013, S. 34 ff., m.w.N.). Die angefochtene Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG in der Fassung von Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (- Qualifikationsrichtlinie n.F. / QRL -) vom 28.08.2013 (BGBl I Nr. 54 v. 05.09.2013, 3474) ist gerichtlich nicht zu beanstanden.
I.
13 
Gemäß Art. 49 (Abs. 2) der Dublin III-Verordnung 604/2013/EU (- Dublin III-VO -) ist für vor dem 19.07.2013 in Deutschland gestellte (Alt-)Anträge auf internationalen Schutz (i.S. von Art. 2 lit. h QRL: Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiären Schutzes) weiterhin die Dublin II-Verordnung 343/2003/EG (- Dublin II-VO -) anwendbar. Für (Neu-)Anträge ab 01.01.2014 gilt hingegen ausschließlich die Dublin III-VO. Für Anträge im Übergangszeitraum 19.07.2013 bis 31.12.2013 gilt grundsätzlich bereits die Dublin III-VO, nicht jedoch hinsichtlich der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats, die weiterhin nach den Kriterien der Dublin II-VO erfolgt. Sämtliche Regelungen, die die Zuständigkeit eines bestimmten Mitgliedstaats für den Antrag normieren, sind für diese Übergangsfälle - nach Sinn und Zweck des Art. 49 (Abs. 2) Dublin III-VO (Verwaltungsvereinfachung auch bezüglich der verwendeten Formulare etc. im Übergangszeitraum ab Inkrafttreten der erst am 29.06.2013 veröffentlichten Dublin III-VO) - weiterhin der Dublin II-VO zu entnehmen. In deren Kapitel III ist die „Rangfolge“ der Kriterien geregelt; zu dieser Rangfolge gehören untrennbar die sonstigen Dublin II-Regelungen (insbesondere Kapitel V, in dem die Dublin II-VO etwa bei Fristablauf ebenfalls Zuständigkeitskriterien normiert). Dass Kapitel III der Dublin III-VO nunmehr die „Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats“ begrifflich enger fasst, spielt keine Rolle. Denn Art. 49 (Abs. 2) Dublin III-VO verweist ausdrücklich und pauschal auf die Kriterien der (eigentlich gemäß Art. 48 Dublin III-VO aufgehobenen) Dublin II-VO.
14 
Die Dublin II-VO ist im Übrigen (derzeit) weiterhin anwendbar bezüglich der Länder Norwegen, Island, Schweiz, Liechtenstein und Dänemark, die sich (bislang) nicht am Dublin III-System beteiligen.
15 
Die Dublin-Verordnungen dürften im Übrigen nicht nur bei bloßer Feststellung von subsidiärem Schutz, sondern selbst bei Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Dublin-Staat - jedenfalls analog - anwendbar sein (a.A. Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, 11/2013, § 27a Rn. 34). Denn in diesen Fällen behält der andere Dublin-Staat nach Sinn und Zweck der Verordnungen grundsätzlich weiterhin die Flüchtlingsverantwortung, wie dies auch Art. 4 des Europäischen Übereinkommens über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge vom 16.10.1980 (BGBl 1994 II 2645) dokumentiert (vgl. Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., § 2 AsylVfG Rn. 6). Verstärkt wird dieser Ansatz durch die Regelung des Art. 24 Abs. 1 QRL, wonach anerkannte Flüchtlinge Anspruch auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels haben. Analog Art. 9 (i.V.m. Art. 2 lit. j) Dublin II-VO bzw. Art. 12 (i.V.m. Art. 2 lit. l) Dublin III-VO muss der Aussteller-Mitgliedstaat im Dublin-System für die Prüfung des erneuten Antrags auf internationalen Schutz (dem das Rechtsschutzbedürfnis fehlen dürfte) auch in der Zwischenzeit nach Flüchtlingsanerkennung und Titelausstellung zuständig sein. Alles andere wäre mit dem öffentlichen Beschleunigungsinteresse im Sinne einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Dublin-Staates unvereinbar. Denn es kann nicht richtig sein, dass das Bundesamt oder die Asylgerichte - gegebenenfalls unter Beiziehung, Übersetzung und Auswertung der ausländischen Verwaltungsakten sowie nach Studium des jeweiligen nationalen Asylverwaltungsverfahrensrechtes - zur Aufklärung verpflichtet wären, ob der Antragsteller nun tatsächlich eigentlich bereits bestandskräftig anerkannt oder (teil-)abgelehnt wurde bzw. ob ihm die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer oder komplementärer Schutz zuerkannt worden ist. Jedenfalls dann, wenn der ersuchte Dublin-Staat im Dublin-Verfahren der (Wieder-)Aufnahme des Antragstellers zugestimmt hat, was er völker- bzw. unionsrechtlich auch ohne entsprechende Rechtspflicht darf, steht grundsätzlich im Sinne des § 34a Abs. 1 AsylVfG fest, dass die Abschiebung in diesen Staat durchgeführt werden kann. Der Einwand des Antragstellers, er sei dort aber schon anerkannt worden, kann den „effet utile“ der Dublin-Verordnungen nicht außer Kraft setzen.
16 
Im Falle des Klägers, der seinen (Alt-)Asylantrag in Deutschland am 11.06.2013 gestellt hat und bei dem unklar ist, ob sein italienisches Asylverfahren bestandskräftig beendet wurde, ist nach diesen Grundsätzen (weiterhin) die Dublin II-VO anwendbar. Da er vor Einreise in das Bundesgebiet nach dem EURODAC-Treffer sowie seinen eigenen Angaben in Italien bereits ein Asylverfahren durchlaufen hatte, bleibt Italien nach Art. 13 i.V.m. Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II-VO für ihn zuständig und muss ihn nach Maßgabe des Art. 20 Dublin II-VO wieder aufnehmen. Demgemäß hat Italien die Möglichkeit, der Wiederaufnahme ausdrücklich zuzustimmen oder die Wiederaufnahme durch Stillschweigen zu akzeptieren. Nach Art. 20 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO wird davon ausgegangen, dass Italien die Wiederaufnahme akzeptiert, wenn es nach einem EURODAC-Treffer nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab dem deutschen Ersuchen eine Antwort erteilt. Im Falle des Klägers hat das Bundesamt (erstmals) am 14.11.2013 die italienische Dublin-Koordinierungsstelle um die Wiederaufnahme des Klägers ersucht. Gemäß Art. 25 Abs. 1 Dublin II-VO steht mithin seit 29.11.2013 fest, dass Italien der Wiederaufnahme des Klägers zugestimmt hat. Damit steht zugleich auch bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung im Rechtssinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG seit 29.11.2013 insoweit fest, dass die Abschiebung des Klägers nach Italien durchgeführt werden kann.
II.
17 
Hiergegen kann der Kläger - unionsrechtlich - ausschließlich einwenden, im Zielstaat der Abschiebung bestünden systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der EU ausgesetzt zu werden. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) der Sache nach in seinem Urteil vom 10.12.2013 (Rs. C-394/12 ) entschieden und damit das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sowie seine eigene Rechtsprechung in den Urteilen und fortgeschrieben.
18 
1. Im Urteil der Großen Kammer vom 21.01.2011 (Beschw.-Nr. 30696/09) entschied der EGMR, dass eine Dublin-Überstellung von Belgien nach Griechenland aufgrund der dort herrschenden Haft- und Lebensbedingungen für Asylbewerber insbesondere gegen Art. 3 EMRK verstoßen hat.
19 
2. Der EuGH übertrug dies entsprechend Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRCh im Urteil vom 21.12.2011 (Rs. C-411/10 und 493/10) unter Anwendung von Art. 4 GRCh (= Art. 3 EMRK) in das Unionsrecht und entwickelte hierbei den Begriff der „systemischen Mängel“ bzw. „Schwachstellen“ (vgl. heute: Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO). Herrschen in einem Dublin-Staat solche systemischen Mängel im Asylsystem, was Asylbehörde und gegebenenfalls Asylgericht selbst prüfen müssen und wobei die Darlegungsanforderungen an den Antragsteller nicht überspannt werden dürfen (vgl. UK Supreme Court, Urteil vom 19.02.2014 - EM (Eritrea) v SSHD 2014] UKSC 12 - http://supremecourt.uk/decided-cases/docs/UKSC_2012_0272_Judgment.pdf), darf der Asylbewerber dorthin nicht rücküberstellt werden (Rn. 112 f.). Eine unwiderlegbare Vermutung, dass in keinem Dublin-Staat systemische Mängel existieren, widerspricht - trotz des „Prinzips des gegenseitigen Vertrauens“ und dem politischen Ziel, „forum shopping“ zu vermeiden - Unionsrecht (Rn. 79, 104). Abstrakt definiert setzt die Annahme eines systemischen Mangels allerdings keine „flächendeckende Fehlfunktion im Asylsystem“ im Sinne von „griechischen Verhältnissen“ voraus, sondern eine Schwachstelle, Fehlstruktur oder strukturelle Lücke, die im Sinne einer ceteris paribus notwendigen, aber nicht notwendig hinreichenden Bedingung für Fälle, die diese Asylsystemstelle durchlaufen, zu Rechtsverletzungen führt - dies in Abgrenzung und Gegenüberstellung zu Rechtsverletzungen, die (nur) aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände entstehen (überzeugend: Lübbe, „Systemische Mängel“ in Dublin-Verfahren, ZAR 3/2014, i.E.). Solche Rechtsverletzungen müssen jedoch hinreichend gravierend sein, denn nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den Dublin-Zielstaat führt zur Unbeachtlichkeit der Dublin-Zuständigkeitsbestimmungen (Rn. 82).
20 
Vorliegen muss vielmehr eine Verletzung von Art. 4 GRCh, die in Betracht kommen kann etwa hinsichtlich willkürlicher Haft oder katastrophaler Lebensbedingungen für Asylbewerber () oder wenn etwa aufgrund erheblicher Erkrankung und Nichtbehandelbarkeit im Dublin-Zielstaat dort der in Art. 15 der Aufnahme-RL 2003/9/EG garantierte medizinische Mindeststandard („Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten“) gefährlich unterschritten wäre (im Ergebnis ebenso: UK Supreme Court, a.a.O. Rn. 58 ff). Ausschließlich in solchen Fällen darf das Dublin-System außer Kraft gesetzt werden, auch um einen Wertungswiderspruch hinsichtlich der Art. 3 EMRK-Rechtsprechung des EGMR zu vermeiden (vgl. Urteil vom 27.05.2008 , Beschwerde Nr. 26565/05, NVwZ 2008, 1334). Denn wegen der Unteilbarkeit der Menschenwürde, die hinter Art. 4 GRCh = Art. 3 EMRK steht, kann es schlechterdings nicht richtig sein, dass die Abschiebung in den Heimatstaat - hier Gambia - hiernach zulässig wäre, obwohl dort etwa keinerlei Unterbringung gesichert ist, die Abschiebung in den Dublin-Staat - hier Italien - hingegen nach dem Maßstab desselben Menschenrechtes etwa bei gesicherter, aber schlechter Unterbringung unzulässig sein soll. Dies wäre auch mit der effet utile-Rechtsprechung des EuGH unvereinbar, der im Urteil „N.S.“ bekräftigt, dass hinsichtlich des effektiven Funktionierens des Dublin-Systems „der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, das auf gegenseitigem Vertrauen und einer Vermutung der Beachtung des Unionsrechts, genauer der Grundrechte, durch die anderen Mitgliedstaaten gründet“, auf dem Spiel stehen (Rn. 83).
21 
3. In Fortschreibung dieser Entscheidung entschied der EuGH sodann im Urteil am 14.11.2013 (Rs. C-4/11), dass bei Vorliegen systemischer Mängel, die beim konkreten Asylbewerber zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh führen, der eigentlich nicht zuständige Dublin-Staat zunächst weiter prüfen darf, ob anhand der Dublin-Regelungen ein anderer Dublin-Staat für eine Überstellung in Frage kommt (Rn. 33). Dabei hat der eigentlich nicht zuständige Dublin-Staat darauf zu achten, dass kein unangemessen langes Verfahren entsteht. Erforderlichenfalls sollte er den Asylantrag unter Inanspruchnahme des mitgliedstaatlichen Selbsteintrittsrechts (vgl. Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO; Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO) selbst prüfen (Rn. 35). Der EuGH stellte allerdings ausdrücklich klar, dass der Asylbewerber hierauf keinen Rechtsanspruch besitzt (Rn. 26, 37). Damit hat er zugleich der Sache nach klargestellt, dass ein Asylbewerber nur Anspruch darauf hat, dass sein Antrag auf internationalen Schutz auf dem Gebiet des „unvollendeten Bundesstaates EU“ geprüft wird, nicht aber darauf, dass er gerade in einem bestimmten Dublin-Staat eigener Wahl geprüft wird (kein „forum shopping“), genauso wenig, wie etwa ein Anspruch besteht, dass dies in Baden-Württemberg und nicht beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern geschieht. Indem der EuGH dem Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO die drittschützende Wirkung absprach, hat er zugleich angelegt, dass auch den anderen Dublin-Verfahrensvorschriften, insbesondere den Fristenregelungen, grundsätzlich keine drittschützende Wirkung zukommt.
22 
4. Dies wurde nunmehr im Urteil vom 10.12.2013 (Rs. C-394/12) klargestellt, in dem ausdrücklich nach dem Drittschutz von Dublin-Zuständigkeitsverfahrensvorschriften gefragt worden war. Der EuGH antwortete wiederum verneinend und in aller Klarheit, dass in dem Moment, in dem ein Dublin-Zielstaat der (Wieder-)Aufnahme des Asylbewerbers zugestimmt hat, dieser hiergegen ausschließlich dortige systemische Mängel einwenden kann, die in seinem konkreten Einzelfall zu einer Verletzung von Art. 4 GRCh führen würden (Rn. 60). Denn die Dublin-Zuständigkeitsregelungen seien im Sinne von „organisatorischen Vorschriften“ der Mitgliedstaaten (Rn. 56) und nach dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ normiert worden, um - auch wegen des öffentlichen Beschleunigungsinteresses hinsichtlich einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Dublin-Staates - einem „forum shopping“ entgegenzuwirken (Rn. 53).
III.
23 
Damit steht nunmehr im Sinne eines „acte clair“ (genauer: „acte éclairé“) fest, dass sämtliche nicht grundrechtlich (wie Art. 6-8 Dublin II-VO bzw. Art. 8-11 Dublin III-VO) aufgeladenen Dublin-Zuständigkeitsregelungen vom Asylbewerber gerichtlich grundsätzlich nicht durchgesetzt werden können. Denn der EuGH hat in allen drei Leitentscheidungen zum Dublin-System der Sache nach pauschal insbesondere mit der Funktionsfähigkeit des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems argumentiert („Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“, „öffentliches Beschleunigungsinteresse“), sodass eindeutig ist, dass sich dies nicht nur auf die jeweilig spezifischen Normen der Dublin II-VO bezieht. Auch im Rahmen der nach Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbar verbindlichen Dublin III-VO kann deshalb nichts anderes gelten. Ein Drittschutz für Dublin-Zuständigkeitsregelungen könnte allenfalls noch bei überlanger Verfahrensdauer gemäß dem über Art. 51 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GRCh hier direkt anwendbaren Art. 47 Satz 2 GRCh (vgl. Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl., Vorb-GRCh Rn. 1) anerkannt werden, um einen dauerhaft untätigen Mitgliedstaat zum Handeln zu zwingen, damit keine „refugee in orbit“-Situation entsteht. Nur in einer solchen Ausnahmekonstellation, die aufgrund der hintereinander geschalteten verschiedenen Wochen- und Monatsfristen der Dublin-Verordnungen sicherlich ein Untätigbleiben von weit über einem Jahr voraussetzt, könnte sich das private Beschleunigungsinteresse des Asylbewerbers an der inhaltlichen Bearbeitung seines Antrags gegenüber dem öffentlichen Beschleunigungsinteresse bezüglich der zeitnahen Klärung des für die Antragsbearbeitung nach den Dublin-Verordnungen zuständigen Staates durchsetzen.
24 
Ist diese Ausnahmekonstellation aber, wie im vorliegenden Fall, nicht gegeben, kann eine Klage allein mit dem Argument, etwa die Drei- bzw. Zwei-Monatsfrist des Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO oder Art. 21 Abs. 1 bzw. 23 Abs. 2 Dublin III-VO sei verletzt worden, keinen Erfolg haben. Gleiches muss gelten, wenn die Sechs-Monatsfrist des Art. 19 Abs. 4 bzw. 20 Abs. 2 Dublin II-VO oder Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO abgelaufen ist (insoweit von überholt: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 06.08.2013 - 12 S 675/13 - juris Rn. 13). Auch in diesem Fall kann eine Anfechtungsklage des Asylbewerbers unionsrechtlich allein dann Erfolg haben, wenn im Dublin-Zielstaat systemische Mängel vorliegen, die im konkreten Einzelfall zu einer Verletzung von Art. 4 GRCh führen würden. Dann müsste der angefochtene Bescheid des Bundesamts aufgehoben werden, damit dem Bundesamt die im Urteil (Rn. 33) beschriebene (und nun in Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO normierte) Möglichkeit eingeräumt wird, auf den dann weiter anhängigen Asylantrag einen anderen Dublin-Zielstaat für die Rücküberstellung zu finden bzw. vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.
25 
Ein „Durchentscheiden“ zum (vom Bundesamt, anders als bei Folgeanträgen, nicht einmal angeprüften) Asyl- und Flüchtlingsrecht bzw. subsidiären oder komplementären Schutz im Sinne der Folgeantragsrechtsprechung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.12.2000 - 9 B 426.00 - juris) scheidet hingegen aus, weil ansonsten entgegen dem Urteil unionsrechtswidrig dem Asylbewerber doch ein gerichtlich durchsetzbares Recht auf Selbsteintritt eingeräumt (insoweit von überholt: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - juris Rn. 27/30) und dem Bundesamt die Möglichkeit, einen anderen (auch „freiwillig“) aufnehmenden Dublin-Staat zu finden, abgeschnitten würde. Zudem würde hierdurch das Gericht unter Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz zur „Erstbehörde“ gemacht. Solange also die Zustimmung eines Dublin-Zielstaates (faktisch fort-)besteht, den Asylbewerber wieder aufzunehmen (und diese Zustimmung nicht etwa befristet war oder wegen Fristablaufs vom Dublin-Zielstaat inzwischen widerrufen worden ist) sowie in diesem Zielstaat keine systemischen Mängel mit der Folge der Art. 4 GRCh-Verletzung bestehen, solange kann die Klage - unionsrechtlich - keinen Erfolg haben. Diese Zustimmung kann vom Zielstaat nach dem Dublin-System verwaltungstechnisch ausdrücklich oder stillschweigend im Sinne einer Fiktion erteilt worden sein (vgl. Art. 20 Abs. 1 Dublin II-VO bzw. Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO).
26 
Im Falle des Klägers ist es hier deshalb ohne entscheidungserhebliche Relevanz, dass das Bundesamt die Drei-Monatsfrist des Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO verletzt hat (Asylantrag am 11.06.2013; Überstellungsersuchen erst am 14.11.2013). Denn Italien hat seiner Rücküberstellung (mittels Fiktion) gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO seit 29.11.2013 (stillschweigend) zugestimmt.
IV.
27 
Die Klage des Asylbewerbers könnte in dieser Konstellation allenfalls dann - nach nationalem Recht - Erfolg haben, wenn die Rücküberstellung aufgrund inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse unmöglich ist, etwa weil aufgrund einer schwerwiegenden Erkrankung keine Transportfähigkeit, d.h. Reisefähigkeit im engeren Sinne (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 06.02.2008 - 11 S 2439/07 - juris Rn. 8), besteht. Denn dann steht im Sinne von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, d.h. die Abschiebungsanordnung ist rechtswidrig. Das Bundesamt hat im Falle der Abschiebungsanordnung also nicht nur - unionsrechtlich - (Dublin-)zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote im Sinne von systemischen Mängeln i.V.m. Art. 4 GRCh zu prüfen, sondern (ausnahmsweise) auch - nationalrechtlich - inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse (ausführlich: Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, 11/2013, § 34a Rn. 22). Diese Grundregel ist trotz der prozessualen Neuerungen des Art. 27 Abs. 3 lit. c Dublin III-VO bzw. § 34a Abs. 2 AsylVfG auch unter dem Rechtsregime der Dublin III-VO beizubehalten, um das öffentliche Beschleunigungsinteresse hinsichtlich der zeitnahen Feststellung des zuständigen Dublin-Staates nicht durch gegebenenfalls unkoordinierte Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO bezüglich der Abschiebungsanordnung gegenüber dem Bundesamt einerseits und nach § 123 VwGO bezüglich Vollstreckungshindernissen gegenüber der Ausländerbehörde andererseits zu konterkarieren.
28 
Im Falle des verhältnismäßig jungen und offenbar gesunden Klägers gibt es allerdings keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme von inlandsbezogenen Vollstreckungshindernissen.
V.
29 
Bezüglich des Dublin-Zielstaates Italien liegen nach Überzeugung des erkennenden Gerichts (jedenfalls derzeit) auch keine systemischen Mängel im Sinne der dargestellten EuGH-Rechtsprechung (mehr) vor. Durch Tatsachen bestätigte Gründe dafür, dass der junge und gesunde Kläger im italienischen Asylverfahren voraussichtlich im Sinne von Art. 4 GRCh „der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen wird“, lassen sich nicht erkennen. Der Kläger selbst hat solche Gründe aufgrund eigener Erfahrungen in Italien zwischen seinem dortigen Asylerstantrag wohl am 27.08.2011 und der Ausreise aus Italien im Frühjahr 2013 im Übrigen auch nicht ansatzweise vorgetragen. Seine Begründung für die Weiterreise nach Deutschland war vielmehr, „to try my chance“.
30 
Zur aktuellen Situation in Italien hat insbesondere das Verwaltungsgericht Würzburg in seinem Beschluss vom 03.02.2014 - W 6 S 14.30087 - (juris) Folgendes dargelegt:
31 
„Nach der Erkenntnislage ist nicht anzunehmen, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien systemische Mängel aufweisen. (…) Dabei ist festzuhalten, dass nicht schon jeder Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention oder jede Verletzung eines Grundrechts zur Bejahung systemischer Mängel führt. Auch der Umstand, dass in Italien die wirtschaftliche Situation oder die medizinische Versorgung für Asylsuchende schlechter sein mag als in der Bundesrepublik Deutschland, führt für sich nicht zur Annahme systemischen Mängel oder einer allgemeinen unmenschlichen Behandlung (vgl. VG Oldenburg, B.v. 21.1.2014 – 3 B 6802/13 – juris mit Bezug auf OVG LSA, B.v. 14.11.2013 – 4 L 44/13).
32 
Das Auswärtige Amt kommt etwa in seiner Stellungnahme vom 21. Januar 2013 an das OVG Sachsen-Anhalt zu der Einschätzung, dass für Flüchtlinge in Italien landesweit ausreichende staatliche bzw. öffentliche und karitative Unterkunftsmöglichkeiten – bei teilweiser lokaler Überbelegung – zur Verfügung stehen, und insbesondere, dass alle Personen, die im Rahmen der Dublin-II-VO nach Italien zurückgeführt werden, in eine Unterkunft verteilt werden. Sie werden bei ihrer Ankunft am Flughafen empfangen, erkennungsdienstlich behandelt, einer Questura zugeteilt, von einer zuständigen Hilfsorganisation betreut und über den weiteren Verfahrensablauf unterrichtet (vgl. auch Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG NRW vom 11.09.2013).
33 
Soweit der vom Antragstellerbevollmächtigten zitierte Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Oktober 2013 erhebliche Missstände in Italien beschreibt, ebenso der UNHCR in einer Stellungnahme an das VG Freiburg vom Dezember 2013 (der daneben auch positive Aspekte honoriert), rechtfertigt dies nicht das Vorliegen von systemischen Mängeln, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, eine unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden (vgl. allgemein EuGH, U.v. 10.12.2013 – C 394/12 – juris). Das Gericht verkennt nicht das Bestehen der in den vorliegenden Berichten dargestellten Missstände, auf die auch der Antragstellerbevollmächtigte hingewiesen hat. Aber weder dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe noch der Stellungnahme des UNHCR noch sonstigen Unterlagen ist es zurzeit im ausreichenden Maß zu entnehmen, dass ein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen vorliegt bzw. dass das Asylverfahren und die Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern in Italien systemische Mängel aufweisen. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass der UNHCR weiterhin gerade keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, Asylsuchende nicht nach Italien zu überstellen. Dies ist deshalb von erheblicher Bedeutung, weil die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem Mitgliedsstaat, der nach den Kriterien der Dublin-II-VO als zuständiger Staat bestimmt wird, angesichts der Rolle, die dem Amt des UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, die bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrens zu beachten ist, besonders relevant sind (vgl. EUGH, U.v. 30.5.2013 – C-528/11 – ABl EU 2013, Nr. C 225 S. 12 – juris). Soweit in Italien Missstände und Notstände aufgrund der stark gestiegenen Asylbewerberzahl festgestellt worden sind, sind sie dieser geschuldet und stellen als solche für sich keine systemischen Mängel dar. Allein aus dem Umstand, dass andere Verwaltungsgerichte jedenfalls im Sofortverfahren zu anderen Ergebnissen kommen, mag auf den zugrundeliegenden Prüfungsmaßstab zurückzuführen sein, belegt aber nicht das tatsächliche Vorhandensein von Mängeln im italienischen System.
34 
Die vorliegende Einschätzung deckt sich mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 2. April 2013 (27725/10 – ZAR 2013, 336). Der Hinweis des Antragstellerbevollmächtigten auf eine divergierende Rechtsauffassung der 5. Sektion des EGMR und die Befassung der Großen Kammer des EGMR rechtfertigt zurzeit keine andere Beurteilung. Die 3. Sektion des EGMR hat ihre Rechtsauffassung über die Einschätzung hinsichtlich der Situation von Asylsuchenden in Italien mit einer Entscheidung vom 10. September 2013 ausdrücklich bestätigt (2314/10 – http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-127054). Zudem ist auch in dem Zusammenhang zu betonen, dass tatsächlich bestehende Defizite im italienischen Asylsystem auch mit der Folge, dass die wirtschaftliche, die medizinische und die soziale Versorgung in Italien schlechter als in der Bundesrepublik Deutschland ist, nicht die Annahme systemischer Mängel oder einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention rechtfertigen. Denn an einer Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention sind strenge Maßstäbe anzulegen (vgl. auch Thym, ZAR 2013, 331). Zudem ist nicht allein auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bzw. auf die Rechtsauffassung einer einzelnen Sektion abzustellen, sondern die gesamten Umstände des Einzelfalls sind zu würdigen.
35 
Das Gericht schließt sich nach alledem dem Teil der Rechtsprechung an, der systemische Mängel in Italien verneint und nimmt darauf ergänzend Bezug (vgl. zuletzt VG Oldenburg, B.v. 21.1.2014 – 3 B 6802/13 -; VG Regensburg, B.v. 18.12.2013 – RN 6 S 13.30720 – juris; VG Saarland, B.v. 6.12.2013 – 3 L 1989/13 – juris; VG Ansbach, B.v. 26.11.2013 – AN 1 S 13.31045 – juris; VG Trier, B.v. 6.11.2013 – 5 L 1539/13.TR – juris; OVG Berlin-Bbg, B.v. 17.6.2013 – OVG 7 S 33.13 – juris; a. A. etwa VG Gießen, U.v. 25.11.2013 – 1 K 844/11.GI.A – AuAS 2014, 12, jeweils mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung und den dort zitierten Erkenntnisquellen).“
36 
Auch das erkennende Gericht schließt sich dieser Bewertung des derzeitigen Asylsystems in Italien an. Besonderes Gewicht wird dabei dem Umstand beigemessen, dass UNHCR im Bericht vom Dezember 2013 (anders als im Falle Bulgariens, vgl. Bericht vom 02.01.2014 - http://www.refworld.org/docid/52c598354.html) und bis heute bezüglich Italien aufgrund auch der eigenen Überprüfungen vor Ort keinen Überstellungsstopp fordert.
37 
Nach alledem begegnet die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG keinen Bedenken, denn Italien ist, wie ausgeführt, der für die Fortführung des Asylverfahrens des Klägers zuständige Staat.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.

Gründe

 
11 
Soweit sich der Klageantrag auf ein Verpflichtungsbegehren bezieht, ist die Klage schon unzulässig. Denn der Kläger hat keine überlange Verfahrensdauer im Sinne des Art. 47 GRCh gerügt, die auch nicht ersichtlich ist, weswegen ihm von vorneherein kein Anspruch auf „Durchentscheiden“ zustehen kann (hierzu III.), es also insoweit an der Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO fehlt. Bezüglich des Anfechtungsbegehrens hingegen ist die Klage zulässig, weil sich der Kläger auf ihn betreffende systemische Mängel im italienischen Asylverfahren beruft, sodass insoweit die Verletzung eigener Rechte aus Art. 4 GRCh möglich erscheint.
12 
Selbst wenn aber nicht nur das Anfechtungs-, sondern auch das Verpflichtungsbegehren als zulässig angesehen würde, ist die Klage in jedem Fall insgesamt unbegründet. Denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung seines Asylverfahrens im Bundesgebiet sowie auf die geltend gemachten Rechtspositionen (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO). Ob im konkreten Fall das italienische Asylverfahren tatsächlich durch ablehnenden Bescheid bestandskräftig negativ abgeschlossen wurde, ist nicht hinreichend ersichtlich (nur: „my case was rejected by the Italian government“). Es kann im Ergebnis aber offen bleiben, ob ein Zweitantrag im Sinne von § 71a AsylVfG vorliegt oder der Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG unzulässig ist. In beiden Fällen ist Italien für die Fortführung des Asylverfahrens zuständig im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (- GEAS -; hierzu: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., Vorb-AsylVfG Rn. 20 ff., sowie Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen, 2013, S. 34 ff., m.w.N.). Die angefochtene Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG in der Fassung von Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (- Qualifikationsrichtlinie n.F. / QRL -) vom 28.08.2013 (BGBl I Nr. 54 v. 05.09.2013, 3474) ist gerichtlich nicht zu beanstanden.
I.
13 
Gemäß Art. 49 (Abs. 2) der Dublin III-Verordnung 604/2013/EU (- Dublin III-VO -) ist für vor dem 19.07.2013 in Deutschland gestellte (Alt-)Anträge auf internationalen Schutz (i.S. von Art. 2 lit. h QRL: Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiären Schutzes) weiterhin die Dublin II-Verordnung 343/2003/EG (- Dublin II-VO -) anwendbar. Für (Neu-)Anträge ab 01.01.2014 gilt hingegen ausschließlich die Dublin III-VO. Für Anträge im Übergangszeitraum 19.07.2013 bis 31.12.2013 gilt grundsätzlich bereits die Dublin III-VO, nicht jedoch hinsichtlich der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats, die weiterhin nach den Kriterien der Dublin II-VO erfolgt. Sämtliche Regelungen, die die Zuständigkeit eines bestimmten Mitgliedstaats für den Antrag normieren, sind für diese Übergangsfälle - nach Sinn und Zweck des Art. 49 (Abs. 2) Dublin III-VO (Verwaltungsvereinfachung auch bezüglich der verwendeten Formulare etc. im Übergangszeitraum ab Inkrafttreten der erst am 29.06.2013 veröffentlichten Dublin III-VO) - weiterhin der Dublin II-VO zu entnehmen. In deren Kapitel III ist die „Rangfolge“ der Kriterien geregelt; zu dieser Rangfolge gehören untrennbar die sonstigen Dublin II-Regelungen (insbesondere Kapitel V, in dem die Dublin II-VO etwa bei Fristablauf ebenfalls Zuständigkeitskriterien normiert). Dass Kapitel III der Dublin III-VO nunmehr die „Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats“ begrifflich enger fasst, spielt keine Rolle. Denn Art. 49 (Abs. 2) Dublin III-VO verweist ausdrücklich und pauschal auf die Kriterien der (eigentlich gemäß Art. 48 Dublin III-VO aufgehobenen) Dublin II-VO.
14 
Die Dublin II-VO ist im Übrigen (derzeit) weiterhin anwendbar bezüglich der Länder Norwegen, Island, Schweiz, Liechtenstein und Dänemark, die sich (bislang) nicht am Dublin III-System beteiligen.
15 
Die Dublin-Verordnungen dürften im Übrigen nicht nur bei bloßer Feststellung von subsidiärem Schutz, sondern selbst bei Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Dublin-Staat - jedenfalls analog - anwendbar sein (a.A. Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, 11/2013, § 27a Rn. 34). Denn in diesen Fällen behält der andere Dublin-Staat nach Sinn und Zweck der Verordnungen grundsätzlich weiterhin die Flüchtlingsverantwortung, wie dies auch Art. 4 des Europäischen Übereinkommens über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge vom 16.10.1980 (BGBl 1994 II 2645) dokumentiert (vgl. Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., § 2 AsylVfG Rn. 6). Verstärkt wird dieser Ansatz durch die Regelung des Art. 24 Abs. 1 QRL, wonach anerkannte Flüchtlinge Anspruch auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels haben. Analog Art. 9 (i.V.m. Art. 2 lit. j) Dublin II-VO bzw. Art. 12 (i.V.m. Art. 2 lit. l) Dublin III-VO muss der Aussteller-Mitgliedstaat im Dublin-System für die Prüfung des erneuten Antrags auf internationalen Schutz (dem das Rechtsschutzbedürfnis fehlen dürfte) auch in der Zwischenzeit nach Flüchtlingsanerkennung und Titelausstellung zuständig sein. Alles andere wäre mit dem öffentlichen Beschleunigungsinteresse im Sinne einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Dublin-Staates unvereinbar. Denn es kann nicht richtig sein, dass das Bundesamt oder die Asylgerichte - gegebenenfalls unter Beiziehung, Übersetzung und Auswertung der ausländischen Verwaltungsakten sowie nach Studium des jeweiligen nationalen Asylverwaltungsverfahrensrechtes - zur Aufklärung verpflichtet wären, ob der Antragsteller nun tatsächlich eigentlich bereits bestandskräftig anerkannt oder (teil-)abgelehnt wurde bzw. ob ihm die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer oder komplementärer Schutz zuerkannt worden ist. Jedenfalls dann, wenn der ersuchte Dublin-Staat im Dublin-Verfahren der (Wieder-)Aufnahme des Antragstellers zugestimmt hat, was er völker- bzw. unionsrechtlich auch ohne entsprechende Rechtspflicht darf, steht grundsätzlich im Sinne des § 34a Abs. 1 AsylVfG fest, dass die Abschiebung in diesen Staat durchgeführt werden kann. Der Einwand des Antragstellers, er sei dort aber schon anerkannt worden, kann den „effet utile“ der Dublin-Verordnungen nicht außer Kraft setzen.
16 
Im Falle des Klägers, der seinen (Alt-)Asylantrag in Deutschland am 11.06.2013 gestellt hat und bei dem unklar ist, ob sein italienisches Asylverfahren bestandskräftig beendet wurde, ist nach diesen Grundsätzen (weiterhin) die Dublin II-VO anwendbar. Da er vor Einreise in das Bundesgebiet nach dem EURODAC-Treffer sowie seinen eigenen Angaben in Italien bereits ein Asylverfahren durchlaufen hatte, bleibt Italien nach Art. 13 i.V.m. Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II-VO für ihn zuständig und muss ihn nach Maßgabe des Art. 20 Dublin II-VO wieder aufnehmen. Demgemäß hat Italien die Möglichkeit, der Wiederaufnahme ausdrücklich zuzustimmen oder die Wiederaufnahme durch Stillschweigen zu akzeptieren. Nach Art. 20 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO wird davon ausgegangen, dass Italien die Wiederaufnahme akzeptiert, wenn es nach einem EURODAC-Treffer nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab dem deutschen Ersuchen eine Antwort erteilt. Im Falle des Klägers hat das Bundesamt (erstmals) am 14.11.2013 die italienische Dublin-Koordinierungsstelle um die Wiederaufnahme des Klägers ersucht. Gemäß Art. 25 Abs. 1 Dublin II-VO steht mithin seit 29.11.2013 fest, dass Italien der Wiederaufnahme des Klägers zugestimmt hat. Damit steht zugleich auch bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung im Rechtssinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG seit 29.11.2013 insoweit fest, dass die Abschiebung des Klägers nach Italien durchgeführt werden kann.
II.
17 
Hiergegen kann der Kläger - unionsrechtlich - ausschließlich einwenden, im Zielstaat der Abschiebung bestünden systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der EU ausgesetzt zu werden. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) der Sache nach in seinem Urteil vom 10.12.2013 (Rs. C-394/12 ) entschieden und damit das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sowie seine eigene Rechtsprechung in den Urteilen und fortgeschrieben.
18 
1. Im Urteil der Großen Kammer vom 21.01.2011 (Beschw.-Nr. 30696/09) entschied der EGMR, dass eine Dublin-Überstellung von Belgien nach Griechenland aufgrund der dort herrschenden Haft- und Lebensbedingungen für Asylbewerber insbesondere gegen Art. 3 EMRK verstoßen hat.
19 
2. Der EuGH übertrug dies entsprechend Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRCh im Urteil vom 21.12.2011 (Rs. C-411/10 und 493/10) unter Anwendung von Art. 4 GRCh (= Art. 3 EMRK) in das Unionsrecht und entwickelte hierbei den Begriff der „systemischen Mängel“ bzw. „Schwachstellen“ (vgl. heute: Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO). Herrschen in einem Dublin-Staat solche systemischen Mängel im Asylsystem, was Asylbehörde und gegebenenfalls Asylgericht selbst prüfen müssen und wobei die Darlegungsanforderungen an den Antragsteller nicht überspannt werden dürfen (vgl. UK Supreme Court, Urteil vom 19.02.2014 - EM (Eritrea) v SSHD 2014] UKSC 12 - http://supremecourt.uk/decided-cases/docs/UKSC_2012_0272_Judgment.pdf), darf der Asylbewerber dorthin nicht rücküberstellt werden (Rn. 112 f.). Eine unwiderlegbare Vermutung, dass in keinem Dublin-Staat systemische Mängel existieren, widerspricht - trotz des „Prinzips des gegenseitigen Vertrauens“ und dem politischen Ziel, „forum shopping“ zu vermeiden - Unionsrecht (Rn. 79, 104). Abstrakt definiert setzt die Annahme eines systemischen Mangels allerdings keine „flächendeckende Fehlfunktion im Asylsystem“ im Sinne von „griechischen Verhältnissen“ voraus, sondern eine Schwachstelle, Fehlstruktur oder strukturelle Lücke, die im Sinne einer ceteris paribus notwendigen, aber nicht notwendig hinreichenden Bedingung für Fälle, die diese Asylsystemstelle durchlaufen, zu Rechtsverletzungen führt - dies in Abgrenzung und Gegenüberstellung zu Rechtsverletzungen, die (nur) aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände entstehen (überzeugend: Lübbe, „Systemische Mängel“ in Dublin-Verfahren, ZAR 3/2014, i.E.). Solche Rechtsverletzungen müssen jedoch hinreichend gravierend sein, denn nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den Dublin-Zielstaat führt zur Unbeachtlichkeit der Dublin-Zuständigkeitsbestimmungen (Rn. 82).
20 
Vorliegen muss vielmehr eine Verletzung von Art. 4 GRCh, die in Betracht kommen kann etwa hinsichtlich willkürlicher Haft oder katastrophaler Lebensbedingungen für Asylbewerber () oder wenn etwa aufgrund erheblicher Erkrankung und Nichtbehandelbarkeit im Dublin-Zielstaat dort der in Art. 15 der Aufnahme-RL 2003/9/EG garantierte medizinische Mindeststandard („Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten“) gefährlich unterschritten wäre (im Ergebnis ebenso: UK Supreme Court, a.a.O. Rn. 58 ff). Ausschließlich in solchen Fällen darf das Dublin-System außer Kraft gesetzt werden, auch um einen Wertungswiderspruch hinsichtlich der Art. 3 EMRK-Rechtsprechung des EGMR zu vermeiden (vgl. Urteil vom 27.05.2008 , Beschwerde Nr. 26565/05, NVwZ 2008, 1334). Denn wegen der Unteilbarkeit der Menschenwürde, die hinter Art. 4 GRCh = Art. 3 EMRK steht, kann es schlechterdings nicht richtig sein, dass die Abschiebung in den Heimatstaat - hier Gambia - hiernach zulässig wäre, obwohl dort etwa keinerlei Unterbringung gesichert ist, die Abschiebung in den Dublin-Staat - hier Italien - hingegen nach dem Maßstab desselben Menschenrechtes etwa bei gesicherter, aber schlechter Unterbringung unzulässig sein soll. Dies wäre auch mit der effet utile-Rechtsprechung des EuGH unvereinbar, der im Urteil „N.S.“ bekräftigt, dass hinsichtlich des effektiven Funktionierens des Dublin-Systems „der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, das auf gegenseitigem Vertrauen und einer Vermutung der Beachtung des Unionsrechts, genauer der Grundrechte, durch die anderen Mitgliedstaaten gründet“, auf dem Spiel stehen (Rn. 83).
21 
3. In Fortschreibung dieser Entscheidung entschied der EuGH sodann im Urteil am 14.11.2013 (Rs. C-4/11), dass bei Vorliegen systemischer Mängel, die beim konkreten Asylbewerber zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh führen, der eigentlich nicht zuständige Dublin-Staat zunächst weiter prüfen darf, ob anhand der Dublin-Regelungen ein anderer Dublin-Staat für eine Überstellung in Frage kommt (Rn. 33). Dabei hat der eigentlich nicht zuständige Dublin-Staat darauf zu achten, dass kein unangemessen langes Verfahren entsteht. Erforderlichenfalls sollte er den Asylantrag unter Inanspruchnahme des mitgliedstaatlichen Selbsteintrittsrechts (vgl. Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO; Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO) selbst prüfen (Rn. 35). Der EuGH stellte allerdings ausdrücklich klar, dass der Asylbewerber hierauf keinen Rechtsanspruch besitzt (Rn. 26, 37). Damit hat er zugleich der Sache nach klargestellt, dass ein Asylbewerber nur Anspruch darauf hat, dass sein Antrag auf internationalen Schutz auf dem Gebiet des „unvollendeten Bundesstaates EU“ geprüft wird, nicht aber darauf, dass er gerade in einem bestimmten Dublin-Staat eigener Wahl geprüft wird (kein „forum shopping“), genauso wenig, wie etwa ein Anspruch besteht, dass dies in Baden-Württemberg und nicht beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern geschieht. Indem der EuGH dem Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO die drittschützende Wirkung absprach, hat er zugleich angelegt, dass auch den anderen Dublin-Verfahrensvorschriften, insbesondere den Fristenregelungen, grundsätzlich keine drittschützende Wirkung zukommt.
22 
4. Dies wurde nunmehr im Urteil vom 10.12.2013 (Rs. C-394/12) klargestellt, in dem ausdrücklich nach dem Drittschutz von Dublin-Zuständigkeitsverfahrensvorschriften gefragt worden war. Der EuGH antwortete wiederum verneinend und in aller Klarheit, dass in dem Moment, in dem ein Dublin-Zielstaat der (Wieder-)Aufnahme des Asylbewerbers zugestimmt hat, dieser hiergegen ausschließlich dortige systemische Mängel einwenden kann, die in seinem konkreten Einzelfall zu einer Verletzung von Art. 4 GRCh führen würden (Rn. 60). Denn die Dublin-Zuständigkeitsregelungen seien im Sinne von „organisatorischen Vorschriften“ der Mitgliedstaaten (Rn. 56) und nach dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ normiert worden, um - auch wegen des öffentlichen Beschleunigungsinteresses hinsichtlich einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Dublin-Staates - einem „forum shopping“ entgegenzuwirken (Rn. 53).
III.
23 
Damit steht nunmehr im Sinne eines „acte clair“ (genauer: „acte éclairé“) fest, dass sämtliche nicht grundrechtlich (wie Art. 6-8 Dublin II-VO bzw. Art. 8-11 Dublin III-VO) aufgeladenen Dublin-Zuständigkeitsregelungen vom Asylbewerber gerichtlich grundsätzlich nicht durchgesetzt werden können. Denn der EuGH hat in allen drei Leitentscheidungen zum Dublin-System der Sache nach pauschal insbesondere mit der Funktionsfähigkeit des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems argumentiert („Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“, „öffentliches Beschleunigungsinteresse“), sodass eindeutig ist, dass sich dies nicht nur auf die jeweilig spezifischen Normen der Dublin II-VO bezieht. Auch im Rahmen der nach Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbar verbindlichen Dublin III-VO kann deshalb nichts anderes gelten. Ein Drittschutz für Dublin-Zuständigkeitsregelungen könnte allenfalls noch bei überlanger Verfahrensdauer gemäß dem über Art. 51 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GRCh hier direkt anwendbaren Art. 47 Satz 2 GRCh (vgl. Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl., Vorb-GRCh Rn. 1) anerkannt werden, um einen dauerhaft untätigen Mitgliedstaat zum Handeln zu zwingen, damit keine „refugee in orbit“-Situation entsteht. Nur in einer solchen Ausnahmekonstellation, die aufgrund der hintereinander geschalteten verschiedenen Wochen- und Monatsfristen der Dublin-Verordnungen sicherlich ein Untätigbleiben von weit über einem Jahr voraussetzt, könnte sich das private Beschleunigungsinteresse des Asylbewerbers an der inhaltlichen Bearbeitung seines Antrags gegenüber dem öffentlichen Beschleunigungsinteresse bezüglich der zeitnahen Klärung des für die Antragsbearbeitung nach den Dublin-Verordnungen zuständigen Staates durchsetzen.
24 
Ist diese Ausnahmekonstellation aber, wie im vorliegenden Fall, nicht gegeben, kann eine Klage allein mit dem Argument, etwa die Drei- bzw. Zwei-Monatsfrist des Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO oder Art. 21 Abs. 1 bzw. 23 Abs. 2 Dublin III-VO sei verletzt worden, keinen Erfolg haben. Gleiches muss gelten, wenn die Sechs-Monatsfrist des Art. 19 Abs. 4 bzw. 20 Abs. 2 Dublin II-VO oder Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO abgelaufen ist (insoweit von überholt: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 06.08.2013 - 12 S 675/13 - juris Rn. 13). Auch in diesem Fall kann eine Anfechtungsklage des Asylbewerbers unionsrechtlich allein dann Erfolg haben, wenn im Dublin-Zielstaat systemische Mängel vorliegen, die im konkreten Einzelfall zu einer Verletzung von Art. 4 GRCh führen würden. Dann müsste der angefochtene Bescheid des Bundesamts aufgehoben werden, damit dem Bundesamt die im Urteil (Rn. 33) beschriebene (und nun in Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO normierte) Möglichkeit eingeräumt wird, auf den dann weiter anhängigen Asylantrag einen anderen Dublin-Zielstaat für die Rücküberstellung zu finden bzw. vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.
25 
Ein „Durchentscheiden“ zum (vom Bundesamt, anders als bei Folgeanträgen, nicht einmal angeprüften) Asyl- und Flüchtlingsrecht bzw. subsidiären oder komplementären Schutz im Sinne der Folgeantragsrechtsprechung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.12.2000 - 9 B 426.00 - juris) scheidet hingegen aus, weil ansonsten entgegen dem Urteil unionsrechtswidrig dem Asylbewerber doch ein gerichtlich durchsetzbares Recht auf Selbsteintritt eingeräumt (insoweit von überholt: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - juris Rn. 27/30) und dem Bundesamt die Möglichkeit, einen anderen (auch „freiwillig“) aufnehmenden Dublin-Staat zu finden, abgeschnitten würde. Zudem würde hierdurch das Gericht unter Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz zur „Erstbehörde“ gemacht. Solange also die Zustimmung eines Dublin-Zielstaates (faktisch fort-)besteht, den Asylbewerber wieder aufzunehmen (und diese Zustimmung nicht etwa befristet war oder wegen Fristablaufs vom Dublin-Zielstaat inzwischen widerrufen worden ist) sowie in diesem Zielstaat keine systemischen Mängel mit der Folge der Art. 4 GRCh-Verletzung bestehen, solange kann die Klage - unionsrechtlich - keinen Erfolg haben. Diese Zustimmung kann vom Zielstaat nach dem Dublin-System verwaltungstechnisch ausdrücklich oder stillschweigend im Sinne einer Fiktion erteilt worden sein (vgl. Art. 20 Abs. 1 Dublin II-VO bzw. Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO).
26 
Im Falle des Klägers ist es hier deshalb ohne entscheidungserhebliche Relevanz, dass das Bundesamt die Drei-Monatsfrist des Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO verletzt hat (Asylantrag am 11.06.2013; Überstellungsersuchen erst am 14.11.2013). Denn Italien hat seiner Rücküberstellung (mittels Fiktion) gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO seit 29.11.2013 (stillschweigend) zugestimmt.
IV.
27 
Die Klage des Asylbewerbers könnte in dieser Konstellation allenfalls dann - nach nationalem Recht - Erfolg haben, wenn die Rücküberstellung aufgrund inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse unmöglich ist, etwa weil aufgrund einer schwerwiegenden Erkrankung keine Transportfähigkeit, d.h. Reisefähigkeit im engeren Sinne (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 06.02.2008 - 11 S 2439/07 - juris Rn. 8), besteht. Denn dann steht im Sinne von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, d.h. die Abschiebungsanordnung ist rechtswidrig. Das Bundesamt hat im Falle der Abschiebungsanordnung also nicht nur - unionsrechtlich - (Dublin-)zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote im Sinne von systemischen Mängeln i.V.m. Art. 4 GRCh zu prüfen, sondern (ausnahmsweise) auch - nationalrechtlich - inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse (ausführlich: Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, 11/2013, § 34a Rn. 22). Diese Grundregel ist trotz der prozessualen Neuerungen des Art. 27 Abs. 3 lit. c Dublin III-VO bzw. § 34a Abs. 2 AsylVfG auch unter dem Rechtsregime der Dublin III-VO beizubehalten, um das öffentliche Beschleunigungsinteresse hinsichtlich der zeitnahen Feststellung des zuständigen Dublin-Staates nicht durch gegebenenfalls unkoordinierte Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO bezüglich der Abschiebungsanordnung gegenüber dem Bundesamt einerseits und nach § 123 VwGO bezüglich Vollstreckungshindernissen gegenüber der Ausländerbehörde andererseits zu konterkarieren.
28 
Im Falle des verhältnismäßig jungen und offenbar gesunden Klägers gibt es allerdings keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme von inlandsbezogenen Vollstreckungshindernissen.
V.
29 
Bezüglich des Dublin-Zielstaates Italien liegen nach Überzeugung des erkennenden Gerichts (jedenfalls derzeit) auch keine systemischen Mängel im Sinne der dargestellten EuGH-Rechtsprechung (mehr) vor. Durch Tatsachen bestätigte Gründe dafür, dass der junge und gesunde Kläger im italienischen Asylverfahren voraussichtlich im Sinne von Art. 4 GRCh „der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen wird“, lassen sich nicht erkennen. Der Kläger selbst hat solche Gründe aufgrund eigener Erfahrungen in Italien zwischen seinem dortigen Asylerstantrag wohl am 27.08.2011 und der Ausreise aus Italien im Frühjahr 2013 im Übrigen auch nicht ansatzweise vorgetragen. Seine Begründung für die Weiterreise nach Deutschland war vielmehr, „to try my chance“.
30 
Zur aktuellen Situation in Italien hat insbesondere das Verwaltungsgericht Würzburg in seinem Beschluss vom 03.02.2014 - W 6 S 14.30087 - (juris) Folgendes dargelegt:
31 
„Nach der Erkenntnislage ist nicht anzunehmen, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien systemische Mängel aufweisen. (…) Dabei ist festzuhalten, dass nicht schon jeder Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention oder jede Verletzung eines Grundrechts zur Bejahung systemischer Mängel führt. Auch der Umstand, dass in Italien die wirtschaftliche Situation oder die medizinische Versorgung für Asylsuchende schlechter sein mag als in der Bundesrepublik Deutschland, führt für sich nicht zur Annahme systemischen Mängel oder einer allgemeinen unmenschlichen Behandlung (vgl. VG Oldenburg, B.v. 21.1.2014 – 3 B 6802/13 – juris mit Bezug auf OVG LSA, B.v. 14.11.2013 – 4 L 44/13).
32 
Das Auswärtige Amt kommt etwa in seiner Stellungnahme vom 21. Januar 2013 an das OVG Sachsen-Anhalt zu der Einschätzung, dass für Flüchtlinge in Italien landesweit ausreichende staatliche bzw. öffentliche und karitative Unterkunftsmöglichkeiten – bei teilweiser lokaler Überbelegung – zur Verfügung stehen, und insbesondere, dass alle Personen, die im Rahmen der Dublin-II-VO nach Italien zurückgeführt werden, in eine Unterkunft verteilt werden. Sie werden bei ihrer Ankunft am Flughafen empfangen, erkennungsdienstlich behandelt, einer Questura zugeteilt, von einer zuständigen Hilfsorganisation betreut und über den weiteren Verfahrensablauf unterrichtet (vgl. auch Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG NRW vom 11.09.2013).
33 
Soweit der vom Antragstellerbevollmächtigten zitierte Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Oktober 2013 erhebliche Missstände in Italien beschreibt, ebenso der UNHCR in einer Stellungnahme an das VG Freiburg vom Dezember 2013 (der daneben auch positive Aspekte honoriert), rechtfertigt dies nicht das Vorliegen von systemischen Mängeln, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, eine unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden (vgl. allgemein EuGH, U.v. 10.12.2013 – C 394/12 – juris). Das Gericht verkennt nicht das Bestehen der in den vorliegenden Berichten dargestellten Missstände, auf die auch der Antragstellerbevollmächtigte hingewiesen hat. Aber weder dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe noch der Stellungnahme des UNHCR noch sonstigen Unterlagen ist es zurzeit im ausreichenden Maß zu entnehmen, dass ein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen vorliegt bzw. dass das Asylverfahren und die Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern in Italien systemische Mängel aufweisen. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass der UNHCR weiterhin gerade keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, Asylsuchende nicht nach Italien zu überstellen. Dies ist deshalb von erheblicher Bedeutung, weil die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem Mitgliedsstaat, der nach den Kriterien der Dublin-II-VO als zuständiger Staat bestimmt wird, angesichts der Rolle, die dem Amt des UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, die bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrens zu beachten ist, besonders relevant sind (vgl. EUGH, U.v. 30.5.2013 – C-528/11 – ABl EU 2013, Nr. C 225 S. 12 – juris). Soweit in Italien Missstände und Notstände aufgrund der stark gestiegenen Asylbewerberzahl festgestellt worden sind, sind sie dieser geschuldet und stellen als solche für sich keine systemischen Mängel dar. Allein aus dem Umstand, dass andere Verwaltungsgerichte jedenfalls im Sofortverfahren zu anderen Ergebnissen kommen, mag auf den zugrundeliegenden Prüfungsmaßstab zurückzuführen sein, belegt aber nicht das tatsächliche Vorhandensein von Mängeln im italienischen System.
34 
Die vorliegende Einschätzung deckt sich mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 2. April 2013 (27725/10 – ZAR 2013, 336). Der Hinweis des Antragstellerbevollmächtigten auf eine divergierende Rechtsauffassung der 5. Sektion des EGMR und die Befassung der Großen Kammer des EGMR rechtfertigt zurzeit keine andere Beurteilung. Die 3. Sektion des EGMR hat ihre Rechtsauffassung über die Einschätzung hinsichtlich der Situation von Asylsuchenden in Italien mit einer Entscheidung vom 10. September 2013 ausdrücklich bestätigt (2314/10 – http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-127054). Zudem ist auch in dem Zusammenhang zu betonen, dass tatsächlich bestehende Defizite im italienischen Asylsystem auch mit der Folge, dass die wirtschaftliche, die medizinische und die soziale Versorgung in Italien schlechter als in der Bundesrepublik Deutschland ist, nicht die Annahme systemischer Mängel oder einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention rechtfertigen. Denn an einer Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention sind strenge Maßstäbe anzulegen (vgl. auch Thym, ZAR 2013, 331). Zudem ist nicht allein auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bzw. auf die Rechtsauffassung einer einzelnen Sektion abzustellen, sondern die gesamten Umstände des Einzelfalls sind zu würdigen.
35 
Das Gericht schließt sich nach alledem dem Teil der Rechtsprechung an, der systemische Mängel in Italien verneint und nimmt darauf ergänzend Bezug (vgl. zuletzt VG Oldenburg, B.v. 21.1.2014 – 3 B 6802/13 -; VG Regensburg, B.v. 18.12.2013 – RN 6 S 13.30720 – juris; VG Saarland, B.v. 6.12.2013 – 3 L 1989/13 – juris; VG Ansbach, B.v. 26.11.2013 – AN 1 S 13.31045 – juris; VG Trier, B.v. 6.11.2013 – 5 L 1539/13.TR – juris; OVG Berlin-Bbg, B.v. 17.6.2013 – OVG 7 S 33.13 – juris; a. A. etwa VG Gießen, U.v. 25.11.2013 – 1 K 844/11.GI.A – AuAS 2014, 12, jeweils mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung und den dort zitierten Erkenntnisquellen).“
36 
Auch das erkennende Gericht schließt sich dieser Bewertung des derzeitigen Asylsystems in Italien an. Besonderes Gewicht wird dabei dem Umstand beigemessen, dass UNHCR im Bericht vom Dezember 2013 (anders als im Falle Bulgariens, vgl. Bericht vom 02.01.2014 - http://www.refworld.org/docid/52c598354.html) und bis heute bezüglich Italien aufgrund auch der eigenen Überprüfungen vor Ort keinen Überstellungsstopp fordert.
37 
Nach alledem begegnet die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG keinen Bedenken, denn Italien ist, wie ausgeführt, der für die Fortführung des Asylverfahrens des Klägers zuständige Staat.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der 1985 geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Pakistan und gehört zu den Punjabi. Er verließ nach seinen Angaben Pakistan am 25.02.2012 und kam am 26.03.2012 nach Italien, wo er erkennungsdienstlich behandelt wurde. Am 03.06.2012 reiste er nach seinen Angaben auf dem Landweg über die Schweiz oder Frankreich nach Deutschland.
Am 18.06.2012 stellte er einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellte daraufhin am 18.10.2012 ein auf Art. 16 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien. Am 30.11.2012 erfolgte die Zustimmung Italiens zur Rücküberstellung des Klägers.
Mit Bescheid vom 03.12.2012 erklärte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag für unzulässig und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Ein Zustellungsnachweis befindet sich nicht bei den Akten; jedenfalls wurde der Bescheid mit einem Begleitschreiben vom 15.01.2013 zur Post gegeben. Die für den 31.01.2013 vorgesehene Überstellung nach Italien konnte nicht durchgeführt werden, da der Kläger nicht angetroffen wurde.
Am 28.01.2013 erhob der Kläger Klage und machte geltend, eine Abschiebung nach Italien sei nicht zulässig. Er habe in Italien gar keinen Asylantrag gestellt. Auch bestehe die Gefahr der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung in Italien. Die Beklagte hätte von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen.
Mit Beschluss vom 14.03.2013 (A 12 K 332/13) ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 03.12.2012 enthaltene Abschiebungsanordnung an und gab der Beklagten auf, dem Regierungspräsidium Karlsruhe die Anordnung der aufschiebenden Wirkung mitzuteilen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vom 17.06.2013 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 03.12.2012 auf und verpflichtete die Bundesrepublik Deutschland auf den ausdrücklichen Antrag des Klägers, sein Asylverfahren fortzuführen. Zur Begründung führte es aus: Zwar sei Italien der zuständige Mitgliedstaat. Allerdings leide das Asylsystem Italiens unter sog. systemischen Mängeln im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, sodass die Bundesrepublik von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müsse.
Auf den rechtzeitig gestellten Antrag der Beklagten ließ der Senat durch Beschluss vom 14.08.2013 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.
Am 05.09.2013 hat der Beklagte unter Stellung eines Antrags die Berufung begründet: Zunächst sei davon auszugehen, dass das Zuständigkeitsregime der Dublin-Verordnung keine subjektiven Rechte der Asylbewerber begründe. Im Übrigen gelte nach der Rechtsprechung des EuGH eine generelle Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention erfolge. Dass in Bezug auf Italien ernsthaft und erwiesenermaßen zu befürchten sei, dass systemische Mängel zwangsläufig mit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung der überstellten Asylbewerber einhergingen, könne nicht eingewandt werden. Nach den vorliegenden Quellen, insbesondere von UNHCR, seien derartige Befürchtungen nicht gerechtfertigt.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.06.2013 - A 12 K 331/13 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten verweist der Senat auf die gewechselten Schriftsätze. Dem Senat liegen die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

Gründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. September 2009 - A 6 K 3484/08 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt seine Anerkennung als Asylberechtigter.
Der Kläger, ein nach seinen Angaben am ...1985 in Sheikhan geborener irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und yezidischen Glaubens, reiste am 3.2.2008 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung machte er geltend, er stamme aus dem im Sheikhan gelegenen Dorf Essya (gemeint wohl Esyan). Seine Familie, zu der außer seinen Eltern sieben Brüder und sechs Schwestern gehörten, lebe noch mit Ausnahme eines Bruders im Sheikhan. Er habe den Irak im Dezember 2004 verlassen und sich zunächst einige Monate in Griechenland aufgehalten. Er sei dann nach Holland geflogen und habe dort einen Asylantrag gestellt. Die holländischen Behörden hätten den Antrag im Mai 2006 abgelehnt und ihn zurück nach Griechenland geschickt, wo er zunächst in Abschiebehaft genommen worden sei. Nach seiner Freilassung sei er in den Irak zurückgekehrt. Am 22.1.2008 habe er den Irak wieder verlassen und sei über die Türkei nach Deutschland gereist. Der Grund dafür sei, dass er als Yezide von den Leuten merkwürdig angeschaut worden sei. Er habe auch schon gehört, dass in anderen yezidischen Dörfern Leute überfallen worden seien. Er selbst sei aber weder bedroht noch in anderer Weise behelligt worden.
Nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) festgestellt hatte, dass der Kläger bereits am 23.5.2006 einen Asylantrag in Griechenland gestellt hatte, ersuchte es mit Schreiben vom 10.4.2008 die griechischen Behörden um Aufnahme des Klägers. Das Ersuchen blieb trotz einer mit Schreiben vom 14.5.2008 erfolgten Erinnerung unbeantwortet.
Das Bundesamt lehnte daraufhin mit Bescheid vom 8.9.2008 den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Griechenland an. Zur Begründung führte es aus, der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Griechenland aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. e Dublin II-VO für die Behandlung des Antrags zuständig sei.
Der Kläger hat am 9.9.2008 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und beantragt, den Bescheid des Bundesamts vom 8.9.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG zuzuerkennen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 7 S. 2 AufenthG festzustellen, weiter hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 S. 1 AufenthG festzustellen. Der Kläger hat ferner am gleichen Tag einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, auf den das Verwaltungsgericht die Beklagte mit Beschluss vom 16.10.2008 durch eine einstweilige Anordnung verpflichtet hat, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Antragstellers nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen und für den Fall, dass die zuständige Ausländerbehörde von der Abschiebungsanordnung bereits in Kenntnis gesetzt worden sei, dieser mitzuteilen, dass eine Abschiebung nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten nicht durchgeführt werden dürfe.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Mit Urteil vom 29.9.2009 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Bundesamts vom 8.9.2008 aufgehoben und die Beklagte zu der Feststellung verpflichtet, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Asylantrag des Klägers sei nicht mehr gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, da die Beklagte inzwischen für das Asylverfahren des Klägers zuständig geworden sei. Zwar sei ursprünglich Griechenland für das Asylverfahren des Klägers zuständig gewesen, da der Kläger bereits am 23.5.2006 auf dem Flughafen von Athen einen Asylantrag gestellt habe. Die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers sei jedoch gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO von Griechenland auf die beklagte Bundesrepublik Deutschland übergangen, da der Kläger nicht innerhalb der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist an Griechenland überstellt worden sei. Zwar habe die erkennende Kammer die Beklagte mit Beschluss vom 16.10.2008 durch eine einstweilige Anordnung verpflichtet, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Antragstellers nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen. Diese einstweilige Anordnung stelle jedoch keinen Rechtsbehelf dar, der aufschiebende Wirkung habe. Der Beschluss habe daher keinen Einfluss auf den Ablauf der für die Überstellung geltenden Frist. Der zulässig gewordene Asylantrag des Klägers sei auch begründet, da dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak eine religiös motivierte Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure im Sinne des § 60 Abs. 1 S. 4 Buchst. c AufenthG drohe. Die Beklagte gehe bei Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, grundsätzlich von einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure aus. Nach dem Gutachten des Europäischen Zentrums für kurdische Studien vom 26.5.2008 liege das Sheikhan-Gebiet im Grenzgebiet zwischen Zentral- und Nordirak. Es gehöre verwaltungstechnisch und rechtlich zur Provinz Niniwe/Mosul und stehe damit de jure unter zentralirakischer Verwaltung. Mithin treffe die von der Beklagten für Yeziden aus dem Zentralirak angenommene Gruppenverfolgung auch für die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden zu.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 2.2.2010 zugelassene Berufung der Beklagten. Auf Antrag der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 29.6.2010 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Die Beklagte hat das Verfahren am 25.3.2011 wieder angerufen.
Die Beklagte macht geltend, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht der Ansicht, dass die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO von Griechenland auf Deutschland übergangen sei. Die sechsmonatige Frist für den Übergang der Zuständigkeit beginne erst ab dem Zeitpunkt zu laufen, ab dem die Behörde den Bescheid auch vollziehen könne und sich dabei ausschließlich den technischen Problemen der Überstellung widmen könne. Unabhängig davon halte das Verwaltungsgericht den Asylantrag auch zu Unrecht für in der Sache begründet. Nach dem Vorbringen des Klägers sei nicht ersichtlich, dass dieser den Irak unter dem Druck individuell erlittener oder unmittelbar drohender Verfolgung verlassen habe. Eine gruppenspezifische Gefährdung der Yeziden im Irak lasse sich nicht feststellen.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. September 2009 - A 6 K 3484/08 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Verwaltungsgerichts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Hauptantrag des Klägers zu Unrecht entsprochen. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG liegen entgegen seiner Ansicht nicht vor (unten I). Die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 S. 2 AufenthG bzw. § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben, so dass die Klage auch mit den vom Kläger gestellten Hilfsanträgen keinen Erfolg haben kann (unten II).
I.
17 
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht zu der Feststellung verpflichtet, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist.
18 
1. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die beklagte Bundesrepublik Deutschland sei für das Asylverfahren des Klägers zuständig, auch wenn der Kläger zuvor einen Asylantrag in Griechenland gestellt habe. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen.
19 
a) Der Kläger hat am 23.5.2006 in Griechenland einen ersten und nach seiner zwischenzeitlichen Rückkehr in den Irak am 3.2.2008 einen weiteren Asylantrag in Deutschland gestellt. Wegen des zuvor in Griechenland durchgeführten Asylverfahrens hat das Bundesamt mit Schreiben vom 10.4.2008 ein Aufnahmeersuchen an Griechenland gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.2.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, (im Folgenden: Dublin II-VO) gestellt, auf das Griechenland nicht innerhalb von zwei Monaten geantwortet hat. Nach Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO ist in einem solchen Fall davon auszugehen, dass der ersuchte Mitgliedstaat die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiert, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.
20 
Das hat auch das Verwaltungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt. Es hat gleichwohl angenommen, dass die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO von Griechenland auf die Beklagte übergangen sei, da der Kläger nicht innerhalb der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist an Griechenland überstellt worden sei. Den Umstand, dass die erkennende Kammer die Beklagte mit Beschluss vom 16.10.2008 durch eine einstweilige Anordnung verpflichtet hat, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Antragstellers nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen, hat das Verwaltungsgericht dabei für unerheblich erklärt, da diese Anordnung keinen Rechtsbehelf darstelle, der aufschiebende Wirkung habe. Der Beschluss habe daher keinen Einfluss auf den Ablauf der für die Überstellung geltenden Frist. Das steht, wie die Beklagte zu Recht beanstandet, mit Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO nicht in Einklang.
21 
aa) Die Überstellung des Asylbewerbers von dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des ersteren Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, „sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch den anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat“ (Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO). Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde (Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO).
22 
Nach der im deutschen (nationalen) Recht geltenden Regelung in § 34 a Abs. 2 AsylVfG darf die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat nicht nach § 80 oder § 123 VwGO ausgesetzt werden. Das Gleiche gilt nach der Neufassung dieser Vorschrift durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 für die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat. Im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93 - (BVerfGE 94, 49) hat sich das Verwaltungsgericht trotz dieser Regelung für berechtigt gehalten, die Abschiebung des Klägers nach Griechenland auf dessen Antrag auszusetzen, da nach den vorliegenden Erkenntnisquellen zur Situation und Behandlung von Flüchtlingen in Griechenland davon auszugehen sei, dass dem Kläger dort kein Asylverfahren offen stehe, das die Mindestnormen für Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß der Europäischen Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1.12.2005 einhalte. Ebenso wenig sei gewährleistet, dass in Griechenland die Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern gemäß der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.1.2003 eingehalten würden. Die Verletzung der genannten Normen und die damit einher gehenden Grundrechts- und Menschenrechtsverletzungen seien als Sonderfall anzusehen, in dem § 34 a Abs. 2 AsylVfG nicht anzuwenden sei.
23 
bb) Mit dieser Entscheidung ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts der Lauf der Frist für die Überstellung des Klägers an Griechenland gehemmt worden.
24 
Die in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehene Frist berücksichtigt die organisatorischen Schwierigkeiten, die mit der Durchführung der Überstellung verbunden sind, und verfolgt das Ziel, es den beiden betroffenen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, sich im Hinblick auf die Durchführung abzustimmen, und es insbesondere dem ersuchenden Mitgliedstaat zu erlauben, die Modalitäten für die Durchführung der Überstellung zu regeln, die nach den nationalen Rechtsvorschriften dieses letztgenannten Staates erfolgt. Das gilt auch für den in der Vorschrift genannten Fall, dass der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt, da auch in diesem Fall jeder der beiden betroffenen Mitgliedstaaten bei der Organisation der Überstellung den gleichen praktischen Schwierigkeiten gegenübersteht und deshalb über die gleiche Frist von sechs Monaten verfügen soll, um die Überstellung des Asylbewerbers zu bewerkstelligen. Der Lauf der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist beginnt daher in dem genannten Fall nicht bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung, mit der die Durchführung des Überstellungsverfahrens ausgesetzt wird, sondern erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die der Durchführung dieses Verfahrens nicht mehr entgegenstehen kann (EuGH, Urt. v. 29.1.2009 - C-19/08 - NVwZ 2009, 639).
25 
Für den Beginn der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist kann es danach entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht auf den in den §§ 80, 123 VwGO gemachten Unterschied zwischen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs und einer einstweiligen Anordnung ankommen. Dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 16.10.2008 liegt die Auffassung zu Grunde, dass das deutsche (nationale) Recht es unter bestimmten, vom Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall bejahten Voraussetzungen gestattet, die Abschiebung eines Asylbewerbers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat und damit die Durchführung des in der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vorgesehenen Überstellungsverfahrens auszusetzen. Damit greift die genannte Überlegung, wonach die betroffenen Mitgliedstaaten auch für den Fall, dass der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt, eine Frist von sechs Monaten verfügen sollen, um die Überstellung des Asylbewerbers zu bewerkstelligen. Ob die Durchführung des Überstellungsverfahrens in Folge einer nach § 80 VwGO oder in Folge einer nach § 123 VwGO getroffenen gerichtlichen Entscheidung ausgesetzt ist, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.
26 
b) Die Zuständigkeit der Beklagten für die Prüfung des Asylantrags des Klägers ergibt sich jedoch aus Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO.
27 
Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist, und wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung. Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 21.12.2011, aaO) lässt dieses Asylsystem die Annahme zu, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention finden. Es gilt daher die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden. Sie ist widerlegt, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren. Der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, ist in einem solchen Fall verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann.
28 
Nach dem in Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21.1.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland) ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21.12.2011 (aaO) ist davon auszugehen, dass die große Zahl von Asylbewerbern, die in den letzten Jahren über Griechenland in die Union gelangt sind, es den griechischen Behörden unmöglich gemacht hat, diesen Zustrom zu bewältigen. Der Europäische Gerichtshof ist deshalb der Meinung, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Griechenland grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren. Die Beklagte hätte danach den Asylantrag des Klägers nicht als unzulässig abweisen dürfen, sondern den Antrag sachlich prüfen müssen.
29 
2. Das Verwaltungsgericht hat die somit notwendige sachliche Prüfung des Asylantrags des Klägers selbst vorgenommen. Das entspricht der Rechtslage.
30 
Nach § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO spricht das Gericht, soweit die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten begünstigenden Verwaltungsaktes rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde zum Erlass dieses Verwaltungsakts aus, wenn die Sache spruchreif ist. Nach § 86 Abs. 1 VwGO hat das Gericht im Rahmen des Klagebegehrens alle für die Entscheidung maßgebenden tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs in eigener Verantwortung festzustellen. Das Gericht muss danach die Streitsache im Sinne des § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO in vollem Umfang spruchreif machen. Es ist deshalb grundsätzlich nicht zulässig, dass das Verwaltungsgericht bei rechtswidriger Verweigerung des begehrten Verwaltungsakts lediglich die Ablehnung aufhebt und der Behörde mit gewissermaßen zurückverweisender Wirkung die Prüfung und Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen aufgibt. Vielmehr hat es die notwendigen Prüfungen und Feststellungen selbst vorzunehmen und sodann abschließend in der Sache zu entscheiden (stRspr, vgl. BVerwG, Urt. v. 10.2.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Die Pflicht des Gerichts, die Streitsache spruchreif zu machen, gilt auch in Verfahren, in denen das Bundesamt - wie hier - einen Asylantrag zu Unrecht als unzulässig abgewiesen hat.
31 
3. Das Verwaltungsgericht ist jedoch bei seiner Prüfung zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen liegen entgegen seiner Ansicht nicht vor.
32 
a) Nach § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Anders als im Anwendungsbereich des Art. 16a Abs. 1 GG, der grundsätzlich nur Schutz vor staatlicher Verfolgung gewährt, kann eine Verfolgung in diesem Sinne gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ausgehen von (a) dem Staat, (b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder (c) „nichtstaatlichen Akteuren“, sofern die unter den Buchstaben a) und b) genannten „Akteure“ einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten. Für die Feststellung, ob eine solche Verfolgung vorliegt, sind gemäß § 60 Abs. 1 S. 5 AufenthG Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Qualifikationsrichtlinie, ABl. EU 2004 Nr. L 304 S. 12) ergänzend anzuwenden.
33 
Die Gefahr eigener Verfolgung kann sich nicht nur aus gegen den Ausländer selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms - eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die Vermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss. Diese für die staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind auch auf die private Verfolgung durch „nichtstaatliche Akteure“ übertragbar (BVerwG, Urt. v. 21.04.2009 - 10 C 11.08 - NVwZ 2009, 1237).
34 
b) In Anwendung dieser Grundsätze hat das Verwaltungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG mit der Begründung bejaht, dass die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt seien. Es hat dazu näher ausgeführt, die Beklagte gehe bei Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, von einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure aus. Nach dem Gutachten des Europäischen Zentrums für kurdische Studien (EZKS) vom 26.5.2008 liege das Sheikhan-Gebiet im Grenzgebiet zwischen Zentral- und Nordirak. Es gehöre verwaltungstechnisch und rechtlich zur Provinz Niniwe/Mosul und stehe damit de jure unter zentralirakischer Verwaltung. Mithin treffe die von der Beklagten für Yeziden aus dem Zentralirak angenommene Gruppenverfolgung auch für die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden zu.
35 
Das reicht als Begründung schon für sich genommen nicht aus. Das Verwaltungsgericht hat zum einen nicht geprüft, ob die Annahme der Beklagten zutrifft, dass Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt sind, sondern hat diese Annahme ohne weiteres als feststehende Tatsache übernommen. Es hat zum anderen hieraus geschlossen, dass auch die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt seien, da das Sheikhan-Gebiet de jure unter zentralirakischer Verwaltung stehe, ohne der sich aufdrängenden Frage nachzugehen, ob eine de jure bestehende Verwaltungshoheit auch bedeutet, dass die betreffenden Gebiete de facto unter zentralirakischer Verwaltung stehen. Das ist umso weniger zu verstehen, als in dem auch vom Verwaltungsgericht zitierten Gutachten des EZKS vom 26.5.2008 ausführlich auf diesen Unterschied eingegangen wird.
36 
c) Die Begründung des Verwaltungsgericht trifft davon abgesehen auch in der Sache nicht zu.
37 
aa) Das EZKS unterscheidet in seinen Gutachten vom 26.5.2008 und 17.2.2010 zur Gefährdung der im Irak lebenden Yeziden zwischen verschiedenen Gebieten, nämlich zum einen den de jure (und de facto) von der Kurdischen Regionalverwaltung verwalteten Gebieten, d.h. den - aus Teilen der Provinzen Dohuk, Erbil, Suleymaniya, Kirkuk, Diyala und Niniveh zusammengesetzten - Gebieten, die bereits im Zeitpunkt des Einmarschs der alliierten Truppen in den Irak (19.3.2003) von den damals noch zwei kurdischen Regionalregierungen kontrolliert wurden, sowie den „umstrittenen Gebieten“, d.h. den Gebieten, die sowohl von der Kurdischen Regionalverwaltung als auch der irakischen Zentralregierung beansprucht werden. Was die zuletzt genannten Gebiete betrifft, wird weiter unterschieden zwischen de facto von der Kurdischen Regionalverwaltung verwalteten Gebieten, d.h. Gebieten, in denen bestimmte Verwaltungs- bzw. Schutzaufgaben von der Kurdischen Regionalverwaltung bzw. den kurdischen Parteien KDP und PUK übernommen werden, sowie Gebieten, in denen dies nicht der Fall ist und die somit nicht nur de jure, sondern auch de facto von der irakischen Zentralregierung verwaltet werden.
38 
Eine exakte Benennung der Gebiete, die de facto von der Kurdischen Regionalverwaltung verwaltet werden, ist nach den Ausführungen des EZKS nur mit großen Schwierigkeiten möglich. Nach dem Gutachten vom 17.2.2010 kann jedoch als sicher gelten, dass die Distrikte Sheikhan und al-Sheikhan insgesamt de facto unter kurdischer Kontrolle stehen (Gutachten, S. 12).
39 
bb) Zu der Frage, ob und inwieweit im Sheikhan-Gebiet lebende Yeziden durch andere Bevölkerungsgruppen gefährdet sind, heißt es im Gutachten des EZKS vom 17.2.2010 (S. 23), die Sicherheitslage im Sheikhan sei insbesondere wegen seiner direkten Verbindung zu den de jure kurdisch verwalteten Gebieten grundsätzlich besser als im Sindjar. Auch der Bericht der UNAMI (United Nations Assistance Mission for Iraq) zur Lage in den umstrittenen Gebieten bezeichne die Sicherheitslage im Sheikhan als vergleichsweise stabil. Für die Zeit zwischen Februar 2007 und September 2008 würden in diesem Bericht nur fünf registrierte Sicherheitsvorfälle genannt. Auch in den diversen Menschenrechtsberichten etc. fänden sich keine Hinweise darauf, dass es im Sheikhan Übergriffe sunnitischer Extremisten auf Yeziden oder Christen gegeben habe. Auch zu Auseinandersetzungen zwischen muslimischen und yezidischen Kurden wie am 15.2.2007 in Ain Sifni im Anschluss an einen Konflikt zwischen Eheleuten solle es seither nicht mehr gekommen sein. Übergriffe gegenüber Yeziden, die in Opposition zur Politik der kurdischen Allianz stünden, seien ebenfalls nicht dokumentiert. In dem genannten Gutachten werden lediglich Klagen einzelner Yeziden zitiert, nach denen sie von den Kurden aus Dohuk, Erbil und Suleymaniya wie Bürger zweiter Klasse behandelt würden. Von yezidischer Seite werde ferner kritisiert, dass Yeziden innerhalb der Sicherheitskräfte (Peschmerga, Polizei, Geheimdienst) nicht hinreichend repräsentiert seien. Darüber hinaus hätten sich Mitglieder der antikurdischen Yezidischen Bewegung darüber beklagt, dass sie in Sheikhan kein Parteibüro eröffnen dürften (S. 23 f.).
40 
Von einer der aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden drohenden Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure kann danach offensichtlich keine Rede sein, da es an der dafür erforderlichen Verfolgungsdichte fehlt (im Ergebnis ebenso OVG Saarland, Urt. v. 29.3.2012 - 3 A 456/11 - Juris; OVG NRW, Beschl. v. 28.3.2011 - 9 A 2563/10.A - Juris).
II.
41 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Das bedarf, was die in § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG geregelten Abschiebungsverbote betrifft, keiner näheren Begründung. In Betracht zu ziehen ist allein das Bestehen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 2 oder § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG.
42 
1. Nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG, mit dem die sich aus Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie ergebenden Verpflichtungen auf Gewährung eines „subsidiären Schutzstatus“ bzw. „subsidiären Schutzes“ in nationales Recht umgesetzt werden, ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u. a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wofür Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe typische Beispiele sind (BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO).
43 
Die Frage, ob die derzeitige Situation im Irak die landesweit oder auch nur regional gültige Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts rechtfertigt, dürfte hiervon ausgehend zu verneinen sein. Die Frage kann jedoch auf sich beruhen, da selbst bei der Annahme eines solchen Konflikts ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG nur besteht, wenn der Ausländer einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben „im Rahmen“ dieses Konflikts ausgesetzt ist. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers nicht gegeben.
44 
Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 - (BVerwGE 134, 188) kann sich die nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG erforderliche Individualisierung der sich aus einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt ergebenden allgemeinen Gefahr nicht nur aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann vielmehr unabhängig davon auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind nach den oben gemachten Ausführungen zu verneinen. Die erforderliche Individualisierung könnte sich daher nur durch einen besonders hohen Grad der dem Kläger in seiner Heimatregion drohenden allgemeinen Gefahren ergeben, vor denen er auch in den übrigen Teilen des Irak keinen Schutz finden kann. Nach den dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen lässt sich jedoch für die Gegend des Sheikhan, aus welcher der Kläger nach seinen Angaben stammt, ein so hoher Gefahrengrad, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in diesem Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre, nicht feststellen.
45 
2. Auch ein (national begründetes) Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG ist im Falle des Klägers nicht erkennbar.
46 
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder seine Bevölkerungsgruppe allgemein treffen, wird - abgesehen von Fällen der richtlinienkonformen Auslegung bei Anwendung von Art. 15 lit. c der Qualifikationsrichtlinie für internationale oder innerstaatliche bewaffnete Konflikte - der Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG gewährt. Beim Fehlen einer solchen Regelung kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke in Betracht, d.h. nur zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage in dem Sinne, dass dem Ausländer sehenden Auges der sichere Tod droht oder er schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO). Eine solche extreme konkrete Gefahrenlage besteht für den Kläger im Hinblick auf das oben Ausgeführte nicht.
47 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
48 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
16 
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Hauptantrag des Klägers zu Unrecht entsprochen. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG liegen entgegen seiner Ansicht nicht vor (unten I). Die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 S. 2 AufenthG bzw. § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben, so dass die Klage auch mit den vom Kläger gestellten Hilfsanträgen keinen Erfolg haben kann (unten II).
I.
17 
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht zu der Feststellung verpflichtet, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist.
18 
1. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die beklagte Bundesrepublik Deutschland sei für das Asylverfahren des Klägers zuständig, auch wenn der Kläger zuvor einen Asylantrag in Griechenland gestellt habe. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen.
19 
a) Der Kläger hat am 23.5.2006 in Griechenland einen ersten und nach seiner zwischenzeitlichen Rückkehr in den Irak am 3.2.2008 einen weiteren Asylantrag in Deutschland gestellt. Wegen des zuvor in Griechenland durchgeführten Asylverfahrens hat das Bundesamt mit Schreiben vom 10.4.2008 ein Aufnahmeersuchen an Griechenland gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.2.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, (im Folgenden: Dublin II-VO) gestellt, auf das Griechenland nicht innerhalb von zwei Monaten geantwortet hat. Nach Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO ist in einem solchen Fall davon auszugehen, dass der ersuchte Mitgliedstaat die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiert, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.
20 
Das hat auch das Verwaltungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt. Es hat gleichwohl angenommen, dass die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO von Griechenland auf die Beklagte übergangen sei, da der Kläger nicht innerhalb der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist an Griechenland überstellt worden sei. Den Umstand, dass die erkennende Kammer die Beklagte mit Beschluss vom 16.10.2008 durch eine einstweilige Anordnung verpflichtet hat, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Antragstellers nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen, hat das Verwaltungsgericht dabei für unerheblich erklärt, da diese Anordnung keinen Rechtsbehelf darstelle, der aufschiebende Wirkung habe. Der Beschluss habe daher keinen Einfluss auf den Ablauf der für die Überstellung geltenden Frist. Das steht, wie die Beklagte zu Recht beanstandet, mit Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO nicht in Einklang.
21 
aa) Die Überstellung des Asylbewerbers von dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des ersteren Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, „sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch den anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat“ (Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO). Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde (Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO).
22 
Nach der im deutschen (nationalen) Recht geltenden Regelung in § 34 a Abs. 2 AsylVfG darf die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat nicht nach § 80 oder § 123 VwGO ausgesetzt werden. Das Gleiche gilt nach der Neufassung dieser Vorschrift durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 für die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat. Im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93 - (BVerfGE 94, 49) hat sich das Verwaltungsgericht trotz dieser Regelung für berechtigt gehalten, die Abschiebung des Klägers nach Griechenland auf dessen Antrag auszusetzen, da nach den vorliegenden Erkenntnisquellen zur Situation und Behandlung von Flüchtlingen in Griechenland davon auszugehen sei, dass dem Kläger dort kein Asylverfahren offen stehe, das die Mindestnormen für Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß der Europäischen Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1.12.2005 einhalte. Ebenso wenig sei gewährleistet, dass in Griechenland die Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern gemäß der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.1.2003 eingehalten würden. Die Verletzung der genannten Normen und die damit einher gehenden Grundrechts- und Menschenrechtsverletzungen seien als Sonderfall anzusehen, in dem § 34 a Abs. 2 AsylVfG nicht anzuwenden sei.
23 
bb) Mit dieser Entscheidung ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts der Lauf der Frist für die Überstellung des Klägers an Griechenland gehemmt worden.
24 
Die in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehene Frist berücksichtigt die organisatorischen Schwierigkeiten, die mit der Durchführung der Überstellung verbunden sind, und verfolgt das Ziel, es den beiden betroffenen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, sich im Hinblick auf die Durchführung abzustimmen, und es insbesondere dem ersuchenden Mitgliedstaat zu erlauben, die Modalitäten für die Durchführung der Überstellung zu regeln, die nach den nationalen Rechtsvorschriften dieses letztgenannten Staates erfolgt. Das gilt auch für den in der Vorschrift genannten Fall, dass der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt, da auch in diesem Fall jeder der beiden betroffenen Mitgliedstaaten bei der Organisation der Überstellung den gleichen praktischen Schwierigkeiten gegenübersteht und deshalb über die gleiche Frist von sechs Monaten verfügen soll, um die Überstellung des Asylbewerbers zu bewerkstelligen. Der Lauf der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist beginnt daher in dem genannten Fall nicht bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung, mit der die Durchführung des Überstellungsverfahrens ausgesetzt wird, sondern erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die der Durchführung dieses Verfahrens nicht mehr entgegenstehen kann (EuGH, Urt. v. 29.1.2009 - C-19/08 - NVwZ 2009, 639).
25 
Für den Beginn der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist kann es danach entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht auf den in den §§ 80, 123 VwGO gemachten Unterschied zwischen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs und einer einstweiligen Anordnung ankommen. Dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 16.10.2008 liegt die Auffassung zu Grunde, dass das deutsche (nationale) Recht es unter bestimmten, vom Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall bejahten Voraussetzungen gestattet, die Abschiebung eines Asylbewerbers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat und damit die Durchführung des in der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vorgesehenen Überstellungsverfahrens auszusetzen. Damit greift die genannte Überlegung, wonach die betroffenen Mitgliedstaaten auch für den Fall, dass der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt, eine Frist von sechs Monaten verfügen sollen, um die Überstellung des Asylbewerbers zu bewerkstelligen. Ob die Durchführung des Überstellungsverfahrens in Folge einer nach § 80 VwGO oder in Folge einer nach § 123 VwGO getroffenen gerichtlichen Entscheidung ausgesetzt ist, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.
26 
b) Die Zuständigkeit der Beklagten für die Prüfung des Asylantrags des Klägers ergibt sich jedoch aus Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO.
27 
Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist, und wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung. Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 21.12.2011, aaO) lässt dieses Asylsystem die Annahme zu, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention finden. Es gilt daher die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden. Sie ist widerlegt, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren. Der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, ist in einem solchen Fall verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann.
28 
Nach dem in Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21.1.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland) ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21.12.2011 (aaO) ist davon auszugehen, dass die große Zahl von Asylbewerbern, die in den letzten Jahren über Griechenland in die Union gelangt sind, es den griechischen Behörden unmöglich gemacht hat, diesen Zustrom zu bewältigen. Der Europäische Gerichtshof ist deshalb der Meinung, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Griechenland grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren. Die Beklagte hätte danach den Asylantrag des Klägers nicht als unzulässig abweisen dürfen, sondern den Antrag sachlich prüfen müssen.
29 
2. Das Verwaltungsgericht hat die somit notwendige sachliche Prüfung des Asylantrags des Klägers selbst vorgenommen. Das entspricht der Rechtslage.
30 
Nach § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO spricht das Gericht, soweit die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten begünstigenden Verwaltungsaktes rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde zum Erlass dieses Verwaltungsakts aus, wenn die Sache spruchreif ist. Nach § 86 Abs. 1 VwGO hat das Gericht im Rahmen des Klagebegehrens alle für die Entscheidung maßgebenden tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs in eigener Verantwortung festzustellen. Das Gericht muss danach die Streitsache im Sinne des § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO in vollem Umfang spruchreif machen. Es ist deshalb grundsätzlich nicht zulässig, dass das Verwaltungsgericht bei rechtswidriger Verweigerung des begehrten Verwaltungsakts lediglich die Ablehnung aufhebt und der Behörde mit gewissermaßen zurückverweisender Wirkung die Prüfung und Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen aufgibt. Vielmehr hat es die notwendigen Prüfungen und Feststellungen selbst vorzunehmen und sodann abschließend in der Sache zu entscheiden (stRspr, vgl. BVerwG, Urt. v. 10.2.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Die Pflicht des Gerichts, die Streitsache spruchreif zu machen, gilt auch in Verfahren, in denen das Bundesamt - wie hier - einen Asylantrag zu Unrecht als unzulässig abgewiesen hat.
31 
3. Das Verwaltungsgericht ist jedoch bei seiner Prüfung zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen liegen entgegen seiner Ansicht nicht vor.
32 
a) Nach § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Anders als im Anwendungsbereich des Art. 16a Abs. 1 GG, der grundsätzlich nur Schutz vor staatlicher Verfolgung gewährt, kann eine Verfolgung in diesem Sinne gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ausgehen von (a) dem Staat, (b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder (c) „nichtstaatlichen Akteuren“, sofern die unter den Buchstaben a) und b) genannten „Akteure“ einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten. Für die Feststellung, ob eine solche Verfolgung vorliegt, sind gemäß § 60 Abs. 1 S. 5 AufenthG Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Qualifikationsrichtlinie, ABl. EU 2004 Nr. L 304 S. 12) ergänzend anzuwenden.
33 
Die Gefahr eigener Verfolgung kann sich nicht nur aus gegen den Ausländer selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms - eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die Vermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss. Diese für die staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind auch auf die private Verfolgung durch „nichtstaatliche Akteure“ übertragbar (BVerwG, Urt. v. 21.04.2009 - 10 C 11.08 - NVwZ 2009, 1237).
34 
b) In Anwendung dieser Grundsätze hat das Verwaltungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG mit der Begründung bejaht, dass die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt seien. Es hat dazu näher ausgeführt, die Beklagte gehe bei Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, von einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure aus. Nach dem Gutachten des Europäischen Zentrums für kurdische Studien (EZKS) vom 26.5.2008 liege das Sheikhan-Gebiet im Grenzgebiet zwischen Zentral- und Nordirak. Es gehöre verwaltungstechnisch und rechtlich zur Provinz Niniwe/Mosul und stehe damit de jure unter zentralirakischer Verwaltung. Mithin treffe die von der Beklagten für Yeziden aus dem Zentralirak angenommene Gruppenverfolgung auch für die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden zu.
35 
Das reicht als Begründung schon für sich genommen nicht aus. Das Verwaltungsgericht hat zum einen nicht geprüft, ob die Annahme der Beklagten zutrifft, dass Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt sind, sondern hat diese Annahme ohne weiteres als feststehende Tatsache übernommen. Es hat zum anderen hieraus geschlossen, dass auch die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt seien, da das Sheikhan-Gebiet de jure unter zentralirakischer Verwaltung stehe, ohne der sich aufdrängenden Frage nachzugehen, ob eine de jure bestehende Verwaltungshoheit auch bedeutet, dass die betreffenden Gebiete de facto unter zentralirakischer Verwaltung stehen. Das ist umso weniger zu verstehen, als in dem auch vom Verwaltungsgericht zitierten Gutachten des EZKS vom 26.5.2008 ausführlich auf diesen Unterschied eingegangen wird.
36 
c) Die Begründung des Verwaltungsgericht trifft davon abgesehen auch in der Sache nicht zu.
37 
aa) Das EZKS unterscheidet in seinen Gutachten vom 26.5.2008 und 17.2.2010 zur Gefährdung der im Irak lebenden Yeziden zwischen verschiedenen Gebieten, nämlich zum einen den de jure (und de facto) von der Kurdischen Regionalverwaltung verwalteten Gebieten, d.h. den - aus Teilen der Provinzen Dohuk, Erbil, Suleymaniya, Kirkuk, Diyala und Niniveh zusammengesetzten - Gebieten, die bereits im Zeitpunkt des Einmarschs der alliierten Truppen in den Irak (19.3.2003) von den damals noch zwei kurdischen Regionalregierungen kontrolliert wurden, sowie den „umstrittenen Gebieten“, d.h. den Gebieten, die sowohl von der Kurdischen Regionalverwaltung als auch der irakischen Zentralregierung beansprucht werden. Was die zuletzt genannten Gebiete betrifft, wird weiter unterschieden zwischen de facto von der Kurdischen Regionalverwaltung verwalteten Gebieten, d.h. Gebieten, in denen bestimmte Verwaltungs- bzw. Schutzaufgaben von der Kurdischen Regionalverwaltung bzw. den kurdischen Parteien KDP und PUK übernommen werden, sowie Gebieten, in denen dies nicht der Fall ist und die somit nicht nur de jure, sondern auch de facto von der irakischen Zentralregierung verwaltet werden.
38 
Eine exakte Benennung der Gebiete, die de facto von der Kurdischen Regionalverwaltung verwaltet werden, ist nach den Ausführungen des EZKS nur mit großen Schwierigkeiten möglich. Nach dem Gutachten vom 17.2.2010 kann jedoch als sicher gelten, dass die Distrikte Sheikhan und al-Sheikhan insgesamt de facto unter kurdischer Kontrolle stehen (Gutachten, S. 12).
39 
bb) Zu der Frage, ob und inwieweit im Sheikhan-Gebiet lebende Yeziden durch andere Bevölkerungsgruppen gefährdet sind, heißt es im Gutachten des EZKS vom 17.2.2010 (S. 23), die Sicherheitslage im Sheikhan sei insbesondere wegen seiner direkten Verbindung zu den de jure kurdisch verwalteten Gebieten grundsätzlich besser als im Sindjar. Auch der Bericht der UNAMI (United Nations Assistance Mission for Iraq) zur Lage in den umstrittenen Gebieten bezeichne die Sicherheitslage im Sheikhan als vergleichsweise stabil. Für die Zeit zwischen Februar 2007 und September 2008 würden in diesem Bericht nur fünf registrierte Sicherheitsvorfälle genannt. Auch in den diversen Menschenrechtsberichten etc. fänden sich keine Hinweise darauf, dass es im Sheikhan Übergriffe sunnitischer Extremisten auf Yeziden oder Christen gegeben habe. Auch zu Auseinandersetzungen zwischen muslimischen und yezidischen Kurden wie am 15.2.2007 in Ain Sifni im Anschluss an einen Konflikt zwischen Eheleuten solle es seither nicht mehr gekommen sein. Übergriffe gegenüber Yeziden, die in Opposition zur Politik der kurdischen Allianz stünden, seien ebenfalls nicht dokumentiert. In dem genannten Gutachten werden lediglich Klagen einzelner Yeziden zitiert, nach denen sie von den Kurden aus Dohuk, Erbil und Suleymaniya wie Bürger zweiter Klasse behandelt würden. Von yezidischer Seite werde ferner kritisiert, dass Yeziden innerhalb der Sicherheitskräfte (Peschmerga, Polizei, Geheimdienst) nicht hinreichend repräsentiert seien. Darüber hinaus hätten sich Mitglieder der antikurdischen Yezidischen Bewegung darüber beklagt, dass sie in Sheikhan kein Parteibüro eröffnen dürften (S. 23 f.).
40 
Von einer der aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden drohenden Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure kann danach offensichtlich keine Rede sein, da es an der dafür erforderlichen Verfolgungsdichte fehlt (im Ergebnis ebenso OVG Saarland, Urt. v. 29.3.2012 - 3 A 456/11 - Juris; OVG NRW, Beschl. v. 28.3.2011 - 9 A 2563/10.A - Juris).
II.
41 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Das bedarf, was die in § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG geregelten Abschiebungsverbote betrifft, keiner näheren Begründung. In Betracht zu ziehen ist allein das Bestehen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 2 oder § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG.
42 
1. Nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG, mit dem die sich aus Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie ergebenden Verpflichtungen auf Gewährung eines „subsidiären Schutzstatus“ bzw. „subsidiären Schutzes“ in nationales Recht umgesetzt werden, ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u. a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wofür Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe typische Beispiele sind (BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO).
43 
Die Frage, ob die derzeitige Situation im Irak die landesweit oder auch nur regional gültige Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts rechtfertigt, dürfte hiervon ausgehend zu verneinen sein. Die Frage kann jedoch auf sich beruhen, da selbst bei der Annahme eines solchen Konflikts ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG nur besteht, wenn der Ausländer einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben „im Rahmen“ dieses Konflikts ausgesetzt ist. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers nicht gegeben.
44 
Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 - (BVerwGE 134, 188) kann sich die nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG erforderliche Individualisierung der sich aus einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt ergebenden allgemeinen Gefahr nicht nur aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann vielmehr unabhängig davon auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind nach den oben gemachten Ausführungen zu verneinen. Die erforderliche Individualisierung könnte sich daher nur durch einen besonders hohen Grad der dem Kläger in seiner Heimatregion drohenden allgemeinen Gefahren ergeben, vor denen er auch in den übrigen Teilen des Irak keinen Schutz finden kann. Nach den dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen lässt sich jedoch für die Gegend des Sheikhan, aus welcher der Kläger nach seinen Angaben stammt, ein so hoher Gefahrengrad, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in diesem Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre, nicht feststellen.
45 
2. Auch ein (national begründetes) Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG ist im Falle des Klägers nicht erkennbar.
46 
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder seine Bevölkerungsgruppe allgemein treffen, wird - abgesehen von Fällen der richtlinienkonformen Auslegung bei Anwendung von Art. 15 lit. c der Qualifikationsrichtlinie für internationale oder innerstaatliche bewaffnete Konflikte - der Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG gewährt. Beim Fehlen einer solchen Regelung kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke in Betracht, d.h. nur zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage in dem Sinne, dass dem Ausländer sehenden Auges der sichere Tod droht oder er schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO). Eine solche extreme konkrete Gefahrenlage besteht für den Kläger im Hinblick auf das oben Ausgeführte nicht.
47 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
48 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 22. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem die Unzulässigkeit eines von ihm in Deutschland gestellten Asylantrags festgestellt und die Abschiebung nach Italien angeordnet wird. Er begehrt die Ausübung des Selbsteintrittsrechts und die sachliche Prüfung des Asylantrags in Deutschland.

2

Der Kläger stellte am 2. August 2012 bei der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Trier (Bundesamt) einen Asylantrag, nachdem er am 17. Juli 2012 als Asylbewerber erfasst worden war. Bei der Antragstellung gab er an, am 5. August 1988 in Mogadischu geboren zu sein und die somalische Staatsangehörigkeit zu besitzen. Er sei Mitglied der Volksgruppe der Hawadle und sunnitischer Religionszugehörigkeit.

3

Bei der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 29. August 2012 trug der Kläger vor, zwei Jahre lang als Schneider ausgebildet worden zu sein und diesen Beruf ein Jahr lang selbständig ausgeübt zu haben. Seine Schneiderei habe in der Nähe einer Fabrikruine gelegen, auf deren Gelände äthiopische Soldaten campiert hätten. Immer wieder seien diese von Mitgliedern der Al Shabaab attackiert worden. Auch die äthiopischen Soldaten hätten angegriffen. Die Al Shabaab sei zu ihm gekommen und habe gesagt, sie brauche Hilfe. Er habe nicht kämpfen wollen und sei im August 2008 geflohen. Hierzu habe er Mogadischu mit einem Kraftfahrzeug verlassen und sei über Addis Abeba und Khartum nach Tripolis gelangt, wo er am 18. November 2008 angekommen sei. Von dort aus sei er mit einem Boot nach Sizilien gefahren und am 25. Mai 2009 gelandet. Auf seinen Asylantrag hin habe er in Italien den Status eines subsidiär Schutzberechtigten erhalten. Danach habe er das Flüchtlingslager verlassen müssen und sei nach Florenz gegangen. Dort habe ihm die Caritas einmal am Tag etwas zu essen gegeben. Einen Monat lang habe er in einem verlassenen Haus ohne Wasser und Strom gelebt. Dann sei er insgesamt zwei Mal in die Niederlande gefahren und habe versucht, dort Asyl zu bekommen. Er sei aber jedesmal nach Italien zurückgeflogen worden. Die Polizisten am Flughafen Rom hätten ihm gesagt, er solle zum Bahnhof gehen. Dort seien viele Somalis gewesen, die ihn zur somalischen Botschaft in Rom gebracht hätten. Die Botschaft sei aufgegeben und von Flüchtlingen zum Übernachten genutzt worden. Es sei furchtbar dreckig gewesen und man habe krank werden können. Es habe Wasser, aber keinen Strom gegeben. Schließlich habe er sich auf den Weg nach Deutschland gemacht, wo er am 14. Juli 2012 angekommen sei.

4

Er sei krank. Er leide an einer schiefen Wirbelsäule und könne manchmal nicht gehen, außerdem habe er einen Vitamin-D-Mangel und eine Magenerkrankung. In Italien habe man ihm im Krankenhaus nur eine Schmerzspritze gegeben, weil er keinen Gesundheitsausweis habe vorzeigen können.

5

Die niederländischen Behörden wiesen ein Übernahmeersuchen der Beklagten zurück und teilten mit, dass sie den Kläger ihrerseits am 23. Dezember 2010 und 10. Oktober 2011 nach Italien überstellt hätten.

6

Auf entsprechenden Antrag vom 17. Dezember 2012 akzeptierten die italienischen Behörden mit Schreiben vom 20. Dezember 2012 unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 - Dublin-II-VO - ihre Zuständigkeit, wobei der Kläger dort mit syrischer Staatsangehörigkeit und dem Geburtsdatum 1. Januar 1988 geführt wurde, und stimmten einer Überstellung bis zum 20. Juni 2013 zu.

7

Vom 14. bis 24. Oktober 2012 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung wegen Schmerzen im Hüftbereich. Entzündliche sowie autoimmune Erkrankungen konnten laborchemisch ausgeschlossen werden. In einer Magnetresonanztomographie zeigten sich arthropische Veränderungen des Hüftgelenks. Es wurden eine ausgewogene eiweißreiche Ernährung und ambulante Krankengymnastik-Maßnahmen beziehungsweise Reha-Sport sowie eine ambulante psychiatrische Betreuung empfohlen. Am 6. und 7. Januar 2013 befand sich der Kläger wegen epigastrischer Schmerzen unklarer Genese erneut in stationärer Krankenhausbehandlung. Nachdem die Laborbefunde sowie eine Gastroskopie keine Auffälligkeiten aufwiesen und der Patient sich subjektiv beschwerdegebessert zeigte, wurde er ohne weitere Medikation entlassen. In privatärztlichen Attesten einer allgemeinmedizinischen Praxis vom 7. Februar 2013 und 29. Januar 2014 werden als Diagnosen Oberbauschschmerzen bei rezidivierender Gastritis, Lws-Syndrom, Coxalgie, Vitamin-D-Mangel und Mangelernährung bei Appetitlosigkeit aufgezählt. Der Patient sei auf regelmäßige medizinische Behandlung und Medikamente angewiesen. Eine Abschiebung nach Italien wäre mit einem hohen Risiko der Verschlechterung des Gesundheitszustandes verbunden.

8

Mit Bescheid vom 13. Februar 2013 erklärte die Beklagte den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a AsylVfG für unzulässig. Italien sei für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig und habe seine Zuständigkeit auch anerkannt. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, seien nicht ersichtlich. Insbesondere hinderten die vorgelegten Atteste eine Überstellung des Klägers nach Italien nicht, denn in Italien habe der Kläger wie jeder italienischer Staatsbürger Zugang zum dortigen Gesundheitssystem.

9

Am 19. Februar 2013 hat der Kläger Klage erhoben. Die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens sei auf die Beklagte übergegangen, da der Übernahmeantrag an Italien erst nach Ablauf der Frist des Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO gestellt worden sei. Im Übrigen dürfe der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht nach Italien überstellt werden, weil er sich in ständiger ärztlicher Behandlung befinde. Schließlich sei die Beklagte zur Prüfung des Antrags verpflichtet, weil in Italien systemische Mängel im Asylverfahren herrschten. Die Mindeststandards in Bezug auf Unterbringung, soziale und medizinische Versorgung würden erheblich unterschritten. Das gelte insbesondere für Sizilien, wohin der Kläger abgeschoben werden sollte. Ihm drohte daher nach seiner Rückführung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ohne Perspektive auf Arbeit oder Obdach.

10

Der Kläger hat beantragt,

11

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Februar 2013 zu verpflichten, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Verordnung (EG) 343/2003 Gebrauch zu machen,

12

hilfsweise,

13

die Beklagte zu verpflichten, über die Ausübung des vorgenannten Selbsteintrittsrechts erneut zu entscheiden.

14

Die Beklagte hat beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Sie weist darauf hin, dass Personen mit Schutzstatus hinsichtlich der Unterbringung und der medizinischen Versorgung die gleichen Rechte genössen wie italienische Staatsangehörige. Damit seien Unterkunft und Wohnung in eigener Verantwortung zu besorgen. Die entsprechenden Kosten seien selbst zu tragen. Nach Meldung bei dem „Servizio Sanitario Nazionale“ erhielten Personen mit Schutzstatus eine „Tessera Sanitaria“, mit deren Hilfe Zugang zu allen ärztlichen Leistungen erfolge. Die Kosten der Behandlungen würden vom italienischen Staat getragen. Nach Auskunft der deutschen Liaisonbeamtin des Bundesamtes in Rom sei die Gewährung dieser medizinischen Versorgung unabhängig von einem festen Wohnsitz. Alle Personen, die in Italien einen Schutzstatus erhielten, hätten das Recht zu arbeiten (guida practica per i titolari di protezione internazionale). Nach Auskunft der Liaisionbeamtin sei die Arbeitserlaubnis eigentlich an eine „residenza“, also einen festen Wohnsitz geknüpft. Viele Vereinigungen böten den betroffenen Personen aber ihre Adresse als Briefkastenadresse an. Schließlich habe der Kläger auch keine Krankheit substantiiert, die ihn reiseunfähig machen beziehungsweise besondere Lebens- oder Gesundheitsgefahren begründen würde.

17

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. Mai 2013 abgewiesen. Die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung des Asylantrags ergebe sich aus Art. 16 Abs. 2 Dublin-II-Verordnung, da Italien dem Kläger einen Aufenthaltstitel ausgestellt habe. Die Fristvorschriften des Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO begründeten keine subjektiven Rechte, so dass es auf deren Versäumung nicht ankomme. Zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts sei die Beklagte nicht verpflichtet. Es sei nach Auswertung der vorliegenden Auskünfte, Gutachten sowie Berichte und unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung weder zu befürchten, dass dem Kläger keine hinreichende soziale beziehungsweise medizinische Versorgung zugute käme, noch herrschten systemische Mängel im italienischen Asylverfahren, die befürchten ließen, dass dem Kläger in Italien eine menschenunwürdige Behandlung drohte.

18

Auf entsprechenden Antrag ließ der Senat die Berufung zu und untersagte der Beklagten mit Beschluss vom 19. Juni 2013, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Berufungsverfahrens aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchzuführen.

19

Der Kläger wiederholt und vertieft zur Begründung der Berufung seinen Vortrag aus dem Klageverfahren. Als Schutzberechtigtem stünde ihm weder Anspruch auf Unterkunft, noch auf staatliche Sozialleistungen zu. Er habe auch keinen Anspruch auf Integrationsmaßnahmen und könne allenfalls in ländlichen Gebieten zeitlich befristet und schlecht bezahlt als Erntehelfer arbeiten. Außerhalb von Rom habe er keine Möglichkeit, sich eine virtuelle Adresse geben zu lassen, so dass er vermutlich auch keinen Zugang zum Gesundheitssystem habe. In Not geratene italienische Staatsangehörige könnten in der Regel auf Hilfe durch die (Groß-) Familie hoffen. Diese Möglichkeit hätten Flüchtlinge nicht.

20

Der Kläger beantragt,

21

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Februar 2013 zu verpflichten, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Verordnung (EG) 343/2003 Gebrauch zu machen,

22

hilfsweise,

23

die Beklagte zu verpflichten, über die Ausübung des vorgenannten Selbsteintrittsrechts erneut zu entscheiden.

24

Die Beklagte beantragt,

25

die Berufung zurückzuweisen.

26

Sie macht sich im Wesentlichen eine Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern im vorliegenden Verfahren zu Eigen. Danach liegen außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, nicht vor. Italien erfülle seine Verpflichtung nach den Artikeln 20 bis 24 Genfer Flüchtlingskonvention, Flüchtlinge im Sozial- und Arbeitsrecht ebenso zu behandeln wie eigene Staatsangehörige. Eine Besserstellung von Asylbewerbern sei danach nicht vorgesehen. Aus dem Umstand, dass Italien kein ähnliches soziales Netz biete wie Deutschland und andere Mitgliedstaaten, könne nicht geschlossen werden, dass es sich von seiner Verpflichtung aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention gelöst habe. Die von dem Kläger zitierten Gutachten ergäben keine neuen Erkenntnisse, insbesondere kein belastbares Zahlenmaterial darüber, welcher Anteil der Schutzberechtigten für wie lange tatsächlich der Obdachlosigkeit anheimgefallen sei.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte, die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

28

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Er hat keinen Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland. Die Beklagte ist weder nach den allgemeinen Regeln zuständig (I), noch besteht ein Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts (II). Daher ist auch die Abschiebungsanordnung nach Italien rechtlich nicht zu beanstanden (III).

I.

29

Die Frage, welcher Staat für das Asylverfahren des Klägers zuständig ist, bestimmt sich vorliegend nach den Regeln der Dublin-II-Verordnung (1). Danach ist Italien der zuständige Mitgliedstaat (2). Die Zuständigkeit ist nachträglich weder nach der Vorschrift des Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO (3), noch nach der Vorschrift des Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO (4) auf die Beklagte übergegangen.

30

1. Im vorliegenden Fall kommt unbeschadet der Vorschrift des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG noch die Dublin-II-Verordnung und nicht die mittlerweile in Kraft getretene Nachfolgeverordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin-III-VO) zur Anwendung. Gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 49 Dublin-III-VO gilt diese nämlich erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme, die nach dem 1. Januar 2014 gestellt wurden. Vorliegend hat der Kläger seinen Asylantrag bei der Beklagten bereits im Jahr 2012 gestellt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien mit Schreiben vom 20. Dezember 2012 akzeptiert.

31

2. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien nach der Vorschrift des Art. 16 Abs. 2 Dublin-II-VO zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Danach fallen dem Mitgliedstaat die Pflichten zur Wiederaufnahme und abschließenden Prüfung eines Asylverfahrens zu, sofern er einem Antragsteller einen Aufenthaltstitel erteilt. Italien hat dem Kläger in Folge der Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter einen Aufenthaltstitel erteilt und diesen im Jahr 2012 nochmals verlängert.

32

3. Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens ist auch nicht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen. Nach dieser Vorschrift sind Aufnahmegesuche an andere Mitgliedstaaten spätestens innerhalb von drei Monaten nach Einreichung des Asylantrags zu stellen. Wird das Gesuch nicht innerhalb dieser Frist unterbreitet, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für die Prüfung zuständig.

33

Zum einen vermittelt diese Vorschrift dem Asylbewerber aber keine subjektiven Rechte, sondern dient als innerstaatliche Organisationsvorschrift in erster Linie der klaren und praktikablen Bestimmung der Zuständigkeit innerhalb der Mitgliedstaaten (vgl. hierzu die Erwägungsgründe 3 und 16 der Verordnung). Im Vordergrund steht daher das Interesse, die Zuständigkeit zeitnah festzustellen und den Asylantrag durch einzig den zuständigen Mitgliedstaat prüfen zu lassen, nicht aber, die Prüfung einem ganz bestimmten Mitgliedstaat zuzusprechen, in dem der Antragsteller einen (weiteren) Asylantrag gestellt hat.

34

Zum anderen ist die Vorschrift auf den vorliegenden Fall schon nicht anwendbar. Die Beklagte hat kein Aufnahmegesuch nach Art. 17, sondern ein Wiederaufnahmegesuch nach den Art. 16. Abs. 2, Abs. 1 lit. c), 20 Abs. 1 Dublin-II-VO gestellt. Für Wiederaufnahmegesuche sieht die Dublin-II-VO aber keine Frist vor.

35

4. Schließlich ist die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens auch nicht deshalb nach Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen, weil die Überstellung nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten erfolgt ist. Diese Frist beginnt gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. d) nämlich erst nach rechtskräftigem Abschluss eines Rechtsbehelfsverfahrens zu laufen, sofern diesem aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. EuGH, Urteil vom 29.01.2009 – C 19/08 –, Juris-Rn. 44 ff.; OVG Niedersachen, Urteil vom 04.07.2012 – 2 LB 163/10 – Juris-Rn. 36 m.w.Nw.). Vorliegend hatte der Senat noch vor Ablauf der Frist der Beklagten untersagt, den Kläger nach Italien abzuschieben.

II.

36

Es besteht auch kein Anspruch des Klägers auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO.

37

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die mittlerweile ihren Niederschlag in Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO gefunden hat, kann ein Mitgliedstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet sein, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtscharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten haben bei der Ausübung ihres Ermessens diese Grundsätze daher zu beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011-0000, Rn. 68 ff.).

38

Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen (sogenanntes Prinzip gegenseitigen Vertrauens beziehungsweise normativer Vergewisserung, vgl. grundlegend BVerfG, Urteil vom 15.05.1996, 2 BvR 1938/93, Juris-Rn. 179 ff.). Es gilt daher die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht. Diese Vermutung ist jedoch nicht unwiderleglich. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass das System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.

39

Allerdings berührt nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat das in der Dublin-II- bzw. Dublin-III-Verordnung niedergelegte Zuständigkeitssystem. Der Europäische Gerichtshof macht deutlich, dass nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel steht (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs deshalb nur dann auszusetzen, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Grundrechtecharta ausgesetzt zu sein (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 bis Rn. 106).

40

Anhaltspunkte dafür, wann eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung anzunehmen ist, lassen sich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK entnehmen, der mit Art. 4 der Europäischen Grundrechtecharta übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21. Januar 2011 hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden (Urteil vom 21.01.2011, M.S.S. gegen Belgien und Griechenland, Beschwerde-Nr. 30696/09, Rn. 226 und Rn. 254 ff.).

41

Der Senat kommt nach Auswertung der vorliegenden Gutachten, Auskünfte und Berichte und unter Würdigung des Vortrags des Klägers zu dem Ergebnis, dass das italienische Asylsystem nicht an systemischen Mängeln leidet, auf Grund derer dem Antragstellers nach seiner Rückführung eine menschenunwürdige Behandlung droht (ebenso OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, OVG Nds, Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - und vom 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - und vom 24.06.2013 - OVG 7 S 58.13 -; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 -; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 -; VG Ansbach, Beschluss vom 18.09.2013 - An 2 K 13.30675 -; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me -; VG Lüneburg, Urteil vom 04.06.2013 - 6 A 176/11 - (n.V.); VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 -; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A -; VG Osnabrück, Urteil vom 02.04.2012 - 5 A 309/11 - (n.V.) a.A. OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A -; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A -; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As -; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. -; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A -; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A, soweit veröffentlicht zitiert nach Juris).

42

Italien verfügt über ein planvolles und ausdifferenziertes Asylsystem (a). Dieses System leidet zwar an Mängeln (b), nicht aber an systemischen Mängel (c). Das gilt auch für Personen mit Schutzstatus (d).

43

(a) Zunächst ist festzuhalten, dass Italien über ein planvolles und ausdifferenziertes Aufnahmesystem für Asylbewerber verfügt, das in zwei Phasen gegliedert ist. Nach Stellung des Asylantrags ist die Unterbringung in Aufnahmezentren für Asylsuchende, den sogenannten CARA (Centri di Accoglienza per Richiedenti Asilo) vorgesehen. Die maximale Aufenthaltsdauer dort soll grundsätzlich 35 Tage betragen. Daneben gibt es noch Aufnahmeeinrichtungen für Migranten, die keine Asylsuchenden sind, die so genannten CDA (Centri di Accoglienza). Diese werden in der Praxis ebenfalls für die Erstaufnahme von Asylsuchenden verwendet. In der zweiten Phase sollen die Antragsteller in einer Einrichtung des Aufnahmesystems SPRAR (Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugiati) untergebracht werden. Dabei handelt es sich um ein Netzwerk von Unterkünften, das auf einer Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium, den Gemeinden und verschiedenen NGOs basiert. Die SPRAR-Projekte umfassen nicht nur eine Wohnmöglichkeit, sondern ein individualisiertes Integrationsprojekt mit Sprachkursen, Berufsbildung und Unterstützung bei der Arbeitssuche. Die Aufenthaltsdauer im einem SPRAR beträgt normalerweise 6 Monate und kann bis zu einem Jahr verlängert werden (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.).

44

Endet das Asylverfahren mit der Zuerkennung eines Schutzstatus, werden den Schutzsuchenden Aufenthaltsberechtigungen („permessi die soggiorno“) ausgestellt. Danach genießen sie in Italien formal dieselben Rechte wie italienische Staatsangehörige. Sie haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und kostenfreien Zugang zu allen öffentlichen medizinischen Leistungen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an VG Freiburg vom 11.07.2012). In den Erstaufnahmeeinrichtungen werden sie nicht mehr aufgenommen. In Einrichtungen des SPRAR können sie Unterkunft finden, sofern sie die vorgesehene maximale Aufenthaltsdauer noch nicht ausgeschöpft haben und ein Platz frei ist (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 und S. 25; borderline-europe e.V., Gutachten zum Beweisbeschluss des VG Braunschweig vom 28.09.2012, S. 50).

45

(b) In der Praxis litt - und leidet - das italienische Aufnahmesystem an Mängeln. Die Berichtslage zeigt übereinstimmen, dass es insbesondere auf die sehr hohen Antragszahlen in den Jahren 2008 und 2011 nicht ausreichend vorbereitet war (Bethke & Bender, Zur Situation von Flüchtlingen in Italien - Bericht über die Recherchereise nach Rom und Turin im Oktober 2010 -; Schweizer Flüchtlingshilfe/Juss-Buss: Situation von Asylsuchenden, Flüchtlingen und „Dublin-Rückkehrern“, Bericht vom Mai 2011; borderline-europe/Judith Gleitze: Zur Lage von Asylsuchenden und „Dublin-Rückkehrern“, Stellungnahme vom Dezember 2012; Auskunft des Auswärtigen Amtes an VG Darmstadt vom 29.11.2011 und an VG Braunschweig vom 09.12.2011). In der Folge verlängerten sich die Verfahrenszeiten deutlich über die vorgesehenen Fristen hinaus. Die zeitliche Lücke zwischen der Stellung des Asylantrags und dessen formeller Registrierung (verbalizzazione) führte zu der Gefahr der Obdachlosigkeit, da in der Praxis Zugang zu den Erstaufnahmeeinrichtungen erst ab dem Zeitpunkt der Registrierung gewährt wurde (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 12). Zudem waren die Aufnahmekapazitäten der staatlicherseits zur Verfügung gestellten Plätze überlastet. Für Personen mit Schutzstatus bedeutete dies, dass sie Schwierigkeiten hatten, im SPRAR-Aufnahmesystem unterzukommen, auch wenn sie die maximale Verweildauer noch nicht ausgeschöpft hatten. Hinzu kam die wirtschaftliche schwierige Lage, in der sich auch Italien nach der Wirtschaftskrise befand und noch befindet. Nach den Informationen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe lebt vor allem in Rom eine ganz erhebliche Zahl von Asylbewerbern und Personen mit Schutzstatus (die Schätzungen sprechen von 1.200 bis 1.700) in Slums oder besetzten Häusern (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, a.a.O., S. 36).

46

(c) Diese Mängel begründen aber keine systemischen Mängel im oben dargestellten Sinne. Dabei versteht der Senat unter systemischen Mängeln solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar betroffen sind oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem faktisch in weiten Teilen funktionsunfähig wird. Nach Auswertung der vorliegenden Auskünfte kommt der Senat zu der Überzeugung, dass die systembedingten Missstände von den italienischen Behörden angegangen werden und sich die Situation deshalb verbessert hat und aller Voraussicht nach weiter verbessern wird. Außerdem ist festzustellen, dass die Zustände punktuell, aber nicht flächendeckend unzureichend sind, so dass nicht davon gesprochen werden kann, dass das Asyl- und Aufnahmesystem faktisch außer Kraft gesetzt ist.

47

Ein im System angelegter Mangel ist die Tatsache, dass der Zugang zum Erstaufnahmesystem offensichtlich von der Registrierung (verbalizzazione) abhängt und dies bei einer Verzögerung des Verfahrens zur Obdachlosigkeit führen kann. Allerdings hat das italienische Innenministerium in der ersten Jahreshälfte 2013 eine Weisung herausgegeben, wonach die Registrierung zeitlich mit der Asylgesuchstellung zusammenfallen soll (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 12). Auch die Überlastung des Aufnahmesystems nimmt Italien nicht tatenlos hin. Auf die hohen Asylbewerberzahlen im Jahr 2011 reagierte das Land zunächst mit einem Notstandskonzept, bei dem unter Führung des Zivilschutzes (Protezione Civile) Aufnahmestrukturen in der Größenordnung von 26.000 Plätzen bereitgestellt wurden (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; UNHCR an VG Braunschweig, S. 3; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 9). Daneben wurden und werden die Plätze, die im SPRAR-Projekt zur Verfügung stehen, in erheblichem Umfang aufgestockt (siehe zur Bedeutung dieser Plätze für das Aufnahmesystem den Report von Nils Muižnieks, Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, 18.09.2012, Abs. 152). Standen ursprünglich 3.000 Plätze zur Verfügung, waren es Anfang Juni 2013 bereits 4.800 Plätze, wobei hierzu auch bereits vorhandene Unterkunftsplätze gezählt wurden, die um die im SPRAR-System vorgesehen Integrationsleistungen ergänzt wurden. Aufgrund eines im September 2013 erlassenen Dekrets des Innenministeriums soll die Kapazität im Zeitraum 2014 bis 2016 nochmals auf insgesamt 16.000 Plätze erhöht werden (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 22). Außerdem wurde ein neues Informatiksystem „Vestanet“ eingeführt, das ebenfalls zu einer Verbesserung des Verfahrens beitragen soll (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 12). In seiner Antwort an das Verwaltungsgericht Braunschweig vom 24. April 2012 hat der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen ausdrücklich anerkannt, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des Aufnahmesystems stattgefunden haben. Gleiches gilt für die Auskunft des Auswärtige Amtes vom 21. Januar 2013 an das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt.

48

Der Senat geht außerdem davon aus, dass die aufgezeigten Missstände in bestimmten Städten und Regionen auftreten, die Funktionsfähigkeit des Asyl- und Aufnahmesystems aber nicht insgesamt in Frage stellen. Es liegt in der Natur der Sache, dass Aufklärungsreisen die Problemschwerpunkte in den Blick nehmen (so ausdrücklich der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe mit Schwerpunkt Rom und Mailand, S. 1; in der Sache nicht anders der Bericht von Maria Bethke & Dominik Bender mit Schwerpunkt Rom und Turin; Gutachten von borderline-europe e.V. mit Schwerpunkt Rom und Sizilien). Diese Situationen sind aber nicht ohne Weiteres verallgemeinerbar. So geht der UNHCR, dessen Dokumente bei der Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften von besonderer Relevanz sind (vgl. EuGH, Urteil vom 30.05.2013 - C-528/11 - Rn. 44), in seiner Antwort an das Verwaltungsgericht Braunschweig davon aus, dass die CARA, CDA und SPRAR-Projekte in der Lage sind, dem Aufnahmebedarf einer signifikanten Anzahl an Asylsuchenden nachzukommen (UNHCR an VG Braunschweig vom 24. April 2012, S. 3). Anders als im Falle Griechenlands oder jüngst Bulgariens (UNHCR Briefing Notes vom 03.01.2014) hat der UNHCR bislang in keiner seiner Stellungnahmen eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten ausgesprochen, Überstellungen nach Italien nicht mehr vorzunehmen (siehe zuletzt UNHCR, Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy, July 2013). Auch die Auskünfte des Auswärtigen Amtes sprechen gegen die Annahme eines systemischen Mangels des italienischen Asylsystems. Sie basieren auf laufenden Gesprächen der Botschaft Rom mit dem italienischen Flüchtlingsrat CIR und UNHCR in Rom, grenzpolizeilicher Verbindungsbeamter der Bundespolizei im italienischen Innenministerium, Präsentationen des italienischen Innenministeriums und des statistischen Landesamtes ISTAT, Kontakten zu nichtstaatlichen karitativen Organisationen sowie Informationen des SPRAR und sind daher geeignet, einen Überblick über die Situation im Land zu geben. Nach der Auskunft an das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt konnten seinerzeit (Januar 2013) alle Asylbewerber und Flüchtlinge in öffentlichen Zentren untergebracht werden. Gegebenenfalls gebe es lokale und regionale Überbelegungen, italienweit seien aber genügen Plätze vorhanden. Insbesondere in Norditalien seien die Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Zusätzlich zu den staatlichen/öffentlichen Einrichtungen gebe es kommunale und karitative Einrichtungen, so dass meist ein Unterbringungsplatz in der Nähe gefunden werden könne. Es sei nicht davon auszugehen, dass Personen, die in den staatlichen Aufnahmeeinrichtungen und staatlichen Unterkünften keinen Platz fänden, regelmäßig oder überwiegend obdachlos auf der Straße oder in Elendsquartieren leben müssten.

49

(d) Mit Blick auf den hier vorliegenden Fall ist weiter festzuhalten, dass sich aus der Auskunftslage auch keine systemischen Mängel für Personen ergeben, denen bereits ein Schutzstatus zugesprochen wurde. Die mit der Anerkennung verbundene Erteilung eines Aufenthaltsrechts (permession di soggiorno) bedeutet in der Praxis, dass sich die Personen mit Schutzstatus grundsätzlich selbst um eine Unterkunft und eine Arbeit kümmern müssen. Sie können nicht mehr in CARA unterkommen, da diese nur Asylbewerbern offenstehen. Sie können sich aber für Plätze im SPRAR-System bewerben, sofern sie die maximale Verweildauer noch nicht überschritten haben. Tatsächlich wird eine große Zahl der Plätze im SPRAR-System von Personen mit Schutzstatus belegt. Allerdings bestehen zum Teil lange Wartezeiten (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 22). Hier dürfte die geplante Ausweitung der SPRAR-Plätze eine deutliche Entlastung bringen. Daneben bieten die Gemeinden Unterkünfte an. Jedenfalls in Rom betrug die durchschnittliche Wartezeit auf einen solchen Platz allerdings drei Monate und in Mailand einen bis drei Monate (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 27 und S. 30). Schließlich können sich Personen mit Schutzstatus, die keine Unterkunft finden, an kirchliche Organisationen und Nichtregierungsorganisationen wie die Caritas oder das Consiglio Italiano per i Rifugiati wenden (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.01.2013 an das OVG des Landes Sachsen-Anhalt). Verlässliche Zahlen, wie viele Schutzberechtigte von keiner dieser Möglichkeiten Gebrauch machen können und letztlich obdachlos werden, fehlen. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes ist im Regelfall oder gar überwiegend aber nicht davon auszugehen, dass Flüchtlinge in Italien beziehungsweise Rückkehrer nach der Dublin-II-Verordnung dort unter Verhältnissen leben müssen, welche man gemeinhin als „Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums (Betteln, Leben auf der Straße etc.)“ bezeichnen könne. Hierbei handle es sich eher um Einzelfälle (Auswärtiges Amtes an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).

50

In Italien gibt es auch für italienische Staatsangehörige kein national garantiertes Recht auf Fürsorgeleistungen zur Lebensunterhaltssicherung vor dem 65. Lebensjahr. Die Zuständigkeit für die Festsetzung von Sozialhilfeleistungen liegt grundsätzlich im Kompetenzbereich der Regionen. In bestimmten Regionen wird die Höhe des Sozialgeldes durch die Kommune festgesetzt. Öffentliche Fürsorgeleistungen weisen daher deutliche Unterschiede je nach regionaler und kommunaler Finanzkraft auf (Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern im vorliegenden Fall; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 48).

51

Auch wenn sich die Situation damit deutlich schlechter und unsicherer darstellt als in der Bundesrepublik Deutschland, begründet dies für sich genommen keinen systemischen Mangel. Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat ausdrücklich festgehalten, dass Art. 3 EMRK die Vertragsparteien nicht verpflichte, jede Person innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs mit einem Obdach zu versorgen. Die Norm enthalte auch keine allgemeine Pflicht, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu bieten, um ihnen einen bestimmen Lebensstandard zu bieten. Ausländer, die von einer Ausweisung betroffen seien, gewähre die Konvention grundsätzlich keinen Anspruch mit dem Ziel, im Hoheitsgebiet des Vertragsstaates zu verbleiben, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren, die vom ausweisenden Staat zur Verfügung gestellt werde. Wenn keine außergewöhnlichen zwingenden humanitären Gründe vorlägen, die gegen eine Ausweisung sprächen, sei allein die Tatsache, dass die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse des Antragstellers bedeutend geschmälert würden, falls er oder sie ausgewiesen würde, nicht ausreichend, einen Verstoß gegen Art. 3 EMR zu begründen (Beschluss vom 02.04.2013, Mohammed Hussein u.a. gegen Niederlande und Italien, a.a.O. Rn. 70 f.).

52

Keine systematischen Mängel bestehen schließlich auch im Hinblick auf den Zugang zum Gesundheitssystem. Personen mit Schutzstatus sind in Fragen der Gesundheitsversorgung den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt. Die Anmeldung beim Nationalen Gesundheitsdienst ermöglicht die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Behandlung bei einem praktischen Arzt, Kinderarzt, in Ambulanzen und zur Aufnahme in ein Krankenhaus berechtigt. Hierzu benötigen Schutzberechtigte den Aufenthaltstitel, die Steuernummer sowie eine feste Adresse. Personen ohne festen Wohnsitz können sich zumindest in Rom unter Sammeladressen karitativer Einrichtungen melden, die von den Behörden akzeptiert werden. Eine aktuelle Vereinbarung zwischen der italienischen Zentralregierung und den Regionen garantiert die Not- und Grundversorgung auch von Personen, die sich illegal im Land aufhalten. Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei (Auswärtiges Amt an OVG des Landes Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).

53

(e) Die Einschätzung, dass das italienische Asylsystem nicht an systemischen Mängeln leidet, wird durch die jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs für Menschenrechte bestätigt. In seinem Beschluss vom 2. April 2013 hat er die Überstellung der dortigen Beschwerdeführerin, der - wie dem Kläger - in Italien bereits ein Schutzstatus zugesprochen worden war, mit Art. 3 EMRK für vereinbar gehalten. Dabei hat er - neben der konkreten Situation der Antragstellerin - eine Vielzahl von Stellungnahmen sowie Berichten von Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen über die generelle Situation in Italien ausgewertet. Er kommt nach ausführlicher Würdigung der festzustellenden Mängel - und keineswegs nur unter Bezug auf den ihm vorgelegten konkreten Sachverhalt - zu dem Schluss, dass die allgemeine Situation und die Lebensbedingungen in Italien für Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge und Ausländer, die aus Gründen des internationalen Schutzes oder zu humanitären Zwecken eine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben, kein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für Asylbewerber als Mitglieder einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe aufzeigen (Beschluss vom 02.04.2013, Mohammed Hussein u.a. gegen Niederlande und Italien, Rn. 70 ff., in Teilen übersetzt von Wischrath, ZAR 2013, 336, besprochen von Thym in ZAR 2013, 331; siehe auch Hailbronner, AuslR, Dezember 2013, § 34a Rn. 29 f.; ebenso Beschluss vom 18.06.2013, Halimi gegen Österreich und Italien, Rn. 68, in Teilen übersetzt von Wischrath, ZAR 2013, 338). Diese Einschätzung hat er jüngst nochmals ausdrücklich bestätigt (Beschluss vom 10.09.2013 - Nr. 2314/10 -, Hussein Diirshi u.a. gegen Niederlande und Italien, zitiert nach HUDOC).

54

(f) Es sind auch keine besonderen Umstände des Einzelfalles ersichtlich, die befürchten ließen, dass gerade dem Kläger in Italien eine mit Art. 4 der Grundrechtecharta nicht vereinbare Behandlung drohen würde. Er leidet insbesondere nicht an außerordentlich schweren oder seltenen Krankheiten, deren Behandlung in Italien nicht möglich erschiene. Nach seiner Schilderung bekam er in Italien in Notfallsituationen zumindest Schmerzmittel verabreicht. Die Probleme bei einer weiterführenden Behandlung resultierten offenbar daraus, dass er mangels festen Wohnsitzes keine Gesundheitskarte beantragt hat. Dem hätte der Kläger nach der Auskunftslage aber zumindest in Rom dadurch abhelfen können, dass er sich bei einer gemeinnützigen Organisation eine fiktive Meldeadresse hätte geben lassen. Aus den Angaben des Klägers lässt sich außerdem schließen, dass er noch keinen Platz im SPRAR-System beansprucht hat. Damit steht ihm nach seiner Rückkehr die Möglichkeit offen, sich für einen solchen Platz zu bewerben. Auf die von dem Kläger zuletzt aufgeworfene Frage, ob die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt vom 21. August 2013 zutrifft, nach der alle im Rahmen der Dublin-Verordnung zurückgeführten Personen von der Questura in eine Unterkunft verteilt werden, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Diese Auskunft dürfte sich auf Personen ohne Schutzstatus bezogen haben, die - wie oben dargestellt - ohnehin einem anderen Aufnahmeregime unterfallen.

III.

55

Die Abschiebungsanordnung ist nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen nach § 27a AsylVfG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies ist der Fall, nachdem Italien seine Zuständigkeit akzeptiert hat und der Abschiebung keine relevanten Hindernisgründe entgegenstehen.

IV.

56

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.

57

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

58

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen. Streitentscheidend ist vorliegend die Würdigung der tatsächlichen Umstände in Italien.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. September 2009 - A 6 K 3484/08 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt seine Anerkennung als Asylberechtigter.
Der Kläger, ein nach seinen Angaben am ...1985 in Sheikhan geborener irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und yezidischen Glaubens, reiste am 3.2.2008 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung machte er geltend, er stamme aus dem im Sheikhan gelegenen Dorf Essya (gemeint wohl Esyan). Seine Familie, zu der außer seinen Eltern sieben Brüder und sechs Schwestern gehörten, lebe noch mit Ausnahme eines Bruders im Sheikhan. Er habe den Irak im Dezember 2004 verlassen und sich zunächst einige Monate in Griechenland aufgehalten. Er sei dann nach Holland geflogen und habe dort einen Asylantrag gestellt. Die holländischen Behörden hätten den Antrag im Mai 2006 abgelehnt und ihn zurück nach Griechenland geschickt, wo er zunächst in Abschiebehaft genommen worden sei. Nach seiner Freilassung sei er in den Irak zurückgekehrt. Am 22.1.2008 habe er den Irak wieder verlassen und sei über die Türkei nach Deutschland gereist. Der Grund dafür sei, dass er als Yezide von den Leuten merkwürdig angeschaut worden sei. Er habe auch schon gehört, dass in anderen yezidischen Dörfern Leute überfallen worden seien. Er selbst sei aber weder bedroht noch in anderer Weise behelligt worden.
Nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) festgestellt hatte, dass der Kläger bereits am 23.5.2006 einen Asylantrag in Griechenland gestellt hatte, ersuchte es mit Schreiben vom 10.4.2008 die griechischen Behörden um Aufnahme des Klägers. Das Ersuchen blieb trotz einer mit Schreiben vom 14.5.2008 erfolgten Erinnerung unbeantwortet.
Das Bundesamt lehnte daraufhin mit Bescheid vom 8.9.2008 den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Griechenland an. Zur Begründung führte es aus, der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Griechenland aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. e Dublin II-VO für die Behandlung des Antrags zuständig sei.
Der Kläger hat am 9.9.2008 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und beantragt, den Bescheid des Bundesamts vom 8.9.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG zuzuerkennen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 7 S. 2 AufenthG festzustellen, weiter hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 S. 1 AufenthG festzustellen. Der Kläger hat ferner am gleichen Tag einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, auf den das Verwaltungsgericht die Beklagte mit Beschluss vom 16.10.2008 durch eine einstweilige Anordnung verpflichtet hat, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Antragstellers nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen und für den Fall, dass die zuständige Ausländerbehörde von der Abschiebungsanordnung bereits in Kenntnis gesetzt worden sei, dieser mitzuteilen, dass eine Abschiebung nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten nicht durchgeführt werden dürfe.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Mit Urteil vom 29.9.2009 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Bundesamts vom 8.9.2008 aufgehoben und die Beklagte zu der Feststellung verpflichtet, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Asylantrag des Klägers sei nicht mehr gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, da die Beklagte inzwischen für das Asylverfahren des Klägers zuständig geworden sei. Zwar sei ursprünglich Griechenland für das Asylverfahren des Klägers zuständig gewesen, da der Kläger bereits am 23.5.2006 auf dem Flughafen von Athen einen Asylantrag gestellt habe. Die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers sei jedoch gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO von Griechenland auf die beklagte Bundesrepublik Deutschland übergangen, da der Kläger nicht innerhalb der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist an Griechenland überstellt worden sei. Zwar habe die erkennende Kammer die Beklagte mit Beschluss vom 16.10.2008 durch eine einstweilige Anordnung verpflichtet, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Antragstellers nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen. Diese einstweilige Anordnung stelle jedoch keinen Rechtsbehelf dar, der aufschiebende Wirkung habe. Der Beschluss habe daher keinen Einfluss auf den Ablauf der für die Überstellung geltenden Frist. Der zulässig gewordene Asylantrag des Klägers sei auch begründet, da dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak eine religiös motivierte Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure im Sinne des § 60 Abs. 1 S. 4 Buchst. c AufenthG drohe. Die Beklagte gehe bei Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, grundsätzlich von einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure aus. Nach dem Gutachten des Europäischen Zentrums für kurdische Studien vom 26.5.2008 liege das Sheikhan-Gebiet im Grenzgebiet zwischen Zentral- und Nordirak. Es gehöre verwaltungstechnisch und rechtlich zur Provinz Niniwe/Mosul und stehe damit de jure unter zentralirakischer Verwaltung. Mithin treffe die von der Beklagten für Yeziden aus dem Zentralirak angenommene Gruppenverfolgung auch für die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden zu.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 2.2.2010 zugelassene Berufung der Beklagten. Auf Antrag der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 29.6.2010 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Die Beklagte hat das Verfahren am 25.3.2011 wieder angerufen.
Die Beklagte macht geltend, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht der Ansicht, dass die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO von Griechenland auf Deutschland übergangen sei. Die sechsmonatige Frist für den Übergang der Zuständigkeit beginne erst ab dem Zeitpunkt zu laufen, ab dem die Behörde den Bescheid auch vollziehen könne und sich dabei ausschließlich den technischen Problemen der Überstellung widmen könne. Unabhängig davon halte das Verwaltungsgericht den Asylantrag auch zu Unrecht für in der Sache begründet. Nach dem Vorbringen des Klägers sei nicht ersichtlich, dass dieser den Irak unter dem Druck individuell erlittener oder unmittelbar drohender Verfolgung verlassen habe. Eine gruppenspezifische Gefährdung der Yeziden im Irak lasse sich nicht feststellen.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. September 2009 - A 6 K 3484/08 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Verwaltungsgerichts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Hauptantrag des Klägers zu Unrecht entsprochen. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG liegen entgegen seiner Ansicht nicht vor (unten I). Die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 S. 2 AufenthG bzw. § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben, so dass die Klage auch mit den vom Kläger gestellten Hilfsanträgen keinen Erfolg haben kann (unten II).
I.
17 
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht zu der Feststellung verpflichtet, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist.
18 
1. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die beklagte Bundesrepublik Deutschland sei für das Asylverfahren des Klägers zuständig, auch wenn der Kläger zuvor einen Asylantrag in Griechenland gestellt habe. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen.
19 
a) Der Kläger hat am 23.5.2006 in Griechenland einen ersten und nach seiner zwischenzeitlichen Rückkehr in den Irak am 3.2.2008 einen weiteren Asylantrag in Deutschland gestellt. Wegen des zuvor in Griechenland durchgeführten Asylverfahrens hat das Bundesamt mit Schreiben vom 10.4.2008 ein Aufnahmeersuchen an Griechenland gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.2.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, (im Folgenden: Dublin II-VO) gestellt, auf das Griechenland nicht innerhalb von zwei Monaten geantwortet hat. Nach Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO ist in einem solchen Fall davon auszugehen, dass der ersuchte Mitgliedstaat die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiert, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.
20 
Das hat auch das Verwaltungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt. Es hat gleichwohl angenommen, dass die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO von Griechenland auf die Beklagte übergangen sei, da der Kläger nicht innerhalb der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist an Griechenland überstellt worden sei. Den Umstand, dass die erkennende Kammer die Beklagte mit Beschluss vom 16.10.2008 durch eine einstweilige Anordnung verpflichtet hat, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Antragstellers nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen, hat das Verwaltungsgericht dabei für unerheblich erklärt, da diese Anordnung keinen Rechtsbehelf darstelle, der aufschiebende Wirkung habe. Der Beschluss habe daher keinen Einfluss auf den Ablauf der für die Überstellung geltenden Frist. Das steht, wie die Beklagte zu Recht beanstandet, mit Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO nicht in Einklang.
21 
aa) Die Überstellung des Asylbewerbers von dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des ersteren Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, „sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch den anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat“ (Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO). Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde (Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO).
22 
Nach der im deutschen (nationalen) Recht geltenden Regelung in § 34 a Abs. 2 AsylVfG darf die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat nicht nach § 80 oder § 123 VwGO ausgesetzt werden. Das Gleiche gilt nach der Neufassung dieser Vorschrift durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 für die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat. Im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93 - (BVerfGE 94, 49) hat sich das Verwaltungsgericht trotz dieser Regelung für berechtigt gehalten, die Abschiebung des Klägers nach Griechenland auf dessen Antrag auszusetzen, da nach den vorliegenden Erkenntnisquellen zur Situation und Behandlung von Flüchtlingen in Griechenland davon auszugehen sei, dass dem Kläger dort kein Asylverfahren offen stehe, das die Mindestnormen für Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß der Europäischen Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1.12.2005 einhalte. Ebenso wenig sei gewährleistet, dass in Griechenland die Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern gemäß der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.1.2003 eingehalten würden. Die Verletzung der genannten Normen und die damit einher gehenden Grundrechts- und Menschenrechtsverletzungen seien als Sonderfall anzusehen, in dem § 34 a Abs. 2 AsylVfG nicht anzuwenden sei.
23 
bb) Mit dieser Entscheidung ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts der Lauf der Frist für die Überstellung des Klägers an Griechenland gehemmt worden.
24 
Die in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehene Frist berücksichtigt die organisatorischen Schwierigkeiten, die mit der Durchführung der Überstellung verbunden sind, und verfolgt das Ziel, es den beiden betroffenen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, sich im Hinblick auf die Durchführung abzustimmen, und es insbesondere dem ersuchenden Mitgliedstaat zu erlauben, die Modalitäten für die Durchführung der Überstellung zu regeln, die nach den nationalen Rechtsvorschriften dieses letztgenannten Staates erfolgt. Das gilt auch für den in der Vorschrift genannten Fall, dass der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt, da auch in diesem Fall jeder der beiden betroffenen Mitgliedstaaten bei der Organisation der Überstellung den gleichen praktischen Schwierigkeiten gegenübersteht und deshalb über die gleiche Frist von sechs Monaten verfügen soll, um die Überstellung des Asylbewerbers zu bewerkstelligen. Der Lauf der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist beginnt daher in dem genannten Fall nicht bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung, mit der die Durchführung des Überstellungsverfahrens ausgesetzt wird, sondern erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die der Durchführung dieses Verfahrens nicht mehr entgegenstehen kann (EuGH, Urt. v. 29.1.2009 - C-19/08 - NVwZ 2009, 639).
25 
Für den Beginn der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist kann es danach entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht auf den in den §§ 80, 123 VwGO gemachten Unterschied zwischen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs und einer einstweiligen Anordnung ankommen. Dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 16.10.2008 liegt die Auffassung zu Grunde, dass das deutsche (nationale) Recht es unter bestimmten, vom Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall bejahten Voraussetzungen gestattet, die Abschiebung eines Asylbewerbers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat und damit die Durchführung des in der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vorgesehenen Überstellungsverfahrens auszusetzen. Damit greift die genannte Überlegung, wonach die betroffenen Mitgliedstaaten auch für den Fall, dass der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt, eine Frist von sechs Monaten verfügen sollen, um die Überstellung des Asylbewerbers zu bewerkstelligen. Ob die Durchführung des Überstellungsverfahrens in Folge einer nach § 80 VwGO oder in Folge einer nach § 123 VwGO getroffenen gerichtlichen Entscheidung ausgesetzt ist, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.
26 
b) Die Zuständigkeit der Beklagten für die Prüfung des Asylantrags des Klägers ergibt sich jedoch aus Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO.
27 
Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist, und wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung. Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 21.12.2011, aaO) lässt dieses Asylsystem die Annahme zu, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention finden. Es gilt daher die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden. Sie ist widerlegt, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren. Der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, ist in einem solchen Fall verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann.
28 
Nach dem in Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21.1.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland) ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21.12.2011 (aaO) ist davon auszugehen, dass die große Zahl von Asylbewerbern, die in den letzten Jahren über Griechenland in die Union gelangt sind, es den griechischen Behörden unmöglich gemacht hat, diesen Zustrom zu bewältigen. Der Europäische Gerichtshof ist deshalb der Meinung, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Griechenland grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren. Die Beklagte hätte danach den Asylantrag des Klägers nicht als unzulässig abweisen dürfen, sondern den Antrag sachlich prüfen müssen.
29 
2. Das Verwaltungsgericht hat die somit notwendige sachliche Prüfung des Asylantrags des Klägers selbst vorgenommen. Das entspricht der Rechtslage.
30 
Nach § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO spricht das Gericht, soweit die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten begünstigenden Verwaltungsaktes rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde zum Erlass dieses Verwaltungsakts aus, wenn die Sache spruchreif ist. Nach § 86 Abs. 1 VwGO hat das Gericht im Rahmen des Klagebegehrens alle für die Entscheidung maßgebenden tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs in eigener Verantwortung festzustellen. Das Gericht muss danach die Streitsache im Sinne des § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO in vollem Umfang spruchreif machen. Es ist deshalb grundsätzlich nicht zulässig, dass das Verwaltungsgericht bei rechtswidriger Verweigerung des begehrten Verwaltungsakts lediglich die Ablehnung aufhebt und der Behörde mit gewissermaßen zurückverweisender Wirkung die Prüfung und Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen aufgibt. Vielmehr hat es die notwendigen Prüfungen und Feststellungen selbst vorzunehmen und sodann abschließend in der Sache zu entscheiden (stRspr, vgl. BVerwG, Urt. v. 10.2.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Die Pflicht des Gerichts, die Streitsache spruchreif zu machen, gilt auch in Verfahren, in denen das Bundesamt - wie hier - einen Asylantrag zu Unrecht als unzulässig abgewiesen hat.
31 
3. Das Verwaltungsgericht ist jedoch bei seiner Prüfung zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen liegen entgegen seiner Ansicht nicht vor.
32 
a) Nach § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Anders als im Anwendungsbereich des Art. 16a Abs. 1 GG, der grundsätzlich nur Schutz vor staatlicher Verfolgung gewährt, kann eine Verfolgung in diesem Sinne gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ausgehen von (a) dem Staat, (b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder (c) „nichtstaatlichen Akteuren“, sofern die unter den Buchstaben a) und b) genannten „Akteure“ einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten. Für die Feststellung, ob eine solche Verfolgung vorliegt, sind gemäß § 60 Abs. 1 S. 5 AufenthG Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Qualifikationsrichtlinie, ABl. EU 2004 Nr. L 304 S. 12) ergänzend anzuwenden.
33 
Die Gefahr eigener Verfolgung kann sich nicht nur aus gegen den Ausländer selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms - eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die Vermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss. Diese für die staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind auch auf die private Verfolgung durch „nichtstaatliche Akteure“ übertragbar (BVerwG, Urt. v. 21.04.2009 - 10 C 11.08 - NVwZ 2009, 1237).
34 
b) In Anwendung dieser Grundsätze hat das Verwaltungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG mit der Begründung bejaht, dass die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt seien. Es hat dazu näher ausgeführt, die Beklagte gehe bei Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, von einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure aus. Nach dem Gutachten des Europäischen Zentrums für kurdische Studien (EZKS) vom 26.5.2008 liege das Sheikhan-Gebiet im Grenzgebiet zwischen Zentral- und Nordirak. Es gehöre verwaltungstechnisch und rechtlich zur Provinz Niniwe/Mosul und stehe damit de jure unter zentralirakischer Verwaltung. Mithin treffe die von der Beklagten für Yeziden aus dem Zentralirak angenommene Gruppenverfolgung auch für die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden zu.
35 
Das reicht als Begründung schon für sich genommen nicht aus. Das Verwaltungsgericht hat zum einen nicht geprüft, ob die Annahme der Beklagten zutrifft, dass Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt sind, sondern hat diese Annahme ohne weiteres als feststehende Tatsache übernommen. Es hat zum anderen hieraus geschlossen, dass auch die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt seien, da das Sheikhan-Gebiet de jure unter zentralirakischer Verwaltung stehe, ohne der sich aufdrängenden Frage nachzugehen, ob eine de jure bestehende Verwaltungshoheit auch bedeutet, dass die betreffenden Gebiete de facto unter zentralirakischer Verwaltung stehen. Das ist umso weniger zu verstehen, als in dem auch vom Verwaltungsgericht zitierten Gutachten des EZKS vom 26.5.2008 ausführlich auf diesen Unterschied eingegangen wird.
36 
c) Die Begründung des Verwaltungsgericht trifft davon abgesehen auch in der Sache nicht zu.
37 
aa) Das EZKS unterscheidet in seinen Gutachten vom 26.5.2008 und 17.2.2010 zur Gefährdung der im Irak lebenden Yeziden zwischen verschiedenen Gebieten, nämlich zum einen den de jure (und de facto) von der Kurdischen Regionalverwaltung verwalteten Gebieten, d.h. den - aus Teilen der Provinzen Dohuk, Erbil, Suleymaniya, Kirkuk, Diyala und Niniveh zusammengesetzten - Gebieten, die bereits im Zeitpunkt des Einmarschs der alliierten Truppen in den Irak (19.3.2003) von den damals noch zwei kurdischen Regionalregierungen kontrolliert wurden, sowie den „umstrittenen Gebieten“, d.h. den Gebieten, die sowohl von der Kurdischen Regionalverwaltung als auch der irakischen Zentralregierung beansprucht werden. Was die zuletzt genannten Gebiete betrifft, wird weiter unterschieden zwischen de facto von der Kurdischen Regionalverwaltung verwalteten Gebieten, d.h. Gebieten, in denen bestimmte Verwaltungs- bzw. Schutzaufgaben von der Kurdischen Regionalverwaltung bzw. den kurdischen Parteien KDP und PUK übernommen werden, sowie Gebieten, in denen dies nicht der Fall ist und die somit nicht nur de jure, sondern auch de facto von der irakischen Zentralregierung verwaltet werden.
38 
Eine exakte Benennung der Gebiete, die de facto von der Kurdischen Regionalverwaltung verwaltet werden, ist nach den Ausführungen des EZKS nur mit großen Schwierigkeiten möglich. Nach dem Gutachten vom 17.2.2010 kann jedoch als sicher gelten, dass die Distrikte Sheikhan und al-Sheikhan insgesamt de facto unter kurdischer Kontrolle stehen (Gutachten, S. 12).
39 
bb) Zu der Frage, ob und inwieweit im Sheikhan-Gebiet lebende Yeziden durch andere Bevölkerungsgruppen gefährdet sind, heißt es im Gutachten des EZKS vom 17.2.2010 (S. 23), die Sicherheitslage im Sheikhan sei insbesondere wegen seiner direkten Verbindung zu den de jure kurdisch verwalteten Gebieten grundsätzlich besser als im Sindjar. Auch der Bericht der UNAMI (United Nations Assistance Mission for Iraq) zur Lage in den umstrittenen Gebieten bezeichne die Sicherheitslage im Sheikhan als vergleichsweise stabil. Für die Zeit zwischen Februar 2007 und September 2008 würden in diesem Bericht nur fünf registrierte Sicherheitsvorfälle genannt. Auch in den diversen Menschenrechtsberichten etc. fänden sich keine Hinweise darauf, dass es im Sheikhan Übergriffe sunnitischer Extremisten auf Yeziden oder Christen gegeben habe. Auch zu Auseinandersetzungen zwischen muslimischen und yezidischen Kurden wie am 15.2.2007 in Ain Sifni im Anschluss an einen Konflikt zwischen Eheleuten solle es seither nicht mehr gekommen sein. Übergriffe gegenüber Yeziden, die in Opposition zur Politik der kurdischen Allianz stünden, seien ebenfalls nicht dokumentiert. In dem genannten Gutachten werden lediglich Klagen einzelner Yeziden zitiert, nach denen sie von den Kurden aus Dohuk, Erbil und Suleymaniya wie Bürger zweiter Klasse behandelt würden. Von yezidischer Seite werde ferner kritisiert, dass Yeziden innerhalb der Sicherheitskräfte (Peschmerga, Polizei, Geheimdienst) nicht hinreichend repräsentiert seien. Darüber hinaus hätten sich Mitglieder der antikurdischen Yezidischen Bewegung darüber beklagt, dass sie in Sheikhan kein Parteibüro eröffnen dürften (S. 23 f.).
40 
Von einer der aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden drohenden Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure kann danach offensichtlich keine Rede sein, da es an der dafür erforderlichen Verfolgungsdichte fehlt (im Ergebnis ebenso OVG Saarland, Urt. v. 29.3.2012 - 3 A 456/11 - Juris; OVG NRW, Beschl. v. 28.3.2011 - 9 A 2563/10.A - Juris).
II.
41 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Das bedarf, was die in § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG geregelten Abschiebungsverbote betrifft, keiner näheren Begründung. In Betracht zu ziehen ist allein das Bestehen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 2 oder § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG.
42 
1. Nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG, mit dem die sich aus Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie ergebenden Verpflichtungen auf Gewährung eines „subsidiären Schutzstatus“ bzw. „subsidiären Schutzes“ in nationales Recht umgesetzt werden, ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u. a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wofür Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe typische Beispiele sind (BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO).
43 
Die Frage, ob die derzeitige Situation im Irak die landesweit oder auch nur regional gültige Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts rechtfertigt, dürfte hiervon ausgehend zu verneinen sein. Die Frage kann jedoch auf sich beruhen, da selbst bei der Annahme eines solchen Konflikts ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG nur besteht, wenn der Ausländer einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben „im Rahmen“ dieses Konflikts ausgesetzt ist. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers nicht gegeben.
44 
Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 - (BVerwGE 134, 188) kann sich die nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG erforderliche Individualisierung der sich aus einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt ergebenden allgemeinen Gefahr nicht nur aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann vielmehr unabhängig davon auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind nach den oben gemachten Ausführungen zu verneinen. Die erforderliche Individualisierung könnte sich daher nur durch einen besonders hohen Grad der dem Kläger in seiner Heimatregion drohenden allgemeinen Gefahren ergeben, vor denen er auch in den übrigen Teilen des Irak keinen Schutz finden kann. Nach den dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen lässt sich jedoch für die Gegend des Sheikhan, aus welcher der Kläger nach seinen Angaben stammt, ein so hoher Gefahrengrad, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in diesem Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre, nicht feststellen.
45 
2. Auch ein (national begründetes) Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG ist im Falle des Klägers nicht erkennbar.
46 
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder seine Bevölkerungsgruppe allgemein treffen, wird - abgesehen von Fällen der richtlinienkonformen Auslegung bei Anwendung von Art. 15 lit. c der Qualifikationsrichtlinie für internationale oder innerstaatliche bewaffnete Konflikte - der Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG gewährt. Beim Fehlen einer solchen Regelung kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke in Betracht, d.h. nur zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage in dem Sinne, dass dem Ausländer sehenden Auges der sichere Tod droht oder er schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO). Eine solche extreme konkrete Gefahrenlage besteht für den Kläger im Hinblick auf das oben Ausgeführte nicht.
47 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
48 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
16 
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Hauptantrag des Klägers zu Unrecht entsprochen. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG liegen entgegen seiner Ansicht nicht vor (unten I). Die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 S. 2 AufenthG bzw. § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben, so dass die Klage auch mit den vom Kläger gestellten Hilfsanträgen keinen Erfolg haben kann (unten II).
I.
17 
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht zu der Feststellung verpflichtet, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist.
18 
1. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die beklagte Bundesrepublik Deutschland sei für das Asylverfahren des Klägers zuständig, auch wenn der Kläger zuvor einen Asylantrag in Griechenland gestellt habe. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen.
19 
a) Der Kläger hat am 23.5.2006 in Griechenland einen ersten und nach seiner zwischenzeitlichen Rückkehr in den Irak am 3.2.2008 einen weiteren Asylantrag in Deutschland gestellt. Wegen des zuvor in Griechenland durchgeführten Asylverfahrens hat das Bundesamt mit Schreiben vom 10.4.2008 ein Aufnahmeersuchen an Griechenland gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.2.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, (im Folgenden: Dublin II-VO) gestellt, auf das Griechenland nicht innerhalb von zwei Monaten geantwortet hat. Nach Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO ist in einem solchen Fall davon auszugehen, dass der ersuchte Mitgliedstaat die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiert, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.
20 
Das hat auch das Verwaltungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt. Es hat gleichwohl angenommen, dass die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO von Griechenland auf die Beklagte übergangen sei, da der Kläger nicht innerhalb der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist an Griechenland überstellt worden sei. Den Umstand, dass die erkennende Kammer die Beklagte mit Beschluss vom 16.10.2008 durch eine einstweilige Anordnung verpflichtet hat, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Antragstellers nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen, hat das Verwaltungsgericht dabei für unerheblich erklärt, da diese Anordnung keinen Rechtsbehelf darstelle, der aufschiebende Wirkung habe. Der Beschluss habe daher keinen Einfluss auf den Ablauf der für die Überstellung geltenden Frist. Das steht, wie die Beklagte zu Recht beanstandet, mit Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO nicht in Einklang.
21 
aa) Die Überstellung des Asylbewerbers von dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des ersteren Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, „sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch den anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat“ (Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO). Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde (Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO).
22 
Nach der im deutschen (nationalen) Recht geltenden Regelung in § 34 a Abs. 2 AsylVfG darf die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat nicht nach § 80 oder § 123 VwGO ausgesetzt werden. Das Gleiche gilt nach der Neufassung dieser Vorschrift durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 für die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat. Im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93 - (BVerfGE 94, 49) hat sich das Verwaltungsgericht trotz dieser Regelung für berechtigt gehalten, die Abschiebung des Klägers nach Griechenland auf dessen Antrag auszusetzen, da nach den vorliegenden Erkenntnisquellen zur Situation und Behandlung von Flüchtlingen in Griechenland davon auszugehen sei, dass dem Kläger dort kein Asylverfahren offen stehe, das die Mindestnormen für Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß der Europäischen Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1.12.2005 einhalte. Ebenso wenig sei gewährleistet, dass in Griechenland die Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern gemäß der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.1.2003 eingehalten würden. Die Verletzung der genannten Normen und die damit einher gehenden Grundrechts- und Menschenrechtsverletzungen seien als Sonderfall anzusehen, in dem § 34 a Abs. 2 AsylVfG nicht anzuwenden sei.
23 
bb) Mit dieser Entscheidung ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts der Lauf der Frist für die Überstellung des Klägers an Griechenland gehemmt worden.
24 
Die in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehene Frist berücksichtigt die organisatorischen Schwierigkeiten, die mit der Durchführung der Überstellung verbunden sind, und verfolgt das Ziel, es den beiden betroffenen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, sich im Hinblick auf die Durchführung abzustimmen, und es insbesondere dem ersuchenden Mitgliedstaat zu erlauben, die Modalitäten für die Durchführung der Überstellung zu regeln, die nach den nationalen Rechtsvorschriften dieses letztgenannten Staates erfolgt. Das gilt auch für den in der Vorschrift genannten Fall, dass der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt, da auch in diesem Fall jeder der beiden betroffenen Mitgliedstaaten bei der Organisation der Überstellung den gleichen praktischen Schwierigkeiten gegenübersteht und deshalb über die gleiche Frist von sechs Monaten verfügen soll, um die Überstellung des Asylbewerbers zu bewerkstelligen. Der Lauf der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist beginnt daher in dem genannten Fall nicht bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung, mit der die Durchführung des Überstellungsverfahrens ausgesetzt wird, sondern erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die der Durchführung dieses Verfahrens nicht mehr entgegenstehen kann (EuGH, Urt. v. 29.1.2009 - C-19/08 - NVwZ 2009, 639).
25 
Für den Beginn der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist kann es danach entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht auf den in den §§ 80, 123 VwGO gemachten Unterschied zwischen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs und einer einstweiligen Anordnung ankommen. Dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 16.10.2008 liegt die Auffassung zu Grunde, dass das deutsche (nationale) Recht es unter bestimmten, vom Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall bejahten Voraussetzungen gestattet, die Abschiebung eines Asylbewerbers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat und damit die Durchführung des in der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vorgesehenen Überstellungsverfahrens auszusetzen. Damit greift die genannte Überlegung, wonach die betroffenen Mitgliedstaaten auch für den Fall, dass der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt, eine Frist von sechs Monaten verfügen sollen, um die Überstellung des Asylbewerbers zu bewerkstelligen. Ob die Durchführung des Überstellungsverfahrens in Folge einer nach § 80 VwGO oder in Folge einer nach § 123 VwGO getroffenen gerichtlichen Entscheidung ausgesetzt ist, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.
26 
b) Die Zuständigkeit der Beklagten für die Prüfung des Asylantrags des Klägers ergibt sich jedoch aus Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO.
27 
Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist, und wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung. Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 21.12.2011, aaO) lässt dieses Asylsystem die Annahme zu, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention finden. Es gilt daher die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden. Sie ist widerlegt, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren. Der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, ist in einem solchen Fall verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann.
28 
Nach dem in Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21.1.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland) ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21.12.2011 (aaO) ist davon auszugehen, dass die große Zahl von Asylbewerbern, die in den letzten Jahren über Griechenland in die Union gelangt sind, es den griechischen Behörden unmöglich gemacht hat, diesen Zustrom zu bewältigen. Der Europäische Gerichtshof ist deshalb der Meinung, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Griechenland grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren. Die Beklagte hätte danach den Asylantrag des Klägers nicht als unzulässig abweisen dürfen, sondern den Antrag sachlich prüfen müssen.
29 
2. Das Verwaltungsgericht hat die somit notwendige sachliche Prüfung des Asylantrags des Klägers selbst vorgenommen. Das entspricht der Rechtslage.
30 
Nach § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO spricht das Gericht, soweit die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten begünstigenden Verwaltungsaktes rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde zum Erlass dieses Verwaltungsakts aus, wenn die Sache spruchreif ist. Nach § 86 Abs. 1 VwGO hat das Gericht im Rahmen des Klagebegehrens alle für die Entscheidung maßgebenden tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs in eigener Verantwortung festzustellen. Das Gericht muss danach die Streitsache im Sinne des § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO in vollem Umfang spruchreif machen. Es ist deshalb grundsätzlich nicht zulässig, dass das Verwaltungsgericht bei rechtswidriger Verweigerung des begehrten Verwaltungsakts lediglich die Ablehnung aufhebt und der Behörde mit gewissermaßen zurückverweisender Wirkung die Prüfung und Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen aufgibt. Vielmehr hat es die notwendigen Prüfungen und Feststellungen selbst vorzunehmen und sodann abschließend in der Sache zu entscheiden (stRspr, vgl. BVerwG, Urt. v. 10.2.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Die Pflicht des Gerichts, die Streitsache spruchreif zu machen, gilt auch in Verfahren, in denen das Bundesamt - wie hier - einen Asylantrag zu Unrecht als unzulässig abgewiesen hat.
31 
3. Das Verwaltungsgericht ist jedoch bei seiner Prüfung zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen liegen entgegen seiner Ansicht nicht vor.
32 
a) Nach § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Anders als im Anwendungsbereich des Art. 16a Abs. 1 GG, der grundsätzlich nur Schutz vor staatlicher Verfolgung gewährt, kann eine Verfolgung in diesem Sinne gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ausgehen von (a) dem Staat, (b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder (c) „nichtstaatlichen Akteuren“, sofern die unter den Buchstaben a) und b) genannten „Akteure“ einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten. Für die Feststellung, ob eine solche Verfolgung vorliegt, sind gemäß § 60 Abs. 1 S. 5 AufenthG Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Qualifikationsrichtlinie, ABl. EU 2004 Nr. L 304 S. 12) ergänzend anzuwenden.
33 
Die Gefahr eigener Verfolgung kann sich nicht nur aus gegen den Ausländer selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms - eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die Vermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss. Diese für die staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind auch auf die private Verfolgung durch „nichtstaatliche Akteure“ übertragbar (BVerwG, Urt. v. 21.04.2009 - 10 C 11.08 - NVwZ 2009, 1237).
34 
b) In Anwendung dieser Grundsätze hat das Verwaltungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG mit der Begründung bejaht, dass die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt seien. Es hat dazu näher ausgeführt, die Beklagte gehe bei Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, von einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure aus. Nach dem Gutachten des Europäischen Zentrums für kurdische Studien (EZKS) vom 26.5.2008 liege das Sheikhan-Gebiet im Grenzgebiet zwischen Zentral- und Nordirak. Es gehöre verwaltungstechnisch und rechtlich zur Provinz Niniwe/Mosul und stehe damit de jure unter zentralirakischer Verwaltung. Mithin treffe die von der Beklagten für Yeziden aus dem Zentralirak angenommene Gruppenverfolgung auch für die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden zu.
35 
Das reicht als Begründung schon für sich genommen nicht aus. Das Verwaltungsgericht hat zum einen nicht geprüft, ob die Annahme der Beklagten zutrifft, dass Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt sind, sondern hat diese Annahme ohne weiteres als feststehende Tatsache übernommen. Es hat zum anderen hieraus geschlossen, dass auch die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt seien, da das Sheikhan-Gebiet de jure unter zentralirakischer Verwaltung stehe, ohne der sich aufdrängenden Frage nachzugehen, ob eine de jure bestehende Verwaltungshoheit auch bedeutet, dass die betreffenden Gebiete de facto unter zentralirakischer Verwaltung stehen. Das ist umso weniger zu verstehen, als in dem auch vom Verwaltungsgericht zitierten Gutachten des EZKS vom 26.5.2008 ausführlich auf diesen Unterschied eingegangen wird.
36 
c) Die Begründung des Verwaltungsgericht trifft davon abgesehen auch in der Sache nicht zu.
37 
aa) Das EZKS unterscheidet in seinen Gutachten vom 26.5.2008 und 17.2.2010 zur Gefährdung der im Irak lebenden Yeziden zwischen verschiedenen Gebieten, nämlich zum einen den de jure (und de facto) von der Kurdischen Regionalverwaltung verwalteten Gebieten, d.h. den - aus Teilen der Provinzen Dohuk, Erbil, Suleymaniya, Kirkuk, Diyala und Niniveh zusammengesetzten - Gebieten, die bereits im Zeitpunkt des Einmarschs der alliierten Truppen in den Irak (19.3.2003) von den damals noch zwei kurdischen Regionalregierungen kontrolliert wurden, sowie den „umstrittenen Gebieten“, d.h. den Gebieten, die sowohl von der Kurdischen Regionalverwaltung als auch der irakischen Zentralregierung beansprucht werden. Was die zuletzt genannten Gebiete betrifft, wird weiter unterschieden zwischen de facto von der Kurdischen Regionalverwaltung verwalteten Gebieten, d.h. Gebieten, in denen bestimmte Verwaltungs- bzw. Schutzaufgaben von der Kurdischen Regionalverwaltung bzw. den kurdischen Parteien KDP und PUK übernommen werden, sowie Gebieten, in denen dies nicht der Fall ist und die somit nicht nur de jure, sondern auch de facto von der irakischen Zentralregierung verwaltet werden.
38 
Eine exakte Benennung der Gebiete, die de facto von der Kurdischen Regionalverwaltung verwaltet werden, ist nach den Ausführungen des EZKS nur mit großen Schwierigkeiten möglich. Nach dem Gutachten vom 17.2.2010 kann jedoch als sicher gelten, dass die Distrikte Sheikhan und al-Sheikhan insgesamt de facto unter kurdischer Kontrolle stehen (Gutachten, S. 12).
39 
bb) Zu der Frage, ob und inwieweit im Sheikhan-Gebiet lebende Yeziden durch andere Bevölkerungsgruppen gefährdet sind, heißt es im Gutachten des EZKS vom 17.2.2010 (S. 23), die Sicherheitslage im Sheikhan sei insbesondere wegen seiner direkten Verbindung zu den de jure kurdisch verwalteten Gebieten grundsätzlich besser als im Sindjar. Auch der Bericht der UNAMI (United Nations Assistance Mission for Iraq) zur Lage in den umstrittenen Gebieten bezeichne die Sicherheitslage im Sheikhan als vergleichsweise stabil. Für die Zeit zwischen Februar 2007 und September 2008 würden in diesem Bericht nur fünf registrierte Sicherheitsvorfälle genannt. Auch in den diversen Menschenrechtsberichten etc. fänden sich keine Hinweise darauf, dass es im Sheikhan Übergriffe sunnitischer Extremisten auf Yeziden oder Christen gegeben habe. Auch zu Auseinandersetzungen zwischen muslimischen und yezidischen Kurden wie am 15.2.2007 in Ain Sifni im Anschluss an einen Konflikt zwischen Eheleuten solle es seither nicht mehr gekommen sein. Übergriffe gegenüber Yeziden, die in Opposition zur Politik der kurdischen Allianz stünden, seien ebenfalls nicht dokumentiert. In dem genannten Gutachten werden lediglich Klagen einzelner Yeziden zitiert, nach denen sie von den Kurden aus Dohuk, Erbil und Suleymaniya wie Bürger zweiter Klasse behandelt würden. Von yezidischer Seite werde ferner kritisiert, dass Yeziden innerhalb der Sicherheitskräfte (Peschmerga, Polizei, Geheimdienst) nicht hinreichend repräsentiert seien. Darüber hinaus hätten sich Mitglieder der antikurdischen Yezidischen Bewegung darüber beklagt, dass sie in Sheikhan kein Parteibüro eröffnen dürften (S. 23 f.).
40 
Von einer der aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden drohenden Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure kann danach offensichtlich keine Rede sein, da es an der dafür erforderlichen Verfolgungsdichte fehlt (im Ergebnis ebenso OVG Saarland, Urt. v. 29.3.2012 - 3 A 456/11 - Juris; OVG NRW, Beschl. v. 28.3.2011 - 9 A 2563/10.A - Juris).
II.
41 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Das bedarf, was die in § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG geregelten Abschiebungsverbote betrifft, keiner näheren Begründung. In Betracht zu ziehen ist allein das Bestehen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 2 oder § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG.
42 
1. Nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG, mit dem die sich aus Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie ergebenden Verpflichtungen auf Gewährung eines „subsidiären Schutzstatus“ bzw. „subsidiären Schutzes“ in nationales Recht umgesetzt werden, ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u. a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wofür Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe typische Beispiele sind (BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO).
43 
Die Frage, ob die derzeitige Situation im Irak die landesweit oder auch nur regional gültige Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts rechtfertigt, dürfte hiervon ausgehend zu verneinen sein. Die Frage kann jedoch auf sich beruhen, da selbst bei der Annahme eines solchen Konflikts ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG nur besteht, wenn der Ausländer einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben „im Rahmen“ dieses Konflikts ausgesetzt ist. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers nicht gegeben.
44 
Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 - (BVerwGE 134, 188) kann sich die nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG erforderliche Individualisierung der sich aus einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt ergebenden allgemeinen Gefahr nicht nur aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann vielmehr unabhängig davon auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind nach den oben gemachten Ausführungen zu verneinen. Die erforderliche Individualisierung könnte sich daher nur durch einen besonders hohen Grad der dem Kläger in seiner Heimatregion drohenden allgemeinen Gefahren ergeben, vor denen er auch in den übrigen Teilen des Irak keinen Schutz finden kann. Nach den dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen lässt sich jedoch für die Gegend des Sheikhan, aus welcher der Kläger nach seinen Angaben stammt, ein so hoher Gefahrengrad, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in diesem Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre, nicht feststellen.
45 
2. Auch ein (national begründetes) Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG ist im Falle des Klägers nicht erkennbar.
46 
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder seine Bevölkerungsgruppe allgemein treffen, wird - abgesehen von Fällen der richtlinienkonformen Auslegung bei Anwendung von Art. 15 lit. c der Qualifikationsrichtlinie für internationale oder innerstaatliche bewaffnete Konflikte - der Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG gewährt. Beim Fehlen einer solchen Regelung kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke in Betracht, d.h. nur zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage in dem Sinne, dass dem Ausländer sehenden Auges der sichere Tod droht oder er schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO). Eine solche extreme konkrete Gefahrenlage besteht für den Kläger im Hinblick auf das oben Ausgeführte nicht.
47 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
48 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der 1985 geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Pakistan und gehört zu den Punjabi. Er verließ nach seinen Angaben Pakistan am 25.02.2012 und kam am 26.03.2012 nach Italien, wo er erkennungsdienstlich behandelt wurde. Am 03.06.2012 reiste er nach seinen Angaben auf dem Landweg über die Schweiz oder Frankreich nach Deutschland.
Am 18.06.2012 stellte er einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellte daraufhin am 18.10.2012 ein auf Art. 16 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien. Am 30.11.2012 erfolgte die Zustimmung Italiens zur Rücküberstellung des Klägers.
Mit Bescheid vom 03.12.2012 erklärte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag für unzulässig und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Ein Zustellungsnachweis befindet sich nicht bei den Akten; jedenfalls wurde der Bescheid mit einem Begleitschreiben vom 15.01.2013 zur Post gegeben. Die für den 31.01.2013 vorgesehene Überstellung nach Italien konnte nicht durchgeführt werden, da der Kläger nicht angetroffen wurde.
Am 28.01.2013 erhob der Kläger Klage und machte geltend, eine Abschiebung nach Italien sei nicht zulässig. Er habe in Italien gar keinen Asylantrag gestellt. Auch bestehe die Gefahr der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung in Italien. Die Beklagte hätte von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen.
Mit Beschluss vom 14.03.2013 (A 12 K 332/13) ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 03.12.2012 enthaltene Abschiebungsanordnung an und gab der Beklagten auf, dem Regierungspräsidium Karlsruhe die Anordnung der aufschiebenden Wirkung mitzuteilen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vom 17.06.2013 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 03.12.2012 auf und verpflichtete die Bundesrepublik Deutschland auf den ausdrücklichen Antrag des Klägers, sein Asylverfahren fortzuführen. Zur Begründung führte es aus: Zwar sei Italien der zuständige Mitgliedstaat. Allerdings leide das Asylsystem Italiens unter sog. systemischen Mängeln im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, sodass die Bundesrepublik von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müsse.
Auf den rechtzeitig gestellten Antrag der Beklagten ließ der Senat durch Beschluss vom 14.08.2013 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.
Am 05.09.2013 hat der Beklagte unter Stellung eines Antrags die Berufung begründet: Zunächst sei davon auszugehen, dass das Zuständigkeitsregime der Dublin-Verordnung keine subjektiven Rechte der Asylbewerber begründe. Im Übrigen gelte nach der Rechtsprechung des EuGH eine generelle Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention erfolge. Dass in Bezug auf Italien ernsthaft und erwiesenermaßen zu befürchten sei, dass systemische Mängel zwangsläufig mit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung der überstellten Asylbewerber einhergingen, könne nicht eingewandt werden. Nach den vorliegenden Quellen, insbesondere von UNHCR, seien derartige Befürchtungen nicht gerechtfertigt.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.06.2013 - A 12 K 331/13 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten verweist der Senat auf die gewechselten Schriftsätze. Dem Senat liegen die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

Gründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 22. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem die Unzulässigkeit eines von ihm in Deutschland gestellten Asylantrags festgestellt und die Abschiebung nach Italien angeordnet wird. Er begehrt die Ausübung des Selbsteintrittsrechts und die sachliche Prüfung des Asylantrags in Deutschland.

2

Der Kläger stellte am 2. August 2012 bei der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Trier (Bundesamt) einen Asylantrag, nachdem er am 17. Juli 2012 als Asylbewerber erfasst worden war. Bei der Antragstellung gab er an, am 5. August 1988 in Mogadischu geboren zu sein und die somalische Staatsangehörigkeit zu besitzen. Er sei Mitglied der Volksgruppe der Hawadle und sunnitischer Religionszugehörigkeit.

3

Bei der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 29. August 2012 trug der Kläger vor, zwei Jahre lang als Schneider ausgebildet worden zu sein und diesen Beruf ein Jahr lang selbständig ausgeübt zu haben. Seine Schneiderei habe in der Nähe einer Fabrikruine gelegen, auf deren Gelände äthiopische Soldaten campiert hätten. Immer wieder seien diese von Mitgliedern der Al Shabaab attackiert worden. Auch die äthiopischen Soldaten hätten angegriffen. Die Al Shabaab sei zu ihm gekommen und habe gesagt, sie brauche Hilfe. Er habe nicht kämpfen wollen und sei im August 2008 geflohen. Hierzu habe er Mogadischu mit einem Kraftfahrzeug verlassen und sei über Addis Abeba und Khartum nach Tripolis gelangt, wo er am 18. November 2008 angekommen sei. Von dort aus sei er mit einem Boot nach Sizilien gefahren und am 25. Mai 2009 gelandet. Auf seinen Asylantrag hin habe er in Italien den Status eines subsidiär Schutzberechtigten erhalten. Danach habe er das Flüchtlingslager verlassen müssen und sei nach Florenz gegangen. Dort habe ihm die Caritas einmal am Tag etwas zu essen gegeben. Einen Monat lang habe er in einem verlassenen Haus ohne Wasser und Strom gelebt. Dann sei er insgesamt zwei Mal in die Niederlande gefahren und habe versucht, dort Asyl zu bekommen. Er sei aber jedesmal nach Italien zurückgeflogen worden. Die Polizisten am Flughafen Rom hätten ihm gesagt, er solle zum Bahnhof gehen. Dort seien viele Somalis gewesen, die ihn zur somalischen Botschaft in Rom gebracht hätten. Die Botschaft sei aufgegeben und von Flüchtlingen zum Übernachten genutzt worden. Es sei furchtbar dreckig gewesen und man habe krank werden können. Es habe Wasser, aber keinen Strom gegeben. Schließlich habe er sich auf den Weg nach Deutschland gemacht, wo er am 14. Juli 2012 angekommen sei.

4

Er sei krank. Er leide an einer schiefen Wirbelsäule und könne manchmal nicht gehen, außerdem habe er einen Vitamin-D-Mangel und eine Magenerkrankung. In Italien habe man ihm im Krankenhaus nur eine Schmerzspritze gegeben, weil er keinen Gesundheitsausweis habe vorzeigen können.

5

Die niederländischen Behörden wiesen ein Übernahmeersuchen der Beklagten zurück und teilten mit, dass sie den Kläger ihrerseits am 23. Dezember 2010 und 10. Oktober 2011 nach Italien überstellt hätten.

6

Auf entsprechenden Antrag vom 17. Dezember 2012 akzeptierten die italienischen Behörden mit Schreiben vom 20. Dezember 2012 unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 - Dublin-II-VO - ihre Zuständigkeit, wobei der Kläger dort mit syrischer Staatsangehörigkeit und dem Geburtsdatum 1. Januar 1988 geführt wurde, und stimmten einer Überstellung bis zum 20. Juni 2013 zu.

7

Vom 14. bis 24. Oktober 2012 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung wegen Schmerzen im Hüftbereich. Entzündliche sowie autoimmune Erkrankungen konnten laborchemisch ausgeschlossen werden. In einer Magnetresonanztomographie zeigten sich arthropische Veränderungen des Hüftgelenks. Es wurden eine ausgewogene eiweißreiche Ernährung und ambulante Krankengymnastik-Maßnahmen beziehungsweise Reha-Sport sowie eine ambulante psychiatrische Betreuung empfohlen. Am 6. und 7. Januar 2013 befand sich der Kläger wegen epigastrischer Schmerzen unklarer Genese erneut in stationärer Krankenhausbehandlung. Nachdem die Laborbefunde sowie eine Gastroskopie keine Auffälligkeiten aufwiesen und der Patient sich subjektiv beschwerdegebessert zeigte, wurde er ohne weitere Medikation entlassen. In privatärztlichen Attesten einer allgemeinmedizinischen Praxis vom 7. Februar 2013 und 29. Januar 2014 werden als Diagnosen Oberbauschschmerzen bei rezidivierender Gastritis, Lws-Syndrom, Coxalgie, Vitamin-D-Mangel und Mangelernährung bei Appetitlosigkeit aufgezählt. Der Patient sei auf regelmäßige medizinische Behandlung und Medikamente angewiesen. Eine Abschiebung nach Italien wäre mit einem hohen Risiko der Verschlechterung des Gesundheitszustandes verbunden.

8

Mit Bescheid vom 13. Februar 2013 erklärte die Beklagte den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a AsylVfG für unzulässig. Italien sei für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig und habe seine Zuständigkeit auch anerkannt. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, seien nicht ersichtlich. Insbesondere hinderten die vorgelegten Atteste eine Überstellung des Klägers nach Italien nicht, denn in Italien habe der Kläger wie jeder italienischer Staatsbürger Zugang zum dortigen Gesundheitssystem.

9

Am 19. Februar 2013 hat der Kläger Klage erhoben. Die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens sei auf die Beklagte übergegangen, da der Übernahmeantrag an Italien erst nach Ablauf der Frist des Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO gestellt worden sei. Im Übrigen dürfe der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht nach Italien überstellt werden, weil er sich in ständiger ärztlicher Behandlung befinde. Schließlich sei die Beklagte zur Prüfung des Antrags verpflichtet, weil in Italien systemische Mängel im Asylverfahren herrschten. Die Mindeststandards in Bezug auf Unterbringung, soziale und medizinische Versorgung würden erheblich unterschritten. Das gelte insbesondere für Sizilien, wohin der Kläger abgeschoben werden sollte. Ihm drohte daher nach seiner Rückführung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ohne Perspektive auf Arbeit oder Obdach.

10

Der Kläger hat beantragt,

11

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Februar 2013 zu verpflichten, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Verordnung (EG) 343/2003 Gebrauch zu machen,

12

hilfsweise,

13

die Beklagte zu verpflichten, über die Ausübung des vorgenannten Selbsteintrittsrechts erneut zu entscheiden.

14

Die Beklagte hat beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Sie weist darauf hin, dass Personen mit Schutzstatus hinsichtlich der Unterbringung und der medizinischen Versorgung die gleichen Rechte genössen wie italienische Staatsangehörige. Damit seien Unterkunft und Wohnung in eigener Verantwortung zu besorgen. Die entsprechenden Kosten seien selbst zu tragen. Nach Meldung bei dem „Servizio Sanitario Nazionale“ erhielten Personen mit Schutzstatus eine „Tessera Sanitaria“, mit deren Hilfe Zugang zu allen ärztlichen Leistungen erfolge. Die Kosten der Behandlungen würden vom italienischen Staat getragen. Nach Auskunft der deutschen Liaisonbeamtin des Bundesamtes in Rom sei die Gewährung dieser medizinischen Versorgung unabhängig von einem festen Wohnsitz. Alle Personen, die in Italien einen Schutzstatus erhielten, hätten das Recht zu arbeiten (guida practica per i titolari di protezione internazionale). Nach Auskunft der Liaisionbeamtin sei die Arbeitserlaubnis eigentlich an eine „residenza“, also einen festen Wohnsitz geknüpft. Viele Vereinigungen böten den betroffenen Personen aber ihre Adresse als Briefkastenadresse an. Schließlich habe der Kläger auch keine Krankheit substantiiert, die ihn reiseunfähig machen beziehungsweise besondere Lebens- oder Gesundheitsgefahren begründen würde.

17

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. Mai 2013 abgewiesen. Die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung des Asylantrags ergebe sich aus Art. 16 Abs. 2 Dublin-II-Verordnung, da Italien dem Kläger einen Aufenthaltstitel ausgestellt habe. Die Fristvorschriften des Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO begründeten keine subjektiven Rechte, so dass es auf deren Versäumung nicht ankomme. Zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts sei die Beklagte nicht verpflichtet. Es sei nach Auswertung der vorliegenden Auskünfte, Gutachten sowie Berichte und unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung weder zu befürchten, dass dem Kläger keine hinreichende soziale beziehungsweise medizinische Versorgung zugute käme, noch herrschten systemische Mängel im italienischen Asylverfahren, die befürchten ließen, dass dem Kläger in Italien eine menschenunwürdige Behandlung drohte.

18

Auf entsprechenden Antrag ließ der Senat die Berufung zu und untersagte der Beklagten mit Beschluss vom 19. Juni 2013, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Berufungsverfahrens aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchzuführen.

19

Der Kläger wiederholt und vertieft zur Begründung der Berufung seinen Vortrag aus dem Klageverfahren. Als Schutzberechtigtem stünde ihm weder Anspruch auf Unterkunft, noch auf staatliche Sozialleistungen zu. Er habe auch keinen Anspruch auf Integrationsmaßnahmen und könne allenfalls in ländlichen Gebieten zeitlich befristet und schlecht bezahlt als Erntehelfer arbeiten. Außerhalb von Rom habe er keine Möglichkeit, sich eine virtuelle Adresse geben zu lassen, so dass er vermutlich auch keinen Zugang zum Gesundheitssystem habe. In Not geratene italienische Staatsangehörige könnten in der Regel auf Hilfe durch die (Groß-) Familie hoffen. Diese Möglichkeit hätten Flüchtlinge nicht.

20

Der Kläger beantragt,

21

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Februar 2013 zu verpflichten, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Verordnung (EG) 343/2003 Gebrauch zu machen,

22

hilfsweise,

23

die Beklagte zu verpflichten, über die Ausübung des vorgenannten Selbsteintrittsrechts erneut zu entscheiden.

24

Die Beklagte beantragt,

25

die Berufung zurückzuweisen.

26

Sie macht sich im Wesentlichen eine Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern im vorliegenden Verfahren zu Eigen. Danach liegen außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, nicht vor. Italien erfülle seine Verpflichtung nach den Artikeln 20 bis 24 Genfer Flüchtlingskonvention, Flüchtlinge im Sozial- und Arbeitsrecht ebenso zu behandeln wie eigene Staatsangehörige. Eine Besserstellung von Asylbewerbern sei danach nicht vorgesehen. Aus dem Umstand, dass Italien kein ähnliches soziales Netz biete wie Deutschland und andere Mitgliedstaaten, könne nicht geschlossen werden, dass es sich von seiner Verpflichtung aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention gelöst habe. Die von dem Kläger zitierten Gutachten ergäben keine neuen Erkenntnisse, insbesondere kein belastbares Zahlenmaterial darüber, welcher Anteil der Schutzberechtigten für wie lange tatsächlich der Obdachlosigkeit anheimgefallen sei.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte, die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

28

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Er hat keinen Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland. Die Beklagte ist weder nach den allgemeinen Regeln zuständig (I), noch besteht ein Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts (II). Daher ist auch die Abschiebungsanordnung nach Italien rechtlich nicht zu beanstanden (III).

I.

29

Die Frage, welcher Staat für das Asylverfahren des Klägers zuständig ist, bestimmt sich vorliegend nach den Regeln der Dublin-II-Verordnung (1). Danach ist Italien der zuständige Mitgliedstaat (2). Die Zuständigkeit ist nachträglich weder nach der Vorschrift des Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO (3), noch nach der Vorschrift des Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO (4) auf die Beklagte übergegangen.

30

1. Im vorliegenden Fall kommt unbeschadet der Vorschrift des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG noch die Dublin-II-Verordnung und nicht die mittlerweile in Kraft getretene Nachfolgeverordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin-III-VO) zur Anwendung. Gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 49 Dublin-III-VO gilt diese nämlich erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme, die nach dem 1. Januar 2014 gestellt wurden. Vorliegend hat der Kläger seinen Asylantrag bei der Beklagten bereits im Jahr 2012 gestellt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien mit Schreiben vom 20. Dezember 2012 akzeptiert.

31

2. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien nach der Vorschrift des Art. 16 Abs. 2 Dublin-II-VO zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Danach fallen dem Mitgliedstaat die Pflichten zur Wiederaufnahme und abschließenden Prüfung eines Asylverfahrens zu, sofern er einem Antragsteller einen Aufenthaltstitel erteilt. Italien hat dem Kläger in Folge der Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter einen Aufenthaltstitel erteilt und diesen im Jahr 2012 nochmals verlängert.

32

3. Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens ist auch nicht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen. Nach dieser Vorschrift sind Aufnahmegesuche an andere Mitgliedstaaten spätestens innerhalb von drei Monaten nach Einreichung des Asylantrags zu stellen. Wird das Gesuch nicht innerhalb dieser Frist unterbreitet, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für die Prüfung zuständig.

33

Zum einen vermittelt diese Vorschrift dem Asylbewerber aber keine subjektiven Rechte, sondern dient als innerstaatliche Organisationsvorschrift in erster Linie der klaren und praktikablen Bestimmung der Zuständigkeit innerhalb der Mitgliedstaaten (vgl. hierzu die Erwägungsgründe 3 und 16 der Verordnung). Im Vordergrund steht daher das Interesse, die Zuständigkeit zeitnah festzustellen und den Asylantrag durch einzig den zuständigen Mitgliedstaat prüfen zu lassen, nicht aber, die Prüfung einem ganz bestimmten Mitgliedstaat zuzusprechen, in dem der Antragsteller einen (weiteren) Asylantrag gestellt hat.

34

Zum anderen ist die Vorschrift auf den vorliegenden Fall schon nicht anwendbar. Die Beklagte hat kein Aufnahmegesuch nach Art. 17, sondern ein Wiederaufnahmegesuch nach den Art. 16. Abs. 2, Abs. 1 lit. c), 20 Abs. 1 Dublin-II-VO gestellt. Für Wiederaufnahmegesuche sieht die Dublin-II-VO aber keine Frist vor.

35

4. Schließlich ist die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens auch nicht deshalb nach Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen, weil die Überstellung nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten erfolgt ist. Diese Frist beginnt gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. d) nämlich erst nach rechtskräftigem Abschluss eines Rechtsbehelfsverfahrens zu laufen, sofern diesem aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. EuGH, Urteil vom 29.01.2009 – C 19/08 –, Juris-Rn. 44 ff.; OVG Niedersachen, Urteil vom 04.07.2012 – 2 LB 163/10 – Juris-Rn. 36 m.w.Nw.). Vorliegend hatte der Senat noch vor Ablauf der Frist der Beklagten untersagt, den Kläger nach Italien abzuschieben.

II.

36

Es besteht auch kein Anspruch des Klägers auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO.

37

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die mittlerweile ihren Niederschlag in Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO gefunden hat, kann ein Mitgliedstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet sein, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtscharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten haben bei der Ausübung ihres Ermessens diese Grundsätze daher zu beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011-0000, Rn. 68 ff.).

38

Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen (sogenanntes Prinzip gegenseitigen Vertrauens beziehungsweise normativer Vergewisserung, vgl. grundlegend BVerfG, Urteil vom 15.05.1996, 2 BvR 1938/93, Juris-Rn. 179 ff.). Es gilt daher die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht. Diese Vermutung ist jedoch nicht unwiderleglich. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass das System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.

39

Allerdings berührt nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat das in der Dublin-II- bzw. Dublin-III-Verordnung niedergelegte Zuständigkeitssystem. Der Europäische Gerichtshof macht deutlich, dass nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel steht (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs deshalb nur dann auszusetzen, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Grundrechtecharta ausgesetzt zu sein (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 bis Rn. 106).

40

Anhaltspunkte dafür, wann eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung anzunehmen ist, lassen sich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK entnehmen, der mit Art. 4 der Europäischen Grundrechtecharta übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21. Januar 2011 hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden (Urteil vom 21.01.2011, M.S.S. gegen Belgien und Griechenland, Beschwerde-Nr. 30696/09, Rn. 226 und Rn. 254 ff.).

41

Der Senat kommt nach Auswertung der vorliegenden Gutachten, Auskünfte und Berichte und unter Würdigung des Vortrags des Klägers zu dem Ergebnis, dass das italienische Asylsystem nicht an systemischen Mängeln leidet, auf Grund derer dem Antragstellers nach seiner Rückführung eine menschenunwürdige Behandlung droht (ebenso OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, OVG Nds, Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - und vom 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - und vom 24.06.2013 - OVG 7 S 58.13 -; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 -; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 -; VG Ansbach, Beschluss vom 18.09.2013 - An 2 K 13.30675 -; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me -; VG Lüneburg, Urteil vom 04.06.2013 - 6 A 176/11 - (n.V.); VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 -; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A -; VG Osnabrück, Urteil vom 02.04.2012 - 5 A 309/11 - (n.V.) a.A. OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A -; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A -; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As -; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. -; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A -; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A, soweit veröffentlicht zitiert nach Juris).

42

Italien verfügt über ein planvolles und ausdifferenziertes Asylsystem (a). Dieses System leidet zwar an Mängeln (b), nicht aber an systemischen Mängel (c). Das gilt auch für Personen mit Schutzstatus (d).

43

(a) Zunächst ist festzuhalten, dass Italien über ein planvolles und ausdifferenziertes Aufnahmesystem für Asylbewerber verfügt, das in zwei Phasen gegliedert ist. Nach Stellung des Asylantrags ist die Unterbringung in Aufnahmezentren für Asylsuchende, den sogenannten CARA (Centri di Accoglienza per Richiedenti Asilo) vorgesehen. Die maximale Aufenthaltsdauer dort soll grundsätzlich 35 Tage betragen. Daneben gibt es noch Aufnahmeeinrichtungen für Migranten, die keine Asylsuchenden sind, die so genannten CDA (Centri di Accoglienza). Diese werden in der Praxis ebenfalls für die Erstaufnahme von Asylsuchenden verwendet. In der zweiten Phase sollen die Antragsteller in einer Einrichtung des Aufnahmesystems SPRAR (Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugiati) untergebracht werden. Dabei handelt es sich um ein Netzwerk von Unterkünften, das auf einer Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium, den Gemeinden und verschiedenen NGOs basiert. Die SPRAR-Projekte umfassen nicht nur eine Wohnmöglichkeit, sondern ein individualisiertes Integrationsprojekt mit Sprachkursen, Berufsbildung und Unterstützung bei der Arbeitssuche. Die Aufenthaltsdauer im einem SPRAR beträgt normalerweise 6 Monate und kann bis zu einem Jahr verlängert werden (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.).

44

Endet das Asylverfahren mit der Zuerkennung eines Schutzstatus, werden den Schutzsuchenden Aufenthaltsberechtigungen („permessi die soggiorno“) ausgestellt. Danach genießen sie in Italien formal dieselben Rechte wie italienische Staatsangehörige. Sie haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und kostenfreien Zugang zu allen öffentlichen medizinischen Leistungen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an VG Freiburg vom 11.07.2012). In den Erstaufnahmeeinrichtungen werden sie nicht mehr aufgenommen. In Einrichtungen des SPRAR können sie Unterkunft finden, sofern sie die vorgesehene maximale Aufenthaltsdauer noch nicht ausgeschöpft haben und ein Platz frei ist (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 und S. 25; borderline-europe e.V., Gutachten zum Beweisbeschluss des VG Braunschweig vom 28.09.2012, S. 50).

45

(b) In der Praxis litt - und leidet - das italienische Aufnahmesystem an Mängeln. Die Berichtslage zeigt übereinstimmen, dass es insbesondere auf die sehr hohen Antragszahlen in den Jahren 2008 und 2011 nicht ausreichend vorbereitet war (Bethke & Bender, Zur Situation von Flüchtlingen in Italien - Bericht über die Recherchereise nach Rom und Turin im Oktober 2010 -; Schweizer Flüchtlingshilfe/Juss-Buss: Situation von Asylsuchenden, Flüchtlingen und „Dublin-Rückkehrern“, Bericht vom Mai 2011; borderline-europe/Judith Gleitze: Zur Lage von Asylsuchenden und „Dublin-Rückkehrern“, Stellungnahme vom Dezember 2012; Auskunft des Auswärtigen Amtes an VG Darmstadt vom 29.11.2011 und an VG Braunschweig vom 09.12.2011). In der Folge verlängerten sich die Verfahrenszeiten deutlich über die vorgesehenen Fristen hinaus. Die zeitliche Lücke zwischen der Stellung des Asylantrags und dessen formeller Registrierung (verbalizzazione) führte zu der Gefahr der Obdachlosigkeit, da in der Praxis Zugang zu den Erstaufnahmeeinrichtungen erst ab dem Zeitpunkt der Registrierung gewährt wurde (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 12). Zudem waren die Aufnahmekapazitäten der staatlicherseits zur Verfügung gestellten Plätze überlastet. Für Personen mit Schutzstatus bedeutete dies, dass sie Schwierigkeiten hatten, im SPRAR-Aufnahmesystem unterzukommen, auch wenn sie die maximale Verweildauer noch nicht ausgeschöpft hatten. Hinzu kam die wirtschaftliche schwierige Lage, in der sich auch Italien nach der Wirtschaftskrise befand und noch befindet. Nach den Informationen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe lebt vor allem in Rom eine ganz erhebliche Zahl von Asylbewerbern und Personen mit Schutzstatus (die Schätzungen sprechen von 1.200 bis 1.700) in Slums oder besetzten Häusern (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, a.a.O., S. 36).

46

(c) Diese Mängel begründen aber keine systemischen Mängel im oben dargestellten Sinne. Dabei versteht der Senat unter systemischen Mängeln solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar betroffen sind oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem faktisch in weiten Teilen funktionsunfähig wird. Nach Auswertung der vorliegenden Auskünfte kommt der Senat zu der Überzeugung, dass die systembedingten Missstände von den italienischen Behörden angegangen werden und sich die Situation deshalb verbessert hat und aller Voraussicht nach weiter verbessern wird. Außerdem ist festzustellen, dass die Zustände punktuell, aber nicht flächendeckend unzureichend sind, so dass nicht davon gesprochen werden kann, dass das Asyl- und Aufnahmesystem faktisch außer Kraft gesetzt ist.

47

Ein im System angelegter Mangel ist die Tatsache, dass der Zugang zum Erstaufnahmesystem offensichtlich von der Registrierung (verbalizzazione) abhängt und dies bei einer Verzögerung des Verfahrens zur Obdachlosigkeit führen kann. Allerdings hat das italienische Innenministerium in der ersten Jahreshälfte 2013 eine Weisung herausgegeben, wonach die Registrierung zeitlich mit der Asylgesuchstellung zusammenfallen soll (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 12). Auch die Überlastung des Aufnahmesystems nimmt Italien nicht tatenlos hin. Auf die hohen Asylbewerberzahlen im Jahr 2011 reagierte das Land zunächst mit einem Notstandskonzept, bei dem unter Führung des Zivilschutzes (Protezione Civile) Aufnahmestrukturen in der Größenordnung von 26.000 Plätzen bereitgestellt wurden (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; UNHCR an VG Braunschweig, S. 3; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 9). Daneben wurden und werden die Plätze, die im SPRAR-Projekt zur Verfügung stehen, in erheblichem Umfang aufgestockt (siehe zur Bedeutung dieser Plätze für das Aufnahmesystem den Report von Nils Muižnieks, Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, 18.09.2012, Abs. 152). Standen ursprünglich 3.000 Plätze zur Verfügung, waren es Anfang Juni 2013 bereits 4.800 Plätze, wobei hierzu auch bereits vorhandene Unterkunftsplätze gezählt wurden, die um die im SPRAR-System vorgesehen Integrationsleistungen ergänzt wurden. Aufgrund eines im September 2013 erlassenen Dekrets des Innenministeriums soll die Kapazität im Zeitraum 2014 bis 2016 nochmals auf insgesamt 16.000 Plätze erhöht werden (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 22). Außerdem wurde ein neues Informatiksystem „Vestanet“ eingeführt, das ebenfalls zu einer Verbesserung des Verfahrens beitragen soll (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 12). In seiner Antwort an das Verwaltungsgericht Braunschweig vom 24. April 2012 hat der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen ausdrücklich anerkannt, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des Aufnahmesystems stattgefunden haben. Gleiches gilt für die Auskunft des Auswärtige Amtes vom 21. Januar 2013 an das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt.

48

Der Senat geht außerdem davon aus, dass die aufgezeigten Missstände in bestimmten Städten und Regionen auftreten, die Funktionsfähigkeit des Asyl- und Aufnahmesystems aber nicht insgesamt in Frage stellen. Es liegt in der Natur der Sache, dass Aufklärungsreisen die Problemschwerpunkte in den Blick nehmen (so ausdrücklich der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe mit Schwerpunkt Rom und Mailand, S. 1; in der Sache nicht anders der Bericht von Maria Bethke & Dominik Bender mit Schwerpunkt Rom und Turin; Gutachten von borderline-europe e.V. mit Schwerpunkt Rom und Sizilien). Diese Situationen sind aber nicht ohne Weiteres verallgemeinerbar. So geht der UNHCR, dessen Dokumente bei der Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften von besonderer Relevanz sind (vgl. EuGH, Urteil vom 30.05.2013 - C-528/11 - Rn. 44), in seiner Antwort an das Verwaltungsgericht Braunschweig davon aus, dass die CARA, CDA und SPRAR-Projekte in der Lage sind, dem Aufnahmebedarf einer signifikanten Anzahl an Asylsuchenden nachzukommen (UNHCR an VG Braunschweig vom 24. April 2012, S. 3). Anders als im Falle Griechenlands oder jüngst Bulgariens (UNHCR Briefing Notes vom 03.01.2014) hat der UNHCR bislang in keiner seiner Stellungnahmen eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten ausgesprochen, Überstellungen nach Italien nicht mehr vorzunehmen (siehe zuletzt UNHCR, Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy, July 2013). Auch die Auskünfte des Auswärtigen Amtes sprechen gegen die Annahme eines systemischen Mangels des italienischen Asylsystems. Sie basieren auf laufenden Gesprächen der Botschaft Rom mit dem italienischen Flüchtlingsrat CIR und UNHCR in Rom, grenzpolizeilicher Verbindungsbeamter der Bundespolizei im italienischen Innenministerium, Präsentationen des italienischen Innenministeriums und des statistischen Landesamtes ISTAT, Kontakten zu nichtstaatlichen karitativen Organisationen sowie Informationen des SPRAR und sind daher geeignet, einen Überblick über die Situation im Land zu geben. Nach der Auskunft an das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt konnten seinerzeit (Januar 2013) alle Asylbewerber und Flüchtlinge in öffentlichen Zentren untergebracht werden. Gegebenenfalls gebe es lokale und regionale Überbelegungen, italienweit seien aber genügen Plätze vorhanden. Insbesondere in Norditalien seien die Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Zusätzlich zu den staatlichen/öffentlichen Einrichtungen gebe es kommunale und karitative Einrichtungen, so dass meist ein Unterbringungsplatz in der Nähe gefunden werden könne. Es sei nicht davon auszugehen, dass Personen, die in den staatlichen Aufnahmeeinrichtungen und staatlichen Unterkünften keinen Platz fänden, regelmäßig oder überwiegend obdachlos auf der Straße oder in Elendsquartieren leben müssten.

49

(d) Mit Blick auf den hier vorliegenden Fall ist weiter festzuhalten, dass sich aus der Auskunftslage auch keine systemischen Mängel für Personen ergeben, denen bereits ein Schutzstatus zugesprochen wurde. Die mit der Anerkennung verbundene Erteilung eines Aufenthaltsrechts (permession di soggiorno) bedeutet in der Praxis, dass sich die Personen mit Schutzstatus grundsätzlich selbst um eine Unterkunft und eine Arbeit kümmern müssen. Sie können nicht mehr in CARA unterkommen, da diese nur Asylbewerbern offenstehen. Sie können sich aber für Plätze im SPRAR-System bewerben, sofern sie die maximale Verweildauer noch nicht überschritten haben. Tatsächlich wird eine große Zahl der Plätze im SPRAR-System von Personen mit Schutzstatus belegt. Allerdings bestehen zum Teil lange Wartezeiten (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 22). Hier dürfte die geplante Ausweitung der SPRAR-Plätze eine deutliche Entlastung bringen. Daneben bieten die Gemeinden Unterkünfte an. Jedenfalls in Rom betrug die durchschnittliche Wartezeit auf einen solchen Platz allerdings drei Monate und in Mailand einen bis drei Monate (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 27 und S. 30). Schließlich können sich Personen mit Schutzstatus, die keine Unterkunft finden, an kirchliche Organisationen und Nichtregierungsorganisationen wie die Caritas oder das Consiglio Italiano per i Rifugiati wenden (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.01.2013 an das OVG des Landes Sachsen-Anhalt). Verlässliche Zahlen, wie viele Schutzberechtigte von keiner dieser Möglichkeiten Gebrauch machen können und letztlich obdachlos werden, fehlen. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes ist im Regelfall oder gar überwiegend aber nicht davon auszugehen, dass Flüchtlinge in Italien beziehungsweise Rückkehrer nach der Dublin-II-Verordnung dort unter Verhältnissen leben müssen, welche man gemeinhin als „Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums (Betteln, Leben auf der Straße etc.)“ bezeichnen könne. Hierbei handle es sich eher um Einzelfälle (Auswärtiges Amtes an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).

50

In Italien gibt es auch für italienische Staatsangehörige kein national garantiertes Recht auf Fürsorgeleistungen zur Lebensunterhaltssicherung vor dem 65. Lebensjahr. Die Zuständigkeit für die Festsetzung von Sozialhilfeleistungen liegt grundsätzlich im Kompetenzbereich der Regionen. In bestimmten Regionen wird die Höhe des Sozialgeldes durch die Kommune festgesetzt. Öffentliche Fürsorgeleistungen weisen daher deutliche Unterschiede je nach regionaler und kommunaler Finanzkraft auf (Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern im vorliegenden Fall; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 48).

51

Auch wenn sich die Situation damit deutlich schlechter und unsicherer darstellt als in der Bundesrepublik Deutschland, begründet dies für sich genommen keinen systemischen Mangel. Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat ausdrücklich festgehalten, dass Art. 3 EMRK die Vertragsparteien nicht verpflichte, jede Person innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs mit einem Obdach zu versorgen. Die Norm enthalte auch keine allgemeine Pflicht, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu bieten, um ihnen einen bestimmen Lebensstandard zu bieten. Ausländer, die von einer Ausweisung betroffen seien, gewähre die Konvention grundsätzlich keinen Anspruch mit dem Ziel, im Hoheitsgebiet des Vertragsstaates zu verbleiben, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren, die vom ausweisenden Staat zur Verfügung gestellt werde. Wenn keine außergewöhnlichen zwingenden humanitären Gründe vorlägen, die gegen eine Ausweisung sprächen, sei allein die Tatsache, dass die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse des Antragstellers bedeutend geschmälert würden, falls er oder sie ausgewiesen würde, nicht ausreichend, einen Verstoß gegen Art. 3 EMR zu begründen (Beschluss vom 02.04.2013, Mohammed Hussein u.a. gegen Niederlande und Italien, a.a.O. Rn. 70 f.).

52

Keine systematischen Mängel bestehen schließlich auch im Hinblick auf den Zugang zum Gesundheitssystem. Personen mit Schutzstatus sind in Fragen der Gesundheitsversorgung den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt. Die Anmeldung beim Nationalen Gesundheitsdienst ermöglicht die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Behandlung bei einem praktischen Arzt, Kinderarzt, in Ambulanzen und zur Aufnahme in ein Krankenhaus berechtigt. Hierzu benötigen Schutzberechtigte den Aufenthaltstitel, die Steuernummer sowie eine feste Adresse. Personen ohne festen Wohnsitz können sich zumindest in Rom unter Sammeladressen karitativer Einrichtungen melden, die von den Behörden akzeptiert werden. Eine aktuelle Vereinbarung zwischen der italienischen Zentralregierung und den Regionen garantiert die Not- und Grundversorgung auch von Personen, die sich illegal im Land aufhalten. Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei (Auswärtiges Amt an OVG des Landes Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).

53

(e) Die Einschätzung, dass das italienische Asylsystem nicht an systemischen Mängeln leidet, wird durch die jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs für Menschenrechte bestätigt. In seinem Beschluss vom 2. April 2013 hat er die Überstellung der dortigen Beschwerdeführerin, der - wie dem Kläger - in Italien bereits ein Schutzstatus zugesprochen worden war, mit Art. 3 EMRK für vereinbar gehalten. Dabei hat er - neben der konkreten Situation der Antragstellerin - eine Vielzahl von Stellungnahmen sowie Berichten von Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen über die generelle Situation in Italien ausgewertet. Er kommt nach ausführlicher Würdigung der festzustellenden Mängel - und keineswegs nur unter Bezug auf den ihm vorgelegten konkreten Sachverhalt - zu dem Schluss, dass die allgemeine Situation und die Lebensbedingungen in Italien für Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge und Ausländer, die aus Gründen des internationalen Schutzes oder zu humanitären Zwecken eine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben, kein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für Asylbewerber als Mitglieder einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe aufzeigen (Beschluss vom 02.04.2013, Mohammed Hussein u.a. gegen Niederlande und Italien, Rn. 70 ff., in Teilen übersetzt von Wischrath, ZAR 2013, 336, besprochen von Thym in ZAR 2013, 331; siehe auch Hailbronner, AuslR, Dezember 2013, § 34a Rn. 29 f.; ebenso Beschluss vom 18.06.2013, Halimi gegen Österreich und Italien, Rn. 68, in Teilen übersetzt von Wischrath, ZAR 2013, 338). Diese Einschätzung hat er jüngst nochmals ausdrücklich bestätigt (Beschluss vom 10.09.2013 - Nr. 2314/10 -, Hussein Diirshi u.a. gegen Niederlande und Italien, zitiert nach HUDOC).

54

(f) Es sind auch keine besonderen Umstände des Einzelfalles ersichtlich, die befürchten ließen, dass gerade dem Kläger in Italien eine mit Art. 4 der Grundrechtecharta nicht vereinbare Behandlung drohen würde. Er leidet insbesondere nicht an außerordentlich schweren oder seltenen Krankheiten, deren Behandlung in Italien nicht möglich erschiene. Nach seiner Schilderung bekam er in Italien in Notfallsituationen zumindest Schmerzmittel verabreicht. Die Probleme bei einer weiterführenden Behandlung resultierten offenbar daraus, dass er mangels festen Wohnsitzes keine Gesundheitskarte beantragt hat. Dem hätte der Kläger nach der Auskunftslage aber zumindest in Rom dadurch abhelfen können, dass er sich bei einer gemeinnützigen Organisation eine fiktive Meldeadresse hätte geben lassen. Aus den Angaben des Klägers lässt sich außerdem schließen, dass er noch keinen Platz im SPRAR-System beansprucht hat. Damit steht ihm nach seiner Rückkehr die Möglichkeit offen, sich für einen solchen Platz zu bewerben. Auf die von dem Kläger zuletzt aufgeworfene Frage, ob die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt vom 21. August 2013 zutrifft, nach der alle im Rahmen der Dublin-Verordnung zurückgeführten Personen von der Questura in eine Unterkunft verteilt werden, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Diese Auskunft dürfte sich auf Personen ohne Schutzstatus bezogen haben, die - wie oben dargestellt - ohnehin einem anderen Aufnahmeregime unterfallen.

III.

55

Die Abschiebungsanordnung ist nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen nach § 27a AsylVfG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies ist der Fall, nachdem Italien seine Zuständigkeit akzeptiert hat und der Abschiebung keine relevanten Hindernisgründe entgegenstehen.

IV.

56

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.

57

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

58

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen. Streitentscheidend ist vorliegend die Würdigung der tatsächlichen Umstände in Italien.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der 1985 geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Pakistan und gehört zu den Punjabi. Er verließ nach seinen Angaben Pakistan am 25.02.2012 und kam am 26.03.2012 nach Italien, wo er erkennungsdienstlich behandelt wurde. Am 03.06.2012 reiste er nach seinen Angaben auf dem Landweg über die Schweiz oder Frankreich nach Deutschland.
Am 18.06.2012 stellte er einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellte daraufhin am 18.10.2012 ein auf Art. 16 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien. Am 30.11.2012 erfolgte die Zustimmung Italiens zur Rücküberstellung des Klägers.
Mit Bescheid vom 03.12.2012 erklärte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag für unzulässig und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Ein Zustellungsnachweis befindet sich nicht bei den Akten; jedenfalls wurde der Bescheid mit einem Begleitschreiben vom 15.01.2013 zur Post gegeben. Die für den 31.01.2013 vorgesehene Überstellung nach Italien konnte nicht durchgeführt werden, da der Kläger nicht angetroffen wurde.
Am 28.01.2013 erhob der Kläger Klage und machte geltend, eine Abschiebung nach Italien sei nicht zulässig. Er habe in Italien gar keinen Asylantrag gestellt. Auch bestehe die Gefahr der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung in Italien. Die Beklagte hätte von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen.
Mit Beschluss vom 14.03.2013 (A 12 K 332/13) ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 03.12.2012 enthaltene Abschiebungsanordnung an und gab der Beklagten auf, dem Regierungspräsidium Karlsruhe die Anordnung der aufschiebenden Wirkung mitzuteilen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vom 17.06.2013 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 03.12.2012 auf und verpflichtete die Bundesrepublik Deutschland auf den ausdrücklichen Antrag des Klägers, sein Asylverfahren fortzuführen. Zur Begründung führte es aus: Zwar sei Italien der zuständige Mitgliedstaat. Allerdings leide das Asylsystem Italiens unter sog. systemischen Mängeln im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, sodass die Bundesrepublik von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müsse.
Auf den rechtzeitig gestellten Antrag der Beklagten ließ der Senat durch Beschluss vom 14.08.2013 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.
Am 05.09.2013 hat der Beklagte unter Stellung eines Antrags die Berufung begründet: Zunächst sei davon auszugehen, dass das Zuständigkeitsregime der Dublin-Verordnung keine subjektiven Rechte der Asylbewerber begründe. Im Übrigen gelte nach der Rechtsprechung des EuGH eine generelle Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention erfolge. Dass in Bezug auf Italien ernsthaft und erwiesenermaßen zu befürchten sei, dass systemische Mängel zwangsläufig mit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung der überstellten Asylbewerber einhergingen, könne nicht eingewandt werden. Nach den vorliegenden Quellen, insbesondere von UNHCR, seien derartige Befürchtungen nicht gerechtfertigt.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.06.2013 - A 12 K 331/13 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten verweist der Senat auf die gewechselten Schriftsätze. Dem Senat liegen die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

Gründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der 1985 geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Pakistan und gehört zu den Punjabi. Er verließ nach seinen Angaben Pakistan am 25.02.2012 und kam am 26.03.2012 nach Italien, wo er erkennungsdienstlich behandelt wurde. Am 03.06.2012 reiste er nach seinen Angaben auf dem Landweg über die Schweiz oder Frankreich nach Deutschland.
Am 18.06.2012 stellte er einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellte daraufhin am 18.10.2012 ein auf Art. 16 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien. Am 30.11.2012 erfolgte die Zustimmung Italiens zur Rücküberstellung des Klägers.
Mit Bescheid vom 03.12.2012 erklärte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag für unzulässig und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Ein Zustellungsnachweis befindet sich nicht bei den Akten; jedenfalls wurde der Bescheid mit einem Begleitschreiben vom 15.01.2013 zur Post gegeben. Die für den 31.01.2013 vorgesehene Überstellung nach Italien konnte nicht durchgeführt werden, da der Kläger nicht angetroffen wurde.
Am 28.01.2013 erhob der Kläger Klage und machte geltend, eine Abschiebung nach Italien sei nicht zulässig. Er habe in Italien gar keinen Asylantrag gestellt. Auch bestehe die Gefahr der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung in Italien. Die Beklagte hätte von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen.
Mit Beschluss vom 14.03.2013 (A 12 K 332/13) ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 03.12.2012 enthaltene Abschiebungsanordnung an und gab der Beklagten auf, dem Regierungspräsidium Karlsruhe die Anordnung der aufschiebenden Wirkung mitzuteilen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vom 17.06.2013 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 03.12.2012 auf und verpflichtete die Bundesrepublik Deutschland auf den ausdrücklichen Antrag des Klägers, sein Asylverfahren fortzuführen. Zur Begründung führte es aus: Zwar sei Italien der zuständige Mitgliedstaat. Allerdings leide das Asylsystem Italiens unter sog. systemischen Mängeln im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, sodass die Bundesrepublik von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müsse.
Auf den rechtzeitig gestellten Antrag der Beklagten ließ der Senat durch Beschluss vom 14.08.2013 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.
Am 05.09.2013 hat der Beklagte unter Stellung eines Antrags die Berufung begründet: Zunächst sei davon auszugehen, dass das Zuständigkeitsregime der Dublin-Verordnung keine subjektiven Rechte der Asylbewerber begründe. Im Übrigen gelte nach der Rechtsprechung des EuGH eine generelle Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention erfolge. Dass in Bezug auf Italien ernsthaft und erwiesenermaßen zu befürchten sei, dass systemische Mängel zwangsläufig mit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung der überstellten Asylbewerber einhergingen, könne nicht eingewandt werden. Nach den vorliegenden Quellen, insbesondere von UNHCR, seien derartige Befürchtungen nicht gerechtfertigt.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.06.2013 - A 12 K 331/13 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten verweist der Senat auf die gewechselten Schriftsätze. Dem Senat liegen die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

Gründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist am (…) 1947 in H. in Syrien geboren. Sie ist verheiratet, yezidischen Glaubens, kurdische Volkszugehörige und sie besitzt die syrische Staatsangehörigkeit. Nach eigenen Angaben reiste sie – zusammen mit ihrer Tochter (...) sowie drei weiteren Kindern – von Syrien kommend am 01. August 2011 zunächst nach Italien, wo sie erkennungsdienstlich behandelt wurde und am 21. August 2011 in B-Stadt einen Asylantrag stellte, und alsdann am 07. September 2011 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 12. September 2011 stellte sie bei der Außenstelle des Bundesamtes in H-Stadt einen (weiteren) Asylantrag.

2

Die Beklagte richtete unter dem 07. Februar 2012 an Italien ein Übernahmeersuchen gem. Art. 10 Dublin-II-VO (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 des Rates vom 10.02.2003). Mit Schreiben vom 16. Februar 2012 erklärten die italienischen Behörden ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags der Klägerin.

3

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte den Asylantrag der Klägerin mit Bescheid vom 13. Juni 2012 als unzulässig ab und ordnete ihre Abschiebung nach Italien an. Nach der Dublin-Verordnung sei Italien für die Bearbeitung ihres Asylantrags zuständig; außergewöhnliche humanitäre Gründe, welche die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach § 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch zu machen, seien nicht ersichtlich.

4

Die Klägerin hat am 29. Juni 2012 beim Verwaltungsgericht Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, sie könne wegen der allgemeinen Situation von Asylbewerbern in Italien nicht darauf verwiesen werden, in Italien ein Asylverfahren durchzuführen, weil davon auszugehen sei, dass das Asylverfahren dort nicht ordnungsgemäß durchgeführt würde. Sie besitze einen Anspruch auf Asyl und Flüchtlingsschutz sowie Abschiebungsschutz; hierüber sei durch das Bundesamt zu entscheiden.

5

Die Klägerin hat beantragt,

6

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13. Juni 2012 zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen und dass Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gegeben sind.

7

Die Beklagte hat beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Sie hat die Ansicht vertreten, Italien erfülle bei der Durchführung von Asylverfahren die Mindeststandards der Europäischen Union. In den italienischen Aufnahmeeinrichtungen seien zahlreiche humanitäre Organisationen tätig, die dies gewährleisten würden. Insbesondere hätten Asylbewerber in Italien vollen Zugang zum Gesundheitssystem. Anders als im Fall Griechenlands gebe es keine Empfehlung des UNHCR, Flüchtlinge nicht an Italien zu überstellen. Dementsprechend habe das Bundesverfassungsgericht auch Verfassungsbeschwerden gegen erstinstanzliche Entscheidungen, denen zufolge eine Abschiebung nach Italien möglich sei, nicht zur Entscheidung angenommen. Ferner sei eine Vielzahl erstinstanzlicher Entscheidungen ergangen, wonach die asylrechtlichen Mindeststandards in Italien gewährleistet seien und woraus sich ergebe, dass der Bericht von Bethke und Bender zu den Problemen der Flüchtlinge in Italien kritisch zu betrachten sei.

10

Auf den Antrag der Klägerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 07. März 2012 – 9 B 57/12 MD – die Beklagte im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Abschiebung der Klägerin nach Italien vorläufig bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu unterlassen.

11

Mit Gerichtsbescheid vom 10. Juli 2012 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13. Juni 2012 verpflichtet, über den Asylantrag der Klägerin in eigener Zuständigkeit zu entscheiden und ein Asylverfahren durchzuführen. Die Klägerin habe nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO einen Anspruch darauf, dass die Beklagte ein Asylverfahren in der Bundesrepublik Deutschland durchführe; das insoweit bestehende Ermessen der Beklagten sei auf Null reduziert. Der Klägerin könne die Durchführung eines Asylverfahrens in Italien nicht zugemutet werden.

12

Der Senat hat auf Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 10. Oktober 2012 die Berufung zugelassen. Zur Begründung der Berufung verweist die Beklagte im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Zulassungsantrag, wonach sie an ihrer bisherigen Auffassung festhält, die Klägerin könne in Anbetracht der in Italien gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse auf die Durchführung eines Asylverfahrens dort verwiesen werden.

13

Die Beklagte beantragt,

14

die Klage unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 9. Kammer - vom 10. Juli 2012 abzuweisen.

15

Die Klägerin beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Sie macht geltend, die Beklagte beziehe sich zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen auf bloße Vorschriften und eine nicht mehr aktuelle Rechtsprechung, während neue Berichte nicht zur Kenntnis genommen würden. Der Auffassung der Beklagten sei im Hinblick auf die humanitäre Situation in Italien entgegen zu halten, dass sich die Situation der Flüchtlinge in Italien aufgrund des anhaltenden Flüchtlingsstroms aus Tunesien und anderen nordafrikanischen Staaten dramatisch verschlechtert habe. Italien sei bereits zuvor mit der Aufnahme von Flüchtlingen und deren ordnungsgemäßer Unterbringung überfordert gewesen. Aufgrund des momentanen Flüchtlingsstroms nach Italien habe sich die Situation noch verschlechtert; es sei damit zu rechnen, dass der Klägerin bereits aus diesem Grunde ein ordnungsgemäßes Asylverfahren verwehrt werde und dass sie obdachlos würde. Im Übrigen dürfe nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs (Urteil v. 21.12.2011 - C-411/11, C-493/10 -) ein Asylbewerber bereits dann nicht an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin-II-VO überstellt werden, wenn ernsthafte Hinweise auf systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedsstaat vorlägen, die eine Gefährdung des Asylbewerbers nahe legen würden. Solche ernsthaften Hinweise lägen hier vor. Die vorliegenden Berichte und sonstigen Erkenntnismittel gingen davon aus, dass das staatliche Aufnahmesystem in Italien völlig überlastet sei. Es existierten 3.000 Plätze, die eine Aufnahme von Asylbewerbern für jeweils nur sechs Monate vorsehen würden. Im Jahre 2011 hätten indessen laut Presseberichterstattung (Spiegel online v. 26.04.2011) in Italien bis Anfang Mai bereits 26.000 Flüchtlinge um Schutz nachgesucht.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Vorbringen der Beteiligten und auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten (Beiakte A) sowie auf die vom Senat in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage der Klägerin mit Gerichtsbescheid vom 10. Juli 2012 zu Unrecht stattgegeben.

20

I. Die Klage ist teilweise unzulässig.

21

1. Die als Verpflichtungsklage erhobene Klage ist “lediglich“ als Anfechtungsklage zulässig. Gegen die in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13. Juni 2012 getroffene Entscheidung, dass der Asylantrag der Klägerin gem. § 27a AsylVfG (wegen fehlender Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland) unzulässig ist, ist allein die Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO statthaft (ebenso: VG Düsseldorf, Urt. v. 15.01. 2010 - 11 K 8136/09 -; VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009 - 7 K 4376/07.F.A u. a. - InfAuslR 2009,409; Urt. v. 29.09.2009 - 7 K 269/09.F.A -; Urt. v. 23.06. 2010 - 7 K 2789/09.F.A. -; VG Freiburg, Beschl. v. 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 -; VG München, Urt. v. 29.11.2011 - M 24 K 11.30219 -; VG Ansbach, Beschl. v. 08.11. 2011 - AN 11 S 11.30508 -; VG Wiesbaden, Urt. v. 17.06.2011 - 7 K 327/11.WI.A -; VG Braunschweig, Urt. v. 01.06.2010 - 1 A 47/10 -; VG Karlsruhe, Urt. v. 07.04.2010 - A 3 K 1580/09 -; VG Augsburg, Beschl. v. 01.02.2010 - Au 5 S 10.30014 -; Beschl. v. 29.09.2009 - 7 K 269.09 F.A. -; VG Neustadt, Urt. v. 16.06.2009 - 5 K 1166/08.NW -, alle: Juris; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, § 27a Rdnr. 18; a. A. statthaft nur die Verpflichtungsklage: OVG NRW, Urt. v. 10.05.2010 - 3 A 133/10.A - Juris; VG Wiesbaden, Urt. v. 10.03.2010 - 7 K 1389/ 09.WI.A -).

22

Im Fall der Aufhebung einer – wie hier – auf § 27a AsylVfG gestützten Entscheidung wegen Unzulässigkeit des Asylantrages ist der Weg für die Durchführung eines Asylverfahrens („in eigener Zuständigkeit“) vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auch ohne ein hierauf gerichtetes Verpflichtungsbegehren eröffnet. Denn das Bundesamt ist nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides bereits von Gesetzes wegen zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet (vgl. § 31 Abs. 2 AsylVfG zur Entscheidung des Bundesamtes über beachtliche Asylanträge). Da grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass die Beklagte ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachkommt, bedarf es demzufolge einer Verpflichtungsklage nicht (ebenso: VG Düsseldorf, Urt. v. 15.01.2010, a. a. O.; vgl. auch VG Frankfurt/Main, Urt. v. 29.09.2009, a. a. O.; Urt. v. 08.07.2009, a. a. O.).

23

Überdies muss bezweifelt werden, ob es sich bei der Entscheidung nach Art. 3 Abs. 2 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist – Dublin-II-VO – [z. T. auch „EG-AsylZustVO“ genannt] – (ABl. L 50 vom 25.02.2003, S. 1 -10) um einen (selbständigen) Verwaltungsakt handelt, so dass eine Verpflichtungsklage bzw. – unter Berücksichtigung des im Rahmen der genannten Vorschrift eingeräumten Ermessens – eine Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung in Betracht kommt, oder ob es sich bei der gem. § Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO zu treffende Entscheidung nicht um eine bloß inzidente handelt, da es allein um die Feststellung der Zuständigkeit der Beklagten geht.

24

Ebenso scheidet eine Verpflichtungsklage aus, die unmittelbar auf Anerkennung als Asylberechtigter gem. § 16a GG bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG oder aber - hilfsweise - auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gerichtet ist. Denn eine Verpflichtung für das Gericht, die Sache selbst spruchreif zu machen, besteht nur dann, wenn ein „mit seinem Asylantrag beim Bundesamt erfolglos gebliebener Ausländer“ den Klageweg beschreitet (BVerwG, Urt. v. 06.07.1998 - 9 C 45.97 - BVerwGE 107, 128 ff.). Hat hingegen das Bundesamt (noch) keine Sachentscheidung getroffen, so würde dem Betroffenen in dem Falle des “Durchentscheidens“ des Gerichts durch Verpflichtungs-urteil eine Tatsacheninstanz genommen, nämlich dass eine inhaltliche Überprüfung seines Asylbegehrens durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erfolgt (ebenso: VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009, a. a. O.; VG Schleswig, Urt. v. 03.08. 2011 - 1 A 46/11 - und Beschl. v. 12.09.2011 - 12 A 124/10 -; a. A. VG Braunschweig, Urt. v. 21.02.2013 - 2 A 126/11 - u. a. mit Verweis auf VGH Mannheim, Urt. v. 19.06.2012 - A 2 1355/11 -, Juris).

25

Im Übrigen verhält es sich bei der Entscheidung nach § 27a AsylVfG ähnlich wie in Fällen der Entscheidung des Gerichts über eine Einstellung des Asylverfahrens nach§ 32 AsylVfG wegen vermeintlicher Antragsrücknahme bzw. Verzicht nach § 14a Abs. 3 AsylVfG sowie in den Fällen der gerichtlichen Entscheidung bei fiktiver Antragsrücknahme nach§ 33 AsylVfG. In den genannten Fällen ist nach der hierzu ergangenen einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 07.03.1995 - 9 C 264.94 -, NVwZ 1996, S. 80 = Juris; vgl. auch Marx, AsylVfG, 7. Aufl. 2009, § 33 Rdnr. 34 ff. m. w. N.) die Verpflichtungsklage unzulässig, weil die verweigerte sachliche Prüfung des Asylantrages nach den Regelungen des Asylverfahrensgesetzes vorrangig von der Fachbehörde nachzuholen ist.

26

Auch ist im Hinblick auf die mit dem angefochtenen Bescheid angeordnete Abschiebung der Klägerin nach § 34a Abs. 1 AsylVfG die Verpflichtungsklage nicht veranlasst und stattdessen eine Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO ausreichend (vgl. VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009, a. a. O. und Urt. v. 29.09.2009, a. a. O.; s. auch Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 34a AsylVfG Rdnr. 6; Funke-Kaiser, a. a. O., § 34a Rdnr. 64). Soweit es nämlich darum geht, dass die Beklagte von einem Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO i. V. m. der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 02. September 2003 (Abl. L 222 S. 3) Gebrauch macht, bedarf es im Urteil über eine entsprechende inzidente Feststellung hinaus keiner ausdrücklichen Verpflichtung der Beklagten, von einer Abschiebung abzusehen.

27

Es ist vorliegend davon auszugehen, dass die Anfechtungsklage vom Verpflichtungsbegehren der Klägerin (mit-)umfasst ist. Gegenstand der Anfechtungsklage ist nach allem ausschließlich die Frage nach der Zuständigkeit der Beklagten zur Durchführung eines Asylverfahrens, wobei die Frage nach dem rechtlich gebotenen Selbsteintritt der Bundesrepublik Deutschland inzident zu beantworten ist.

28

2) Der Klägerin steht für ihre Klage auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse zur Seite, da sie weiterhin nach Italien zurückgeführt bzw. rücküberstellt werden könnte, nachdem die italienischen Behörden mit Schreiben vom 16. Februar 2012 (Bl. 115 d. Sachakte) ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung ihres Asylantrags erklärt haben, indem sie dem Übernahmeersuchen stattgegeben und damit ihrer Rücküberstellung zugestimmt haben.

29

II. Die Klage ist im Übrigen unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat den Asylantrag der Klägerin zu Recht als unzulässig abgelehnt und zugleich ihre Abschiebung nach Italien angeordnet. Es musste im vorliegenden Fall insbesondere auch nicht von der Möglichkeit des Selbsteintritts der Beklagten nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch machen.

30

1) Rechtsgrundlage des Bescheides vom 13. Juni 2012, mit dem das Bundesamt den Asylantrag der Klägerin als unzulässig abgelehnt hat, ist § 27a AsylVfG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies ist hier der Fall. Zu Recht ist die Beklagte im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, dass die Republik Italien für die Durchführung eines Asylverfahrens der Klägerin zuständig ist.

31

a) Die Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylverfahrens der Klägerin ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO, sofern nicht die nach Art. 5 Abs. 1 der genannten Verordnung vorrangig zu prüfenden Zuständigkeitskriterien nach Art. 6 bis 9 der Verordnung einschlägig sind.

32

Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig, sofern auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 18 Abs. 3 der Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel III derVerordnung (EG) Nr. 2725/2000, festgestellt wird, dass der Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze des Mitgliedstaats illegal überschritten hat (vgl. auch Art. 18 Abs. 4 und 5 Dublin-II-VO).

33

Dies bedeutet, dass – soweit nicht die Vorschriften nach Art. 6 bis 9 Dublin-II-VO einschlägig sind – im vorliegenden Fall Italien für die Prüfung des Asylantrags der Klägerin zuständig ist, da sie ihren eigenen Angaben zufolge aus Syrien kommend die Grenze nach Italien illegal überschritten hat (und dort – in B-Stadt – am 21. August 2011 zugleich einen Asylantrag gestellt hat [Bl. 108 ff. d. Sachakte]).

34

Die insoweit gegebene Zuständigkeit endet zwar gem. Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Die Klägerin hat jedoch am 12. September 2011 und damit noch vor Ablauf der Jahresfrist ihren Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt, so dass die Zuständigkeit Italiens nicht nach Satz 2 entfallen ist. Die Einreise der Klägerin nach Italien erfolgte am 07. September 2011; die Jahresfrist lief somit am 07. September 2012 ab. Dass die Frist nunmehr abgelaufen ist, ist unschädlich, weil für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates nach Art. 5 Abs. 2 Dublin-II-VO auf die Situation in dem Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

35

b) Im Falle der Klägerin sind auch die Voraussetzungen nach Art. 6 bis 9 Dublin-II-VO nicht erfüllt. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich Art. 7 der Verordnung, wonach – soweit die betroffenen Personen dies wünschen – der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig ist, wo ungeachtet dessen, ob die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat, der Asylbewerber einen Familienangehörigen hat, dem das Recht auf Aufenthalt in einem Mitgliedstaat in seiner Eigenschaft als Flüchtling gewährt wurde, sowie hinsichtlich Art. 8 der Verordnung, wonach – soweit die betroffenen Personen dies wünschen – dem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrages obliegt, in dem der Asylbewerber einen Familienangehörigen hat, über dessen Asylantrag noch keine erste Sachentscheidung getroffen wurde. Die genannten Vorschriften sind im Falle der Klägerin jedoch nicht einschlägig.

36

Es ist schon nicht ersichtlich, dass die nach Art. 7 und 8 der Verordnung genannten Voraussetzungen bei der Tochter der Klägerin, mit der sie zusammen in das Bundesgebiet eingereist ist, oder bei ihren in Deutschland lebenden volljährigen Kindern vorliegen. Dies kann aber auch dahin stehen. Denn jedenfalls gelten die genannten Personen nicht als „Familienangehörige“ i. S. d. Dublin-II-VO. Hierzu gehört nach Art. 1 Buchst. i) der Verordnung nur die Mitglieder der “Kernfamilie“, d. h. die Ehegatten des Asylbewerbers und unter bestimmten Voraussetzungen der nicht verheiratete Partner des Asylbewerbers, die minderjährigen Kinder der genannten Personen sowie bei unverheirateten minderjährigen Antragstellern oder Flüchtlingen der Vater, die Mutter oder der Vormund. Ein solches Verwandtschaftsverhältnis der Klägerin zu den mit einreisenden bzw. in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Kindern besteht jedoch nicht.

37

c) Ebenso sind bei der Klägerin die Voraussetzungen nach Art. 15 Abs. 1 und Abs. 2 Dublin-II-VO nicht erfüllt. Nach Art.15 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung kann jeder Mitgliedstaat aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, Familienmitglieder und andere abhängige Familienangehörige zusammenführen, auch wenn er dafür nach den Kriterien der Verordnung nicht zuständig ist. Dass die Klägerin vorliegend aus humanitären Gründen mit ihren Familienangehörigen zusammenzuführen ist und nicht auch auf ein eigenständiges Leben in Italien verwiesen werden kann, zumal ihre Kinder teilweise in Deutschland, teilweise in Österreich leben bzw. teilweise ihr Aufenthalt unbekannt ist, lässt sich nicht feststellen. Die Klägerin befindet sich in Begleitung ihrer volljährigen Tochter; beide sind reisefähig und nach Italien zu überstellen.

38

Ebenso sind die Voraussetzungen nach Art. 15 Abs. 2 Dublin-II-VO nicht erfüllt, wonach im Regelfall von einer Trennung der Familienangehörigen abzusehen bzw. eine Zusammenführung vorzunehmen ist, wenn die betroffene Person u. a. wegen einer schweren Krankheit, einer ernsthaften Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung durch die anderen Person(en) angewiesen ist. Diese Voraussetzungen liegen bei der 67-jährigen Klägerin nicht vor; entsprechendes ist jedenfalls nicht vorgetragen worden.

39

Eine andere Einschätzung ist auch nicht im Hinblick auf die einleitende Erwägung zu Nr. 6 Dublin-II-VO veranlasst, wonach die Einheit der Familie (grundsätzlich) gewahrt bleiben soll, soweit dies mit den sonstigen Zielen vereinbar ist, die mit den Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrages zuständigen Mitgliedstaats angestrebt werden. Nicht anders verhält es sich mit Blick auf die einleitende Erwägung nach Art. 7 Satz 2 Dublin-II-VO, wonach die Mitgliedstaaten von den Zuständigkeitskriterien abweichen können, um eine räumliche Annäherung von den Familienmitgliedern vorzunehmen, soweit dies aus humanitären Gründen erforderlich ist. Bei den genannten Regelungen handelt es sich indes um bloße programmatische Vorgaben, aus denen sich, unabhängig davon, dass die Voraussetzungen hier nicht vorliegen dürften, für die Asylbewerber keine unmittelbaren Rechte ableiten lassen.

40

d) Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens ist auch nicht gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen. Zwar hat das Bundesamt nicht innerhalb von drei Monaten nach Stellung des Asylantrags der Klägerin vom 12. September 2011 ein Wiederaufnahme- bzw. Übernahmeersuchen an die Republik Italien gestellt; das war indes auch nicht erforderlich. Da die Klägerin bereits in Italien einen Asylantrag gestellt hat, steht in ihrem Fall eine Wiederaufnahme durch Italien im Sinne des Art. 16 Abs.1 c) bis e) Dublin-II-VO in Rede, nicht hingegen eine Aufnahme seitens Italiens im Sinne des Art. 16 Abs.1 a) Dublin-II-VO. Die Dublin-II-VO unterscheidet insoweit gem. Art.16 Abs.1 lit. a) einerseits und Art. 16 Abs. 1 lit. c) bis e) andererseits zwischen der Überstellung des Asylsuchenden in einem Aufnahmeverfahren gemäß den Art. 17 bis 19 Dublin-II-VO und einer Überstellung im Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 20 Dublin-II-VO. Das Aufnahmeverfahren findet statt, wenn der Asylsuchende im ersuchten Mitgliedstaat noch keinen Asylantrag gestellt hat, während das Wiederaufnahmeverfahren einschlägig ist, wenn dort bereits ein Asylantrag gestellt wurde. Insofern wird der Anwendungsbereich der nachfolgenden Art. 17 bis 20 Dublin-II-VO durch Art. 16 Dublin-II-VO bestimmt.

41

Aus der systematischen Trennung zwischen Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren folgt, dass im Wiederaufnahmeverfahren keine Frist für das Übernahmeersuchen gilt, denn die insofern allein maßgebliche Regelung des Art. 20 Dublin-II-VO normiert weder selbst eine solche Frist, noch nimmt sie auf die für das Aufnahmeverfahren geltende Regelung in Art. 17 Abs.1 Dublin-II-VO Bezug. Es verhält sich gerade nicht in der Weise, dass Art. 20 Dublin-II-VO nur spezielle Modalitäten für die Wiederaufnahme regelt und im Übrigen die Regelungen der Art. 17 bis 19 Dublin-II-VO anwendbar wären. Vielmehr handelt es sich bei den Art. 17 bis 19 Dublin-II-VO einerseits und dem Art. 20 Dublin-II-VO andererseits um jeweils eigenständige Regelungskomplexe (vgl. VG Düsseldorf, Beschl. v. 06.02.2013 - 17 L 150/13.A -; Beschl. v. 26.04.2013 - 17 K 1777/12.A -; VG Hamburg, Beschl. v. 22.09.2005 - 13 AE 555/05 -; VG Augsburg, Gerichtsbescheid v. 09.05.2011 - Au 3 K 10.30468 - Juris; VG Regensburg, Beschl. v. 05.07.2013 - RN 5 S 13.30273 -; VG Göttingen, Beschl. v. 11.10.2013 - 2 B 805/13 -; a.A.: VG Düsseldorf, Beschl. v. 07.08. 2012 - 22 L 1158/12.A -, alle: Juris).

42

Art. 17 Abs.1 Satz 2 Dublin-II-VO, wonach der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, zuständig wird, wenn das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten unterbreitet wird, findet im Fall der Klägerin folglich keine Anwendung, so dass sich hieraus auch keine Zuständigkeit der Beklagten ergibt. Dementsprechend haben die italienischen Behörden mit Schreiben vom 16. Februar 2012 (Bl. 115 R, 116 d. Sachakte) auch ihre Zustimmung zur Wiederaufnahme bzw. Übernahme der Klägerin erteilt.

43

e) Ferner ist die Zuständigkeit nicht nach Art. 19 Abs. 3 und 4 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen. Nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO erfolgt die Überstellung des Schutzsuchenden von dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, in den zuständigen Mitgliedstaat gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des ersteren Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin-II-VO i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) Dublin-II-VO auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Dabei ist unerheblich, dass die Entscheidung der Beklagten nach Art. 19 Abs. 2 Satz 4 der Verordnung grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung hat; allein entscheidend ist, dass ihr eine solche durch eine entsprechende gerichtliche Entscheidung zuerkannt worden ist (vgl. Hess.VGH, Beschl. v. 23.08.2011 - 2 A 1863/10.Z.A -; Nds.OVG, Beschl. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -; VG Freiburg, Beschl. v. 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 -; offengelassen: OVG NRW, Beschl. v. 01.03.2012 - 1 B 234/12.A -, alle: Juris).

44

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 02. August 2012 - 4 MC 133/12 - (< Rn. 17 zitiert nach Juris >) zu § 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO und zu dem in Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Dublin-II-VO grundsätzlich vorgesehenen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ausgeführt:

45

„Der Annahme der aufschiebenden Wirkung des hier eingelegten Rechtsbehelfs steht auch nicht die Vorschrift des Art. 19 Abs. 2 Satz 4 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 entgegen. Danach hat ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nach Absatz 1 keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung, es sei denn, die Gerichte oder zuständigen Stellen entscheiden im Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts anders, wenn es nach ihrem inner-staatlichen Recht zulässig ist. Zwar darf nach § 34a Abs. 2 AsylVfG die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) nicht nach§ 80oder § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung ausgesetzt werden. Hieraus folgt jedoch nicht, dass durch diese Vorschrift eine andere Entscheidung im Sinne von Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Hs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts ausgeschlossen ist und daher ein Rechtsbehelf wegen § 34a Abs. 2 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung im Sinne des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 haben kann. Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr ausdrücklich entschieden, dass der Ausschluss des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 34a Abs. 2 AsylVfG in den Fällen, in denen die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) erfolgen soll, in Ausnahmefällen, die nicht vom „normativen Vergewisserungskonzept“ des Gesetzgebers über die Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention in einem sog. sicheren Drittstaat erfasst sind, der Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz gegen eine sofortige Überstellung nicht entgegensteht (BVerfG, Urt. v. 14.5. 1996, a. a. O.). Diese Rechtsprechung wird - soweit ersichtlich - von den Verwaltungsgerichten auf die Abschiebung in einen anderen Staat, der nach § 27a AsylVfG für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, mit der Begründung übertragen, dass die vom Bundesverfassungsgericht angestellten Erwägungen zu § 26a AsylVfG auch auf die Vorschrift des§ 27a AsylVfG zutreffen, weil die nach europäischen Recht für die Asylentscheidung zuständigen Mitgliedstaaten zugleich sichere Drittstaaten im Sinne von § 26a AsylVfG sind (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 1.3.2012 - 1 B 234/12.A - und v. 11.10. 2011 - 14 B 1011/11.A -; ferner Nds. OVG, Beschl. v. 2.5.2012 - 13 MC 22/22 - und Hess. VGH, Beschl. v. 23.8.2011 - 2 A 1863/10.Z.A.-). Unter diesen Umständen kann daher keine Rede davon sein, dass es nach der innerstaatlichen Rechtslage in Deutschland unzulässig sei, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine Überstellung auf der Grundlage der Zuständigkeitsbestimmungen in der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 anzuordnen. Unabhängig davon stellt die für den Fristenbeginn der Überstellung maßgebliche Vorschrift des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 nach ihrem Wortlaut auch ausdrücklich darauf ab, dass einem eingelegten Rechtsbehelf tatsächlich aufschiebende Wirkung zukommt und nicht darauf, ob es nach dem innerstaatlichen Recht zulässig ist, die aufschiebende Wirkung anzuordnen (vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 23.8.2011 - 2 A 1863/10.Z.A.-).

46

Läuft danach die Frist zur Überstellung aufgrund des von dem Antragsteller eingelegten Rechtsbehelfs erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens bezüglich der Durchführung der Überstellung entschieden wird und die der Durchführung nicht mehr entgegenstehen kann, kann dahinstehen, ob insoweit das Vorliegen einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache für den Fristenbeginn bereits ausreichend ist oder es darüber hinaus der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung bedarf (so Hess. VGH, Beschl. v. 23.8.2011 - 2 A 1863/10.Z.A.“

47

Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an und macht sie sich zu Eigen.

48

Da die Klägerin – nach Erlass des angefochtenen Bescheides vom 13. Juni 2012 – gegen ihre Überstellung innerhalb der Frist, bis zu der gem. Art. 19 Abs. 4 Satz 2 Dublin-II-VO ihre Überstellung nach Italien vorbehaltlich eventuell zu treffender weiterer Maßnahmen erfolgen konnte, einen Rechtsbehelf gegen ihre Überstellung eingelegt hat, dem mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom Beschluss vom 07. März 2012 - 9 B 56/12 MD - aufschiebende Wirkung beigemessen worden ist, beginnt nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO eine (neue) sechsmonatige Frist zur Überstellung der Klägerin (erst) ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Klage. Diese Frist ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats noch nicht abgelaufen, denn der Senat hat dem Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 10. Oktober 2012 entsprochen. Nach allem kann hier dahingestellt bleiben, ob im Grundsatz das Vorliegen einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache für den Fristenbeginn hinsichtlich der Überstellung bereits ausreichend ist oder ob es darüber hinaus der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung bedarf, da die Klägerin jedenfalls erstinstanzlich obsiegt hat.

49

2) Die Beklagte ist für die Prüfung des Asylantrags der Klägerin auch nicht gem. Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO zuständig, denn die Bundesrepublik Deutschland ist nicht verpflichtet, das Selbsteintrittsrecht auszuüben.

50

Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO kann jeder Mitgliedstaat abweichend von den Zuständigkeitskriterien des Kapitels III der Verordnung einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch gem. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-II-VO zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Gegebenenfalls unterrichtet er den zuvor zuständigen Mitgliedstaat über den Selbsteintritt (a. a. O. Satz 3). Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht dabei grundsätzlich in seinem Ermessen, welches – weil integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen Europäischen Asylsystems (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/ 10 und C-493/10 -, ) – in Übereinstimmung mit den insoweit geltenden unionsrechtlichen Bestimmungen und von den Mitgliedstaaten verfolgten Zielen auszuüben ist.

51

Art. 3 Dublin-II-VO ist auch geeignet, subjektive Rechte der Klägerin zu begründen, die von ihr gegen eine vorgesehene Überstellung (Rückführung) in den nach dieser Verordnung für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat geltend gemacht werden können (vgl. dazu den Vorlagebeschluss des Hess.VGH v. 22.12.2010 - 6 A 2717/09.A -; Nds.OVG, Beschl. v. 02. 08.2012 - 4 MC 133/12 - m. w. N., Juris; ferner Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdn. 37 ff. m. w. N.). Denn auch wenn es sich bei Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO um eine Ermessensvorschrift handelt, kann sich der Betroffene – hier die Klägerin – auf einen subjektiven öffentlich-rechtlichen Anspruch auf den Selbsteintritt der Beklagten gem. Art. 3 Abs. 2 der Verordnung berufen. Diese Bestimmung ist – anders als die Vorgängerregelungen im Schengener Durchführungsübereinkommen und im völkerrechtlichen Dubliner Übereinkommen (vgl. hierzu Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdn. 25) – nicht allein im öffentlichen Interesse geschaffen worden, sondern verbürgt den von ihr Betroffenen ein subjektives Recht. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass ein Einzelner nicht nur dann aus dem Unionsrecht subjektive Rechte herzuleiten vermag, wenn diese ihm ausdrücklich zugesprochen werden. Vielmehr genügt es, wenn aus einer Rechtsnorm klar und eindeutig eine Begünstigung Einzelner hervorgeht, die keiner Bedingung und keinem zeitlichen Aufschub mehr unterliegt, und weder die Union noch die Mitgliedstaaten einen Spielraum zur Ausgestaltung der Rechtsnorm besitzen (vgl. u. a. EuGH, Urt. v. 05.02.1963 - Rs. 26/62 -, Slg. 1963, 1 [24] = NJW 1973, 1751 - van Gend & Loos vs. Niederlande; EuGH, Urt. v. 04. 12.1974 - Rs. C-41/74 -, Slg. 1974, 1337 [1349] - van Duyn vs. Home Office; EuGH, Urt. v. 19.01.1982 - Rs. C-8/81 -, Slg. 1982, 53 [71] = NJW 1982, 53 - Becker vs. Finanzamt Münster). Diese Voraussetzungen sind im Falle der Dublin-II-VO dem Grunde nach erfüllt (vgl. auch Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdnr. 124 m. w. N.). Hiervon geht im Ergebnis auch der Europäische Gerichtshof in dem zur Dublin-II-VO ergangenen Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 – (Rdnr. 38, 48 zur Frage des Rechtsschutzes, NVwZ 2009, S. 639 = Juris) aus.

52

Allerdings verbürgt Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO lediglich das Recht auf eine fehlerfreie Ermessensausübung – welches gegebenenfalls aber auf Null reduziert sein kann (vgl. VG Würzburg, Urt. v. 12.03.2009 - W 4 K 08. 30122 -; Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdnr. 134 f. und 223 m. w. N.; Marx, a. a. O. § 27a Rdnr. 13; Huber/Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2008, Rdnr. 1886; Filzwieser / Liebminger, Dublin II-Verordnung, Kommentar, 2. Aufl., Wien/ Graz 2007, Art. 3 K 9 unter Verweis auf einschlägige Rechtsprechung des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs, Entscheid v. 15.10.2004 - G 237/03 u. a. und des Belgischen Conseil d'Etat / Raad van State vom 28.08.2006, Zl. 162.039; Schröder, Die EU-Verordnung zur Bestimmung des zuständigen Asylstaats, ZAR 2003, S. 124 [131]; Hruschka, Die Dublin II-Verordnung, in: Informationsverbund Asyl e.V. [Hrsg.], Das Dublin-Verfahren, Beilage zum Asylmagazin 1-2/2008, S. 1 [9]; Hruschka, Humanitäre Lösungen in Dublin-Verfahren, Asylmagazin 7-8/2009, S. 5 [7 f. und 9 f.]).

53

Aus dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO ergibt sich eine an die Beklagte gerichtete Ermessensermächtigung, deren Zweck in der Norm selbst nicht seinen Ausdruck gefunden hat (vgl. nur Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdnr. 220; Filzwieser / Liebminger, a. a. O., Art. 3 K 8 ff.), sondern sich aus der Zwecksetzung der Verordnung insgesamt und der im Zuge der durch Art. 63 EG-Vertrag in der Fassung des Amsterdamer Vertrages vom 02. Oktober 1997 vorgegebenen gemeinschaftsrechtlichen Asylharmonisierung ergangenen europäischen Richtlinien zum materiellen Asylrecht auf der einen und zum Verfahrensrecht sowie den Aufnahmebedingungen von Flüchtlingen auf der anderen Seite erschließt. Im Einzelnen ist dabei von Folgendem auszugehen:

54

Nach Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) EG-Vertrag beschließt der Rat in Übereinstimmung mit der Genfer Flüchtlingskonvention sowie mit einschlägigen anderen Verträgen Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat. Hierauf beruhend wurde die Dublin-II-VO erlassen. Im Erwägungsgrund Nr. 5 wird hierzu ausgeführt, dass bezüglich der schrittweisen Einführung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, das auf längere Sicht zu einem gemeinsamen Asylverfahren und einem unionsweit geltenden einheitlichen Status für die Personen, denen Asyl gewährt wird, führen sollte, im derzeitigen Stadium die Grundsätze des am 15. Juni 1990 in Dublin unterzeichneten Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft gestellten Asylantrags(4) (nachstehend „Dubliner Übereinkommen“ genannt), dessen Durchführung die Harmonisierung der Asylpolitik gefördert hat, mit den aufgrund der bisherigen Erfahrungen erforderlichen Änderungen beibehalten werden sollten. Weiterhin wird insbesondere im Erwägungsgrund Nr. 15 ausgeführt, dass die Verordnung in Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen stehe, die mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - EuGrdRCh - anerkannt worden seien. Die Verordnung ziele insbesondere darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung des in Art. 18 EuGrdRCh verankerten Rechts auf Asyl zu gewährleisten.

55

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 -, Juris) lässt das im EU-Vertrag vorgesehene und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeitete gemeinsame Europäische Asylsystem allerdings die Annahme begründet erscheinen, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 (GFK) sowie in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - Europäische Menschenrechtskonvention - (EMRK) finden. Es gilt daher grundsätzlich die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtscharta und der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. M. a. W. ausgehend von der Annahme, dass es sich bei den Mitgliedstaaten der Europäischen Union um sichere Drittstaaten i. S. d. Art. 16a Abs. 2 Grundgesetz (GG) bzw. § 26a AsylVfG handelt, ist aufgrund des diesen Vorschriften zugrunde liegenden „Konzepts der normativen Vergewisserung“ (BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 22 BvR 2315/133 - Juris, Rn. 179 ff.) bzw. des „Prinzips des gegenseitigen Vertrauens“ (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - Rs C-411/10 und C-393/10 – Juris, Rn. 79 ff.) grundsätzlich davon auszugehen, dass die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Grundrechtscharta und der Europäischen Menschenrechtskonvention in diesen Ländern sichergestellt ist. Auch die Dublin-II-Verordnung beruht wie jede andere auf Art. 63 Satz 1 Nr. 1 EG-Vertrag gestützte gemeinschaftsrechtliche Maßnahme auf der Prämisse, dass die zuverlässige Einhaltung der GFK, der EMRK und der EuGrdRCh in allen Mitgliedstaaten gesichert ist (vgl. Begründungserwägung Nr. 2 und Nr. 12 Dublin-II-VO und Art. 6 Abs. 2 sowie Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 lit. a EG-Vertrag, - so auch VG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 02.10.2008 - 6 B 56/08-, Juris und VG Regensburg, Beschl. v. 15.09.2008 - RO 3 E 08.30124 - Juris).

56

Dies bedeutet zugleich, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49 = Juris; Beschl. v. 08.09.2009 - 2 BvQ 56/09 -, Juris) ein Ausländer, der in einen sicheren Drittstaat zurück verbracht werden soll, den Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor einer politischen Verfolgung oder sonstigen schwerwiegenden Beeinträchtigungen in seinem Herkunftsstaat grundsätzlich nicht mit der Begründung einfordern kann, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt würden. Für ihn kommen deshalb entsprechend dem mit Art. 16a Abs. 2 GG verfolgten „Konzept normativer Vergewisserung“ über die Sicherheit im Drittstaat auch die materiellen Rechtspositionen, auf die ein Ausländer sich sonst gegen seine Abschiebung stützen kann, grundsätzlich nicht in Betracht.

57

Allerdings hat die Bundesrepublik Deutschland dann Schutz zu gewähren, wenn ein solcher durch Umstände begründet wird, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des „Konzepts normativer Vergewisserung“ durch Gesetz berücksichtigt werden konnten oder aber sich die für die Qualifizierung als “sicher“ maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung hierauf noch aussteht. So sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (a. a. O.) Ausnahmen u. a. dann geboten, wenn der Drittstaat gegenüber dem Schutzsuchenden selbst zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung greift und dadurch zum Verfolgerstaat wird, oder wenn offen zu Tage tritt, dass der Drittstaat sich von seinen Schutzverpflichtungen lösen und einem bestimmten Ausländer der Schutz dadurch verweigern wird, dass er sich seiner ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigt (vgl. zur Problematik der Bestimmung des „sicheren Drittstaates“: BVerfG, Beschl. v. 08.09.2009 - 2 BvQ 56/09 - DVBl. 2009, 1304; Lübbe-Wolff, Das Asylgrundrecht nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Mai 1996 - DVBl. 1996, 825 ff.; s. insbesondere auch zur europa-rechtlichen Dimension: Weinzierl / Hruschka, Effektiver Rechtsschutz im Lichte deutscher und europäischer Grundrechte, NVwZ 2009, 1540 ff.).

58

Vergleichbares gilt nach dem Willen des Gesetzgebers, wenn es um die Rückführung eines Ausländers in den für seinen Asylantrag zuständigen Staat im Sinne des § 27a AsylVfG geht. Dies bedeutet, dass auch der Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO „nur“ eine Ausnahme darstellt bzw. Sonderfällen vorbehalten ist. Denn eine Prüfung, ob der Zurückweisung in den Drittstaat oder in den nach europäischem Recht oder Völkerrecht für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, ist nur dann veranlasst, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme aufdrängt, dass der Asylbewerber von einem der im normativen Vergewisserungskonzept des Art. 16a Abs. 2 GG und der §§ 26a, 27a, 34a AsylVfG nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An die Darlegung eines solchen Sonderfalles sind dabei auch im Rahmen des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49 = Juris; Beschl. v. 08.09.2009 - 2 BvQ 56/09 -, Juris). Die Annahme eines sicheren Drittstaates ist daher nur dann widerlegt, wenn ernsthaft zu befürchten steht, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EuGrdRCh bzw. der inhaltlich identischen Vorschrift des Art. 3 EMRK (vgl. insoweit Art. 52 Abs. 3 Satz 1 EuGRrdRCh) implizieren.

59

Nach der zu Art. 3 EMRK ergangenen Rechtsprechung des EGMR, auf die zur Auslegung von Art. 4 EuGrdRCH zurückzugreifen ist (vgl. EuGH, Urt. v. 21.01.2011, 2011 - No. 30696 – M.S.S. vs. Belgien und Griechenland, Rn. 88 m. w. N. – Juris) ist eine Behandlung unmenschlich, wenn sie absichtlich erfolgt und entweder tatsächliche körperliche Verletzungen oder schwere körperliche oder psychische Leiden verursacht. Eine Behandlung ist hingegen als erniedrigend anzusehen, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt und dadurch fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert, oder wenn sie Angst, Furcht oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder physischen Widerstand der Person zu brechen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.01.2011, a. a. O., Rn. 220 m. w. N.).

60

Die ernsthafte Befürchtung grundlegender Mängel besteht nur dann, wenn in einem Mitgliedstaat eine ständige Verletzung der Kernanforderungen des europäischen Asylrechts, wie sie in den Richtlinien und Verordnungen der Europäischen Union ihren Niederschlag gefunden haben, stattfindet und dadurch die Menschenwürde, das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Flüchtlings beeinträchtigt wird (vgl. hierzu VG Düsseldorf, Beschl. v. 22.12.2008 - 13 L 1993/08.A - Juris; VG Berlin, Beschl. v. 11.04.2011 - 23 L 84.11 A - Juris; VG Hannover, Beschl. v. 07.06.2011 - 1 B 2106/11 - asyl.net; VG Düsseldorf, Beschl. v. 12.09.2011 - 6 L 866/11.A - Juris; Lehnert / Pelzer, Effektiver Rechtsschutz im Rahmen des EU-Asylzuständigkeitssystems der Dublin II-Verordnung, ZAR 2010, 41 ff.; Lehnert/Pelzer, Der Selbsteintritt der Mitgliedstaaten im Rahmen des EU-Asylzuständigkeitssystems der Dublin-II-Verordnung, NVwZ 2010, 613 ff.). Bei der Beurteilung der Frage, ob für Asylbewerber in Italien dementsprechend ein “richtliniekonformes“ Verfahren gewährleistet ist, ist dabei zunächst das Schutzniveau in den Blick zu nehmen, das sich aus Art. 28 (Sozialleistungen) und Art. 31 (Zugang zu Wohnraum) der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 – Qualifikationsrichtlinie – ergibt und sodann jenes, das sich für das Asylverfahren aus der Dublin-II-VO selbst ergibt. Zugleich ist als Maßstab die Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten heranzuziehen sowie die Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 01. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft. Danach gehören zu den Kernanforderungen des europäischen Asylrechts der Zugang zu einem geordneten Asylverfahren und die Gewährung materieller Aufnahmebedingungen, welche die Grundbedürfnisse nach Unterkunft, Nahrung und medizinischer Versorgung abdecken.

61

Die vorstehend aufgezeigten Grundsätze stehen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Dieser hat mit Urteil vom 21.12.2011 - C 411/10 und C-493/10 - (Juris) ausgeführt, das Gemeinsame Europäische Asylsystem sei in einem Kontext entworfen, der grundsätzlich die Vermutung rechtfertige, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtscharta sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Gleichwohl könne – so der Gerichtshof – nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoße, so dass die ernstzunehmende Gefahr bestehe, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt würden, die mit den Grundrechten unvereinbar sei. Dabei berühre nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Verpflichtung der übrigen Mitgliedstaaten zur Beachtung der Dublin-II-VO. Sei jedoch ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufwiesen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Grundrechtscharta implizierten, so sei eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar.

62

Bei der Beurteilung der anstehenden Frage nach dem Vorliegen eines systemischen Versagens in Bezug auf das Asyl- und Aufnahmeverfahren in dem Mitgliedstaat ist überdies nicht (allein) darauf abzustellen, welche (abstrakte) Rechtslage dort herrscht, mithin ob etwa die vorgenannten Richtlinien in nationales Recht umgesetzt wurden, sondern es sind (ebenfalls) die konkreten bzw. realen Verhältnisse für die Asylbewerber, mithin die bestehende tatsächliche Verwaltungs- und Rechtspraxis in den Blick zu nehmen (ebenso VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009 - 7 K 4376/07.F.A u. a. - InfAuslR 2009, 406 = Juris).

63

Ferner ist darauf abzustellen, ob es sich bei eventuell feststellbaren Defiziten und Mängeln, etwa in Form von Rechtsverstößen und zu erwartenden Beeinträchtigungen, nur um Einzelfälle oder – soweit es sich nicht nur um Einzelfälle handelt – um bloße vorübergehende, temporäre Erscheinungen handelt, die etwa einer überraschenden Entwicklung geschuldet sind, denen aber in naher Zukunft voraussichtlich abgeholfen wird. Anders verhält es sich indes in jenen Fällen, in denen aufgrund einer Vielzahl von Referenzfällen hinreichend belegte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich die Missstände und Unzulänglichkeiten dauerhaft manifestiert haben. Die insoweit erforderliche Feststellung des Vorliegens systemischer Mängel und Missstände hat somit eine quantitative wie qualitative Komponente. Ob die desolaten Verhältnisse im Mitgliedstaat dabei darauf zurückzuführen sind, dass dieser zur Schaffung geordneter und richtlinienkonformer Verhältnisse nicht bereit oder nicht in der Lage ist, macht dabei grundsätzlich keinen Unterschied.

64

3) In Anwendung der genannten Kriterien ist im Fall der Klägerin von Folgendem auszugehen:

65

Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht verpflichtet, in Ausübung des insoweit bestehenden Ermessens von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch zu machen. Auch kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, sie besitze zumindest einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Selbsteintritt der Beklagten zur Durchführung eines Asylverfahrens gem. Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO, um als Ausnahme von den sonstigen Zuständigkeitsregeln der genannten Verordnung die Prüfung ihres Asylantrages in der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen. Diesem Recht der Klägerin ist mit dem angefochtenen Bescheid der Beklagten entsprochen worden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte ihr Ermessen verkannt hätte; auch rechtfertigt sich nicht die Annahme des Vorliegens eines formellen Ermessensfehlers, da keinerlei Gründe vorliegen, die einen sog. Selbsteintritt zu rechtfertigen vermögen.

66

Zur Überzeugung des Senats ist auf der Grundlage des ihm vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern und Flüchtlingen sowie von “Dublin-II-Rückkehrern“ in Italien nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und / oder die Aufnahmebedingungen dort derart grundlegende Mängel aufweisen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EuGrdRCh zu erwarten steht. Der Senat ist vielmehr unter Anlegung der zuvor genannten strengen Maßstäbe zur Überzeugung gelangt, dass für die nach der Dublin-II-Verordnung nach Italien zurückkehrenden bzw. rücküberstellten Asylbewerber in der Gesamtschau ein ordnungsgemäßes und richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren gewährleistet ist und dass für den Fall der Abschiebung bzw. Rückführung der betroffenen Asylsuchenden zwecks Durchführung eines Asylverfahrens nicht mit schwerwiegenden Rechtsverstößen und Beeinträchtigungen zu rechnen ist (ebenso oder ähnlich u. a.: OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013 - OVG 7 S 33.13 -; Beschl. v. 24.06.2013 - OVG 7 S 58.13 –; VG Bremen, Beschl. v. 15.04.2013 - 2 V 440/13.A -; VG Regensburg, Beschl. v. 05.02.2013 - RN 5 S 13.30026 -; Beschl. v. 26.02.2013 - RN 9 K 11.30445 -; VG Düsseldorf, Beschl. v. 17.09.2012 - 13 L 1447/12.A -; Beschl. v. 08.01.2013 - 6 L 104/13.A - und Beschl. v. 06.02. 2013 - 17 L 150/13.A -; VG Augsburg, Urt. v. 11.01.2013 - Au 6 K 12.30358 -; VG Leipzig, Urt. v. 07.12.2012 - A 1 K 973/11 -; VG München, Beschl. v. 08.11.2012 - M 15 E 12.30772 -; VG Würzburg, Beschl. v. 30.10.2012 - W 6 E 12.30288 -; VG Trier, Beschl. v. 25.10.2012 - 5 L 1146/12.TR -; VG Schwerin, Beschl. v. 27.09. 2012 - 8 B 434/12 As -; VG Bayreuth, Urt. v. 12.06.2012 - B 3 K 11.30142 - [bestätigt durch BayVGH, Beschl. v. 6.02.2013 - 20 ZB 12.302856 -]; a. A. oder eine Entscheidung in der Hauptsache vorbehaltend: VG Köln, Beschl. v. 07.05.2013 - 20 L 613/13.A -; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 30.04.2013 - 10a L 484/13.A -; VG Schwerin, Beschl. v. 15.03.2013 - 3 B 111/13 As -; VG Aachen, Beschl. v. 14.03. 2013 - 9 L 53/13.A -; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 19.02.2013 - 15a L 194/13.A -; Beschl. v. 27.02.2013 - 15a L 194/13.A -; VG Gießen, Urt. v. 24.01.2013 - 6 K 1329/12.Gl.A -; VG Karlsruhe, Beschl. v. 11.10.2012 - A 9 K 2386/12 - und Beschl. v. 22.01.2013 - A 9 K 179/13 -; VG Stuttgart, Beschl. v. 08.01.2013 - A 7 K 3929/12 -; VG des Saarlandes, Beschl. v. 03.09.2012 - 3 L 789/12 -; VG Düsseldorf, Beschl. v. 29.08.2012 - 14 L 1392/12.A – alle: Juris; VG Freiburg, Beschl. v. 27.10.2011 - A 5 K 2081/11 -; VG Magdeburg, Beschl. v. 17.07.2012 – 9 B 148/12 -; Beschl. v. 21.11.2011 - 9 A 100/11 -; Urt. v. 26.07.2011 - 9 A 346/10 MD -; vgl. auch OVG NRW, Beschl. v. 01.03.2012 - 1 B 234/ 12.A - Juris). Das Asylsystem in Italien mit dem dort geregelten und praktizierten Aufnahme- und Asylverfahren einschließlich der Unterbringungs- und Versorgungslage für die in Italien schutzsuchenden Flüchtlinge und Asylbewerber entspricht den Anforderungen des europäischen Asylsystems, selbst wenn es in Teilbereichen gewisse Mängel und Defizite aufweist. Im Einzelnen ist dabei von Folgendem auszugehen:

67

a) Nach dem dem Senat vorliegenden Erkenntnismaterial ist davon auszugehen, dass für Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien, jedenfalls soweit es sich um Dublin-II-Rückkehrer handelt, grundsätzlich ein geordnetes Aufnahmeverfahren und auch ein ungehinderter Zugang zum Asylverfahren gewährleistet sind.

68

Der Senat verkennt nicht, dass es in Italien für Asylbewerber und Flüchtlinge – und zwar bis in die jüngste Vergangenheit hinein – eine Vielzahl von Einreiseverweigerungen und Abschiebungen gegeben hat, bevor ein Asylverfahren durchgeführt werden konnte bzw. ein solches abgewartet worden wäre. Namentlich sind Fälle bekannt geworden, wonach es Zurückweisungen von Flüchtlingen auf hoher See und vor der italienischen Küste, aber auch vom italienischen Territorium gegeben hat, die offenbar darauf abzielten, den Strom von Flüchtlingen – insbesondere aus Nordafrika – abzuwehren, die in Italien Zuflucht haben suchen wollen (vgl. UNHCR, Bericht v. 16.08. 2011: „Hunderte Neuankömmlinge aus Libyen und Tunesien in Italien“, abrufbar unter: http://www.unhcr.de/print/home/artikel/042d9651d6d525aad46e97d7ee7848db/hunde).

69

Trotz der bekannt gewordenen zahlreichen Verstöße gegen das Refoulement-Verbot und teilweise vorhandener unangemessener Erschwernisse beim Zugang zu einem Asylverfahren in Italien in den vergangenen Jahren lässt sich aber – jedenfalls soweit es die aktuellen Verhältnisse im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats betrifft – nicht (mehr) davon ausgehen, dass es, sieht man einmal von Einzelfällen ab, in Italien gegenwärtig noch zu derartigen gravierenden Rechtsverletzungen kommt, wie sie in der Vergangenheit zu beklagen waren.

70

Vielmehr sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes keine Fälle neueren Datums bekannt geworden, in denen Flüchtlingen und Asylsuchenden, die in Italien um Schutz nachsuchen wollten, bei ihrer Einreise auf dem Seeweg oder auf dem Landwege die Einreise oder der Aufenthalt in Italien verweigert worden sind (AA, Auskunft v. 21.02. 2013 an OVG LSA, Anm. 1.1.). Ebenso sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes keine Fälle neueren Datums bekannt geworden, in denen Flüchtlinge und Asylsuchende nach ihrer Einreise nach Italien in ihr Herkunftsland bzw. einen Drittstaat zurückgeführt bzw. abgeschoben worden sind, ohne dass sie in Italien den von ihnen beabsichtigten Asylantrag stellen konnten (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 1.2.). Schließlich sind nach Angaben des Auswärtigen Amtes in jüngster Zeit auch keine Fälle (mehr) bekannt geworden, in denen Flüchtlinge und Asylsuchende trotz eines in Italien gestellten Asylantrages in ihr Herkunftsland bzw. einen Drittstaat zurückgeführt bzw. abgeschoben wurden (AA, a. a. O. Anm. 1.2.). Hiernach lässt sich zumindest gegenwärtig nicht mehr die Feststellung treffen, dass in Italien der Anspruch Schutzsuchender auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens generell oder auch nur regelmäßig vereitelt wird (bereits für die Vergangenheit verneinend u. a.: VG Hannover, Beschl. v. 07.07. 2011 - 1 B 2106/11 - Juris; VG Berlin, Beschl. v. 11.04.2011 - 23 L 84/11 - Juris). Dies bedarf hier indes keiner Vertiefung.

71

Denn jedenfalls lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht feststellen, dass für die im Rahmen des Verfahrens nach der Dublin-II-Verordnung nach Italien zurückkehrenden bzw. zurückgeführten Asylbewerber regelmäßig oder sogar überwiegend ein ordnungsgemäßes Asylverfahren nicht gewährleistet ist. Aufgrund eines für diesen Personenkreis gesetzlich speziell geregelten Rückführungsverfahrens ist vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, dass diese nach ihrer Rückkehr nach Italien ihren dort bereits gestellten Asylantrag weiterverfolgen bzw. erstmals einen Asylantrag stellen können und ihnen insoweit der Zugang zu einem ordnungsgemäßen Asylverfahren nicht versperrt wird. Im Einzelnen ist dabei von Folgendem auszugehen:

72

Asylbewerber, die gemäß dem Verfahren nach der Dublin-II-Verordnung nach Italien zurückkehren bzw. zurückgeführt werden, treffen in der Regel auf dem Luftweg auf den Flughäfen Fiumicino in Rom, Malpensa in Mailand, Bergamo, Venedig, Bari, Brindisi oder Ancona ein. Dort werden sie – auch wenn es in Italien kein Flughafenverfahren wie in Deutschland gibt (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW - zu Frage a.)) – von der Polizei in Empfang genommen und es wird ihnen eine Unterkunft in einer der Aufnahmeeinrichtungen zugeteilt, sofern ein Asylantrag gestellt wird bzw. ein Asylverfahren, bei dem Verfahrensstand, der bei Ausreise aus Italien vorlag, weitergeführt werden soll (zu allem: Schweizerische Flüchtlingshilfe, „Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien. Bericht über die Situation von Asylsuchenden, Flüchtlingen und subsidiär oder humanitär aufgenommenen Personen, mit speziellem Fokus auf Dublin-Rückkehrende“, Mai 2011, S. 17 und AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 1.4.). Die Polizei macht in diesen Fällen die verantwortliche Questura ausfindig und fordert die Rückkehrer auf, sich dorthin zu begeben. Dabei werden auch die Reisekosten übernommen (Schweizerischen Flüchtlingshilfe, a. a. O., S. 17) bzw. die Person bekommt, wenn die zuständige Questura weiter entfernt ist (Beispiel: Dublin-Rückkehr nach Rom, zuständige Questura in Catania), ein Zugticket ausgehändigt, um dort hinzureisen (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW - zu Frage a.)).

73

Wenn die Dublin-Rückkehrer von deutschen Beamten /Polizisten begleitet werden, gibt es insoweit keine Unterschiede. Bei ihrer Ankunft werden alle Dublin-Rückkehrer von der Polaria (Luftpolizei) am Flughafen Fiumicino empfangen. Sie werden erneut erkennungsdienstlich behandelt und es erfolgt die Feststellung, welche Questura in Italien für die Person zuständig und wie der Stand des Verfahrens ist (AA, Auskunft v. 11. 09.2013 an OVG NRW - zu Frage a.)).

74

Bei ihrer Ankunft werden die Ausländer – so auch die Dublin-II-Rückkehrer – von der am Flughafen zuständigen Hilfsorganisation „Confederazione Nazionale delle Misericordie d’Italia“ betreut und in Anwesenheit von Dolmetschern über den weiteren Verfahrensablauf unterrichtet (AA, Auskunft v. 11.09. 2013 an OVG NRW - zu Frage a.)). Die genannte Hilfsorganisation sucht für die Dublin-II-Rückkehrer zugleich eine (vorläufige) Unterkunft in einem Aufnahmezentrum (z. B. einer Einrichtung der „Centri di accoglienza richiedenti asilo“ - CARA -), welches im Allgemeinen für die Erstaufnahme zuständig ist, bis die Zuweisung zu einer Asylunterkunft am Ort der zuständigen Questura erfolgt ist. Während die Dublin-II-Rückkehrer sofort eine Unterkunft in einem entsprechenden Erstaufnahmezentrum erhalten, kann die Zuweisung zu einer Asylunterkunft für die Dauer des Asylverfahrens einige Zeit dauern, weil es zunächst gewisser Formalien den jeweiligen Asylantrag betreffend bei der zuständigen Questura bedarf. Manchmal beträgt dieser Zeitraum nur einige Tage, manchmal aber auch Wochen, z. B. wenn es sich um große Städte und Ballungszentren handelt. Belastbares Zahlenmaterial bezogen auf die Verweildauer in den Erstaufnahmeeinrichtungen ist mangels statistischer Erhebungen allerdings nicht verfügbar. In den Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber, den bereits erwähnten Einrichtungen der CARA, ist laut Gesetz grundsätzlich ein Verbleib von nicht länger als 20 bis 35 Tagen vorgesehen. Da die Zuweisungsverfahren aber oftmals länger dauern, bleiben die Antragsteller entsprechend länger in diesen Aufnahmezentren (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW - zu den Fragen a.), b.) und c.)).

75

Nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnismitteln erhalten die Schutzsuchenden nach ihrer Ankunft in Italien zudem Informationsbroschüren über ihre Rechte im Asylverfahren (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 2.3.). Diese Broschüren existieren in unterschiedlichen sprachlichen Fassungen, so u. a. in persischer, arabischer, französischer, englischer, italienischer, somalischer, spanischer und tigrinischer Sprache (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 2.3.). Darüber hinaus befinden sich in den Aufnahmeeinrichtungen Betreuungsdienste, die den Asylantragstellern zur Unterstützung zur Verfügung stehen. Diese beschäftigen oftmals Mitarbeiter, die die Landessprache der Hauptherkunftsstaaten der Asylantragsteller beherrschen (AA, Auskunft v. 21.02. 2013, Anm. 2.3.).

76

Nach allem besteht für den Senat kein Grund zur Annahme, dass die in Italien Schutzsuchenden nach ihrer Ankunft dort in unangemessener Weise “sich selber überlassen bleiben“ und sich im Hinblick auf das erstrebte Aufnahme- und Asylverfahren nicht zurecht finden können.

77

Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass die Rücküberstellung von Asylbewerbern auf der Grundlage der Dublin-II-Verordnung seitens der italienischen Behörden auf Widerstände stößt. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es im Rahmen des Dublin-Systems vor einer Asylantragstellung oder während des Asylverfahrens zu Einreiserverweigerungen, Rücküberstellungen oder sonstigen Ausweisungen in die Herkunftsländer der Asylbewerber kommt (vgl. UNHCR, Stellungnahme v. 24.04.2012 an VG Braunschweig, S. 5).

78

b) Der Senat vermag aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel auch nicht zur Einschätzung zu gelangen, dass Asylsuchende und Flüchtlinge – jedenfalls soweit es die aktuellen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts betrifft – nach ihrer Einreise und / oder während ihres Asylverfahrens mangels einer (angemessenen) Unterkunft regelmäßig oder auch nur in einer Vielzahl von Fällen in die Obdachlosigkeit geraten, mithin „auf der Straße“ oder in „Elendsquartieren“ leben müssen.

79

aa) Dabei ist zunächst hervorzuheben, dass Asylsuchende während des Asylverfahrens einen Rechtsanspruch auf eine Unterbringung besitzen, und zwar gleichermaßen für die Zeit zwischen Antragstellung und Registrierung wie für die Zeit zwischen Registrierung und Entscheidung über das Asylbegehren (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1., 5.3. und 6.1.). Dieser Anspruch ist grundsätzlich wohl auch behördlich bzw. gerichtlich durchsetzbar. Dies deckt sich jedenfalls mit einer Antwort der Bundesregierung vom 18. April 2011 auf eine Kleine Anfrage im Bundestag ("Lage von Asylsuchenden und anerkannten Flüchtlingen in Italien" – BT-Drucks. 17/5579), aus der sich ergibt, dass Asylbewerber in Italien einen gerichtlich durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Unterkunft haben. Allerdings kommt es für die Beurteilung der in Rede stehenden Frage nicht in erster Linie auf die bestehende Rechtslage an; maßgeblich ist vielmehr auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen.

80

Nach den aktuellen Auskünften des Auswärtigen Amtes stellt sich indes die tatsächliche Unterbringungssituation im Rahmen des italienischen Aufnahmesystems für Asylbewerber und Flüchtlinge Anfang 2013 (5. Kalenderwoche) wie folgt dar:

81

Die Aufnahmezentren der CARA verfügen über 5.516 Plätze und beherbergen derzeit ca. 5.300 Personen nebst 2.710 Plätzen in den Einrichtungen der CARA von Lampedusa, so dass insgesamt mehr als 8.000 Plätze zur Verfügung stehen. Die Zahlen im Gutachten von Frau Judith Gleitze, borderline-europe e. V. vom Dezember 2012 an das VG Braunschweig (a. a. O. S. 11), wonach 3.163 Personen in den genannten Einrichtungen aufgenommen werden könnten, seien inzwischen überholt (AA, Auskunft v. 24.05.2013 an VG Minden - zu Frage 8.).

82

Darüber hinaus stehen den Asylbewerbern und Flüchtlingen grundsätzlich die staatlichen Aufnahmeeinrichtungen der SPRAR („Sistems di Protezione per Richiedenti Asilo e Refugiati“) zur Verfügung. Die dort vorhandenen Plätze sind laut Auskunft des Auswärtigen Amtes in der Vergangenheit deutlich angestiegen: Bisher habe es 3.000 Plätze gegeben, so dass dort (weil eine Unterbringung regelmäßig nur für 6 Monate vorgesehen sei) insgesamt 6.000 Personen hätten versorgt und untergebracht werden können (vgl. zur Aufnahmekapazität von etwa 3.000 Personen u. a. auch der Bericht der Schweizerische Flüchtlingshilfe, a. a. O. S. 5). Nunmehr aber stehen nach Auskunft des Auswärtigen Amtes - bestätigt durch Auskünfte von Mitarbeitern der SPRAR und des italienischen Innenministeriums – insgesamt 5.000 Plätze zur Verfügung, so dass 8.000 bis 10.000 Personen untergebracht werden könnten, ungeachtet der im Rahmen des EU-finanzierten FER-Projektes für vulnerable Personen und anderer Projekte vorhandenen weiteren Plätze (AA, Auskunft v. 24.05.2013 an VG Minden - zu Frage 8.). Dies entspricht in etwa auch der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.02.2013 auf Anfrage des Senats, wonach inzwischen in ganz Italien 40 Aufnahmezentren mit rund 9.000 Plätzen zur Verfügung stehen (AA, a. a. O., Anm. 4.3.).

83

Dem steht z. B. für das Jahr 2012 eine Anzahl von 1.148 Personen gegenüber, die als Rückkehrer im Rahmen der Dublin-II-Verordnung über Rom nach Italien zurückgeschickt wurden und von der Organisation Ariconfraternita am Flughafen von Rom betreut wurden (Gutachten an das VG Braunschweig von Judith Gleitze, borderline-europe e. V. vom Dezember 2012, S. 25 und S. 59 – in Ermangelung der erfassten Gesamtzahlen der Dublin-Rückkehrer nach Italien). Berücksichtigt man überdies, dass die Zahl der Asylbewerber seit 2012 – trotz gewisser Schwankungen – insgesamt rückläufig ist, kann zumindest gegenwärtig nicht (mehr) von unzureichenden Aufnahme- und Unterbringungskapazitäten ausgegangen werden. Zur Überzeugung des Senats dürfte sich somit die aktuelle Situation in Italien soweit entspannt haben, dass sämtliche Asylbewerber, und insbesondere Dublin-II-Rückkehrer, in den öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen Platz finden können (ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013 - OVG 7 S 33.13 - ).

84

Die Annahme fehlender Kapazitäten für die Unterbringung von Dublin-II-Rückkehrern nach Italien ist insbesondere auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil es in der Vergangenheit zu einem massiven Zustrom von Flüchtlingen aus Nordafrika gekommen ist und dies zu (nachhaltigen) Engpässen bei der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern geführt hat.

85

Der UNHCR hat in diesem Zusammenhang in seiner Stellungnahme vom 24. April 2012 an das VG Braunschweig (a. a. O. S. 3) auf Folgendes hingewiesen: Im Jahre 2011 sind nach der Ankunft einer erheblichen Zahl von Personen aus Nordafrika und der darauf folgenden Erklärung des „humanitären Notstandes“ die regionalen Regierungen gebeten worden, zusätzliche Aufnahmeeinrichtungen zu bestimmen, da die bestehenden Aufnahmekapazitäten als unzureichend eingeschätzt wurden. Zwischen den Regierungen und den örtlich zuständigen Behörden (Regionen, bestimmten Provinzen [„Province Autonome“] und Gemeinden) seien Vereinbarungen getroffen worden, in denen Kriterien für die landesweite Verteilung von bis zu 50.000 Personen festgehalten wurden. Die Verantwortlichkeit für den diesbezüglichen Aufnahmeplan liege beim Leiter des Zivilschutzes („Dipartimento di Protezione Civile“). Bis Anfang 2012 seien 20.000 Personen im Rahmen des Plans in den Notunterkünften, meist in Einrichtungen kleiner bis mittlerer Größe, untergebracht worden, die in ganz Italien verteilt sind.

86

Dies deckt sich mit den Auskünften des Auswärtigen Amtes. Danach hätten die vorgehaltenen temporären Aufnahmestrukturen des Zivilschutzes, die anlässlich des Flüchtlingsstromes aus Nordafrika in der Größenordnung von 50.000 Plätzen in den Regionen geschaffen worden seien, die bestehenden Engpässe kompensiert (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.3.).

87

Soweit im Gutachten von Judith Gleitze, borderline-europe e. V. vom Dezember 2012 an das VG Braunschweig (a. a. O., S. 15) darauf verwiesen wird, dass die durch den Zivilschutz zusätzlich geschaffenen Unterkünfte nur zeitlich befristet vorgesehen gewesen seien, zunächst wohl nur bis Ende 2011 und alsdann bis Ende 2012, und dass diese inzwischen wieder geschlossen worden seien, so rechtfertigt auch dieser Einwand nach Auffassung des Senats nicht die Annahme, dass es gegenwärtig und zukünftig wieder zu fehlenden Kapazitäten in den staatlichen Einrichtungen kommen wird.

88

Zwar trifft es zu, dass das Notstandsprogramm befristet war und inzwischen wohl offiziell ausgelaufen ist. Allerdings trifft es ebenfalls zu, dass die Einrichtungen derzeit faktisch zumindest in einem beschränkten Umfang fortgeführt werden. Grund für die Schließung der Notunterkünfte war der Umstand, dass die Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge gegenüber den Vorjahren, insbesondere dem Jahr 2011 und 2012, deutlich zurück gegangen war. Allerdings waren nach Auskunft des Auswärtigen Amtes Anfang des Jahres 2013 noch ca. 17.000 Personen in den temporären Einrichtungen des Zivilschutzes untergebracht (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 4.3.). Das Auswärtige Amt hat unterdessen mit seiner neuesten Auskunft – unter Berufung auf den Leiter des Italienischen Amtes für Aufnahmezentren und Betreuung, Herrn Tommaso Ricciardi vom 04. September 2013 – zum Notstandsprojekt Nordafrika mitgeteilt, dass sich derzeit nur noch etwa 1.000 Personen („vulnerable cases“ und Asylbewerber, die ein Rechtsmittel eingelegt haben) in den Notunterkünften befinden. Offiziell hätten diese nunmehr am 01. September 2013 schließen sollen. Es werde gegenwärtig überlegt, wie die Versorgung dieser Personen weiter gewährleistet werden kann (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW – zu Frage e)).

89

Angesichts der aufgezeigten Entwicklung steht auch nicht zu erwarten, dass mit der Schließung der Notunterkünfte die dort untergebrachten bzw. noch verbliebenen Asylbewerber und Flüchtlinge in die staatlichen Unterkünfte drängen und es damit zu erneuten Überbelegungen kommen wird, mithin die Problematik fehlender Kapazitäten in den staatlichen Zentren erneut auftritt. Das Auswärtige Amt weist zudem ausdrücklich darauf hin, dass das Auslaufen des Nordafrika-Programms keine konkreten Auswirkungen auf die Dublin-Rückkehrer hat, da für diesen Personenkreis (der nicht in den Notunterkünften untergebracht wird) von vornherein kein unmittelbarer Zusammenhang zum Programm bestand (AA, Auskunft v. 11.09. 2013 an OVG NRW – zu Frage e)).

90

Gegenteiliges dürfte zur Überzeugung des Senats auch dann nicht anzunehmen sein, wenn es zu einem erneuten Anstieg der Zahl von Asylbewerbern in Italien kommen sollte. Das ausgelaufene Notstandsprogramm belegt, dass Italien Unterbringungsplätze in erheblichen Umfang zusätzlich zur Verfügung stellen kann, wenn der Zustrom von Flüchtlingen dies erfordert. Das geschaffene Notstandsprogramm lässt darauf schließen, dass die verantwortlichen Stellen – selbst wenn sie auf Druck der übrigen EU-Mitgliedstaaten tätig geworden sein sollten – bemüht sind, sich dem jeweiligen unterschiedlichen Unterkunftsbedarf in der gebotenen Weise anzupassen. Dies lässt es insbesondere nicht ausgeschlossen erscheinen, dass bei einem eventuellen erneuten Anstieg der in Italien eintreffenden Flüchtlinge und Asylbewerber entsprechende Programme zur kurzfristigen Schaffung zusätzlicher Unterkünfte neu aufgelegt werden. Dies alles rechtfertigt keine grundlegenden Zweifel daran, dass ein insoweit auch nach Beendigung des Notstandsprogramms fortdauernder Bedarf oder erneute Massenanstürme von Flüchtlingen bewältigt werden können (ebenso: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013, a. a. O.).

91

Im Übrigen erkennt auch der UNHCR an, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des staatlichen Aufnahmesystems stattgefunden haben. Insgesamt seien die Einrichtungen der CARA, CDA und SPRAR (nunmehr) in der Lage, dem Aufnahmebedarf einer „signifikanten Anzahl“ von Asylsuchenden nachzukommen (Stellungnahme vom 24. April 2012 an VG Braunschweig, S. 3). Allerdings macht der UNHCR die Einschränkung, dass die Kapazitäten der genannten Einrichtungen nicht für die Unterbringung aller unterstützungsbedürftigen Asylsuchenden ausreichend sein dürften, wenn Personen in erheblicher Anzahl neu in Italien ankommen würden (UNHCR, a. a. O., S. 3). Indes bestehen z. Z. keine Anhaltspunkte dafür, dass es in Italien derzeit oder in absehbarer Zeit erneut zu einem derartigen Anstieg der Asylbewerberzahlen kommen wird, wie er etwa in den Jahren 2010 und 2011 zu verzeichnen war.

92

Eine andere Bewertung der Unterkunftssituation für Asylbewerber und Flüchtlinge erscheint dem Senat schließlich auch nicht deshalb geboten, weil nach Auffassung des UNHCR (Stellungnahme v. 24.04.2012) in der gegenwärtigen Situation davon auszugehen sei, dass derzeit die überwiegende Anzahl aller Asylverfahren nicht innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen werden können, und die Aufnahme in den Aufnahmezentren regelmäßig auf sechs Monate befristet sei. Abgesehen davon, dass der UNHCR selbst einräumt, dass keine konkreten Zahlen zur Dauer der Asylverfahren vorliegen, besteht nach Auskunft des Auswärtigen Amtes die Möglichkeit, dass im Einzelfall – so auch bei Einlegung von Rechtsmitteln – die Aufenthaltsdauer in der Einrichtung verlängert wird.

93

Zudem ist auch dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Mai 2011 zu entnehmen, dass für die Aufnahme von Asylbewerbern eben nicht nur CARA-, CIE- und SPRAR-Zentren zur Verfügung stehen, sondern auch andere Zentren vorhanden sind basierend auf Abkommen zwischen dem Innenministerium und Gemeinden, aber auch von der Stadt – wie etwa Rom - finanzierte und von NGO’s betriebene Zentren (vgl. Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Bericht über die Situation von Asylsuchenden, Flüchtlingen und subsidiär oder humanitär aufgenommenen Personen, mit speziellem Fokus auf Dublin-Rückkehrende, S. 19). Nach dem vorgenannten Bericht (a. a. O. S. 19) kommen noch kirchliche und karitative Einrichtungen hinzu. Dass es unter Berücksichtigung der Aufnahmekapazität all dieser öffentlichen und privaten Einrichtungen sowie unter Nutzung des Angebotes des Wohnungsmarktes nicht möglich ist, eine Unterkunft zu finden, ist nicht ersichtlich.

94

Das Auswärtige Amt weist ebenfalls darauf hin, dass neben den staatlichen Unterbringungszentren zusätzlich kommunale und karitative Einrichtungen existieren wie z. B. Caritas, Migrantes in Rom, die Schwestern des Ordens der Mutter Teresa „Suore Missionarie della Carità“ und andere Hilfsorganisationen (Comunità di Sant’Egidio, Opere Antoniane, Stranieri in Italia, Centro Astalle - Jesuiten -), welche die Antragsteller und Asylbewerber versorgen und ihnen Unterkunftsplätze besorgen (AA, Auskunft v. 21.08.2013 an OVG LSA - zur Frage 3.). Dies entspricht zugleich der Einschätzung des Auswärtigen Amtes, wonach nicht davon auszugehen ist, dass jene Personen, die in den staatlichen Aufnahmeeinrichtungen und staatlichen Unterkünften keinen Platz finden, regelmäßig oder überwiegend obdachlos „auf der Straße“ oder in „Elendsquartieren“ leben müssen (AA, a. a. O. Anm. 4.3.).

95

Veranlassung zu einer anderen Einschätzung gibt dem Senat schließlich auch nicht der Bericht von Maria Bethke und Dominik Bender „Zur Situation von Flüchtlingen in Italien“ vom 28. Februar 2011, wonach angeblich davon auszugehen ist, dass „in der Vergangenheit 88 vom Hundert der Dublin-II-Rückkehrer der Gefahr der Obdachlosigkeit überlassen worden seien“. Der Senat geht dabei davon aus, dass diese Aussage nicht bedeutet, dass etwa 88 vom Hundert der Dublin-II-Rückkehrer tatsächlich in die Obdachlosigkeit geraten sind, sondern dass es sich hierbei – da der Bericht lediglich von einer „Gefahr“ einer Obdachlosigkeit spricht – um eine bloße Annahme handelt in Bezug auf das womöglich bestehende Risiko, von einer Obdachlosigkeit betroffen zu werden. Dem Senat erscheint bei dieser Sachlage allerdings nicht nachvollziehbar, wie eine (potentielle) „Gefahr“ prozentual derart exakt prognostiziert werden kann, wie dies im Bericht mit 88 vom Hundert geschehen ist, zumal die Unterbringung in staatlichen und privaten Einrichtungen und auch die Wohnungssuche im Allgemeinen mit einer Fülle von Unwägbarkeiten verbunden ist. Überdies sind die Angaben nur bedingt brauchbar, weil eben nicht erkennbar wird, auf welchen Erkenntnissen diese beruhen und welche zurückliegenden Zeiträume in Bezug genommen werden, wenn davon gesprochen wird, dass sich Aussage auf die „Vergangenheit“ beziehe.

96

bb) Ebenso lässt sich nach Auffassung des Senats nicht feststellen, dass Asylbewerber infolge unzureichender und unzumutbarer Verhältnisse in den staatlichen bzw. privaten Unterkünften, namentlich etwa aufgrund unhygienischer Zustände oder Gewalttätigkeiten und krimineller Delikte wie u. a. Diebstahl, Vergewaltigung oder erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind. Dabei wird nicht verkannt, dass es in Unterkünften mit einer Vielzahl von – teilweise auch traumatisierten – Flüchtlingen unterschiedlicher Nationalität, Religion und Gebräuchen häufiger als in anderen Bereichen der Gesellschaft zu Konflikten und gelegentlich auch gewaltsamen Übergriffen kommen dürfte. Es dürfte sich dabei allerdings um ein allgemeines Phänomen in Gemeinschaftseinrichtungen handeln, dem die staatlichen Stellen nur bedingt wirksam entgegen wirken können. Auch wenn die Aufnahme-, Unterbringungs- und Lebensbedingungen von Asylbewerbern in Italien regelmäßig nicht mit dem hiesigen Standard vergleichbar sein mögen, ist zur Überzeugung des Senats davon auszugehen, dass die Zustände in den Unterkünften im Allgemeinen jedenfalls nicht derart unzumutbar und unhaltbar sind, dass deshalb die Feststellung einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung der Asylbewerber gerechtfertigt erschiene. Dies gilt zum einen hinsichtlich der hygienischen Verhältnisse. So wird nach Auskunft des Auswärtigen Amtes von den staatlichen Aufnahmezentren und Einrichtungen Kleidung gestellt, ebenso Wäsche und Hygieneartikel zum persönlichen Gebrauch (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1., 5.3. und 6.1.). Überdies teilt das Auswärtige Amt zur Situation in den staatlichen Aufnahmezentren und Unterkünften mit, dass die hygienischen Verhältnisse dort nicht regelmäßig oder sogar überwiegend sich in der Weise darstellen, dass man ernstlich Gefahr läuft zu erkranken. Sie seien auch nicht dergestalt, dass sie nicht den Mindestanforderungen (Kochstellen, Toiletten, Waschräume, fließendes Wasser und Elektrik) genügen würden. Vielmehr seien sie durchweg so beschaffen, dass kleinere Schlafräume in Wohnhäusern oder Containern vorhanden seien, die auch zumeist mit Klimaanlagen und Zentralheizung versehen seien. Insbesondere seien Toilettenräume in ausreichender Zahl und getrennt nach Geschlechtern vorhanden. Gleiches gelte für Waschräume. Die Verpflegung werde vielfach in einem gemeinsamen Speisesaal bereitgestellt. Vereinzelt bestünden auch zusätzliche Möglichkeiten für die eigene Zubereitung von Mahlzeiten. Ferner seien in den Einrichtungen Sozialräume sowie getrennte Räumlichkeiten für medizinische Dienste und Sonderfälle vorhanden. Zur Aufrechterhaltung der Sauberkeit der allgemeinen Räumlichkeiten würden spezielle Reinigungsdienste beschäftigt (vgl. zu allem: AA, Auskunft v. 21.01.2013, Anm. 4.5.).

97

Zum anderen lässt sich aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse auch nicht feststellen, dass sich die Verhältnisse in den staatlichen Aufnahmezentren und Unterkünften in der Weise darstellen, dass die Bewohner in ständiger Angst leben müssten, „angegriffen, ausgeraubt oder gar vergewaltigt“ zu werden. Zwar gibt es Berichte, wonach es zu gewaltsamen Übergriffen von männlichen auf weibliche Bewohner gekommen sein soll; hierbei handelt es sich aber um Einzelfälle, wenngleich statistische Erhebungen zur Kriminalität speziell in den genannten Einrichtungen nicht existieren bzw. nicht bekannt sind. Darüber hinaus werden die Aufnahmeeinrichtungen zumindest durch die Polizei oder Carabinieri überwacht und geschützt; wegen auftretender Spannungen zwischen verschiedenen Ethnien wurden in manchen Einrichtungen zudem zusätzliche Polizeikräfte postiert (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.6.).

98

Im Ergebnis vermag der Senat somit nicht festzustellen, dass es – sieht man von Engpässen und Einzelschicksalen ab – mit der Durchführung von Asylverfahren in Italien generell zu Begleiterscheinungen wie etwa Obdachlosigkeit oder aufgrund der Zustände in den Unterkünften zu einer Verwahrlosung der Asylbewerber kommt.

99

c) Der Senat vermag ebenfalls nicht festzustellen, dass Schutzsuchende während des Asylverfahrens in Italien unter Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EuGrdRCh in materieller Not leben müssen, so dass von einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung auszugehen wäre, oder mit Blick auf die Versorgungssituation und soziale Situation der Asylbewerber und Flüchtlinge gemessen an den Vorgaben des unionsrechtlichen Sekundärrechts sich das Asylsystem als nicht (mehr) richtlinienkonform darstellt.

100

Asylsuchende und Flüchtlinge haben nach Auskunft des Auswärtigen Amtes während des Asylverfahrens einen (Rechts-)Anspruch auf (angemessene) Verpflegung und Versorgung (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1.). Dieser Verpflichtung wird im Allgemeinen dadurch nachgekommen, dass in den staatlichen Unterkünften und Aufnahmezentren entsprechende Leistungen erbracht werden. Namentlich wird auch Kleidung gestellt, ebenso Wäsche und Hygieneartikel zum persönlichen Gebrauch (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 5.1., 5.3. und 6.1.). Vorgenanntes gilt gleichermaßen für die Zeit zwischen Antragstellung und Registrierung wie für die Zeit zwischen Registrierung und Entscheidung über das Asylbegehren (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 5.1.).

101

Ebenso werden Asylbewerber und Flüchtlinge, die in nichtstaatlichen, namentlich karitativen und kirchlichen Unterkünften leben, mit Nahrung und Kleidung versorgt, wobei insoweit auch private Dienstleister herangezogen werden (vgl. AA, Auskunft v. 21. 02.2013, Anm. 5.2.). Allerdings ist für Asylbewerber und Flüchtlinge außerhalb staatlicher sowie karitativer und kirchlicher Einrichtungen eine staatliche Verpflegung und Versorgung nicht (mehr) gewährleistet. Auch existiert in Italien nur ein sehr eingeschränktes staatliches Sozialhilfesystem; danach erhalten nur Personen über dem 65. Lebensjahr Sozialhilfeleistungen. Im vorliegenden Fall würde dies sogar bedeuten, dass die 65-jährige Klägerin auch staatliche Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen könnte. Im Übrigen haben die Betroffenen auch als Asylbewerber und schutzsuchende Flüchtlinge einen freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Sie können ihren Lebensunterhalt dadurch verdienen, dass sie je nach Ausbildung oder Befähigung einer zumindest einfachen Arbeit nachgehen (vgl. AA, Auskunft v. 21.02. 2013, Anm. 5.1.).

102

In der Praxis kann somit nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass Asylbewerber und Flüchtlinge ihren Lebensunterhalt regelmäßig nicht durch Betteln und / oder Prostitution sichern müssen (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.4.). Vielmehr ist insgesamt eine ausreichende Versorgung vorhanden. Einzelfälle sind allenfalls auf das in der aktuellen Wirtschaftskrise insbesondere in italienischen Großstädten zunehmend auftretende Phänomen des Bettelns und die damit einhergehenden erhofften zusätzlichen Einkunftsmöglichkeiten zurückzuführen. Was die Prostitution angeht, so ist nicht völlig auszuschließen, dass weibliche Asylbewerber oder Flüchtlinge in Einzelfällen durch Angehörige der organisierten Kriminalität rekrutiert werden und dann tatsächlich der Prostitution nachgehen. Dies ist aber nicht im kausalen Zusammenhang mit Defiziten im Asylverfahren zu sehen (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.4.; Auskunft v. 24.09.2012, S. 3 - Antwort auf Frage b 2)).

103

Im Übrigen folgt aus Art. 3 EMRK und Art. 4 EuGrdRCh auch nicht die Verpflichtung, Asylbewerbern und Flüchtlingen eine finanzielle Unterstützung zu gewähren, um ihnen einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.02.2011, a. a. O.).

104

Ebenso ist ein Verstoß gegen die Richtlinie 2004/83/EG nicht ersichtlich. Kapitel VII der Richtlinie gestaltet den Inhalt des internationalen Flüchtlingsschutzes zwar u. a. dahin gehend aus, dass Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte grundsätzlich Zugang zu Sozialleistungen (Art. 28), medizinischer Versorgung (Art. 29) und Wohnraum (Art. 31) erhalten. Allerdings gehen die Bestimmungen über die Gebote zur Inländergleichbehandlung (Art. 28, 29) bzw. zur Ausländergleichbehandlung (Art. 31) nicht hinaus. Art. 28 und 29 der Richtlinie gewährleisten die notwendige Sozialhilfe bzw. medizinische Versorgung nur insoweit, wie die Mitgliedstaaten ihren eigenen Staatsangehörigen eine entsprechende Behandlung bzw. Versorgung gewähren; für Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte besteht zudem die Möglichkeit, den Anspruch auf Kernleistungen zu beschränken, die dann im Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige zu gewähren sind. Demzufolge muss der in Italien bestehende allgemeine Lebensstandard für andere, vergleichbare Personen mit italienischer Staatsangehörigkeit in den Blick genommen werden, die ebenfalls keine staatlichen Sozialleistungen in Anspruch nehmen können und bei denen ebenfalls nur durch die Aufnahme von Gelegenheitsarbeiten oder aber vermittels von Zuwendungen karitativer oder kirchlicher Organisationen das Existenzminimum gesichert ist.

105

Nach allem lässt sich ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EuGrdRCh nicht daraus herleiten, dass – worauf in der Rechtsprechung einzelner Verwaltungsgerichte abgestellt wird – ein staatliches Sozialsystem, welches Flüchtlingen und Asylsuchenden zumindest ein Existenzminimum garantiert, nicht zur Verfügung steht und dass die Betroffenen deshalb darauf angewiesen seien, sich „selbst durch das Leben zu schlagen“ (vgl. VG Magdeburg, Beschl. v. 28.03.2011 - 9 B 101/11 MD - Juris; Gerichtsbescheid v. 21.11.2011 - 9 A 351/10 - [S. 5 d. UA]; VG Braunschweig, Beschl. v. 31.05.2011 - 1 B 103/11 - m. w. N. - Juris).

106

Im Übrigen ist in der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (a. a. O. S. 22) nicht – wie gelegentlich behauptet wird – die Rede davon, dass der genannte Personenkreis „in extremer Armut lebt und dass sie ihre Lebensbedürfnisse nicht decken können“. Vielmehr ist – wohl mit Bedacht – davon die Rede, dass sie Gefahr laufen, womöglich in eine solche Situation zu geraten; dass sich indes diese Gefahr bereits in eine Vielzahl von Fällen realisiert hätte oder gleichsam regelmäßig bzw. für jeden Asylsuchenden und Flüchtling die konkrete Gefahr bestünde, dass nicht einmal das Existenzminimum gesichert ist, wird nicht behauptet. Dies schließt nicht aus, dass es in Einzelfällen auch zu besonderen Notlagen kommen mag und dass der Lebensstandard der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien im Allgemeinen sehr gering sein dürfte. Gleichwohl vermag der Senat anhand des ihm vorliegenden umfassenden Erkenntnismaterials aber nicht festzustellen, dass die Situation für Flüchtlinge und Asylsuchende in den Zentren und außerhalb derselben derart prekär wäre, dass deshalb von einem Verstoß gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EuGrdRCh auszugehen ist.

107

d) Soweit es die medizinische Versorgung betrifft, sind alle Mitgliedstaaten aufgrund der EU-Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 verpflichtet, bestimmte Mindeststandards der medizinischen Versorgung zu gewährleisten. So haben alle Mitgliedstaaten nach Art. 15 der genannten Richtlinie dafür Sorge zu tragen, dass Asylbewerber und Flüchtlinge die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung für die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst. Dabei ist auch Asylbewerbern mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische und sonstige Hilfe zu gewähren.

108

In Italien ist im Rahmen des nationalen Gesundheitsdienstes grundsätzlich ein medizinischer Mindestbehandlungsstandard gewährleistet. Asylbewerber und Flüchtlinge haben in Italien während des Asylverfahrens einen Anspruch auf eine „freie“ (kostenlose) medizinische Versorgung sowie auch auf psychologische Hilfe, insbesondere auch Minderjährige und traumatisierte Personen (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1., 5.3. und 6.3.).

109

Dem entspricht es, wenn im Entscheiderrundbrief des Bundesamtes 7/2011 (a. a. O., S. 8) zur medizinischen Versorgung festgestellt wird, dass bei der Überstellung von kranken bzw. traumatisierten Personen – wie bei jedem italienischen Staatsbürger – die Möglichkeit der (medizinischen) Behandlung besteht. Bereits im Jahre 2009 habe es bei der SPRAR drei Zentren gegeben, in denen auch psychisch kranke Personen hätten behandelt werden können (zwei in Rom, eines in Turin). Für 2011 seien zudem 50 weitere Behandlungsplätze für psychisch kranke Personen bzw. Personen mit besonders schweren Erkrankungen geplant worden. Inzwischen würden bei Dublin-Überstellungen psychisch kranke Personen in Italien als eine besonders „vulnerable Gruppe“ angesehen.

110

Voraussetzung für den Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem ist zwar grundsätzlich ein gültiger Aufenthaltstitel bzw. ein rechtmäßiger Aufenthalt; bei im italienischen Asylverfahren befindliche Personen stellt sich dieses Problem aber nicht. Der Zugang zu öffentlichen medizinischen Leistungen ist auch nicht an die Voraussetzung eines ständigen Wohnsitzes bzw. feste Adresse gekoppelt, wie gelegentlich behauptet wird. Vielmehr erhalten Asylbewerber bei Bedarf auch ohne einen solchen ständigen Wohnsitz bzw. feste Anschrift vom nationalen Gesundheitsdienst einen Gesundheitsausweis („tessera sanitara“) und eine Steuernummer („codice fiscale“) (vgl. AA, Auskunft v. 09.10.2012 an VG Minden, S. 2 - zur Frage b) 4; ebenso: AA, Auskunft v. 11.07.2012 an VG Freiburg - S. 2 Ziffer I b)). Sollte hingegen etwas anderes gelten, ist davon auszugehen, dass aufgrund einer aktuellen Vereinbarung zwischen der Zentralregierung und den Regionen zumindest eine Not- und Grundversorgung auch für sich illegal in Italien aufhaltende Personen garantiert ist (AA, Auskunft v. 21.01.2013, Anm. 6.2.).

111

Der Senat vermag angesichts dieser Situation nicht zu erkennen, dass damit den eingangs aufgezeigten Mindeststandards bzw. Kernanforderungen nicht genügt wird. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass in bestimmten Fällen womöglich einzelnen Personen eine nur unzureichende medizinische Versorgung zuteil wurde oder diese aus dem medizinischen Versorgungssystem herausgefallen sind.

112

Aber selbst dann, wenn für kranke, behinderte oder sonst gesundheitlich besonders schutzbedürftige Personen die garantierte medizinische Not- und Grundversorgung nicht als ausreichend angesehen würde, ergäben sich daraus jedenfalls für die Klägerin, die keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen angeführt hat, keine Bedenken gegen ihre Überstellung nach Italien.

113

e) Soweit es das Asylverfahren als solches, namentlich die Qualität und die Dauer des Verfahrens betrifft, lässt sich ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 EMRK und Art. 4 EuGrdRCH sowie gegen die einschlägigen unionsrechtlichen Richtlinien ebenfalls nicht feststellen.

114

Italien gewährleistet entsprechend dem (Grund-)Recht auf Asyl (gem. Art. 10 Abs. 3 der italienischen Verfassung, verschiedenen Einwanderungs- und Asylverfahrensgesetzen, insbesondere nach dem Gesetz No. 25/2008 vom 28. Januar 2008) ein Schutzverfahren, das auch für Überstellungen nach der Dublin-II-Verordnung greift. Besonderheiten bestehen insoweit nicht (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 3.1.).

115

Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass es hinsichtlich der Qualität oder der Dauer der Asylverfahren einen Grund für Beanstandungen gibt. Insbesondere lässt sich nicht feststellen, dass von einer unverhältnismäßig restriktiven Asylpraxis auszugehen ist. Gegen eine solche Annahme sprechen die Zahlen, die vom Auswärtigen Amt zum Asylverfahren benannt werden. Danach wurden im Jahre 2010 über 14.042 Asylanträge entschieden, davon wurden 2.094 Antragsteller nach der Genfer Konvention anerkannt (15 vom Hundert), 1.789 erhielten subsidiären (13 vom Hundert), 3.675 humanitären Schutz (26 vom Hundert), hingegen wurden 4.698 abgelehnt. 520 Personen waren nicht auffindbar (4 vom Hundert) und 1.266 (9 vom Hundert) sind sonstige Fälle. Dementsprechend lag die Quote der Anerkennungen bzw. der Gewährung eines Bleiberechts bei immerhin 54 vom Hundert (vgl. AA, Auskunft v. 21.02. 2013, Anm. 3.2.). Demgegenüber wurden im Jahre 2011 über 25.626 Asylanträge entschieden. Davon wurden 2.057 Antragsteller nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt (8 vom Hundert), 2.569 Personen erhielten subsidiären (10 vom Hundert) und 5.662 humanitären Schutz (22 vom Hundert); 11.131 Personen wurden hingegen abgelehnt (44 vom Hundert) und 2.339 Personen waren nicht auffindbar (9 vom Hundert). Die Anerkennungsquote lag 2011 somit bei 40 vom Hundert, was ebenfalls nicht die Annahme einer unverhältnismäßig restriktiven Praxis rechtfertigt (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 3.2.; AA, Auskunft v. 11.07.2012 an VG Freiburg, S. 5 unter Hinweis auf eine entsprechende Statistik des Innenministeriums, abrufbar unter: http://www.interno.it/miniinteno/export/sites/default/it/assets/files/21/0551_statistiche_asilo.pdf).

116

Es kommt hinzu, dass sich die für die Entscheidung der Asylverfahren in erster Instanz zuständigen Territorialkommissionen per Dekret des Innenministers in der Weise zusammensetzen, dass auch jeweils ein Vertreter des UNHCR beteiligt ist (Bundesamt für Migration der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Hintergrundnotiz MILA - Italien Asylverfahren, Bericht vom 23.09.2009, S.4). Dies berechtigt zur Annahme, dass der Ordnungsmäßigkeit des Asylverfahrens eine besondere Beachtung geschenkt wird.

117

Hinsichtlich der Dauer des Asylverfahrens in Italien gibt es ebenfalls nichts zu beanstanden. Über den Asylantrag soll an sich innerhalb von 30 Tagen entschieden werden; zudem wird angestrebt, dass das Gesamtverfahren einschließlich gerichtlicher Überprüfung nicht länger als sechs Monaten dauert, auch wenn es immer wieder Fälle gibt, in denen diese Dauer – manchmal bis zu einem Jahr oder auch länger – überschritten wird (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 3.1., 3.2.; ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013, a. a. O. Rn. 15).

118

Ferner lässt sich nicht feststellen, dass es in Italien während des Asylverfahrens in nennenswerter Weise faktische Beeinträchtigungen in verfahrensrechtlicher bzw. prozessualer Hinsicht gibt. Art. 16 des italienischen Asylverfahrensgesetzes No. 25 vom 28. Januar 2008 garantiert dem Asylbewerber, dass er nach den einschlägigen Prozessvorschriften Anspruch auf eine Rechtsberatung und einen unentgeltlichen Rechtsbeistand im Verfahren hat (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 3.4.). Zwar bestehen Zweifel, ob dies auch in der Praxis ausnahmslos Geltung besitzt, wenn man berücksichtigt, dass für die nach Rom zurückkehrenden Dublin-II-Rückkehrern (und in Rom eintreffenden Asylbewerber) die Prozesskostenhilfe davon abhängig gemacht wird, dass zum Nachweis der wirtschaftlichen Bedürftigkeit eine Bescheinigung der jeweiligen Auslandsvertretung beigebracht werden soll. Allein wegen der Tatsache, dass der Asylbewerber im Einzelfall das Verfahren ohne anwaltlichen Beistand durchzuführen hat, soweit kein Anwaltszwang besteht, kann nicht schon von einem (landesweit bestehenden) systemischen Mangel gesprochen werden, der die Annahme einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i. S. d. Grundrechtscharta und EMRK rechtfertigt. Im Übrigen stehen dem Asylbewerber im Asylverfahren auch Übersetzungsdienste zur Verfügung (vgl. AA, Auskunft an OVG LSA v. 21.02.2013, Anm. 2.3. und 3.3.; AA, Auskunft v. 11.07.2012 an VG Freiburg, S. 3).

119

Insbesondere bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass – von Ausnahmen abgesehen – die für die Durchführung des Hauptsacheverfahrens erforderliche Erreichbarkeit des Asylbewerbers in Italien nicht sichergestellt wäre. Für eine solche Annahme fehlt es an hinreichend belegten Referenzfällen. Auch gibt es für Italien keine ernst zu nehmenden Quellen, wonach sich die Wahrnehmung von Verfahrensrechten (Antragstellung, Einlegung von Rechtsbehelfen etc.) regelmäßig als derart schwierig erweist, dass diese Rechte faktisch leer laufen würden.

120

Soweit in der Rechtsprechung dennoch vereinzelt – so u. a. das VG Gießen (Beschl. v. 10.03.2011 - 1 L 468/11.GI.A - Juris) und ihm folgend das VG Magdeburg (Beschl. v. 21.11.2011 - 9 A 351/10 -) – die Auffassung vertreten wird, „es erscheine auch die Qualität der Asylverfahren bedenklich“, wird diese Kritik nicht weiter spezifiziert und auch nicht durch entsprechende Erkenntnismittel belegt.

121

f) Ebenso lässt sich anhand des dem Senat vorliegenden Erkenntnismaterials nicht feststellen, dass im Hinblick auf die rechtliche und soziale Situation anerkannter Asylbewerber sowie der Flüchtlinge mit einem Bleiberecht angesichts der in Italien anzutreffenden Lebens- und Versorgungssituation sowie unter Berücksichtigung der insoweit staatlicherseits unternommenen Integrationsbemühungen das Aufnahme- und Asylverfahren in Italien derartige Mängel aufweist, dass es den Anforderungen des europäischen Asylsystems nicht mehr entspricht.

122

Schutzberechtigte, mithin anerkannte Asylbewerber (Asylberechtigte) und Personen mit subsidiärem Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten mit ihrer Anerkennung ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht; es wird ihnen eine Aufenthaltsberechtigung („permesso di soggiorno“) ausgestellt. Danach genießen sie in Italien dieselben Rechte wie italienische Staatsangehörige (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.2.).

123

Dies bedeutet in der Praxis, dass sie sich – ebenso wie italienische Staatsangehörige – grundsätzlich selbst um eine Unterkunft kümmern und auch in eigener Verantwortung einen Arbeitsplatz suchen müssen. Dafür besteht aber ein freier Zugang zum Arbeitsmarkt (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Alle Personen, die in Italien einen Schutzstatus besitzen, haben auch das Recht zu arbeiten (AA, Auskunft v. 21.02.2013, a. a. O.).

124

Sie können ihren Lebensunterhalt dadurch verdienen, dass sie je nach Ausbildung oder Befähigung einer zumindest einfachen Arbeit nachgehen (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 5.1.). Anerkannte Asylbewerber und Personen mit einem subsidiären Schutzstatus haben Zugang zu einer Beschäftigung in Italien, wie dies durch Art. 26 und Art. 28 der Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) garantiert wird.

125

Ein staatliches System finanzieller Hilfeleistungen bzw. ein Sozialhilfesystem existiert hingegen nicht. Denn in Italien gibt es für italienische Staatsangehörige – und somit auch für anerkannte Flüchtlinge und Personen mit subsidiärem Schutzstatus, die ihnen gleichgestellt sind – kein national garantiertes Recht auf Fürsorgeleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bzw. (sonstige) staatliche Sozialleistungen, jedenfalls soweit sie nicht das 65. Lebensjahr erreicht haben (AA, Auskunft v. 11.07.2012 an das VG Freiburg). Art. 28 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gewährt hinsichtlich der Sozialleistungen nur einen Anspruch auf Inländergleichbehandlung, nicht aber einen Anspruch auf Privilegierung des anerkannten Flüchtlings.

126

Zwar entspricht es der italienischen Kultur, dass es einen engen Familienzusammenhalt gibt, der im Notfall zumindest die Chance eröffnet, eine (gewisse) Unterstützung durch Familienangehörige in Anspruch nehmen zu können. Dass es eine solche vergleichbare Unterstützung unter den ausländischen Landsleuten gibt, die sich aufgrund ihres Schutzstatus dauerhaft in Italien aufhalten, erscheint nicht ausgeschlossen, dürfte aber die Ausnahme sein. Gleichwohl lässt dieser Umstand nach Auffassung des Senats für sich allein nicht schon die Annahme gerechtfertigt erscheinen, dass der anerkannte Flüchtling und sonstige Schutzberechtigte in Italien deshalb der konkreten Gefahr ausgesetzt wäre, „auf der Straße“ zu leben und zu verelenden.

127

Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass – ebenso wie italienische Staatsangehörige in einer vergleichbaren Situation – auch anerkannte Asylbewerber und schutzberechtigte Flüchtlinge von nichtstaatlichen Hilfsorganisationen, wie beispielsweise durch die CARITA und CIR, Unterstützung bekommen können (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Die Zuständigkeit für die Festsetzung von derartigen öffentlichen Sozialleistungen liegt grundsätzlich im Kompetenzbereich der Regionen. In bestimmten Regionen (z. B. Toskana, Emilia Romagna) wird die Höhe derartiger Leistungen durch die Kommune festgesetzt; die Leistungen weisen insoweit je nach regionaler und kommunaler Finanzkraft deutliche Unterschiede auf (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Diese Erkenntnis deckt sich im Übrigen mit dem Gutachten der Flüchtlingsorganisation borderline-europe e. V. (Gutachten an das VG Braunschweig vom Dezember 2012) und der Auskunft der italienischen Vereinigung für rechtliche Untersuchungen zur Situation von Einwanderung (ASGI-Bericht vom 20. November 2011, S. 10 f.). Danach erhalten ebenfalls anerkannte Asylbewerber und Personen, denen internationaler Schutz gewährt worden ist, Unterstützungen allgemeiner Art, wie sie auch für andere mittellose Personen in Italien vorgesehen sind.

128

Überdies ist für anerkannte Flüchtlinge und Personen mit subsidiärem Schutzstatus ein kostenfreier Zugang zu allen öffentlichen medizinischen Leistungen wie Arzt, Zahnarzt, Krankenhaus gewährleistet (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Ein Anspruch auf Einhaltung bestimmter Mindeststandards im Hinblick auf die Gewährung von Unterkunft sowie auf eine gewisse materielle Unterstützung besteht für sie auch nach dem Unionsrecht nicht; ein solcher Anspruch besteht nur für Asylbewerber (EGMR, Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - M.S.S. v. Belgium and Greece; EuGH, Urt. v. 21.12. 2011 - C-411/10 und C-493/10 - N.S. und M.E.), denn nach den Bestimmungen der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 steht Asylbewerbern und Schutzsuchenden zwar ein subjektives Recht auch auf eine angemessene Fürsorge zu. Nach Art. 3 Abs. 1 der genannten Richtlinie haben Asylbewerber jedoch nur solange Anspruch auf die in Art. 5 ff. der Richtlinie bezeichneten humanitären Leistungen, solange sie „als Asylbewerber im Hoheitsgebiet verbleiben dürfen“. „Asylbewerber“ im Sinne der Richtlinie ist dabei ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, der einen Asylantrag gestellt hat, über den noch nicht entschieden wurde.

129

Soweit anerkannten Asylbewerbern und schutzberechtigten Flüchtlingen in der Zivilbevölkerung vereinzelt Vorbehalte entgegen gebracht werden und sich diese Vorbehalte womöglich auch im Verhalten von Amtsträgern widerspiegeln sollten, lässt sich diesem Umstand keine selbständige rechtliche Bedeutung beimessen. Die gilt selbst dann, wenn der genannte Personenkreis im Alltag womöglich Benachteiligungen erfahren sollte. Denn die genannten Umstände lassen nicht den Schluss zu, dass das Aufnahme- und Asylverfahren in Italien schon allein aus diesem Grunde den Regeln des europäischen Asylsystems zuwiderläuft.

130

Nach allem erübrigt sich hier die Erörterung der weitergehenden Frage, ob und inwieweit auch möglicherweise jene (unionsrechtlichen) Rechtsverletzungen für die Entscheidung über den Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO relevant sind, die Personen betreffen, bei denen das Asylverfahren bereits mit einer Anerkennung bzw. mit einem subsidiären Schutzstatus abgeschlossen ist (vgl. hierzu VG Regensburg, Beschl. v. 16.08.2012 - RN 7 S 12.30273 -).

131

g) Zur Überzeugung des Senats steht auch bei der gebotenen Zukunftsprognose nicht zu erwarten, dass angesichts eines unvermindert anhaltenden oder wieder zunehmenden Flüchtlingsstroms nach Italien sich die dort anzutreffenden Verhältnisse (wieder) verschlechtern werden. So verhält es sich jedenfalls dann, wenn man bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats Folgendes in Rechnung stellt:

132

Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes ist in Italien gegenwärtig nicht (mehr) von einem Anstieg des Zustroms von Asylbewerbern und Flüchtlingen auszugehen (AA, Auskunft v. 21.02.2013 Anm. 9.1. und 9.2.). Diese Entwicklung wird auch durch das dem Senat vorliegende Zahlenmaterial belegt. Laut Berichterstattung in der Presse (Spiegel online v. 26.04.2011) haben von Januar bis Ende April 2011 allein 26.000 Flüchtlinge in Italien um Schutz nachgesucht. Demgegenüber wurden laut Auskunft des Auswärtigen Amtes im ersten Halbjahr 2012 nur insgesamt 5.580 Asylanträge in Italien gestellt (AA, Auskunft v. 21.01.2013 Anm. 3.2.).

133

Insbesondere ist auch ein deutlicher Rückgang von Anlandungen im Süden Italiens zu verzeichnen. Im Jahr 2011 waren es noch 62.692 Personen, im Jahre 2012 hingegen nur noch 13.267 Personen (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 9.1. und 9.2.). Dies ist – wie das Auswärtige Amt in nachvollziehbarer Weise feststellt – vor allem auf die Beruhigung der Lage in den Nordafrikanischen Staaten zurückzuführen (AA, a. a. O.).

134

Im Übrigen ist auch in der Gesamtschau des letzten Jahrzehnts nicht von einem kontinuierlichen und erheblichen Zuwachs an Asylbewerbern und Flüchtlingen in Italien auszugehen, so dass etwa deshalb die Annahme einer nicht (mehr) zu bewältigenden “Überlastung“ des Asylsystems in Italien begründet wäre. In der ersten Hälfte des letzten Jahrzehnts waren die Zahlen bis 2006 vielmehr rückläufig, die Zahl der Asylantragsteller ging insoweit von 24.000 auf 10.000 zurück. In den Jahren 2008 und 2011 gab es dann in den Spitzen über 30.000 Asylbewerber, während es im Jahre 2012 allerdings wieder weniger als 15.000 Bewerber waren. Bei den genannten Spitzen handelte es sich somit um temporäre Erscheinungen aufgrund der politischen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem “arabischen Frühling“ (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 9.1.2.). Auch ist nach aktueller Einschätzung, namentlich vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung in den Mittelmeer-Anrainerstaaten, nicht damit zu rechnen, dass die Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien in absehbarer Zeit ansteigen wird (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 9.1.3.).

135

Nach allem erweist sich die in der einschlägigen Rechtsprechung vielfach angeführte Begründung, dass wegen der zu erwartenden weiteren Flüchtlingsströme von Afrika nach Italien infolge der kriegerischen Auseinandersetzungen und der damit einhergehenden instabilen Verhältnisse in Nordafrika sich die Entwicklung in Italien in absehbarer Zeit voraussichtlich nicht verbessern, sondern eher noch verschlechtern wird (so u. a. VG Stuttgart, Beschl. v. 02.07.2012 - A 7 K 1877/12 - ) als nicht (mehr) tragfähig.

136

Insbesondere lässt sich auch der Stellungnahme des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen – UNHCR – vom 24. April 2012 an das Verwaltungsgericht Braunschweig kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass ernsthaft zu befürchten ist, dass die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien grundlegende Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aufweisen. Nach dem Inhalt dieser Stellungnahme wurden in Italien die regionalen Regierungen im Jahr 2011 nach Ankunft einer erheblichen Zahl von Personen aus Nordafrika ausdrücklich gebeten, zusätzliche Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen. Zwischen den Regierungen und den örtlich zuständigen Behörden wurde zudem eine Vereinbarung getroffen, in der die Kriterien für die landesweite Verteilung von bis zu 50.000 Personen festgehalten wurden. Der UNHCR erkennt vor diesem Hintergrund an, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des Aufnahmesystems stattgefunden haben und die CARA-, CDA- und SPRAR-Projekte insgesamt in der Lage sind, dem Aufnahmebedarf einer signifikanten Anzahl von Asylsuchenden nachzukommen (UNHCR, a. a. O. S. 3).

137

Dass die Verhältnisse zwischen Italien und Griechenland – wie gelegentlich behauptet wird – vergleichbar sind, vermag der Senat nicht festzustellen. Dies bedarf aber auch keiner Vertiefung, weil es hierauf nicht entscheidend ankommt. Dennoch bleibt festzustellen, dass der UNHCR – anders als in Bezug auf Griechenland – für Italien jedenfalls keine Empfehlung ausgesprochen hat, von einer Überstellung bzw. Abschiebung von Dublin-II-Flüchtlingen nach Italien abzusehen. Der Senat misst diesem Umstand kein geringes Gewicht bei. Soweit vereinzelt der Einwand erhoben wird, dies sei dem Umstand geschuldet, dass der UNHCR „politische Rücksichten zu nehmen habe“, ist dies durch Nichts belegt. Zwar hat – ausweislich des Tagungsberichts von Nora Markard zum 12. Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz vom 18.-19. Juni 2012 in Berlin (ZAR 10/2012 S. 380 ff. S. 381 zur Situation in Italien) – der UNHCR Senior Regional Protection Associate Jürgen Humberg im Hinblick auf die deutsche Debatte über die Zulässigkeit von Abschiebungen nach Italien angeblich betont, dass der Umstand, dass der UNHCR bisher kein Positionspapier zu Italien veröffentlicht habe, nicht bedeute, dass in Italien „alles in Ordnung sei“; eine solche Schlussfolgerung, den einige Verwaltungsgerichte zögen, sei unzulässig. Auch diese Äußerung veranlasst den Senat nicht zu einer anderen Einschätzung im Hinblick darauf, dass sich der UNHCR – anders als in anderen Fällen – einer entsprechenden offiziellen Stellungnahme bzw. Empfehlung, von einer Rückführung von Asylbewerbern nach Italien abzusehen, enthalten hat. Dies bedeutet keineswegs, dass der Senat der Auffassung wäre, in Italien „sei alles in Ordnung“; hieraus aber folgt eben noch nicht, dass in Bezug auf das Asyl- und Aufnahmeverfahren in Italien systemische Mängel feststellbar sind, die eine Verletzung der Europäischen Grundrechtscharta oder der Menschenrechtskonvention darstellen.

138

Festzustellen bleibt überdies, dass der UNHCR auch in seinem jüngsten Bericht (UNHCR - Recommendations on important aspects of Refugee protection in Italy) vom Juli 2013 trotz zahlreicher kritischer Anmerkungen bei seiner Einschätzung zur aktuellen Lage der Flüchtlinge und Asylbewerber in Italien zu keinem anderen Ergebnis gekommen ist.

139

Schließlich hat auch der EGMR in einer neueren Entscheidung vom 02. April 2013 (Ap-plication No. 27725/10 - Mohammed Hussein vs. the Netherlands and Italy) eine gegen die Dublin-Überstellung von den Niederlanden nach Italien gerichtete Beschwerde als offensichtlich unbegründet abgewiesen. In der Entscheidung hat sich der EGMR mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, einer nach eigenen Angaben aus Somalia stammenden Frau mit zwei kleinen Kindern, zum Asylverfahren und auch zur Unterbringungssituation in Italien auseinander gesetzt und festgestellt, dass die Situation in Italien keineswegs mit der in Griechenland vergleichbar sei (Entscheidung v. 02.04. 2013, a. a. O. Rdn. 72). Auch aus dem Umstand, dass der EGMR in einer früheren Entscheidung (Application No. 64208/11) die Abschiebung eines Asylbewerbers von Deutschland nach Italien gestoppt hat, lässt sich nicht herleiten, dass Italien generell die Anforderungen des europäischen Asylsystems nicht erfüllt. Die Gründe für den mit der genannten Entscheidung verhängten Abschiebungsstopp sind letztlich nicht bekannt. Dem „Statement of Facts“ ist indes zu entnehmen, dass sich der dortige Antragsteller zwar auch auf die Lebensumstände von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Italien berufen hat, jedoch insbesondere im Raum stand, dass er durch die Abschiebung aufgrund unterschiedlicher Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Münster und Magdeburg von seiner Frau und seinen Kindern getrennt werden würde, deren Abschiebung gestoppt wurde. Weitere Fälle des EGMR (Application No. 30815/09, Application No. 37159/09, Application No. 56424/10) betrafen unbegleitete Minderjährige und die spezielle Situation einer Mutter mit einem minderjährigen Kind (Application No. 2303/10).

140

Im Übrigen haben sowohl der Österreichische Asylgerichtshof (Spruch v. 03.05. 2010 - S16 412.104-1/2010-4E -, veröffentlicht unter http://www.ris.bka.gv.at, dort insbes. Ziffer 2.2.2.2.1. "Kritik am italienischen Asylwesen" m. w. N.) als auch das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht (vgl. u. a. Urt. v. 15.07.2010 - D 4987/ 2010 - und Urt. v. 18.03.2010 - D-1496/2010 -, im Internet abrufbar unter: http://www.bundes verwaltungsgericht.ch/index/entscheide/Jurisdiction-datenbank/Jurisdiction-recht-urteile aza.htm) die Rückführung von Asylsuchenden nach Italien in Ansehung der dortigen Asylverfahrenspraxis grundsätzlich als zulässig angesehen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der angeführten Entscheidungen Bezug genommen.

141

Auch der Umstand, dass zahlreiche Verwaltungsgerichte hinsichtlich der Situation der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien zu einer gegenteiligen Einschätzung hinsichtlich der Verhältnisse und des Asylsystems in Italien gelangt sind, veranlasst den Senat nicht zur Annahme, dass die Behandlung der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien nicht in Einklang steht mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtscharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Nach Auffassung des Senats wird in der insoweit einschlägigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte häufig nicht hinreichend dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich bei den zugrunde gelegten Erkenntnismitteln nicht selten um bloße subjektive Einschätzungen handelt, die nicht in der erforderlichen Weise durch Fakten belegt sind. Auch erscheint mitunter fraglich, ob die insoweit festgestellten Mängel und Defizite verallgemeinerungsfähig sind. Nicht zuletzt haben sich die Verhältnisse in Italien – wie dargelegt – zwischenzeitlich teilweise geändert, so etwa in Bezug auf den Flüchtlingsstrom aus Nordafrika und die Anzahl der für die Asylbewerber und Flüchtlinge zur Verfügung stehenden Unterkünfte. Im Übrigen ist Gegenstand der Prüfung nach § 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-VO) nicht die Frage, ob die Aufnahmebedingungen und das Asylverfahren für Flüchtling und Asylbewerber kritikwürdig sind, weil das System zahlreiche Mängel aufweist oder hinter dem Schutzniveau anderer Mitgliedstaat zurückbleibt.

142

Der Senat sieht auch keine Veranlassung, weitere Gutachten, Auskünfte oder Stellungnahmen zur Situation von Asylbewerbern und Flüchtlingen in Italien einzuholen. Nach anerkannter Rechtsauffassung ist die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nur dann geboten, wenn sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung aufdrängen musste, weil bereits vorliegende Gutachten, Auskünfte oder Stellungnahmen nicht den ihnen obliegenden Zweck erfüllen (konnten), dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts notwendige Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. In diesem Sinne kann z. B. ein Sachverständigengutachten für die Überzeugungsbildung des Gerichts ungeeignet oder jedenfalls unzureichend sein, wenn es grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, wenn es von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht (BVerwG, Beschl. v. 14.04.2011 - 2 B 80/10 - m. w. N., Juris). Dies ist hier aber nicht der Fall. Zwar sind die dem Senat vorliegenden zahlreichen Gutachten, Auskünfte und Stellungnahmen nicht in allen Punkte stets konsistent und völlig frei von gewissen Widersprüchen; soweit es indes die im vorliegenden Fall entscheidungserheblichen Tatsachen und Erkenntnisse betrifft, sind diese aufgrund der herangezogenen Erkenntnismittel zur Überzeugung des Senats hinreichend geklärt und eindeutig und mithin für die Überzeugungsbildung ausreichend.

143

Der Senat sieht insbesondere auch keine Veranlassung, an der Tauglichkeit des vorhandenen Erkenntnismaterials für die hier entscheidungsrelevanten Fragen zu zweifeln. Dies gilt speziell auch hinsichtlich des Beweiswertes der Auskünfte des Auswärtigen Amtes, da sie grundsätzlich eine sich auf unterschiedliche Erkenntnisquellen stützende Gesamtbewertung vornehmen und zudem im Allgemeinen den tatsächlichen Verhältnissen am nächsten kommen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.08.2006 - 1 B 24.06 - Juris; Beschl. v. 06.10.1997 - 9 B 803.97 - Juris; Beschl. v. 08.09.1997 - 9 B 401.97 -; Beschl. v. 15.10. 1985 - 9 C 3.85 - Juris sowie Beschl. v. 31.07.1998 - 9 B 71.85 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 28 = Juris). Nicht anders verhält es sich hier. So beruhen die den Auskünften des Auswärtigen Amtes zugrunde liegenden Erkenntnisse auf laufenden Gesprächen der Botschaft Rom mit dem italienischen Flüchtlingsrat CIR, UNHCR und IOM in Rom, den Präsentationen des italienischen Innenministeriums und des statistischen Amtes ISTAT sowie schließlich auf Kontakten zu nichtstaatlichen karitativen Organisationen wie Carita Migrantes, Comunità di Sant’ Egidio u. a..

144

Nach allem vermag der Senat nicht zur Überzeugung zu gelangen, dass ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 21.12.2011, a. a. O.) die Annahme rechtfertigen, dass die Klägerin aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien im Falle einer Abschiebung bzw. Überstellung dorthin Gefahr laufen wird, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. d. Art. 3 EMRK und § 4 EuGrdRCH ausgesetzt zu werden und dass sich deshalb die Rücküberstellung als rechtswidrig erweist.

III.

145

Soweit das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid zugleich die Abschiebung der Klägerin nach Italien gem. § 34 Abs. 1 AsylVfG angeordnet hat, bestehen gegen die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung keine Bedenken.

146

§ 34a AsylVfG überantwortet die Entscheidung über die Abschiebung dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, so dass dieses die Abschiebungsanordnung verfügt. Das Bundesamt ordnet dabei nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Abschiebungsverbote sind nicht ersichtlich.

147

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.

148

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§§ 132 Abs. 2, 137 VwGO).


Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.


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Tenor

1. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Verfahren 7 K 421/14.A gegen den Bescheid vom 30. Januar 2014 wird abgelehnt.

     Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (A 4 K 2202/11) gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 25.08.2011 wird angeordnet.

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, dem Regierungspräsidium Karlsruhe mitzuteilen, dass eine Abschiebung des Antragstellers nach Italien vorläufig nicht durchgeführt werden darf.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

 
A. Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage (A 4 K 2202/11) gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 25.08.2011, zugestellt am 02.11.2011, anzuordnen (§ 80 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylVfG), ist zulässig.
I. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes richtet sich vorliegend nach § 80 Abs. 5 VwGO. Der Antragsteller beantragt im Hauptsacheverfahren (A 4 K 2202/11) die isolierte Aufhebung des Bescheids der Antragsgegnerin vom 25.08.2011, hat folglich eine isolierte Anfechtungsklage erhoben. Die Anfechtungsklage ist in Fällen der §§ 27a, 34a AsylVfG statthafte Klageart. Denn die antragsgemäße Entscheidung des Gerichts - Aufhebung der ablehnenden Entscheidung, mit der die Durchführung eines Asylverfahrens für unzulässig erklärt wurde - führt zu einer formellen und materiellen Prüfung des Asylantrags durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, ohne dass dem Kläger eine mit umfassenden Verfahrensgarantien ausgestattete Tatsachenentscheidung genommen wird (für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage in Fällen des § 27a AsylVfG auch VG Wiesbaden, Urteil vom 17.06.2011 - 7 K 327/11.WI.A -, juris, unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 -, juris; VG Neustadt, Urteil vom 16.06.2009 - 5 K 1166/08.NW -, juris; ohne nähere Begründung auch VG Braunschweig, Urteil vom 01.06.2010 - 1 A 47/10 -, juris; VG München, Urteil vom 29.11.2011 - M 24 K 11.30219 -, juris; VG Ansbach, Beschluss vom 08.11.2011 - AN 11 S 11.30508 -, juris; VG Frankfurt, Urteil vom 23.06.2010 - 7 K 2789/09.F.A. -, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 01.02.2010  - Au 5 S 10.30014 -, juris; a.A. [Statthaftigkeit nur der Verpflichtungsklage] OVG NRW, Urteil vom 10.05.2010 - 3 A 133/10.A -, juris). Ist aber in der Hauptsache die Anfechtungsklage statthaft, richtet sich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 123 Abs. 5 VwGO allein nach § 80 Abs. 5 VwGO.
II. § 34a Abs. 2 AsylVfG, der seinem Wortlaut nach vorläufigen Rechtsschutz bei Abschiebungen nach § 34a Abs. 1 AsylVfG ausschließt, steht dem nicht entgegen. Zwar handelt es sich bei der geplanten Abschiebung des Antragstellers um eine solche nach § 34a Abs. 1 AsylVfG, denn der Antragsteller soll nach Italien als dem gemäß § 27a AsylVfG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 b und c, Art. 4 und Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 - Dublin II-VO - für die Durchführung seines Asylverfahrens zuständigen Staat überstellt werden. Auch im Falle von Italien kommt jedoch angesichts der jüngsten Berichte zur Lage der Flüchtlinge dort eine im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG verfassungskonforme Auslegung bzw. Reduktion des § 34a Abs. 2 AsylVfG, wie sie das Bundesverfassungsgericht in Fällen der Abschiebung nach Griechenland annimmt (vgl. zul. Beschluss vom 15.07.2010 - 2 BvR 1460/10 -, juris), zum Tragen.
1. Das Bundesverfassungsgericht hat im Hinblick auf § 26a AsylVfG (sicherer Drittstaat) bereits im Jahr 1996 entschieden (Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 -, juris), dass die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes trotz der in § 34a Abs. 2 AsylVfG enthaltenen Ausschlussregelung und trotz des der Drittstaatenreglung zugrundeliegenden Konzepts der normativen Vergewisserung gleichwohl statthaft und geboten sein kann, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass der Ausländer von einem Sonderfall betroffen ist, der vom Vergewisserungskonzept nicht aufgefangen wird. Auch in den Fällen, in denen Gegenstand des Eilrechtsschutzantrags eine beabsichtigte Abschiebung in einen nach der Dublin II-Verordnung zuständigen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ist, kann eine verfassungsrechtlich gebotene Reduktion des § 34a Abs. 2 AsylVfG in Betracht kommen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.07.2010 - 2 BvR 1460/10 -, juris). Diese ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf § 27a AsylVfG dann geboten, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass der Ausländer von einem Sonderfall betroffen ist, der außerhalb des Konzepts normativer Vergewisserung über die Sicherheit im jeweiligen EU-Mitgliedstaat liegt. An diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen. Das Konzept normativer Vergewisserung bezieht sich darauf, dass diese Staaten Flüchtlingen den nach der Genfer Flüchtlingskonvention und der Menschenrechtskonvention gebotenen Schutz gewähren, was beinhaltet, dass es schutzsuchenden Ausländern nach den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen möglich ist, ein Schutzgesuch tatsächlich anzubringen und dadurch die Verpflichtung einer zuständigen Stelle zu begründen, hierüber nach vorgängiger Prüfung eine Entscheidung zu treffen. Ein Sonderfall kann daher ausnahmsweise dann vorliegen, wenn sich ein Staat von seinen mit seinem Beitritt zur Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK eingegangenen und von ihm auch generell eingehaltenen Verpflichtungen löst und Ausländern Schutz dadurch verweigert, dass er sich ihrer ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigt (BVerfG, Urteil vom 14.05.1996., a.a.O.), oder wenn das Asylverfahren in einem Staat in der Praxis solche erheblichen strukturellen Mängel aufweist, dass Asylbewerber nur eine sehr geringe Chance haben, dass ihr Antrag ernsthaft geprüft wird (EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09 -, NVwZ 2011, 413). Auch der EuGH hat jüngst (Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u. C-493/10 -, juris) bekräftigt, grundsätzlich sei von einer Vermutung dahingehend auszugehen, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK stehe. Dessen ungeachtet ist nach Auffassung des EuGH jedoch die Überstellung eines Asylbewerbers in einen Staat mit Art. 4 Grundrechte-Charta unvereinbar, wenn systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Statuiert der EuGH für diesen Fall eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den im Sinne der Dublin II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, muss in diesem Ausnahmefall in einschränkender Auslegung des § 34a AsylVfG die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes möglich sein.
2. Unter Berücksichtigung der aktuellen Auskunftslage bestehen erhebliche Zweifel an einer Befugnis der Antragsgegnerin zur Rücküberstellung des Antragstellers nach Italien auf Grundlage des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Denn jedenfalls nach der im Eilverfahren gebotenen und auch nur möglichen summarischen Prüfung ist zweifelhaft, ob Italien gegenwärtig seinen übernommenen Verpflichtungen rechtlich und tatsächlich in ausreichendem Umfang nachkommt und die hinreichende Gewähr dafür bietet, dass Ausländer, die dort einen Asyl- oder Schutzantrag gestellt haben bzw. im Falle ihrer Rücküberstellung noch stellen wollen, nicht von individuellen Gefährdungen i.S.d. Art. 4 Grundrechte-Charta, Art. 3 EMRK betroffen sind.
a) Die in Italien herrschenden Zustände für Asylbewerber, die im Rahmen einer Überstellung nach der Dublin II-Verordnung dorthin zurückkehren, waren bereits vor Beginn der Unruhen in der arabischen Welt im Februar vergangenen Jahres kritikwürdig: Der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe („Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011) deutet darauf hin, dass insbesondere die Richtlinie 2003/9/EG zum Flüchtlingsschutz, nach der die Mitgliedstaaten insbesondere solche materiellen Aufnahmebedingungen schaffen, die Lebensunterhalt einschließlich Unterbringung wie auch Gesundheit der Asylbewerber gewährleisten (vgl. Art. 13 Abs. 2 und Art. 14 dieser Richtlinie), derzeit in vielen Bereichen nicht umgesetzt wird. Der ausführliche Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe schildert Obdachlosigkeit und fehlende existenzielle Versorgung der großen Mehrheit der Asylsuchenden: Zwar sollten Asylsuchende für die Dauer des Asylverfahrens in Erstaufnahmeeinrichtungen, den so genannten CARA (Centri di accoglienza per richiedenti asilo), untergebracht werden; hier seien etwa 2.000 Plätze verfügbar. In der Zeit zwischen dem Erstkontakt mit italienischen Behörden und der formellen Registrierung ihres Asylgesuchs (Verbalizzazione) durch die personell nicht ausreichend ausgestatteten Questura - ein Zeitraum, der einige Monate dauern könne - hätten Asylsuchende jedoch keinen Zugang zu Unterkünften und lebten meist auf der Straße; auch müssten Asylsuchende das CARA regelmäßig nicht nur in jedem Fall nach Erlass des erstinstanzlichen Entscheids, sondern auch dann, wenn das Asylverfahren nicht abgeschlossen ist, nach längstens sechs Monaten verlassen. Das staatliche Aufnahmesystem SPRAR (Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugiati), das italienweit die Unterbringung und Integration von Schutzberechtigten und teilweise auch Asylsuchenden gewährleisten solle, sei mit nur gut 3.000 Plätzen völlig überlastet. Die allermeisten Asylsuchenden hätten, auch wenn sie sich nach sechs Monaten um Arbeitsstellen bewerben dürften, aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit in Italien keine Chance auf reguläre Arbeit, die es ihnen ermöglichte, sich selbst zu versorgen. Sie würden mit der Entlassung aus dem CARA in den meisten Fällen obdachlos und lebten unter freiem Himmel oder in besetzen Häusern unter unhaltbaren Lebensbedingungen; nachdem der Erhalt von Unterstützungsleistungen an den Aufenthalt in einem Zentrum geknüpft sei, habe die Obdachlosigkeit schwerwiegende Folgen nicht nur für ihre grundlegenden Menschenrechte, sondern auch für die weitere Durchführung ihres Asylverfahrens. Auch Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, hätten häufig Schwierigkeiten, eine Unterkunft zu erhalten und seien für die Sicherstellung ihrer lebensnotwendigen Bedürfnisse auf Hilfsorganisationen und NGO’s angewiesen. Diese Bedingungen gälten im wesentlichen auch für auf Grundlage der Dublin II-Verordnung auf dem Luftweg nach Italien zurückgeführte Asylsuchende; die italienischen Behörden seien ebenso wenig wie bei sonstigen Asylsuchenden in der Lage, ihnen bei Rückkehr nach Italien würdige Lebensbedingungen zu gewährleisten, auch insoweit fehle es an Plätzen im staatlichen Aufnahmesystem SPRAR.
b) Mit dieser Einschätzung der Lage steht die Schweizerische Flüchtlingshilfe nicht allein. Vielmehr existieren mehrere in ihren inhaltlichen Aussagen im wesentlichen übereinstimmende Berichte von Nichtregierungsorganisationen, die ausweislich des EuGH geeignet sind, die Mitgliedstaten in die Lage zu versetzen, sich ein Bild über das Funktionieren des Asylsystems im zuständigen Mitgliedstaat zu machen (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.): Der ausführliche Bericht von Maria Bethke und Dominik Bender („Zur Situation von Flüchtlingen in Italien“, Februar 2011; abrufbar unter http://www.proasyl.de/fileadmin/fm-dam/q_PUBLIKATIONEN/2011/Italienbericht_FINAL_15MAERZ2011.pdf) nach ihrer Recherchereise im Oktober 2010, der Bericht der Norwegian Organization für Asylum Seekers („The Italian approach to asylum: System and core problems“, April 2011; abrufbar unter http://www.noas.org/) und der aus dem November 2009 stammende Bericht der Schweizerischen Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht („Rückschaffung in den 'sicheren Drittstaat' Italien“; abrufbar unter http://www.beobachtungsstelle.ch/index.php?id=428&L=2%2F%2F%3F_SERVER%5BDOCUMENT_ROOT%5D%3D) vermitteln ein ganz ähnliches Bild der Situation von Flüchtlingen in Italien (vgl. zur Auswertung aktueller Quellen auch Maria Bethke, „Die Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten in Italien“, Stand 7/2011; abrufbar unter http://www.nds-fluerat.org/6521/aktuelles/infos-fuer-dublin-ii-verfahren-italien/). Im Bericht von Bethke/Bender (a.a.O.) sowie in der Quellenauswertung von Bethke wird insbesondere darauf hingewiesen, dass das Platz- und Obdachlosigkeitsproblem auch Rückkehrer im Rahmen von Dublin-II-Verfahren betreffe, die weder Anspruch auf Wohnraum noch auf existenzsichernde Sozialleistungen hätten; in den Jahren 2008 und 2009 seien nur etwa 12 % der Dublin-Rückkehrer in ein SPRAR-Projekt vermittelt worden, während die ganz überwiegende Mehrzahl der Obdachlosigkeit überlassen worden sei. Weiter verweisen Bethke/Bender (a.a.O.) ausdrücklich darauf, dass bei obdachlosen Personen oder solchen, die in besetzen Häusern wohnten, Postzustellungen nicht möglich seien, so dass amtliche Dokumente, etwa ein im italienischen Asylverfahren noch ausstehender Bescheid, sie nicht erreichen könnten; ebenso wenig sei es ihnen möglich, eine für ein in Deutschland ggf. noch laufendes Gerichtsverfahren notwendige ladungsfähige Anschrift anzugeben.
c) Für die Lagebeurteilung nicht außer Betracht gelassen werden darf weiter der Umstand, dass sich die zitierten Erkenntnismittel mit den Zuständen in Italien beschäftigen, wie sie sich im wesentlichen vor dem Frühjahr 2011 darstellten, zu einem Zeitpunkt also, zu dem die Zahl der Asylanträge in Italien rückläufig war; so wurden im Jahr 2008 30.145 Asylanträge gestellt, 2009 17.670 und 2010 (nur) noch 10.050 (zu den Zahlen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Entscheiderbrief 7/2011). Bereits diese vergleichsweise geringen Zahlen führten zu den in den zitierten Berichten beschriebenen massiven Schwierigkeiten der Asylbewerber, angesichts ihrer prekären Lebenssituation, aber auch angesichts der völlig überlasteten behördlichen Strukturen ein Asylverfahren zu betreiben. Seit Beginn der Unruhen in Nordafrika aber stieg die Zahl der Flüchtlinge, die Italien erreichen, sprunghaft an; nach Angaben des UNHCR (http://www.unhcr.de/home/artikel/042d9651d6d525aad46e97d7ee7848db/hunderte-neuankoemmlinge-aus-libyen-und-tunesien-in-italien.html?L=0) hatten im Jahr 2011 bis Mitte August 52.000 Menschen im Zuge der nordafrikanischen Flüchtlingskrise Italien erreicht, italienische Quellen sprechen Ende September 2011 von über 60.000 Flüchtlingen, die seit Jahresbeginn die italienische Küste erreicht haben (http://www.interno.it/mininterno/export/sites/default/it/sezioni/sala_stampa/notizie/immigrazione/0000070_2011_09_29_informativa_Viale_al_Senato.html). Angesichts dieser Zahlen gibt es keinerlei Anhaltspunkte für eine zwischenzeitliche Verbesserung der Situation der Flüchtlinge in Italien.
d) Diesen Berichten hat die Antragsgegnerin nichts substantiiert entgegengesetzt. Die - unbestrittene - Tatsache, dass es anders als bei Griechenland im Falle von Italien keine Empfehlung des UNHCR dahingehend gibt, Asylsuchende nicht an diesen Staat zu überstellen, genügt nach Auffassung der Kammer nicht; auch das Bundesverfassungsgericht hat sich in seinen die Lage in Griechenland betreffenden Entscheidungen nicht isoliert auf eine entsprechende Stellungnahme des UNHCR, sondern auf die „umfangreichen Stellungnahmen verschiedener Organisationen zur Situation von Asylantragstellern in Griechenland“ berufen (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 22.12.2009 - 2 BvR 2879/09 -, juris; Beschluss vom 13.11.2009 - 2 BvR 2603/09 -, juris). Der Hinweis der Antragsgegnerin darauf, aus dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe ergebe sich keine Empfehlung, Flüchtlinge nicht nach Italien zurückzuschieben, ist in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend. Für bestimmte Personengruppen - verletzliche Personen sowie Asylsuchende, bei denen prima facie die Flüchtlingseigenschaft oder ein subsidiäres Schutzbedürfnis als bestehend betrachtet werden kann - fordert die Schweizerische Flüchtlingshilfe vielmehr explizit die Mitgliedstaaten auf, Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO (Souveränitätsklausel) anzuwenden, um eine Verletzung von Art. 3 EMRK zu verhindern. Aber auch bei allen anderen Asylsuchenden fordert die Schweizerische Flüchtlingshilfe die Mitgliedstaaten ausdrücklich auf, vor der Überstellung der Betroffenen deren Situation sorgfältig abzuklären und dafür zu sorgen, von den italienischen Behörden eine verbindliche Zusage zu erhalten, dass sie in der Lage sind, die Rückkehrenden ab ihrer Ankunft angemessen zu unterstützen. Für eine sorgfältige Abklärung oder gar eine Kontaktaufnahme mit den italienischen Behörden bestehen vorliegend nach Aktenlage indes - insoweit in Übereinstimmung mit der gängigen Praxis der EU-Mitgliedstaaten - keine Anhaltspunkte; in einer solchen Situation aber sind die Empfehlungen, die die Schweizerische Flüchtlingshilfe ausgesprochen hat, durchaus dahingehend zu verstehen, dass eine Überstellung aus Gründen des Menschenrechtsschutzes unterbleiben solle. Ebenso wenig vermag die Kritik des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Entscheiderbrief 7/2011) an den Erkenntnisquellen und den in der Rechtsprechung hieraus gezogenen Konsequenzen zu überzeugen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beruft sich in erster Linie, wie auch die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall, auf die von Gesetzes wegen in Italien bestehenden Rechte von Asylsuchenden auf Unterkunft, Arbeit und Sozialleistungen, setzt sich jedoch nicht auseinander mit den vielfältigen konkreten Hinweisen auf die erhebliche Diskrepanz zwischen den von Italien eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen, denen durch entsprechende Rechtsakte auf formeller Ebene Rechnung getragen worden sein mag, und ihrer Umsetzung in der Praxis. Das Auswärtige Amt und das Bundesamt stellen - soweit ersichtlich - keine eigenen Erkenntnisse zur Verfügung; auch im Übrigen fehlt es an jeglichen Erkenntnismitteln, die eine von den zitierten Auskünften abweichende - günstigere - Lagebeurteilung der Verhältnisse in Italien erlaubten.
10 
e) Nach Auffassung der Kammer nach der bisherigen Recherche und Lektüre der aktuellen Informationen zur Lage in Italien liegen damit aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe im Sinne der EuGH-Rechtsprechung (Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.) für die Annahme vor, der Antragsteller laufe tatsächlich Gefahr, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Angesichts der konkreten Umstände - insbesondere der unter Flüchtlingen verbreiteten Obdachlosigkeit, welche die Zustellung amtlicher Dokumente und damit auch das Betreiben behördlicher wie gerichtlicher Verfahren maßgeblich erschwert, wenn nicht unmöglich macht, aber auch der gerichtsbekannten langen Laufzeiten italienischer Gerichtsverfahren - bestehen nach Aktenlage auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, die Asylbewerber hätten faktisch die Möglichkeit, die ihnen ausweislich der von Italien unterzeichneten internationalen Abkommen wie auch nationalen Gesetze zustehenden (Menschen-)Rechte innerhalb eines überschaubaren Zeitraums einzuklagen. Daher ist der Antrag des Antragstellers in verfassungs- bzw. europarechtskonformer Reduktion des § 34a Abs. 2 AsylVfG zulässig (so für Fälle der Überstellung nach Italien auch VG Freiburg, Beschluss vom 20.10.2011 - A 1 K 1936/11 -; Beschluss vom 06.09.2011 A 3 K 1738/11 -; Beschluss vom 25.10.2011 - A 5 K 2081/11 -; VG Arnsberg, Beschluss vom 25.03.2011 - 12 L 165/11.A -, asyl.net; VG Minden, Beschluss vom 01.09.2011 - 3 L 427/11.A -, asyl.net; VG Stuttgart, Beschluss vom 01.08.2011 - A 6 K 2577/11 -, juris; VG Meiningen, Beschluss vom 21.09.2011 - 8 E 20262/11 -, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 01.08.2011 - 21 L 1083/11.A -, asyl.net; VG Osnabrück, Beschluss vom 23.05.2011 - 5 B 38/11 -, juris; i.Erg. auch VG Wiesbaden, Beschluss vom 12.04.3022 - 7 L 303/11.WI.A -, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 08.07.2011 - Au 6 S 11.30229 -, juris (unter Verweis auf besondere Schutzbedürftigkeit des Antragstellers); a.A. VG Saarlouis, Beschluss vom 22.08.2011 - 5 L 744/11 -, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 05.09.2011 - Au 6 E 11.1320 -, juris; VG Ansbach, Beschluss vom 21.09.2011 - AN 11 S 11.30425 -, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 12.09.2011 - 6 L 866/11.A -, juris; VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 23.05.2011 - 9 L 1025/11.F.A. -, asyl.net; VG Bremen, Beschluss vom 24.01.2012 - 6 V 1549/11.A -, juris).
11 
B. Der Antrag ist auch begründet. Im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Prüfung hat das Gericht das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Bescheids dem privaten Interesse des Betroffenen an einem Absehen von der sofortigen Vollziehung gegenüber zu stellen und abzuwägen. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache maßgeblich. Lassen sich die offensichtliche Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids und damit die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs im Rahmen der summarischen Prüfung nicht ohne weiteres feststellen, hat das Gericht eine Interessenabwägung zu treffen. Dabei hat es die Folgen abzuschätzen, die einträten, wenn der Bescheid sofort vollzogen würde, ein Hauptsacherechtsbehelf des Antragstellers hingegen später Erfolg hätte bzw. wenn der Bescheid nicht sofort vollzogen würde, aber der Hauptsacherechtsbehelf später erfolglos bliebe.
12 
I. Der vorliegende Antrag ist nicht schon deshalb begründet, weil, wie der Antragsteller meint, die zuständigen Behörden der Republik Italien die Übernahme des Asylverfahrens nicht angezeigt hätten und daher nicht feststehe, ob Italien die Übernahme des Antragstellers akzeptiere, so dass die Abschiebungsanordnung rechtswidrig sei. Denn nach Art. 20 Abs. 1 c) Dublin II-VO wird in Fällen, in denen - wie vorliegend - der ersuchte Mitgliedstaat innerhalb der Frist keine Antwort erteilt, davon ausgegangen, dass er die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiert.
13 
II. Das Gericht kommt jedoch im Rahmen der ihm nach § 80 Abs. 5 VwGO obliegenden Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass das private Interesse des Antragstellers, bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht abgeschoben zu werden, das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Abschiebungsanordnung überwiegt.
14 
Im vorliegenden Fall bestehen, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Die offensichtliche Begründetheit der Klage in der Hauptsache lässt sich jedoch wegen der schwierigen Sach- und Rechtsfragen im Rahmen der summarischen Prüfung nicht feststellen; hierzu bedarf es vielmehr einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren, gegebenenfalls nach Durchführung einer Beweisaufnahme. In der daher vorzunehmenden Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO gebührt dem Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung der Abschiebung der Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug der nach summarischer Prüfung rechtswidrigen Abschiebungsanordnung. Denn gegenüber dem Anspruch des Antragstellers auf Schutz entsprechend der europaweit vereinbarten Mindeststandards hat das öffentliche Interesse an der Umsetzung der Zuständigkeitsregelungen der Dublin II-Verordnung zurückzutreten. Dies gilt umso mehr, als die Rückstellungsfristen des Art. 19 Abs. 3 Satz 1, Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO erst nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu laufen beginnen dürften, weil die Klage hier ausnahmsweise nach nationalem Recht aufschiebende Wirkung hat, so dass eine Rücküberstellung des Antragstellers im Falle seines Unterliegens in der Hauptsache wohl immer noch möglich sein dürfte (Hess. VGH, Beschluss vom 23.08.2011 - 2 A 1863/10.Z.A. -, juris, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08 -, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 08.07.2011 - Au 6 S 11.30229 -, juris, m.w.N.). Umgekehrt bestünde bei einer Überstellung nach Italien im laufenden Verfahren angesichts der dem Antragsteller dort drohenden Obdachlosigkeit die konkrete Gefahr, behördlich und gerichtlich unerreichbar zu sein mit der Folge, dass selbst im Falle seines Obsiegens in der Hauptsache die Folgen nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten (vgl. VG Freiburg, Beschluss vom 20.10.2011 - A 1 K 1936/11 -).
15 
Nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Regierungspräsidium Karlsruhe - Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge - bereits die Abschiebungsanordnung übersandt hat, war der Antragsgegnerin zur Sicherung effektiven Rechtsschutzes für den Antragsteller entsprechend § 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO aufzugeben, dem Regierungspräsidium die Aussetzung der Abschiebung mitzuteilen.
16 
Der Antragsgegnerin bleibt es unbenommen, bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zu stellen.
17 
Die Kostenentscheidung folgt § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).
18 
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Tatbestand

1

Die Klägerin ist am (…) 1947 in H. in Syrien geboren. Sie ist verheiratet, yezidischen Glaubens, kurdische Volkszugehörige und sie besitzt die syrische Staatsangehörigkeit. Nach eigenen Angaben reiste sie – zusammen mit ihrer Tochter (...) sowie drei weiteren Kindern – von Syrien kommend am 01. August 2011 zunächst nach Italien, wo sie erkennungsdienstlich behandelt wurde und am 21. August 2011 in B-Stadt einen Asylantrag stellte, und alsdann am 07. September 2011 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 12. September 2011 stellte sie bei der Außenstelle des Bundesamtes in H-Stadt einen (weiteren) Asylantrag.

2

Die Beklagte richtete unter dem 07. Februar 2012 an Italien ein Übernahmeersuchen gem. Art. 10 Dublin-II-VO (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 des Rates vom 10.02.2003). Mit Schreiben vom 16. Februar 2012 erklärten die italienischen Behörden ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags der Klägerin.

3

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte den Asylantrag der Klägerin mit Bescheid vom 13. Juni 2012 als unzulässig ab und ordnete ihre Abschiebung nach Italien an. Nach der Dublin-Verordnung sei Italien für die Bearbeitung ihres Asylantrags zuständig; außergewöhnliche humanitäre Gründe, welche die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach § 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch zu machen, seien nicht ersichtlich.

4

Die Klägerin hat am 29. Juni 2012 beim Verwaltungsgericht Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, sie könne wegen der allgemeinen Situation von Asylbewerbern in Italien nicht darauf verwiesen werden, in Italien ein Asylverfahren durchzuführen, weil davon auszugehen sei, dass das Asylverfahren dort nicht ordnungsgemäß durchgeführt würde. Sie besitze einen Anspruch auf Asyl und Flüchtlingsschutz sowie Abschiebungsschutz; hierüber sei durch das Bundesamt zu entscheiden.

5

Die Klägerin hat beantragt,

6

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13. Juni 2012 zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen und dass Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gegeben sind.

7

Die Beklagte hat beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Sie hat die Ansicht vertreten, Italien erfülle bei der Durchführung von Asylverfahren die Mindeststandards der Europäischen Union. In den italienischen Aufnahmeeinrichtungen seien zahlreiche humanitäre Organisationen tätig, die dies gewährleisten würden. Insbesondere hätten Asylbewerber in Italien vollen Zugang zum Gesundheitssystem. Anders als im Fall Griechenlands gebe es keine Empfehlung des UNHCR, Flüchtlinge nicht an Italien zu überstellen. Dementsprechend habe das Bundesverfassungsgericht auch Verfassungsbeschwerden gegen erstinstanzliche Entscheidungen, denen zufolge eine Abschiebung nach Italien möglich sei, nicht zur Entscheidung angenommen. Ferner sei eine Vielzahl erstinstanzlicher Entscheidungen ergangen, wonach die asylrechtlichen Mindeststandards in Italien gewährleistet seien und woraus sich ergebe, dass der Bericht von Bethke und Bender zu den Problemen der Flüchtlinge in Italien kritisch zu betrachten sei.

10

Auf den Antrag der Klägerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 07. März 2012 – 9 B 57/12 MD – die Beklagte im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Abschiebung der Klägerin nach Italien vorläufig bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu unterlassen.

11

Mit Gerichtsbescheid vom 10. Juli 2012 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13. Juni 2012 verpflichtet, über den Asylantrag der Klägerin in eigener Zuständigkeit zu entscheiden und ein Asylverfahren durchzuführen. Die Klägerin habe nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO einen Anspruch darauf, dass die Beklagte ein Asylverfahren in der Bundesrepublik Deutschland durchführe; das insoweit bestehende Ermessen der Beklagten sei auf Null reduziert. Der Klägerin könne die Durchführung eines Asylverfahrens in Italien nicht zugemutet werden.

12

Der Senat hat auf Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 10. Oktober 2012 die Berufung zugelassen. Zur Begründung der Berufung verweist die Beklagte im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Zulassungsantrag, wonach sie an ihrer bisherigen Auffassung festhält, die Klägerin könne in Anbetracht der in Italien gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse auf die Durchführung eines Asylverfahrens dort verwiesen werden.

13

Die Beklagte beantragt,

14

die Klage unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 9. Kammer - vom 10. Juli 2012 abzuweisen.

15

Die Klägerin beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Sie macht geltend, die Beklagte beziehe sich zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen auf bloße Vorschriften und eine nicht mehr aktuelle Rechtsprechung, während neue Berichte nicht zur Kenntnis genommen würden. Der Auffassung der Beklagten sei im Hinblick auf die humanitäre Situation in Italien entgegen zu halten, dass sich die Situation der Flüchtlinge in Italien aufgrund des anhaltenden Flüchtlingsstroms aus Tunesien und anderen nordafrikanischen Staaten dramatisch verschlechtert habe. Italien sei bereits zuvor mit der Aufnahme von Flüchtlingen und deren ordnungsgemäßer Unterbringung überfordert gewesen. Aufgrund des momentanen Flüchtlingsstroms nach Italien habe sich die Situation noch verschlechtert; es sei damit zu rechnen, dass der Klägerin bereits aus diesem Grunde ein ordnungsgemäßes Asylverfahren verwehrt werde und dass sie obdachlos würde. Im Übrigen dürfe nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs (Urteil v. 21.12.2011 - C-411/11, C-493/10 -) ein Asylbewerber bereits dann nicht an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin-II-VO überstellt werden, wenn ernsthafte Hinweise auf systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedsstaat vorlägen, die eine Gefährdung des Asylbewerbers nahe legen würden. Solche ernsthaften Hinweise lägen hier vor. Die vorliegenden Berichte und sonstigen Erkenntnismittel gingen davon aus, dass das staatliche Aufnahmesystem in Italien völlig überlastet sei. Es existierten 3.000 Plätze, die eine Aufnahme von Asylbewerbern für jeweils nur sechs Monate vorsehen würden. Im Jahre 2011 hätten indessen laut Presseberichterstattung (Spiegel online v. 26.04.2011) in Italien bis Anfang Mai bereits 26.000 Flüchtlinge um Schutz nachgesucht.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Vorbringen der Beteiligten und auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten (Beiakte A) sowie auf die vom Senat in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage der Klägerin mit Gerichtsbescheid vom 10. Juli 2012 zu Unrecht stattgegeben.

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I. Die Klage ist teilweise unzulässig.

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1. Die als Verpflichtungsklage erhobene Klage ist “lediglich“ als Anfechtungsklage zulässig. Gegen die in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13. Juni 2012 getroffene Entscheidung, dass der Asylantrag der Klägerin gem. § 27a AsylVfG (wegen fehlender Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland) unzulässig ist, ist allein die Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO statthaft (ebenso: VG Düsseldorf, Urt. v. 15.01. 2010 - 11 K 8136/09 -; VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009 - 7 K 4376/07.F.A u. a. - InfAuslR 2009,409; Urt. v. 29.09.2009 - 7 K 269/09.F.A -; Urt. v. 23.06. 2010 - 7 K 2789/09.F.A. -; VG Freiburg, Beschl. v. 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 -; VG München, Urt. v. 29.11.2011 - M 24 K 11.30219 -; VG Ansbach, Beschl. v. 08.11. 2011 - AN 11 S 11.30508 -; VG Wiesbaden, Urt. v. 17.06.2011 - 7 K 327/11.WI.A -; VG Braunschweig, Urt. v. 01.06.2010 - 1 A 47/10 -; VG Karlsruhe, Urt. v. 07.04.2010 - A 3 K 1580/09 -; VG Augsburg, Beschl. v. 01.02.2010 - Au 5 S 10.30014 -; Beschl. v. 29.09.2009 - 7 K 269.09 F.A. -; VG Neustadt, Urt. v. 16.06.2009 - 5 K 1166/08.NW -, alle: Juris; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, § 27a Rdnr. 18; a. A. statthaft nur die Verpflichtungsklage: OVG NRW, Urt. v. 10.05.2010 - 3 A 133/10.A - Juris; VG Wiesbaden, Urt. v. 10.03.2010 - 7 K 1389/ 09.WI.A -).

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Im Fall der Aufhebung einer – wie hier – auf § 27a AsylVfG gestützten Entscheidung wegen Unzulässigkeit des Asylantrages ist der Weg für die Durchführung eines Asylverfahrens („in eigener Zuständigkeit“) vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auch ohne ein hierauf gerichtetes Verpflichtungsbegehren eröffnet. Denn das Bundesamt ist nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides bereits von Gesetzes wegen zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet (vgl. § 31 Abs. 2 AsylVfG zur Entscheidung des Bundesamtes über beachtliche Asylanträge). Da grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass die Beklagte ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachkommt, bedarf es demzufolge einer Verpflichtungsklage nicht (ebenso: VG Düsseldorf, Urt. v. 15.01.2010, a. a. O.; vgl. auch VG Frankfurt/Main, Urt. v. 29.09.2009, a. a. O.; Urt. v. 08.07.2009, a. a. O.).

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Überdies muss bezweifelt werden, ob es sich bei der Entscheidung nach Art. 3 Abs. 2 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist – Dublin-II-VO – [z. T. auch „EG-AsylZustVO“ genannt] – (ABl. L 50 vom 25.02.2003, S. 1 -10) um einen (selbständigen) Verwaltungsakt handelt, so dass eine Verpflichtungsklage bzw. – unter Berücksichtigung des im Rahmen der genannten Vorschrift eingeräumten Ermessens – eine Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung in Betracht kommt, oder ob es sich bei der gem. § Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO zu treffende Entscheidung nicht um eine bloß inzidente handelt, da es allein um die Feststellung der Zuständigkeit der Beklagten geht.

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Ebenso scheidet eine Verpflichtungsklage aus, die unmittelbar auf Anerkennung als Asylberechtigter gem. § 16a GG bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG oder aber - hilfsweise - auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gerichtet ist. Denn eine Verpflichtung für das Gericht, die Sache selbst spruchreif zu machen, besteht nur dann, wenn ein „mit seinem Asylantrag beim Bundesamt erfolglos gebliebener Ausländer“ den Klageweg beschreitet (BVerwG, Urt. v. 06.07.1998 - 9 C 45.97 - BVerwGE 107, 128 ff.). Hat hingegen das Bundesamt (noch) keine Sachentscheidung getroffen, so würde dem Betroffenen in dem Falle des “Durchentscheidens“ des Gerichts durch Verpflichtungs-urteil eine Tatsacheninstanz genommen, nämlich dass eine inhaltliche Überprüfung seines Asylbegehrens durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erfolgt (ebenso: VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009, a. a. O.; VG Schleswig, Urt. v. 03.08. 2011 - 1 A 46/11 - und Beschl. v. 12.09.2011 - 12 A 124/10 -; a. A. VG Braunschweig, Urt. v. 21.02.2013 - 2 A 126/11 - u. a. mit Verweis auf VGH Mannheim, Urt. v. 19.06.2012 - A 2 1355/11 -, Juris).

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Im Übrigen verhält es sich bei der Entscheidung nach § 27a AsylVfG ähnlich wie in Fällen der Entscheidung des Gerichts über eine Einstellung des Asylverfahrens nach§ 32 AsylVfG wegen vermeintlicher Antragsrücknahme bzw. Verzicht nach § 14a Abs. 3 AsylVfG sowie in den Fällen der gerichtlichen Entscheidung bei fiktiver Antragsrücknahme nach§ 33 AsylVfG. In den genannten Fällen ist nach der hierzu ergangenen einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 07.03.1995 - 9 C 264.94 -, NVwZ 1996, S. 80 = Juris; vgl. auch Marx, AsylVfG, 7. Aufl. 2009, § 33 Rdnr. 34 ff. m. w. N.) die Verpflichtungsklage unzulässig, weil die verweigerte sachliche Prüfung des Asylantrages nach den Regelungen des Asylverfahrensgesetzes vorrangig von der Fachbehörde nachzuholen ist.

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Auch ist im Hinblick auf die mit dem angefochtenen Bescheid angeordnete Abschiebung der Klägerin nach § 34a Abs. 1 AsylVfG die Verpflichtungsklage nicht veranlasst und stattdessen eine Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO ausreichend (vgl. VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009, a. a. O. und Urt. v. 29.09.2009, a. a. O.; s. auch Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 34a AsylVfG Rdnr. 6; Funke-Kaiser, a. a. O., § 34a Rdnr. 64). Soweit es nämlich darum geht, dass die Beklagte von einem Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO i. V. m. der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 02. September 2003 (Abl. L 222 S. 3) Gebrauch macht, bedarf es im Urteil über eine entsprechende inzidente Feststellung hinaus keiner ausdrücklichen Verpflichtung der Beklagten, von einer Abschiebung abzusehen.

27

Es ist vorliegend davon auszugehen, dass die Anfechtungsklage vom Verpflichtungsbegehren der Klägerin (mit-)umfasst ist. Gegenstand der Anfechtungsklage ist nach allem ausschließlich die Frage nach der Zuständigkeit der Beklagten zur Durchführung eines Asylverfahrens, wobei die Frage nach dem rechtlich gebotenen Selbsteintritt der Bundesrepublik Deutschland inzident zu beantworten ist.

28

2) Der Klägerin steht für ihre Klage auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse zur Seite, da sie weiterhin nach Italien zurückgeführt bzw. rücküberstellt werden könnte, nachdem die italienischen Behörden mit Schreiben vom 16. Februar 2012 (Bl. 115 d. Sachakte) ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung ihres Asylantrags erklärt haben, indem sie dem Übernahmeersuchen stattgegeben und damit ihrer Rücküberstellung zugestimmt haben.

29

II. Die Klage ist im Übrigen unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat den Asylantrag der Klägerin zu Recht als unzulässig abgelehnt und zugleich ihre Abschiebung nach Italien angeordnet. Es musste im vorliegenden Fall insbesondere auch nicht von der Möglichkeit des Selbsteintritts der Beklagten nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch machen.

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1) Rechtsgrundlage des Bescheides vom 13. Juni 2012, mit dem das Bundesamt den Asylantrag der Klägerin als unzulässig abgelehnt hat, ist § 27a AsylVfG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies ist hier der Fall. Zu Recht ist die Beklagte im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, dass die Republik Italien für die Durchführung eines Asylverfahrens der Klägerin zuständig ist.

31

a) Die Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylverfahrens der Klägerin ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO, sofern nicht die nach Art. 5 Abs. 1 der genannten Verordnung vorrangig zu prüfenden Zuständigkeitskriterien nach Art. 6 bis 9 der Verordnung einschlägig sind.

32

Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig, sofern auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 18 Abs. 3 der Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel III derVerordnung (EG) Nr. 2725/2000, festgestellt wird, dass der Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze des Mitgliedstaats illegal überschritten hat (vgl. auch Art. 18 Abs. 4 und 5 Dublin-II-VO).

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Dies bedeutet, dass – soweit nicht die Vorschriften nach Art. 6 bis 9 Dublin-II-VO einschlägig sind – im vorliegenden Fall Italien für die Prüfung des Asylantrags der Klägerin zuständig ist, da sie ihren eigenen Angaben zufolge aus Syrien kommend die Grenze nach Italien illegal überschritten hat (und dort – in B-Stadt – am 21. August 2011 zugleich einen Asylantrag gestellt hat [Bl. 108 ff. d. Sachakte]).

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Die insoweit gegebene Zuständigkeit endet zwar gem. Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Die Klägerin hat jedoch am 12. September 2011 und damit noch vor Ablauf der Jahresfrist ihren Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt, so dass die Zuständigkeit Italiens nicht nach Satz 2 entfallen ist. Die Einreise der Klägerin nach Italien erfolgte am 07. September 2011; die Jahresfrist lief somit am 07. September 2012 ab. Dass die Frist nunmehr abgelaufen ist, ist unschädlich, weil für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates nach Art. 5 Abs. 2 Dublin-II-VO auf die Situation in dem Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

35

b) Im Falle der Klägerin sind auch die Voraussetzungen nach Art. 6 bis 9 Dublin-II-VO nicht erfüllt. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich Art. 7 der Verordnung, wonach – soweit die betroffenen Personen dies wünschen – der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig ist, wo ungeachtet dessen, ob die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat, der Asylbewerber einen Familienangehörigen hat, dem das Recht auf Aufenthalt in einem Mitgliedstaat in seiner Eigenschaft als Flüchtling gewährt wurde, sowie hinsichtlich Art. 8 der Verordnung, wonach – soweit die betroffenen Personen dies wünschen – dem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrages obliegt, in dem der Asylbewerber einen Familienangehörigen hat, über dessen Asylantrag noch keine erste Sachentscheidung getroffen wurde. Die genannten Vorschriften sind im Falle der Klägerin jedoch nicht einschlägig.

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Es ist schon nicht ersichtlich, dass die nach Art. 7 und 8 der Verordnung genannten Voraussetzungen bei der Tochter der Klägerin, mit der sie zusammen in das Bundesgebiet eingereist ist, oder bei ihren in Deutschland lebenden volljährigen Kindern vorliegen. Dies kann aber auch dahin stehen. Denn jedenfalls gelten die genannten Personen nicht als „Familienangehörige“ i. S. d. Dublin-II-VO. Hierzu gehört nach Art. 1 Buchst. i) der Verordnung nur die Mitglieder der “Kernfamilie“, d. h. die Ehegatten des Asylbewerbers und unter bestimmten Voraussetzungen der nicht verheiratete Partner des Asylbewerbers, die minderjährigen Kinder der genannten Personen sowie bei unverheirateten minderjährigen Antragstellern oder Flüchtlingen der Vater, die Mutter oder der Vormund. Ein solches Verwandtschaftsverhältnis der Klägerin zu den mit einreisenden bzw. in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Kindern besteht jedoch nicht.

37

c) Ebenso sind bei der Klägerin die Voraussetzungen nach Art. 15 Abs. 1 und Abs. 2 Dublin-II-VO nicht erfüllt. Nach Art.15 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung kann jeder Mitgliedstaat aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, Familienmitglieder und andere abhängige Familienangehörige zusammenführen, auch wenn er dafür nach den Kriterien der Verordnung nicht zuständig ist. Dass die Klägerin vorliegend aus humanitären Gründen mit ihren Familienangehörigen zusammenzuführen ist und nicht auch auf ein eigenständiges Leben in Italien verwiesen werden kann, zumal ihre Kinder teilweise in Deutschland, teilweise in Österreich leben bzw. teilweise ihr Aufenthalt unbekannt ist, lässt sich nicht feststellen. Die Klägerin befindet sich in Begleitung ihrer volljährigen Tochter; beide sind reisefähig und nach Italien zu überstellen.

38

Ebenso sind die Voraussetzungen nach Art. 15 Abs. 2 Dublin-II-VO nicht erfüllt, wonach im Regelfall von einer Trennung der Familienangehörigen abzusehen bzw. eine Zusammenführung vorzunehmen ist, wenn die betroffene Person u. a. wegen einer schweren Krankheit, einer ernsthaften Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung durch die anderen Person(en) angewiesen ist. Diese Voraussetzungen liegen bei der 67-jährigen Klägerin nicht vor; entsprechendes ist jedenfalls nicht vorgetragen worden.

39

Eine andere Einschätzung ist auch nicht im Hinblick auf die einleitende Erwägung zu Nr. 6 Dublin-II-VO veranlasst, wonach die Einheit der Familie (grundsätzlich) gewahrt bleiben soll, soweit dies mit den sonstigen Zielen vereinbar ist, die mit den Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrages zuständigen Mitgliedstaats angestrebt werden. Nicht anders verhält es sich mit Blick auf die einleitende Erwägung nach Art. 7 Satz 2 Dublin-II-VO, wonach die Mitgliedstaaten von den Zuständigkeitskriterien abweichen können, um eine räumliche Annäherung von den Familienmitgliedern vorzunehmen, soweit dies aus humanitären Gründen erforderlich ist. Bei den genannten Regelungen handelt es sich indes um bloße programmatische Vorgaben, aus denen sich, unabhängig davon, dass die Voraussetzungen hier nicht vorliegen dürften, für die Asylbewerber keine unmittelbaren Rechte ableiten lassen.

40

d) Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens ist auch nicht gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen. Zwar hat das Bundesamt nicht innerhalb von drei Monaten nach Stellung des Asylantrags der Klägerin vom 12. September 2011 ein Wiederaufnahme- bzw. Übernahmeersuchen an die Republik Italien gestellt; das war indes auch nicht erforderlich. Da die Klägerin bereits in Italien einen Asylantrag gestellt hat, steht in ihrem Fall eine Wiederaufnahme durch Italien im Sinne des Art. 16 Abs.1 c) bis e) Dublin-II-VO in Rede, nicht hingegen eine Aufnahme seitens Italiens im Sinne des Art. 16 Abs.1 a) Dublin-II-VO. Die Dublin-II-VO unterscheidet insoweit gem. Art.16 Abs.1 lit. a) einerseits und Art. 16 Abs. 1 lit. c) bis e) andererseits zwischen der Überstellung des Asylsuchenden in einem Aufnahmeverfahren gemäß den Art. 17 bis 19 Dublin-II-VO und einer Überstellung im Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 20 Dublin-II-VO. Das Aufnahmeverfahren findet statt, wenn der Asylsuchende im ersuchten Mitgliedstaat noch keinen Asylantrag gestellt hat, während das Wiederaufnahmeverfahren einschlägig ist, wenn dort bereits ein Asylantrag gestellt wurde. Insofern wird der Anwendungsbereich der nachfolgenden Art. 17 bis 20 Dublin-II-VO durch Art. 16 Dublin-II-VO bestimmt.

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Aus der systematischen Trennung zwischen Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren folgt, dass im Wiederaufnahmeverfahren keine Frist für das Übernahmeersuchen gilt, denn die insofern allein maßgebliche Regelung des Art. 20 Dublin-II-VO normiert weder selbst eine solche Frist, noch nimmt sie auf die für das Aufnahmeverfahren geltende Regelung in Art. 17 Abs.1 Dublin-II-VO Bezug. Es verhält sich gerade nicht in der Weise, dass Art. 20 Dublin-II-VO nur spezielle Modalitäten für die Wiederaufnahme regelt und im Übrigen die Regelungen der Art. 17 bis 19 Dublin-II-VO anwendbar wären. Vielmehr handelt es sich bei den Art. 17 bis 19 Dublin-II-VO einerseits und dem Art. 20 Dublin-II-VO andererseits um jeweils eigenständige Regelungskomplexe (vgl. VG Düsseldorf, Beschl. v. 06.02.2013 - 17 L 150/13.A -; Beschl. v. 26.04.2013 - 17 K 1777/12.A -; VG Hamburg, Beschl. v. 22.09.2005 - 13 AE 555/05 -; VG Augsburg, Gerichtsbescheid v. 09.05.2011 - Au 3 K 10.30468 - Juris; VG Regensburg, Beschl. v. 05.07.2013 - RN 5 S 13.30273 -; VG Göttingen, Beschl. v. 11.10.2013 - 2 B 805/13 -; a.A.: VG Düsseldorf, Beschl. v. 07.08. 2012 - 22 L 1158/12.A -, alle: Juris).

42

Art. 17 Abs.1 Satz 2 Dublin-II-VO, wonach der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, zuständig wird, wenn das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten unterbreitet wird, findet im Fall der Klägerin folglich keine Anwendung, so dass sich hieraus auch keine Zuständigkeit der Beklagten ergibt. Dementsprechend haben die italienischen Behörden mit Schreiben vom 16. Februar 2012 (Bl. 115 R, 116 d. Sachakte) auch ihre Zustimmung zur Wiederaufnahme bzw. Übernahme der Klägerin erteilt.

43

e) Ferner ist die Zuständigkeit nicht nach Art. 19 Abs. 3 und 4 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen. Nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO erfolgt die Überstellung des Schutzsuchenden von dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, in den zuständigen Mitgliedstaat gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des ersteren Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin-II-VO i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) Dublin-II-VO auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Dabei ist unerheblich, dass die Entscheidung der Beklagten nach Art. 19 Abs. 2 Satz 4 der Verordnung grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung hat; allein entscheidend ist, dass ihr eine solche durch eine entsprechende gerichtliche Entscheidung zuerkannt worden ist (vgl. Hess.VGH, Beschl. v. 23.08.2011 - 2 A 1863/10.Z.A -; Nds.OVG, Beschl. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -; VG Freiburg, Beschl. v. 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 -; offengelassen: OVG NRW, Beschl. v. 01.03.2012 - 1 B 234/12.A -, alle: Juris).

44

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 02. August 2012 - 4 MC 133/12 - (< Rn. 17 zitiert nach Juris >) zu § 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO und zu dem in Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Dublin-II-VO grundsätzlich vorgesehenen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ausgeführt:

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„Der Annahme der aufschiebenden Wirkung des hier eingelegten Rechtsbehelfs steht auch nicht die Vorschrift des Art. 19 Abs. 2 Satz 4 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 entgegen. Danach hat ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nach Absatz 1 keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung, es sei denn, die Gerichte oder zuständigen Stellen entscheiden im Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts anders, wenn es nach ihrem inner-staatlichen Recht zulässig ist. Zwar darf nach § 34a Abs. 2 AsylVfG die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) nicht nach§ 80oder § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung ausgesetzt werden. Hieraus folgt jedoch nicht, dass durch diese Vorschrift eine andere Entscheidung im Sinne von Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Hs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts ausgeschlossen ist und daher ein Rechtsbehelf wegen § 34a Abs. 2 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung im Sinne des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 haben kann. Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr ausdrücklich entschieden, dass der Ausschluss des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 34a Abs. 2 AsylVfG in den Fällen, in denen die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) erfolgen soll, in Ausnahmefällen, die nicht vom „normativen Vergewisserungskonzept“ des Gesetzgebers über die Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention in einem sog. sicheren Drittstaat erfasst sind, der Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz gegen eine sofortige Überstellung nicht entgegensteht (BVerfG, Urt. v. 14.5. 1996, a. a. O.). Diese Rechtsprechung wird - soweit ersichtlich - von den Verwaltungsgerichten auf die Abschiebung in einen anderen Staat, der nach § 27a AsylVfG für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, mit der Begründung übertragen, dass die vom Bundesverfassungsgericht angestellten Erwägungen zu § 26a AsylVfG auch auf die Vorschrift des§ 27a AsylVfG zutreffen, weil die nach europäischen Recht für die Asylentscheidung zuständigen Mitgliedstaaten zugleich sichere Drittstaaten im Sinne von § 26a AsylVfG sind (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 1.3.2012 - 1 B 234/12.A - und v. 11.10. 2011 - 14 B 1011/11.A -; ferner Nds. OVG, Beschl. v. 2.5.2012 - 13 MC 22/22 - und Hess. VGH, Beschl. v. 23.8.2011 - 2 A 1863/10.Z.A.-). Unter diesen Umständen kann daher keine Rede davon sein, dass es nach der innerstaatlichen Rechtslage in Deutschland unzulässig sei, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine Überstellung auf der Grundlage der Zuständigkeitsbestimmungen in der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 anzuordnen. Unabhängig davon stellt die für den Fristenbeginn der Überstellung maßgebliche Vorschrift des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 nach ihrem Wortlaut auch ausdrücklich darauf ab, dass einem eingelegten Rechtsbehelf tatsächlich aufschiebende Wirkung zukommt und nicht darauf, ob es nach dem innerstaatlichen Recht zulässig ist, die aufschiebende Wirkung anzuordnen (vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 23.8.2011 - 2 A 1863/10.Z.A.-).

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Läuft danach die Frist zur Überstellung aufgrund des von dem Antragsteller eingelegten Rechtsbehelfs erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens bezüglich der Durchführung der Überstellung entschieden wird und die der Durchführung nicht mehr entgegenstehen kann, kann dahinstehen, ob insoweit das Vorliegen einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache für den Fristenbeginn bereits ausreichend ist oder es darüber hinaus der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung bedarf (so Hess. VGH, Beschl. v. 23.8.2011 - 2 A 1863/10.Z.A.“

47

Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an und macht sie sich zu Eigen.

48

Da die Klägerin – nach Erlass des angefochtenen Bescheides vom 13. Juni 2012 – gegen ihre Überstellung innerhalb der Frist, bis zu der gem. Art. 19 Abs. 4 Satz 2 Dublin-II-VO ihre Überstellung nach Italien vorbehaltlich eventuell zu treffender weiterer Maßnahmen erfolgen konnte, einen Rechtsbehelf gegen ihre Überstellung eingelegt hat, dem mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom Beschluss vom 07. März 2012 - 9 B 56/12 MD - aufschiebende Wirkung beigemessen worden ist, beginnt nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO eine (neue) sechsmonatige Frist zur Überstellung der Klägerin (erst) ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Klage. Diese Frist ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats noch nicht abgelaufen, denn der Senat hat dem Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 10. Oktober 2012 entsprochen. Nach allem kann hier dahingestellt bleiben, ob im Grundsatz das Vorliegen einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache für den Fristenbeginn hinsichtlich der Überstellung bereits ausreichend ist oder ob es darüber hinaus der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung bedarf, da die Klägerin jedenfalls erstinstanzlich obsiegt hat.

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2) Die Beklagte ist für die Prüfung des Asylantrags der Klägerin auch nicht gem. Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO zuständig, denn die Bundesrepublik Deutschland ist nicht verpflichtet, das Selbsteintrittsrecht auszuüben.

50

Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO kann jeder Mitgliedstaat abweichend von den Zuständigkeitskriterien des Kapitels III der Verordnung einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch gem. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-II-VO zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Gegebenenfalls unterrichtet er den zuvor zuständigen Mitgliedstaat über den Selbsteintritt (a. a. O. Satz 3). Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht dabei grundsätzlich in seinem Ermessen, welches – weil integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen Europäischen Asylsystems (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/ 10 und C-493/10 -, ) – in Übereinstimmung mit den insoweit geltenden unionsrechtlichen Bestimmungen und von den Mitgliedstaaten verfolgten Zielen auszuüben ist.

51

Art. 3 Dublin-II-VO ist auch geeignet, subjektive Rechte der Klägerin zu begründen, die von ihr gegen eine vorgesehene Überstellung (Rückführung) in den nach dieser Verordnung für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat geltend gemacht werden können (vgl. dazu den Vorlagebeschluss des Hess.VGH v. 22.12.2010 - 6 A 2717/09.A -; Nds.OVG, Beschl. v. 02. 08.2012 - 4 MC 133/12 - m. w. N., Juris; ferner Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdn. 37 ff. m. w. N.). Denn auch wenn es sich bei Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO um eine Ermessensvorschrift handelt, kann sich der Betroffene – hier die Klägerin – auf einen subjektiven öffentlich-rechtlichen Anspruch auf den Selbsteintritt der Beklagten gem. Art. 3 Abs. 2 der Verordnung berufen. Diese Bestimmung ist – anders als die Vorgängerregelungen im Schengener Durchführungsübereinkommen und im völkerrechtlichen Dubliner Übereinkommen (vgl. hierzu Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdn. 25) – nicht allein im öffentlichen Interesse geschaffen worden, sondern verbürgt den von ihr Betroffenen ein subjektives Recht. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass ein Einzelner nicht nur dann aus dem Unionsrecht subjektive Rechte herzuleiten vermag, wenn diese ihm ausdrücklich zugesprochen werden. Vielmehr genügt es, wenn aus einer Rechtsnorm klar und eindeutig eine Begünstigung Einzelner hervorgeht, die keiner Bedingung und keinem zeitlichen Aufschub mehr unterliegt, und weder die Union noch die Mitgliedstaaten einen Spielraum zur Ausgestaltung der Rechtsnorm besitzen (vgl. u. a. EuGH, Urt. v. 05.02.1963 - Rs. 26/62 -, Slg. 1963, 1 [24] = NJW 1973, 1751 - van Gend & Loos vs. Niederlande; EuGH, Urt. v. 04. 12.1974 - Rs. C-41/74 -, Slg. 1974, 1337 [1349] - van Duyn vs. Home Office; EuGH, Urt. v. 19.01.1982 - Rs. C-8/81 -, Slg. 1982, 53 [71] = NJW 1982, 53 - Becker vs. Finanzamt Münster). Diese Voraussetzungen sind im Falle der Dublin-II-VO dem Grunde nach erfüllt (vgl. auch Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdnr. 124 m. w. N.). Hiervon geht im Ergebnis auch der Europäische Gerichtshof in dem zur Dublin-II-VO ergangenen Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 – (Rdnr. 38, 48 zur Frage des Rechtsschutzes, NVwZ 2009, S. 639 = Juris) aus.

52

Allerdings verbürgt Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO lediglich das Recht auf eine fehlerfreie Ermessensausübung – welches gegebenenfalls aber auf Null reduziert sein kann (vgl. VG Würzburg, Urt. v. 12.03.2009 - W 4 K 08. 30122 -; Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdnr. 134 f. und 223 m. w. N.; Marx, a. a. O. § 27a Rdnr. 13; Huber/Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2008, Rdnr. 1886; Filzwieser / Liebminger, Dublin II-Verordnung, Kommentar, 2. Aufl., Wien/ Graz 2007, Art. 3 K 9 unter Verweis auf einschlägige Rechtsprechung des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs, Entscheid v. 15.10.2004 - G 237/03 u. a. und des Belgischen Conseil d'Etat / Raad van State vom 28.08.2006, Zl. 162.039; Schröder, Die EU-Verordnung zur Bestimmung des zuständigen Asylstaats, ZAR 2003, S. 124 [131]; Hruschka, Die Dublin II-Verordnung, in: Informationsverbund Asyl e.V. [Hrsg.], Das Dublin-Verfahren, Beilage zum Asylmagazin 1-2/2008, S. 1 [9]; Hruschka, Humanitäre Lösungen in Dublin-Verfahren, Asylmagazin 7-8/2009, S. 5 [7 f. und 9 f.]).

53

Aus dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO ergibt sich eine an die Beklagte gerichtete Ermessensermächtigung, deren Zweck in der Norm selbst nicht seinen Ausdruck gefunden hat (vgl. nur Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdnr. 220; Filzwieser / Liebminger, a. a. O., Art. 3 K 8 ff.), sondern sich aus der Zwecksetzung der Verordnung insgesamt und der im Zuge der durch Art. 63 EG-Vertrag in der Fassung des Amsterdamer Vertrages vom 02. Oktober 1997 vorgegebenen gemeinschaftsrechtlichen Asylharmonisierung ergangenen europäischen Richtlinien zum materiellen Asylrecht auf der einen und zum Verfahrensrecht sowie den Aufnahmebedingungen von Flüchtlingen auf der anderen Seite erschließt. Im Einzelnen ist dabei von Folgendem auszugehen:

54

Nach Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) EG-Vertrag beschließt der Rat in Übereinstimmung mit der Genfer Flüchtlingskonvention sowie mit einschlägigen anderen Verträgen Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat. Hierauf beruhend wurde die Dublin-II-VO erlassen. Im Erwägungsgrund Nr. 5 wird hierzu ausgeführt, dass bezüglich der schrittweisen Einführung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, das auf längere Sicht zu einem gemeinsamen Asylverfahren und einem unionsweit geltenden einheitlichen Status für die Personen, denen Asyl gewährt wird, führen sollte, im derzeitigen Stadium die Grundsätze des am 15. Juni 1990 in Dublin unterzeichneten Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft gestellten Asylantrags(4) (nachstehend „Dubliner Übereinkommen“ genannt), dessen Durchführung die Harmonisierung der Asylpolitik gefördert hat, mit den aufgrund der bisherigen Erfahrungen erforderlichen Änderungen beibehalten werden sollten. Weiterhin wird insbesondere im Erwägungsgrund Nr. 15 ausgeführt, dass die Verordnung in Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen stehe, die mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - EuGrdRCh - anerkannt worden seien. Die Verordnung ziele insbesondere darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung des in Art. 18 EuGrdRCh verankerten Rechts auf Asyl zu gewährleisten.

55

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 -, Juris) lässt das im EU-Vertrag vorgesehene und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeitete gemeinsame Europäische Asylsystem allerdings die Annahme begründet erscheinen, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 (GFK) sowie in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - Europäische Menschenrechtskonvention - (EMRK) finden. Es gilt daher grundsätzlich die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtscharta und der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. M. a. W. ausgehend von der Annahme, dass es sich bei den Mitgliedstaaten der Europäischen Union um sichere Drittstaaten i. S. d. Art. 16a Abs. 2 Grundgesetz (GG) bzw. § 26a AsylVfG handelt, ist aufgrund des diesen Vorschriften zugrunde liegenden „Konzepts der normativen Vergewisserung“ (BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 22 BvR 2315/133 - Juris, Rn. 179 ff.) bzw. des „Prinzips des gegenseitigen Vertrauens“ (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - Rs C-411/10 und C-393/10 – Juris, Rn. 79 ff.) grundsätzlich davon auszugehen, dass die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Grundrechtscharta und der Europäischen Menschenrechtskonvention in diesen Ländern sichergestellt ist. Auch die Dublin-II-Verordnung beruht wie jede andere auf Art. 63 Satz 1 Nr. 1 EG-Vertrag gestützte gemeinschaftsrechtliche Maßnahme auf der Prämisse, dass die zuverlässige Einhaltung der GFK, der EMRK und der EuGrdRCh in allen Mitgliedstaaten gesichert ist (vgl. Begründungserwägung Nr. 2 und Nr. 12 Dublin-II-VO und Art. 6 Abs. 2 sowie Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 lit. a EG-Vertrag, - so auch VG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 02.10.2008 - 6 B 56/08-, Juris und VG Regensburg, Beschl. v. 15.09.2008 - RO 3 E 08.30124 - Juris).

56

Dies bedeutet zugleich, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49 = Juris; Beschl. v. 08.09.2009 - 2 BvQ 56/09 -, Juris) ein Ausländer, der in einen sicheren Drittstaat zurück verbracht werden soll, den Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor einer politischen Verfolgung oder sonstigen schwerwiegenden Beeinträchtigungen in seinem Herkunftsstaat grundsätzlich nicht mit der Begründung einfordern kann, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt würden. Für ihn kommen deshalb entsprechend dem mit Art. 16a Abs. 2 GG verfolgten „Konzept normativer Vergewisserung“ über die Sicherheit im Drittstaat auch die materiellen Rechtspositionen, auf die ein Ausländer sich sonst gegen seine Abschiebung stützen kann, grundsätzlich nicht in Betracht.

57

Allerdings hat die Bundesrepublik Deutschland dann Schutz zu gewähren, wenn ein solcher durch Umstände begründet wird, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des „Konzepts normativer Vergewisserung“ durch Gesetz berücksichtigt werden konnten oder aber sich die für die Qualifizierung als “sicher“ maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung hierauf noch aussteht. So sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (a. a. O.) Ausnahmen u. a. dann geboten, wenn der Drittstaat gegenüber dem Schutzsuchenden selbst zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung greift und dadurch zum Verfolgerstaat wird, oder wenn offen zu Tage tritt, dass der Drittstaat sich von seinen Schutzverpflichtungen lösen und einem bestimmten Ausländer der Schutz dadurch verweigern wird, dass er sich seiner ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigt (vgl. zur Problematik der Bestimmung des „sicheren Drittstaates“: BVerfG, Beschl. v. 08.09.2009 - 2 BvQ 56/09 - DVBl. 2009, 1304; Lübbe-Wolff, Das Asylgrundrecht nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Mai 1996 - DVBl. 1996, 825 ff.; s. insbesondere auch zur europa-rechtlichen Dimension: Weinzierl / Hruschka, Effektiver Rechtsschutz im Lichte deutscher und europäischer Grundrechte, NVwZ 2009, 1540 ff.).

58

Vergleichbares gilt nach dem Willen des Gesetzgebers, wenn es um die Rückführung eines Ausländers in den für seinen Asylantrag zuständigen Staat im Sinne des § 27a AsylVfG geht. Dies bedeutet, dass auch der Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO „nur“ eine Ausnahme darstellt bzw. Sonderfällen vorbehalten ist. Denn eine Prüfung, ob der Zurückweisung in den Drittstaat oder in den nach europäischem Recht oder Völkerrecht für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, ist nur dann veranlasst, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme aufdrängt, dass der Asylbewerber von einem der im normativen Vergewisserungskonzept des Art. 16a Abs. 2 GG und der §§ 26a, 27a, 34a AsylVfG nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An die Darlegung eines solchen Sonderfalles sind dabei auch im Rahmen des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49 = Juris; Beschl. v. 08.09.2009 - 2 BvQ 56/09 -, Juris). Die Annahme eines sicheren Drittstaates ist daher nur dann widerlegt, wenn ernsthaft zu befürchten steht, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EuGrdRCh bzw. der inhaltlich identischen Vorschrift des Art. 3 EMRK (vgl. insoweit Art. 52 Abs. 3 Satz 1 EuGRrdRCh) implizieren.

59

Nach der zu Art. 3 EMRK ergangenen Rechtsprechung des EGMR, auf die zur Auslegung von Art. 4 EuGrdRCH zurückzugreifen ist (vgl. EuGH, Urt. v. 21.01.2011, 2011 - No. 30696 – M.S.S. vs. Belgien und Griechenland, Rn. 88 m. w. N. – Juris) ist eine Behandlung unmenschlich, wenn sie absichtlich erfolgt und entweder tatsächliche körperliche Verletzungen oder schwere körperliche oder psychische Leiden verursacht. Eine Behandlung ist hingegen als erniedrigend anzusehen, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt und dadurch fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert, oder wenn sie Angst, Furcht oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder physischen Widerstand der Person zu brechen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.01.2011, a. a. O., Rn. 220 m. w. N.).

60

Die ernsthafte Befürchtung grundlegender Mängel besteht nur dann, wenn in einem Mitgliedstaat eine ständige Verletzung der Kernanforderungen des europäischen Asylrechts, wie sie in den Richtlinien und Verordnungen der Europäischen Union ihren Niederschlag gefunden haben, stattfindet und dadurch die Menschenwürde, das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Flüchtlings beeinträchtigt wird (vgl. hierzu VG Düsseldorf, Beschl. v. 22.12.2008 - 13 L 1993/08.A - Juris; VG Berlin, Beschl. v. 11.04.2011 - 23 L 84.11 A - Juris; VG Hannover, Beschl. v. 07.06.2011 - 1 B 2106/11 - asyl.net; VG Düsseldorf, Beschl. v. 12.09.2011 - 6 L 866/11.A - Juris; Lehnert / Pelzer, Effektiver Rechtsschutz im Rahmen des EU-Asylzuständigkeitssystems der Dublin II-Verordnung, ZAR 2010, 41 ff.; Lehnert/Pelzer, Der Selbsteintritt der Mitgliedstaaten im Rahmen des EU-Asylzuständigkeitssystems der Dublin-II-Verordnung, NVwZ 2010, 613 ff.). Bei der Beurteilung der Frage, ob für Asylbewerber in Italien dementsprechend ein “richtliniekonformes“ Verfahren gewährleistet ist, ist dabei zunächst das Schutzniveau in den Blick zu nehmen, das sich aus Art. 28 (Sozialleistungen) und Art. 31 (Zugang zu Wohnraum) der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 – Qualifikationsrichtlinie – ergibt und sodann jenes, das sich für das Asylverfahren aus der Dublin-II-VO selbst ergibt. Zugleich ist als Maßstab die Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten heranzuziehen sowie die Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 01. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft. Danach gehören zu den Kernanforderungen des europäischen Asylrechts der Zugang zu einem geordneten Asylverfahren und die Gewährung materieller Aufnahmebedingungen, welche die Grundbedürfnisse nach Unterkunft, Nahrung und medizinischer Versorgung abdecken.

61

Die vorstehend aufgezeigten Grundsätze stehen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Dieser hat mit Urteil vom 21.12.2011 - C 411/10 und C-493/10 - (Juris) ausgeführt, das Gemeinsame Europäische Asylsystem sei in einem Kontext entworfen, der grundsätzlich die Vermutung rechtfertige, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtscharta sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Gleichwohl könne – so der Gerichtshof – nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoße, so dass die ernstzunehmende Gefahr bestehe, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt würden, die mit den Grundrechten unvereinbar sei. Dabei berühre nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Verpflichtung der übrigen Mitgliedstaaten zur Beachtung der Dublin-II-VO. Sei jedoch ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufwiesen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Grundrechtscharta implizierten, so sei eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar.

62

Bei der Beurteilung der anstehenden Frage nach dem Vorliegen eines systemischen Versagens in Bezug auf das Asyl- und Aufnahmeverfahren in dem Mitgliedstaat ist überdies nicht (allein) darauf abzustellen, welche (abstrakte) Rechtslage dort herrscht, mithin ob etwa die vorgenannten Richtlinien in nationales Recht umgesetzt wurden, sondern es sind (ebenfalls) die konkreten bzw. realen Verhältnisse für die Asylbewerber, mithin die bestehende tatsächliche Verwaltungs- und Rechtspraxis in den Blick zu nehmen (ebenso VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009 - 7 K 4376/07.F.A u. a. - InfAuslR 2009, 406 = Juris).

63

Ferner ist darauf abzustellen, ob es sich bei eventuell feststellbaren Defiziten und Mängeln, etwa in Form von Rechtsverstößen und zu erwartenden Beeinträchtigungen, nur um Einzelfälle oder – soweit es sich nicht nur um Einzelfälle handelt – um bloße vorübergehende, temporäre Erscheinungen handelt, die etwa einer überraschenden Entwicklung geschuldet sind, denen aber in naher Zukunft voraussichtlich abgeholfen wird. Anders verhält es sich indes in jenen Fällen, in denen aufgrund einer Vielzahl von Referenzfällen hinreichend belegte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich die Missstände und Unzulänglichkeiten dauerhaft manifestiert haben. Die insoweit erforderliche Feststellung des Vorliegens systemischer Mängel und Missstände hat somit eine quantitative wie qualitative Komponente. Ob die desolaten Verhältnisse im Mitgliedstaat dabei darauf zurückzuführen sind, dass dieser zur Schaffung geordneter und richtlinienkonformer Verhältnisse nicht bereit oder nicht in der Lage ist, macht dabei grundsätzlich keinen Unterschied.

64

3) In Anwendung der genannten Kriterien ist im Fall der Klägerin von Folgendem auszugehen:

65

Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht verpflichtet, in Ausübung des insoweit bestehenden Ermessens von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch zu machen. Auch kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, sie besitze zumindest einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Selbsteintritt der Beklagten zur Durchführung eines Asylverfahrens gem. Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO, um als Ausnahme von den sonstigen Zuständigkeitsregeln der genannten Verordnung die Prüfung ihres Asylantrages in der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen. Diesem Recht der Klägerin ist mit dem angefochtenen Bescheid der Beklagten entsprochen worden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte ihr Ermessen verkannt hätte; auch rechtfertigt sich nicht die Annahme des Vorliegens eines formellen Ermessensfehlers, da keinerlei Gründe vorliegen, die einen sog. Selbsteintritt zu rechtfertigen vermögen.

66

Zur Überzeugung des Senats ist auf der Grundlage des ihm vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern und Flüchtlingen sowie von “Dublin-II-Rückkehrern“ in Italien nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und / oder die Aufnahmebedingungen dort derart grundlegende Mängel aufweisen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EuGrdRCh zu erwarten steht. Der Senat ist vielmehr unter Anlegung der zuvor genannten strengen Maßstäbe zur Überzeugung gelangt, dass für die nach der Dublin-II-Verordnung nach Italien zurückkehrenden bzw. rücküberstellten Asylbewerber in der Gesamtschau ein ordnungsgemäßes und richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren gewährleistet ist und dass für den Fall der Abschiebung bzw. Rückführung der betroffenen Asylsuchenden zwecks Durchführung eines Asylverfahrens nicht mit schwerwiegenden Rechtsverstößen und Beeinträchtigungen zu rechnen ist (ebenso oder ähnlich u. a.: OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013 - OVG 7 S 33.13 -; Beschl. v. 24.06.2013 - OVG 7 S 58.13 –; VG Bremen, Beschl. v. 15.04.2013 - 2 V 440/13.A -; VG Regensburg, Beschl. v. 05.02.2013 - RN 5 S 13.30026 -; Beschl. v. 26.02.2013 - RN 9 K 11.30445 -; VG Düsseldorf, Beschl. v. 17.09.2012 - 13 L 1447/12.A -; Beschl. v. 08.01.2013 - 6 L 104/13.A - und Beschl. v. 06.02. 2013 - 17 L 150/13.A -; VG Augsburg, Urt. v. 11.01.2013 - Au 6 K 12.30358 -; VG Leipzig, Urt. v. 07.12.2012 - A 1 K 973/11 -; VG München, Beschl. v. 08.11.2012 - M 15 E 12.30772 -; VG Würzburg, Beschl. v. 30.10.2012 - W 6 E 12.30288 -; VG Trier, Beschl. v. 25.10.2012 - 5 L 1146/12.TR -; VG Schwerin, Beschl. v. 27.09. 2012 - 8 B 434/12 As -; VG Bayreuth, Urt. v. 12.06.2012 - B 3 K 11.30142 - [bestätigt durch BayVGH, Beschl. v. 6.02.2013 - 20 ZB 12.302856 -]; a. A. oder eine Entscheidung in der Hauptsache vorbehaltend: VG Köln, Beschl. v. 07.05.2013 - 20 L 613/13.A -; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 30.04.2013 - 10a L 484/13.A -; VG Schwerin, Beschl. v. 15.03.2013 - 3 B 111/13 As -; VG Aachen, Beschl. v. 14.03. 2013 - 9 L 53/13.A -; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 19.02.2013 - 15a L 194/13.A -; Beschl. v. 27.02.2013 - 15a L 194/13.A -; VG Gießen, Urt. v. 24.01.2013 - 6 K 1329/12.Gl.A -; VG Karlsruhe, Beschl. v. 11.10.2012 - A 9 K 2386/12 - und Beschl. v. 22.01.2013 - A 9 K 179/13 -; VG Stuttgart, Beschl. v. 08.01.2013 - A 7 K 3929/12 -; VG des Saarlandes, Beschl. v. 03.09.2012 - 3 L 789/12 -; VG Düsseldorf, Beschl. v. 29.08.2012 - 14 L 1392/12.A – alle: Juris; VG Freiburg, Beschl. v. 27.10.2011 - A 5 K 2081/11 -; VG Magdeburg, Beschl. v. 17.07.2012 – 9 B 148/12 -; Beschl. v. 21.11.2011 - 9 A 100/11 -; Urt. v. 26.07.2011 - 9 A 346/10 MD -; vgl. auch OVG NRW, Beschl. v. 01.03.2012 - 1 B 234/ 12.A - Juris). Das Asylsystem in Italien mit dem dort geregelten und praktizierten Aufnahme- und Asylverfahren einschließlich der Unterbringungs- und Versorgungslage für die in Italien schutzsuchenden Flüchtlinge und Asylbewerber entspricht den Anforderungen des europäischen Asylsystems, selbst wenn es in Teilbereichen gewisse Mängel und Defizite aufweist. Im Einzelnen ist dabei von Folgendem auszugehen:

67

a) Nach dem dem Senat vorliegenden Erkenntnismaterial ist davon auszugehen, dass für Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien, jedenfalls soweit es sich um Dublin-II-Rückkehrer handelt, grundsätzlich ein geordnetes Aufnahmeverfahren und auch ein ungehinderter Zugang zum Asylverfahren gewährleistet sind.

68

Der Senat verkennt nicht, dass es in Italien für Asylbewerber und Flüchtlinge – und zwar bis in die jüngste Vergangenheit hinein – eine Vielzahl von Einreiseverweigerungen und Abschiebungen gegeben hat, bevor ein Asylverfahren durchgeführt werden konnte bzw. ein solches abgewartet worden wäre. Namentlich sind Fälle bekannt geworden, wonach es Zurückweisungen von Flüchtlingen auf hoher See und vor der italienischen Küste, aber auch vom italienischen Territorium gegeben hat, die offenbar darauf abzielten, den Strom von Flüchtlingen – insbesondere aus Nordafrika – abzuwehren, die in Italien Zuflucht haben suchen wollen (vgl. UNHCR, Bericht v. 16.08. 2011: „Hunderte Neuankömmlinge aus Libyen und Tunesien in Italien“, abrufbar unter: http://www.unhcr.de/print/home/artikel/042d9651d6d525aad46e97d7ee7848db/hunde).

69

Trotz der bekannt gewordenen zahlreichen Verstöße gegen das Refoulement-Verbot und teilweise vorhandener unangemessener Erschwernisse beim Zugang zu einem Asylverfahren in Italien in den vergangenen Jahren lässt sich aber – jedenfalls soweit es die aktuellen Verhältnisse im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats betrifft – nicht (mehr) davon ausgehen, dass es, sieht man einmal von Einzelfällen ab, in Italien gegenwärtig noch zu derartigen gravierenden Rechtsverletzungen kommt, wie sie in der Vergangenheit zu beklagen waren.

70

Vielmehr sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes keine Fälle neueren Datums bekannt geworden, in denen Flüchtlingen und Asylsuchenden, die in Italien um Schutz nachsuchen wollten, bei ihrer Einreise auf dem Seeweg oder auf dem Landwege die Einreise oder der Aufenthalt in Italien verweigert worden sind (AA, Auskunft v. 21.02. 2013 an OVG LSA, Anm. 1.1.). Ebenso sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes keine Fälle neueren Datums bekannt geworden, in denen Flüchtlinge und Asylsuchende nach ihrer Einreise nach Italien in ihr Herkunftsland bzw. einen Drittstaat zurückgeführt bzw. abgeschoben worden sind, ohne dass sie in Italien den von ihnen beabsichtigten Asylantrag stellen konnten (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 1.2.). Schließlich sind nach Angaben des Auswärtigen Amtes in jüngster Zeit auch keine Fälle (mehr) bekannt geworden, in denen Flüchtlinge und Asylsuchende trotz eines in Italien gestellten Asylantrages in ihr Herkunftsland bzw. einen Drittstaat zurückgeführt bzw. abgeschoben wurden (AA, a. a. O. Anm. 1.2.). Hiernach lässt sich zumindest gegenwärtig nicht mehr die Feststellung treffen, dass in Italien der Anspruch Schutzsuchender auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens generell oder auch nur regelmäßig vereitelt wird (bereits für die Vergangenheit verneinend u. a.: VG Hannover, Beschl. v. 07.07. 2011 - 1 B 2106/11 - Juris; VG Berlin, Beschl. v. 11.04.2011 - 23 L 84/11 - Juris). Dies bedarf hier indes keiner Vertiefung.

71

Denn jedenfalls lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht feststellen, dass für die im Rahmen des Verfahrens nach der Dublin-II-Verordnung nach Italien zurückkehrenden bzw. zurückgeführten Asylbewerber regelmäßig oder sogar überwiegend ein ordnungsgemäßes Asylverfahren nicht gewährleistet ist. Aufgrund eines für diesen Personenkreis gesetzlich speziell geregelten Rückführungsverfahrens ist vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, dass diese nach ihrer Rückkehr nach Italien ihren dort bereits gestellten Asylantrag weiterverfolgen bzw. erstmals einen Asylantrag stellen können und ihnen insoweit der Zugang zu einem ordnungsgemäßen Asylverfahren nicht versperrt wird. Im Einzelnen ist dabei von Folgendem auszugehen:

72

Asylbewerber, die gemäß dem Verfahren nach der Dublin-II-Verordnung nach Italien zurückkehren bzw. zurückgeführt werden, treffen in der Regel auf dem Luftweg auf den Flughäfen Fiumicino in Rom, Malpensa in Mailand, Bergamo, Venedig, Bari, Brindisi oder Ancona ein. Dort werden sie – auch wenn es in Italien kein Flughafenverfahren wie in Deutschland gibt (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW - zu Frage a.)) – von der Polizei in Empfang genommen und es wird ihnen eine Unterkunft in einer der Aufnahmeeinrichtungen zugeteilt, sofern ein Asylantrag gestellt wird bzw. ein Asylverfahren, bei dem Verfahrensstand, der bei Ausreise aus Italien vorlag, weitergeführt werden soll (zu allem: Schweizerische Flüchtlingshilfe, „Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien. Bericht über die Situation von Asylsuchenden, Flüchtlingen und subsidiär oder humanitär aufgenommenen Personen, mit speziellem Fokus auf Dublin-Rückkehrende“, Mai 2011, S. 17 und AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 1.4.). Die Polizei macht in diesen Fällen die verantwortliche Questura ausfindig und fordert die Rückkehrer auf, sich dorthin zu begeben. Dabei werden auch die Reisekosten übernommen (Schweizerischen Flüchtlingshilfe, a. a. O., S. 17) bzw. die Person bekommt, wenn die zuständige Questura weiter entfernt ist (Beispiel: Dublin-Rückkehr nach Rom, zuständige Questura in Catania), ein Zugticket ausgehändigt, um dort hinzureisen (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW - zu Frage a.)).

73

Wenn die Dublin-Rückkehrer von deutschen Beamten /Polizisten begleitet werden, gibt es insoweit keine Unterschiede. Bei ihrer Ankunft werden alle Dublin-Rückkehrer von der Polaria (Luftpolizei) am Flughafen Fiumicino empfangen. Sie werden erneut erkennungsdienstlich behandelt und es erfolgt die Feststellung, welche Questura in Italien für die Person zuständig und wie der Stand des Verfahrens ist (AA, Auskunft v. 11. 09.2013 an OVG NRW - zu Frage a.)).

74

Bei ihrer Ankunft werden die Ausländer – so auch die Dublin-II-Rückkehrer – von der am Flughafen zuständigen Hilfsorganisation „Confederazione Nazionale delle Misericordie d’Italia“ betreut und in Anwesenheit von Dolmetschern über den weiteren Verfahrensablauf unterrichtet (AA, Auskunft v. 11.09. 2013 an OVG NRW - zu Frage a.)). Die genannte Hilfsorganisation sucht für die Dublin-II-Rückkehrer zugleich eine (vorläufige) Unterkunft in einem Aufnahmezentrum (z. B. einer Einrichtung der „Centri di accoglienza richiedenti asilo“ - CARA -), welches im Allgemeinen für die Erstaufnahme zuständig ist, bis die Zuweisung zu einer Asylunterkunft am Ort der zuständigen Questura erfolgt ist. Während die Dublin-II-Rückkehrer sofort eine Unterkunft in einem entsprechenden Erstaufnahmezentrum erhalten, kann die Zuweisung zu einer Asylunterkunft für die Dauer des Asylverfahrens einige Zeit dauern, weil es zunächst gewisser Formalien den jeweiligen Asylantrag betreffend bei der zuständigen Questura bedarf. Manchmal beträgt dieser Zeitraum nur einige Tage, manchmal aber auch Wochen, z. B. wenn es sich um große Städte und Ballungszentren handelt. Belastbares Zahlenmaterial bezogen auf die Verweildauer in den Erstaufnahmeeinrichtungen ist mangels statistischer Erhebungen allerdings nicht verfügbar. In den Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber, den bereits erwähnten Einrichtungen der CARA, ist laut Gesetz grundsätzlich ein Verbleib von nicht länger als 20 bis 35 Tagen vorgesehen. Da die Zuweisungsverfahren aber oftmals länger dauern, bleiben die Antragsteller entsprechend länger in diesen Aufnahmezentren (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW - zu den Fragen a.), b.) und c.)).

75

Nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnismitteln erhalten die Schutzsuchenden nach ihrer Ankunft in Italien zudem Informationsbroschüren über ihre Rechte im Asylverfahren (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 2.3.). Diese Broschüren existieren in unterschiedlichen sprachlichen Fassungen, so u. a. in persischer, arabischer, französischer, englischer, italienischer, somalischer, spanischer und tigrinischer Sprache (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 2.3.). Darüber hinaus befinden sich in den Aufnahmeeinrichtungen Betreuungsdienste, die den Asylantragstellern zur Unterstützung zur Verfügung stehen. Diese beschäftigen oftmals Mitarbeiter, die die Landessprache der Hauptherkunftsstaaten der Asylantragsteller beherrschen (AA, Auskunft v. 21.02. 2013, Anm. 2.3.).

76

Nach allem besteht für den Senat kein Grund zur Annahme, dass die in Italien Schutzsuchenden nach ihrer Ankunft dort in unangemessener Weise “sich selber überlassen bleiben“ und sich im Hinblick auf das erstrebte Aufnahme- und Asylverfahren nicht zurecht finden können.

77

Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass die Rücküberstellung von Asylbewerbern auf der Grundlage der Dublin-II-Verordnung seitens der italienischen Behörden auf Widerstände stößt. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es im Rahmen des Dublin-Systems vor einer Asylantragstellung oder während des Asylverfahrens zu Einreiserverweigerungen, Rücküberstellungen oder sonstigen Ausweisungen in die Herkunftsländer der Asylbewerber kommt (vgl. UNHCR, Stellungnahme v. 24.04.2012 an VG Braunschweig, S. 5).

78

b) Der Senat vermag aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel auch nicht zur Einschätzung zu gelangen, dass Asylsuchende und Flüchtlinge – jedenfalls soweit es die aktuellen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts betrifft – nach ihrer Einreise und / oder während ihres Asylverfahrens mangels einer (angemessenen) Unterkunft regelmäßig oder auch nur in einer Vielzahl von Fällen in die Obdachlosigkeit geraten, mithin „auf der Straße“ oder in „Elendsquartieren“ leben müssen.

79

aa) Dabei ist zunächst hervorzuheben, dass Asylsuchende während des Asylverfahrens einen Rechtsanspruch auf eine Unterbringung besitzen, und zwar gleichermaßen für die Zeit zwischen Antragstellung und Registrierung wie für die Zeit zwischen Registrierung und Entscheidung über das Asylbegehren (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1., 5.3. und 6.1.). Dieser Anspruch ist grundsätzlich wohl auch behördlich bzw. gerichtlich durchsetzbar. Dies deckt sich jedenfalls mit einer Antwort der Bundesregierung vom 18. April 2011 auf eine Kleine Anfrage im Bundestag ("Lage von Asylsuchenden und anerkannten Flüchtlingen in Italien" – BT-Drucks. 17/5579), aus der sich ergibt, dass Asylbewerber in Italien einen gerichtlich durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Unterkunft haben. Allerdings kommt es für die Beurteilung der in Rede stehenden Frage nicht in erster Linie auf die bestehende Rechtslage an; maßgeblich ist vielmehr auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen.

80

Nach den aktuellen Auskünften des Auswärtigen Amtes stellt sich indes die tatsächliche Unterbringungssituation im Rahmen des italienischen Aufnahmesystems für Asylbewerber und Flüchtlinge Anfang 2013 (5. Kalenderwoche) wie folgt dar:

81

Die Aufnahmezentren der CARA verfügen über 5.516 Plätze und beherbergen derzeit ca. 5.300 Personen nebst 2.710 Plätzen in den Einrichtungen der CARA von Lampedusa, so dass insgesamt mehr als 8.000 Plätze zur Verfügung stehen. Die Zahlen im Gutachten von Frau Judith Gleitze, borderline-europe e. V. vom Dezember 2012 an das VG Braunschweig (a. a. O. S. 11), wonach 3.163 Personen in den genannten Einrichtungen aufgenommen werden könnten, seien inzwischen überholt (AA, Auskunft v. 24.05.2013 an VG Minden - zu Frage 8.).

82

Darüber hinaus stehen den Asylbewerbern und Flüchtlingen grundsätzlich die staatlichen Aufnahmeeinrichtungen der SPRAR („Sistems di Protezione per Richiedenti Asilo e Refugiati“) zur Verfügung. Die dort vorhandenen Plätze sind laut Auskunft des Auswärtigen Amtes in der Vergangenheit deutlich angestiegen: Bisher habe es 3.000 Plätze gegeben, so dass dort (weil eine Unterbringung regelmäßig nur für 6 Monate vorgesehen sei) insgesamt 6.000 Personen hätten versorgt und untergebracht werden können (vgl. zur Aufnahmekapazität von etwa 3.000 Personen u. a. auch der Bericht der Schweizerische Flüchtlingshilfe, a. a. O. S. 5). Nunmehr aber stehen nach Auskunft des Auswärtigen Amtes - bestätigt durch Auskünfte von Mitarbeitern der SPRAR und des italienischen Innenministeriums – insgesamt 5.000 Plätze zur Verfügung, so dass 8.000 bis 10.000 Personen untergebracht werden könnten, ungeachtet der im Rahmen des EU-finanzierten FER-Projektes für vulnerable Personen und anderer Projekte vorhandenen weiteren Plätze (AA, Auskunft v. 24.05.2013 an VG Minden - zu Frage 8.). Dies entspricht in etwa auch der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.02.2013 auf Anfrage des Senats, wonach inzwischen in ganz Italien 40 Aufnahmezentren mit rund 9.000 Plätzen zur Verfügung stehen (AA, a. a. O., Anm. 4.3.).

83

Dem steht z. B. für das Jahr 2012 eine Anzahl von 1.148 Personen gegenüber, die als Rückkehrer im Rahmen der Dublin-II-Verordnung über Rom nach Italien zurückgeschickt wurden und von der Organisation Ariconfraternita am Flughafen von Rom betreut wurden (Gutachten an das VG Braunschweig von Judith Gleitze, borderline-europe e. V. vom Dezember 2012, S. 25 und S. 59 – in Ermangelung der erfassten Gesamtzahlen der Dublin-Rückkehrer nach Italien). Berücksichtigt man überdies, dass die Zahl der Asylbewerber seit 2012 – trotz gewisser Schwankungen – insgesamt rückläufig ist, kann zumindest gegenwärtig nicht (mehr) von unzureichenden Aufnahme- und Unterbringungskapazitäten ausgegangen werden. Zur Überzeugung des Senats dürfte sich somit die aktuelle Situation in Italien soweit entspannt haben, dass sämtliche Asylbewerber, und insbesondere Dublin-II-Rückkehrer, in den öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen Platz finden können (ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013 - OVG 7 S 33.13 - ).

84

Die Annahme fehlender Kapazitäten für die Unterbringung von Dublin-II-Rückkehrern nach Italien ist insbesondere auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil es in der Vergangenheit zu einem massiven Zustrom von Flüchtlingen aus Nordafrika gekommen ist und dies zu (nachhaltigen) Engpässen bei der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern geführt hat.

85

Der UNHCR hat in diesem Zusammenhang in seiner Stellungnahme vom 24. April 2012 an das VG Braunschweig (a. a. O. S. 3) auf Folgendes hingewiesen: Im Jahre 2011 sind nach der Ankunft einer erheblichen Zahl von Personen aus Nordafrika und der darauf folgenden Erklärung des „humanitären Notstandes“ die regionalen Regierungen gebeten worden, zusätzliche Aufnahmeeinrichtungen zu bestimmen, da die bestehenden Aufnahmekapazitäten als unzureichend eingeschätzt wurden. Zwischen den Regierungen und den örtlich zuständigen Behörden (Regionen, bestimmten Provinzen [„Province Autonome“] und Gemeinden) seien Vereinbarungen getroffen worden, in denen Kriterien für die landesweite Verteilung von bis zu 50.000 Personen festgehalten wurden. Die Verantwortlichkeit für den diesbezüglichen Aufnahmeplan liege beim Leiter des Zivilschutzes („Dipartimento di Protezione Civile“). Bis Anfang 2012 seien 20.000 Personen im Rahmen des Plans in den Notunterkünften, meist in Einrichtungen kleiner bis mittlerer Größe, untergebracht worden, die in ganz Italien verteilt sind.

86

Dies deckt sich mit den Auskünften des Auswärtigen Amtes. Danach hätten die vorgehaltenen temporären Aufnahmestrukturen des Zivilschutzes, die anlässlich des Flüchtlingsstromes aus Nordafrika in der Größenordnung von 50.000 Plätzen in den Regionen geschaffen worden seien, die bestehenden Engpässe kompensiert (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.3.).

87

Soweit im Gutachten von Judith Gleitze, borderline-europe e. V. vom Dezember 2012 an das VG Braunschweig (a. a. O., S. 15) darauf verwiesen wird, dass die durch den Zivilschutz zusätzlich geschaffenen Unterkünfte nur zeitlich befristet vorgesehen gewesen seien, zunächst wohl nur bis Ende 2011 und alsdann bis Ende 2012, und dass diese inzwischen wieder geschlossen worden seien, so rechtfertigt auch dieser Einwand nach Auffassung des Senats nicht die Annahme, dass es gegenwärtig und zukünftig wieder zu fehlenden Kapazitäten in den staatlichen Einrichtungen kommen wird.

88

Zwar trifft es zu, dass das Notstandsprogramm befristet war und inzwischen wohl offiziell ausgelaufen ist. Allerdings trifft es ebenfalls zu, dass die Einrichtungen derzeit faktisch zumindest in einem beschränkten Umfang fortgeführt werden. Grund für die Schließung der Notunterkünfte war der Umstand, dass die Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge gegenüber den Vorjahren, insbesondere dem Jahr 2011 und 2012, deutlich zurück gegangen war. Allerdings waren nach Auskunft des Auswärtigen Amtes Anfang des Jahres 2013 noch ca. 17.000 Personen in den temporären Einrichtungen des Zivilschutzes untergebracht (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 4.3.). Das Auswärtige Amt hat unterdessen mit seiner neuesten Auskunft – unter Berufung auf den Leiter des Italienischen Amtes für Aufnahmezentren und Betreuung, Herrn Tommaso Ricciardi vom 04. September 2013 – zum Notstandsprojekt Nordafrika mitgeteilt, dass sich derzeit nur noch etwa 1.000 Personen („vulnerable cases“ und Asylbewerber, die ein Rechtsmittel eingelegt haben) in den Notunterkünften befinden. Offiziell hätten diese nunmehr am 01. September 2013 schließen sollen. Es werde gegenwärtig überlegt, wie die Versorgung dieser Personen weiter gewährleistet werden kann (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW – zu Frage e)).

89

Angesichts der aufgezeigten Entwicklung steht auch nicht zu erwarten, dass mit der Schließung der Notunterkünfte die dort untergebrachten bzw. noch verbliebenen Asylbewerber und Flüchtlinge in die staatlichen Unterkünfte drängen und es damit zu erneuten Überbelegungen kommen wird, mithin die Problematik fehlender Kapazitäten in den staatlichen Zentren erneut auftritt. Das Auswärtige Amt weist zudem ausdrücklich darauf hin, dass das Auslaufen des Nordafrika-Programms keine konkreten Auswirkungen auf die Dublin-Rückkehrer hat, da für diesen Personenkreis (der nicht in den Notunterkünften untergebracht wird) von vornherein kein unmittelbarer Zusammenhang zum Programm bestand (AA, Auskunft v. 11.09. 2013 an OVG NRW – zu Frage e)).

90

Gegenteiliges dürfte zur Überzeugung des Senats auch dann nicht anzunehmen sein, wenn es zu einem erneuten Anstieg der Zahl von Asylbewerbern in Italien kommen sollte. Das ausgelaufene Notstandsprogramm belegt, dass Italien Unterbringungsplätze in erheblichen Umfang zusätzlich zur Verfügung stellen kann, wenn der Zustrom von Flüchtlingen dies erfordert. Das geschaffene Notstandsprogramm lässt darauf schließen, dass die verantwortlichen Stellen – selbst wenn sie auf Druck der übrigen EU-Mitgliedstaaten tätig geworden sein sollten – bemüht sind, sich dem jeweiligen unterschiedlichen Unterkunftsbedarf in der gebotenen Weise anzupassen. Dies lässt es insbesondere nicht ausgeschlossen erscheinen, dass bei einem eventuellen erneuten Anstieg der in Italien eintreffenden Flüchtlinge und Asylbewerber entsprechende Programme zur kurzfristigen Schaffung zusätzlicher Unterkünfte neu aufgelegt werden. Dies alles rechtfertigt keine grundlegenden Zweifel daran, dass ein insoweit auch nach Beendigung des Notstandsprogramms fortdauernder Bedarf oder erneute Massenanstürme von Flüchtlingen bewältigt werden können (ebenso: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013, a. a. O.).

91

Im Übrigen erkennt auch der UNHCR an, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des staatlichen Aufnahmesystems stattgefunden haben. Insgesamt seien die Einrichtungen der CARA, CDA und SPRAR (nunmehr) in der Lage, dem Aufnahmebedarf einer „signifikanten Anzahl“ von Asylsuchenden nachzukommen (Stellungnahme vom 24. April 2012 an VG Braunschweig, S. 3). Allerdings macht der UNHCR die Einschränkung, dass die Kapazitäten der genannten Einrichtungen nicht für die Unterbringung aller unterstützungsbedürftigen Asylsuchenden ausreichend sein dürften, wenn Personen in erheblicher Anzahl neu in Italien ankommen würden (UNHCR, a. a. O., S. 3). Indes bestehen z. Z. keine Anhaltspunkte dafür, dass es in Italien derzeit oder in absehbarer Zeit erneut zu einem derartigen Anstieg der Asylbewerberzahlen kommen wird, wie er etwa in den Jahren 2010 und 2011 zu verzeichnen war.

92

Eine andere Bewertung der Unterkunftssituation für Asylbewerber und Flüchtlinge erscheint dem Senat schließlich auch nicht deshalb geboten, weil nach Auffassung des UNHCR (Stellungnahme v. 24.04.2012) in der gegenwärtigen Situation davon auszugehen sei, dass derzeit die überwiegende Anzahl aller Asylverfahren nicht innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen werden können, und die Aufnahme in den Aufnahmezentren regelmäßig auf sechs Monate befristet sei. Abgesehen davon, dass der UNHCR selbst einräumt, dass keine konkreten Zahlen zur Dauer der Asylverfahren vorliegen, besteht nach Auskunft des Auswärtigen Amtes die Möglichkeit, dass im Einzelfall – so auch bei Einlegung von Rechtsmitteln – die Aufenthaltsdauer in der Einrichtung verlängert wird.

93

Zudem ist auch dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Mai 2011 zu entnehmen, dass für die Aufnahme von Asylbewerbern eben nicht nur CARA-, CIE- und SPRAR-Zentren zur Verfügung stehen, sondern auch andere Zentren vorhanden sind basierend auf Abkommen zwischen dem Innenministerium und Gemeinden, aber auch von der Stadt – wie etwa Rom - finanzierte und von NGO’s betriebene Zentren (vgl. Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Bericht über die Situation von Asylsuchenden, Flüchtlingen und subsidiär oder humanitär aufgenommenen Personen, mit speziellem Fokus auf Dublin-Rückkehrende, S. 19). Nach dem vorgenannten Bericht (a. a. O. S. 19) kommen noch kirchliche und karitative Einrichtungen hinzu. Dass es unter Berücksichtigung der Aufnahmekapazität all dieser öffentlichen und privaten Einrichtungen sowie unter Nutzung des Angebotes des Wohnungsmarktes nicht möglich ist, eine Unterkunft zu finden, ist nicht ersichtlich.

94

Das Auswärtige Amt weist ebenfalls darauf hin, dass neben den staatlichen Unterbringungszentren zusätzlich kommunale und karitative Einrichtungen existieren wie z. B. Caritas, Migrantes in Rom, die Schwestern des Ordens der Mutter Teresa „Suore Missionarie della Carità“ und andere Hilfsorganisationen (Comunità di Sant’Egidio, Opere Antoniane, Stranieri in Italia, Centro Astalle - Jesuiten -), welche die Antragsteller und Asylbewerber versorgen und ihnen Unterkunftsplätze besorgen (AA, Auskunft v. 21.08.2013 an OVG LSA - zur Frage 3.). Dies entspricht zugleich der Einschätzung des Auswärtigen Amtes, wonach nicht davon auszugehen ist, dass jene Personen, die in den staatlichen Aufnahmeeinrichtungen und staatlichen Unterkünften keinen Platz finden, regelmäßig oder überwiegend obdachlos „auf der Straße“ oder in „Elendsquartieren“ leben müssen (AA, a. a. O. Anm. 4.3.).

95

Veranlassung zu einer anderen Einschätzung gibt dem Senat schließlich auch nicht der Bericht von Maria Bethke und Dominik Bender „Zur Situation von Flüchtlingen in Italien“ vom 28. Februar 2011, wonach angeblich davon auszugehen ist, dass „in der Vergangenheit 88 vom Hundert der Dublin-II-Rückkehrer der Gefahr der Obdachlosigkeit überlassen worden seien“. Der Senat geht dabei davon aus, dass diese Aussage nicht bedeutet, dass etwa 88 vom Hundert der Dublin-II-Rückkehrer tatsächlich in die Obdachlosigkeit geraten sind, sondern dass es sich hierbei – da der Bericht lediglich von einer „Gefahr“ einer Obdachlosigkeit spricht – um eine bloße Annahme handelt in Bezug auf das womöglich bestehende Risiko, von einer Obdachlosigkeit betroffen zu werden. Dem Senat erscheint bei dieser Sachlage allerdings nicht nachvollziehbar, wie eine (potentielle) „Gefahr“ prozentual derart exakt prognostiziert werden kann, wie dies im Bericht mit 88 vom Hundert geschehen ist, zumal die Unterbringung in staatlichen und privaten Einrichtungen und auch die Wohnungssuche im Allgemeinen mit einer Fülle von Unwägbarkeiten verbunden ist. Überdies sind die Angaben nur bedingt brauchbar, weil eben nicht erkennbar wird, auf welchen Erkenntnissen diese beruhen und welche zurückliegenden Zeiträume in Bezug genommen werden, wenn davon gesprochen wird, dass sich Aussage auf die „Vergangenheit“ beziehe.

96

bb) Ebenso lässt sich nach Auffassung des Senats nicht feststellen, dass Asylbewerber infolge unzureichender und unzumutbarer Verhältnisse in den staatlichen bzw. privaten Unterkünften, namentlich etwa aufgrund unhygienischer Zustände oder Gewalttätigkeiten und krimineller Delikte wie u. a. Diebstahl, Vergewaltigung oder erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind. Dabei wird nicht verkannt, dass es in Unterkünften mit einer Vielzahl von – teilweise auch traumatisierten – Flüchtlingen unterschiedlicher Nationalität, Religion und Gebräuchen häufiger als in anderen Bereichen der Gesellschaft zu Konflikten und gelegentlich auch gewaltsamen Übergriffen kommen dürfte. Es dürfte sich dabei allerdings um ein allgemeines Phänomen in Gemeinschaftseinrichtungen handeln, dem die staatlichen Stellen nur bedingt wirksam entgegen wirken können. Auch wenn die Aufnahme-, Unterbringungs- und Lebensbedingungen von Asylbewerbern in Italien regelmäßig nicht mit dem hiesigen Standard vergleichbar sein mögen, ist zur Überzeugung des Senats davon auszugehen, dass die Zustände in den Unterkünften im Allgemeinen jedenfalls nicht derart unzumutbar und unhaltbar sind, dass deshalb die Feststellung einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung der Asylbewerber gerechtfertigt erschiene. Dies gilt zum einen hinsichtlich der hygienischen Verhältnisse. So wird nach Auskunft des Auswärtigen Amtes von den staatlichen Aufnahmezentren und Einrichtungen Kleidung gestellt, ebenso Wäsche und Hygieneartikel zum persönlichen Gebrauch (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1., 5.3. und 6.1.). Überdies teilt das Auswärtige Amt zur Situation in den staatlichen Aufnahmezentren und Unterkünften mit, dass die hygienischen Verhältnisse dort nicht regelmäßig oder sogar überwiegend sich in der Weise darstellen, dass man ernstlich Gefahr läuft zu erkranken. Sie seien auch nicht dergestalt, dass sie nicht den Mindestanforderungen (Kochstellen, Toiletten, Waschräume, fließendes Wasser und Elektrik) genügen würden. Vielmehr seien sie durchweg so beschaffen, dass kleinere Schlafräume in Wohnhäusern oder Containern vorhanden seien, die auch zumeist mit Klimaanlagen und Zentralheizung versehen seien. Insbesondere seien Toilettenräume in ausreichender Zahl und getrennt nach Geschlechtern vorhanden. Gleiches gelte für Waschräume. Die Verpflegung werde vielfach in einem gemeinsamen Speisesaal bereitgestellt. Vereinzelt bestünden auch zusätzliche Möglichkeiten für die eigene Zubereitung von Mahlzeiten. Ferner seien in den Einrichtungen Sozialräume sowie getrennte Räumlichkeiten für medizinische Dienste und Sonderfälle vorhanden. Zur Aufrechterhaltung der Sauberkeit der allgemeinen Räumlichkeiten würden spezielle Reinigungsdienste beschäftigt (vgl. zu allem: AA, Auskunft v. 21.01.2013, Anm. 4.5.).

97

Zum anderen lässt sich aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse auch nicht feststellen, dass sich die Verhältnisse in den staatlichen Aufnahmezentren und Unterkünften in der Weise darstellen, dass die Bewohner in ständiger Angst leben müssten, „angegriffen, ausgeraubt oder gar vergewaltigt“ zu werden. Zwar gibt es Berichte, wonach es zu gewaltsamen Übergriffen von männlichen auf weibliche Bewohner gekommen sein soll; hierbei handelt es sich aber um Einzelfälle, wenngleich statistische Erhebungen zur Kriminalität speziell in den genannten Einrichtungen nicht existieren bzw. nicht bekannt sind. Darüber hinaus werden die Aufnahmeeinrichtungen zumindest durch die Polizei oder Carabinieri überwacht und geschützt; wegen auftretender Spannungen zwischen verschiedenen Ethnien wurden in manchen Einrichtungen zudem zusätzliche Polizeikräfte postiert (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.6.).

98

Im Ergebnis vermag der Senat somit nicht festzustellen, dass es – sieht man von Engpässen und Einzelschicksalen ab – mit der Durchführung von Asylverfahren in Italien generell zu Begleiterscheinungen wie etwa Obdachlosigkeit oder aufgrund der Zustände in den Unterkünften zu einer Verwahrlosung der Asylbewerber kommt.

99

c) Der Senat vermag ebenfalls nicht festzustellen, dass Schutzsuchende während des Asylverfahrens in Italien unter Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EuGrdRCh in materieller Not leben müssen, so dass von einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung auszugehen wäre, oder mit Blick auf die Versorgungssituation und soziale Situation der Asylbewerber und Flüchtlinge gemessen an den Vorgaben des unionsrechtlichen Sekundärrechts sich das Asylsystem als nicht (mehr) richtlinienkonform darstellt.

100

Asylsuchende und Flüchtlinge haben nach Auskunft des Auswärtigen Amtes während des Asylverfahrens einen (Rechts-)Anspruch auf (angemessene) Verpflegung und Versorgung (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1.). Dieser Verpflichtung wird im Allgemeinen dadurch nachgekommen, dass in den staatlichen Unterkünften und Aufnahmezentren entsprechende Leistungen erbracht werden. Namentlich wird auch Kleidung gestellt, ebenso Wäsche und Hygieneartikel zum persönlichen Gebrauch (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 5.1., 5.3. und 6.1.). Vorgenanntes gilt gleichermaßen für die Zeit zwischen Antragstellung und Registrierung wie für die Zeit zwischen Registrierung und Entscheidung über das Asylbegehren (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 5.1.).

101

Ebenso werden Asylbewerber und Flüchtlinge, die in nichtstaatlichen, namentlich karitativen und kirchlichen Unterkünften leben, mit Nahrung und Kleidung versorgt, wobei insoweit auch private Dienstleister herangezogen werden (vgl. AA, Auskunft v. 21. 02.2013, Anm. 5.2.). Allerdings ist für Asylbewerber und Flüchtlinge außerhalb staatlicher sowie karitativer und kirchlicher Einrichtungen eine staatliche Verpflegung und Versorgung nicht (mehr) gewährleistet. Auch existiert in Italien nur ein sehr eingeschränktes staatliches Sozialhilfesystem; danach erhalten nur Personen über dem 65. Lebensjahr Sozialhilfeleistungen. Im vorliegenden Fall würde dies sogar bedeuten, dass die 65-jährige Klägerin auch staatliche Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen könnte. Im Übrigen haben die Betroffenen auch als Asylbewerber und schutzsuchende Flüchtlinge einen freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Sie können ihren Lebensunterhalt dadurch verdienen, dass sie je nach Ausbildung oder Befähigung einer zumindest einfachen Arbeit nachgehen (vgl. AA, Auskunft v. 21.02. 2013, Anm. 5.1.).

102

In der Praxis kann somit nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass Asylbewerber und Flüchtlinge ihren Lebensunterhalt regelmäßig nicht durch Betteln und / oder Prostitution sichern müssen (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.4.). Vielmehr ist insgesamt eine ausreichende Versorgung vorhanden. Einzelfälle sind allenfalls auf das in der aktuellen Wirtschaftskrise insbesondere in italienischen Großstädten zunehmend auftretende Phänomen des Bettelns und die damit einhergehenden erhofften zusätzlichen Einkunftsmöglichkeiten zurückzuführen. Was die Prostitution angeht, so ist nicht völlig auszuschließen, dass weibliche Asylbewerber oder Flüchtlinge in Einzelfällen durch Angehörige der organisierten Kriminalität rekrutiert werden und dann tatsächlich der Prostitution nachgehen. Dies ist aber nicht im kausalen Zusammenhang mit Defiziten im Asylverfahren zu sehen (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.4.; Auskunft v. 24.09.2012, S. 3 - Antwort auf Frage b 2)).

103

Im Übrigen folgt aus Art. 3 EMRK und Art. 4 EuGrdRCh auch nicht die Verpflichtung, Asylbewerbern und Flüchtlingen eine finanzielle Unterstützung zu gewähren, um ihnen einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.02.2011, a. a. O.).

104

Ebenso ist ein Verstoß gegen die Richtlinie 2004/83/EG nicht ersichtlich. Kapitel VII der Richtlinie gestaltet den Inhalt des internationalen Flüchtlingsschutzes zwar u. a. dahin gehend aus, dass Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte grundsätzlich Zugang zu Sozialleistungen (Art. 28), medizinischer Versorgung (Art. 29) und Wohnraum (Art. 31) erhalten. Allerdings gehen die Bestimmungen über die Gebote zur Inländergleichbehandlung (Art. 28, 29) bzw. zur Ausländergleichbehandlung (Art. 31) nicht hinaus. Art. 28 und 29 der Richtlinie gewährleisten die notwendige Sozialhilfe bzw. medizinische Versorgung nur insoweit, wie die Mitgliedstaaten ihren eigenen Staatsangehörigen eine entsprechende Behandlung bzw. Versorgung gewähren; für Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte besteht zudem die Möglichkeit, den Anspruch auf Kernleistungen zu beschränken, die dann im Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige zu gewähren sind. Demzufolge muss der in Italien bestehende allgemeine Lebensstandard für andere, vergleichbare Personen mit italienischer Staatsangehörigkeit in den Blick genommen werden, die ebenfalls keine staatlichen Sozialleistungen in Anspruch nehmen können und bei denen ebenfalls nur durch die Aufnahme von Gelegenheitsarbeiten oder aber vermittels von Zuwendungen karitativer oder kirchlicher Organisationen das Existenzminimum gesichert ist.

105

Nach allem lässt sich ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EuGrdRCh nicht daraus herleiten, dass – worauf in der Rechtsprechung einzelner Verwaltungsgerichte abgestellt wird – ein staatliches Sozialsystem, welches Flüchtlingen und Asylsuchenden zumindest ein Existenzminimum garantiert, nicht zur Verfügung steht und dass die Betroffenen deshalb darauf angewiesen seien, sich „selbst durch das Leben zu schlagen“ (vgl. VG Magdeburg, Beschl. v. 28.03.2011 - 9 B 101/11 MD - Juris; Gerichtsbescheid v. 21.11.2011 - 9 A 351/10 - [S. 5 d. UA]; VG Braunschweig, Beschl. v. 31.05.2011 - 1 B 103/11 - m. w. N. - Juris).

106

Im Übrigen ist in der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (a. a. O. S. 22) nicht – wie gelegentlich behauptet wird – die Rede davon, dass der genannte Personenkreis „in extremer Armut lebt und dass sie ihre Lebensbedürfnisse nicht decken können“. Vielmehr ist – wohl mit Bedacht – davon die Rede, dass sie Gefahr laufen, womöglich in eine solche Situation zu geraten; dass sich indes diese Gefahr bereits in eine Vielzahl von Fällen realisiert hätte oder gleichsam regelmäßig bzw. für jeden Asylsuchenden und Flüchtling die konkrete Gefahr bestünde, dass nicht einmal das Existenzminimum gesichert ist, wird nicht behauptet. Dies schließt nicht aus, dass es in Einzelfällen auch zu besonderen Notlagen kommen mag und dass der Lebensstandard der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien im Allgemeinen sehr gering sein dürfte. Gleichwohl vermag der Senat anhand des ihm vorliegenden umfassenden Erkenntnismaterials aber nicht festzustellen, dass die Situation für Flüchtlinge und Asylsuchende in den Zentren und außerhalb derselben derart prekär wäre, dass deshalb von einem Verstoß gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EuGrdRCh auszugehen ist.

107

d) Soweit es die medizinische Versorgung betrifft, sind alle Mitgliedstaaten aufgrund der EU-Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 verpflichtet, bestimmte Mindeststandards der medizinischen Versorgung zu gewährleisten. So haben alle Mitgliedstaaten nach Art. 15 der genannten Richtlinie dafür Sorge zu tragen, dass Asylbewerber und Flüchtlinge die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung für die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst. Dabei ist auch Asylbewerbern mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische und sonstige Hilfe zu gewähren.

108

In Italien ist im Rahmen des nationalen Gesundheitsdienstes grundsätzlich ein medizinischer Mindestbehandlungsstandard gewährleistet. Asylbewerber und Flüchtlinge haben in Italien während des Asylverfahrens einen Anspruch auf eine „freie“ (kostenlose) medizinische Versorgung sowie auch auf psychologische Hilfe, insbesondere auch Minderjährige und traumatisierte Personen (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1., 5.3. und 6.3.).

109

Dem entspricht es, wenn im Entscheiderrundbrief des Bundesamtes 7/2011 (a. a. O., S. 8) zur medizinischen Versorgung festgestellt wird, dass bei der Überstellung von kranken bzw. traumatisierten Personen – wie bei jedem italienischen Staatsbürger – die Möglichkeit der (medizinischen) Behandlung besteht. Bereits im Jahre 2009 habe es bei der SPRAR drei Zentren gegeben, in denen auch psychisch kranke Personen hätten behandelt werden können (zwei in Rom, eines in Turin). Für 2011 seien zudem 50 weitere Behandlungsplätze für psychisch kranke Personen bzw. Personen mit besonders schweren Erkrankungen geplant worden. Inzwischen würden bei Dublin-Überstellungen psychisch kranke Personen in Italien als eine besonders „vulnerable Gruppe“ angesehen.

110

Voraussetzung für den Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem ist zwar grundsätzlich ein gültiger Aufenthaltstitel bzw. ein rechtmäßiger Aufenthalt; bei im italienischen Asylverfahren befindliche Personen stellt sich dieses Problem aber nicht. Der Zugang zu öffentlichen medizinischen Leistungen ist auch nicht an die Voraussetzung eines ständigen Wohnsitzes bzw. feste Adresse gekoppelt, wie gelegentlich behauptet wird. Vielmehr erhalten Asylbewerber bei Bedarf auch ohne einen solchen ständigen Wohnsitz bzw. feste Anschrift vom nationalen Gesundheitsdienst einen Gesundheitsausweis („tessera sanitara“) und eine Steuernummer („codice fiscale“) (vgl. AA, Auskunft v. 09.10.2012 an VG Minden, S. 2 - zur Frage b) 4; ebenso: AA, Auskunft v. 11.07.2012 an VG Freiburg - S. 2 Ziffer I b)). Sollte hingegen etwas anderes gelten, ist davon auszugehen, dass aufgrund einer aktuellen Vereinbarung zwischen der Zentralregierung und den Regionen zumindest eine Not- und Grundversorgung auch für sich illegal in Italien aufhaltende Personen garantiert ist (AA, Auskunft v. 21.01.2013, Anm. 6.2.).

111

Der Senat vermag angesichts dieser Situation nicht zu erkennen, dass damit den eingangs aufgezeigten Mindeststandards bzw. Kernanforderungen nicht genügt wird. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass in bestimmten Fällen womöglich einzelnen Personen eine nur unzureichende medizinische Versorgung zuteil wurde oder diese aus dem medizinischen Versorgungssystem herausgefallen sind.

112

Aber selbst dann, wenn für kranke, behinderte oder sonst gesundheitlich besonders schutzbedürftige Personen die garantierte medizinische Not- und Grundversorgung nicht als ausreichend angesehen würde, ergäben sich daraus jedenfalls für die Klägerin, die keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen angeführt hat, keine Bedenken gegen ihre Überstellung nach Italien.

113

e) Soweit es das Asylverfahren als solches, namentlich die Qualität und die Dauer des Verfahrens betrifft, lässt sich ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 EMRK und Art. 4 EuGrdRCH sowie gegen die einschlägigen unionsrechtlichen Richtlinien ebenfalls nicht feststellen.

114

Italien gewährleistet entsprechend dem (Grund-)Recht auf Asyl (gem. Art. 10 Abs. 3 der italienischen Verfassung, verschiedenen Einwanderungs- und Asylverfahrensgesetzen, insbesondere nach dem Gesetz No. 25/2008 vom 28. Januar 2008) ein Schutzverfahren, das auch für Überstellungen nach der Dublin-II-Verordnung greift. Besonderheiten bestehen insoweit nicht (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 3.1.).

115

Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass es hinsichtlich der Qualität oder der Dauer der Asylverfahren einen Grund für Beanstandungen gibt. Insbesondere lässt sich nicht feststellen, dass von einer unverhältnismäßig restriktiven Asylpraxis auszugehen ist. Gegen eine solche Annahme sprechen die Zahlen, die vom Auswärtigen Amt zum Asylverfahren benannt werden. Danach wurden im Jahre 2010 über 14.042 Asylanträge entschieden, davon wurden 2.094 Antragsteller nach der Genfer Konvention anerkannt (15 vom Hundert), 1.789 erhielten subsidiären (13 vom Hundert), 3.675 humanitären Schutz (26 vom Hundert), hingegen wurden 4.698 abgelehnt. 520 Personen waren nicht auffindbar (4 vom Hundert) und 1.266 (9 vom Hundert) sind sonstige Fälle. Dementsprechend lag die Quote der Anerkennungen bzw. der Gewährung eines Bleiberechts bei immerhin 54 vom Hundert (vgl. AA, Auskunft v. 21.02. 2013, Anm. 3.2.). Demgegenüber wurden im Jahre 2011 über 25.626 Asylanträge entschieden. Davon wurden 2.057 Antragsteller nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt (8 vom Hundert), 2.569 Personen erhielten subsidiären (10 vom Hundert) und 5.662 humanitären Schutz (22 vom Hundert); 11.131 Personen wurden hingegen abgelehnt (44 vom Hundert) und 2.339 Personen waren nicht auffindbar (9 vom Hundert). Die Anerkennungsquote lag 2011 somit bei 40 vom Hundert, was ebenfalls nicht die Annahme einer unverhältnismäßig restriktiven Praxis rechtfertigt (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 3.2.; AA, Auskunft v. 11.07.2012 an VG Freiburg, S. 5 unter Hinweis auf eine entsprechende Statistik des Innenministeriums, abrufbar unter: http://www.interno.it/miniinteno/export/sites/default/it/assets/files/21/0551_statistiche_asilo.pdf).

116

Es kommt hinzu, dass sich die für die Entscheidung der Asylverfahren in erster Instanz zuständigen Territorialkommissionen per Dekret des Innenministers in der Weise zusammensetzen, dass auch jeweils ein Vertreter des UNHCR beteiligt ist (Bundesamt für Migration der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Hintergrundnotiz MILA - Italien Asylverfahren, Bericht vom 23.09.2009, S.4). Dies berechtigt zur Annahme, dass der Ordnungsmäßigkeit des Asylverfahrens eine besondere Beachtung geschenkt wird.

117

Hinsichtlich der Dauer des Asylverfahrens in Italien gibt es ebenfalls nichts zu beanstanden. Über den Asylantrag soll an sich innerhalb von 30 Tagen entschieden werden; zudem wird angestrebt, dass das Gesamtverfahren einschließlich gerichtlicher Überprüfung nicht länger als sechs Monaten dauert, auch wenn es immer wieder Fälle gibt, in denen diese Dauer – manchmal bis zu einem Jahr oder auch länger – überschritten wird (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 3.1., 3.2.; ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013, a. a. O. Rn. 15).

118

Ferner lässt sich nicht feststellen, dass es in Italien während des Asylverfahrens in nennenswerter Weise faktische Beeinträchtigungen in verfahrensrechtlicher bzw. prozessualer Hinsicht gibt. Art. 16 des italienischen Asylverfahrensgesetzes No. 25 vom 28. Januar 2008 garantiert dem Asylbewerber, dass er nach den einschlägigen Prozessvorschriften Anspruch auf eine Rechtsberatung und einen unentgeltlichen Rechtsbeistand im Verfahren hat (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 3.4.). Zwar bestehen Zweifel, ob dies auch in der Praxis ausnahmslos Geltung besitzt, wenn man berücksichtigt, dass für die nach Rom zurückkehrenden Dublin-II-Rückkehrern (und in Rom eintreffenden Asylbewerber) die Prozesskostenhilfe davon abhängig gemacht wird, dass zum Nachweis der wirtschaftlichen Bedürftigkeit eine Bescheinigung der jeweiligen Auslandsvertretung beigebracht werden soll. Allein wegen der Tatsache, dass der Asylbewerber im Einzelfall das Verfahren ohne anwaltlichen Beistand durchzuführen hat, soweit kein Anwaltszwang besteht, kann nicht schon von einem (landesweit bestehenden) systemischen Mangel gesprochen werden, der die Annahme einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i. S. d. Grundrechtscharta und EMRK rechtfertigt. Im Übrigen stehen dem Asylbewerber im Asylverfahren auch Übersetzungsdienste zur Verfügung (vgl. AA, Auskunft an OVG LSA v. 21.02.2013, Anm. 2.3. und 3.3.; AA, Auskunft v. 11.07.2012 an VG Freiburg, S. 3).

119

Insbesondere bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass – von Ausnahmen abgesehen – die für die Durchführung des Hauptsacheverfahrens erforderliche Erreichbarkeit des Asylbewerbers in Italien nicht sichergestellt wäre. Für eine solche Annahme fehlt es an hinreichend belegten Referenzfällen. Auch gibt es für Italien keine ernst zu nehmenden Quellen, wonach sich die Wahrnehmung von Verfahrensrechten (Antragstellung, Einlegung von Rechtsbehelfen etc.) regelmäßig als derart schwierig erweist, dass diese Rechte faktisch leer laufen würden.

120

Soweit in der Rechtsprechung dennoch vereinzelt – so u. a. das VG Gießen (Beschl. v. 10.03.2011 - 1 L 468/11.GI.A - Juris) und ihm folgend das VG Magdeburg (Beschl. v. 21.11.2011 - 9 A 351/10 -) – die Auffassung vertreten wird, „es erscheine auch die Qualität der Asylverfahren bedenklich“, wird diese Kritik nicht weiter spezifiziert und auch nicht durch entsprechende Erkenntnismittel belegt.

121

f) Ebenso lässt sich anhand des dem Senat vorliegenden Erkenntnismaterials nicht feststellen, dass im Hinblick auf die rechtliche und soziale Situation anerkannter Asylbewerber sowie der Flüchtlinge mit einem Bleiberecht angesichts der in Italien anzutreffenden Lebens- und Versorgungssituation sowie unter Berücksichtigung der insoweit staatlicherseits unternommenen Integrationsbemühungen das Aufnahme- und Asylverfahren in Italien derartige Mängel aufweist, dass es den Anforderungen des europäischen Asylsystems nicht mehr entspricht.

122

Schutzberechtigte, mithin anerkannte Asylbewerber (Asylberechtigte) und Personen mit subsidiärem Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten mit ihrer Anerkennung ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht; es wird ihnen eine Aufenthaltsberechtigung („permesso di soggiorno“) ausgestellt. Danach genießen sie in Italien dieselben Rechte wie italienische Staatsangehörige (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.2.).

123

Dies bedeutet in der Praxis, dass sie sich – ebenso wie italienische Staatsangehörige – grundsätzlich selbst um eine Unterkunft kümmern und auch in eigener Verantwortung einen Arbeitsplatz suchen müssen. Dafür besteht aber ein freier Zugang zum Arbeitsmarkt (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Alle Personen, die in Italien einen Schutzstatus besitzen, haben auch das Recht zu arbeiten (AA, Auskunft v. 21.02.2013, a. a. O.).

124

Sie können ihren Lebensunterhalt dadurch verdienen, dass sie je nach Ausbildung oder Befähigung einer zumindest einfachen Arbeit nachgehen (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 5.1.). Anerkannte Asylbewerber und Personen mit einem subsidiären Schutzstatus haben Zugang zu einer Beschäftigung in Italien, wie dies durch Art. 26 und Art. 28 der Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) garantiert wird.

125

Ein staatliches System finanzieller Hilfeleistungen bzw. ein Sozialhilfesystem existiert hingegen nicht. Denn in Italien gibt es für italienische Staatsangehörige – und somit auch für anerkannte Flüchtlinge und Personen mit subsidiärem Schutzstatus, die ihnen gleichgestellt sind – kein national garantiertes Recht auf Fürsorgeleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bzw. (sonstige) staatliche Sozialleistungen, jedenfalls soweit sie nicht das 65. Lebensjahr erreicht haben (AA, Auskunft v. 11.07.2012 an das VG Freiburg). Art. 28 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gewährt hinsichtlich der Sozialleistungen nur einen Anspruch auf Inländergleichbehandlung, nicht aber einen Anspruch auf Privilegierung des anerkannten Flüchtlings.

126

Zwar entspricht es der italienischen Kultur, dass es einen engen Familienzusammenhalt gibt, der im Notfall zumindest die Chance eröffnet, eine (gewisse) Unterstützung durch Familienangehörige in Anspruch nehmen zu können. Dass es eine solche vergleichbare Unterstützung unter den ausländischen Landsleuten gibt, die sich aufgrund ihres Schutzstatus dauerhaft in Italien aufhalten, erscheint nicht ausgeschlossen, dürfte aber die Ausnahme sein. Gleichwohl lässt dieser Umstand nach Auffassung des Senats für sich allein nicht schon die Annahme gerechtfertigt erscheinen, dass der anerkannte Flüchtling und sonstige Schutzberechtigte in Italien deshalb der konkreten Gefahr ausgesetzt wäre, „auf der Straße“ zu leben und zu verelenden.

127

Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass – ebenso wie italienische Staatsangehörige in einer vergleichbaren Situation – auch anerkannte Asylbewerber und schutzberechtigte Flüchtlinge von nichtstaatlichen Hilfsorganisationen, wie beispielsweise durch die CARITA und CIR, Unterstützung bekommen können (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Die Zuständigkeit für die Festsetzung von derartigen öffentlichen Sozialleistungen liegt grundsätzlich im Kompetenzbereich der Regionen. In bestimmten Regionen (z. B. Toskana, Emilia Romagna) wird die Höhe derartiger Leistungen durch die Kommune festgesetzt; die Leistungen weisen insoweit je nach regionaler und kommunaler Finanzkraft deutliche Unterschiede auf (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Diese Erkenntnis deckt sich im Übrigen mit dem Gutachten der Flüchtlingsorganisation borderline-europe e. V. (Gutachten an das VG Braunschweig vom Dezember 2012) und der Auskunft der italienischen Vereinigung für rechtliche Untersuchungen zur Situation von Einwanderung (ASGI-Bericht vom 20. November 2011, S. 10 f.). Danach erhalten ebenfalls anerkannte Asylbewerber und Personen, denen internationaler Schutz gewährt worden ist, Unterstützungen allgemeiner Art, wie sie auch für andere mittellose Personen in Italien vorgesehen sind.

128

Überdies ist für anerkannte Flüchtlinge und Personen mit subsidiärem Schutzstatus ein kostenfreier Zugang zu allen öffentlichen medizinischen Leistungen wie Arzt, Zahnarzt, Krankenhaus gewährleistet (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Ein Anspruch auf Einhaltung bestimmter Mindeststandards im Hinblick auf die Gewährung von Unterkunft sowie auf eine gewisse materielle Unterstützung besteht für sie auch nach dem Unionsrecht nicht; ein solcher Anspruch besteht nur für Asylbewerber (EGMR, Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - M.S.S. v. Belgium and Greece; EuGH, Urt. v. 21.12. 2011 - C-411/10 und C-493/10 - N.S. und M.E.), denn nach den Bestimmungen der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 steht Asylbewerbern und Schutzsuchenden zwar ein subjektives Recht auch auf eine angemessene Fürsorge zu. Nach Art. 3 Abs. 1 der genannten Richtlinie haben Asylbewerber jedoch nur solange Anspruch auf die in Art. 5 ff. der Richtlinie bezeichneten humanitären Leistungen, solange sie „als Asylbewerber im Hoheitsgebiet verbleiben dürfen“. „Asylbewerber“ im Sinne der Richtlinie ist dabei ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, der einen Asylantrag gestellt hat, über den noch nicht entschieden wurde.

129

Soweit anerkannten Asylbewerbern und schutzberechtigten Flüchtlingen in der Zivilbevölkerung vereinzelt Vorbehalte entgegen gebracht werden und sich diese Vorbehalte womöglich auch im Verhalten von Amtsträgern widerspiegeln sollten, lässt sich diesem Umstand keine selbständige rechtliche Bedeutung beimessen. Die gilt selbst dann, wenn der genannte Personenkreis im Alltag womöglich Benachteiligungen erfahren sollte. Denn die genannten Umstände lassen nicht den Schluss zu, dass das Aufnahme- und Asylverfahren in Italien schon allein aus diesem Grunde den Regeln des europäischen Asylsystems zuwiderläuft.

130

Nach allem erübrigt sich hier die Erörterung der weitergehenden Frage, ob und inwieweit auch möglicherweise jene (unionsrechtlichen) Rechtsverletzungen für die Entscheidung über den Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO relevant sind, die Personen betreffen, bei denen das Asylverfahren bereits mit einer Anerkennung bzw. mit einem subsidiären Schutzstatus abgeschlossen ist (vgl. hierzu VG Regensburg, Beschl. v. 16.08.2012 - RN 7 S 12.30273 -).

131

g) Zur Überzeugung des Senats steht auch bei der gebotenen Zukunftsprognose nicht zu erwarten, dass angesichts eines unvermindert anhaltenden oder wieder zunehmenden Flüchtlingsstroms nach Italien sich die dort anzutreffenden Verhältnisse (wieder) verschlechtern werden. So verhält es sich jedenfalls dann, wenn man bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats Folgendes in Rechnung stellt:

132

Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes ist in Italien gegenwärtig nicht (mehr) von einem Anstieg des Zustroms von Asylbewerbern und Flüchtlingen auszugehen (AA, Auskunft v. 21.02.2013 Anm. 9.1. und 9.2.). Diese Entwicklung wird auch durch das dem Senat vorliegende Zahlenmaterial belegt. Laut Berichterstattung in der Presse (Spiegel online v. 26.04.2011) haben von Januar bis Ende April 2011 allein 26.000 Flüchtlinge in Italien um Schutz nachgesucht. Demgegenüber wurden laut Auskunft des Auswärtigen Amtes im ersten Halbjahr 2012 nur insgesamt 5.580 Asylanträge in Italien gestellt (AA, Auskunft v. 21.01.2013 Anm. 3.2.).

133

Insbesondere ist auch ein deutlicher Rückgang von Anlandungen im Süden Italiens zu verzeichnen. Im Jahr 2011 waren es noch 62.692 Personen, im Jahre 2012 hingegen nur noch 13.267 Personen (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 9.1. und 9.2.). Dies ist – wie das Auswärtige Amt in nachvollziehbarer Weise feststellt – vor allem auf die Beruhigung der Lage in den Nordafrikanischen Staaten zurückzuführen (AA, a. a. O.).

134

Im Übrigen ist auch in der Gesamtschau des letzten Jahrzehnts nicht von einem kontinuierlichen und erheblichen Zuwachs an Asylbewerbern und Flüchtlingen in Italien auszugehen, so dass etwa deshalb die Annahme einer nicht (mehr) zu bewältigenden “Überlastung“ des Asylsystems in Italien begründet wäre. In der ersten Hälfte des letzten Jahrzehnts waren die Zahlen bis 2006 vielmehr rückläufig, die Zahl der Asylantragsteller ging insoweit von 24.000 auf 10.000 zurück. In den Jahren 2008 und 2011 gab es dann in den Spitzen über 30.000 Asylbewerber, während es im Jahre 2012 allerdings wieder weniger als 15.000 Bewerber waren. Bei den genannten Spitzen handelte es sich somit um temporäre Erscheinungen aufgrund der politischen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem “arabischen Frühling“ (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 9.1.2.). Auch ist nach aktueller Einschätzung, namentlich vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung in den Mittelmeer-Anrainerstaaten, nicht damit zu rechnen, dass die Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien in absehbarer Zeit ansteigen wird (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 9.1.3.).

135

Nach allem erweist sich die in der einschlägigen Rechtsprechung vielfach angeführte Begründung, dass wegen der zu erwartenden weiteren Flüchtlingsströme von Afrika nach Italien infolge der kriegerischen Auseinandersetzungen und der damit einhergehenden instabilen Verhältnisse in Nordafrika sich die Entwicklung in Italien in absehbarer Zeit voraussichtlich nicht verbessern, sondern eher noch verschlechtern wird (so u. a. VG Stuttgart, Beschl. v. 02.07.2012 - A 7 K 1877/12 - ) als nicht (mehr) tragfähig.

136

Insbesondere lässt sich auch der Stellungnahme des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen – UNHCR – vom 24. April 2012 an das Verwaltungsgericht Braunschweig kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass ernsthaft zu befürchten ist, dass die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien grundlegende Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aufweisen. Nach dem Inhalt dieser Stellungnahme wurden in Italien die regionalen Regierungen im Jahr 2011 nach Ankunft einer erheblichen Zahl von Personen aus Nordafrika ausdrücklich gebeten, zusätzliche Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen. Zwischen den Regierungen und den örtlich zuständigen Behörden wurde zudem eine Vereinbarung getroffen, in der die Kriterien für die landesweite Verteilung von bis zu 50.000 Personen festgehalten wurden. Der UNHCR erkennt vor diesem Hintergrund an, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des Aufnahmesystems stattgefunden haben und die CARA-, CDA- und SPRAR-Projekte insgesamt in der Lage sind, dem Aufnahmebedarf einer signifikanten Anzahl von Asylsuchenden nachzukommen (UNHCR, a. a. O. S. 3).

137

Dass die Verhältnisse zwischen Italien und Griechenland – wie gelegentlich behauptet wird – vergleichbar sind, vermag der Senat nicht festzustellen. Dies bedarf aber auch keiner Vertiefung, weil es hierauf nicht entscheidend ankommt. Dennoch bleibt festzustellen, dass der UNHCR – anders als in Bezug auf Griechenland – für Italien jedenfalls keine Empfehlung ausgesprochen hat, von einer Überstellung bzw. Abschiebung von Dublin-II-Flüchtlingen nach Italien abzusehen. Der Senat misst diesem Umstand kein geringes Gewicht bei. Soweit vereinzelt der Einwand erhoben wird, dies sei dem Umstand geschuldet, dass der UNHCR „politische Rücksichten zu nehmen habe“, ist dies durch Nichts belegt. Zwar hat – ausweislich des Tagungsberichts von Nora Markard zum 12. Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz vom 18.-19. Juni 2012 in Berlin (ZAR 10/2012 S. 380 ff. S. 381 zur Situation in Italien) – der UNHCR Senior Regional Protection Associate Jürgen Humberg im Hinblick auf die deutsche Debatte über die Zulässigkeit von Abschiebungen nach Italien angeblich betont, dass der Umstand, dass der UNHCR bisher kein Positionspapier zu Italien veröffentlicht habe, nicht bedeute, dass in Italien „alles in Ordnung sei“; eine solche Schlussfolgerung, den einige Verwaltungsgerichte zögen, sei unzulässig. Auch diese Äußerung veranlasst den Senat nicht zu einer anderen Einschätzung im Hinblick darauf, dass sich der UNHCR – anders als in anderen Fällen – einer entsprechenden offiziellen Stellungnahme bzw. Empfehlung, von einer Rückführung von Asylbewerbern nach Italien abzusehen, enthalten hat. Dies bedeutet keineswegs, dass der Senat der Auffassung wäre, in Italien „sei alles in Ordnung“; hieraus aber folgt eben noch nicht, dass in Bezug auf das Asyl- und Aufnahmeverfahren in Italien systemische Mängel feststellbar sind, die eine Verletzung der Europäischen Grundrechtscharta oder der Menschenrechtskonvention darstellen.

138

Festzustellen bleibt überdies, dass der UNHCR auch in seinem jüngsten Bericht (UNHCR - Recommendations on important aspects of Refugee protection in Italy) vom Juli 2013 trotz zahlreicher kritischer Anmerkungen bei seiner Einschätzung zur aktuellen Lage der Flüchtlinge und Asylbewerber in Italien zu keinem anderen Ergebnis gekommen ist.

139

Schließlich hat auch der EGMR in einer neueren Entscheidung vom 02. April 2013 (Ap-plication No. 27725/10 - Mohammed Hussein vs. the Netherlands and Italy) eine gegen die Dublin-Überstellung von den Niederlanden nach Italien gerichtete Beschwerde als offensichtlich unbegründet abgewiesen. In der Entscheidung hat sich der EGMR mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, einer nach eigenen Angaben aus Somalia stammenden Frau mit zwei kleinen Kindern, zum Asylverfahren und auch zur Unterbringungssituation in Italien auseinander gesetzt und festgestellt, dass die Situation in Italien keineswegs mit der in Griechenland vergleichbar sei (Entscheidung v. 02.04. 2013, a. a. O. Rdn. 72). Auch aus dem Umstand, dass der EGMR in einer früheren Entscheidung (Application No. 64208/11) die Abschiebung eines Asylbewerbers von Deutschland nach Italien gestoppt hat, lässt sich nicht herleiten, dass Italien generell die Anforderungen des europäischen Asylsystems nicht erfüllt. Die Gründe für den mit der genannten Entscheidung verhängten Abschiebungsstopp sind letztlich nicht bekannt. Dem „Statement of Facts“ ist indes zu entnehmen, dass sich der dortige Antragsteller zwar auch auf die Lebensumstände von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Italien berufen hat, jedoch insbesondere im Raum stand, dass er durch die Abschiebung aufgrund unterschiedlicher Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Münster und Magdeburg von seiner Frau und seinen Kindern getrennt werden würde, deren Abschiebung gestoppt wurde. Weitere Fälle des EGMR (Application No. 30815/09, Application No. 37159/09, Application No. 56424/10) betrafen unbegleitete Minderjährige und die spezielle Situation einer Mutter mit einem minderjährigen Kind (Application No. 2303/10).

140

Im Übrigen haben sowohl der Österreichische Asylgerichtshof (Spruch v. 03.05. 2010 - S16 412.104-1/2010-4E -, veröffentlicht unter http://www.ris.bka.gv.at, dort insbes. Ziffer 2.2.2.2.1. "Kritik am italienischen Asylwesen" m. w. N.) als auch das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht (vgl. u. a. Urt. v. 15.07.2010 - D 4987/ 2010 - und Urt. v. 18.03.2010 - D-1496/2010 -, im Internet abrufbar unter: http://www.bundes verwaltungsgericht.ch/index/entscheide/Jurisdiction-datenbank/Jurisdiction-recht-urteile aza.htm) die Rückführung von Asylsuchenden nach Italien in Ansehung der dortigen Asylverfahrenspraxis grundsätzlich als zulässig angesehen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der angeführten Entscheidungen Bezug genommen.

141

Auch der Umstand, dass zahlreiche Verwaltungsgerichte hinsichtlich der Situation der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien zu einer gegenteiligen Einschätzung hinsichtlich der Verhältnisse und des Asylsystems in Italien gelangt sind, veranlasst den Senat nicht zur Annahme, dass die Behandlung der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien nicht in Einklang steht mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtscharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Nach Auffassung des Senats wird in der insoweit einschlägigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte häufig nicht hinreichend dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich bei den zugrunde gelegten Erkenntnismitteln nicht selten um bloße subjektive Einschätzungen handelt, die nicht in der erforderlichen Weise durch Fakten belegt sind. Auch erscheint mitunter fraglich, ob die insoweit festgestellten Mängel und Defizite verallgemeinerungsfähig sind. Nicht zuletzt haben sich die Verhältnisse in Italien – wie dargelegt – zwischenzeitlich teilweise geändert, so etwa in Bezug auf den Flüchtlingsstrom aus Nordafrika und die Anzahl der für die Asylbewerber und Flüchtlinge zur Verfügung stehenden Unterkünfte. Im Übrigen ist Gegenstand der Prüfung nach § 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-VO) nicht die Frage, ob die Aufnahmebedingungen und das Asylverfahren für Flüchtling und Asylbewerber kritikwürdig sind, weil das System zahlreiche Mängel aufweist oder hinter dem Schutzniveau anderer Mitgliedstaat zurückbleibt.

142

Der Senat sieht auch keine Veranlassung, weitere Gutachten, Auskünfte oder Stellungnahmen zur Situation von Asylbewerbern und Flüchtlingen in Italien einzuholen. Nach anerkannter Rechtsauffassung ist die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nur dann geboten, wenn sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung aufdrängen musste, weil bereits vorliegende Gutachten, Auskünfte oder Stellungnahmen nicht den ihnen obliegenden Zweck erfüllen (konnten), dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts notwendige Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. In diesem Sinne kann z. B. ein Sachverständigengutachten für die Überzeugungsbildung des Gerichts ungeeignet oder jedenfalls unzureichend sein, wenn es grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, wenn es von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht (BVerwG, Beschl. v. 14.04.2011 - 2 B 80/10 - m. w. N., Juris). Dies ist hier aber nicht der Fall. Zwar sind die dem Senat vorliegenden zahlreichen Gutachten, Auskünfte und Stellungnahmen nicht in allen Punkte stets konsistent und völlig frei von gewissen Widersprüchen; soweit es indes die im vorliegenden Fall entscheidungserheblichen Tatsachen und Erkenntnisse betrifft, sind diese aufgrund der herangezogenen Erkenntnismittel zur Überzeugung des Senats hinreichend geklärt und eindeutig und mithin für die Überzeugungsbildung ausreichend.

143

Der Senat sieht insbesondere auch keine Veranlassung, an der Tauglichkeit des vorhandenen Erkenntnismaterials für die hier entscheidungsrelevanten Fragen zu zweifeln. Dies gilt speziell auch hinsichtlich des Beweiswertes der Auskünfte des Auswärtigen Amtes, da sie grundsätzlich eine sich auf unterschiedliche Erkenntnisquellen stützende Gesamtbewertung vornehmen und zudem im Allgemeinen den tatsächlichen Verhältnissen am nächsten kommen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.08.2006 - 1 B 24.06 - Juris; Beschl. v. 06.10.1997 - 9 B 803.97 - Juris; Beschl. v. 08.09.1997 - 9 B 401.97 -; Beschl. v. 15.10. 1985 - 9 C 3.85 - Juris sowie Beschl. v. 31.07.1998 - 9 B 71.85 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 28 = Juris). Nicht anders verhält es sich hier. So beruhen die den Auskünften des Auswärtigen Amtes zugrunde liegenden Erkenntnisse auf laufenden Gesprächen der Botschaft Rom mit dem italienischen Flüchtlingsrat CIR, UNHCR und IOM in Rom, den Präsentationen des italienischen Innenministeriums und des statistischen Amtes ISTAT sowie schließlich auf Kontakten zu nichtstaatlichen karitativen Organisationen wie Carita Migrantes, Comunità di Sant’ Egidio u. a..

144

Nach allem vermag der Senat nicht zur Überzeugung zu gelangen, dass ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 21.12.2011, a. a. O.) die Annahme rechtfertigen, dass die Klägerin aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien im Falle einer Abschiebung bzw. Überstellung dorthin Gefahr laufen wird, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. d. Art. 3 EMRK und § 4 EuGrdRCH ausgesetzt zu werden und dass sich deshalb die Rücküberstellung als rechtswidrig erweist.

III.

145

Soweit das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid zugleich die Abschiebung der Klägerin nach Italien gem. § 34 Abs. 1 AsylVfG angeordnet hat, bestehen gegen die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung keine Bedenken.

146

§ 34a AsylVfG überantwortet die Entscheidung über die Abschiebung dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, so dass dieses die Abschiebungsanordnung verfügt. Das Bundesamt ordnet dabei nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Abschiebungsverbote sind nicht ersichtlich.

147

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.

148

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§§ 132 Abs. 2, 137 VwGO).


Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der 1985 geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Pakistan und gehört zu den Punjabi. Er verließ nach seinen Angaben Pakistan am 25.02.2012 und kam am 26.03.2012 nach Italien, wo er erkennungsdienstlich behandelt wurde. Am 03.06.2012 reiste er nach seinen Angaben auf dem Landweg über die Schweiz oder Frankreich nach Deutschland.
Am 18.06.2012 stellte er einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellte daraufhin am 18.10.2012 ein auf Art. 16 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien. Am 30.11.2012 erfolgte die Zustimmung Italiens zur Rücküberstellung des Klägers.
Mit Bescheid vom 03.12.2012 erklärte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag für unzulässig und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Ein Zustellungsnachweis befindet sich nicht bei den Akten; jedenfalls wurde der Bescheid mit einem Begleitschreiben vom 15.01.2013 zur Post gegeben. Die für den 31.01.2013 vorgesehene Überstellung nach Italien konnte nicht durchgeführt werden, da der Kläger nicht angetroffen wurde.
Am 28.01.2013 erhob der Kläger Klage und machte geltend, eine Abschiebung nach Italien sei nicht zulässig. Er habe in Italien gar keinen Asylantrag gestellt. Auch bestehe die Gefahr der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung in Italien. Die Beklagte hätte von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen.
Mit Beschluss vom 14.03.2013 (A 12 K 332/13) ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 03.12.2012 enthaltene Abschiebungsanordnung an und gab der Beklagten auf, dem Regierungspräsidium Karlsruhe die Anordnung der aufschiebenden Wirkung mitzuteilen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vom 17.06.2013 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 03.12.2012 auf und verpflichtete die Bundesrepublik Deutschland auf den ausdrücklichen Antrag des Klägers, sein Asylverfahren fortzuführen. Zur Begründung führte es aus: Zwar sei Italien der zuständige Mitgliedstaat. Allerdings leide das Asylsystem Italiens unter sog. systemischen Mängeln im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, sodass die Bundesrepublik von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müsse.
Auf den rechtzeitig gestellten Antrag der Beklagten ließ der Senat durch Beschluss vom 14.08.2013 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.
Am 05.09.2013 hat der Beklagte unter Stellung eines Antrags die Berufung begründet: Zunächst sei davon auszugehen, dass das Zuständigkeitsregime der Dublin-Verordnung keine subjektiven Rechte der Asylbewerber begründe. Im Übrigen gelte nach der Rechtsprechung des EuGH eine generelle Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention erfolge. Dass in Bezug auf Italien ernsthaft und erwiesenermaßen zu befürchten sei, dass systemische Mängel zwangsläufig mit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung der überstellten Asylbewerber einhergingen, könne nicht eingewandt werden. Nach den vorliegenden Quellen, insbesondere von UNHCR, seien derartige Befürchtungen nicht gerechtfertigt.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.06.2013 - A 12 K 331/13 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten verweist der Senat auf die gewechselten Schriftsätze. Dem Senat liegen die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

Gründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tatbestand

1

Die Klägerin ist am (…) 1947 in H. in Syrien geboren. Sie ist verheiratet, yezidischen Glaubens, kurdische Volkszugehörige und sie besitzt die syrische Staatsangehörigkeit. Nach eigenen Angaben reiste sie – zusammen mit ihrer Tochter (...) sowie drei weiteren Kindern – von Syrien kommend am 01. August 2011 zunächst nach Italien, wo sie erkennungsdienstlich behandelt wurde und am 21. August 2011 in B-Stadt einen Asylantrag stellte, und alsdann am 07. September 2011 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 12. September 2011 stellte sie bei der Außenstelle des Bundesamtes in H-Stadt einen (weiteren) Asylantrag.

2

Die Beklagte richtete unter dem 07. Februar 2012 an Italien ein Übernahmeersuchen gem. Art. 10 Dublin-II-VO (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 des Rates vom 10.02.2003). Mit Schreiben vom 16. Februar 2012 erklärten die italienischen Behörden ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags der Klägerin.

3

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte den Asylantrag der Klägerin mit Bescheid vom 13. Juni 2012 als unzulässig ab und ordnete ihre Abschiebung nach Italien an. Nach der Dublin-Verordnung sei Italien für die Bearbeitung ihres Asylantrags zuständig; außergewöhnliche humanitäre Gründe, welche die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach § 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch zu machen, seien nicht ersichtlich.

4

Die Klägerin hat am 29. Juni 2012 beim Verwaltungsgericht Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, sie könne wegen der allgemeinen Situation von Asylbewerbern in Italien nicht darauf verwiesen werden, in Italien ein Asylverfahren durchzuführen, weil davon auszugehen sei, dass das Asylverfahren dort nicht ordnungsgemäß durchgeführt würde. Sie besitze einen Anspruch auf Asyl und Flüchtlingsschutz sowie Abschiebungsschutz; hierüber sei durch das Bundesamt zu entscheiden.

5

Die Klägerin hat beantragt,

6

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13. Juni 2012 zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen und dass Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gegeben sind.

7

Die Beklagte hat beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Sie hat die Ansicht vertreten, Italien erfülle bei der Durchführung von Asylverfahren die Mindeststandards der Europäischen Union. In den italienischen Aufnahmeeinrichtungen seien zahlreiche humanitäre Organisationen tätig, die dies gewährleisten würden. Insbesondere hätten Asylbewerber in Italien vollen Zugang zum Gesundheitssystem. Anders als im Fall Griechenlands gebe es keine Empfehlung des UNHCR, Flüchtlinge nicht an Italien zu überstellen. Dementsprechend habe das Bundesverfassungsgericht auch Verfassungsbeschwerden gegen erstinstanzliche Entscheidungen, denen zufolge eine Abschiebung nach Italien möglich sei, nicht zur Entscheidung angenommen. Ferner sei eine Vielzahl erstinstanzlicher Entscheidungen ergangen, wonach die asylrechtlichen Mindeststandards in Italien gewährleistet seien und woraus sich ergebe, dass der Bericht von Bethke und Bender zu den Problemen der Flüchtlinge in Italien kritisch zu betrachten sei.

10

Auf den Antrag der Klägerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 07. März 2012 – 9 B 57/12 MD – die Beklagte im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Abschiebung der Klägerin nach Italien vorläufig bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu unterlassen.

11

Mit Gerichtsbescheid vom 10. Juli 2012 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13. Juni 2012 verpflichtet, über den Asylantrag der Klägerin in eigener Zuständigkeit zu entscheiden und ein Asylverfahren durchzuführen. Die Klägerin habe nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO einen Anspruch darauf, dass die Beklagte ein Asylverfahren in der Bundesrepublik Deutschland durchführe; das insoweit bestehende Ermessen der Beklagten sei auf Null reduziert. Der Klägerin könne die Durchführung eines Asylverfahrens in Italien nicht zugemutet werden.

12

Der Senat hat auf Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 10. Oktober 2012 die Berufung zugelassen. Zur Begründung der Berufung verweist die Beklagte im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Zulassungsantrag, wonach sie an ihrer bisherigen Auffassung festhält, die Klägerin könne in Anbetracht der in Italien gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse auf die Durchführung eines Asylverfahrens dort verwiesen werden.

13

Die Beklagte beantragt,

14

die Klage unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 9. Kammer - vom 10. Juli 2012 abzuweisen.

15

Die Klägerin beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Sie macht geltend, die Beklagte beziehe sich zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen auf bloße Vorschriften und eine nicht mehr aktuelle Rechtsprechung, während neue Berichte nicht zur Kenntnis genommen würden. Der Auffassung der Beklagten sei im Hinblick auf die humanitäre Situation in Italien entgegen zu halten, dass sich die Situation der Flüchtlinge in Italien aufgrund des anhaltenden Flüchtlingsstroms aus Tunesien und anderen nordafrikanischen Staaten dramatisch verschlechtert habe. Italien sei bereits zuvor mit der Aufnahme von Flüchtlingen und deren ordnungsgemäßer Unterbringung überfordert gewesen. Aufgrund des momentanen Flüchtlingsstroms nach Italien habe sich die Situation noch verschlechtert; es sei damit zu rechnen, dass der Klägerin bereits aus diesem Grunde ein ordnungsgemäßes Asylverfahren verwehrt werde und dass sie obdachlos würde. Im Übrigen dürfe nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs (Urteil v. 21.12.2011 - C-411/11, C-493/10 -) ein Asylbewerber bereits dann nicht an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin-II-VO überstellt werden, wenn ernsthafte Hinweise auf systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedsstaat vorlägen, die eine Gefährdung des Asylbewerbers nahe legen würden. Solche ernsthaften Hinweise lägen hier vor. Die vorliegenden Berichte und sonstigen Erkenntnismittel gingen davon aus, dass das staatliche Aufnahmesystem in Italien völlig überlastet sei. Es existierten 3.000 Plätze, die eine Aufnahme von Asylbewerbern für jeweils nur sechs Monate vorsehen würden. Im Jahre 2011 hätten indessen laut Presseberichterstattung (Spiegel online v. 26.04.2011) in Italien bis Anfang Mai bereits 26.000 Flüchtlinge um Schutz nachgesucht.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Vorbringen der Beteiligten und auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten (Beiakte A) sowie auf die vom Senat in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage der Klägerin mit Gerichtsbescheid vom 10. Juli 2012 zu Unrecht stattgegeben.

20

I. Die Klage ist teilweise unzulässig.

21

1. Die als Verpflichtungsklage erhobene Klage ist “lediglich“ als Anfechtungsklage zulässig. Gegen die in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13. Juni 2012 getroffene Entscheidung, dass der Asylantrag der Klägerin gem. § 27a AsylVfG (wegen fehlender Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland) unzulässig ist, ist allein die Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO statthaft (ebenso: VG Düsseldorf, Urt. v. 15.01. 2010 - 11 K 8136/09 -; VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009 - 7 K 4376/07.F.A u. a. - InfAuslR 2009,409; Urt. v. 29.09.2009 - 7 K 269/09.F.A -; Urt. v. 23.06. 2010 - 7 K 2789/09.F.A. -; VG Freiburg, Beschl. v. 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 -; VG München, Urt. v. 29.11.2011 - M 24 K 11.30219 -; VG Ansbach, Beschl. v. 08.11. 2011 - AN 11 S 11.30508 -; VG Wiesbaden, Urt. v. 17.06.2011 - 7 K 327/11.WI.A -; VG Braunschweig, Urt. v. 01.06.2010 - 1 A 47/10 -; VG Karlsruhe, Urt. v. 07.04.2010 - A 3 K 1580/09 -; VG Augsburg, Beschl. v. 01.02.2010 - Au 5 S 10.30014 -; Beschl. v. 29.09.2009 - 7 K 269.09 F.A. -; VG Neustadt, Urt. v. 16.06.2009 - 5 K 1166/08.NW -, alle: Juris; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, § 27a Rdnr. 18; a. A. statthaft nur die Verpflichtungsklage: OVG NRW, Urt. v. 10.05.2010 - 3 A 133/10.A - Juris; VG Wiesbaden, Urt. v. 10.03.2010 - 7 K 1389/ 09.WI.A -).

22

Im Fall der Aufhebung einer – wie hier – auf § 27a AsylVfG gestützten Entscheidung wegen Unzulässigkeit des Asylantrages ist der Weg für die Durchführung eines Asylverfahrens („in eigener Zuständigkeit“) vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auch ohne ein hierauf gerichtetes Verpflichtungsbegehren eröffnet. Denn das Bundesamt ist nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides bereits von Gesetzes wegen zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet (vgl. § 31 Abs. 2 AsylVfG zur Entscheidung des Bundesamtes über beachtliche Asylanträge). Da grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass die Beklagte ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachkommt, bedarf es demzufolge einer Verpflichtungsklage nicht (ebenso: VG Düsseldorf, Urt. v. 15.01.2010, a. a. O.; vgl. auch VG Frankfurt/Main, Urt. v. 29.09.2009, a. a. O.; Urt. v. 08.07.2009, a. a. O.).

23

Überdies muss bezweifelt werden, ob es sich bei der Entscheidung nach Art. 3 Abs. 2 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist – Dublin-II-VO – [z. T. auch „EG-AsylZustVO“ genannt] – (ABl. L 50 vom 25.02.2003, S. 1 -10) um einen (selbständigen) Verwaltungsakt handelt, so dass eine Verpflichtungsklage bzw. – unter Berücksichtigung des im Rahmen der genannten Vorschrift eingeräumten Ermessens – eine Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung in Betracht kommt, oder ob es sich bei der gem. § Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO zu treffende Entscheidung nicht um eine bloß inzidente handelt, da es allein um die Feststellung der Zuständigkeit der Beklagten geht.

24

Ebenso scheidet eine Verpflichtungsklage aus, die unmittelbar auf Anerkennung als Asylberechtigter gem. § 16a GG bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG oder aber - hilfsweise - auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gerichtet ist. Denn eine Verpflichtung für das Gericht, die Sache selbst spruchreif zu machen, besteht nur dann, wenn ein „mit seinem Asylantrag beim Bundesamt erfolglos gebliebener Ausländer“ den Klageweg beschreitet (BVerwG, Urt. v. 06.07.1998 - 9 C 45.97 - BVerwGE 107, 128 ff.). Hat hingegen das Bundesamt (noch) keine Sachentscheidung getroffen, so würde dem Betroffenen in dem Falle des “Durchentscheidens“ des Gerichts durch Verpflichtungs-urteil eine Tatsacheninstanz genommen, nämlich dass eine inhaltliche Überprüfung seines Asylbegehrens durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erfolgt (ebenso: VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009, a. a. O.; VG Schleswig, Urt. v. 03.08. 2011 - 1 A 46/11 - und Beschl. v. 12.09.2011 - 12 A 124/10 -; a. A. VG Braunschweig, Urt. v. 21.02.2013 - 2 A 126/11 - u. a. mit Verweis auf VGH Mannheim, Urt. v. 19.06.2012 - A 2 1355/11 -, Juris).

25

Im Übrigen verhält es sich bei der Entscheidung nach § 27a AsylVfG ähnlich wie in Fällen der Entscheidung des Gerichts über eine Einstellung des Asylverfahrens nach§ 32 AsylVfG wegen vermeintlicher Antragsrücknahme bzw. Verzicht nach § 14a Abs. 3 AsylVfG sowie in den Fällen der gerichtlichen Entscheidung bei fiktiver Antragsrücknahme nach§ 33 AsylVfG. In den genannten Fällen ist nach der hierzu ergangenen einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 07.03.1995 - 9 C 264.94 -, NVwZ 1996, S. 80 = Juris; vgl. auch Marx, AsylVfG, 7. Aufl. 2009, § 33 Rdnr. 34 ff. m. w. N.) die Verpflichtungsklage unzulässig, weil die verweigerte sachliche Prüfung des Asylantrages nach den Regelungen des Asylverfahrensgesetzes vorrangig von der Fachbehörde nachzuholen ist.

26

Auch ist im Hinblick auf die mit dem angefochtenen Bescheid angeordnete Abschiebung der Klägerin nach § 34a Abs. 1 AsylVfG die Verpflichtungsklage nicht veranlasst und stattdessen eine Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO ausreichend (vgl. VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009, a. a. O. und Urt. v. 29.09.2009, a. a. O.; s. auch Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 34a AsylVfG Rdnr. 6; Funke-Kaiser, a. a. O., § 34a Rdnr. 64). Soweit es nämlich darum geht, dass die Beklagte von einem Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO i. V. m. der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 02. September 2003 (Abl. L 222 S. 3) Gebrauch macht, bedarf es im Urteil über eine entsprechende inzidente Feststellung hinaus keiner ausdrücklichen Verpflichtung der Beklagten, von einer Abschiebung abzusehen.

27

Es ist vorliegend davon auszugehen, dass die Anfechtungsklage vom Verpflichtungsbegehren der Klägerin (mit-)umfasst ist. Gegenstand der Anfechtungsklage ist nach allem ausschließlich die Frage nach der Zuständigkeit der Beklagten zur Durchführung eines Asylverfahrens, wobei die Frage nach dem rechtlich gebotenen Selbsteintritt der Bundesrepublik Deutschland inzident zu beantworten ist.

28

2) Der Klägerin steht für ihre Klage auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse zur Seite, da sie weiterhin nach Italien zurückgeführt bzw. rücküberstellt werden könnte, nachdem die italienischen Behörden mit Schreiben vom 16. Februar 2012 (Bl. 115 d. Sachakte) ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung ihres Asylantrags erklärt haben, indem sie dem Übernahmeersuchen stattgegeben und damit ihrer Rücküberstellung zugestimmt haben.

29

II. Die Klage ist im Übrigen unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat den Asylantrag der Klägerin zu Recht als unzulässig abgelehnt und zugleich ihre Abschiebung nach Italien angeordnet. Es musste im vorliegenden Fall insbesondere auch nicht von der Möglichkeit des Selbsteintritts der Beklagten nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch machen.

30

1) Rechtsgrundlage des Bescheides vom 13. Juni 2012, mit dem das Bundesamt den Asylantrag der Klägerin als unzulässig abgelehnt hat, ist § 27a AsylVfG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies ist hier der Fall. Zu Recht ist die Beklagte im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, dass die Republik Italien für die Durchführung eines Asylverfahrens der Klägerin zuständig ist.

31

a) Die Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylverfahrens der Klägerin ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO, sofern nicht die nach Art. 5 Abs. 1 der genannten Verordnung vorrangig zu prüfenden Zuständigkeitskriterien nach Art. 6 bis 9 der Verordnung einschlägig sind.

32

Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig, sofern auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 18 Abs. 3 der Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel III derVerordnung (EG) Nr. 2725/2000, festgestellt wird, dass der Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze des Mitgliedstaats illegal überschritten hat (vgl. auch Art. 18 Abs. 4 und 5 Dublin-II-VO).

33

Dies bedeutet, dass – soweit nicht die Vorschriften nach Art. 6 bis 9 Dublin-II-VO einschlägig sind – im vorliegenden Fall Italien für die Prüfung des Asylantrags der Klägerin zuständig ist, da sie ihren eigenen Angaben zufolge aus Syrien kommend die Grenze nach Italien illegal überschritten hat (und dort – in B-Stadt – am 21. August 2011 zugleich einen Asylantrag gestellt hat [Bl. 108 ff. d. Sachakte]).

34

Die insoweit gegebene Zuständigkeit endet zwar gem. Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Die Klägerin hat jedoch am 12. September 2011 und damit noch vor Ablauf der Jahresfrist ihren Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt, so dass die Zuständigkeit Italiens nicht nach Satz 2 entfallen ist. Die Einreise der Klägerin nach Italien erfolgte am 07. September 2011; die Jahresfrist lief somit am 07. September 2012 ab. Dass die Frist nunmehr abgelaufen ist, ist unschädlich, weil für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates nach Art. 5 Abs. 2 Dublin-II-VO auf die Situation in dem Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

35

b) Im Falle der Klägerin sind auch die Voraussetzungen nach Art. 6 bis 9 Dublin-II-VO nicht erfüllt. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich Art. 7 der Verordnung, wonach – soweit die betroffenen Personen dies wünschen – der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig ist, wo ungeachtet dessen, ob die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat, der Asylbewerber einen Familienangehörigen hat, dem das Recht auf Aufenthalt in einem Mitgliedstaat in seiner Eigenschaft als Flüchtling gewährt wurde, sowie hinsichtlich Art. 8 der Verordnung, wonach – soweit die betroffenen Personen dies wünschen – dem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrages obliegt, in dem der Asylbewerber einen Familienangehörigen hat, über dessen Asylantrag noch keine erste Sachentscheidung getroffen wurde. Die genannten Vorschriften sind im Falle der Klägerin jedoch nicht einschlägig.

36

Es ist schon nicht ersichtlich, dass die nach Art. 7 und 8 der Verordnung genannten Voraussetzungen bei der Tochter der Klägerin, mit der sie zusammen in das Bundesgebiet eingereist ist, oder bei ihren in Deutschland lebenden volljährigen Kindern vorliegen. Dies kann aber auch dahin stehen. Denn jedenfalls gelten die genannten Personen nicht als „Familienangehörige“ i. S. d. Dublin-II-VO. Hierzu gehört nach Art. 1 Buchst. i) der Verordnung nur die Mitglieder der “Kernfamilie“, d. h. die Ehegatten des Asylbewerbers und unter bestimmten Voraussetzungen der nicht verheiratete Partner des Asylbewerbers, die minderjährigen Kinder der genannten Personen sowie bei unverheirateten minderjährigen Antragstellern oder Flüchtlingen der Vater, die Mutter oder der Vormund. Ein solches Verwandtschaftsverhältnis der Klägerin zu den mit einreisenden bzw. in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Kindern besteht jedoch nicht.

37

c) Ebenso sind bei der Klägerin die Voraussetzungen nach Art. 15 Abs. 1 und Abs. 2 Dublin-II-VO nicht erfüllt. Nach Art.15 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung kann jeder Mitgliedstaat aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, Familienmitglieder und andere abhängige Familienangehörige zusammenführen, auch wenn er dafür nach den Kriterien der Verordnung nicht zuständig ist. Dass die Klägerin vorliegend aus humanitären Gründen mit ihren Familienangehörigen zusammenzuführen ist und nicht auch auf ein eigenständiges Leben in Italien verwiesen werden kann, zumal ihre Kinder teilweise in Deutschland, teilweise in Österreich leben bzw. teilweise ihr Aufenthalt unbekannt ist, lässt sich nicht feststellen. Die Klägerin befindet sich in Begleitung ihrer volljährigen Tochter; beide sind reisefähig und nach Italien zu überstellen.

38

Ebenso sind die Voraussetzungen nach Art. 15 Abs. 2 Dublin-II-VO nicht erfüllt, wonach im Regelfall von einer Trennung der Familienangehörigen abzusehen bzw. eine Zusammenführung vorzunehmen ist, wenn die betroffene Person u. a. wegen einer schweren Krankheit, einer ernsthaften Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung durch die anderen Person(en) angewiesen ist. Diese Voraussetzungen liegen bei der 67-jährigen Klägerin nicht vor; entsprechendes ist jedenfalls nicht vorgetragen worden.

39

Eine andere Einschätzung ist auch nicht im Hinblick auf die einleitende Erwägung zu Nr. 6 Dublin-II-VO veranlasst, wonach die Einheit der Familie (grundsätzlich) gewahrt bleiben soll, soweit dies mit den sonstigen Zielen vereinbar ist, die mit den Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrages zuständigen Mitgliedstaats angestrebt werden. Nicht anders verhält es sich mit Blick auf die einleitende Erwägung nach Art. 7 Satz 2 Dublin-II-VO, wonach die Mitgliedstaaten von den Zuständigkeitskriterien abweichen können, um eine räumliche Annäherung von den Familienmitgliedern vorzunehmen, soweit dies aus humanitären Gründen erforderlich ist. Bei den genannten Regelungen handelt es sich indes um bloße programmatische Vorgaben, aus denen sich, unabhängig davon, dass die Voraussetzungen hier nicht vorliegen dürften, für die Asylbewerber keine unmittelbaren Rechte ableiten lassen.

40

d) Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens ist auch nicht gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen. Zwar hat das Bundesamt nicht innerhalb von drei Monaten nach Stellung des Asylantrags der Klägerin vom 12. September 2011 ein Wiederaufnahme- bzw. Übernahmeersuchen an die Republik Italien gestellt; das war indes auch nicht erforderlich. Da die Klägerin bereits in Italien einen Asylantrag gestellt hat, steht in ihrem Fall eine Wiederaufnahme durch Italien im Sinne des Art. 16 Abs.1 c) bis e) Dublin-II-VO in Rede, nicht hingegen eine Aufnahme seitens Italiens im Sinne des Art. 16 Abs.1 a) Dublin-II-VO. Die Dublin-II-VO unterscheidet insoweit gem. Art.16 Abs.1 lit. a) einerseits und Art. 16 Abs. 1 lit. c) bis e) andererseits zwischen der Überstellung des Asylsuchenden in einem Aufnahmeverfahren gemäß den Art. 17 bis 19 Dublin-II-VO und einer Überstellung im Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 20 Dublin-II-VO. Das Aufnahmeverfahren findet statt, wenn der Asylsuchende im ersuchten Mitgliedstaat noch keinen Asylantrag gestellt hat, während das Wiederaufnahmeverfahren einschlägig ist, wenn dort bereits ein Asylantrag gestellt wurde. Insofern wird der Anwendungsbereich der nachfolgenden Art. 17 bis 20 Dublin-II-VO durch Art. 16 Dublin-II-VO bestimmt.

41

Aus der systematischen Trennung zwischen Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren folgt, dass im Wiederaufnahmeverfahren keine Frist für das Übernahmeersuchen gilt, denn die insofern allein maßgebliche Regelung des Art. 20 Dublin-II-VO normiert weder selbst eine solche Frist, noch nimmt sie auf die für das Aufnahmeverfahren geltende Regelung in Art. 17 Abs.1 Dublin-II-VO Bezug. Es verhält sich gerade nicht in der Weise, dass Art. 20 Dublin-II-VO nur spezielle Modalitäten für die Wiederaufnahme regelt und im Übrigen die Regelungen der Art. 17 bis 19 Dublin-II-VO anwendbar wären. Vielmehr handelt es sich bei den Art. 17 bis 19 Dublin-II-VO einerseits und dem Art. 20 Dublin-II-VO andererseits um jeweils eigenständige Regelungskomplexe (vgl. VG Düsseldorf, Beschl. v. 06.02.2013 - 17 L 150/13.A -; Beschl. v. 26.04.2013 - 17 K 1777/12.A -; VG Hamburg, Beschl. v. 22.09.2005 - 13 AE 555/05 -; VG Augsburg, Gerichtsbescheid v. 09.05.2011 - Au 3 K 10.30468 - Juris; VG Regensburg, Beschl. v. 05.07.2013 - RN 5 S 13.30273 -; VG Göttingen, Beschl. v. 11.10.2013 - 2 B 805/13 -; a.A.: VG Düsseldorf, Beschl. v. 07.08. 2012 - 22 L 1158/12.A -, alle: Juris).

42

Art. 17 Abs.1 Satz 2 Dublin-II-VO, wonach der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, zuständig wird, wenn das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten unterbreitet wird, findet im Fall der Klägerin folglich keine Anwendung, so dass sich hieraus auch keine Zuständigkeit der Beklagten ergibt. Dementsprechend haben die italienischen Behörden mit Schreiben vom 16. Februar 2012 (Bl. 115 R, 116 d. Sachakte) auch ihre Zustimmung zur Wiederaufnahme bzw. Übernahme der Klägerin erteilt.

43

e) Ferner ist die Zuständigkeit nicht nach Art. 19 Abs. 3 und 4 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen. Nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO erfolgt die Überstellung des Schutzsuchenden von dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, in den zuständigen Mitgliedstaat gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des ersteren Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin-II-VO i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) Dublin-II-VO auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Dabei ist unerheblich, dass die Entscheidung der Beklagten nach Art. 19 Abs. 2 Satz 4 der Verordnung grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung hat; allein entscheidend ist, dass ihr eine solche durch eine entsprechende gerichtliche Entscheidung zuerkannt worden ist (vgl. Hess.VGH, Beschl. v. 23.08.2011 - 2 A 1863/10.Z.A -; Nds.OVG, Beschl. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -; VG Freiburg, Beschl. v. 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 -; offengelassen: OVG NRW, Beschl. v. 01.03.2012 - 1 B 234/12.A -, alle: Juris).

44

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 02. August 2012 - 4 MC 133/12 - (< Rn. 17 zitiert nach Juris >) zu § 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO und zu dem in Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Dublin-II-VO grundsätzlich vorgesehenen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ausgeführt:

45

„Der Annahme der aufschiebenden Wirkung des hier eingelegten Rechtsbehelfs steht auch nicht die Vorschrift des Art. 19 Abs. 2 Satz 4 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 entgegen. Danach hat ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nach Absatz 1 keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung, es sei denn, die Gerichte oder zuständigen Stellen entscheiden im Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts anders, wenn es nach ihrem inner-staatlichen Recht zulässig ist. Zwar darf nach § 34a Abs. 2 AsylVfG die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) nicht nach§ 80oder § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung ausgesetzt werden. Hieraus folgt jedoch nicht, dass durch diese Vorschrift eine andere Entscheidung im Sinne von Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Hs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts ausgeschlossen ist und daher ein Rechtsbehelf wegen § 34a Abs. 2 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung im Sinne des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 haben kann. Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr ausdrücklich entschieden, dass der Ausschluss des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 34a Abs. 2 AsylVfG in den Fällen, in denen die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) erfolgen soll, in Ausnahmefällen, die nicht vom „normativen Vergewisserungskonzept“ des Gesetzgebers über die Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention in einem sog. sicheren Drittstaat erfasst sind, der Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz gegen eine sofortige Überstellung nicht entgegensteht (BVerfG, Urt. v. 14.5. 1996, a. a. O.). Diese Rechtsprechung wird - soweit ersichtlich - von den Verwaltungsgerichten auf die Abschiebung in einen anderen Staat, der nach § 27a AsylVfG für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, mit der Begründung übertragen, dass die vom Bundesverfassungsgericht angestellten Erwägungen zu § 26a AsylVfG auch auf die Vorschrift des§ 27a AsylVfG zutreffen, weil die nach europäischen Recht für die Asylentscheidung zuständigen Mitgliedstaaten zugleich sichere Drittstaaten im Sinne von § 26a AsylVfG sind (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 1.3.2012 - 1 B 234/12.A - und v. 11.10. 2011 - 14 B 1011/11.A -; ferner Nds. OVG, Beschl. v. 2.5.2012 - 13 MC 22/22 - und Hess. VGH, Beschl. v. 23.8.2011 - 2 A 1863/10.Z.A.-). Unter diesen Umständen kann daher keine Rede davon sein, dass es nach der innerstaatlichen Rechtslage in Deutschland unzulässig sei, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine Überstellung auf der Grundlage der Zuständigkeitsbestimmungen in der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 anzuordnen. Unabhängig davon stellt die für den Fristenbeginn der Überstellung maßgebliche Vorschrift des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 nach ihrem Wortlaut auch ausdrücklich darauf ab, dass einem eingelegten Rechtsbehelf tatsächlich aufschiebende Wirkung zukommt und nicht darauf, ob es nach dem innerstaatlichen Recht zulässig ist, die aufschiebende Wirkung anzuordnen (vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 23.8.2011 - 2 A 1863/10.Z.A.-).

46

Läuft danach die Frist zur Überstellung aufgrund des von dem Antragsteller eingelegten Rechtsbehelfs erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens bezüglich der Durchführung der Überstellung entschieden wird und die der Durchführung nicht mehr entgegenstehen kann, kann dahinstehen, ob insoweit das Vorliegen einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache für den Fristenbeginn bereits ausreichend ist oder es darüber hinaus der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung bedarf (so Hess. VGH, Beschl. v. 23.8.2011 - 2 A 1863/10.Z.A.“

47

Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an und macht sie sich zu Eigen.

48

Da die Klägerin – nach Erlass des angefochtenen Bescheides vom 13. Juni 2012 – gegen ihre Überstellung innerhalb der Frist, bis zu der gem. Art. 19 Abs. 4 Satz 2 Dublin-II-VO ihre Überstellung nach Italien vorbehaltlich eventuell zu treffender weiterer Maßnahmen erfolgen konnte, einen Rechtsbehelf gegen ihre Überstellung eingelegt hat, dem mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom Beschluss vom 07. März 2012 - 9 B 56/12 MD - aufschiebende Wirkung beigemessen worden ist, beginnt nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO eine (neue) sechsmonatige Frist zur Überstellung der Klägerin (erst) ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Klage. Diese Frist ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats noch nicht abgelaufen, denn der Senat hat dem Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 10. Oktober 2012 entsprochen. Nach allem kann hier dahingestellt bleiben, ob im Grundsatz das Vorliegen einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache für den Fristenbeginn hinsichtlich der Überstellung bereits ausreichend ist oder ob es darüber hinaus der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung bedarf, da die Klägerin jedenfalls erstinstanzlich obsiegt hat.

49

2) Die Beklagte ist für die Prüfung des Asylantrags der Klägerin auch nicht gem. Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO zuständig, denn die Bundesrepublik Deutschland ist nicht verpflichtet, das Selbsteintrittsrecht auszuüben.

50

Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO kann jeder Mitgliedstaat abweichend von den Zuständigkeitskriterien des Kapitels III der Verordnung einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch gem. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-II-VO zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Gegebenenfalls unterrichtet er den zuvor zuständigen Mitgliedstaat über den Selbsteintritt (a. a. O. Satz 3). Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht dabei grundsätzlich in seinem Ermessen, welches – weil integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen Europäischen Asylsystems (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/ 10 und C-493/10 -, ) – in Übereinstimmung mit den insoweit geltenden unionsrechtlichen Bestimmungen und von den Mitgliedstaaten verfolgten Zielen auszuüben ist.

51

Art. 3 Dublin-II-VO ist auch geeignet, subjektive Rechte der Klägerin zu begründen, die von ihr gegen eine vorgesehene Überstellung (Rückführung) in den nach dieser Verordnung für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat geltend gemacht werden können (vgl. dazu den Vorlagebeschluss des Hess.VGH v. 22.12.2010 - 6 A 2717/09.A -; Nds.OVG, Beschl. v. 02. 08.2012 - 4 MC 133/12 - m. w. N., Juris; ferner Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdn. 37 ff. m. w. N.). Denn auch wenn es sich bei Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO um eine Ermessensvorschrift handelt, kann sich der Betroffene – hier die Klägerin – auf einen subjektiven öffentlich-rechtlichen Anspruch auf den Selbsteintritt der Beklagten gem. Art. 3 Abs. 2 der Verordnung berufen. Diese Bestimmung ist – anders als die Vorgängerregelungen im Schengener Durchführungsübereinkommen und im völkerrechtlichen Dubliner Übereinkommen (vgl. hierzu Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdn. 25) – nicht allein im öffentlichen Interesse geschaffen worden, sondern verbürgt den von ihr Betroffenen ein subjektives Recht. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass ein Einzelner nicht nur dann aus dem Unionsrecht subjektive Rechte herzuleiten vermag, wenn diese ihm ausdrücklich zugesprochen werden. Vielmehr genügt es, wenn aus einer Rechtsnorm klar und eindeutig eine Begünstigung Einzelner hervorgeht, die keiner Bedingung und keinem zeitlichen Aufschub mehr unterliegt, und weder die Union noch die Mitgliedstaaten einen Spielraum zur Ausgestaltung der Rechtsnorm besitzen (vgl. u. a. EuGH, Urt. v. 05.02.1963 - Rs. 26/62 -, Slg. 1963, 1 [24] = NJW 1973, 1751 - van Gend & Loos vs. Niederlande; EuGH, Urt. v. 04. 12.1974 - Rs. C-41/74 -, Slg. 1974, 1337 [1349] - van Duyn vs. Home Office; EuGH, Urt. v. 19.01.1982 - Rs. C-8/81 -, Slg. 1982, 53 [71] = NJW 1982, 53 - Becker vs. Finanzamt Münster). Diese Voraussetzungen sind im Falle der Dublin-II-VO dem Grunde nach erfüllt (vgl. auch Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdnr. 124 m. w. N.). Hiervon geht im Ergebnis auch der Europäische Gerichtshof in dem zur Dublin-II-VO ergangenen Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 – (Rdnr. 38, 48 zur Frage des Rechtsschutzes, NVwZ 2009, S. 639 = Juris) aus.

52

Allerdings verbürgt Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO lediglich das Recht auf eine fehlerfreie Ermessensausübung – welches gegebenenfalls aber auf Null reduziert sein kann (vgl. VG Würzburg, Urt. v. 12.03.2009 - W 4 K 08. 30122 -; Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdnr. 134 f. und 223 m. w. N.; Marx, a. a. O. § 27a Rdnr. 13; Huber/Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2008, Rdnr. 1886; Filzwieser / Liebminger, Dublin II-Verordnung, Kommentar, 2. Aufl., Wien/ Graz 2007, Art. 3 K 9 unter Verweis auf einschlägige Rechtsprechung des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs, Entscheid v. 15.10.2004 - G 237/03 u. a. und des Belgischen Conseil d'Etat / Raad van State vom 28.08.2006, Zl. 162.039; Schröder, Die EU-Verordnung zur Bestimmung des zuständigen Asylstaats, ZAR 2003, S. 124 [131]; Hruschka, Die Dublin II-Verordnung, in: Informationsverbund Asyl e.V. [Hrsg.], Das Dublin-Verfahren, Beilage zum Asylmagazin 1-2/2008, S. 1 [9]; Hruschka, Humanitäre Lösungen in Dublin-Verfahren, Asylmagazin 7-8/2009, S. 5 [7 f. und 9 f.]).

53

Aus dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO ergibt sich eine an die Beklagte gerichtete Ermessensermächtigung, deren Zweck in der Norm selbst nicht seinen Ausdruck gefunden hat (vgl. nur Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdnr. 220; Filzwieser / Liebminger, a. a. O., Art. 3 K 8 ff.), sondern sich aus der Zwecksetzung der Verordnung insgesamt und der im Zuge der durch Art. 63 EG-Vertrag in der Fassung des Amsterdamer Vertrages vom 02. Oktober 1997 vorgegebenen gemeinschaftsrechtlichen Asylharmonisierung ergangenen europäischen Richtlinien zum materiellen Asylrecht auf der einen und zum Verfahrensrecht sowie den Aufnahmebedingungen von Flüchtlingen auf der anderen Seite erschließt. Im Einzelnen ist dabei von Folgendem auszugehen:

54

Nach Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) EG-Vertrag beschließt der Rat in Übereinstimmung mit der Genfer Flüchtlingskonvention sowie mit einschlägigen anderen Verträgen Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat. Hierauf beruhend wurde die Dublin-II-VO erlassen. Im Erwägungsgrund Nr. 5 wird hierzu ausgeführt, dass bezüglich der schrittweisen Einführung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, das auf längere Sicht zu einem gemeinsamen Asylverfahren und einem unionsweit geltenden einheitlichen Status für die Personen, denen Asyl gewährt wird, führen sollte, im derzeitigen Stadium die Grundsätze des am 15. Juni 1990 in Dublin unterzeichneten Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft gestellten Asylantrags(4) (nachstehend „Dubliner Übereinkommen“ genannt), dessen Durchführung die Harmonisierung der Asylpolitik gefördert hat, mit den aufgrund der bisherigen Erfahrungen erforderlichen Änderungen beibehalten werden sollten. Weiterhin wird insbesondere im Erwägungsgrund Nr. 15 ausgeführt, dass die Verordnung in Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen stehe, die mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - EuGrdRCh - anerkannt worden seien. Die Verordnung ziele insbesondere darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung des in Art. 18 EuGrdRCh verankerten Rechts auf Asyl zu gewährleisten.

55

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 -, Juris) lässt das im EU-Vertrag vorgesehene und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeitete gemeinsame Europäische Asylsystem allerdings die Annahme begründet erscheinen, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 (GFK) sowie in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - Europäische Menschenrechtskonvention - (EMRK) finden. Es gilt daher grundsätzlich die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtscharta und der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. M. a. W. ausgehend von der Annahme, dass es sich bei den Mitgliedstaaten der Europäischen Union um sichere Drittstaaten i. S. d. Art. 16a Abs. 2 Grundgesetz (GG) bzw. § 26a AsylVfG handelt, ist aufgrund des diesen Vorschriften zugrunde liegenden „Konzepts der normativen Vergewisserung“ (BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 22 BvR 2315/133 - Juris, Rn. 179 ff.) bzw. des „Prinzips des gegenseitigen Vertrauens“ (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - Rs C-411/10 und C-393/10 – Juris, Rn. 79 ff.) grundsätzlich davon auszugehen, dass die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Grundrechtscharta und der Europäischen Menschenrechtskonvention in diesen Ländern sichergestellt ist. Auch die Dublin-II-Verordnung beruht wie jede andere auf Art. 63 Satz 1 Nr. 1 EG-Vertrag gestützte gemeinschaftsrechtliche Maßnahme auf der Prämisse, dass die zuverlässige Einhaltung der GFK, der EMRK und der EuGrdRCh in allen Mitgliedstaaten gesichert ist (vgl. Begründungserwägung Nr. 2 und Nr. 12 Dublin-II-VO und Art. 6 Abs. 2 sowie Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 lit. a EG-Vertrag, - so auch VG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 02.10.2008 - 6 B 56/08-, Juris und VG Regensburg, Beschl. v. 15.09.2008 - RO 3 E 08.30124 - Juris).

56

Dies bedeutet zugleich, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49 = Juris; Beschl. v. 08.09.2009 - 2 BvQ 56/09 -, Juris) ein Ausländer, der in einen sicheren Drittstaat zurück verbracht werden soll, den Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor einer politischen Verfolgung oder sonstigen schwerwiegenden Beeinträchtigungen in seinem Herkunftsstaat grundsätzlich nicht mit der Begründung einfordern kann, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt würden. Für ihn kommen deshalb entsprechend dem mit Art. 16a Abs. 2 GG verfolgten „Konzept normativer Vergewisserung“ über die Sicherheit im Drittstaat auch die materiellen Rechtspositionen, auf die ein Ausländer sich sonst gegen seine Abschiebung stützen kann, grundsätzlich nicht in Betracht.

57

Allerdings hat die Bundesrepublik Deutschland dann Schutz zu gewähren, wenn ein solcher durch Umstände begründet wird, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des „Konzepts normativer Vergewisserung“ durch Gesetz berücksichtigt werden konnten oder aber sich die für die Qualifizierung als “sicher“ maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung hierauf noch aussteht. So sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (a. a. O.) Ausnahmen u. a. dann geboten, wenn der Drittstaat gegenüber dem Schutzsuchenden selbst zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung greift und dadurch zum Verfolgerstaat wird, oder wenn offen zu Tage tritt, dass der Drittstaat sich von seinen Schutzverpflichtungen lösen und einem bestimmten Ausländer der Schutz dadurch verweigern wird, dass er sich seiner ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigt (vgl. zur Problematik der Bestimmung des „sicheren Drittstaates“: BVerfG, Beschl. v. 08.09.2009 - 2 BvQ 56/09 - DVBl. 2009, 1304; Lübbe-Wolff, Das Asylgrundrecht nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Mai 1996 - DVBl. 1996, 825 ff.; s. insbesondere auch zur europa-rechtlichen Dimension: Weinzierl / Hruschka, Effektiver Rechtsschutz im Lichte deutscher und europäischer Grundrechte, NVwZ 2009, 1540 ff.).

58

Vergleichbares gilt nach dem Willen des Gesetzgebers, wenn es um die Rückführung eines Ausländers in den für seinen Asylantrag zuständigen Staat im Sinne des § 27a AsylVfG geht. Dies bedeutet, dass auch der Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO „nur“ eine Ausnahme darstellt bzw. Sonderfällen vorbehalten ist. Denn eine Prüfung, ob der Zurückweisung in den Drittstaat oder in den nach europäischem Recht oder Völkerrecht für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, ist nur dann veranlasst, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme aufdrängt, dass der Asylbewerber von einem der im normativen Vergewisserungskonzept des Art. 16a Abs. 2 GG und der §§ 26a, 27a, 34a AsylVfG nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An die Darlegung eines solchen Sonderfalles sind dabei auch im Rahmen des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49 = Juris; Beschl. v. 08.09.2009 - 2 BvQ 56/09 -, Juris). Die Annahme eines sicheren Drittstaates ist daher nur dann widerlegt, wenn ernsthaft zu befürchten steht, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EuGrdRCh bzw. der inhaltlich identischen Vorschrift des Art. 3 EMRK (vgl. insoweit Art. 52 Abs. 3 Satz 1 EuGRrdRCh) implizieren.

59

Nach der zu Art. 3 EMRK ergangenen Rechtsprechung des EGMR, auf die zur Auslegung von Art. 4 EuGrdRCH zurückzugreifen ist (vgl. EuGH, Urt. v. 21.01.2011, 2011 - No. 30696 – M.S.S. vs. Belgien und Griechenland, Rn. 88 m. w. N. – Juris) ist eine Behandlung unmenschlich, wenn sie absichtlich erfolgt und entweder tatsächliche körperliche Verletzungen oder schwere körperliche oder psychische Leiden verursacht. Eine Behandlung ist hingegen als erniedrigend anzusehen, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt und dadurch fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert, oder wenn sie Angst, Furcht oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder physischen Widerstand der Person zu brechen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.01.2011, a. a. O., Rn. 220 m. w. N.).

60

Die ernsthafte Befürchtung grundlegender Mängel besteht nur dann, wenn in einem Mitgliedstaat eine ständige Verletzung der Kernanforderungen des europäischen Asylrechts, wie sie in den Richtlinien und Verordnungen der Europäischen Union ihren Niederschlag gefunden haben, stattfindet und dadurch die Menschenwürde, das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Flüchtlings beeinträchtigt wird (vgl. hierzu VG Düsseldorf, Beschl. v. 22.12.2008 - 13 L 1993/08.A - Juris; VG Berlin, Beschl. v. 11.04.2011 - 23 L 84.11 A - Juris; VG Hannover, Beschl. v. 07.06.2011 - 1 B 2106/11 - asyl.net; VG Düsseldorf, Beschl. v. 12.09.2011 - 6 L 866/11.A - Juris; Lehnert / Pelzer, Effektiver Rechtsschutz im Rahmen des EU-Asylzuständigkeitssystems der Dublin II-Verordnung, ZAR 2010, 41 ff.; Lehnert/Pelzer, Der Selbsteintritt der Mitgliedstaaten im Rahmen des EU-Asylzuständigkeitssystems der Dublin-II-Verordnung, NVwZ 2010, 613 ff.). Bei der Beurteilung der Frage, ob für Asylbewerber in Italien dementsprechend ein “richtliniekonformes“ Verfahren gewährleistet ist, ist dabei zunächst das Schutzniveau in den Blick zu nehmen, das sich aus Art. 28 (Sozialleistungen) und Art. 31 (Zugang zu Wohnraum) der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 – Qualifikationsrichtlinie – ergibt und sodann jenes, das sich für das Asylverfahren aus der Dublin-II-VO selbst ergibt. Zugleich ist als Maßstab die Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten heranzuziehen sowie die Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 01. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft. Danach gehören zu den Kernanforderungen des europäischen Asylrechts der Zugang zu einem geordneten Asylverfahren und die Gewährung materieller Aufnahmebedingungen, welche die Grundbedürfnisse nach Unterkunft, Nahrung und medizinischer Versorgung abdecken.

61

Die vorstehend aufgezeigten Grundsätze stehen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Dieser hat mit Urteil vom 21.12.2011 - C 411/10 und C-493/10 - (Juris) ausgeführt, das Gemeinsame Europäische Asylsystem sei in einem Kontext entworfen, der grundsätzlich die Vermutung rechtfertige, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtscharta sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Gleichwohl könne – so der Gerichtshof – nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoße, so dass die ernstzunehmende Gefahr bestehe, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt würden, die mit den Grundrechten unvereinbar sei. Dabei berühre nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Verpflichtung der übrigen Mitgliedstaaten zur Beachtung der Dublin-II-VO. Sei jedoch ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufwiesen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Grundrechtscharta implizierten, so sei eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar.

62

Bei der Beurteilung der anstehenden Frage nach dem Vorliegen eines systemischen Versagens in Bezug auf das Asyl- und Aufnahmeverfahren in dem Mitgliedstaat ist überdies nicht (allein) darauf abzustellen, welche (abstrakte) Rechtslage dort herrscht, mithin ob etwa die vorgenannten Richtlinien in nationales Recht umgesetzt wurden, sondern es sind (ebenfalls) die konkreten bzw. realen Verhältnisse für die Asylbewerber, mithin die bestehende tatsächliche Verwaltungs- und Rechtspraxis in den Blick zu nehmen (ebenso VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009 - 7 K 4376/07.F.A u. a. - InfAuslR 2009, 406 = Juris).

63

Ferner ist darauf abzustellen, ob es sich bei eventuell feststellbaren Defiziten und Mängeln, etwa in Form von Rechtsverstößen und zu erwartenden Beeinträchtigungen, nur um Einzelfälle oder – soweit es sich nicht nur um Einzelfälle handelt – um bloße vorübergehende, temporäre Erscheinungen handelt, die etwa einer überraschenden Entwicklung geschuldet sind, denen aber in naher Zukunft voraussichtlich abgeholfen wird. Anders verhält es sich indes in jenen Fällen, in denen aufgrund einer Vielzahl von Referenzfällen hinreichend belegte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich die Missstände und Unzulänglichkeiten dauerhaft manifestiert haben. Die insoweit erforderliche Feststellung des Vorliegens systemischer Mängel und Missstände hat somit eine quantitative wie qualitative Komponente. Ob die desolaten Verhältnisse im Mitgliedstaat dabei darauf zurückzuführen sind, dass dieser zur Schaffung geordneter und richtlinienkonformer Verhältnisse nicht bereit oder nicht in der Lage ist, macht dabei grundsätzlich keinen Unterschied.

64

3) In Anwendung der genannten Kriterien ist im Fall der Klägerin von Folgendem auszugehen:

65

Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht verpflichtet, in Ausübung des insoweit bestehenden Ermessens von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch zu machen. Auch kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, sie besitze zumindest einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Selbsteintritt der Beklagten zur Durchführung eines Asylverfahrens gem. Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO, um als Ausnahme von den sonstigen Zuständigkeitsregeln der genannten Verordnung die Prüfung ihres Asylantrages in der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen. Diesem Recht der Klägerin ist mit dem angefochtenen Bescheid der Beklagten entsprochen worden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte ihr Ermessen verkannt hätte; auch rechtfertigt sich nicht die Annahme des Vorliegens eines formellen Ermessensfehlers, da keinerlei Gründe vorliegen, die einen sog. Selbsteintritt zu rechtfertigen vermögen.

66

Zur Überzeugung des Senats ist auf der Grundlage des ihm vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern und Flüchtlingen sowie von “Dublin-II-Rückkehrern“ in Italien nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und / oder die Aufnahmebedingungen dort derart grundlegende Mängel aufweisen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EuGrdRCh zu erwarten steht. Der Senat ist vielmehr unter Anlegung der zuvor genannten strengen Maßstäbe zur Überzeugung gelangt, dass für die nach der Dublin-II-Verordnung nach Italien zurückkehrenden bzw. rücküberstellten Asylbewerber in der Gesamtschau ein ordnungsgemäßes und richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren gewährleistet ist und dass für den Fall der Abschiebung bzw. Rückführung der betroffenen Asylsuchenden zwecks Durchführung eines Asylverfahrens nicht mit schwerwiegenden Rechtsverstößen und Beeinträchtigungen zu rechnen ist (ebenso oder ähnlich u. a.: OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013 - OVG 7 S 33.13 -; Beschl. v. 24.06.2013 - OVG 7 S 58.13 –; VG Bremen, Beschl. v. 15.04.2013 - 2 V 440/13.A -; VG Regensburg, Beschl. v. 05.02.2013 - RN 5 S 13.30026 -; Beschl. v. 26.02.2013 - RN 9 K 11.30445 -; VG Düsseldorf, Beschl. v. 17.09.2012 - 13 L 1447/12.A -; Beschl. v. 08.01.2013 - 6 L 104/13.A - und Beschl. v. 06.02. 2013 - 17 L 150/13.A -; VG Augsburg, Urt. v. 11.01.2013 - Au 6 K 12.30358 -; VG Leipzig, Urt. v. 07.12.2012 - A 1 K 973/11 -; VG München, Beschl. v. 08.11.2012 - M 15 E 12.30772 -; VG Würzburg, Beschl. v. 30.10.2012 - W 6 E 12.30288 -; VG Trier, Beschl. v. 25.10.2012 - 5 L 1146/12.TR -; VG Schwerin, Beschl. v. 27.09. 2012 - 8 B 434/12 As -; VG Bayreuth, Urt. v. 12.06.2012 - B 3 K 11.30142 - [bestätigt durch BayVGH, Beschl. v. 6.02.2013 - 20 ZB 12.302856 -]; a. A. oder eine Entscheidung in der Hauptsache vorbehaltend: VG Köln, Beschl. v. 07.05.2013 - 20 L 613/13.A -; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 30.04.2013 - 10a L 484/13.A -; VG Schwerin, Beschl. v. 15.03.2013 - 3 B 111/13 As -; VG Aachen, Beschl. v. 14.03. 2013 - 9 L 53/13.A -; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 19.02.2013 - 15a L 194/13.A -; Beschl. v. 27.02.2013 - 15a L 194/13.A -; VG Gießen, Urt. v. 24.01.2013 - 6 K 1329/12.Gl.A -; VG Karlsruhe, Beschl. v. 11.10.2012 - A 9 K 2386/12 - und Beschl. v. 22.01.2013 - A 9 K 179/13 -; VG Stuttgart, Beschl. v. 08.01.2013 - A 7 K 3929/12 -; VG des Saarlandes, Beschl. v. 03.09.2012 - 3 L 789/12 -; VG Düsseldorf, Beschl. v. 29.08.2012 - 14 L 1392/12.A – alle: Juris; VG Freiburg, Beschl. v. 27.10.2011 - A 5 K 2081/11 -; VG Magdeburg, Beschl. v. 17.07.2012 – 9 B 148/12 -; Beschl. v. 21.11.2011 - 9 A 100/11 -; Urt. v. 26.07.2011 - 9 A 346/10 MD -; vgl. auch OVG NRW, Beschl. v. 01.03.2012 - 1 B 234/ 12.A - Juris). Das Asylsystem in Italien mit dem dort geregelten und praktizierten Aufnahme- und Asylverfahren einschließlich der Unterbringungs- und Versorgungslage für die in Italien schutzsuchenden Flüchtlinge und Asylbewerber entspricht den Anforderungen des europäischen Asylsystems, selbst wenn es in Teilbereichen gewisse Mängel und Defizite aufweist. Im Einzelnen ist dabei von Folgendem auszugehen:

67

a) Nach dem dem Senat vorliegenden Erkenntnismaterial ist davon auszugehen, dass für Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien, jedenfalls soweit es sich um Dublin-II-Rückkehrer handelt, grundsätzlich ein geordnetes Aufnahmeverfahren und auch ein ungehinderter Zugang zum Asylverfahren gewährleistet sind.

68

Der Senat verkennt nicht, dass es in Italien für Asylbewerber und Flüchtlinge – und zwar bis in die jüngste Vergangenheit hinein – eine Vielzahl von Einreiseverweigerungen und Abschiebungen gegeben hat, bevor ein Asylverfahren durchgeführt werden konnte bzw. ein solches abgewartet worden wäre. Namentlich sind Fälle bekannt geworden, wonach es Zurückweisungen von Flüchtlingen auf hoher See und vor der italienischen Küste, aber auch vom italienischen Territorium gegeben hat, die offenbar darauf abzielten, den Strom von Flüchtlingen – insbesondere aus Nordafrika – abzuwehren, die in Italien Zuflucht haben suchen wollen (vgl. UNHCR, Bericht v. 16.08. 2011: „Hunderte Neuankömmlinge aus Libyen und Tunesien in Italien“, abrufbar unter: http://www.unhcr.de/print/home/artikel/042d9651d6d525aad46e97d7ee7848db/hunde).

69

Trotz der bekannt gewordenen zahlreichen Verstöße gegen das Refoulement-Verbot und teilweise vorhandener unangemessener Erschwernisse beim Zugang zu einem Asylverfahren in Italien in den vergangenen Jahren lässt sich aber – jedenfalls soweit es die aktuellen Verhältnisse im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats betrifft – nicht (mehr) davon ausgehen, dass es, sieht man einmal von Einzelfällen ab, in Italien gegenwärtig noch zu derartigen gravierenden Rechtsverletzungen kommt, wie sie in der Vergangenheit zu beklagen waren.

70

Vielmehr sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes keine Fälle neueren Datums bekannt geworden, in denen Flüchtlingen und Asylsuchenden, die in Italien um Schutz nachsuchen wollten, bei ihrer Einreise auf dem Seeweg oder auf dem Landwege die Einreise oder der Aufenthalt in Italien verweigert worden sind (AA, Auskunft v. 21.02. 2013 an OVG LSA, Anm. 1.1.). Ebenso sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes keine Fälle neueren Datums bekannt geworden, in denen Flüchtlinge und Asylsuchende nach ihrer Einreise nach Italien in ihr Herkunftsland bzw. einen Drittstaat zurückgeführt bzw. abgeschoben worden sind, ohne dass sie in Italien den von ihnen beabsichtigten Asylantrag stellen konnten (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 1.2.). Schließlich sind nach Angaben des Auswärtigen Amtes in jüngster Zeit auch keine Fälle (mehr) bekannt geworden, in denen Flüchtlinge und Asylsuchende trotz eines in Italien gestellten Asylantrages in ihr Herkunftsland bzw. einen Drittstaat zurückgeführt bzw. abgeschoben wurden (AA, a. a. O. Anm. 1.2.). Hiernach lässt sich zumindest gegenwärtig nicht mehr die Feststellung treffen, dass in Italien der Anspruch Schutzsuchender auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens generell oder auch nur regelmäßig vereitelt wird (bereits für die Vergangenheit verneinend u. a.: VG Hannover, Beschl. v. 07.07. 2011 - 1 B 2106/11 - Juris; VG Berlin, Beschl. v. 11.04.2011 - 23 L 84/11 - Juris). Dies bedarf hier indes keiner Vertiefung.

71

Denn jedenfalls lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht feststellen, dass für die im Rahmen des Verfahrens nach der Dublin-II-Verordnung nach Italien zurückkehrenden bzw. zurückgeführten Asylbewerber regelmäßig oder sogar überwiegend ein ordnungsgemäßes Asylverfahren nicht gewährleistet ist. Aufgrund eines für diesen Personenkreis gesetzlich speziell geregelten Rückführungsverfahrens ist vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, dass diese nach ihrer Rückkehr nach Italien ihren dort bereits gestellten Asylantrag weiterverfolgen bzw. erstmals einen Asylantrag stellen können und ihnen insoweit der Zugang zu einem ordnungsgemäßen Asylverfahren nicht versperrt wird. Im Einzelnen ist dabei von Folgendem auszugehen:

72

Asylbewerber, die gemäß dem Verfahren nach der Dublin-II-Verordnung nach Italien zurückkehren bzw. zurückgeführt werden, treffen in der Regel auf dem Luftweg auf den Flughäfen Fiumicino in Rom, Malpensa in Mailand, Bergamo, Venedig, Bari, Brindisi oder Ancona ein. Dort werden sie – auch wenn es in Italien kein Flughafenverfahren wie in Deutschland gibt (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW - zu Frage a.)) – von der Polizei in Empfang genommen und es wird ihnen eine Unterkunft in einer der Aufnahmeeinrichtungen zugeteilt, sofern ein Asylantrag gestellt wird bzw. ein Asylverfahren, bei dem Verfahrensstand, der bei Ausreise aus Italien vorlag, weitergeführt werden soll (zu allem: Schweizerische Flüchtlingshilfe, „Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien. Bericht über die Situation von Asylsuchenden, Flüchtlingen und subsidiär oder humanitär aufgenommenen Personen, mit speziellem Fokus auf Dublin-Rückkehrende“, Mai 2011, S. 17 und AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 1.4.). Die Polizei macht in diesen Fällen die verantwortliche Questura ausfindig und fordert die Rückkehrer auf, sich dorthin zu begeben. Dabei werden auch die Reisekosten übernommen (Schweizerischen Flüchtlingshilfe, a. a. O., S. 17) bzw. die Person bekommt, wenn die zuständige Questura weiter entfernt ist (Beispiel: Dublin-Rückkehr nach Rom, zuständige Questura in Catania), ein Zugticket ausgehändigt, um dort hinzureisen (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW - zu Frage a.)).

73

Wenn die Dublin-Rückkehrer von deutschen Beamten /Polizisten begleitet werden, gibt es insoweit keine Unterschiede. Bei ihrer Ankunft werden alle Dublin-Rückkehrer von der Polaria (Luftpolizei) am Flughafen Fiumicino empfangen. Sie werden erneut erkennungsdienstlich behandelt und es erfolgt die Feststellung, welche Questura in Italien für die Person zuständig und wie der Stand des Verfahrens ist (AA, Auskunft v. 11. 09.2013 an OVG NRW - zu Frage a.)).

74

Bei ihrer Ankunft werden die Ausländer – so auch die Dublin-II-Rückkehrer – von der am Flughafen zuständigen Hilfsorganisation „Confederazione Nazionale delle Misericordie d’Italia“ betreut und in Anwesenheit von Dolmetschern über den weiteren Verfahrensablauf unterrichtet (AA, Auskunft v. 11.09. 2013 an OVG NRW - zu Frage a.)). Die genannte Hilfsorganisation sucht für die Dublin-II-Rückkehrer zugleich eine (vorläufige) Unterkunft in einem Aufnahmezentrum (z. B. einer Einrichtung der „Centri di accoglienza richiedenti asilo“ - CARA -), welches im Allgemeinen für die Erstaufnahme zuständig ist, bis die Zuweisung zu einer Asylunterkunft am Ort der zuständigen Questura erfolgt ist. Während die Dublin-II-Rückkehrer sofort eine Unterkunft in einem entsprechenden Erstaufnahmezentrum erhalten, kann die Zuweisung zu einer Asylunterkunft für die Dauer des Asylverfahrens einige Zeit dauern, weil es zunächst gewisser Formalien den jeweiligen Asylantrag betreffend bei der zuständigen Questura bedarf. Manchmal beträgt dieser Zeitraum nur einige Tage, manchmal aber auch Wochen, z. B. wenn es sich um große Städte und Ballungszentren handelt. Belastbares Zahlenmaterial bezogen auf die Verweildauer in den Erstaufnahmeeinrichtungen ist mangels statistischer Erhebungen allerdings nicht verfügbar. In den Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber, den bereits erwähnten Einrichtungen der CARA, ist laut Gesetz grundsätzlich ein Verbleib von nicht länger als 20 bis 35 Tagen vorgesehen. Da die Zuweisungsverfahren aber oftmals länger dauern, bleiben die Antragsteller entsprechend länger in diesen Aufnahmezentren (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW - zu den Fragen a.), b.) und c.)).

75

Nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnismitteln erhalten die Schutzsuchenden nach ihrer Ankunft in Italien zudem Informationsbroschüren über ihre Rechte im Asylverfahren (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 2.3.). Diese Broschüren existieren in unterschiedlichen sprachlichen Fassungen, so u. a. in persischer, arabischer, französischer, englischer, italienischer, somalischer, spanischer und tigrinischer Sprache (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 2.3.). Darüber hinaus befinden sich in den Aufnahmeeinrichtungen Betreuungsdienste, die den Asylantragstellern zur Unterstützung zur Verfügung stehen. Diese beschäftigen oftmals Mitarbeiter, die die Landessprache der Hauptherkunftsstaaten der Asylantragsteller beherrschen (AA, Auskunft v. 21.02. 2013, Anm. 2.3.).

76

Nach allem besteht für den Senat kein Grund zur Annahme, dass die in Italien Schutzsuchenden nach ihrer Ankunft dort in unangemessener Weise “sich selber überlassen bleiben“ und sich im Hinblick auf das erstrebte Aufnahme- und Asylverfahren nicht zurecht finden können.

77

Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass die Rücküberstellung von Asylbewerbern auf der Grundlage der Dublin-II-Verordnung seitens der italienischen Behörden auf Widerstände stößt. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es im Rahmen des Dublin-Systems vor einer Asylantragstellung oder während des Asylverfahrens zu Einreiserverweigerungen, Rücküberstellungen oder sonstigen Ausweisungen in die Herkunftsländer der Asylbewerber kommt (vgl. UNHCR, Stellungnahme v. 24.04.2012 an VG Braunschweig, S. 5).

78

b) Der Senat vermag aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel auch nicht zur Einschätzung zu gelangen, dass Asylsuchende und Flüchtlinge – jedenfalls soweit es die aktuellen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts betrifft – nach ihrer Einreise und / oder während ihres Asylverfahrens mangels einer (angemessenen) Unterkunft regelmäßig oder auch nur in einer Vielzahl von Fällen in die Obdachlosigkeit geraten, mithin „auf der Straße“ oder in „Elendsquartieren“ leben müssen.

79

aa) Dabei ist zunächst hervorzuheben, dass Asylsuchende während des Asylverfahrens einen Rechtsanspruch auf eine Unterbringung besitzen, und zwar gleichermaßen für die Zeit zwischen Antragstellung und Registrierung wie für die Zeit zwischen Registrierung und Entscheidung über das Asylbegehren (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1., 5.3. und 6.1.). Dieser Anspruch ist grundsätzlich wohl auch behördlich bzw. gerichtlich durchsetzbar. Dies deckt sich jedenfalls mit einer Antwort der Bundesregierung vom 18. April 2011 auf eine Kleine Anfrage im Bundestag ("Lage von Asylsuchenden und anerkannten Flüchtlingen in Italien" – BT-Drucks. 17/5579), aus der sich ergibt, dass Asylbewerber in Italien einen gerichtlich durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Unterkunft haben. Allerdings kommt es für die Beurteilung der in Rede stehenden Frage nicht in erster Linie auf die bestehende Rechtslage an; maßgeblich ist vielmehr auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen.

80

Nach den aktuellen Auskünften des Auswärtigen Amtes stellt sich indes die tatsächliche Unterbringungssituation im Rahmen des italienischen Aufnahmesystems für Asylbewerber und Flüchtlinge Anfang 2013 (5. Kalenderwoche) wie folgt dar:

81

Die Aufnahmezentren der CARA verfügen über 5.516 Plätze und beherbergen derzeit ca. 5.300 Personen nebst 2.710 Plätzen in den Einrichtungen der CARA von Lampedusa, so dass insgesamt mehr als 8.000 Plätze zur Verfügung stehen. Die Zahlen im Gutachten von Frau Judith Gleitze, borderline-europe e. V. vom Dezember 2012 an das VG Braunschweig (a. a. O. S. 11), wonach 3.163 Personen in den genannten Einrichtungen aufgenommen werden könnten, seien inzwischen überholt (AA, Auskunft v. 24.05.2013 an VG Minden - zu Frage 8.).

82

Darüber hinaus stehen den Asylbewerbern und Flüchtlingen grundsätzlich die staatlichen Aufnahmeeinrichtungen der SPRAR („Sistems di Protezione per Richiedenti Asilo e Refugiati“) zur Verfügung. Die dort vorhandenen Plätze sind laut Auskunft des Auswärtigen Amtes in der Vergangenheit deutlich angestiegen: Bisher habe es 3.000 Plätze gegeben, so dass dort (weil eine Unterbringung regelmäßig nur für 6 Monate vorgesehen sei) insgesamt 6.000 Personen hätten versorgt und untergebracht werden können (vgl. zur Aufnahmekapazität von etwa 3.000 Personen u. a. auch der Bericht der Schweizerische Flüchtlingshilfe, a. a. O. S. 5). Nunmehr aber stehen nach Auskunft des Auswärtigen Amtes - bestätigt durch Auskünfte von Mitarbeitern der SPRAR und des italienischen Innenministeriums – insgesamt 5.000 Plätze zur Verfügung, so dass 8.000 bis 10.000 Personen untergebracht werden könnten, ungeachtet der im Rahmen des EU-finanzierten FER-Projektes für vulnerable Personen und anderer Projekte vorhandenen weiteren Plätze (AA, Auskunft v. 24.05.2013 an VG Minden - zu Frage 8.). Dies entspricht in etwa auch der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.02.2013 auf Anfrage des Senats, wonach inzwischen in ganz Italien 40 Aufnahmezentren mit rund 9.000 Plätzen zur Verfügung stehen (AA, a. a. O., Anm. 4.3.).

83

Dem steht z. B. für das Jahr 2012 eine Anzahl von 1.148 Personen gegenüber, die als Rückkehrer im Rahmen der Dublin-II-Verordnung über Rom nach Italien zurückgeschickt wurden und von der Organisation Ariconfraternita am Flughafen von Rom betreut wurden (Gutachten an das VG Braunschweig von Judith Gleitze, borderline-europe e. V. vom Dezember 2012, S. 25 und S. 59 – in Ermangelung der erfassten Gesamtzahlen der Dublin-Rückkehrer nach Italien). Berücksichtigt man überdies, dass die Zahl der Asylbewerber seit 2012 – trotz gewisser Schwankungen – insgesamt rückläufig ist, kann zumindest gegenwärtig nicht (mehr) von unzureichenden Aufnahme- und Unterbringungskapazitäten ausgegangen werden. Zur Überzeugung des Senats dürfte sich somit die aktuelle Situation in Italien soweit entspannt haben, dass sämtliche Asylbewerber, und insbesondere Dublin-II-Rückkehrer, in den öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen Platz finden können (ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013 - OVG 7 S 33.13 - ).

84

Die Annahme fehlender Kapazitäten für die Unterbringung von Dublin-II-Rückkehrern nach Italien ist insbesondere auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil es in der Vergangenheit zu einem massiven Zustrom von Flüchtlingen aus Nordafrika gekommen ist und dies zu (nachhaltigen) Engpässen bei der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern geführt hat.

85

Der UNHCR hat in diesem Zusammenhang in seiner Stellungnahme vom 24. April 2012 an das VG Braunschweig (a. a. O. S. 3) auf Folgendes hingewiesen: Im Jahre 2011 sind nach der Ankunft einer erheblichen Zahl von Personen aus Nordafrika und der darauf folgenden Erklärung des „humanitären Notstandes“ die regionalen Regierungen gebeten worden, zusätzliche Aufnahmeeinrichtungen zu bestimmen, da die bestehenden Aufnahmekapazitäten als unzureichend eingeschätzt wurden. Zwischen den Regierungen und den örtlich zuständigen Behörden (Regionen, bestimmten Provinzen [„Province Autonome“] und Gemeinden) seien Vereinbarungen getroffen worden, in denen Kriterien für die landesweite Verteilung von bis zu 50.000 Personen festgehalten wurden. Die Verantwortlichkeit für den diesbezüglichen Aufnahmeplan liege beim Leiter des Zivilschutzes („Dipartimento di Protezione Civile“). Bis Anfang 2012 seien 20.000 Personen im Rahmen des Plans in den Notunterkünften, meist in Einrichtungen kleiner bis mittlerer Größe, untergebracht worden, die in ganz Italien verteilt sind.

86

Dies deckt sich mit den Auskünften des Auswärtigen Amtes. Danach hätten die vorgehaltenen temporären Aufnahmestrukturen des Zivilschutzes, die anlässlich des Flüchtlingsstromes aus Nordafrika in der Größenordnung von 50.000 Plätzen in den Regionen geschaffen worden seien, die bestehenden Engpässe kompensiert (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.3.).

87

Soweit im Gutachten von Judith Gleitze, borderline-europe e. V. vom Dezember 2012 an das VG Braunschweig (a. a. O., S. 15) darauf verwiesen wird, dass die durch den Zivilschutz zusätzlich geschaffenen Unterkünfte nur zeitlich befristet vorgesehen gewesen seien, zunächst wohl nur bis Ende 2011 und alsdann bis Ende 2012, und dass diese inzwischen wieder geschlossen worden seien, so rechtfertigt auch dieser Einwand nach Auffassung des Senats nicht die Annahme, dass es gegenwärtig und zukünftig wieder zu fehlenden Kapazitäten in den staatlichen Einrichtungen kommen wird.

88

Zwar trifft es zu, dass das Notstandsprogramm befristet war und inzwischen wohl offiziell ausgelaufen ist. Allerdings trifft es ebenfalls zu, dass die Einrichtungen derzeit faktisch zumindest in einem beschränkten Umfang fortgeführt werden. Grund für die Schließung der Notunterkünfte war der Umstand, dass die Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge gegenüber den Vorjahren, insbesondere dem Jahr 2011 und 2012, deutlich zurück gegangen war. Allerdings waren nach Auskunft des Auswärtigen Amtes Anfang des Jahres 2013 noch ca. 17.000 Personen in den temporären Einrichtungen des Zivilschutzes untergebracht (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 4.3.). Das Auswärtige Amt hat unterdessen mit seiner neuesten Auskunft – unter Berufung auf den Leiter des Italienischen Amtes für Aufnahmezentren und Betreuung, Herrn Tommaso Ricciardi vom 04. September 2013 – zum Notstandsprojekt Nordafrika mitgeteilt, dass sich derzeit nur noch etwa 1.000 Personen („vulnerable cases“ und Asylbewerber, die ein Rechtsmittel eingelegt haben) in den Notunterkünften befinden. Offiziell hätten diese nunmehr am 01. September 2013 schließen sollen. Es werde gegenwärtig überlegt, wie die Versorgung dieser Personen weiter gewährleistet werden kann (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW – zu Frage e)).

89

Angesichts der aufgezeigten Entwicklung steht auch nicht zu erwarten, dass mit der Schließung der Notunterkünfte die dort untergebrachten bzw. noch verbliebenen Asylbewerber und Flüchtlinge in die staatlichen Unterkünfte drängen und es damit zu erneuten Überbelegungen kommen wird, mithin die Problematik fehlender Kapazitäten in den staatlichen Zentren erneut auftritt. Das Auswärtige Amt weist zudem ausdrücklich darauf hin, dass das Auslaufen des Nordafrika-Programms keine konkreten Auswirkungen auf die Dublin-Rückkehrer hat, da für diesen Personenkreis (der nicht in den Notunterkünften untergebracht wird) von vornherein kein unmittelbarer Zusammenhang zum Programm bestand (AA, Auskunft v. 11.09. 2013 an OVG NRW – zu Frage e)).

90

Gegenteiliges dürfte zur Überzeugung des Senats auch dann nicht anzunehmen sein, wenn es zu einem erneuten Anstieg der Zahl von Asylbewerbern in Italien kommen sollte. Das ausgelaufene Notstandsprogramm belegt, dass Italien Unterbringungsplätze in erheblichen Umfang zusätzlich zur Verfügung stellen kann, wenn der Zustrom von Flüchtlingen dies erfordert. Das geschaffene Notstandsprogramm lässt darauf schließen, dass die verantwortlichen Stellen – selbst wenn sie auf Druck der übrigen EU-Mitgliedstaaten tätig geworden sein sollten – bemüht sind, sich dem jeweiligen unterschiedlichen Unterkunftsbedarf in der gebotenen Weise anzupassen. Dies lässt es insbesondere nicht ausgeschlossen erscheinen, dass bei einem eventuellen erneuten Anstieg der in Italien eintreffenden Flüchtlinge und Asylbewerber entsprechende Programme zur kurzfristigen Schaffung zusätzlicher Unterkünfte neu aufgelegt werden. Dies alles rechtfertigt keine grundlegenden Zweifel daran, dass ein insoweit auch nach Beendigung des Notstandsprogramms fortdauernder Bedarf oder erneute Massenanstürme von Flüchtlingen bewältigt werden können (ebenso: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013, a. a. O.).

91

Im Übrigen erkennt auch der UNHCR an, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des staatlichen Aufnahmesystems stattgefunden haben. Insgesamt seien die Einrichtungen der CARA, CDA und SPRAR (nunmehr) in der Lage, dem Aufnahmebedarf einer „signifikanten Anzahl“ von Asylsuchenden nachzukommen (Stellungnahme vom 24. April 2012 an VG Braunschweig, S. 3). Allerdings macht der UNHCR die Einschränkung, dass die Kapazitäten der genannten Einrichtungen nicht für die Unterbringung aller unterstützungsbedürftigen Asylsuchenden ausreichend sein dürften, wenn Personen in erheblicher Anzahl neu in Italien ankommen würden (UNHCR, a. a. O., S. 3). Indes bestehen z. Z. keine Anhaltspunkte dafür, dass es in Italien derzeit oder in absehbarer Zeit erneut zu einem derartigen Anstieg der Asylbewerberzahlen kommen wird, wie er etwa in den Jahren 2010 und 2011 zu verzeichnen war.

92

Eine andere Bewertung der Unterkunftssituation für Asylbewerber und Flüchtlinge erscheint dem Senat schließlich auch nicht deshalb geboten, weil nach Auffassung des UNHCR (Stellungnahme v. 24.04.2012) in der gegenwärtigen Situation davon auszugehen sei, dass derzeit die überwiegende Anzahl aller Asylverfahren nicht innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen werden können, und die Aufnahme in den Aufnahmezentren regelmäßig auf sechs Monate befristet sei. Abgesehen davon, dass der UNHCR selbst einräumt, dass keine konkreten Zahlen zur Dauer der Asylverfahren vorliegen, besteht nach Auskunft des Auswärtigen Amtes die Möglichkeit, dass im Einzelfall – so auch bei Einlegung von Rechtsmitteln – die Aufenthaltsdauer in der Einrichtung verlängert wird.

93

Zudem ist auch dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Mai 2011 zu entnehmen, dass für die Aufnahme von Asylbewerbern eben nicht nur CARA-, CIE- und SPRAR-Zentren zur Verfügung stehen, sondern auch andere Zentren vorhanden sind basierend auf Abkommen zwischen dem Innenministerium und Gemeinden, aber auch von der Stadt – wie etwa Rom - finanzierte und von NGO’s betriebene Zentren (vgl. Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Bericht über die Situation von Asylsuchenden, Flüchtlingen und subsidiär oder humanitär aufgenommenen Personen, mit speziellem Fokus auf Dublin-Rückkehrende, S. 19). Nach dem vorgenannten Bericht (a. a. O. S. 19) kommen noch kirchliche und karitative Einrichtungen hinzu. Dass es unter Berücksichtigung der Aufnahmekapazität all dieser öffentlichen und privaten Einrichtungen sowie unter Nutzung des Angebotes des Wohnungsmarktes nicht möglich ist, eine Unterkunft zu finden, ist nicht ersichtlich.

94

Das Auswärtige Amt weist ebenfalls darauf hin, dass neben den staatlichen Unterbringungszentren zusätzlich kommunale und karitative Einrichtungen existieren wie z. B. Caritas, Migrantes in Rom, die Schwestern des Ordens der Mutter Teresa „Suore Missionarie della Carità“ und andere Hilfsorganisationen (Comunità di Sant’Egidio, Opere Antoniane, Stranieri in Italia, Centro Astalle - Jesuiten -), welche die Antragsteller und Asylbewerber versorgen und ihnen Unterkunftsplätze besorgen (AA, Auskunft v. 21.08.2013 an OVG LSA - zur Frage 3.). Dies entspricht zugleich der Einschätzung des Auswärtigen Amtes, wonach nicht davon auszugehen ist, dass jene Personen, die in den staatlichen Aufnahmeeinrichtungen und staatlichen Unterkünften keinen Platz finden, regelmäßig oder überwiegend obdachlos „auf der Straße“ oder in „Elendsquartieren“ leben müssen (AA, a. a. O. Anm. 4.3.).

95

Veranlassung zu einer anderen Einschätzung gibt dem Senat schließlich auch nicht der Bericht von Maria Bethke und Dominik Bender „Zur Situation von Flüchtlingen in Italien“ vom 28. Februar 2011, wonach angeblich davon auszugehen ist, dass „in der Vergangenheit 88 vom Hundert der Dublin-II-Rückkehrer der Gefahr der Obdachlosigkeit überlassen worden seien“. Der Senat geht dabei davon aus, dass diese Aussage nicht bedeutet, dass etwa 88 vom Hundert der Dublin-II-Rückkehrer tatsächlich in die Obdachlosigkeit geraten sind, sondern dass es sich hierbei – da der Bericht lediglich von einer „Gefahr“ einer Obdachlosigkeit spricht – um eine bloße Annahme handelt in Bezug auf das womöglich bestehende Risiko, von einer Obdachlosigkeit betroffen zu werden. Dem Senat erscheint bei dieser Sachlage allerdings nicht nachvollziehbar, wie eine (potentielle) „Gefahr“ prozentual derart exakt prognostiziert werden kann, wie dies im Bericht mit 88 vom Hundert geschehen ist, zumal die Unterbringung in staatlichen und privaten Einrichtungen und auch die Wohnungssuche im Allgemeinen mit einer Fülle von Unwägbarkeiten verbunden ist. Überdies sind die Angaben nur bedingt brauchbar, weil eben nicht erkennbar wird, auf welchen Erkenntnissen diese beruhen und welche zurückliegenden Zeiträume in Bezug genommen werden, wenn davon gesprochen wird, dass sich Aussage auf die „Vergangenheit“ beziehe.

96

bb) Ebenso lässt sich nach Auffassung des Senats nicht feststellen, dass Asylbewerber infolge unzureichender und unzumutbarer Verhältnisse in den staatlichen bzw. privaten Unterkünften, namentlich etwa aufgrund unhygienischer Zustände oder Gewalttätigkeiten und krimineller Delikte wie u. a. Diebstahl, Vergewaltigung oder erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind. Dabei wird nicht verkannt, dass es in Unterkünften mit einer Vielzahl von – teilweise auch traumatisierten – Flüchtlingen unterschiedlicher Nationalität, Religion und Gebräuchen häufiger als in anderen Bereichen der Gesellschaft zu Konflikten und gelegentlich auch gewaltsamen Übergriffen kommen dürfte. Es dürfte sich dabei allerdings um ein allgemeines Phänomen in Gemeinschaftseinrichtungen handeln, dem die staatlichen Stellen nur bedingt wirksam entgegen wirken können. Auch wenn die Aufnahme-, Unterbringungs- und Lebensbedingungen von Asylbewerbern in Italien regelmäßig nicht mit dem hiesigen Standard vergleichbar sein mögen, ist zur Überzeugung des Senats davon auszugehen, dass die Zustände in den Unterkünften im Allgemeinen jedenfalls nicht derart unzumutbar und unhaltbar sind, dass deshalb die Feststellung einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung der Asylbewerber gerechtfertigt erschiene. Dies gilt zum einen hinsichtlich der hygienischen Verhältnisse. So wird nach Auskunft des Auswärtigen Amtes von den staatlichen Aufnahmezentren und Einrichtungen Kleidung gestellt, ebenso Wäsche und Hygieneartikel zum persönlichen Gebrauch (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1., 5.3. und 6.1.). Überdies teilt das Auswärtige Amt zur Situation in den staatlichen Aufnahmezentren und Unterkünften mit, dass die hygienischen Verhältnisse dort nicht regelmäßig oder sogar überwiegend sich in der Weise darstellen, dass man ernstlich Gefahr läuft zu erkranken. Sie seien auch nicht dergestalt, dass sie nicht den Mindestanforderungen (Kochstellen, Toiletten, Waschräume, fließendes Wasser und Elektrik) genügen würden. Vielmehr seien sie durchweg so beschaffen, dass kleinere Schlafräume in Wohnhäusern oder Containern vorhanden seien, die auch zumeist mit Klimaanlagen und Zentralheizung versehen seien. Insbesondere seien Toilettenräume in ausreichender Zahl und getrennt nach Geschlechtern vorhanden. Gleiches gelte für Waschräume. Die Verpflegung werde vielfach in einem gemeinsamen Speisesaal bereitgestellt. Vereinzelt bestünden auch zusätzliche Möglichkeiten für die eigene Zubereitung von Mahlzeiten. Ferner seien in den Einrichtungen Sozialräume sowie getrennte Räumlichkeiten für medizinische Dienste und Sonderfälle vorhanden. Zur Aufrechterhaltung der Sauberkeit der allgemeinen Räumlichkeiten würden spezielle Reinigungsdienste beschäftigt (vgl. zu allem: AA, Auskunft v. 21.01.2013, Anm. 4.5.).

97

Zum anderen lässt sich aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse auch nicht feststellen, dass sich die Verhältnisse in den staatlichen Aufnahmezentren und Unterkünften in der Weise darstellen, dass die Bewohner in ständiger Angst leben müssten, „angegriffen, ausgeraubt oder gar vergewaltigt“ zu werden. Zwar gibt es Berichte, wonach es zu gewaltsamen Übergriffen von männlichen auf weibliche Bewohner gekommen sein soll; hierbei handelt es sich aber um Einzelfälle, wenngleich statistische Erhebungen zur Kriminalität speziell in den genannten Einrichtungen nicht existieren bzw. nicht bekannt sind. Darüber hinaus werden die Aufnahmeeinrichtungen zumindest durch die Polizei oder Carabinieri überwacht und geschützt; wegen auftretender Spannungen zwischen verschiedenen Ethnien wurden in manchen Einrichtungen zudem zusätzliche Polizeikräfte postiert (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.6.).

98

Im Ergebnis vermag der Senat somit nicht festzustellen, dass es – sieht man von Engpässen und Einzelschicksalen ab – mit der Durchführung von Asylverfahren in Italien generell zu Begleiterscheinungen wie etwa Obdachlosigkeit oder aufgrund der Zustände in den Unterkünften zu einer Verwahrlosung der Asylbewerber kommt.

99

c) Der Senat vermag ebenfalls nicht festzustellen, dass Schutzsuchende während des Asylverfahrens in Italien unter Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EuGrdRCh in materieller Not leben müssen, so dass von einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung auszugehen wäre, oder mit Blick auf die Versorgungssituation und soziale Situation der Asylbewerber und Flüchtlinge gemessen an den Vorgaben des unionsrechtlichen Sekundärrechts sich das Asylsystem als nicht (mehr) richtlinienkonform darstellt.

100

Asylsuchende und Flüchtlinge haben nach Auskunft des Auswärtigen Amtes während des Asylverfahrens einen (Rechts-)Anspruch auf (angemessene) Verpflegung und Versorgung (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1.). Dieser Verpflichtung wird im Allgemeinen dadurch nachgekommen, dass in den staatlichen Unterkünften und Aufnahmezentren entsprechende Leistungen erbracht werden. Namentlich wird auch Kleidung gestellt, ebenso Wäsche und Hygieneartikel zum persönlichen Gebrauch (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 5.1., 5.3. und 6.1.). Vorgenanntes gilt gleichermaßen für die Zeit zwischen Antragstellung und Registrierung wie für die Zeit zwischen Registrierung und Entscheidung über das Asylbegehren (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 5.1.).

101

Ebenso werden Asylbewerber und Flüchtlinge, die in nichtstaatlichen, namentlich karitativen und kirchlichen Unterkünften leben, mit Nahrung und Kleidung versorgt, wobei insoweit auch private Dienstleister herangezogen werden (vgl. AA, Auskunft v. 21. 02.2013, Anm. 5.2.). Allerdings ist für Asylbewerber und Flüchtlinge außerhalb staatlicher sowie karitativer und kirchlicher Einrichtungen eine staatliche Verpflegung und Versorgung nicht (mehr) gewährleistet. Auch existiert in Italien nur ein sehr eingeschränktes staatliches Sozialhilfesystem; danach erhalten nur Personen über dem 65. Lebensjahr Sozialhilfeleistungen. Im vorliegenden Fall würde dies sogar bedeuten, dass die 65-jährige Klägerin auch staatliche Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen könnte. Im Übrigen haben die Betroffenen auch als Asylbewerber und schutzsuchende Flüchtlinge einen freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Sie können ihren Lebensunterhalt dadurch verdienen, dass sie je nach Ausbildung oder Befähigung einer zumindest einfachen Arbeit nachgehen (vgl. AA, Auskunft v. 21.02. 2013, Anm. 5.1.).

102

In der Praxis kann somit nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass Asylbewerber und Flüchtlinge ihren Lebensunterhalt regelmäßig nicht durch Betteln und / oder Prostitution sichern müssen (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.4.). Vielmehr ist insgesamt eine ausreichende Versorgung vorhanden. Einzelfälle sind allenfalls auf das in der aktuellen Wirtschaftskrise insbesondere in italienischen Großstädten zunehmend auftretende Phänomen des Bettelns und die damit einhergehenden erhofften zusätzlichen Einkunftsmöglichkeiten zurückzuführen. Was die Prostitution angeht, so ist nicht völlig auszuschließen, dass weibliche Asylbewerber oder Flüchtlinge in Einzelfällen durch Angehörige der organisierten Kriminalität rekrutiert werden und dann tatsächlich der Prostitution nachgehen. Dies ist aber nicht im kausalen Zusammenhang mit Defiziten im Asylverfahren zu sehen (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.4.; Auskunft v. 24.09.2012, S. 3 - Antwort auf Frage b 2)).

103

Im Übrigen folgt aus Art. 3 EMRK und Art. 4 EuGrdRCh auch nicht die Verpflichtung, Asylbewerbern und Flüchtlingen eine finanzielle Unterstützung zu gewähren, um ihnen einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.02.2011, a. a. O.).

104

Ebenso ist ein Verstoß gegen die Richtlinie 2004/83/EG nicht ersichtlich. Kapitel VII der Richtlinie gestaltet den Inhalt des internationalen Flüchtlingsschutzes zwar u. a. dahin gehend aus, dass Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte grundsätzlich Zugang zu Sozialleistungen (Art. 28), medizinischer Versorgung (Art. 29) und Wohnraum (Art. 31) erhalten. Allerdings gehen die Bestimmungen über die Gebote zur Inländergleichbehandlung (Art. 28, 29) bzw. zur Ausländergleichbehandlung (Art. 31) nicht hinaus. Art. 28 und 29 der Richtlinie gewährleisten die notwendige Sozialhilfe bzw. medizinische Versorgung nur insoweit, wie die Mitgliedstaaten ihren eigenen Staatsangehörigen eine entsprechende Behandlung bzw. Versorgung gewähren; für Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte besteht zudem die Möglichkeit, den Anspruch auf Kernleistungen zu beschränken, die dann im Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige zu gewähren sind. Demzufolge muss der in Italien bestehende allgemeine Lebensstandard für andere, vergleichbare Personen mit italienischer Staatsangehörigkeit in den Blick genommen werden, die ebenfalls keine staatlichen Sozialleistungen in Anspruch nehmen können und bei denen ebenfalls nur durch die Aufnahme von Gelegenheitsarbeiten oder aber vermittels von Zuwendungen karitativer oder kirchlicher Organisationen das Existenzminimum gesichert ist.

105

Nach allem lässt sich ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EuGrdRCh nicht daraus herleiten, dass – worauf in der Rechtsprechung einzelner Verwaltungsgerichte abgestellt wird – ein staatliches Sozialsystem, welches Flüchtlingen und Asylsuchenden zumindest ein Existenzminimum garantiert, nicht zur Verfügung steht und dass die Betroffenen deshalb darauf angewiesen seien, sich „selbst durch das Leben zu schlagen“ (vgl. VG Magdeburg, Beschl. v. 28.03.2011 - 9 B 101/11 MD - Juris; Gerichtsbescheid v. 21.11.2011 - 9 A 351/10 - [S. 5 d. UA]; VG Braunschweig, Beschl. v. 31.05.2011 - 1 B 103/11 - m. w. N. - Juris).

106

Im Übrigen ist in der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (a. a. O. S. 22) nicht – wie gelegentlich behauptet wird – die Rede davon, dass der genannte Personenkreis „in extremer Armut lebt und dass sie ihre Lebensbedürfnisse nicht decken können“. Vielmehr ist – wohl mit Bedacht – davon die Rede, dass sie Gefahr laufen, womöglich in eine solche Situation zu geraten; dass sich indes diese Gefahr bereits in eine Vielzahl von Fällen realisiert hätte oder gleichsam regelmäßig bzw. für jeden Asylsuchenden und Flüchtling die konkrete Gefahr bestünde, dass nicht einmal das Existenzminimum gesichert ist, wird nicht behauptet. Dies schließt nicht aus, dass es in Einzelfällen auch zu besonderen Notlagen kommen mag und dass der Lebensstandard der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien im Allgemeinen sehr gering sein dürfte. Gleichwohl vermag der Senat anhand des ihm vorliegenden umfassenden Erkenntnismaterials aber nicht festzustellen, dass die Situation für Flüchtlinge und Asylsuchende in den Zentren und außerhalb derselben derart prekär wäre, dass deshalb von einem Verstoß gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EuGrdRCh auszugehen ist.

107

d) Soweit es die medizinische Versorgung betrifft, sind alle Mitgliedstaaten aufgrund der EU-Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 verpflichtet, bestimmte Mindeststandards der medizinischen Versorgung zu gewährleisten. So haben alle Mitgliedstaaten nach Art. 15 der genannten Richtlinie dafür Sorge zu tragen, dass Asylbewerber und Flüchtlinge die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung für die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst. Dabei ist auch Asylbewerbern mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische und sonstige Hilfe zu gewähren.

108

In Italien ist im Rahmen des nationalen Gesundheitsdienstes grundsätzlich ein medizinischer Mindestbehandlungsstandard gewährleistet. Asylbewerber und Flüchtlinge haben in Italien während des Asylverfahrens einen Anspruch auf eine „freie“ (kostenlose) medizinische Versorgung sowie auch auf psychologische Hilfe, insbesondere auch Minderjährige und traumatisierte Personen (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1., 5.3. und 6.3.).

109

Dem entspricht es, wenn im Entscheiderrundbrief des Bundesamtes 7/2011 (a. a. O., S. 8) zur medizinischen Versorgung festgestellt wird, dass bei der Überstellung von kranken bzw. traumatisierten Personen – wie bei jedem italienischen Staatsbürger – die Möglichkeit der (medizinischen) Behandlung besteht. Bereits im Jahre 2009 habe es bei der SPRAR drei Zentren gegeben, in denen auch psychisch kranke Personen hätten behandelt werden können (zwei in Rom, eines in Turin). Für 2011 seien zudem 50 weitere Behandlungsplätze für psychisch kranke Personen bzw. Personen mit besonders schweren Erkrankungen geplant worden. Inzwischen würden bei Dublin-Überstellungen psychisch kranke Personen in Italien als eine besonders „vulnerable Gruppe“ angesehen.

110

Voraussetzung für den Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem ist zwar grundsätzlich ein gültiger Aufenthaltstitel bzw. ein rechtmäßiger Aufenthalt; bei im italienischen Asylverfahren befindliche Personen stellt sich dieses Problem aber nicht. Der Zugang zu öffentlichen medizinischen Leistungen ist auch nicht an die Voraussetzung eines ständigen Wohnsitzes bzw. feste Adresse gekoppelt, wie gelegentlich behauptet wird. Vielmehr erhalten Asylbewerber bei Bedarf auch ohne einen solchen ständigen Wohnsitz bzw. feste Anschrift vom nationalen Gesundheitsdienst einen Gesundheitsausweis („tessera sanitara“) und eine Steuernummer („codice fiscale“) (vgl. AA, Auskunft v. 09.10.2012 an VG Minden, S. 2 - zur Frage b) 4; ebenso: AA, Auskunft v. 11.07.2012 an VG Freiburg - S. 2 Ziffer I b)). Sollte hingegen etwas anderes gelten, ist davon auszugehen, dass aufgrund einer aktuellen Vereinbarung zwischen der Zentralregierung und den Regionen zumindest eine Not- und Grundversorgung auch für sich illegal in Italien aufhaltende Personen garantiert ist (AA, Auskunft v. 21.01.2013, Anm. 6.2.).

111

Der Senat vermag angesichts dieser Situation nicht zu erkennen, dass damit den eingangs aufgezeigten Mindeststandards bzw. Kernanforderungen nicht genügt wird. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass in bestimmten Fällen womöglich einzelnen Personen eine nur unzureichende medizinische Versorgung zuteil wurde oder diese aus dem medizinischen Versorgungssystem herausgefallen sind.

112

Aber selbst dann, wenn für kranke, behinderte oder sonst gesundheitlich besonders schutzbedürftige Personen die garantierte medizinische Not- und Grundversorgung nicht als ausreichend angesehen würde, ergäben sich daraus jedenfalls für die Klägerin, die keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen angeführt hat, keine Bedenken gegen ihre Überstellung nach Italien.

113

e) Soweit es das Asylverfahren als solches, namentlich die Qualität und die Dauer des Verfahrens betrifft, lässt sich ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 EMRK und Art. 4 EuGrdRCH sowie gegen die einschlägigen unionsrechtlichen Richtlinien ebenfalls nicht feststellen.

114

Italien gewährleistet entsprechend dem (Grund-)Recht auf Asyl (gem. Art. 10 Abs. 3 der italienischen Verfassung, verschiedenen Einwanderungs- und Asylverfahrensgesetzen, insbesondere nach dem Gesetz No. 25/2008 vom 28. Januar 2008) ein Schutzverfahren, das auch für Überstellungen nach der Dublin-II-Verordnung greift. Besonderheiten bestehen insoweit nicht (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 3.1.).

115

Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass es hinsichtlich der Qualität oder der Dauer der Asylverfahren einen Grund für Beanstandungen gibt. Insbesondere lässt sich nicht feststellen, dass von einer unverhältnismäßig restriktiven Asylpraxis auszugehen ist. Gegen eine solche Annahme sprechen die Zahlen, die vom Auswärtigen Amt zum Asylverfahren benannt werden. Danach wurden im Jahre 2010 über 14.042 Asylanträge entschieden, davon wurden 2.094 Antragsteller nach der Genfer Konvention anerkannt (15 vom Hundert), 1.789 erhielten subsidiären (13 vom Hundert), 3.675 humanitären Schutz (26 vom Hundert), hingegen wurden 4.698 abgelehnt. 520 Personen waren nicht auffindbar (4 vom Hundert) und 1.266 (9 vom Hundert) sind sonstige Fälle. Dementsprechend lag die Quote der Anerkennungen bzw. der Gewährung eines Bleiberechts bei immerhin 54 vom Hundert (vgl. AA, Auskunft v. 21.02. 2013, Anm. 3.2.). Demgegenüber wurden im Jahre 2011 über 25.626 Asylanträge entschieden. Davon wurden 2.057 Antragsteller nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt (8 vom Hundert), 2.569 Personen erhielten subsidiären (10 vom Hundert) und 5.662 humanitären Schutz (22 vom Hundert); 11.131 Personen wurden hingegen abgelehnt (44 vom Hundert) und 2.339 Personen waren nicht auffindbar (9 vom Hundert). Die Anerkennungsquote lag 2011 somit bei 40 vom Hundert, was ebenfalls nicht die Annahme einer unverhältnismäßig restriktiven Praxis rechtfertigt (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 3.2.; AA, Auskunft v. 11.07.2012 an VG Freiburg, S. 5 unter Hinweis auf eine entsprechende Statistik des Innenministeriums, abrufbar unter: http://www.interno.it/miniinteno/export/sites/default/it/assets/files/21/0551_statistiche_asilo.pdf).

116

Es kommt hinzu, dass sich die für die Entscheidung der Asylverfahren in erster Instanz zuständigen Territorialkommissionen per Dekret des Innenministers in der Weise zusammensetzen, dass auch jeweils ein Vertreter des UNHCR beteiligt ist (Bundesamt für Migration der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Hintergrundnotiz MILA - Italien Asylverfahren, Bericht vom 23.09.2009, S.4). Dies berechtigt zur Annahme, dass der Ordnungsmäßigkeit des Asylverfahrens eine besondere Beachtung geschenkt wird.

117

Hinsichtlich der Dauer des Asylverfahrens in Italien gibt es ebenfalls nichts zu beanstanden. Über den Asylantrag soll an sich innerhalb von 30 Tagen entschieden werden; zudem wird angestrebt, dass das Gesamtverfahren einschließlich gerichtlicher Überprüfung nicht länger als sechs Monaten dauert, auch wenn es immer wieder Fälle gibt, in denen diese Dauer – manchmal bis zu einem Jahr oder auch länger – überschritten wird (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 3.1., 3.2.; ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013, a. a. O. Rn. 15).

118

Ferner lässt sich nicht feststellen, dass es in Italien während des Asylverfahrens in nennenswerter Weise faktische Beeinträchtigungen in verfahrensrechtlicher bzw. prozessualer Hinsicht gibt. Art. 16 des italienischen Asylverfahrensgesetzes No. 25 vom 28. Januar 2008 garantiert dem Asylbewerber, dass er nach den einschlägigen Prozessvorschriften Anspruch auf eine Rechtsberatung und einen unentgeltlichen Rechtsbeistand im Verfahren hat (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 3.4.). Zwar bestehen Zweifel, ob dies auch in der Praxis ausnahmslos Geltung besitzt, wenn man berücksichtigt, dass für die nach Rom zurückkehrenden Dublin-II-Rückkehrern (und in Rom eintreffenden Asylbewerber) die Prozesskostenhilfe davon abhängig gemacht wird, dass zum Nachweis der wirtschaftlichen Bedürftigkeit eine Bescheinigung der jeweiligen Auslandsvertretung beigebracht werden soll. Allein wegen der Tatsache, dass der Asylbewerber im Einzelfall das Verfahren ohne anwaltlichen Beistand durchzuführen hat, soweit kein Anwaltszwang besteht, kann nicht schon von einem (landesweit bestehenden) systemischen Mangel gesprochen werden, der die Annahme einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i. S. d. Grundrechtscharta und EMRK rechtfertigt. Im Übrigen stehen dem Asylbewerber im Asylverfahren auch Übersetzungsdienste zur Verfügung (vgl. AA, Auskunft an OVG LSA v. 21.02.2013, Anm. 2.3. und 3.3.; AA, Auskunft v. 11.07.2012 an VG Freiburg, S. 3).

119

Insbesondere bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass – von Ausnahmen abgesehen – die für die Durchführung des Hauptsacheverfahrens erforderliche Erreichbarkeit des Asylbewerbers in Italien nicht sichergestellt wäre. Für eine solche Annahme fehlt es an hinreichend belegten Referenzfällen. Auch gibt es für Italien keine ernst zu nehmenden Quellen, wonach sich die Wahrnehmung von Verfahrensrechten (Antragstellung, Einlegung von Rechtsbehelfen etc.) regelmäßig als derart schwierig erweist, dass diese Rechte faktisch leer laufen würden.

120

Soweit in der Rechtsprechung dennoch vereinzelt – so u. a. das VG Gießen (Beschl. v. 10.03.2011 - 1 L 468/11.GI.A - Juris) und ihm folgend das VG Magdeburg (Beschl. v. 21.11.2011 - 9 A 351/10 -) – die Auffassung vertreten wird, „es erscheine auch die Qualität der Asylverfahren bedenklich“, wird diese Kritik nicht weiter spezifiziert und auch nicht durch entsprechende Erkenntnismittel belegt.

121

f) Ebenso lässt sich anhand des dem Senat vorliegenden Erkenntnismaterials nicht feststellen, dass im Hinblick auf die rechtliche und soziale Situation anerkannter Asylbewerber sowie der Flüchtlinge mit einem Bleiberecht angesichts der in Italien anzutreffenden Lebens- und Versorgungssituation sowie unter Berücksichtigung der insoweit staatlicherseits unternommenen Integrationsbemühungen das Aufnahme- und Asylverfahren in Italien derartige Mängel aufweist, dass es den Anforderungen des europäischen Asylsystems nicht mehr entspricht.

122

Schutzberechtigte, mithin anerkannte Asylbewerber (Asylberechtigte) und Personen mit subsidiärem Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten mit ihrer Anerkennung ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht; es wird ihnen eine Aufenthaltsberechtigung („permesso di soggiorno“) ausgestellt. Danach genießen sie in Italien dieselben Rechte wie italienische Staatsangehörige (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.2.).

123

Dies bedeutet in der Praxis, dass sie sich – ebenso wie italienische Staatsangehörige – grundsätzlich selbst um eine Unterkunft kümmern und auch in eigener Verantwortung einen Arbeitsplatz suchen müssen. Dafür besteht aber ein freier Zugang zum Arbeitsmarkt (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Alle Personen, die in Italien einen Schutzstatus besitzen, haben auch das Recht zu arbeiten (AA, Auskunft v. 21.02.2013, a. a. O.).

124

Sie können ihren Lebensunterhalt dadurch verdienen, dass sie je nach Ausbildung oder Befähigung einer zumindest einfachen Arbeit nachgehen (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 5.1.). Anerkannte Asylbewerber und Personen mit einem subsidiären Schutzstatus haben Zugang zu einer Beschäftigung in Italien, wie dies durch Art. 26 und Art. 28 der Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) garantiert wird.

125

Ein staatliches System finanzieller Hilfeleistungen bzw. ein Sozialhilfesystem existiert hingegen nicht. Denn in Italien gibt es für italienische Staatsangehörige – und somit auch für anerkannte Flüchtlinge und Personen mit subsidiärem Schutzstatus, die ihnen gleichgestellt sind – kein national garantiertes Recht auf Fürsorgeleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bzw. (sonstige) staatliche Sozialleistungen, jedenfalls soweit sie nicht das 65. Lebensjahr erreicht haben (AA, Auskunft v. 11.07.2012 an das VG Freiburg). Art. 28 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gewährt hinsichtlich der Sozialleistungen nur einen Anspruch auf Inländergleichbehandlung, nicht aber einen Anspruch auf Privilegierung des anerkannten Flüchtlings.

126

Zwar entspricht es der italienischen Kultur, dass es einen engen Familienzusammenhalt gibt, der im Notfall zumindest die Chance eröffnet, eine (gewisse) Unterstützung durch Familienangehörige in Anspruch nehmen zu können. Dass es eine solche vergleichbare Unterstützung unter den ausländischen Landsleuten gibt, die sich aufgrund ihres Schutzstatus dauerhaft in Italien aufhalten, erscheint nicht ausgeschlossen, dürfte aber die Ausnahme sein. Gleichwohl lässt dieser Umstand nach Auffassung des Senats für sich allein nicht schon die Annahme gerechtfertigt erscheinen, dass der anerkannte Flüchtling und sonstige Schutzberechtigte in Italien deshalb der konkreten Gefahr ausgesetzt wäre, „auf der Straße“ zu leben und zu verelenden.

127

Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass – ebenso wie italienische Staatsangehörige in einer vergleichbaren Situation – auch anerkannte Asylbewerber und schutzberechtigte Flüchtlinge von nichtstaatlichen Hilfsorganisationen, wie beispielsweise durch die CARITA und CIR, Unterstützung bekommen können (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Die Zuständigkeit für die Festsetzung von derartigen öffentlichen Sozialleistungen liegt grundsätzlich im Kompetenzbereich der Regionen. In bestimmten Regionen (z. B. Toskana, Emilia Romagna) wird die Höhe derartiger Leistungen durch die Kommune festgesetzt; die Leistungen weisen insoweit je nach regionaler und kommunaler Finanzkraft deutliche Unterschiede auf (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Diese Erkenntnis deckt sich im Übrigen mit dem Gutachten der Flüchtlingsorganisation borderline-europe e. V. (Gutachten an das VG Braunschweig vom Dezember 2012) und der Auskunft der italienischen Vereinigung für rechtliche Untersuchungen zur Situation von Einwanderung (ASGI-Bericht vom 20. November 2011, S. 10 f.). Danach erhalten ebenfalls anerkannte Asylbewerber und Personen, denen internationaler Schutz gewährt worden ist, Unterstützungen allgemeiner Art, wie sie auch für andere mittellose Personen in Italien vorgesehen sind.

128

Überdies ist für anerkannte Flüchtlinge und Personen mit subsidiärem Schutzstatus ein kostenfreier Zugang zu allen öffentlichen medizinischen Leistungen wie Arzt, Zahnarzt, Krankenhaus gewährleistet (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Ein Anspruch auf Einhaltung bestimmter Mindeststandards im Hinblick auf die Gewährung von Unterkunft sowie auf eine gewisse materielle Unterstützung besteht für sie auch nach dem Unionsrecht nicht; ein solcher Anspruch besteht nur für Asylbewerber (EGMR, Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - M.S.S. v. Belgium and Greece; EuGH, Urt. v. 21.12. 2011 - C-411/10 und C-493/10 - N.S. und M.E.), denn nach den Bestimmungen der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 steht Asylbewerbern und Schutzsuchenden zwar ein subjektives Recht auch auf eine angemessene Fürsorge zu. Nach Art. 3 Abs. 1 der genannten Richtlinie haben Asylbewerber jedoch nur solange Anspruch auf die in Art. 5 ff. der Richtlinie bezeichneten humanitären Leistungen, solange sie „als Asylbewerber im Hoheitsgebiet verbleiben dürfen“. „Asylbewerber“ im Sinne der Richtlinie ist dabei ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, der einen Asylantrag gestellt hat, über den noch nicht entschieden wurde.

129

Soweit anerkannten Asylbewerbern und schutzberechtigten Flüchtlingen in der Zivilbevölkerung vereinzelt Vorbehalte entgegen gebracht werden und sich diese Vorbehalte womöglich auch im Verhalten von Amtsträgern widerspiegeln sollten, lässt sich diesem Umstand keine selbständige rechtliche Bedeutung beimessen. Die gilt selbst dann, wenn der genannte Personenkreis im Alltag womöglich Benachteiligungen erfahren sollte. Denn die genannten Umstände lassen nicht den Schluss zu, dass das Aufnahme- und Asylverfahren in Italien schon allein aus diesem Grunde den Regeln des europäischen Asylsystems zuwiderläuft.

130

Nach allem erübrigt sich hier die Erörterung der weitergehenden Frage, ob und inwieweit auch möglicherweise jene (unionsrechtlichen) Rechtsverletzungen für die Entscheidung über den Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO relevant sind, die Personen betreffen, bei denen das Asylverfahren bereits mit einer Anerkennung bzw. mit einem subsidiären Schutzstatus abgeschlossen ist (vgl. hierzu VG Regensburg, Beschl. v. 16.08.2012 - RN 7 S 12.30273 -).

131

g) Zur Überzeugung des Senats steht auch bei der gebotenen Zukunftsprognose nicht zu erwarten, dass angesichts eines unvermindert anhaltenden oder wieder zunehmenden Flüchtlingsstroms nach Italien sich die dort anzutreffenden Verhältnisse (wieder) verschlechtern werden. So verhält es sich jedenfalls dann, wenn man bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats Folgendes in Rechnung stellt:

132

Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes ist in Italien gegenwärtig nicht (mehr) von einem Anstieg des Zustroms von Asylbewerbern und Flüchtlingen auszugehen (AA, Auskunft v. 21.02.2013 Anm. 9.1. und 9.2.). Diese Entwicklung wird auch durch das dem Senat vorliegende Zahlenmaterial belegt. Laut Berichterstattung in der Presse (Spiegel online v. 26.04.2011) haben von Januar bis Ende April 2011 allein 26.000 Flüchtlinge in Italien um Schutz nachgesucht. Demgegenüber wurden laut Auskunft des Auswärtigen Amtes im ersten Halbjahr 2012 nur insgesamt 5.580 Asylanträge in Italien gestellt (AA, Auskunft v. 21.01.2013 Anm. 3.2.).

133

Insbesondere ist auch ein deutlicher Rückgang von Anlandungen im Süden Italiens zu verzeichnen. Im Jahr 2011 waren es noch 62.692 Personen, im Jahre 2012 hingegen nur noch 13.267 Personen (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 9.1. und 9.2.). Dies ist – wie das Auswärtige Amt in nachvollziehbarer Weise feststellt – vor allem auf die Beruhigung der Lage in den Nordafrikanischen Staaten zurückzuführen (AA, a. a. O.).

134

Im Übrigen ist auch in der Gesamtschau des letzten Jahrzehnts nicht von einem kontinuierlichen und erheblichen Zuwachs an Asylbewerbern und Flüchtlingen in Italien auszugehen, so dass etwa deshalb die Annahme einer nicht (mehr) zu bewältigenden “Überlastung“ des Asylsystems in Italien begründet wäre. In der ersten Hälfte des letzten Jahrzehnts waren die Zahlen bis 2006 vielmehr rückläufig, die Zahl der Asylantragsteller ging insoweit von 24.000 auf 10.000 zurück. In den Jahren 2008 und 2011 gab es dann in den Spitzen über 30.000 Asylbewerber, während es im Jahre 2012 allerdings wieder weniger als 15.000 Bewerber waren. Bei den genannten Spitzen handelte es sich somit um temporäre Erscheinungen aufgrund der politischen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem “arabischen Frühling“ (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 9.1.2.). Auch ist nach aktueller Einschätzung, namentlich vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung in den Mittelmeer-Anrainerstaaten, nicht damit zu rechnen, dass die Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien in absehbarer Zeit ansteigen wird (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 9.1.3.).

135

Nach allem erweist sich die in der einschlägigen Rechtsprechung vielfach angeführte Begründung, dass wegen der zu erwartenden weiteren Flüchtlingsströme von Afrika nach Italien infolge der kriegerischen Auseinandersetzungen und der damit einhergehenden instabilen Verhältnisse in Nordafrika sich die Entwicklung in Italien in absehbarer Zeit voraussichtlich nicht verbessern, sondern eher noch verschlechtern wird (so u. a. VG Stuttgart, Beschl. v. 02.07.2012 - A 7 K 1877/12 - ) als nicht (mehr) tragfähig.

136

Insbesondere lässt sich auch der Stellungnahme des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen – UNHCR – vom 24. April 2012 an das Verwaltungsgericht Braunschweig kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass ernsthaft zu befürchten ist, dass die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien grundlegende Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aufweisen. Nach dem Inhalt dieser Stellungnahme wurden in Italien die regionalen Regierungen im Jahr 2011 nach Ankunft einer erheblichen Zahl von Personen aus Nordafrika ausdrücklich gebeten, zusätzliche Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen. Zwischen den Regierungen und den örtlich zuständigen Behörden wurde zudem eine Vereinbarung getroffen, in der die Kriterien für die landesweite Verteilung von bis zu 50.000 Personen festgehalten wurden. Der UNHCR erkennt vor diesem Hintergrund an, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des Aufnahmesystems stattgefunden haben und die CARA-, CDA- und SPRAR-Projekte insgesamt in der Lage sind, dem Aufnahmebedarf einer signifikanten Anzahl von Asylsuchenden nachzukommen (UNHCR, a. a. O. S. 3).

137

Dass die Verhältnisse zwischen Italien und Griechenland – wie gelegentlich behauptet wird – vergleichbar sind, vermag der Senat nicht festzustellen. Dies bedarf aber auch keiner Vertiefung, weil es hierauf nicht entscheidend ankommt. Dennoch bleibt festzustellen, dass der UNHCR – anders als in Bezug auf Griechenland – für Italien jedenfalls keine Empfehlung ausgesprochen hat, von einer Überstellung bzw. Abschiebung von Dublin-II-Flüchtlingen nach Italien abzusehen. Der Senat misst diesem Umstand kein geringes Gewicht bei. Soweit vereinzelt der Einwand erhoben wird, dies sei dem Umstand geschuldet, dass der UNHCR „politische Rücksichten zu nehmen habe“, ist dies durch Nichts belegt. Zwar hat – ausweislich des Tagungsberichts von Nora Markard zum 12. Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz vom 18.-19. Juni 2012 in Berlin (ZAR 10/2012 S. 380 ff. S. 381 zur Situation in Italien) – der UNHCR Senior Regional Protection Associate Jürgen Humberg im Hinblick auf die deutsche Debatte über die Zulässigkeit von Abschiebungen nach Italien angeblich betont, dass der Umstand, dass der UNHCR bisher kein Positionspapier zu Italien veröffentlicht habe, nicht bedeute, dass in Italien „alles in Ordnung sei“; eine solche Schlussfolgerung, den einige Verwaltungsgerichte zögen, sei unzulässig. Auch diese Äußerung veranlasst den Senat nicht zu einer anderen Einschätzung im Hinblick darauf, dass sich der UNHCR – anders als in anderen Fällen – einer entsprechenden offiziellen Stellungnahme bzw. Empfehlung, von einer Rückführung von Asylbewerbern nach Italien abzusehen, enthalten hat. Dies bedeutet keineswegs, dass der Senat der Auffassung wäre, in Italien „sei alles in Ordnung“; hieraus aber folgt eben noch nicht, dass in Bezug auf das Asyl- und Aufnahmeverfahren in Italien systemische Mängel feststellbar sind, die eine Verletzung der Europäischen Grundrechtscharta oder der Menschenrechtskonvention darstellen.

138

Festzustellen bleibt überdies, dass der UNHCR auch in seinem jüngsten Bericht (UNHCR - Recommendations on important aspects of Refugee protection in Italy) vom Juli 2013 trotz zahlreicher kritischer Anmerkungen bei seiner Einschätzung zur aktuellen Lage der Flüchtlinge und Asylbewerber in Italien zu keinem anderen Ergebnis gekommen ist.

139

Schließlich hat auch der EGMR in einer neueren Entscheidung vom 02. April 2013 (Ap-plication No. 27725/10 - Mohammed Hussein vs. the Netherlands and Italy) eine gegen die Dublin-Überstellung von den Niederlanden nach Italien gerichtete Beschwerde als offensichtlich unbegründet abgewiesen. In der Entscheidung hat sich der EGMR mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, einer nach eigenen Angaben aus Somalia stammenden Frau mit zwei kleinen Kindern, zum Asylverfahren und auch zur Unterbringungssituation in Italien auseinander gesetzt und festgestellt, dass die Situation in Italien keineswegs mit der in Griechenland vergleichbar sei (Entscheidung v. 02.04. 2013, a. a. O. Rdn. 72). Auch aus dem Umstand, dass der EGMR in einer früheren Entscheidung (Application No. 64208/11) die Abschiebung eines Asylbewerbers von Deutschland nach Italien gestoppt hat, lässt sich nicht herleiten, dass Italien generell die Anforderungen des europäischen Asylsystems nicht erfüllt. Die Gründe für den mit der genannten Entscheidung verhängten Abschiebungsstopp sind letztlich nicht bekannt. Dem „Statement of Facts“ ist indes zu entnehmen, dass sich der dortige Antragsteller zwar auch auf die Lebensumstände von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Italien berufen hat, jedoch insbesondere im Raum stand, dass er durch die Abschiebung aufgrund unterschiedlicher Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Münster und Magdeburg von seiner Frau und seinen Kindern getrennt werden würde, deren Abschiebung gestoppt wurde. Weitere Fälle des EGMR (Application No. 30815/09, Application No. 37159/09, Application No. 56424/10) betrafen unbegleitete Minderjährige und die spezielle Situation einer Mutter mit einem minderjährigen Kind (Application No. 2303/10).

140

Im Übrigen haben sowohl der Österreichische Asylgerichtshof (Spruch v. 03.05. 2010 - S16 412.104-1/2010-4E -, veröffentlicht unter http://www.ris.bka.gv.at, dort insbes. Ziffer 2.2.2.2.1. "Kritik am italienischen Asylwesen" m. w. N.) als auch das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht (vgl. u. a. Urt. v. 15.07.2010 - D 4987/ 2010 - und Urt. v. 18.03.2010 - D-1496/2010 -, im Internet abrufbar unter: http://www.bundes verwaltungsgericht.ch/index/entscheide/Jurisdiction-datenbank/Jurisdiction-recht-urteile aza.htm) die Rückführung von Asylsuchenden nach Italien in Ansehung der dortigen Asylverfahrenspraxis grundsätzlich als zulässig angesehen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der angeführten Entscheidungen Bezug genommen.

141

Auch der Umstand, dass zahlreiche Verwaltungsgerichte hinsichtlich der Situation der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien zu einer gegenteiligen Einschätzung hinsichtlich der Verhältnisse und des Asylsystems in Italien gelangt sind, veranlasst den Senat nicht zur Annahme, dass die Behandlung der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien nicht in Einklang steht mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtscharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Nach Auffassung des Senats wird in der insoweit einschlägigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte häufig nicht hinreichend dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich bei den zugrunde gelegten Erkenntnismitteln nicht selten um bloße subjektive Einschätzungen handelt, die nicht in der erforderlichen Weise durch Fakten belegt sind. Auch erscheint mitunter fraglich, ob die insoweit festgestellten Mängel und Defizite verallgemeinerungsfähig sind. Nicht zuletzt haben sich die Verhältnisse in Italien – wie dargelegt – zwischenzeitlich teilweise geändert, so etwa in Bezug auf den Flüchtlingsstrom aus Nordafrika und die Anzahl der für die Asylbewerber und Flüchtlinge zur Verfügung stehenden Unterkünfte. Im Übrigen ist Gegenstand der Prüfung nach § 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-VO) nicht die Frage, ob die Aufnahmebedingungen und das Asylverfahren für Flüchtling und Asylbewerber kritikwürdig sind, weil das System zahlreiche Mängel aufweist oder hinter dem Schutzniveau anderer Mitgliedstaat zurückbleibt.

142

Der Senat sieht auch keine Veranlassung, weitere Gutachten, Auskünfte oder Stellungnahmen zur Situation von Asylbewerbern und Flüchtlingen in Italien einzuholen. Nach anerkannter Rechtsauffassung ist die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nur dann geboten, wenn sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung aufdrängen musste, weil bereits vorliegende Gutachten, Auskünfte oder Stellungnahmen nicht den ihnen obliegenden Zweck erfüllen (konnten), dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts notwendige Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. In diesem Sinne kann z. B. ein Sachverständigengutachten für die Überzeugungsbildung des Gerichts ungeeignet oder jedenfalls unzureichend sein, wenn es grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, wenn es von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht (BVerwG, Beschl. v. 14.04.2011 - 2 B 80/10 - m. w. N., Juris). Dies ist hier aber nicht der Fall. Zwar sind die dem Senat vorliegenden zahlreichen Gutachten, Auskünfte und Stellungnahmen nicht in allen Punkte stets konsistent und völlig frei von gewissen Widersprüchen; soweit es indes die im vorliegenden Fall entscheidungserheblichen Tatsachen und Erkenntnisse betrifft, sind diese aufgrund der herangezogenen Erkenntnismittel zur Überzeugung des Senats hinreichend geklärt und eindeutig und mithin für die Überzeugungsbildung ausreichend.

143

Der Senat sieht insbesondere auch keine Veranlassung, an der Tauglichkeit des vorhandenen Erkenntnismaterials für die hier entscheidungsrelevanten Fragen zu zweifeln. Dies gilt speziell auch hinsichtlich des Beweiswertes der Auskünfte des Auswärtigen Amtes, da sie grundsätzlich eine sich auf unterschiedliche Erkenntnisquellen stützende Gesamtbewertung vornehmen und zudem im Allgemeinen den tatsächlichen Verhältnissen am nächsten kommen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.08.2006 - 1 B 24.06 - Juris; Beschl. v. 06.10.1997 - 9 B 803.97 - Juris; Beschl. v. 08.09.1997 - 9 B 401.97 -; Beschl. v. 15.10. 1985 - 9 C 3.85 - Juris sowie Beschl. v. 31.07.1998 - 9 B 71.85 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 28 = Juris). Nicht anders verhält es sich hier. So beruhen die den Auskünften des Auswärtigen Amtes zugrunde liegenden Erkenntnisse auf laufenden Gesprächen der Botschaft Rom mit dem italienischen Flüchtlingsrat CIR, UNHCR und IOM in Rom, den Präsentationen des italienischen Innenministeriums und des statistischen Amtes ISTAT sowie schließlich auf Kontakten zu nichtstaatlichen karitativen Organisationen wie Carita Migrantes, Comunità di Sant’ Egidio u. a..

144

Nach allem vermag der Senat nicht zur Überzeugung zu gelangen, dass ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 21.12.2011, a. a. O.) die Annahme rechtfertigen, dass die Klägerin aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien im Falle einer Abschiebung bzw. Überstellung dorthin Gefahr laufen wird, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. d. Art. 3 EMRK und § 4 EuGrdRCH ausgesetzt zu werden und dass sich deshalb die Rücküberstellung als rechtswidrig erweist.

III.

145

Soweit das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid zugleich die Abschiebung der Klägerin nach Italien gem. § 34 Abs. 1 AsylVfG angeordnet hat, bestehen gegen die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung keine Bedenken.

146

§ 34a AsylVfG überantwortet die Entscheidung über die Abschiebung dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, so dass dieses die Abschiebungsanordnung verfügt. Das Bundesamt ordnet dabei nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Abschiebungsverbote sind nicht ersichtlich.

147

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.

148

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§§ 132 Abs. 2, 137 VwGO).


Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tatbestand

1

Die Klägerin ist am (…) 1947 in H. in Syrien geboren. Sie ist verheiratet, yezidischen Glaubens, kurdische Volkszugehörige und sie besitzt die syrische Staatsangehörigkeit. Nach eigenen Angaben reiste sie – zusammen mit ihrer Tochter (...) sowie drei weiteren Kindern – von Syrien kommend am 01. August 2011 zunächst nach Italien, wo sie erkennungsdienstlich behandelt wurde und am 21. August 2011 in B-Stadt einen Asylantrag stellte, und alsdann am 07. September 2011 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 12. September 2011 stellte sie bei der Außenstelle des Bundesamtes in H-Stadt einen (weiteren) Asylantrag.

2

Die Beklagte richtete unter dem 07. Februar 2012 an Italien ein Übernahmeersuchen gem. Art. 10 Dublin-II-VO (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 des Rates vom 10.02.2003). Mit Schreiben vom 16. Februar 2012 erklärten die italienischen Behörden ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags der Klägerin.

3

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte den Asylantrag der Klägerin mit Bescheid vom 13. Juni 2012 als unzulässig ab und ordnete ihre Abschiebung nach Italien an. Nach der Dublin-Verordnung sei Italien für die Bearbeitung ihres Asylantrags zuständig; außergewöhnliche humanitäre Gründe, welche die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach § 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch zu machen, seien nicht ersichtlich.

4

Die Klägerin hat am 29. Juni 2012 beim Verwaltungsgericht Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, sie könne wegen der allgemeinen Situation von Asylbewerbern in Italien nicht darauf verwiesen werden, in Italien ein Asylverfahren durchzuführen, weil davon auszugehen sei, dass das Asylverfahren dort nicht ordnungsgemäß durchgeführt würde. Sie besitze einen Anspruch auf Asyl und Flüchtlingsschutz sowie Abschiebungsschutz; hierüber sei durch das Bundesamt zu entscheiden.

5

Die Klägerin hat beantragt,

6

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13. Juni 2012 zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen und dass Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gegeben sind.

7

Die Beklagte hat beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Sie hat die Ansicht vertreten, Italien erfülle bei der Durchführung von Asylverfahren die Mindeststandards der Europäischen Union. In den italienischen Aufnahmeeinrichtungen seien zahlreiche humanitäre Organisationen tätig, die dies gewährleisten würden. Insbesondere hätten Asylbewerber in Italien vollen Zugang zum Gesundheitssystem. Anders als im Fall Griechenlands gebe es keine Empfehlung des UNHCR, Flüchtlinge nicht an Italien zu überstellen. Dementsprechend habe das Bundesverfassungsgericht auch Verfassungsbeschwerden gegen erstinstanzliche Entscheidungen, denen zufolge eine Abschiebung nach Italien möglich sei, nicht zur Entscheidung angenommen. Ferner sei eine Vielzahl erstinstanzlicher Entscheidungen ergangen, wonach die asylrechtlichen Mindeststandards in Italien gewährleistet seien und woraus sich ergebe, dass der Bericht von Bethke und Bender zu den Problemen der Flüchtlinge in Italien kritisch zu betrachten sei.

10

Auf den Antrag der Klägerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 07. März 2012 – 9 B 57/12 MD – die Beklagte im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Abschiebung der Klägerin nach Italien vorläufig bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu unterlassen.

11

Mit Gerichtsbescheid vom 10. Juli 2012 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13. Juni 2012 verpflichtet, über den Asylantrag der Klägerin in eigener Zuständigkeit zu entscheiden und ein Asylverfahren durchzuführen. Die Klägerin habe nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO einen Anspruch darauf, dass die Beklagte ein Asylverfahren in der Bundesrepublik Deutschland durchführe; das insoweit bestehende Ermessen der Beklagten sei auf Null reduziert. Der Klägerin könne die Durchführung eines Asylverfahrens in Italien nicht zugemutet werden.

12

Der Senat hat auf Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 10. Oktober 2012 die Berufung zugelassen. Zur Begründung der Berufung verweist die Beklagte im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Zulassungsantrag, wonach sie an ihrer bisherigen Auffassung festhält, die Klägerin könne in Anbetracht der in Italien gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse auf die Durchführung eines Asylverfahrens dort verwiesen werden.

13

Die Beklagte beantragt,

14

die Klage unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 9. Kammer - vom 10. Juli 2012 abzuweisen.

15

Die Klägerin beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Sie macht geltend, die Beklagte beziehe sich zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen auf bloße Vorschriften und eine nicht mehr aktuelle Rechtsprechung, während neue Berichte nicht zur Kenntnis genommen würden. Der Auffassung der Beklagten sei im Hinblick auf die humanitäre Situation in Italien entgegen zu halten, dass sich die Situation der Flüchtlinge in Italien aufgrund des anhaltenden Flüchtlingsstroms aus Tunesien und anderen nordafrikanischen Staaten dramatisch verschlechtert habe. Italien sei bereits zuvor mit der Aufnahme von Flüchtlingen und deren ordnungsgemäßer Unterbringung überfordert gewesen. Aufgrund des momentanen Flüchtlingsstroms nach Italien habe sich die Situation noch verschlechtert; es sei damit zu rechnen, dass der Klägerin bereits aus diesem Grunde ein ordnungsgemäßes Asylverfahren verwehrt werde und dass sie obdachlos würde. Im Übrigen dürfe nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs (Urteil v. 21.12.2011 - C-411/11, C-493/10 -) ein Asylbewerber bereits dann nicht an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin-II-VO überstellt werden, wenn ernsthafte Hinweise auf systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedsstaat vorlägen, die eine Gefährdung des Asylbewerbers nahe legen würden. Solche ernsthaften Hinweise lägen hier vor. Die vorliegenden Berichte und sonstigen Erkenntnismittel gingen davon aus, dass das staatliche Aufnahmesystem in Italien völlig überlastet sei. Es existierten 3.000 Plätze, die eine Aufnahme von Asylbewerbern für jeweils nur sechs Monate vorsehen würden. Im Jahre 2011 hätten indessen laut Presseberichterstattung (Spiegel online v. 26.04.2011) in Italien bis Anfang Mai bereits 26.000 Flüchtlinge um Schutz nachgesucht.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Vorbringen der Beteiligten und auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten (Beiakte A) sowie auf die vom Senat in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage der Klägerin mit Gerichtsbescheid vom 10. Juli 2012 zu Unrecht stattgegeben.

20

I. Die Klage ist teilweise unzulässig.

21

1. Die als Verpflichtungsklage erhobene Klage ist “lediglich“ als Anfechtungsklage zulässig. Gegen die in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13. Juni 2012 getroffene Entscheidung, dass der Asylantrag der Klägerin gem. § 27a AsylVfG (wegen fehlender Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland) unzulässig ist, ist allein die Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO statthaft (ebenso: VG Düsseldorf, Urt. v. 15.01. 2010 - 11 K 8136/09 -; VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009 - 7 K 4376/07.F.A u. a. - InfAuslR 2009,409; Urt. v. 29.09.2009 - 7 K 269/09.F.A -; Urt. v. 23.06. 2010 - 7 K 2789/09.F.A. -; VG Freiburg, Beschl. v. 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 -; VG München, Urt. v. 29.11.2011 - M 24 K 11.30219 -; VG Ansbach, Beschl. v. 08.11. 2011 - AN 11 S 11.30508 -; VG Wiesbaden, Urt. v. 17.06.2011 - 7 K 327/11.WI.A -; VG Braunschweig, Urt. v. 01.06.2010 - 1 A 47/10 -; VG Karlsruhe, Urt. v. 07.04.2010 - A 3 K 1580/09 -; VG Augsburg, Beschl. v. 01.02.2010 - Au 5 S 10.30014 -; Beschl. v. 29.09.2009 - 7 K 269.09 F.A. -; VG Neustadt, Urt. v. 16.06.2009 - 5 K 1166/08.NW -, alle: Juris; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, § 27a Rdnr. 18; a. A. statthaft nur die Verpflichtungsklage: OVG NRW, Urt. v. 10.05.2010 - 3 A 133/10.A - Juris; VG Wiesbaden, Urt. v. 10.03.2010 - 7 K 1389/ 09.WI.A -).

22

Im Fall der Aufhebung einer – wie hier – auf § 27a AsylVfG gestützten Entscheidung wegen Unzulässigkeit des Asylantrages ist der Weg für die Durchführung eines Asylverfahrens („in eigener Zuständigkeit“) vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auch ohne ein hierauf gerichtetes Verpflichtungsbegehren eröffnet. Denn das Bundesamt ist nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides bereits von Gesetzes wegen zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet (vgl. § 31 Abs. 2 AsylVfG zur Entscheidung des Bundesamtes über beachtliche Asylanträge). Da grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass die Beklagte ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachkommt, bedarf es demzufolge einer Verpflichtungsklage nicht (ebenso: VG Düsseldorf, Urt. v. 15.01.2010, a. a. O.; vgl. auch VG Frankfurt/Main, Urt. v. 29.09.2009, a. a. O.; Urt. v. 08.07.2009, a. a. O.).

23

Überdies muss bezweifelt werden, ob es sich bei der Entscheidung nach Art. 3 Abs. 2 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist – Dublin-II-VO – [z. T. auch „EG-AsylZustVO“ genannt] – (ABl. L 50 vom 25.02.2003, S. 1 -10) um einen (selbständigen) Verwaltungsakt handelt, so dass eine Verpflichtungsklage bzw. – unter Berücksichtigung des im Rahmen der genannten Vorschrift eingeräumten Ermessens – eine Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung in Betracht kommt, oder ob es sich bei der gem. § Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO zu treffende Entscheidung nicht um eine bloß inzidente handelt, da es allein um die Feststellung der Zuständigkeit der Beklagten geht.

24

Ebenso scheidet eine Verpflichtungsklage aus, die unmittelbar auf Anerkennung als Asylberechtigter gem. § 16a GG bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG oder aber - hilfsweise - auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gerichtet ist. Denn eine Verpflichtung für das Gericht, die Sache selbst spruchreif zu machen, besteht nur dann, wenn ein „mit seinem Asylantrag beim Bundesamt erfolglos gebliebener Ausländer“ den Klageweg beschreitet (BVerwG, Urt. v. 06.07.1998 - 9 C 45.97 - BVerwGE 107, 128 ff.). Hat hingegen das Bundesamt (noch) keine Sachentscheidung getroffen, so würde dem Betroffenen in dem Falle des “Durchentscheidens“ des Gerichts durch Verpflichtungs-urteil eine Tatsacheninstanz genommen, nämlich dass eine inhaltliche Überprüfung seines Asylbegehrens durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erfolgt (ebenso: VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009, a. a. O.; VG Schleswig, Urt. v. 03.08. 2011 - 1 A 46/11 - und Beschl. v. 12.09.2011 - 12 A 124/10 -; a. A. VG Braunschweig, Urt. v. 21.02.2013 - 2 A 126/11 - u. a. mit Verweis auf VGH Mannheim, Urt. v. 19.06.2012 - A 2 1355/11 -, Juris).

25

Im Übrigen verhält es sich bei der Entscheidung nach § 27a AsylVfG ähnlich wie in Fällen der Entscheidung des Gerichts über eine Einstellung des Asylverfahrens nach§ 32 AsylVfG wegen vermeintlicher Antragsrücknahme bzw. Verzicht nach § 14a Abs. 3 AsylVfG sowie in den Fällen der gerichtlichen Entscheidung bei fiktiver Antragsrücknahme nach§ 33 AsylVfG. In den genannten Fällen ist nach der hierzu ergangenen einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 07.03.1995 - 9 C 264.94 -, NVwZ 1996, S. 80 = Juris; vgl. auch Marx, AsylVfG, 7. Aufl. 2009, § 33 Rdnr. 34 ff. m. w. N.) die Verpflichtungsklage unzulässig, weil die verweigerte sachliche Prüfung des Asylantrages nach den Regelungen des Asylverfahrensgesetzes vorrangig von der Fachbehörde nachzuholen ist.

26

Auch ist im Hinblick auf die mit dem angefochtenen Bescheid angeordnete Abschiebung der Klägerin nach § 34a Abs. 1 AsylVfG die Verpflichtungsklage nicht veranlasst und stattdessen eine Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO ausreichend (vgl. VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009, a. a. O. und Urt. v. 29.09.2009, a. a. O.; s. auch Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 34a AsylVfG Rdnr. 6; Funke-Kaiser, a. a. O., § 34a Rdnr. 64). Soweit es nämlich darum geht, dass die Beklagte von einem Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO i. V. m. der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 02. September 2003 (Abl. L 222 S. 3) Gebrauch macht, bedarf es im Urteil über eine entsprechende inzidente Feststellung hinaus keiner ausdrücklichen Verpflichtung der Beklagten, von einer Abschiebung abzusehen.

27

Es ist vorliegend davon auszugehen, dass die Anfechtungsklage vom Verpflichtungsbegehren der Klägerin (mit-)umfasst ist. Gegenstand der Anfechtungsklage ist nach allem ausschließlich die Frage nach der Zuständigkeit der Beklagten zur Durchführung eines Asylverfahrens, wobei die Frage nach dem rechtlich gebotenen Selbsteintritt der Bundesrepublik Deutschland inzident zu beantworten ist.

28

2) Der Klägerin steht für ihre Klage auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse zur Seite, da sie weiterhin nach Italien zurückgeführt bzw. rücküberstellt werden könnte, nachdem die italienischen Behörden mit Schreiben vom 16. Februar 2012 (Bl. 115 d. Sachakte) ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung ihres Asylantrags erklärt haben, indem sie dem Übernahmeersuchen stattgegeben und damit ihrer Rücküberstellung zugestimmt haben.

29

II. Die Klage ist im Übrigen unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat den Asylantrag der Klägerin zu Recht als unzulässig abgelehnt und zugleich ihre Abschiebung nach Italien angeordnet. Es musste im vorliegenden Fall insbesondere auch nicht von der Möglichkeit des Selbsteintritts der Beklagten nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch machen.

30

1) Rechtsgrundlage des Bescheides vom 13. Juni 2012, mit dem das Bundesamt den Asylantrag der Klägerin als unzulässig abgelehnt hat, ist § 27a AsylVfG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies ist hier der Fall. Zu Recht ist die Beklagte im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, dass die Republik Italien für die Durchführung eines Asylverfahrens der Klägerin zuständig ist.

31

a) Die Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylverfahrens der Klägerin ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO, sofern nicht die nach Art. 5 Abs. 1 der genannten Verordnung vorrangig zu prüfenden Zuständigkeitskriterien nach Art. 6 bis 9 der Verordnung einschlägig sind.

32

Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig, sofern auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 18 Abs. 3 der Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel III derVerordnung (EG) Nr. 2725/2000, festgestellt wird, dass der Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze des Mitgliedstaats illegal überschritten hat (vgl. auch Art. 18 Abs. 4 und 5 Dublin-II-VO).

33

Dies bedeutet, dass – soweit nicht die Vorschriften nach Art. 6 bis 9 Dublin-II-VO einschlägig sind – im vorliegenden Fall Italien für die Prüfung des Asylantrags der Klägerin zuständig ist, da sie ihren eigenen Angaben zufolge aus Syrien kommend die Grenze nach Italien illegal überschritten hat (und dort – in B-Stadt – am 21. August 2011 zugleich einen Asylantrag gestellt hat [Bl. 108 ff. d. Sachakte]).

34

Die insoweit gegebene Zuständigkeit endet zwar gem. Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Die Klägerin hat jedoch am 12. September 2011 und damit noch vor Ablauf der Jahresfrist ihren Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt, so dass die Zuständigkeit Italiens nicht nach Satz 2 entfallen ist. Die Einreise der Klägerin nach Italien erfolgte am 07. September 2011; die Jahresfrist lief somit am 07. September 2012 ab. Dass die Frist nunmehr abgelaufen ist, ist unschädlich, weil für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates nach Art. 5 Abs. 2 Dublin-II-VO auf die Situation in dem Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

35

b) Im Falle der Klägerin sind auch die Voraussetzungen nach Art. 6 bis 9 Dublin-II-VO nicht erfüllt. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich Art. 7 der Verordnung, wonach – soweit die betroffenen Personen dies wünschen – der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig ist, wo ungeachtet dessen, ob die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat, der Asylbewerber einen Familienangehörigen hat, dem das Recht auf Aufenthalt in einem Mitgliedstaat in seiner Eigenschaft als Flüchtling gewährt wurde, sowie hinsichtlich Art. 8 der Verordnung, wonach – soweit die betroffenen Personen dies wünschen – dem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrages obliegt, in dem der Asylbewerber einen Familienangehörigen hat, über dessen Asylantrag noch keine erste Sachentscheidung getroffen wurde. Die genannten Vorschriften sind im Falle der Klägerin jedoch nicht einschlägig.

36

Es ist schon nicht ersichtlich, dass die nach Art. 7 und 8 der Verordnung genannten Voraussetzungen bei der Tochter der Klägerin, mit der sie zusammen in das Bundesgebiet eingereist ist, oder bei ihren in Deutschland lebenden volljährigen Kindern vorliegen. Dies kann aber auch dahin stehen. Denn jedenfalls gelten die genannten Personen nicht als „Familienangehörige“ i. S. d. Dublin-II-VO. Hierzu gehört nach Art. 1 Buchst. i) der Verordnung nur die Mitglieder der “Kernfamilie“, d. h. die Ehegatten des Asylbewerbers und unter bestimmten Voraussetzungen der nicht verheiratete Partner des Asylbewerbers, die minderjährigen Kinder der genannten Personen sowie bei unverheirateten minderjährigen Antragstellern oder Flüchtlingen der Vater, die Mutter oder der Vormund. Ein solches Verwandtschaftsverhältnis der Klägerin zu den mit einreisenden bzw. in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Kindern besteht jedoch nicht.

37

c) Ebenso sind bei der Klägerin die Voraussetzungen nach Art. 15 Abs. 1 und Abs. 2 Dublin-II-VO nicht erfüllt. Nach Art.15 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung kann jeder Mitgliedstaat aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, Familienmitglieder und andere abhängige Familienangehörige zusammenführen, auch wenn er dafür nach den Kriterien der Verordnung nicht zuständig ist. Dass die Klägerin vorliegend aus humanitären Gründen mit ihren Familienangehörigen zusammenzuführen ist und nicht auch auf ein eigenständiges Leben in Italien verwiesen werden kann, zumal ihre Kinder teilweise in Deutschland, teilweise in Österreich leben bzw. teilweise ihr Aufenthalt unbekannt ist, lässt sich nicht feststellen. Die Klägerin befindet sich in Begleitung ihrer volljährigen Tochter; beide sind reisefähig und nach Italien zu überstellen.

38

Ebenso sind die Voraussetzungen nach Art. 15 Abs. 2 Dublin-II-VO nicht erfüllt, wonach im Regelfall von einer Trennung der Familienangehörigen abzusehen bzw. eine Zusammenführung vorzunehmen ist, wenn die betroffene Person u. a. wegen einer schweren Krankheit, einer ernsthaften Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung durch die anderen Person(en) angewiesen ist. Diese Voraussetzungen liegen bei der 67-jährigen Klägerin nicht vor; entsprechendes ist jedenfalls nicht vorgetragen worden.

39

Eine andere Einschätzung ist auch nicht im Hinblick auf die einleitende Erwägung zu Nr. 6 Dublin-II-VO veranlasst, wonach die Einheit der Familie (grundsätzlich) gewahrt bleiben soll, soweit dies mit den sonstigen Zielen vereinbar ist, die mit den Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrages zuständigen Mitgliedstaats angestrebt werden. Nicht anders verhält es sich mit Blick auf die einleitende Erwägung nach Art. 7 Satz 2 Dublin-II-VO, wonach die Mitgliedstaaten von den Zuständigkeitskriterien abweichen können, um eine räumliche Annäherung von den Familienmitgliedern vorzunehmen, soweit dies aus humanitären Gründen erforderlich ist. Bei den genannten Regelungen handelt es sich indes um bloße programmatische Vorgaben, aus denen sich, unabhängig davon, dass die Voraussetzungen hier nicht vorliegen dürften, für die Asylbewerber keine unmittelbaren Rechte ableiten lassen.

40

d) Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens ist auch nicht gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen. Zwar hat das Bundesamt nicht innerhalb von drei Monaten nach Stellung des Asylantrags der Klägerin vom 12. September 2011 ein Wiederaufnahme- bzw. Übernahmeersuchen an die Republik Italien gestellt; das war indes auch nicht erforderlich. Da die Klägerin bereits in Italien einen Asylantrag gestellt hat, steht in ihrem Fall eine Wiederaufnahme durch Italien im Sinne des Art. 16 Abs.1 c) bis e) Dublin-II-VO in Rede, nicht hingegen eine Aufnahme seitens Italiens im Sinne des Art. 16 Abs.1 a) Dublin-II-VO. Die Dublin-II-VO unterscheidet insoweit gem. Art.16 Abs.1 lit. a) einerseits und Art. 16 Abs. 1 lit. c) bis e) andererseits zwischen der Überstellung des Asylsuchenden in einem Aufnahmeverfahren gemäß den Art. 17 bis 19 Dublin-II-VO und einer Überstellung im Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 20 Dublin-II-VO. Das Aufnahmeverfahren findet statt, wenn der Asylsuchende im ersuchten Mitgliedstaat noch keinen Asylantrag gestellt hat, während das Wiederaufnahmeverfahren einschlägig ist, wenn dort bereits ein Asylantrag gestellt wurde. Insofern wird der Anwendungsbereich der nachfolgenden Art. 17 bis 20 Dublin-II-VO durch Art. 16 Dublin-II-VO bestimmt.

41

Aus der systematischen Trennung zwischen Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren folgt, dass im Wiederaufnahmeverfahren keine Frist für das Übernahmeersuchen gilt, denn die insofern allein maßgebliche Regelung des Art. 20 Dublin-II-VO normiert weder selbst eine solche Frist, noch nimmt sie auf die für das Aufnahmeverfahren geltende Regelung in Art. 17 Abs.1 Dublin-II-VO Bezug. Es verhält sich gerade nicht in der Weise, dass Art. 20 Dublin-II-VO nur spezielle Modalitäten für die Wiederaufnahme regelt und im Übrigen die Regelungen der Art. 17 bis 19 Dublin-II-VO anwendbar wären. Vielmehr handelt es sich bei den Art. 17 bis 19 Dublin-II-VO einerseits und dem Art. 20 Dublin-II-VO andererseits um jeweils eigenständige Regelungskomplexe (vgl. VG Düsseldorf, Beschl. v. 06.02.2013 - 17 L 150/13.A -; Beschl. v. 26.04.2013 - 17 K 1777/12.A -; VG Hamburg, Beschl. v. 22.09.2005 - 13 AE 555/05 -; VG Augsburg, Gerichtsbescheid v. 09.05.2011 - Au 3 K 10.30468 - Juris; VG Regensburg, Beschl. v. 05.07.2013 - RN 5 S 13.30273 -; VG Göttingen, Beschl. v. 11.10.2013 - 2 B 805/13 -; a.A.: VG Düsseldorf, Beschl. v. 07.08. 2012 - 22 L 1158/12.A -, alle: Juris).

42

Art. 17 Abs.1 Satz 2 Dublin-II-VO, wonach der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, zuständig wird, wenn das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten unterbreitet wird, findet im Fall der Klägerin folglich keine Anwendung, so dass sich hieraus auch keine Zuständigkeit der Beklagten ergibt. Dementsprechend haben die italienischen Behörden mit Schreiben vom 16. Februar 2012 (Bl. 115 R, 116 d. Sachakte) auch ihre Zustimmung zur Wiederaufnahme bzw. Übernahme der Klägerin erteilt.

43

e) Ferner ist die Zuständigkeit nicht nach Art. 19 Abs. 3 und 4 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen. Nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO erfolgt die Überstellung des Schutzsuchenden von dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, in den zuständigen Mitgliedstaat gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des ersteren Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin-II-VO i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) Dublin-II-VO auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Dabei ist unerheblich, dass die Entscheidung der Beklagten nach Art. 19 Abs. 2 Satz 4 der Verordnung grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung hat; allein entscheidend ist, dass ihr eine solche durch eine entsprechende gerichtliche Entscheidung zuerkannt worden ist (vgl. Hess.VGH, Beschl. v. 23.08.2011 - 2 A 1863/10.Z.A -; Nds.OVG, Beschl. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -; VG Freiburg, Beschl. v. 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 -; offengelassen: OVG NRW, Beschl. v. 01.03.2012 - 1 B 234/12.A -, alle: Juris).

44

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 02. August 2012 - 4 MC 133/12 - (< Rn. 17 zitiert nach Juris >) zu § 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO und zu dem in Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Dublin-II-VO grundsätzlich vorgesehenen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ausgeführt:

45

„Der Annahme der aufschiebenden Wirkung des hier eingelegten Rechtsbehelfs steht auch nicht die Vorschrift des Art. 19 Abs. 2 Satz 4 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 entgegen. Danach hat ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nach Absatz 1 keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung, es sei denn, die Gerichte oder zuständigen Stellen entscheiden im Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts anders, wenn es nach ihrem inner-staatlichen Recht zulässig ist. Zwar darf nach § 34a Abs. 2 AsylVfG die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) nicht nach§ 80oder § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung ausgesetzt werden. Hieraus folgt jedoch nicht, dass durch diese Vorschrift eine andere Entscheidung im Sinne von Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Hs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts ausgeschlossen ist und daher ein Rechtsbehelf wegen § 34a Abs. 2 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung im Sinne des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 haben kann. Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr ausdrücklich entschieden, dass der Ausschluss des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 34a Abs. 2 AsylVfG in den Fällen, in denen die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) erfolgen soll, in Ausnahmefällen, die nicht vom „normativen Vergewisserungskonzept“ des Gesetzgebers über die Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention in einem sog. sicheren Drittstaat erfasst sind, der Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz gegen eine sofortige Überstellung nicht entgegensteht (BVerfG, Urt. v. 14.5. 1996, a. a. O.). Diese Rechtsprechung wird - soweit ersichtlich - von den Verwaltungsgerichten auf die Abschiebung in einen anderen Staat, der nach § 27a AsylVfG für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, mit der Begründung übertragen, dass die vom Bundesverfassungsgericht angestellten Erwägungen zu § 26a AsylVfG auch auf die Vorschrift des§ 27a AsylVfG zutreffen, weil die nach europäischen Recht für die Asylentscheidung zuständigen Mitgliedstaaten zugleich sichere Drittstaaten im Sinne von § 26a AsylVfG sind (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 1.3.2012 - 1 B 234/12.A - und v. 11.10. 2011 - 14 B 1011/11.A -; ferner Nds. OVG, Beschl. v. 2.5.2012 - 13 MC 22/22 - und Hess. VGH, Beschl. v. 23.8.2011 - 2 A 1863/10.Z.A.-). Unter diesen Umständen kann daher keine Rede davon sein, dass es nach der innerstaatlichen Rechtslage in Deutschland unzulässig sei, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine Überstellung auf der Grundlage der Zuständigkeitsbestimmungen in der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 anzuordnen. Unabhängig davon stellt die für den Fristenbeginn der Überstellung maßgebliche Vorschrift des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 nach ihrem Wortlaut auch ausdrücklich darauf ab, dass einem eingelegten Rechtsbehelf tatsächlich aufschiebende Wirkung zukommt und nicht darauf, ob es nach dem innerstaatlichen Recht zulässig ist, die aufschiebende Wirkung anzuordnen (vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 23.8.2011 - 2 A 1863/10.Z.A.-).

46

Läuft danach die Frist zur Überstellung aufgrund des von dem Antragsteller eingelegten Rechtsbehelfs erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens bezüglich der Durchführung der Überstellung entschieden wird und die der Durchführung nicht mehr entgegenstehen kann, kann dahinstehen, ob insoweit das Vorliegen einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache für den Fristenbeginn bereits ausreichend ist oder es darüber hinaus der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung bedarf (so Hess. VGH, Beschl. v. 23.8.2011 - 2 A 1863/10.Z.A.“

47

Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an und macht sie sich zu Eigen.

48

Da die Klägerin – nach Erlass des angefochtenen Bescheides vom 13. Juni 2012 – gegen ihre Überstellung innerhalb der Frist, bis zu der gem. Art. 19 Abs. 4 Satz 2 Dublin-II-VO ihre Überstellung nach Italien vorbehaltlich eventuell zu treffender weiterer Maßnahmen erfolgen konnte, einen Rechtsbehelf gegen ihre Überstellung eingelegt hat, dem mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom Beschluss vom 07. März 2012 - 9 B 56/12 MD - aufschiebende Wirkung beigemessen worden ist, beginnt nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO eine (neue) sechsmonatige Frist zur Überstellung der Klägerin (erst) ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Klage. Diese Frist ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats noch nicht abgelaufen, denn der Senat hat dem Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 10. Oktober 2012 entsprochen. Nach allem kann hier dahingestellt bleiben, ob im Grundsatz das Vorliegen einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache für den Fristenbeginn hinsichtlich der Überstellung bereits ausreichend ist oder ob es darüber hinaus der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung bedarf, da die Klägerin jedenfalls erstinstanzlich obsiegt hat.

49

2) Die Beklagte ist für die Prüfung des Asylantrags der Klägerin auch nicht gem. Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO zuständig, denn die Bundesrepublik Deutschland ist nicht verpflichtet, das Selbsteintrittsrecht auszuüben.

50

Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO kann jeder Mitgliedstaat abweichend von den Zuständigkeitskriterien des Kapitels III der Verordnung einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch gem. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-II-VO zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Gegebenenfalls unterrichtet er den zuvor zuständigen Mitgliedstaat über den Selbsteintritt (a. a. O. Satz 3). Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht dabei grundsätzlich in seinem Ermessen, welches – weil integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen Europäischen Asylsystems (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/ 10 und C-493/10 -, ) – in Übereinstimmung mit den insoweit geltenden unionsrechtlichen Bestimmungen und von den Mitgliedstaaten verfolgten Zielen auszuüben ist.

51

Art. 3 Dublin-II-VO ist auch geeignet, subjektive Rechte der Klägerin zu begründen, die von ihr gegen eine vorgesehene Überstellung (Rückführung) in den nach dieser Verordnung für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat geltend gemacht werden können (vgl. dazu den Vorlagebeschluss des Hess.VGH v. 22.12.2010 - 6 A 2717/09.A -; Nds.OVG, Beschl. v. 02. 08.2012 - 4 MC 133/12 - m. w. N., Juris; ferner Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdn. 37 ff. m. w. N.). Denn auch wenn es sich bei Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO um eine Ermessensvorschrift handelt, kann sich der Betroffene – hier die Klägerin – auf einen subjektiven öffentlich-rechtlichen Anspruch auf den Selbsteintritt der Beklagten gem. Art. 3 Abs. 2 der Verordnung berufen. Diese Bestimmung ist – anders als die Vorgängerregelungen im Schengener Durchführungsübereinkommen und im völkerrechtlichen Dubliner Übereinkommen (vgl. hierzu Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdn. 25) – nicht allein im öffentlichen Interesse geschaffen worden, sondern verbürgt den von ihr Betroffenen ein subjektives Recht. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass ein Einzelner nicht nur dann aus dem Unionsrecht subjektive Rechte herzuleiten vermag, wenn diese ihm ausdrücklich zugesprochen werden. Vielmehr genügt es, wenn aus einer Rechtsnorm klar und eindeutig eine Begünstigung Einzelner hervorgeht, die keiner Bedingung und keinem zeitlichen Aufschub mehr unterliegt, und weder die Union noch die Mitgliedstaaten einen Spielraum zur Ausgestaltung der Rechtsnorm besitzen (vgl. u. a. EuGH, Urt. v. 05.02.1963 - Rs. 26/62 -, Slg. 1963, 1 [24] = NJW 1973, 1751 - van Gend & Loos vs. Niederlande; EuGH, Urt. v. 04. 12.1974 - Rs. C-41/74 -, Slg. 1974, 1337 [1349] - van Duyn vs. Home Office; EuGH, Urt. v. 19.01.1982 - Rs. C-8/81 -, Slg. 1982, 53 [71] = NJW 1982, 53 - Becker vs. Finanzamt Münster). Diese Voraussetzungen sind im Falle der Dublin-II-VO dem Grunde nach erfüllt (vgl. auch Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdnr. 124 m. w. N.). Hiervon geht im Ergebnis auch der Europäische Gerichtshof in dem zur Dublin-II-VO ergangenen Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 – (Rdnr. 38, 48 zur Frage des Rechtsschutzes, NVwZ 2009, S. 639 = Juris) aus.

52

Allerdings verbürgt Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO lediglich das Recht auf eine fehlerfreie Ermessensausübung – welches gegebenenfalls aber auf Null reduziert sein kann (vgl. VG Würzburg, Urt. v. 12.03.2009 - W 4 K 08. 30122 -; Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdnr. 134 f. und 223 m. w. N.; Marx, a. a. O. § 27a Rdnr. 13; Huber/Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2008, Rdnr. 1886; Filzwieser / Liebminger, Dublin II-Verordnung, Kommentar, 2. Aufl., Wien/ Graz 2007, Art. 3 K 9 unter Verweis auf einschlägige Rechtsprechung des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs, Entscheid v. 15.10.2004 - G 237/03 u. a. und des Belgischen Conseil d'Etat / Raad van State vom 28.08.2006, Zl. 162.039; Schröder, Die EU-Verordnung zur Bestimmung des zuständigen Asylstaats, ZAR 2003, S. 124 [131]; Hruschka, Die Dublin II-Verordnung, in: Informationsverbund Asyl e.V. [Hrsg.], Das Dublin-Verfahren, Beilage zum Asylmagazin 1-2/2008, S. 1 [9]; Hruschka, Humanitäre Lösungen in Dublin-Verfahren, Asylmagazin 7-8/2009, S. 5 [7 f. und 9 f.]).

53

Aus dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO ergibt sich eine an die Beklagte gerichtete Ermessensermächtigung, deren Zweck in der Norm selbst nicht seinen Ausdruck gefunden hat (vgl. nur Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdnr. 220; Filzwieser / Liebminger, a. a. O., Art. 3 K 8 ff.), sondern sich aus der Zwecksetzung der Verordnung insgesamt und der im Zuge der durch Art. 63 EG-Vertrag in der Fassung des Amsterdamer Vertrages vom 02. Oktober 1997 vorgegebenen gemeinschaftsrechtlichen Asylharmonisierung ergangenen europäischen Richtlinien zum materiellen Asylrecht auf der einen und zum Verfahrensrecht sowie den Aufnahmebedingungen von Flüchtlingen auf der anderen Seite erschließt. Im Einzelnen ist dabei von Folgendem auszugehen:

54

Nach Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) EG-Vertrag beschließt der Rat in Übereinstimmung mit der Genfer Flüchtlingskonvention sowie mit einschlägigen anderen Verträgen Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat. Hierauf beruhend wurde die Dublin-II-VO erlassen. Im Erwägungsgrund Nr. 5 wird hierzu ausgeführt, dass bezüglich der schrittweisen Einführung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, das auf längere Sicht zu einem gemeinsamen Asylverfahren und einem unionsweit geltenden einheitlichen Status für die Personen, denen Asyl gewährt wird, führen sollte, im derzeitigen Stadium die Grundsätze des am 15. Juni 1990 in Dublin unterzeichneten Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft gestellten Asylantrags(4) (nachstehend „Dubliner Übereinkommen“ genannt), dessen Durchführung die Harmonisierung der Asylpolitik gefördert hat, mit den aufgrund der bisherigen Erfahrungen erforderlichen Änderungen beibehalten werden sollten. Weiterhin wird insbesondere im Erwägungsgrund Nr. 15 ausgeführt, dass die Verordnung in Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen stehe, die mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - EuGrdRCh - anerkannt worden seien. Die Verordnung ziele insbesondere darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung des in Art. 18 EuGrdRCh verankerten Rechts auf Asyl zu gewährleisten.

55

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 -, Juris) lässt das im EU-Vertrag vorgesehene und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeitete gemeinsame Europäische Asylsystem allerdings die Annahme begründet erscheinen, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 (GFK) sowie in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - Europäische Menschenrechtskonvention - (EMRK) finden. Es gilt daher grundsätzlich die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtscharta und der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. M. a. W. ausgehend von der Annahme, dass es sich bei den Mitgliedstaaten der Europäischen Union um sichere Drittstaaten i. S. d. Art. 16a Abs. 2 Grundgesetz (GG) bzw. § 26a AsylVfG handelt, ist aufgrund des diesen Vorschriften zugrunde liegenden „Konzepts der normativen Vergewisserung“ (BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 22 BvR 2315/133 - Juris, Rn. 179 ff.) bzw. des „Prinzips des gegenseitigen Vertrauens“ (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - Rs C-411/10 und C-393/10 – Juris, Rn. 79 ff.) grundsätzlich davon auszugehen, dass die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Grundrechtscharta und der Europäischen Menschenrechtskonvention in diesen Ländern sichergestellt ist. Auch die Dublin-II-Verordnung beruht wie jede andere auf Art. 63 Satz 1 Nr. 1 EG-Vertrag gestützte gemeinschaftsrechtliche Maßnahme auf der Prämisse, dass die zuverlässige Einhaltung der GFK, der EMRK und der EuGrdRCh in allen Mitgliedstaaten gesichert ist (vgl. Begründungserwägung Nr. 2 und Nr. 12 Dublin-II-VO und Art. 6 Abs. 2 sowie Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 lit. a EG-Vertrag, - so auch VG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 02.10.2008 - 6 B 56/08-, Juris und VG Regensburg, Beschl. v. 15.09.2008 - RO 3 E 08.30124 - Juris).

56

Dies bedeutet zugleich, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49 = Juris; Beschl. v. 08.09.2009 - 2 BvQ 56/09 -, Juris) ein Ausländer, der in einen sicheren Drittstaat zurück verbracht werden soll, den Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor einer politischen Verfolgung oder sonstigen schwerwiegenden Beeinträchtigungen in seinem Herkunftsstaat grundsätzlich nicht mit der Begründung einfordern kann, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt würden. Für ihn kommen deshalb entsprechend dem mit Art. 16a Abs. 2 GG verfolgten „Konzept normativer Vergewisserung“ über die Sicherheit im Drittstaat auch die materiellen Rechtspositionen, auf die ein Ausländer sich sonst gegen seine Abschiebung stützen kann, grundsätzlich nicht in Betracht.

57

Allerdings hat die Bundesrepublik Deutschland dann Schutz zu gewähren, wenn ein solcher durch Umstände begründet wird, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des „Konzepts normativer Vergewisserung“ durch Gesetz berücksichtigt werden konnten oder aber sich die für die Qualifizierung als “sicher“ maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung hierauf noch aussteht. So sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (a. a. O.) Ausnahmen u. a. dann geboten, wenn der Drittstaat gegenüber dem Schutzsuchenden selbst zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung greift und dadurch zum Verfolgerstaat wird, oder wenn offen zu Tage tritt, dass der Drittstaat sich von seinen Schutzverpflichtungen lösen und einem bestimmten Ausländer der Schutz dadurch verweigern wird, dass er sich seiner ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigt (vgl. zur Problematik der Bestimmung des „sicheren Drittstaates“: BVerfG, Beschl. v. 08.09.2009 - 2 BvQ 56/09 - DVBl. 2009, 1304; Lübbe-Wolff, Das Asylgrundrecht nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Mai 1996 - DVBl. 1996, 825 ff.; s. insbesondere auch zur europa-rechtlichen Dimension: Weinzierl / Hruschka, Effektiver Rechtsschutz im Lichte deutscher und europäischer Grundrechte, NVwZ 2009, 1540 ff.).

58

Vergleichbares gilt nach dem Willen des Gesetzgebers, wenn es um die Rückführung eines Ausländers in den für seinen Asylantrag zuständigen Staat im Sinne des § 27a AsylVfG geht. Dies bedeutet, dass auch der Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO „nur“ eine Ausnahme darstellt bzw. Sonderfällen vorbehalten ist. Denn eine Prüfung, ob der Zurückweisung in den Drittstaat oder in den nach europäischem Recht oder Völkerrecht für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, ist nur dann veranlasst, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme aufdrängt, dass der Asylbewerber von einem der im normativen Vergewisserungskonzept des Art. 16a Abs. 2 GG und der §§ 26a, 27a, 34a AsylVfG nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An die Darlegung eines solchen Sonderfalles sind dabei auch im Rahmen des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49 = Juris; Beschl. v. 08.09.2009 - 2 BvQ 56/09 -, Juris). Die Annahme eines sicheren Drittstaates ist daher nur dann widerlegt, wenn ernsthaft zu befürchten steht, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EuGrdRCh bzw. der inhaltlich identischen Vorschrift des Art. 3 EMRK (vgl. insoweit Art. 52 Abs. 3 Satz 1 EuGRrdRCh) implizieren.

59

Nach der zu Art. 3 EMRK ergangenen Rechtsprechung des EGMR, auf die zur Auslegung von Art. 4 EuGrdRCH zurückzugreifen ist (vgl. EuGH, Urt. v. 21.01.2011, 2011 - No. 30696 – M.S.S. vs. Belgien und Griechenland, Rn. 88 m. w. N. – Juris) ist eine Behandlung unmenschlich, wenn sie absichtlich erfolgt und entweder tatsächliche körperliche Verletzungen oder schwere körperliche oder psychische Leiden verursacht. Eine Behandlung ist hingegen als erniedrigend anzusehen, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt und dadurch fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert, oder wenn sie Angst, Furcht oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder physischen Widerstand der Person zu brechen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.01.2011, a. a. O., Rn. 220 m. w. N.).

60

Die ernsthafte Befürchtung grundlegender Mängel besteht nur dann, wenn in einem Mitgliedstaat eine ständige Verletzung der Kernanforderungen des europäischen Asylrechts, wie sie in den Richtlinien und Verordnungen der Europäischen Union ihren Niederschlag gefunden haben, stattfindet und dadurch die Menschenwürde, das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Flüchtlings beeinträchtigt wird (vgl. hierzu VG Düsseldorf, Beschl. v. 22.12.2008 - 13 L 1993/08.A - Juris; VG Berlin, Beschl. v. 11.04.2011 - 23 L 84.11 A - Juris; VG Hannover, Beschl. v. 07.06.2011 - 1 B 2106/11 - asyl.net; VG Düsseldorf, Beschl. v. 12.09.2011 - 6 L 866/11.A - Juris; Lehnert / Pelzer, Effektiver Rechtsschutz im Rahmen des EU-Asylzuständigkeitssystems der Dublin II-Verordnung, ZAR 2010, 41 ff.; Lehnert/Pelzer, Der Selbsteintritt der Mitgliedstaaten im Rahmen des EU-Asylzuständigkeitssystems der Dublin-II-Verordnung, NVwZ 2010, 613 ff.). Bei der Beurteilung der Frage, ob für Asylbewerber in Italien dementsprechend ein “richtliniekonformes“ Verfahren gewährleistet ist, ist dabei zunächst das Schutzniveau in den Blick zu nehmen, das sich aus Art. 28 (Sozialleistungen) und Art. 31 (Zugang zu Wohnraum) der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 – Qualifikationsrichtlinie – ergibt und sodann jenes, das sich für das Asylverfahren aus der Dublin-II-VO selbst ergibt. Zugleich ist als Maßstab die Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten heranzuziehen sowie die Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 01. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft. Danach gehören zu den Kernanforderungen des europäischen Asylrechts der Zugang zu einem geordneten Asylverfahren und die Gewährung materieller Aufnahmebedingungen, welche die Grundbedürfnisse nach Unterkunft, Nahrung und medizinischer Versorgung abdecken.

61

Die vorstehend aufgezeigten Grundsätze stehen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Dieser hat mit Urteil vom 21.12.2011 - C 411/10 und C-493/10 - (Juris) ausgeführt, das Gemeinsame Europäische Asylsystem sei in einem Kontext entworfen, der grundsätzlich die Vermutung rechtfertige, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtscharta sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Gleichwohl könne – so der Gerichtshof – nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoße, so dass die ernstzunehmende Gefahr bestehe, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt würden, die mit den Grundrechten unvereinbar sei. Dabei berühre nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Verpflichtung der übrigen Mitgliedstaaten zur Beachtung der Dublin-II-VO. Sei jedoch ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufwiesen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Grundrechtscharta implizierten, so sei eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar.

62

Bei der Beurteilung der anstehenden Frage nach dem Vorliegen eines systemischen Versagens in Bezug auf das Asyl- und Aufnahmeverfahren in dem Mitgliedstaat ist überdies nicht (allein) darauf abzustellen, welche (abstrakte) Rechtslage dort herrscht, mithin ob etwa die vorgenannten Richtlinien in nationales Recht umgesetzt wurden, sondern es sind (ebenfalls) die konkreten bzw. realen Verhältnisse für die Asylbewerber, mithin die bestehende tatsächliche Verwaltungs- und Rechtspraxis in den Blick zu nehmen (ebenso VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009 - 7 K 4376/07.F.A u. a. - InfAuslR 2009, 406 = Juris).

63

Ferner ist darauf abzustellen, ob es sich bei eventuell feststellbaren Defiziten und Mängeln, etwa in Form von Rechtsverstößen und zu erwartenden Beeinträchtigungen, nur um Einzelfälle oder – soweit es sich nicht nur um Einzelfälle handelt – um bloße vorübergehende, temporäre Erscheinungen handelt, die etwa einer überraschenden Entwicklung geschuldet sind, denen aber in naher Zukunft voraussichtlich abgeholfen wird. Anders verhält es sich indes in jenen Fällen, in denen aufgrund einer Vielzahl von Referenzfällen hinreichend belegte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich die Missstände und Unzulänglichkeiten dauerhaft manifestiert haben. Die insoweit erforderliche Feststellung des Vorliegens systemischer Mängel und Missstände hat somit eine quantitative wie qualitative Komponente. Ob die desolaten Verhältnisse im Mitgliedstaat dabei darauf zurückzuführen sind, dass dieser zur Schaffung geordneter und richtlinienkonformer Verhältnisse nicht bereit oder nicht in der Lage ist, macht dabei grundsätzlich keinen Unterschied.

64

3) In Anwendung der genannten Kriterien ist im Fall der Klägerin von Folgendem auszugehen:

65

Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht verpflichtet, in Ausübung des insoweit bestehenden Ermessens von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch zu machen. Auch kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, sie besitze zumindest einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Selbsteintritt der Beklagten zur Durchführung eines Asylverfahrens gem. Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO, um als Ausnahme von den sonstigen Zuständigkeitsregeln der genannten Verordnung die Prüfung ihres Asylantrages in der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen. Diesem Recht der Klägerin ist mit dem angefochtenen Bescheid der Beklagten entsprochen worden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte ihr Ermessen verkannt hätte; auch rechtfertigt sich nicht die Annahme des Vorliegens eines formellen Ermessensfehlers, da keinerlei Gründe vorliegen, die einen sog. Selbsteintritt zu rechtfertigen vermögen.

66

Zur Überzeugung des Senats ist auf der Grundlage des ihm vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern und Flüchtlingen sowie von “Dublin-II-Rückkehrern“ in Italien nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und / oder die Aufnahmebedingungen dort derart grundlegende Mängel aufweisen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EuGrdRCh zu erwarten steht. Der Senat ist vielmehr unter Anlegung der zuvor genannten strengen Maßstäbe zur Überzeugung gelangt, dass für die nach der Dublin-II-Verordnung nach Italien zurückkehrenden bzw. rücküberstellten Asylbewerber in der Gesamtschau ein ordnungsgemäßes und richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren gewährleistet ist und dass für den Fall der Abschiebung bzw. Rückführung der betroffenen Asylsuchenden zwecks Durchführung eines Asylverfahrens nicht mit schwerwiegenden Rechtsverstößen und Beeinträchtigungen zu rechnen ist (ebenso oder ähnlich u. a.: OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013 - OVG 7 S 33.13 -; Beschl. v. 24.06.2013 - OVG 7 S 58.13 –; VG Bremen, Beschl. v. 15.04.2013 - 2 V 440/13.A -; VG Regensburg, Beschl. v. 05.02.2013 - RN 5 S 13.30026 -; Beschl. v. 26.02.2013 - RN 9 K 11.30445 -; VG Düsseldorf, Beschl. v. 17.09.2012 - 13 L 1447/12.A -; Beschl. v. 08.01.2013 - 6 L 104/13.A - und Beschl. v. 06.02. 2013 - 17 L 150/13.A -; VG Augsburg, Urt. v. 11.01.2013 - Au 6 K 12.30358 -; VG Leipzig, Urt. v. 07.12.2012 - A 1 K 973/11 -; VG München, Beschl. v. 08.11.2012 - M 15 E 12.30772 -; VG Würzburg, Beschl. v. 30.10.2012 - W 6 E 12.30288 -; VG Trier, Beschl. v. 25.10.2012 - 5 L 1146/12.TR -; VG Schwerin, Beschl. v. 27.09. 2012 - 8 B 434/12 As -; VG Bayreuth, Urt. v. 12.06.2012 - B 3 K 11.30142 - [bestätigt durch BayVGH, Beschl. v. 6.02.2013 - 20 ZB 12.302856 -]; a. A. oder eine Entscheidung in der Hauptsache vorbehaltend: VG Köln, Beschl. v. 07.05.2013 - 20 L 613/13.A -; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 30.04.2013 - 10a L 484/13.A -; VG Schwerin, Beschl. v. 15.03.2013 - 3 B 111/13 As -; VG Aachen, Beschl. v. 14.03. 2013 - 9 L 53/13.A -; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 19.02.2013 - 15a L 194/13.A -; Beschl. v. 27.02.2013 - 15a L 194/13.A -; VG Gießen, Urt. v. 24.01.2013 - 6 K 1329/12.Gl.A -; VG Karlsruhe, Beschl. v. 11.10.2012 - A 9 K 2386/12 - und Beschl. v. 22.01.2013 - A 9 K 179/13 -; VG Stuttgart, Beschl. v. 08.01.2013 - A 7 K 3929/12 -; VG des Saarlandes, Beschl. v. 03.09.2012 - 3 L 789/12 -; VG Düsseldorf, Beschl. v. 29.08.2012 - 14 L 1392/12.A – alle: Juris; VG Freiburg, Beschl. v. 27.10.2011 - A 5 K 2081/11 -; VG Magdeburg, Beschl. v. 17.07.2012 – 9 B 148/12 -; Beschl. v. 21.11.2011 - 9 A 100/11 -; Urt. v. 26.07.2011 - 9 A 346/10 MD -; vgl. auch OVG NRW, Beschl. v. 01.03.2012 - 1 B 234/ 12.A - Juris). Das Asylsystem in Italien mit dem dort geregelten und praktizierten Aufnahme- und Asylverfahren einschließlich der Unterbringungs- und Versorgungslage für die in Italien schutzsuchenden Flüchtlinge und Asylbewerber entspricht den Anforderungen des europäischen Asylsystems, selbst wenn es in Teilbereichen gewisse Mängel und Defizite aufweist. Im Einzelnen ist dabei von Folgendem auszugehen:

67

a) Nach dem dem Senat vorliegenden Erkenntnismaterial ist davon auszugehen, dass für Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien, jedenfalls soweit es sich um Dublin-II-Rückkehrer handelt, grundsätzlich ein geordnetes Aufnahmeverfahren und auch ein ungehinderter Zugang zum Asylverfahren gewährleistet sind.

68

Der Senat verkennt nicht, dass es in Italien für Asylbewerber und Flüchtlinge – und zwar bis in die jüngste Vergangenheit hinein – eine Vielzahl von Einreiseverweigerungen und Abschiebungen gegeben hat, bevor ein Asylverfahren durchgeführt werden konnte bzw. ein solches abgewartet worden wäre. Namentlich sind Fälle bekannt geworden, wonach es Zurückweisungen von Flüchtlingen auf hoher See und vor der italienischen Küste, aber auch vom italienischen Territorium gegeben hat, die offenbar darauf abzielten, den Strom von Flüchtlingen – insbesondere aus Nordafrika – abzuwehren, die in Italien Zuflucht haben suchen wollen (vgl. UNHCR, Bericht v. 16.08. 2011: „Hunderte Neuankömmlinge aus Libyen und Tunesien in Italien“, abrufbar unter: http://www.unhcr.de/print/home/artikel/042d9651d6d525aad46e97d7ee7848db/hunde).

69

Trotz der bekannt gewordenen zahlreichen Verstöße gegen das Refoulement-Verbot und teilweise vorhandener unangemessener Erschwernisse beim Zugang zu einem Asylverfahren in Italien in den vergangenen Jahren lässt sich aber – jedenfalls soweit es die aktuellen Verhältnisse im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats betrifft – nicht (mehr) davon ausgehen, dass es, sieht man einmal von Einzelfällen ab, in Italien gegenwärtig noch zu derartigen gravierenden Rechtsverletzungen kommt, wie sie in der Vergangenheit zu beklagen waren.

70

Vielmehr sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes keine Fälle neueren Datums bekannt geworden, in denen Flüchtlingen und Asylsuchenden, die in Italien um Schutz nachsuchen wollten, bei ihrer Einreise auf dem Seeweg oder auf dem Landwege die Einreise oder der Aufenthalt in Italien verweigert worden sind (AA, Auskunft v. 21.02. 2013 an OVG LSA, Anm. 1.1.). Ebenso sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes keine Fälle neueren Datums bekannt geworden, in denen Flüchtlinge und Asylsuchende nach ihrer Einreise nach Italien in ihr Herkunftsland bzw. einen Drittstaat zurückgeführt bzw. abgeschoben worden sind, ohne dass sie in Italien den von ihnen beabsichtigten Asylantrag stellen konnten (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 1.2.). Schließlich sind nach Angaben des Auswärtigen Amtes in jüngster Zeit auch keine Fälle (mehr) bekannt geworden, in denen Flüchtlinge und Asylsuchende trotz eines in Italien gestellten Asylantrages in ihr Herkunftsland bzw. einen Drittstaat zurückgeführt bzw. abgeschoben wurden (AA, a. a. O. Anm. 1.2.). Hiernach lässt sich zumindest gegenwärtig nicht mehr die Feststellung treffen, dass in Italien der Anspruch Schutzsuchender auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens generell oder auch nur regelmäßig vereitelt wird (bereits für die Vergangenheit verneinend u. a.: VG Hannover, Beschl. v. 07.07. 2011 - 1 B 2106/11 - Juris; VG Berlin, Beschl. v. 11.04.2011 - 23 L 84/11 - Juris). Dies bedarf hier indes keiner Vertiefung.

71

Denn jedenfalls lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht feststellen, dass für die im Rahmen des Verfahrens nach der Dublin-II-Verordnung nach Italien zurückkehrenden bzw. zurückgeführten Asylbewerber regelmäßig oder sogar überwiegend ein ordnungsgemäßes Asylverfahren nicht gewährleistet ist. Aufgrund eines für diesen Personenkreis gesetzlich speziell geregelten Rückführungsverfahrens ist vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, dass diese nach ihrer Rückkehr nach Italien ihren dort bereits gestellten Asylantrag weiterverfolgen bzw. erstmals einen Asylantrag stellen können und ihnen insoweit der Zugang zu einem ordnungsgemäßen Asylverfahren nicht versperrt wird. Im Einzelnen ist dabei von Folgendem auszugehen:

72

Asylbewerber, die gemäß dem Verfahren nach der Dublin-II-Verordnung nach Italien zurückkehren bzw. zurückgeführt werden, treffen in der Regel auf dem Luftweg auf den Flughäfen Fiumicino in Rom, Malpensa in Mailand, Bergamo, Venedig, Bari, Brindisi oder Ancona ein. Dort werden sie – auch wenn es in Italien kein Flughafenverfahren wie in Deutschland gibt (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW - zu Frage a.)) – von der Polizei in Empfang genommen und es wird ihnen eine Unterkunft in einer der Aufnahmeeinrichtungen zugeteilt, sofern ein Asylantrag gestellt wird bzw. ein Asylverfahren, bei dem Verfahrensstand, der bei Ausreise aus Italien vorlag, weitergeführt werden soll (zu allem: Schweizerische Flüchtlingshilfe, „Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien. Bericht über die Situation von Asylsuchenden, Flüchtlingen und subsidiär oder humanitär aufgenommenen Personen, mit speziellem Fokus auf Dublin-Rückkehrende“, Mai 2011, S. 17 und AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 1.4.). Die Polizei macht in diesen Fällen die verantwortliche Questura ausfindig und fordert die Rückkehrer auf, sich dorthin zu begeben. Dabei werden auch die Reisekosten übernommen (Schweizerischen Flüchtlingshilfe, a. a. O., S. 17) bzw. die Person bekommt, wenn die zuständige Questura weiter entfernt ist (Beispiel: Dublin-Rückkehr nach Rom, zuständige Questura in Catania), ein Zugticket ausgehändigt, um dort hinzureisen (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW - zu Frage a.)).

73

Wenn die Dublin-Rückkehrer von deutschen Beamten /Polizisten begleitet werden, gibt es insoweit keine Unterschiede. Bei ihrer Ankunft werden alle Dublin-Rückkehrer von der Polaria (Luftpolizei) am Flughafen Fiumicino empfangen. Sie werden erneut erkennungsdienstlich behandelt und es erfolgt die Feststellung, welche Questura in Italien für die Person zuständig und wie der Stand des Verfahrens ist (AA, Auskunft v. 11. 09.2013 an OVG NRW - zu Frage a.)).

74

Bei ihrer Ankunft werden die Ausländer – so auch die Dublin-II-Rückkehrer – von der am Flughafen zuständigen Hilfsorganisation „Confederazione Nazionale delle Misericordie d’Italia“ betreut und in Anwesenheit von Dolmetschern über den weiteren Verfahrensablauf unterrichtet (AA, Auskunft v. 11.09. 2013 an OVG NRW - zu Frage a.)). Die genannte Hilfsorganisation sucht für die Dublin-II-Rückkehrer zugleich eine (vorläufige) Unterkunft in einem Aufnahmezentrum (z. B. einer Einrichtung der „Centri di accoglienza richiedenti asilo“ - CARA -), welches im Allgemeinen für die Erstaufnahme zuständig ist, bis die Zuweisung zu einer Asylunterkunft am Ort der zuständigen Questura erfolgt ist. Während die Dublin-II-Rückkehrer sofort eine Unterkunft in einem entsprechenden Erstaufnahmezentrum erhalten, kann die Zuweisung zu einer Asylunterkunft für die Dauer des Asylverfahrens einige Zeit dauern, weil es zunächst gewisser Formalien den jeweiligen Asylantrag betreffend bei der zuständigen Questura bedarf. Manchmal beträgt dieser Zeitraum nur einige Tage, manchmal aber auch Wochen, z. B. wenn es sich um große Städte und Ballungszentren handelt. Belastbares Zahlenmaterial bezogen auf die Verweildauer in den Erstaufnahmeeinrichtungen ist mangels statistischer Erhebungen allerdings nicht verfügbar. In den Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber, den bereits erwähnten Einrichtungen der CARA, ist laut Gesetz grundsätzlich ein Verbleib von nicht länger als 20 bis 35 Tagen vorgesehen. Da die Zuweisungsverfahren aber oftmals länger dauern, bleiben die Antragsteller entsprechend länger in diesen Aufnahmezentren (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW - zu den Fragen a.), b.) und c.)).

75

Nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnismitteln erhalten die Schutzsuchenden nach ihrer Ankunft in Italien zudem Informationsbroschüren über ihre Rechte im Asylverfahren (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 2.3.). Diese Broschüren existieren in unterschiedlichen sprachlichen Fassungen, so u. a. in persischer, arabischer, französischer, englischer, italienischer, somalischer, spanischer und tigrinischer Sprache (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 2.3.). Darüber hinaus befinden sich in den Aufnahmeeinrichtungen Betreuungsdienste, die den Asylantragstellern zur Unterstützung zur Verfügung stehen. Diese beschäftigen oftmals Mitarbeiter, die die Landessprache der Hauptherkunftsstaaten der Asylantragsteller beherrschen (AA, Auskunft v. 21.02. 2013, Anm. 2.3.).

76

Nach allem besteht für den Senat kein Grund zur Annahme, dass die in Italien Schutzsuchenden nach ihrer Ankunft dort in unangemessener Weise “sich selber überlassen bleiben“ und sich im Hinblick auf das erstrebte Aufnahme- und Asylverfahren nicht zurecht finden können.

77

Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass die Rücküberstellung von Asylbewerbern auf der Grundlage der Dublin-II-Verordnung seitens der italienischen Behörden auf Widerstände stößt. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es im Rahmen des Dublin-Systems vor einer Asylantragstellung oder während des Asylverfahrens zu Einreiserverweigerungen, Rücküberstellungen oder sonstigen Ausweisungen in die Herkunftsländer der Asylbewerber kommt (vgl. UNHCR, Stellungnahme v. 24.04.2012 an VG Braunschweig, S. 5).

78

b) Der Senat vermag aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel auch nicht zur Einschätzung zu gelangen, dass Asylsuchende und Flüchtlinge – jedenfalls soweit es die aktuellen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts betrifft – nach ihrer Einreise und / oder während ihres Asylverfahrens mangels einer (angemessenen) Unterkunft regelmäßig oder auch nur in einer Vielzahl von Fällen in die Obdachlosigkeit geraten, mithin „auf der Straße“ oder in „Elendsquartieren“ leben müssen.

79

aa) Dabei ist zunächst hervorzuheben, dass Asylsuchende während des Asylverfahrens einen Rechtsanspruch auf eine Unterbringung besitzen, und zwar gleichermaßen für die Zeit zwischen Antragstellung und Registrierung wie für die Zeit zwischen Registrierung und Entscheidung über das Asylbegehren (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1., 5.3. und 6.1.). Dieser Anspruch ist grundsätzlich wohl auch behördlich bzw. gerichtlich durchsetzbar. Dies deckt sich jedenfalls mit einer Antwort der Bundesregierung vom 18. April 2011 auf eine Kleine Anfrage im Bundestag ("Lage von Asylsuchenden und anerkannten Flüchtlingen in Italien" – BT-Drucks. 17/5579), aus der sich ergibt, dass Asylbewerber in Italien einen gerichtlich durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Unterkunft haben. Allerdings kommt es für die Beurteilung der in Rede stehenden Frage nicht in erster Linie auf die bestehende Rechtslage an; maßgeblich ist vielmehr auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen.

80

Nach den aktuellen Auskünften des Auswärtigen Amtes stellt sich indes die tatsächliche Unterbringungssituation im Rahmen des italienischen Aufnahmesystems für Asylbewerber und Flüchtlinge Anfang 2013 (5. Kalenderwoche) wie folgt dar:

81

Die Aufnahmezentren der CARA verfügen über 5.516 Plätze und beherbergen derzeit ca. 5.300 Personen nebst 2.710 Plätzen in den Einrichtungen der CARA von Lampedusa, so dass insgesamt mehr als 8.000 Plätze zur Verfügung stehen. Die Zahlen im Gutachten von Frau Judith Gleitze, borderline-europe e. V. vom Dezember 2012 an das VG Braunschweig (a. a. O. S. 11), wonach 3.163 Personen in den genannten Einrichtungen aufgenommen werden könnten, seien inzwischen überholt (AA, Auskunft v. 24.05.2013 an VG Minden - zu Frage 8.).

82

Darüber hinaus stehen den Asylbewerbern und Flüchtlingen grundsätzlich die staatlichen Aufnahmeeinrichtungen der SPRAR („Sistems di Protezione per Richiedenti Asilo e Refugiati“) zur Verfügung. Die dort vorhandenen Plätze sind laut Auskunft des Auswärtigen Amtes in der Vergangenheit deutlich angestiegen: Bisher habe es 3.000 Plätze gegeben, so dass dort (weil eine Unterbringung regelmäßig nur für 6 Monate vorgesehen sei) insgesamt 6.000 Personen hätten versorgt und untergebracht werden können (vgl. zur Aufnahmekapazität von etwa 3.000 Personen u. a. auch der Bericht der Schweizerische Flüchtlingshilfe, a. a. O. S. 5). Nunmehr aber stehen nach Auskunft des Auswärtigen Amtes - bestätigt durch Auskünfte von Mitarbeitern der SPRAR und des italienischen Innenministeriums – insgesamt 5.000 Plätze zur Verfügung, so dass 8.000 bis 10.000 Personen untergebracht werden könnten, ungeachtet der im Rahmen des EU-finanzierten FER-Projektes für vulnerable Personen und anderer Projekte vorhandenen weiteren Plätze (AA, Auskunft v. 24.05.2013 an VG Minden - zu Frage 8.). Dies entspricht in etwa auch der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.02.2013 auf Anfrage des Senats, wonach inzwischen in ganz Italien 40 Aufnahmezentren mit rund 9.000 Plätzen zur Verfügung stehen (AA, a. a. O., Anm. 4.3.).

83

Dem steht z. B. für das Jahr 2012 eine Anzahl von 1.148 Personen gegenüber, die als Rückkehrer im Rahmen der Dublin-II-Verordnung über Rom nach Italien zurückgeschickt wurden und von der Organisation Ariconfraternita am Flughafen von Rom betreut wurden (Gutachten an das VG Braunschweig von Judith Gleitze, borderline-europe e. V. vom Dezember 2012, S. 25 und S. 59 – in Ermangelung der erfassten Gesamtzahlen der Dublin-Rückkehrer nach Italien). Berücksichtigt man überdies, dass die Zahl der Asylbewerber seit 2012 – trotz gewisser Schwankungen – insgesamt rückläufig ist, kann zumindest gegenwärtig nicht (mehr) von unzureichenden Aufnahme- und Unterbringungskapazitäten ausgegangen werden. Zur Überzeugung des Senats dürfte sich somit die aktuelle Situation in Italien soweit entspannt haben, dass sämtliche Asylbewerber, und insbesondere Dublin-II-Rückkehrer, in den öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen Platz finden können (ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013 - OVG 7 S 33.13 - ).

84

Die Annahme fehlender Kapazitäten für die Unterbringung von Dublin-II-Rückkehrern nach Italien ist insbesondere auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil es in der Vergangenheit zu einem massiven Zustrom von Flüchtlingen aus Nordafrika gekommen ist und dies zu (nachhaltigen) Engpässen bei der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern geführt hat.

85

Der UNHCR hat in diesem Zusammenhang in seiner Stellungnahme vom 24. April 2012 an das VG Braunschweig (a. a. O. S. 3) auf Folgendes hingewiesen: Im Jahre 2011 sind nach der Ankunft einer erheblichen Zahl von Personen aus Nordafrika und der darauf folgenden Erklärung des „humanitären Notstandes“ die regionalen Regierungen gebeten worden, zusätzliche Aufnahmeeinrichtungen zu bestimmen, da die bestehenden Aufnahmekapazitäten als unzureichend eingeschätzt wurden. Zwischen den Regierungen und den örtlich zuständigen Behörden (Regionen, bestimmten Provinzen [„Province Autonome“] und Gemeinden) seien Vereinbarungen getroffen worden, in denen Kriterien für die landesweite Verteilung von bis zu 50.000 Personen festgehalten wurden. Die Verantwortlichkeit für den diesbezüglichen Aufnahmeplan liege beim Leiter des Zivilschutzes („Dipartimento di Protezione Civile“). Bis Anfang 2012 seien 20.000 Personen im Rahmen des Plans in den Notunterkünften, meist in Einrichtungen kleiner bis mittlerer Größe, untergebracht worden, die in ganz Italien verteilt sind.

86

Dies deckt sich mit den Auskünften des Auswärtigen Amtes. Danach hätten die vorgehaltenen temporären Aufnahmestrukturen des Zivilschutzes, die anlässlich des Flüchtlingsstromes aus Nordafrika in der Größenordnung von 50.000 Plätzen in den Regionen geschaffen worden seien, die bestehenden Engpässe kompensiert (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.3.).

87

Soweit im Gutachten von Judith Gleitze, borderline-europe e. V. vom Dezember 2012 an das VG Braunschweig (a. a. O., S. 15) darauf verwiesen wird, dass die durch den Zivilschutz zusätzlich geschaffenen Unterkünfte nur zeitlich befristet vorgesehen gewesen seien, zunächst wohl nur bis Ende 2011 und alsdann bis Ende 2012, und dass diese inzwischen wieder geschlossen worden seien, so rechtfertigt auch dieser Einwand nach Auffassung des Senats nicht die Annahme, dass es gegenwärtig und zukünftig wieder zu fehlenden Kapazitäten in den staatlichen Einrichtungen kommen wird.

88

Zwar trifft es zu, dass das Notstandsprogramm befristet war und inzwischen wohl offiziell ausgelaufen ist. Allerdings trifft es ebenfalls zu, dass die Einrichtungen derzeit faktisch zumindest in einem beschränkten Umfang fortgeführt werden. Grund für die Schließung der Notunterkünfte war der Umstand, dass die Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge gegenüber den Vorjahren, insbesondere dem Jahr 2011 und 2012, deutlich zurück gegangen war. Allerdings waren nach Auskunft des Auswärtigen Amtes Anfang des Jahres 2013 noch ca. 17.000 Personen in den temporären Einrichtungen des Zivilschutzes untergebracht (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 4.3.). Das Auswärtige Amt hat unterdessen mit seiner neuesten Auskunft – unter Berufung auf den Leiter des Italienischen Amtes für Aufnahmezentren und Betreuung, Herrn Tommaso Ricciardi vom 04. September 2013 – zum Notstandsprojekt Nordafrika mitgeteilt, dass sich derzeit nur noch etwa 1.000 Personen („vulnerable cases“ und Asylbewerber, die ein Rechtsmittel eingelegt haben) in den Notunterkünften befinden. Offiziell hätten diese nunmehr am 01. September 2013 schließen sollen. Es werde gegenwärtig überlegt, wie die Versorgung dieser Personen weiter gewährleistet werden kann (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW – zu Frage e)).

89

Angesichts der aufgezeigten Entwicklung steht auch nicht zu erwarten, dass mit der Schließung der Notunterkünfte die dort untergebrachten bzw. noch verbliebenen Asylbewerber und Flüchtlinge in die staatlichen Unterkünfte drängen und es damit zu erneuten Überbelegungen kommen wird, mithin die Problematik fehlender Kapazitäten in den staatlichen Zentren erneut auftritt. Das Auswärtige Amt weist zudem ausdrücklich darauf hin, dass das Auslaufen des Nordafrika-Programms keine konkreten Auswirkungen auf die Dublin-Rückkehrer hat, da für diesen Personenkreis (der nicht in den Notunterkünften untergebracht wird) von vornherein kein unmittelbarer Zusammenhang zum Programm bestand (AA, Auskunft v. 11.09. 2013 an OVG NRW – zu Frage e)).

90

Gegenteiliges dürfte zur Überzeugung des Senats auch dann nicht anzunehmen sein, wenn es zu einem erneuten Anstieg der Zahl von Asylbewerbern in Italien kommen sollte. Das ausgelaufene Notstandsprogramm belegt, dass Italien Unterbringungsplätze in erheblichen Umfang zusätzlich zur Verfügung stellen kann, wenn der Zustrom von Flüchtlingen dies erfordert. Das geschaffene Notstandsprogramm lässt darauf schließen, dass die verantwortlichen Stellen – selbst wenn sie auf Druck der übrigen EU-Mitgliedstaaten tätig geworden sein sollten – bemüht sind, sich dem jeweiligen unterschiedlichen Unterkunftsbedarf in der gebotenen Weise anzupassen. Dies lässt es insbesondere nicht ausgeschlossen erscheinen, dass bei einem eventuellen erneuten Anstieg der in Italien eintreffenden Flüchtlinge und Asylbewerber entsprechende Programme zur kurzfristigen Schaffung zusätzlicher Unterkünfte neu aufgelegt werden. Dies alles rechtfertigt keine grundlegenden Zweifel daran, dass ein insoweit auch nach Beendigung des Notstandsprogramms fortdauernder Bedarf oder erneute Massenanstürme von Flüchtlingen bewältigt werden können (ebenso: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013, a. a. O.).

91

Im Übrigen erkennt auch der UNHCR an, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des staatlichen Aufnahmesystems stattgefunden haben. Insgesamt seien die Einrichtungen der CARA, CDA und SPRAR (nunmehr) in der Lage, dem Aufnahmebedarf einer „signifikanten Anzahl“ von Asylsuchenden nachzukommen (Stellungnahme vom 24. April 2012 an VG Braunschweig, S. 3). Allerdings macht der UNHCR die Einschränkung, dass die Kapazitäten der genannten Einrichtungen nicht für die Unterbringung aller unterstützungsbedürftigen Asylsuchenden ausreichend sein dürften, wenn Personen in erheblicher Anzahl neu in Italien ankommen würden (UNHCR, a. a. O., S. 3). Indes bestehen z. Z. keine Anhaltspunkte dafür, dass es in Italien derzeit oder in absehbarer Zeit erneut zu einem derartigen Anstieg der Asylbewerberzahlen kommen wird, wie er etwa in den Jahren 2010 und 2011 zu verzeichnen war.

92

Eine andere Bewertung der Unterkunftssituation für Asylbewerber und Flüchtlinge erscheint dem Senat schließlich auch nicht deshalb geboten, weil nach Auffassung des UNHCR (Stellungnahme v. 24.04.2012) in der gegenwärtigen Situation davon auszugehen sei, dass derzeit die überwiegende Anzahl aller Asylverfahren nicht innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen werden können, und die Aufnahme in den Aufnahmezentren regelmäßig auf sechs Monate befristet sei. Abgesehen davon, dass der UNHCR selbst einräumt, dass keine konkreten Zahlen zur Dauer der Asylverfahren vorliegen, besteht nach Auskunft des Auswärtigen Amtes die Möglichkeit, dass im Einzelfall – so auch bei Einlegung von Rechtsmitteln – die Aufenthaltsdauer in der Einrichtung verlängert wird.

93

Zudem ist auch dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Mai 2011 zu entnehmen, dass für die Aufnahme von Asylbewerbern eben nicht nur CARA-, CIE- und SPRAR-Zentren zur Verfügung stehen, sondern auch andere Zentren vorhanden sind basierend auf Abkommen zwischen dem Innenministerium und Gemeinden, aber auch von der Stadt – wie etwa Rom - finanzierte und von NGO’s betriebene Zentren (vgl. Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Bericht über die Situation von Asylsuchenden, Flüchtlingen und subsidiär oder humanitär aufgenommenen Personen, mit speziellem Fokus auf Dublin-Rückkehrende, S. 19). Nach dem vorgenannten Bericht (a. a. O. S. 19) kommen noch kirchliche und karitative Einrichtungen hinzu. Dass es unter Berücksichtigung der Aufnahmekapazität all dieser öffentlichen und privaten Einrichtungen sowie unter Nutzung des Angebotes des Wohnungsmarktes nicht möglich ist, eine Unterkunft zu finden, ist nicht ersichtlich.

94

Das Auswärtige Amt weist ebenfalls darauf hin, dass neben den staatlichen Unterbringungszentren zusätzlich kommunale und karitative Einrichtungen existieren wie z. B. Caritas, Migrantes in Rom, die Schwestern des Ordens der Mutter Teresa „Suore Missionarie della Carità“ und andere Hilfsorganisationen (Comunità di Sant’Egidio, Opere Antoniane, Stranieri in Italia, Centro Astalle - Jesuiten -), welche die Antragsteller und Asylbewerber versorgen und ihnen Unterkunftsplätze besorgen (AA, Auskunft v. 21.08.2013 an OVG LSA - zur Frage 3.). Dies entspricht zugleich der Einschätzung des Auswärtigen Amtes, wonach nicht davon auszugehen ist, dass jene Personen, die in den staatlichen Aufnahmeeinrichtungen und staatlichen Unterkünften keinen Platz finden, regelmäßig oder überwiegend obdachlos „auf der Straße“ oder in „Elendsquartieren“ leben müssen (AA, a. a. O. Anm. 4.3.).

95

Veranlassung zu einer anderen Einschätzung gibt dem Senat schließlich auch nicht der Bericht von Maria Bethke und Dominik Bender „Zur Situation von Flüchtlingen in Italien“ vom 28. Februar 2011, wonach angeblich davon auszugehen ist, dass „in der Vergangenheit 88 vom Hundert der Dublin-II-Rückkehrer der Gefahr der Obdachlosigkeit überlassen worden seien“. Der Senat geht dabei davon aus, dass diese Aussage nicht bedeutet, dass etwa 88 vom Hundert der Dublin-II-Rückkehrer tatsächlich in die Obdachlosigkeit geraten sind, sondern dass es sich hierbei – da der Bericht lediglich von einer „Gefahr“ einer Obdachlosigkeit spricht – um eine bloße Annahme handelt in Bezug auf das womöglich bestehende Risiko, von einer Obdachlosigkeit betroffen zu werden. Dem Senat erscheint bei dieser Sachlage allerdings nicht nachvollziehbar, wie eine (potentielle) „Gefahr“ prozentual derart exakt prognostiziert werden kann, wie dies im Bericht mit 88 vom Hundert geschehen ist, zumal die Unterbringung in staatlichen und privaten Einrichtungen und auch die Wohnungssuche im Allgemeinen mit einer Fülle von Unwägbarkeiten verbunden ist. Überdies sind die Angaben nur bedingt brauchbar, weil eben nicht erkennbar wird, auf welchen Erkenntnissen diese beruhen und welche zurückliegenden Zeiträume in Bezug genommen werden, wenn davon gesprochen wird, dass sich Aussage auf die „Vergangenheit“ beziehe.

96

bb) Ebenso lässt sich nach Auffassung des Senats nicht feststellen, dass Asylbewerber infolge unzureichender und unzumutbarer Verhältnisse in den staatlichen bzw. privaten Unterkünften, namentlich etwa aufgrund unhygienischer Zustände oder Gewalttätigkeiten und krimineller Delikte wie u. a. Diebstahl, Vergewaltigung oder erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind. Dabei wird nicht verkannt, dass es in Unterkünften mit einer Vielzahl von – teilweise auch traumatisierten – Flüchtlingen unterschiedlicher Nationalität, Religion und Gebräuchen häufiger als in anderen Bereichen der Gesellschaft zu Konflikten und gelegentlich auch gewaltsamen Übergriffen kommen dürfte. Es dürfte sich dabei allerdings um ein allgemeines Phänomen in Gemeinschaftseinrichtungen handeln, dem die staatlichen Stellen nur bedingt wirksam entgegen wirken können. Auch wenn die Aufnahme-, Unterbringungs- und Lebensbedingungen von Asylbewerbern in Italien regelmäßig nicht mit dem hiesigen Standard vergleichbar sein mögen, ist zur Überzeugung des Senats davon auszugehen, dass die Zustände in den Unterkünften im Allgemeinen jedenfalls nicht derart unzumutbar und unhaltbar sind, dass deshalb die Feststellung einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung der Asylbewerber gerechtfertigt erschiene. Dies gilt zum einen hinsichtlich der hygienischen Verhältnisse. So wird nach Auskunft des Auswärtigen Amtes von den staatlichen Aufnahmezentren und Einrichtungen Kleidung gestellt, ebenso Wäsche und Hygieneartikel zum persönlichen Gebrauch (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1., 5.3. und 6.1.). Überdies teilt das Auswärtige Amt zur Situation in den staatlichen Aufnahmezentren und Unterkünften mit, dass die hygienischen Verhältnisse dort nicht regelmäßig oder sogar überwiegend sich in der Weise darstellen, dass man ernstlich Gefahr läuft zu erkranken. Sie seien auch nicht dergestalt, dass sie nicht den Mindestanforderungen (Kochstellen, Toiletten, Waschräume, fließendes Wasser und Elektrik) genügen würden. Vielmehr seien sie durchweg so beschaffen, dass kleinere Schlafräume in Wohnhäusern oder Containern vorhanden seien, die auch zumeist mit Klimaanlagen und Zentralheizung versehen seien. Insbesondere seien Toilettenräume in ausreichender Zahl und getrennt nach Geschlechtern vorhanden. Gleiches gelte für Waschräume. Die Verpflegung werde vielfach in einem gemeinsamen Speisesaal bereitgestellt. Vereinzelt bestünden auch zusätzliche Möglichkeiten für die eigene Zubereitung von Mahlzeiten. Ferner seien in den Einrichtungen Sozialräume sowie getrennte Räumlichkeiten für medizinische Dienste und Sonderfälle vorhanden. Zur Aufrechterhaltung der Sauberkeit der allgemeinen Räumlichkeiten würden spezielle Reinigungsdienste beschäftigt (vgl. zu allem: AA, Auskunft v. 21.01.2013, Anm. 4.5.).

97

Zum anderen lässt sich aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse auch nicht feststellen, dass sich die Verhältnisse in den staatlichen Aufnahmezentren und Unterkünften in der Weise darstellen, dass die Bewohner in ständiger Angst leben müssten, „angegriffen, ausgeraubt oder gar vergewaltigt“ zu werden. Zwar gibt es Berichte, wonach es zu gewaltsamen Übergriffen von männlichen auf weibliche Bewohner gekommen sein soll; hierbei handelt es sich aber um Einzelfälle, wenngleich statistische Erhebungen zur Kriminalität speziell in den genannten Einrichtungen nicht existieren bzw. nicht bekannt sind. Darüber hinaus werden die Aufnahmeeinrichtungen zumindest durch die Polizei oder Carabinieri überwacht und geschützt; wegen auftretender Spannungen zwischen verschiedenen Ethnien wurden in manchen Einrichtungen zudem zusätzliche Polizeikräfte postiert (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.6.).

98

Im Ergebnis vermag der Senat somit nicht festzustellen, dass es – sieht man von Engpässen und Einzelschicksalen ab – mit der Durchführung von Asylverfahren in Italien generell zu Begleiterscheinungen wie etwa Obdachlosigkeit oder aufgrund der Zustände in den Unterkünften zu einer Verwahrlosung der Asylbewerber kommt.

99

c) Der Senat vermag ebenfalls nicht festzustellen, dass Schutzsuchende während des Asylverfahrens in Italien unter Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EuGrdRCh in materieller Not leben müssen, so dass von einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung auszugehen wäre, oder mit Blick auf die Versorgungssituation und soziale Situation der Asylbewerber und Flüchtlinge gemessen an den Vorgaben des unionsrechtlichen Sekundärrechts sich das Asylsystem als nicht (mehr) richtlinienkonform darstellt.

100

Asylsuchende und Flüchtlinge haben nach Auskunft des Auswärtigen Amtes während des Asylverfahrens einen (Rechts-)Anspruch auf (angemessene) Verpflegung und Versorgung (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1.). Dieser Verpflichtung wird im Allgemeinen dadurch nachgekommen, dass in den staatlichen Unterkünften und Aufnahmezentren entsprechende Leistungen erbracht werden. Namentlich wird auch Kleidung gestellt, ebenso Wäsche und Hygieneartikel zum persönlichen Gebrauch (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 5.1., 5.3. und 6.1.). Vorgenanntes gilt gleichermaßen für die Zeit zwischen Antragstellung und Registrierung wie für die Zeit zwischen Registrierung und Entscheidung über das Asylbegehren (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 5.1.).

101

Ebenso werden Asylbewerber und Flüchtlinge, die in nichtstaatlichen, namentlich karitativen und kirchlichen Unterkünften leben, mit Nahrung und Kleidung versorgt, wobei insoweit auch private Dienstleister herangezogen werden (vgl. AA, Auskunft v. 21. 02.2013, Anm. 5.2.). Allerdings ist für Asylbewerber und Flüchtlinge außerhalb staatlicher sowie karitativer und kirchlicher Einrichtungen eine staatliche Verpflegung und Versorgung nicht (mehr) gewährleistet. Auch existiert in Italien nur ein sehr eingeschränktes staatliches Sozialhilfesystem; danach erhalten nur Personen über dem 65. Lebensjahr Sozialhilfeleistungen. Im vorliegenden Fall würde dies sogar bedeuten, dass die 65-jährige Klägerin auch staatliche Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen könnte. Im Übrigen haben die Betroffenen auch als Asylbewerber und schutzsuchende Flüchtlinge einen freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Sie können ihren Lebensunterhalt dadurch verdienen, dass sie je nach Ausbildung oder Befähigung einer zumindest einfachen Arbeit nachgehen (vgl. AA, Auskunft v. 21.02. 2013, Anm. 5.1.).

102

In der Praxis kann somit nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass Asylbewerber und Flüchtlinge ihren Lebensunterhalt regelmäßig nicht durch Betteln und / oder Prostitution sichern müssen (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.4.). Vielmehr ist insgesamt eine ausreichende Versorgung vorhanden. Einzelfälle sind allenfalls auf das in der aktuellen Wirtschaftskrise insbesondere in italienischen Großstädten zunehmend auftretende Phänomen des Bettelns und die damit einhergehenden erhofften zusätzlichen Einkunftsmöglichkeiten zurückzuführen. Was die Prostitution angeht, so ist nicht völlig auszuschließen, dass weibliche Asylbewerber oder Flüchtlinge in Einzelfällen durch Angehörige der organisierten Kriminalität rekrutiert werden und dann tatsächlich der Prostitution nachgehen. Dies ist aber nicht im kausalen Zusammenhang mit Defiziten im Asylverfahren zu sehen (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.4.; Auskunft v. 24.09.2012, S. 3 - Antwort auf Frage b 2)).

103

Im Übrigen folgt aus Art. 3 EMRK und Art. 4 EuGrdRCh auch nicht die Verpflichtung, Asylbewerbern und Flüchtlingen eine finanzielle Unterstützung zu gewähren, um ihnen einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.02.2011, a. a. O.).

104

Ebenso ist ein Verstoß gegen die Richtlinie 2004/83/EG nicht ersichtlich. Kapitel VII der Richtlinie gestaltet den Inhalt des internationalen Flüchtlingsschutzes zwar u. a. dahin gehend aus, dass Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte grundsätzlich Zugang zu Sozialleistungen (Art. 28), medizinischer Versorgung (Art. 29) und Wohnraum (Art. 31) erhalten. Allerdings gehen die Bestimmungen über die Gebote zur Inländergleichbehandlung (Art. 28, 29) bzw. zur Ausländergleichbehandlung (Art. 31) nicht hinaus. Art. 28 und 29 der Richtlinie gewährleisten die notwendige Sozialhilfe bzw. medizinische Versorgung nur insoweit, wie die Mitgliedstaaten ihren eigenen Staatsangehörigen eine entsprechende Behandlung bzw. Versorgung gewähren; für Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte besteht zudem die Möglichkeit, den Anspruch auf Kernleistungen zu beschränken, die dann im Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige zu gewähren sind. Demzufolge muss der in Italien bestehende allgemeine Lebensstandard für andere, vergleichbare Personen mit italienischer Staatsangehörigkeit in den Blick genommen werden, die ebenfalls keine staatlichen Sozialleistungen in Anspruch nehmen können und bei denen ebenfalls nur durch die Aufnahme von Gelegenheitsarbeiten oder aber vermittels von Zuwendungen karitativer oder kirchlicher Organisationen das Existenzminimum gesichert ist.

105

Nach allem lässt sich ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EuGrdRCh nicht daraus herleiten, dass – worauf in der Rechtsprechung einzelner Verwaltungsgerichte abgestellt wird – ein staatliches Sozialsystem, welches Flüchtlingen und Asylsuchenden zumindest ein Existenzminimum garantiert, nicht zur Verfügung steht und dass die Betroffenen deshalb darauf angewiesen seien, sich „selbst durch das Leben zu schlagen“ (vgl. VG Magdeburg, Beschl. v. 28.03.2011 - 9 B 101/11 MD - Juris; Gerichtsbescheid v. 21.11.2011 - 9 A 351/10 - [S. 5 d. UA]; VG Braunschweig, Beschl. v. 31.05.2011 - 1 B 103/11 - m. w. N. - Juris).

106

Im Übrigen ist in der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (a. a. O. S. 22) nicht – wie gelegentlich behauptet wird – die Rede davon, dass der genannte Personenkreis „in extremer Armut lebt und dass sie ihre Lebensbedürfnisse nicht decken können“. Vielmehr ist – wohl mit Bedacht – davon die Rede, dass sie Gefahr laufen, womöglich in eine solche Situation zu geraten; dass sich indes diese Gefahr bereits in eine Vielzahl von Fällen realisiert hätte oder gleichsam regelmäßig bzw. für jeden Asylsuchenden und Flüchtling die konkrete Gefahr bestünde, dass nicht einmal das Existenzminimum gesichert ist, wird nicht behauptet. Dies schließt nicht aus, dass es in Einzelfällen auch zu besonderen Notlagen kommen mag und dass der Lebensstandard der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien im Allgemeinen sehr gering sein dürfte. Gleichwohl vermag der Senat anhand des ihm vorliegenden umfassenden Erkenntnismaterials aber nicht festzustellen, dass die Situation für Flüchtlinge und Asylsuchende in den Zentren und außerhalb derselben derart prekär wäre, dass deshalb von einem Verstoß gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EuGrdRCh auszugehen ist.

107

d) Soweit es die medizinische Versorgung betrifft, sind alle Mitgliedstaaten aufgrund der EU-Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 verpflichtet, bestimmte Mindeststandards der medizinischen Versorgung zu gewährleisten. So haben alle Mitgliedstaaten nach Art. 15 der genannten Richtlinie dafür Sorge zu tragen, dass Asylbewerber und Flüchtlinge die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung für die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst. Dabei ist auch Asylbewerbern mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische und sonstige Hilfe zu gewähren.

108

In Italien ist im Rahmen des nationalen Gesundheitsdienstes grundsätzlich ein medizinischer Mindestbehandlungsstandard gewährleistet. Asylbewerber und Flüchtlinge haben in Italien während des Asylverfahrens einen Anspruch auf eine „freie“ (kostenlose) medizinische Versorgung sowie auch auf psychologische Hilfe, insbesondere auch Minderjährige und traumatisierte Personen (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1., 5.3. und 6.3.).

109

Dem entspricht es, wenn im Entscheiderrundbrief des Bundesamtes 7/2011 (a. a. O., S. 8) zur medizinischen Versorgung festgestellt wird, dass bei der Überstellung von kranken bzw. traumatisierten Personen – wie bei jedem italienischen Staatsbürger – die Möglichkeit der (medizinischen) Behandlung besteht. Bereits im Jahre 2009 habe es bei der SPRAR drei Zentren gegeben, in denen auch psychisch kranke Personen hätten behandelt werden können (zwei in Rom, eines in Turin). Für 2011 seien zudem 50 weitere Behandlungsplätze für psychisch kranke Personen bzw. Personen mit besonders schweren Erkrankungen geplant worden. Inzwischen würden bei Dublin-Überstellungen psychisch kranke Personen in Italien als eine besonders „vulnerable Gruppe“ angesehen.

110

Voraussetzung für den Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem ist zwar grundsätzlich ein gültiger Aufenthaltstitel bzw. ein rechtmäßiger Aufenthalt; bei im italienischen Asylverfahren befindliche Personen stellt sich dieses Problem aber nicht. Der Zugang zu öffentlichen medizinischen Leistungen ist auch nicht an die Voraussetzung eines ständigen Wohnsitzes bzw. feste Adresse gekoppelt, wie gelegentlich behauptet wird. Vielmehr erhalten Asylbewerber bei Bedarf auch ohne einen solchen ständigen Wohnsitz bzw. feste Anschrift vom nationalen Gesundheitsdienst einen Gesundheitsausweis („tessera sanitara“) und eine Steuernummer („codice fiscale“) (vgl. AA, Auskunft v. 09.10.2012 an VG Minden, S. 2 - zur Frage b) 4; ebenso: AA, Auskunft v. 11.07.2012 an VG Freiburg - S. 2 Ziffer I b)). Sollte hingegen etwas anderes gelten, ist davon auszugehen, dass aufgrund einer aktuellen Vereinbarung zwischen der Zentralregierung und den Regionen zumindest eine Not- und Grundversorgung auch für sich illegal in Italien aufhaltende Personen garantiert ist (AA, Auskunft v. 21.01.2013, Anm. 6.2.).

111

Der Senat vermag angesichts dieser Situation nicht zu erkennen, dass damit den eingangs aufgezeigten Mindeststandards bzw. Kernanforderungen nicht genügt wird. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass in bestimmten Fällen womöglich einzelnen Personen eine nur unzureichende medizinische Versorgung zuteil wurde oder diese aus dem medizinischen Versorgungssystem herausgefallen sind.

112

Aber selbst dann, wenn für kranke, behinderte oder sonst gesundheitlich besonders schutzbedürftige Personen die garantierte medizinische Not- und Grundversorgung nicht als ausreichend angesehen würde, ergäben sich daraus jedenfalls für die Klägerin, die keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen angeführt hat, keine Bedenken gegen ihre Überstellung nach Italien.

113

e) Soweit es das Asylverfahren als solches, namentlich die Qualität und die Dauer des Verfahrens betrifft, lässt sich ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 EMRK und Art. 4 EuGrdRCH sowie gegen die einschlägigen unionsrechtlichen Richtlinien ebenfalls nicht feststellen.

114

Italien gewährleistet entsprechend dem (Grund-)Recht auf Asyl (gem. Art. 10 Abs. 3 der italienischen Verfassung, verschiedenen Einwanderungs- und Asylverfahrensgesetzen, insbesondere nach dem Gesetz No. 25/2008 vom 28. Januar 2008) ein Schutzverfahren, das auch für Überstellungen nach der Dublin-II-Verordnung greift. Besonderheiten bestehen insoweit nicht (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 3.1.).

115

Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass es hinsichtlich der Qualität oder der Dauer der Asylverfahren einen Grund für Beanstandungen gibt. Insbesondere lässt sich nicht feststellen, dass von einer unverhältnismäßig restriktiven Asylpraxis auszugehen ist. Gegen eine solche Annahme sprechen die Zahlen, die vom Auswärtigen Amt zum Asylverfahren benannt werden. Danach wurden im Jahre 2010 über 14.042 Asylanträge entschieden, davon wurden 2.094 Antragsteller nach der Genfer Konvention anerkannt (15 vom Hundert), 1.789 erhielten subsidiären (13 vom Hundert), 3.675 humanitären Schutz (26 vom Hundert), hingegen wurden 4.698 abgelehnt. 520 Personen waren nicht auffindbar (4 vom Hundert) und 1.266 (9 vom Hundert) sind sonstige Fälle. Dementsprechend lag die Quote der Anerkennungen bzw. der Gewährung eines Bleiberechts bei immerhin 54 vom Hundert (vgl. AA, Auskunft v. 21.02. 2013, Anm. 3.2.). Demgegenüber wurden im Jahre 2011 über 25.626 Asylanträge entschieden. Davon wurden 2.057 Antragsteller nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt (8 vom Hundert), 2.569 Personen erhielten subsidiären (10 vom Hundert) und 5.662 humanitären Schutz (22 vom Hundert); 11.131 Personen wurden hingegen abgelehnt (44 vom Hundert) und 2.339 Personen waren nicht auffindbar (9 vom Hundert). Die Anerkennungsquote lag 2011 somit bei 40 vom Hundert, was ebenfalls nicht die Annahme einer unverhältnismäßig restriktiven Praxis rechtfertigt (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 3.2.; AA, Auskunft v. 11.07.2012 an VG Freiburg, S. 5 unter Hinweis auf eine entsprechende Statistik des Innenministeriums, abrufbar unter: http://www.interno.it/miniinteno/export/sites/default/it/assets/files/21/0551_statistiche_asilo.pdf).

116

Es kommt hinzu, dass sich die für die Entscheidung der Asylverfahren in erster Instanz zuständigen Territorialkommissionen per Dekret des Innenministers in der Weise zusammensetzen, dass auch jeweils ein Vertreter des UNHCR beteiligt ist (Bundesamt für Migration der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Hintergrundnotiz MILA - Italien Asylverfahren, Bericht vom 23.09.2009, S.4). Dies berechtigt zur Annahme, dass der Ordnungsmäßigkeit des Asylverfahrens eine besondere Beachtung geschenkt wird.

117

Hinsichtlich der Dauer des Asylverfahrens in Italien gibt es ebenfalls nichts zu beanstanden. Über den Asylantrag soll an sich innerhalb von 30 Tagen entschieden werden; zudem wird angestrebt, dass das Gesamtverfahren einschließlich gerichtlicher Überprüfung nicht länger als sechs Monaten dauert, auch wenn es immer wieder Fälle gibt, in denen diese Dauer – manchmal bis zu einem Jahr oder auch länger – überschritten wird (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 3.1., 3.2.; ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013, a. a. O. Rn. 15).

118

Ferner lässt sich nicht feststellen, dass es in Italien während des Asylverfahrens in nennenswerter Weise faktische Beeinträchtigungen in verfahrensrechtlicher bzw. prozessualer Hinsicht gibt. Art. 16 des italienischen Asylverfahrensgesetzes No. 25 vom 28. Januar 2008 garantiert dem Asylbewerber, dass er nach den einschlägigen Prozessvorschriften Anspruch auf eine Rechtsberatung und einen unentgeltlichen Rechtsbeistand im Verfahren hat (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 3.4.). Zwar bestehen Zweifel, ob dies auch in der Praxis ausnahmslos Geltung besitzt, wenn man berücksichtigt, dass für die nach Rom zurückkehrenden Dublin-II-Rückkehrern (und in Rom eintreffenden Asylbewerber) die Prozesskostenhilfe davon abhängig gemacht wird, dass zum Nachweis der wirtschaftlichen Bedürftigkeit eine Bescheinigung der jeweiligen Auslandsvertretung beigebracht werden soll. Allein wegen der Tatsache, dass der Asylbewerber im Einzelfall das Verfahren ohne anwaltlichen Beistand durchzuführen hat, soweit kein Anwaltszwang besteht, kann nicht schon von einem (landesweit bestehenden) systemischen Mangel gesprochen werden, der die Annahme einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i. S. d. Grundrechtscharta und EMRK rechtfertigt. Im Übrigen stehen dem Asylbewerber im Asylverfahren auch Übersetzungsdienste zur Verfügung (vgl. AA, Auskunft an OVG LSA v. 21.02.2013, Anm. 2.3. und 3.3.; AA, Auskunft v. 11.07.2012 an VG Freiburg, S. 3).

119

Insbesondere bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass – von Ausnahmen abgesehen – die für die Durchführung des Hauptsacheverfahrens erforderliche Erreichbarkeit des Asylbewerbers in Italien nicht sichergestellt wäre. Für eine solche Annahme fehlt es an hinreichend belegten Referenzfällen. Auch gibt es für Italien keine ernst zu nehmenden Quellen, wonach sich die Wahrnehmung von Verfahrensrechten (Antragstellung, Einlegung von Rechtsbehelfen etc.) regelmäßig als derart schwierig erweist, dass diese Rechte faktisch leer laufen würden.

120

Soweit in der Rechtsprechung dennoch vereinzelt – so u. a. das VG Gießen (Beschl. v. 10.03.2011 - 1 L 468/11.GI.A - Juris) und ihm folgend das VG Magdeburg (Beschl. v. 21.11.2011 - 9 A 351/10 -) – die Auffassung vertreten wird, „es erscheine auch die Qualität der Asylverfahren bedenklich“, wird diese Kritik nicht weiter spezifiziert und auch nicht durch entsprechende Erkenntnismittel belegt.

121

f) Ebenso lässt sich anhand des dem Senat vorliegenden Erkenntnismaterials nicht feststellen, dass im Hinblick auf die rechtliche und soziale Situation anerkannter Asylbewerber sowie der Flüchtlinge mit einem Bleiberecht angesichts der in Italien anzutreffenden Lebens- und Versorgungssituation sowie unter Berücksichtigung der insoweit staatlicherseits unternommenen Integrationsbemühungen das Aufnahme- und Asylverfahren in Italien derartige Mängel aufweist, dass es den Anforderungen des europäischen Asylsystems nicht mehr entspricht.

122

Schutzberechtigte, mithin anerkannte Asylbewerber (Asylberechtigte) und Personen mit subsidiärem Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten mit ihrer Anerkennung ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht; es wird ihnen eine Aufenthaltsberechtigung („permesso di soggiorno“) ausgestellt. Danach genießen sie in Italien dieselben Rechte wie italienische Staatsangehörige (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.2.).

123

Dies bedeutet in der Praxis, dass sie sich – ebenso wie italienische Staatsangehörige – grundsätzlich selbst um eine Unterkunft kümmern und auch in eigener Verantwortung einen Arbeitsplatz suchen müssen. Dafür besteht aber ein freier Zugang zum Arbeitsmarkt (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Alle Personen, die in Italien einen Schutzstatus besitzen, haben auch das Recht zu arbeiten (AA, Auskunft v. 21.02.2013, a. a. O.).

124

Sie können ihren Lebensunterhalt dadurch verdienen, dass sie je nach Ausbildung oder Befähigung einer zumindest einfachen Arbeit nachgehen (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 5.1.). Anerkannte Asylbewerber und Personen mit einem subsidiären Schutzstatus haben Zugang zu einer Beschäftigung in Italien, wie dies durch Art. 26 und Art. 28 der Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) garantiert wird.

125

Ein staatliches System finanzieller Hilfeleistungen bzw. ein Sozialhilfesystem existiert hingegen nicht. Denn in Italien gibt es für italienische Staatsangehörige – und somit auch für anerkannte Flüchtlinge und Personen mit subsidiärem Schutzstatus, die ihnen gleichgestellt sind – kein national garantiertes Recht auf Fürsorgeleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bzw. (sonstige) staatliche Sozialleistungen, jedenfalls soweit sie nicht das 65. Lebensjahr erreicht haben (AA, Auskunft v. 11.07.2012 an das VG Freiburg). Art. 28 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gewährt hinsichtlich der Sozialleistungen nur einen Anspruch auf Inländergleichbehandlung, nicht aber einen Anspruch auf Privilegierung des anerkannten Flüchtlings.

126

Zwar entspricht es der italienischen Kultur, dass es einen engen Familienzusammenhalt gibt, der im Notfall zumindest die Chance eröffnet, eine (gewisse) Unterstützung durch Familienangehörige in Anspruch nehmen zu können. Dass es eine solche vergleichbare Unterstützung unter den ausländischen Landsleuten gibt, die sich aufgrund ihres Schutzstatus dauerhaft in Italien aufhalten, erscheint nicht ausgeschlossen, dürfte aber die Ausnahme sein. Gleichwohl lässt dieser Umstand nach Auffassung des Senats für sich allein nicht schon die Annahme gerechtfertigt erscheinen, dass der anerkannte Flüchtling und sonstige Schutzberechtigte in Italien deshalb der konkreten Gefahr ausgesetzt wäre, „auf der Straße“ zu leben und zu verelenden.

127

Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass – ebenso wie italienische Staatsangehörige in einer vergleichbaren Situation – auch anerkannte Asylbewerber und schutzberechtigte Flüchtlinge von nichtstaatlichen Hilfsorganisationen, wie beispielsweise durch die CARITA und CIR, Unterstützung bekommen können (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Die Zuständigkeit für die Festsetzung von derartigen öffentlichen Sozialleistungen liegt grundsätzlich im Kompetenzbereich der Regionen. In bestimmten Regionen (z. B. Toskana, Emilia Romagna) wird die Höhe derartiger Leistungen durch die Kommune festgesetzt; die Leistungen weisen insoweit je nach regionaler und kommunaler Finanzkraft deutliche Unterschiede auf (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Diese Erkenntnis deckt sich im Übrigen mit dem Gutachten der Flüchtlingsorganisation borderline-europe e. V. (Gutachten an das VG Braunschweig vom Dezember 2012) und der Auskunft der italienischen Vereinigung für rechtliche Untersuchungen zur Situation von Einwanderung (ASGI-Bericht vom 20. November 2011, S. 10 f.). Danach erhalten ebenfalls anerkannte Asylbewerber und Personen, denen internationaler Schutz gewährt worden ist, Unterstützungen allgemeiner Art, wie sie auch für andere mittellose Personen in Italien vorgesehen sind.

128

Überdies ist für anerkannte Flüchtlinge und Personen mit subsidiärem Schutzstatus ein kostenfreier Zugang zu allen öffentlichen medizinischen Leistungen wie Arzt, Zahnarzt, Krankenhaus gewährleistet (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Ein Anspruch auf Einhaltung bestimmter Mindeststandards im Hinblick auf die Gewährung von Unterkunft sowie auf eine gewisse materielle Unterstützung besteht für sie auch nach dem Unionsrecht nicht; ein solcher Anspruch besteht nur für Asylbewerber (EGMR, Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - M.S.S. v. Belgium and Greece; EuGH, Urt. v. 21.12. 2011 - C-411/10 und C-493/10 - N.S. und M.E.), denn nach den Bestimmungen der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 steht Asylbewerbern und Schutzsuchenden zwar ein subjektives Recht auch auf eine angemessene Fürsorge zu. Nach Art. 3 Abs. 1 der genannten Richtlinie haben Asylbewerber jedoch nur solange Anspruch auf die in Art. 5 ff. der Richtlinie bezeichneten humanitären Leistungen, solange sie „als Asylbewerber im Hoheitsgebiet verbleiben dürfen“. „Asylbewerber“ im Sinne der Richtlinie ist dabei ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, der einen Asylantrag gestellt hat, über den noch nicht entschieden wurde.

129

Soweit anerkannten Asylbewerbern und schutzberechtigten Flüchtlingen in der Zivilbevölkerung vereinzelt Vorbehalte entgegen gebracht werden und sich diese Vorbehalte womöglich auch im Verhalten von Amtsträgern widerspiegeln sollten, lässt sich diesem Umstand keine selbständige rechtliche Bedeutung beimessen. Die gilt selbst dann, wenn der genannte Personenkreis im Alltag womöglich Benachteiligungen erfahren sollte. Denn die genannten Umstände lassen nicht den Schluss zu, dass das Aufnahme- und Asylverfahren in Italien schon allein aus diesem Grunde den Regeln des europäischen Asylsystems zuwiderläuft.

130

Nach allem erübrigt sich hier die Erörterung der weitergehenden Frage, ob und inwieweit auch möglicherweise jene (unionsrechtlichen) Rechtsverletzungen für die Entscheidung über den Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO relevant sind, die Personen betreffen, bei denen das Asylverfahren bereits mit einer Anerkennung bzw. mit einem subsidiären Schutzstatus abgeschlossen ist (vgl. hierzu VG Regensburg, Beschl. v. 16.08.2012 - RN 7 S 12.30273 -).

131

g) Zur Überzeugung des Senats steht auch bei der gebotenen Zukunftsprognose nicht zu erwarten, dass angesichts eines unvermindert anhaltenden oder wieder zunehmenden Flüchtlingsstroms nach Italien sich die dort anzutreffenden Verhältnisse (wieder) verschlechtern werden. So verhält es sich jedenfalls dann, wenn man bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats Folgendes in Rechnung stellt:

132

Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes ist in Italien gegenwärtig nicht (mehr) von einem Anstieg des Zustroms von Asylbewerbern und Flüchtlingen auszugehen (AA, Auskunft v. 21.02.2013 Anm. 9.1. und 9.2.). Diese Entwicklung wird auch durch das dem Senat vorliegende Zahlenmaterial belegt. Laut Berichterstattung in der Presse (Spiegel online v. 26.04.2011) haben von Januar bis Ende April 2011 allein 26.000 Flüchtlinge in Italien um Schutz nachgesucht. Demgegenüber wurden laut Auskunft des Auswärtigen Amtes im ersten Halbjahr 2012 nur insgesamt 5.580 Asylanträge in Italien gestellt (AA, Auskunft v. 21.01.2013 Anm. 3.2.).

133

Insbesondere ist auch ein deutlicher Rückgang von Anlandungen im Süden Italiens zu verzeichnen. Im Jahr 2011 waren es noch 62.692 Personen, im Jahre 2012 hingegen nur noch 13.267 Personen (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 9.1. und 9.2.). Dies ist – wie das Auswärtige Amt in nachvollziehbarer Weise feststellt – vor allem auf die Beruhigung der Lage in den Nordafrikanischen Staaten zurückzuführen (AA, a. a. O.).

134

Im Übrigen ist auch in der Gesamtschau des letzten Jahrzehnts nicht von einem kontinuierlichen und erheblichen Zuwachs an Asylbewerbern und Flüchtlingen in Italien auszugehen, so dass etwa deshalb die Annahme einer nicht (mehr) zu bewältigenden “Überlastung“ des Asylsystems in Italien begründet wäre. In der ersten Hälfte des letzten Jahrzehnts waren die Zahlen bis 2006 vielmehr rückläufig, die Zahl der Asylantragsteller ging insoweit von 24.000 auf 10.000 zurück. In den Jahren 2008 und 2011 gab es dann in den Spitzen über 30.000 Asylbewerber, während es im Jahre 2012 allerdings wieder weniger als 15.000 Bewerber waren. Bei den genannten Spitzen handelte es sich somit um temporäre Erscheinungen aufgrund der politischen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem “arabischen Frühling“ (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 9.1.2.). Auch ist nach aktueller Einschätzung, namentlich vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung in den Mittelmeer-Anrainerstaaten, nicht damit zu rechnen, dass die Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien in absehbarer Zeit ansteigen wird (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 9.1.3.).

135

Nach allem erweist sich die in der einschlägigen Rechtsprechung vielfach angeführte Begründung, dass wegen der zu erwartenden weiteren Flüchtlingsströme von Afrika nach Italien infolge der kriegerischen Auseinandersetzungen und der damit einhergehenden instabilen Verhältnisse in Nordafrika sich die Entwicklung in Italien in absehbarer Zeit voraussichtlich nicht verbessern, sondern eher noch verschlechtern wird (so u. a. VG Stuttgart, Beschl. v. 02.07.2012 - A 7 K 1877/12 - ) als nicht (mehr) tragfähig.

136

Insbesondere lässt sich auch der Stellungnahme des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen – UNHCR – vom 24. April 2012 an das Verwaltungsgericht Braunschweig kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass ernsthaft zu befürchten ist, dass die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien grundlegende Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aufweisen. Nach dem Inhalt dieser Stellungnahme wurden in Italien die regionalen Regierungen im Jahr 2011 nach Ankunft einer erheblichen Zahl von Personen aus Nordafrika ausdrücklich gebeten, zusätzliche Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen. Zwischen den Regierungen und den örtlich zuständigen Behörden wurde zudem eine Vereinbarung getroffen, in der die Kriterien für die landesweite Verteilung von bis zu 50.000 Personen festgehalten wurden. Der UNHCR erkennt vor diesem Hintergrund an, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des Aufnahmesystems stattgefunden haben und die CARA-, CDA- und SPRAR-Projekte insgesamt in der Lage sind, dem Aufnahmebedarf einer signifikanten Anzahl von Asylsuchenden nachzukommen (UNHCR, a. a. O. S. 3).

137

Dass die Verhältnisse zwischen Italien und Griechenland – wie gelegentlich behauptet wird – vergleichbar sind, vermag der Senat nicht festzustellen. Dies bedarf aber auch keiner Vertiefung, weil es hierauf nicht entscheidend ankommt. Dennoch bleibt festzustellen, dass der UNHCR – anders als in Bezug auf Griechenland – für Italien jedenfalls keine Empfehlung ausgesprochen hat, von einer Überstellung bzw. Abschiebung von Dublin-II-Flüchtlingen nach Italien abzusehen. Der Senat misst diesem Umstand kein geringes Gewicht bei. Soweit vereinzelt der Einwand erhoben wird, dies sei dem Umstand geschuldet, dass der UNHCR „politische Rücksichten zu nehmen habe“, ist dies durch Nichts belegt. Zwar hat – ausweislich des Tagungsberichts von Nora Markard zum 12. Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz vom 18.-19. Juni 2012 in Berlin (ZAR 10/2012 S. 380 ff. S. 381 zur Situation in Italien) – der UNHCR Senior Regional Protection Associate Jürgen Humberg im Hinblick auf die deutsche Debatte über die Zulässigkeit von Abschiebungen nach Italien angeblich betont, dass der Umstand, dass der UNHCR bisher kein Positionspapier zu Italien veröffentlicht habe, nicht bedeute, dass in Italien „alles in Ordnung sei“; eine solche Schlussfolgerung, den einige Verwaltungsgerichte zögen, sei unzulässig. Auch diese Äußerung veranlasst den Senat nicht zu einer anderen Einschätzung im Hinblick darauf, dass sich der UNHCR – anders als in anderen Fällen – einer entsprechenden offiziellen Stellungnahme bzw. Empfehlung, von einer Rückführung von Asylbewerbern nach Italien abzusehen, enthalten hat. Dies bedeutet keineswegs, dass der Senat der Auffassung wäre, in Italien „sei alles in Ordnung“; hieraus aber folgt eben noch nicht, dass in Bezug auf das Asyl- und Aufnahmeverfahren in Italien systemische Mängel feststellbar sind, die eine Verletzung der Europäischen Grundrechtscharta oder der Menschenrechtskonvention darstellen.

138

Festzustellen bleibt überdies, dass der UNHCR auch in seinem jüngsten Bericht (UNHCR - Recommendations on important aspects of Refugee protection in Italy) vom Juli 2013 trotz zahlreicher kritischer Anmerkungen bei seiner Einschätzung zur aktuellen Lage der Flüchtlinge und Asylbewerber in Italien zu keinem anderen Ergebnis gekommen ist.

139

Schließlich hat auch der EGMR in einer neueren Entscheidung vom 02. April 2013 (Ap-plication No. 27725/10 - Mohammed Hussein vs. the Netherlands and Italy) eine gegen die Dublin-Überstellung von den Niederlanden nach Italien gerichtete Beschwerde als offensichtlich unbegründet abgewiesen. In der Entscheidung hat sich der EGMR mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, einer nach eigenen Angaben aus Somalia stammenden Frau mit zwei kleinen Kindern, zum Asylverfahren und auch zur Unterbringungssituation in Italien auseinander gesetzt und festgestellt, dass die Situation in Italien keineswegs mit der in Griechenland vergleichbar sei (Entscheidung v. 02.04. 2013, a. a. O. Rdn. 72). Auch aus dem Umstand, dass der EGMR in einer früheren Entscheidung (Application No. 64208/11) die Abschiebung eines Asylbewerbers von Deutschland nach Italien gestoppt hat, lässt sich nicht herleiten, dass Italien generell die Anforderungen des europäischen Asylsystems nicht erfüllt. Die Gründe für den mit der genannten Entscheidung verhängten Abschiebungsstopp sind letztlich nicht bekannt. Dem „Statement of Facts“ ist indes zu entnehmen, dass sich der dortige Antragsteller zwar auch auf die Lebensumstände von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Italien berufen hat, jedoch insbesondere im Raum stand, dass er durch die Abschiebung aufgrund unterschiedlicher Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Münster und Magdeburg von seiner Frau und seinen Kindern getrennt werden würde, deren Abschiebung gestoppt wurde. Weitere Fälle des EGMR (Application No. 30815/09, Application No. 37159/09, Application No. 56424/10) betrafen unbegleitete Minderjährige und die spezielle Situation einer Mutter mit einem minderjährigen Kind (Application No. 2303/10).

140

Im Übrigen haben sowohl der Österreichische Asylgerichtshof (Spruch v. 03.05. 2010 - S16 412.104-1/2010-4E -, veröffentlicht unter http://www.ris.bka.gv.at, dort insbes. Ziffer 2.2.2.2.1. "Kritik am italienischen Asylwesen" m. w. N.) als auch das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht (vgl. u. a. Urt. v. 15.07.2010 - D 4987/ 2010 - und Urt. v. 18.03.2010 - D-1496/2010 -, im Internet abrufbar unter: http://www.bundes verwaltungsgericht.ch/index/entscheide/Jurisdiction-datenbank/Jurisdiction-recht-urteile aza.htm) die Rückführung von Asylsuchenden nach Italien in Ansehung der dortigen Asylverfahrenspraxis grundsätzlich als zulässig angesehen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der angeführten Entscheidungen Bezug genommen.

141

Auch der Umstand, dass zahlreiche Verwaltungsgerichte hinsichtlich der Situation der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien zu einer gegenteiligen Einschätzung hinsichtlich der Verhältnisse und des Asylsystems in Italien gelangt sind, veranlasst den Senat nicht zur Annahme, dass die Behandlung der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien nicht in Einklang steht mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtscharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Nach Auffassung des Senats wird in der insoweit einschlägigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte häufig nicht hinreichend dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich bei den zugrunde gelegten Erkenntnismitteln nicht selten um bloße subjektive Einschätzungen handelt, die nicht in der erforderlichen Weise durch Fakten belegt sind. Auch erscheint mitunter fraglich, ob die insoweit festgestellten Mängel und Defizite verallgemeinerungsfähig sind. Nicht zuletzt haben sich die Verhältnisse in Italien – wie dargelegt – zwischenzeitlich teilweise geändert, so etwa in Bezug auf den Flüchtlingsstrom aus Nordafrika und die Anzahl der für die Asylbewerber und Flüchtlinge zur Verfügung stehenden Unterkünfte. Im Übrigen ist Gegenstand der Prüfung nach § 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-VO) nicht die Frage, ob die Aufnahmebedingungen und das Asylverfahren für Flüchtling und Asylbewerber kritikwürdig sind, weil das System zahlreiche Mängel aufweist oder hinter dem Schutzniveau anderer Mitgliedstaat zurückbleibt.

142

Der Senat sieht auch keine Veranlassung, weitere Gutachten, Auskünfte oder Stellungnahmen zur Situation von Asylbewerbern und Flüchtlingen in Italien einzuholen. Nach anerkannter Rechtsauffassung ist die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nur dann geboten, wenn sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung aufdrängen musste, weil bereits vorliegende Gutachten, Auskünfte oder Stellungnahmen nicht den ihnen obliegenden Zweck erfüllen (konnten), dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts notwendige Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. In diesem Sinne kann z. B. ein Sachverständigengutachten für die Überzeugungsbildung des Gerichts ungeeignet oder jedenfalls unzureichend sein, wenn es grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, wenn es von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht (BVerwG, Beschl. v. 14.04.2011 - 2 B 80/10 - m. w. N., Juris). Dies ist hier aber nicht der Fall. Zwar sind die dem Senat vorliegenden zahlreichen Gutachten, Auskünfte und Stellungnahmen nicht in allen Punkte stets konsistent und völlig frei von gewissen Widersprüchen; soweit es indes die im vorliegenden Fall entscheidungserheblichen Tatsachen und Erkenntnisse betrifft, sind diese aufgrund der herangezogenen Erkenntnismittel zur Überzeugung des Senats hinreichend geklärt und eindeutig und mithin für die Überzeugungsbildung ausreichend.

143

Der Senat sieht insbesondere auch keine Veranlassung, an der Tauglichkeit des vorhandenen Erkenntnismaterials für die hier entscheidungsrelevanten Fragen zu zweifeln. Dies gilt speziell auch hinsichtlich des Beweiswertes der Auskünfte des Auswärtigen Amtes, da sie grundsätzlich eine sich auf unterschiedliche Erkenntnisquellen stützende Gesamtbewertung vornehmen und zudem im Allgemeinen den tatsächlichen Verhältnissen am nächsten kommen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.08.2006 - 1 B 24.06 - Juris; Beschl. v. 06.10.1997 - 9 B 803.97 - Juris; Beschl. v. 08.09.1997 - 9 B 401.97 -; Beschl. v. 15.10. 1985 - 9 C 3.85 - Juris sowie Beschl. v. 31.07.1998 - 9 B 71.85 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 28 = Juris). Nicht anders verhält es sich hier. So beruhen die den Auskünften des Auswärtigen Amtes zugrunde liegenden Erkenntnisse auf laufenden Gesprächen der Botschaft Rom mit dem italienischen Flüchtlingsrat CIR, UNHCR und IOM in Rom, den Präsentationen des italienischen Innenministeriums und des statistischen Amtes ISTAT sowie schließlich auf Kontakten zu nichtstaatlichen karitativen Organisationen wie Carita Migrantes, Comunità di Sant’ Egidio u. a..

144

Nach allem vermag der Senat nicht zur Überzeugung zu gelangen, dass ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 21.12.2011, a. a. O.) die Annahme rechtfertigen, dass die Klägerin aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien im Falle einer Abschiebung bzw. Überstellung dorthin Gefahr laufen wird, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. d. Art. 3 EMRK und § 4 EuGrdRCH ausgesetzt zu werden und dass sich deshalb die Rücküberstellung als rechtswidrig erweist.

III.

145

Soweit das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid zugleich die Abschiebung der Klägerin nach Italien gem. § 34 Abs. 1 AsylVfG angeordnet hat, bestehen gegen die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung keine Bedenken.

146

§ 34a AsylVfG überantwortet die Entscheidung über die Abschiebung dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, so dass dieses die Abschiebungsanordnung verfügt. Das Bundesamt ordnet dabei nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Abschiebungsverbote sind nicht ersichtlich.

147

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.

148

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§§ 132 Abs. 2, 137 VwGO).


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Die Fristsetzung nach Satz 1 kann mit der Fristsetzung nach § 82 Abs. 2 Satz 2 verbunden werden.

(2) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann einem Beteiligten unter Fristsetzung aufgeben, zu bestimmten Vorgängen

1.
Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen,
2.
Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen sowie elektronische Dokumente zu übermitteln, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist.

(3) Das Gericht kann Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn

1.
ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und
2.
der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
3.
der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen. Satz 1 gilt nicht, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln.

(4) Abweichend von Absatz 3 hat das Gericht in Verfahren nach § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 15 und § 50 Absatz 1 Nummer 6 Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückzuweisen und ohne weitere Ermittlungen zu entscheiden, wenn der Beteiligte

1.
die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
2.
über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

Tatbestand

1

Der Kläger, nach eigenen Angaben ein somalischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Einstellung seines Asylverfahrens nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG.

2

Er beantragte am 23. August 2010 die Anerkennung als Asylberechtigter. Ihm wurden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - am gleichen Tag Fingerabdrücke abgenommen. Dabei wurde festgestellt, dass eine Auswertung zum Zwecke des erkennungsdienstlichen Abgleichs nicht möglich war. Der mit der Abnahme der Fingerabdrücke befasste Mitarbeiter des Bundesamts hielt in einem Vermerk fest, dass die Fingerkuppen des Klägers Spuren von Manipulationen aufwiesen (z.B. Verletzungen der Haut), was dieser bestritt. Daraufhin wurde der Kläger mit Schreiben vom 23. August 2010 aufgefordert, sein Asylverfahren dadurch zu betreiben, dass er zum einen binnen eines Monats in der Außenstelle des Bundesamts erscheine und sich "auswertbare Fingerabdrücke" abnehmen lasse. Zum anderen solle er schriftlich darlegen, in welchen Staaten er sich nach dem Verlassen seines Herkunftslandes aufgehalten habe, ob er dort bereits einen Asylantrag gestellt habe und dieser ggf. abgelehnt worden sei. Gleichzeitig wurde er unter Bezugnahme auf § 33 AsylVfG darauf hingewiesen, dass sein Asylantrag als zurückgenommen gelte, wenn er das Verfahren länger als einen Monat nicht betreibe und in diesem Fall über das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 7 AufenthG nach Aktenlage zu entscheiden sei. Ihm wurde eine Übersetzung des Schreibens in die Sprache Somali überreicht.

3

Der Kläger hat sich in einem weiteren Termin - nach Angaben des Bundesamts am 8. September 2010 - erneut Fingerabdrücke abnehmen lassen, die nach Mitteilung des Bundeskriminalamts vom 8. Oktober 2010 wiederum nicht verwertbar waren.

4

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 27. Oktober 2010 fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt und das Asylverfahren eingestellt ist (Ziff. 1). Weiter wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 2). Schließlich wurde der Kläger unter Androhung der Abschiebung in den Herkunftsstaat aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen (Ziff. 3). Das Bundesamt hat den Bescheid im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Kläger der Betreibensaufforderung nicht nachgekommen sei. Weder am 23. August 2010 noch beim Folgetermin hätten verwertbare Fingerabdrücke gewonnen werden können. Die angeforderten schriftlichen Erklärungen (zum Reiseweg) habe der Kläger nicht abgegeben. Die Feststellung von Abschiebungsverboten nach Abs. 2 bis  scheitere bereits daran, dass für den Kläger kein Herkunftsland habe festgestellt werden können.

5

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des Bescheids sowie hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG hinsichtlich Somalias. Zur Begründung hat er geltend gemacht, es habe kein Anlass zum Erlass einer Betreibensaufforderung vorgelegen. Zudem habe er sein Verfahren dadurch betrieben, dass er sich einer weiteren erkennungsdienstlichen Maßnahme unterzogen habe.

6

Während des Klageverfahrens forderte das Bundesamt den Kläger mit einem an seine Verfahrensbevollmächtigten gerichteten Schreiben vom 26. Oktober 2011 erneut auf, das Verfahren dadurch zu betreiben, dass er beim Bundesamt erscheine und sich Fingerabdrücke abnehmen lasse. Dazu erhalte er vom Bundesamt einen Ladungstermin. Die Pflicht zur Duldung erkennungsdienstlicher Maßnahmen umfasse auch die Verpflichtung, im Vorfeld der erneuten Fingerabdrucknahme alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit der Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten. Das Schreiben ging den Verfahrensbevollmächtigten am 28. Oktober 2011 zu.

7

Mit Schreiben vom 9. November 2011 wurde der Kläger zur erneuten erkennungsdienstlichen Behandlung auf den 24. November 2011 geladen. Er erschien an diesem Termin; die abgenommenen Fingerabdrücke erwiesen sich wiederum als nicht auswertbar. Nach einem Vermerk stellte der mit der Abnahme befasste Mitarbeiter des Bundesamts an den Fingerkuppen des Klägers Abschürfungen, Vernarbungen, starke Hornhautbildung, Verhärtungen, besonders trockene Finger und äußerst schwache Papillarlinien fest. Der Kläger bestritt, seine Fingerkuppen manipuliert zu haben.

8

Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des Bundesamts aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten mit Urteil vom 14. Januar 2013 zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass der Asylantrag nicht nach § 33 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG als zurückgenommen gelte. Denn der Kläger sei gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG nicht verpflichtet, Fingerabdrücke abzugeben, die im Rahmen des Eurodac-Systems verwertbar seien. Er habe vielmehr seiner gesetzlichen Mitwirkungspflicht genügt, indem er sämtlichen Aufforderungen der Beklagten, erkennungsdienstliche Maßnahmen nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG zu dulden, gefolgt sei und sich Fingerabdrücke habe abnehmen lassen. Beschränke der Gesetzgeber die Mitwirkung im Fall einer erkennungsdienstlichen Behandlung auf eine Duldungspflicht, sei es dem Bundesamt verwehrt, durch behördliche Verfügung darüber hinausgehende Mitwirkungshandlungen einzufordern und diese bei Unterbleiben mit einer Verfahrenseinstellung zu sanktionieren. Mangels entsprechender gesetzlicher Verpflichtung zur Abgabe verwertbarer Fingerabdrücke komme es nicht darauf an, ob der Kläger die Unverwertbarkeit seiner Fingerabdrücke zu vertreten habe. Soweit die Einstellungsverfügung auch darauf gestützt sei, dass der Kläger entgegen der Betreibensaufforderung keine Angaben zum Reiseweg und bereits gestellten Asylanträgen gemacht habe, sei er dazu vom Bundesamt nicht angehört worden. Auch insoweit lägen daher die Voraussetzungen des § 33 AsylVfG nicht vor.

9

Die Beklagte rügt mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, die Auslegung des § 15 AsylVfG seitens des Berufungsgerichts verletze Bundesrecht. Aus § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG oder dem Rückgriff auf Absatz 1 der Vorschrift ergebe sich die Pflicht, alle zielgerichteten Maßnahmen zu unterlassen, die den Erfolg einer erkennungsdienstlichen Behandlung vereiteln könnten. Nach der maßgeblich unionsrechtlich beeinflussten gesetzlichen Konzeption habe das Bundesamt vorrangig die Frage der Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union für die Prüfung des Schutzbegehrens zu klären. Selbst wenn Deutschland zuständig sei, müsse geklärt werden, ob und ggf. mit welchem Ergebnis der Asylbewerber zuvor ein Asylverfahren betrieben habe, da ein weiteres Asylbegehren sich als Zweitantrag darstelle.

10

Der Kläger hält sich in Übereinstimmung mit den Urteilen der Vorinstanzen nicht für verpflichtet, verwertbare Fingerabdrücke abzugeben. Ferner rügt er, in der Betreibensaufforderung vom 23. August 2010 nur unzureichend belehrt worden, insbesondere nicht darauf hingewiesen worden zu sein, dass die Einstellung des Verfahrens unmittelbar den Erlass einer Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylVfG zur Folge habe. Der an seine Verfahrensbevollmächtigten gerichteten Betreibensaufforderung vom 26. Oktober 2011 sei keine Übersetzung beigefügt gewesen.

11

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht schließt sich weitgehend der Rechtsauffassung der Beklagten an. Nach seiner Auffassung darf das Bundesamt nicht darauf verwiesen werden, die Tatsache einer Manipulation der Fingerkuppen nur bei der Prüfung der Voraussetzungen einer Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG zu würdigen. Die Betreibensaufforderung diene gerade der Klärung, ob die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung vorlägen oder ob eine Überstellung des Ausländers in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zu erfolgen habe, in dem der Kläger (bei Schutzbedürftigkeit) internationalen Schutz beanspruchen könne.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Beklagten hat Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Aufhebung der angefochtenen Einstellungsverfügung durch das Verwaltungsgericht mit einer Begründung bestätigt, die Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 VwGO). Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof zutreffend entschieden, dass sich aus § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG keine Garantieverpflichtung des Asylbewerbers ableiten lässt, für die Auswertbarkeit seiner Fingerabdrücke einstehen zu müssen. Die in der Vorschrift normierte Mitwirkungspflicht umfasst aber entgegen der Auffassung der Vorinstanz die Verpflichtung, im Vorfeld der Abnahme von Fingerabdrücken deren Auswertbarkeit nicht zu vereiteln. Da das Berufungsgericht die Aufforderung zur Schilderung des Reisewegs in der Betreibensaufforderung vom 23. August 2010 zu Unrecht beanstandet und unter Verletzung von § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die zweite Betreibensaufforderung vom 26. Oktober 2011 und das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit der dritten erkennungsdienstlichen Behandlung vom 24. November 2011 nicht in den Blick genommen hat, kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen im Berufungsurteil weder zugunsten noch zulasten des Klägers selbst abschließend entscheiden. Daher ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

13

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens ist das Asylverfahrensgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258).

14

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die hier erhobene Anfechtungsklage statthaft ist. Der Gesetzgeber hat mit der in §§ 32, 33 AsylVfG geregelten Verfahrenseinstellung durch Verwaltungsakt dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - eine Handlungsmöglichkeit zur Verfügung gestellt, gegen die der Betroffene nur im Wege der Anfechtungsklage Rechtsschutz erlangen kann. Macht das Bundesamt von dieser gesetzlichen Ermächtigung fehlerhaft Gebrauch, darf das Gericht mit der Aufhebung der nach §§ 32, 33 AsylVfG getroffenen Entscheidung nicht zugleich über die Begründetheit des Begehrens auf Gewährung von Asyl und Zuerkennung der Flüchtlingsanerkennung entscheiden. Vielmehr ist die Sachentscheidung nach den Regelungen des Asylverfahrensgesetzes zunächst dem Bundesamt vorbehalten. Der Asylsuchende muss die Aufhebung dieses Bescheides erreichen, wenn er eine Entscheidung über seinen Asylantrag erhalten will (so schon Urteil vom 7. März 1995 - BVerwG 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 S. 2).

15

2. Nach § 33 Abs. 1 AsylVfG gilt ein Asylantrag, der nach § 13 Abs. 1 und 2 AsylVfG auch den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erfasst, als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Verfahren trotz Aufforderung des Bundesamts länger als einen Monat nicht betreibt (Satz 1). In der Aufforderung ist der Ausländer auf die nach Satz 1 eintretende Folge hinzuweisen (Satz 2). Liegen die Voraussetzungen einer (fiktiven) Antragsrücknahme vor, darf das Bundesamt keine Sachentscheidung mehr über den Asylantrag treffen. Vielmehr hat es nach § 32 AsylVfG in seiner Entscheidung festzustellen, dass das Asylverfahren eingestellt ist und ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 bis 5 oder 7 AufenthG vorliegt (Satz 1). In den Fällen des § 33 AsylVfG ist nach Aktenlage zu entscheiden (Satz 2). Das Bundesamt erlässt ferner eine Abschiebungsandrohung; die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist beträgt nach §§ 34, 38 Abs. 2 AsylVfG eine Woche.

16

Die Vorschriften über die fiktive Rücknahme des Asylantrags im Verwaltungsverfahren bei Nichtbetreiben des Verfahrens und die daran anknüpfende Einstellungsentscheidung des Bundesamts wurden durch das Gesetz zur Neuregelung des Asylverfahrens vom 26. Juni 1992 (BGBl I S. 1126) in das Asylverfahrensgesetz eingefügt. Die in § 33 AsylVfG getroffene Regelung ist der für das Gerichtsverfahren geltenden fiktiven Rücknahme der Klage (§ 81 AsylVfG) nachgebildet (vgl. BTDrucks 12/2062 S. 33). Durch sie soll verhindert werden, dass Ausländer das Asylverfahren durch bewusstes Nichtbetreiben verzögern. Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter sowie die weitreichenden Konsequenzen der Vorschrift dürfen die Anforderungen an das Verhalten eines Schutzsuchenden, mit dem dieser sein fortbestehendes Interesse an einer behördlichen Sachentscheidung zum Ausdruck bringen muss, nicht überspannt werden (vgl. zur Betreibensaufforderung im gerichtlichen Verfahren: BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1998 - 2 BvR 2662/95 - DVBl 1999, 166; BVerwG, Beschluss vom 18. September 2002 - BVerwG 1 B 103.02 - Buchholz 310 § 92 VwGO Nr. 16). Diese bisher nur für die gerichtliche Betreibensaufforderung formulierten Maßstäbe sind auch auf § 33 AsylVfG übertragbar (so auch Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, Stand: Januar 2010, § 33 Rn. 6).

17

Die Aufforderung im Sinne des § 33 Abs. 1 AsylVfG setzt einen bestimmten Anlass voraus, der geeignet ist, Zweifel an dem Bestehen oder Fortbestehen des Sachentscheidungsinteresses zu wecken. Solche Zweifel können sich auch aus einer Vernachlässigung verfahrensrechtlicher Mitwirkungspflichten ergeben; in diesem Fall dient die Betreibensaufforderung dazu, den Ausländer nachdrücklich auf diese Pflichten hinzuweisen (vgl. Urteil vom 23. April 1985 - BVerwG 9 C 48.84 - BVerwGE 71, 213 <219> = Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 3 S. 12; Beschluss vom 18. September 2002 a.a.O.). Berechtigte Zweifel können sich aber nur aus der Verletzung einer Mitwirkungspflicht ergeben, die eine gesetzliche Grundlage hat. Auch die Betreibensaufforderung selbst darf inhaltlich nur auf die Erfüllung einer gesetzlich begründeten Mitwirkungspflicht gerichtet sein. Das Instrument der Betreibensaufforderung stellt sich gerade auch in solchen Fällen als geeignete Reaktion auf eine Vernachlässigung gesetzlicher Mitwirkungspflichten dar, in denen der Ausländer bei der Klärung der Zuständigkeit deutscher Behörden für die Sachentscheidung über das Asylbegehren nicht hinreichend mitwirkt.

18

Die allgemeinen Mitwirkungspflichten von Asylbewerbern und Ausländern, die die Anerkennung als Flüchtling im Sinne von § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG begehren, ergeben sich aus § 15 AsylVfG. Diese Vorschrift wurde ebenfalls durch das Gesetz zur Neuregelung des Asylverfahrens 1992 in das Asylverfahrensgesetz eingefügt. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist der Ausländer persönlich verpflichtet, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. § 15 Abs. 2 AsylVfG regelt beispielhaft ("insbesondere") einzelne, besonders wichtige Mitwirkungspflichten (BTDrucks 12/2062 S. 30). Danach ist der Ausländer u.a. verpflichtet, den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden die erforderlichen Angaben mündlich und nach Aufforderung auch schriftlich zu machen (Nr. 1), den gesetzlichen oder behördlichen Anordnungen, sich bei bestimmten Behörden oder Einrichtungen zu melden oder dort persönlich zu erscheinen, Folge zu leisten (Nr. 3) und die vorgeschriebenen erkennungsdienstlichen Maßnahmen zu dulden (Nr. 7).

19

3. Anlass zum Erlass einer Betreibensaufforderung kann sich folglich aus der Verletzung der dem Asylbewerber nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG auferlegten Pflicht zur Duldung der vorgeschriebenen erkennungsdienstlichen Maßnahmen ergeben. Zwar lässt sich aus dieser Vorschrift keine Garantieverpflichtung für die Auswertbarkeit der Fingerabdrücke ableiten. Die in § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG normierte Mitwirkungspflicht umfasst aber auch die Verpflichtung des Asylbewerbers, im Vorfeld einer geplanten Fingerabdrucknahme alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit seiner Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten.

20

Inhalt und Bedeutung der Mitwirkungspflicht des Ausländers bei der erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG ergeben sich aus dem Sinnzusammenhang der Regelung mit § 16 AsylVfG und den unionsrechtlichen Regelungen zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach der Verordnung (EG) Nr. 343 des Rates vom 18. Februar 2003 (ABl EU L Nr. 50 vom 25. Februar 2003 S. 1) - sog. Dublin-Verordnung - und der Verordnung vom 11. Dezember 2000 über die Einrichtung von "Eurodac" für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens (Abl EG L 316/1) - Eurodac-Verordnung. Zu dulden sind nach Art, Umfang und Zielsetzung die nach § 16 AsylVfG gebotenen erkennungsdienstlichen Maßnahmen, auch wenn der Asylbewerber selbst nicht unmittelbarer Adressat dieser Regelung ist. Auch § 16 AsylVfG wurde durch das Gesetz zur Neuregelung des Asylverfahrens vom 26. Juni 1992 (BGBl I S. 1126) in das Asylverfahrensgesetz eingefügt. Die Vorschrift regelt, welche Mittel der Identitätsfeststellung zulässig sind, wer dafür zuständig ist, wer dabei Amtshilfe leistet, in welchem Rahmen die erhobenen Daten verwendet, gespeichert und übermittelt werden dürfen und wann sie zu löschen sind. In § 16 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG wird die Verpflichtung der zuständigen Behörde zur Sicherung der Identität eines um Asyl nachsuchenden Ausländers durch erkennungsdienstliche Maßnahmen begründet, sofern er das 14. Lebensjahr vollendet hat. Zur Identitätssicherung nach Satz 1 dürfen gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG nur Lichtbilder und Abdrücke aller zehn Finger aufgenommen werden. Nach Satz 3 darf zur Bestimmung des Herkunftsstaats oder der Herkunftsregion auch das gesprochene Wort des Ausländers auf Ton- oder Datenträger aufgezeichnet werden. Dabei ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien das Ziel des Gesetzgebers, durch eine generelle erkennungsdienstliche Behandlung der Gefahr entgegen zu wirken, dass Asylsuchende gleichzeitig oder nacheinander unter verschiedenen Namen und unter Verschweigen des anhängigen oder abgeschlossenen anderweitigen Asylverfahrens einen weiteren Asylantrag stellen (BTDrucks 12/2062 S. 30).

21

Außerdem dient § 16 AsylVfG der Erfüllung der unionsrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus der Eurodac-Verordnung (BTDrucks 14/7386 S. 59; allgemein S. 36). Nach Art. 4 Abs. 1 der Eurodac-Verordnung ist die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, jedem Asylbewerber, der mindestens 14 Jahre alt ist, unverzüglich die Fingerabdrücke aller Finger abzunehmen und der Eurodac-Zentraleinheit zu übermitteln. Die Zentraleinheit vergleicht sie nach Art. 4 Abs. 3 der Verordnung mit den von anderen Mitgliedstaaten übermittelten und in der zentralen Datenbank bereits gespeicherten Daten, auf Wunsch auch mit früher übermittelten Fingerabdruckdaten des gleichen Mitgliedsstaats (Art. 4 Abs. 4 Verordnung). Zweck des Eurodac-Systems ist es, die Anwendung des Dubliner Übereinkommens über die Bestimmung des für die Prüfung zuständigen Mitgliedsstaats zu erleichtern (Art. 1 Abs. 1 der Eurodac-Verordnung). Um den Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus der Eurodac-Verordnung nachzukommen, muss das Bundesamt den Asylbewerbern Fingerabdrücke in einer Qualität abnehmen, die einen Datenabgleich innerhalb des Eurodac-Systems ermöglicht.

22

Dient § 16 AsylVfG jedenfalls auch der Erfüllung der Verpflichtungen aus der Eurodac-Verordnung und verpflichtet § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG den Ausländer, die in § 16 AsylVfG inhaltlich näher bestimmten erkennungsdienstlichen Maßnahmen zu dulden, ergibt sich daraus für die Abnahme von Fingerabdrücken Folgendes: § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG ist nur als Duldungspflicht formuliert. Diese soll der Behörde aber erkennungsdienstliche Maßnahmen im Sinne von § 16 Abs. 1 AsylVfG ermöglichen, die zur Auswertung im Eurodac-System geeignet sind. Den Asylsuchenden trifft mit der ihm obliegenden Pflicht zur Duldung dieser erkennungsdienstlichen Maßnahmen zwar nicht die Garantieverpflichtung zu gewährleisten, dass die von ihm abgegebenen Fingerabdrücke im Rahmen des Eurodac-Systems auswertbar sind. Er ist nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. § 16 Abs. 1 AsylVfG aber verpflichtet, alle Maßnahmen zu unterlassen, die eine Identitätsfeststellung auf Grundlage der gesetzlichen Vorschriften - einschließlich der Eurodac-Überprüfung - erschweren oder vereiteln (ähnlich Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, § 33, Stand: Mai 2011, Rn. 21.3). Dieser Inhalt der gesetzlichen Verpflichtung des Asylbewerbers ergibt sich hinreichend klar aus einer an Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung orientierten Auslegung, ohne dass es hierfür - wie das Berufungsgericht meint - einer gesetzlichen Neuregelung oder Klarstellung bedarf.

23

Die dem Asylbewerber nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG auferlegte Pflicht zur Duldung der Abnahme seiner Fingerabdrücke und Unterlassung aller Maßnahmen, die eine Verwertbarkeit der Fingerabdrücke zum Zwecke der Identitätsfeststellung erschweren oder vereiteln, ist mit Art. 11 der Richtlinie 2005/85/EG vom 1. Dezember 2005 (Asylverfahrensrichtlinie) vereinbar. Diese Fassung der Verfahrensrichtlinie findet nach der Übergangsregelung in Art. 52 der Richtlinie 2013/32/EU vom 26. Juni 2013 im vorliegenden Verfahren weiterhin Anwendung. Nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85/EG können die Mitgliedstaaten die Asylbewerber verpflichten, mit den zuständigen Behörden zusammenzuarbeiten, sofern diese Verpflichtung für die Bearbeitung des Antrags erforderlich ist. Der Katalog der Pflichten in Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie, die Asylbewerbern auferlegt werden dürfen, enthält die Verpflichtung zur Duldung der Abnahme von Fingerabdrücken zwar nicht. Das ist aber auch nicht erforderlich, da es sich nur um Regelbeispiele handelt ("insbesondere"). Die Auferlegung einer Pflicht zur Mitwirkung bei der Abnahme von Fingerabdrücken ist jedoch durch die Generalklausel des Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie gedeckt, wonach die Asylbewerber von den Mitgliedstaaten zu den Mitwirkungshandlungen verpflichtet werden können, die für die Bearbeitung des Asylantrags erforderlich sind. Denn die Abnahme von Fingerabdrücken, die für einen Datenabgleich im Eurodac-System geeignet sind, gehört zu den für die Antragsbearbeitung erforderlichen Pflichten. Dies unterstreicht auch Art. 23 Abs. 4 Buchst. n der Richtlinie, der eine Verpflichtung der Antragsteller zur Abnahme ihrer Fingerabdrücke als nach gemeinschaftsrechtlichen oder nationalen Rechtsvorschriften zumindest möglich voraussetzt. Auch aus der Pflicht der Mitgliedstaaten zur Fingerabdrucknahme nach der Eurodac-Verordnung ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten insoweit die Antragsteller zur Duldung der Fingerabdrucknahme verpflichten dürfen.

24

Eine weitergehende Pflicht zur Abgabe auch auswertbarer Fingerabdrücke kann auch nicht aus § 15 Abs. 1 AsylVfG hergeleitet werden. Die in Absatz 2 der Vorschrift speziell geregelten Pflichten sind zwar nicht abschließend ("insbesondere"). Auch soweit Pflichten in Bezug auf erkennungsdienstliche Behandlungen nicht abschließend in § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG normiert sein sollten, verlangte eine Einstandspflicht für die Auswertbarkeit abgenommener Fingerabdrücke dem Asylbewerber mehr ab, als dieser zumutbar zu leisten vermag; dies bürdete dem Asylbewerber nicht zuletzt auch das Risiko einer ihm nicht zurechenbaren Nichtauswertbarkeit auf.

25

4. Mit dem Instrument der Betreibensaufforderung darf auf die Verletzung der Pflicht zur Mitwirkung an der Identitätsklärung reagiert werden. Dies schließen weder die nationalen noch die unionsrechtlichen Vorschriften über die Behandlung von Asylanträgen aus.

26

§ 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG, nach dem ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist, wenn der Asylbewerber über seine Identität täuscht oder diese Angaben verweigert, bildet keine abschließende Regelung. § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG setzt einen als unbegründet abzulehnenden Asylantrag und damit die Befugnis des Bundesamts für die Sachprüfung des Antrages voraus. Er tritt selbständig neben die Möglichkeit, zur Prüfung dieser Befugnis einen Asylbewerber nach § 33 AsylVfG durch entsprechende Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens durch Mitwirkung an der Identitätsfeststellung anzuhalten und im Falle des Nichtbetreibens das Verfahren ohne Sachprüfung einzustellen. Der vorliegende Fall gibt dabei keinen Anlass, das Verhältnis beider Regelungen näher zu bestimmen. Jedenfalls in der hier vorliegenden Fallkonstellation kommt ein Vorgehen nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (Betreibensaufforderung und ggf. die Verfahrenseinstellung) dem gesetzgeberischen Ziel näher, Mehrfachanerkennungen und einander widersprechende Sachentscheidungen über Asylanträge innerhalb der EU zu vermeiden. Denn ohne die Möglichkeit der Verfahrenseinstellung nach §§ 32, 33 AsylVfG im Fall der unzureichenden Mitwirkung bei der Identitätsfeststellung müsste das Bundesamt eine Sachentscheidung über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft treffen, obwohl ihm dies nach § 60 Abs. 1 Satz 6 i.V.m. Satz 2 AufenthG verwehrt ist, wenn dem Betroffenen die Rechtsstellung eines Konventionsflüchtlings bereits außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zuerkannt worden ist. Demgegenüber gewährleistet die Möglichkeit der Verfahrenseinstellung nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG, dass über seinen Antrag nicht inhaltlich entschieden wird, wenn der Asylbewerber in zurechenbarer Weise die Klärung seiner Identität verhindert.

27

Auch das Unionsrecht lässt für Fälle der vorliegenden Art Raum für eine Betreibensaufforderung nach § 33 AsylVfG. Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85/EG (Asylverfahrensrichtlinie) eröffnet ausdrücklich sowohl die Einstellung des Verfahrens als auch die Ablehnung des Asylantrags als alternative Reaktionen im Falle des Nichtbetreibens des Verfahrens durch den Asylbewerber. Zwar ermöglicht Art. 28 Abs. 2 i.V.m. Art. 23 Abs. 4 Buchst. n der Asylverfahrensrichtlinie den Mitgliedstaaten auch die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet, wenn der Antragsteller sich weigert, der Verpflichtung zur Abnahme seiner Fingerabdrücke gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften nachzukommen. Hiermit wird jedoch nur eine von mehreren Möglichkeiten eröffnet, wie die Mitgliedstaaten auf die Verletzung der Mitwirkungspflicht reagieren können. Dass insoweit keine abschließende Regelung getroffen wurde, ergibt sich schon daraus, dass Art. 23 Abs. 4 der Asylverfahrensrichtlinie auf die Grundprinzipien nach Kapitel II der Richtlinie verweist, wozu die Möglichkeit der Einstellung der Antragsprüfung nach Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie im Fall der Nichtbetreibung des Verfahrens zählt. Wollte man dem nicht folgen, müsste auch bei ungeklärter Identität des Asylbewerbers stets eine Sachentscheidung ergehen. Dies würde aber dem unionsrechtlichen Ziel der Bestimmung eines - und nur eines - zuständigen Mitgliedstaats für die Asylentscheidung durch Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der Dublin-Verordnung widersprechen.

28

Das Urteil des französischen Cour Nationale du Droit d' Asile vom 21. Februar 2012 (No. 11032252) besagt nichts anderes. Danach widerspricht es französischem Recht, den Asylantrag eines Ausländers wegen fehlender Ausweisdokumente und nicht verwertbarer Fingerabdrücke abzulehnen, ohne sich mit den individuellen Gegebenheiten des Schutzgesuchs auseinanderzusetzen. Die Begründung der Entscheidung bezieht sich nämlich nicht auf Unionsrecht, sondern ausschließlich auf die in Frankreich geltenden nationalen Rechtsvorschriften, in denen eine Verfahrenseinstellung entsprechend den §§ 32, 33 AsylVfG gerade nicht vorgesehen ist.

29

5. Berechtigte Zweifel am Bestehen eines Sachentscheidungsinteresses ergeben sich allerdings nicht allein aus der Unverwertbarkeit der einem Schutzsuchenden abgenommenen Fingerabdrücke. Denn die Unverwertbarkeit von Fingerabdrücken ist nicht zwangsläufig auf eine zielgerichtete Manipulation zurückzuführen. Sie kann ihre Ursache beispielsweise auch in einer genetischen Disposition oder Erkrankung des Betroffenen haben (zur Seltenheit eines angeborenen Fehlens von Papillarleisten vgl. Bettina Burger u.a., Das "Immigrationsverzögerungs-Leiden" in: HAUT 2011 S. 25 f.) oder auf die Folgen einer Chemotherapie zurückzuführen sein. Außerdem kann sie auf einer fehlerhaften Abnahme und/oder Auswertung der Fingerabdrücke durch die Behörde beruhen. Auch eine untypische Häufung von Qualitätsmängeln bei bestimmten Herkunftsländern stellt für sich genommen keinen hinreichenden Anlass dar. Anders verhält es sich jedoch, wenn über die bloße Unverwertbarkeit der Fingerabdrücke hinaus bei der Abnahme konkrete Anhaltspunkte für eine Manipulation der Fingerkuppen bestehen, etwa wenn die Fingerkuppen sichtbare Anomalien aufweisen (z.B. Abschürfungen, Vernarbungen, Schleifspuren, Fehlen von oder auffallend geringe Höhe der Papillarleisten) und der Betroffene diese nicht schlüssig erklären kann. Gleiches gilt bei mehrfacher Unverwertbarkeit der Fingerabdrücke mit unterschiedlichen Fehlstellen. In diesen Fällen besteht der Verdacht, dass der Asylsuchende die Verwertbarkeit seiner Fingerabdrücke durch eigenes Tun vereitelt hat, um so seine wahre Identität zu verschleiern. Ein derartiges Verhalten ist geeignet, Zweifel an der Ernsthaftigkeit seines Asylbegehrens zu begründen. Das Bundesamt ist gut beraten, wenn es dann die Indizien, die auf eine Manipulation hindeuten, und die Einlassung des Betroffenen hinreichend dokumentiert, um im Streitfall das Bestehen berechtigter Zweifel am Vorliegen eines Sachentscheidungsinteresses nachweisen zu können.

30

Liegt ein hinreichender Anlass für den Erlass einer Betreibensaufforderung vor, muss diese folgenden Maßgaben genügen: Eine besondere Form ist für die Betreibensaufforderung nicht vorgeschrieben. Als verfahrensleitende Verfügung braucht sie in Ermangelung einer entsprechenden Regelung nicht förmlich zugestellt zu werden, wie in § 31 Abs. 1 AsylVfG für Entscheidungen über Asylanträge vorgeschrieben (vgl. Urteil vom 7. März 1995 - BVerwG 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 S. 6). Wegen der mit ihrem Zugang in Lauf gesetzten Monatsfrist bedarf es aber eines Nachweises, dass und zu welchem Zeitpunkt die Aufforderung dem Betroffenen tatsächlich zugegangen ist. Außerdem bestehen wegen der einschneidenden Folgen der gesetzlichen Rücknahmefiktion besondere Anforderungen hinsichtlich der inhaltlichen Bestimmtheit einer Betreibensaufforderung. Sowohl der die Betreibensaufforderung auslösende Anlass als auch das von dem Schutzsuchenden erwartete Verhalten sind in der Aufforderung so weit zu individualisieren und zu konkretisieren, dass dieser hinreichend deutlich erkennen kann, warum das Bestehen eines Sachentscheidungsinteresses angezweifelt wird. Schließlich muss klar erkennbar sein, welche konkreten Mitwirkungshandlungen von dem Betroffenen binnen Monatsfrist verlangt werden, um so den Eintritt der gesetzlichen Rücknahmefiktion nach Ablauf eines Monats zu verhindern. Dabei gehen etwaige Unklarheiten hinsichtlich Art und Umfang des vom Ausländer zur Vermeidung der Rücknahmefiktion konkret erwarteten Verhaltens zu Lasten der Behörde.

31

Außerdem ist der Schutzsuchende über die gesetzlich eintretende Rücknahmefiktion zu belehren (§ 33 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG). Dazu gehört, dass er zutreffend und unmissverständlich auf die Monatsfrist des § 33 AsylVfG hingewiesen wird, innerhalb derer er die geforderte Mitwirkung erbringen muss und nach deren Ablauf der Antrag als zurückgenommen gilt, wenn er der Aufforderung nicht nachkommt (Beschluss vom 1. März 2002 - BVerwG 1 B 403.01 - Buchholz 402.25 § 81 AsylVfG Nr. 1). Des Weiteren gebietet der Grundsatz des fairen Verfahrens (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. März 1994 - 2 BvR 2371/93 - DVBl 1994, 631), den Asylbewerber darüber zu belehren, dass das Bundesamt im Fall der Beendigung des Verfahrens ohne weitere Anhörung nach Aktenlage über etwaige Abschiebungsverbote entscheidet (§ 32 AsylVfG). Eines darüber hinausgehenden Hinweises auf den mit einer Einstellungsverfügung im Fall der negativen Entscheidung über Abschiebungsverbote regelmäßig verbundenen Erlass einer Abschiebungsandrohung gemäß § 34 AsylVfG bedarf es jedoch - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht. Denn selbst für einen anwaltlich nicht vertretenen Asylbewerber ist erkennbar, dass die Einstellung seines Asylverfahrens wegen Verletzung einer ihm obliegenden Mitwirkungspflicht bei gleichzeitiger negativer Entscheidung über Abschiebungsverbote die Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen zur Folge haben wird. Schließlich muss das Bundesamt den Asylbewerber über den Inhalt der ergangenen Aufforderung und die erforderliche Belehrung über die Monatsfrist und die Folgen ihrer Versäumung - jedenfalls in Fällen, in denen er anwaltlich nicht vertreten ist und die Betreibensaufforderung ihm unmittelbar zugeht - in einer für ihn verständlichen Sprache unterrichten, etwa durch Übersetzung der Betreibensaufforderung (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG).

32

Inhaltlich muss eine Betreibensaufforderung auf die Erfüllung einer gesetzlich begründeten Mitwirkungspflicht gerichtet sein. Weiter muss die geforderte Handlung zur weiteren Durchführung des Asylverfahrens erforderlich und dem Schutzsuchenden tatsächlich möglich und zumutbar sein. Wird vom Asylbewerber eine Mitwirkung bei der Abnahme von Fingerabdrücken verlangt, darf die Betreibensaufforderung - wie sich aus oben näher dargelegten Gründen ergibt (Rn. 22, 24) - nur auf die gesetzesunmittelbar bestehende Pflicht hinweisen, im Vorfeld alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit seiner Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten. Auf einen Erfolg der Auswertung der Fingerabdrücke darf sie hingegen nicht gerichtet sein.

33

Auch darf vom Asylbewerber verlangt werden, schriftliche Angaben zu seinen bisherigen Voraufenthalten und zu einer eventuell bereits erfolgten Asylantragstellung zu machen. Eine solche Mitwirkungspflicht ergibt sich aus § 15 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG, wonach der Ausländer verpflichtet ist, dem Bundesamt die erforderlichen Angaben mündlich und nach Aufforderung auch schriftlich zu machen. Zu den erforderlichen Angaben zählen nach § 25 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG (u.a.) auch solche über Reisewege, Aufenthalte in anderen Staaten und dort eingeleitete oder durchgeführte Asylverfahren. Diese Angaben benötigt das Bundesamt, um seine Zuständigkeit im Rahmen der Dublin-Verordnung feststellen zu können und um u.a. die Frage zu klären, ob der Ausländer bereits Schutz in einem sicheren Drittstaat gefunden hat oder aus einem solchen Staat eingereist ist (vgl. § 26a ff. AsylVfG).

34

6. Die Prüfung der Betreibensaufforderungen vom 23. August 2010 und 26. Oktober 2011 anhand der o.g. Vorgaben als Vorfrage für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einstellungsbescheids führt zu dem Ergebnis, dass das Berufungsurteil in mehrfacher Hinsicht auf der Verletzung von Bundesrecht beruht. Der Senat vermag nicht selbst festzustellen, ob wegen Verdachts der Manipulation der Fingerkuppen des Klägers ein hinreichender Anlass für den Erlass der Betreibensaufforderungen vorlag und der Kläger das Verfahren nicht betrieben hat, weil er gegen seine Mitwirkungspflicht aus § 15 Abs. 2 Nr. 1 oder 7 AsylVfG verstoßen hat.

35

6.1 Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die dem Kläger in der Betreibensaufforderung vom 23. August 2010 auferlegte Verpflichtung, sich "auswertbare Fingerabdrücke" abnehmen zu lassen, rechtswidrig und unwirksam ist. Wie oben bereits ausgeführt (Rn. 24), lässt sich aus § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG keine Garantieverpflichtung für die Auswertbarkeit der Fingerabdrücke ableiten.

36

6.2 Das Berufungsurteil verletzt jedoch Bundesrecht, da es die in der Betreibensaufforderung vom 23. August 2010 enthaltene, erkennbar selbständige Verpflichtung zur schriftlichen Darlegung des Reisewegs und der Stellung von Asylanträgen mangels Anhörung durch das Bundesamt als unwirksam erachtet hat (UA Rn. 30). Die Verpflichtung beruht auf § 15 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG und ist inhaltlich nicht zu beanstanden (s.o. Rn. 33). Die Angaben waren zur weiteren Durchführung des Asylverfahrens erforderlich, und es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, warum sie dem Kläger nicht möglich und zumutbar gewesen sein sollten. Die Aufforderung enthält auch den Hinweis auf die Rechtsfolge eines Nichtbetreibens des Verfahrens gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG, dass der Antrag als zurückgenommen gilt. Darüber hinaus weist sie darauf hin, dass in diesem Fall über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 7 AufenthG ohne persönliche Anhörung nach Aktenlage zu entscheiden ist. Die Betreibensaufforderung wurde für den Kläger übersetzt (§ 24 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG), und dieser hat den Empfang des Schreibens am 23. August 2010 mit seiner Unterschrift bestätigt. Er hat dieser Aufforderung jedoch keine Folge geleistet.

37

Das würde aber nur dann die gesetzliche Fiktion der Rücknahme des Asylantrags gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auslösen, wenn bei der erkennungsdienstlichen Behandlung am 23. August 2010 für das Bundesamt tatsächlich ein hinreichender Anlass für ein Vorgehen gemäß § 33 AsylVfG bestand. Dieser wäre gegeben, wenn die Fingerkuppen des Klägers zu diesem Zeitpunkt tatsächlich Manipulationsspuren in Gestalt von Verletzungen der Haut sowie schlechter Erkennbarkeit und Beschädigung der Papillarlinien aufgewiesen hätten und der Kläger dies nicht schlüssig zu erklären vermochte, wie das der mit der Abnahme der Fingerabdrücke betraute Mitarbeiter des Bundesamts in einem Vermerk vom gleichen Tag festgehalten hat (BA-Akte Bl. 18). Da der Verwaltungsgerichtshof hierzu -von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, nötigt das zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

38

6.3 Das Berufungsgericht hat zudem § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG verletzt, weil es die Betreibensaufforderung vom 26. Oktober 2011 bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einstellungsbescheids nicht berücksichtigt hat. Denn für die Überprüfung des Bescheids kommt es maßgeblich darauf an, ob die Voraussetzungen der §§ 32, 33 AsylVfG im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht vorlagen. Das ergibt sich aus § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG, wonach das Gericht in Streitigkeiten nach diesem Gesetz auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abstellt. Das hat zur Folge, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Einstellungsbescheids vom 27. Oktober 2010 nicht nur die Betreibensaufforderung vom 23. August 2010, sondern auch die erst nach Bescheidserlass ergangene Betreibensaufforderung vom 26. Oktober 2011 zu berücksichtigen ist. Selbst wenn die erste Betreibensaufforderung zu Unrecht ergangen und der daraufhin ergangene Einstellungsbescheid des Bundesamts ursprünglich rechtswidrig gewesen sein sollte, könnte er durch die Nichterfüllung der in der Betreibensaufforderung vom 26. Oktober 2011 geforderten Mitwirkungspflicht nachträglich rechtmäßig geworden sein. Das Verfahren wäre dann nach Ablauf eines Monats seit Zugang der zweiten Betreibensaufforderung am 28. Oktober 2011 eingestellt.

39

Die Betreibensaufforderung vom 26. Oktober 2011 entspricht - vorbehaltlich des noch aufzuklärenden berechtigten Anlasses - den gesetzlichen Anforderungen. Sie bezeichnet die vom Kläger erwartete Mitwirkungshandlung - das Erscheinen in der Außenstelle des Bundesamts zum Zwecke der erneuten Abnahme von Fingerabdrücken - hinreichend konkret. Auch wird erneut darüber belehrt, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung länger als einen Monat nicht betreibt. Der Klarheit der Belehrung über die Monatsfrist steht nicht entgegen, dass dem Kläger in der Betreibensaufforderung zugleich eine Ladung zu einem Termin zur Abnahme der Fingerabdrücke angekündigt wird. Zum einen lag der mit gesonderten Schreiben anberaumte Termin (24. November 2011) innerhalb der Monatsfrist. Zum anderen entsteht durch den Hinweis auf die Terminsladung keine Unklarheit hinsichtlich der geltenden Monatsfrist. Denn für den Empfänger wurde nicht der Eindruck erweckt, dass der Termin die gesetzliche Monatsfrist für das Betreiben des Verfahrens verkürzt. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers brauchte die Betreibensaufforderung nicht erneut übersetzt zu werden, da sie an seine Verfahrensbevollmächtigten gerichtet war. Dadurch wurden die Grundsätze des fairen Verfahrens schon deshalb nicht verletzt, weil der Kläger auf die Monatsfrist und die Folgen eines Nichtbetreibens bereits am 23. August 2010 in einer für ihn verständlichen Sprache hingewiesen worden war. Weitergehende Übersetzungspflichten ergeben sich auch nicht aus Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85/EG. Eines nochmaligen Hinweises auf die mit einer Verfahrenseinstellung einhergehende Entscheidung über Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 5 oder 7 AufenthG bedurfte es schon deshalb nicht, weil bei Erlass der zweiten Betreibensaufforderung insoweit bereits eine negative Entscheidung vorlag.

40

Materiell war die Betreibensaufforderung vom 26. Oktober 2011 auf eine Mitwirkungshandlung gerichtet, die im Gesetz eine Stütze findet (§ 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG). Denn durch sie wurde der Kläger neben der Pflicht zur Duldung der Abnahme von Fingerabdrücken lediglich darauf hingewiesen, im Vorfeld der geplanten Fingerabdrucknahme alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit seiner Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten. Die Erfüllung dieser von der Kernmitwirkungspflicht umfassten, gesetzesunmittelbaren Unterlassungspflicht war zur weiteren Durchführung des Asylverfahrens erforderlich, und es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, warum sie dem Kläger nicht möglich und zumutbar sein sollte.

41

Auch insoweit fehlen jedoch tatsächliche Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, ob für diese Betreibensaufforderung ein hinreichender Anlass bestand. Sollte sich der Manipulationsverdacht des Bundesamts vom 23. August 2010 bestätigen, wäre auch der Erlass der Betreibensaufforderung vom 26. Oktober 2011 gerechtfertigt. Denn auch die - nach Angaben des Bundesamts am 8. September 2010 erfolgte - weitere Abnahme von Fingerabdrücken führte nach Aktenlage nicht zu einem auswertbaren Ergebnis.

42

7. Der Verwaltungsgerichtshof wird nunmehr aufzuklären haben, ob ein hinreichender Anlass zum Erlass der beiden Betreibensaufforderungen bestand. Dabei wird er insbesondere aufklären müssen, ob bei der Abnahme der Fingerabdrücke am 23. August 2010 tatsächlich die in dem Vermerk vom gleichen Tag dokumentierten Anhaltspunkte für eine Manipulation der Fingerkuppen vorlagen und der Kläger hierfür keine nachvollziehbaren Gründe angegeben hat. Einer hautärztlichen Untersuchung bedarf es für die Annahme eines hinreichenden Anlasses für den Erlass einer Betreibensaufforderung in derartigen Fällen grundsätzlich nicht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Asylbewerber nachvollziehbare Gründe für eine Beschädigung seiner Fingerkuppen, deren besondere Glätte oder eine besonders geringe Ausprägung der Papillarleisten vorträgt. Dabei ist auch der Regenerationszeitraum der Hautzellen zu berücksichtigen, der nach den dem Revisionsgericht vorliegenden (allgemein zugänglichen) Quellen in der Regel vier Wochen beträgt (vgl. Moll, Dermatologie, 7. Aufl. 2010, S. 6 oben - "Turn-over-Zeit" von zweimal zwei Wochen). Bestätigt sich der Manipulationsverdacht, liegen die Voraussetzungen einer rechtmäßigen Betreibensaufforderung zur schriftlichen Darlegung der Voraufenthalte und eventuellen Stellung von Asylanträgen vor. Da der Kläger keine entsprechenden Angaben gemacht hat, wäre das Asylverfahren dann bereits mit Ablauf eines Monats nach Zugang der Betreibensaufforderung vom 23. August 2010 eingestellt. Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass vor Erlass der ersten Betreibensaufforderung kein hinreichender Anlass bestand, wird es weiter zu prüfen haben, ob zumindest die zweite Betreibensaufforderung zu einer Einstellung des Verfahrens geführt hat. Das würde voraussetzen, dass für den Erlass dieser Betreibensaufforderung ein hinreichender Anlass bestand und der Kläger zur vollen Überzeugung des Gerichts das Verfahren infolge Manipulation seiner Fingerkuppen nicht betrieben hat. Für den Fall, dass die Klage im Hauptantrag keinen Erfolg hat, wird es schließlich auch über den Hilfsantrag des Klägers auf Feststellung von Abschiebungsverboten zu entscheiden haben.

Tenor

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24.10.2011 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten über die Unzulässigkeit des von ihm gestellten Asylantrags.
Der am 03.08.1987 geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Er reiste mit einem ihm am 10.12.2010 ausgestellten ungarischen Visum am 24.01.2011 nach Ungarn ein. Ab dem 07.02.2011 studierte der Kläger an der Universität Budapest. Am 20.06.2011 reiste der Kläger in das Bundesgebiet ein und beantragte am 06.07.2011 die Gewährung von Asyl.
Auf ein entsprechendes Übernahmeersuchen der Beklagten stimmte Ungarn mit Schreiben vom 20.10.2011 einer Überstellung des Klägers nach Ungarn zu.
Mit Bescheid vom 24.10.2011 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Asylantrag des Klägers sei unzulässig, da für das Asylverfahren Ungarn aufgrund der dem Kläger erteilten Aufenthaltserlaubnis gemäß Art. 9 Abs. 1 Dublin II-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Vom Selbsteintrittsrecht werde kein Gebrauch gemacht.
Dieser Bescheid wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 24.07.2012 zugestellt.
Am 01.08.2012 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, in Ungarn sei die ordnungsgemäße Durchführung eines Asylverfahrens nicht gewährleistet. Das Asylsystem in Ungarn sei defizitär. Die dortigen Aufnahme- und Unterbringungsbedingungen genügten dem europäischen Mindeststandard nicht. Asylsuchende und Flüchtlinge würden in Ungarn rechtswidrig bis zu 12 Monate inhaftiert. Effektive Rechtsmittel gegen die Verhängung von Abschiebehaft bestünden nicht. Die in den Haftanstalten Untergebrachten seien regelmäßigen Misshandlungen seitens der ungarischen Polizeikräfte ausgesetzt. Diese Verhältnisse stellten eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Artikel 4 GRCh dar.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24.10.2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
10 
die Klage abzuweisen.
11 
Sie verweist auf den Inhalt des angefochtenen Bescheids.
12 
Mit Beschluss vom 02.04.2012 - A 11 K 139/12 - hat das Gericht im Wege der einstweiligen Anordnung angeordnet, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Klägers nach Ungarn vorläufig auszusetzen.
13 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die zur Sache gehörende Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Mit dem Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
15 
Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft. Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheids vom 24.10.2011, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt hat. Für die Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage - gerichtet auf das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen - besteht kein Raum. Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.02.1998 - 9 C 28/97 - BVerwGE 106, 171). Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz kann jedoch auf behördliche Entscheidungen, die - wie vorliegend - auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwendung finden. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Außerdem führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Art. 20 Abs. 2 GG bedenklich wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - DVBl 1995, 857). Im Übrigen würde eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung der Sache und zum Durchentscheiden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen, wenn eine behördliche Sachentscheidung über das Asylbegehren noch nicht ergangen ist. Käme das Verwaltungsgericht zu der Auffassung, dass dem Asylantragsteller weder ein Anspruch auf Asylgewährung und Flüchtlingszuerkennung noch ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots zusteht, müsste die Behörde nachträglich eine Abschiebungsandrohung erlassen, was dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes widerspricht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - a.a.O.). Demnach ist in Fällen des § 27a AsylVfG die Anfechtungsklage die statthafte Klageart (ebenso VG Wiesbaden, Urt. v. 17.06.2011 - 7 K 327/11.WI.A - juris -; VG Neustadt, Urt. v. 16.06.2009 - 5 K 1166/08.NW - juris -; VG Hamburg, Urt. v. 15.03.2012 - 10 A 227/11 - juris -; VG Trier, Urt. v. 30.05.2012 - 5 K 967/11.TR - juris -; VG Freiburg, Beschl. v. 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 - juris -; VG Karlsruhe, Urt. v. 03.03.2010 - A 4 K 4052/08 - juris -; VG Düsseldorf, Urt. v. 15.01.2010 - 11 K 8136/09.A - juris -; a. A. OVG Münster, Urt. v. 10.05.2010 - 3 A 133/10.A - juris -; VGH Mannheim, Urt. v. 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - juris -). Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Bescheids ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren des Klägers von ihr in der Sache zu prüfen.
16 
Die auch sonst zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
17 
Zu Unrecht hat die Beklagte den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt. Nach dieser Bestimmung ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
18 
Der Kläger ist am 24.01.2011 mit dem Flugzeug aus dem Iran nach Ungarn gereist und hat sich dort bis Juni 2011 zu Studienzwecken aufgehalten. Ein Asylantrag wurde in Ungarn bislang nicht gestellt. Am 20.06.2011 reiste der Kläger in das Bundesgebiet ein und beantragte hier am 06.07.2011 die Gewährung von Asyl. Da der Kläger mit einem gültigen ungarischen Visum eingereist ist, ist Ungarn für die Prüfung des Asylantrags an sich zuständig (Art. 9 Abs. 2 Dublin II - VO). Die ungarischen Behörden haben auch mit Schreiben vom 20.10.2011 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags erklärt. Der Kläger wäre im Falle einer Überstellung nach Ungarn indes einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GRCh ausgesetzt.
19 
Es obliegt den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417). Wird aufgezeigt, dass systemische Störungen dazu führen, dass Asylanträge nicht einzeln, objektiv und unparteiisch geprüft und entschieden (Art. 8 Abs. 2 RL 2005/85/EG) sowie die nach Art. 10 RL 2005/85/EG gewährleisteten Verfahrensgarantien für Antragsteller und das Recht auf eine wirksame Überprüfung ablehnender Asylentscheidungen (Art. 23 RL 2005/85/EG) verletzt werden, handelt der Mitgliedstaat, der den Asylsuchenden gleichwohl an diesen Mitgliedstaat überstellt, Art. 4 GRCh zuwider. Sind den Behörden schwerwiegende Mängel des Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund zuverlässiger Berichte internationaler und nichtstaatlicher Organisationen bekannt, darf dem Asylsuchenden nicht die vollständige Beweislast dafür auferlegt werden, dass das dortige Asylsystem nicht wirksam ist; unter diesen Umständen darf sich der ersuchende Mitgliedstaat nicht auf Zusicherungen des ersuchten Mitgliedstaates, dass dem Asylsuchenden dort keine konventionswidrige Behandlung drohen werde, verlassen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - NVwZ 2011, 413). Nach diesen Grundsätzen umfasst die Darlegungslast des Asylsuchenden den Hinweis auf die zuverlässigen Quellen. Macht der Asylsuchende unter Hinweis auf Berichte internationaler Menschenrechtsorganisationen systemische Mängel im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates geltend, ist der um Schutz gebetene Mitgliedstaat verpflichtet nachzuweisen, dass das dortige Asylverfahren wirksam und in der Lage ist, den Asylantrag nach Maßgabe unionsrechtlicher Vorgaben zu behandeln. Kann der um Prüfung des Asylantrags gebetene Mitgliedstaat dies nicht belegen und überstellt er gleichwohl den Asylsuchenden an den zuständigen Mitgliedstaat, verletzt er Art. 4 GRCh.
20 
Nach diesen Grundsätzen ist das Gericht der Überzeugung, dass in Ungarn systemische Mängel des Asylverfahrens für Asylbewerber bestehen.
21 
Der Leiter des österreichischen Büros des UNHCR hat in einer Stellungnahme vom 03.02.2012 an den österreichischen Asylgerichtshof ausgeführt, dass Asylsuchende, die - wie der Kläger - aufgrund der Dublin II-VO nach Ungarn überstellt werden, unmittelbar nach ihrer Überstellung regelmäßig eine Abschiebungsverfügung erhalten und darauf basierend in der Regel inhaftiert werden, so dass viel dafür spricht, dass Ungarn Art. 18 der Richtlinie 2005/85/EG nicht beachtet, wonach die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Gewahrsam nehmen dürfen, weil sie ein Asylbewerber ist. Eine derartige Praxis wird auch durch die Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 09.11.2011 an das VG Regensburg bestätigt. Darin ist ausgeführt, dass der dortige Kläger nach seiner Rücküberstellung nach Ungarn im Dublin II-Verfahren zunächst in Györ und anschließend in Nyirbator in Gewahrsam genommen worden sei und sich Asylbewerber in der zuletzt genannten Gewahrsamseinrichtung täglich nur eine Stunde frei bewegen könnten.
22 
Derartige Praktiken werden außerdem in dem vom Kläger vorgelegten Bericht „Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, Bericht einer einjährigen Recherche bis Februar 2012“ von „Pro Asyl“ vom 15.03.2012 bestätigt. Nach diesem Bericht wird die Mehrheit der Asylsuchenden in Ungarn und der auf der Grundlage der Dublin II-Verordnung Überstellten in besonderen Haftzentren inhaftiert. De facto gebe es keine Möglichkeit, gegen die Inhaftierung ein effektives Rechtsmittel einzulegen. Nach dokumentierten Aussagen von inhaftierten Schutzsuchenden würden den Asylsuchenden in den Haftanstalten systematisch Medikamente oder Beruhigungsmittel verabreicht. Außerdem sei bei Befragungen der Inhaftierten durch den UNHCR festgestellt worden, dass Misshandlungen durch Polizeikräfte in den Hafteinrichtungen an der Tagesordnung seien.
23 
Auch der UNHCR spricht in seinem neuesten Bericht zur Situation von Asylsuchenden in Ungarn vom 24.04.2012 unter Darlegung von Einzelheiten von besorgniserregenden Entwicklungen und sieht Verbesserungen als dringend erforderlich an. Auch wenn er in diesem Bericht abschließend die Schritte Ungarns zur Verbesserung der Situation begrüßt, rechtfertigt dies angesichts seiner vorherigen Ausführungen gleichwohl nicht die Schlussfolgerung, dass die aufgezeigten Missstände beseitigt und in Zukunft nicht mehr zu befürchten sind.
24 
Bei dieser dargelegten Sachlage besteht auch im Falle des Klägers die tatsächliche Gefahr, im Falle einer Überstellung nach Ungarn einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden. Denn gegen den Kläger wird nach einer Überstellung nach Ungarn ein Ausweisungsbescheid ergehen und er wird infolge dessen in Haft genommen werden. In der Haft drohen ihm aber der Einsatz von Beruhigungsmitteln sowie Misshandlungen. Diese Maßnahmen stellen eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung dar.
25 
Da der Kläger mangels Zuständigkeit Ungarns aus rechtlichen Gründen nicht nach dorthin überstellt werden kann, erweist sich auch die auf der Grundlage von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG angeordnete Abschiebung als rechtswidrig.
26 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.

Gründe

 
14 
Mit dem Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
15 
Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft. Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheids vom 24.10.2011, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt hat. Für die Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage - gerichtet auf das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen - besteht kein Raum. Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.02.1998 - 9 C 28/97 - BVerwGE 106, 171). Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz kann jedoch auf behördliche Entscheidungen, die - wie vorliegend - auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwendung finden. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Außerdem führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Art. 20 Abs. 2 GG bedenklich wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - DVBl 1995, 857). Im Übrigen würde eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung der Sache und zum Durchentscheiden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen, wenn eine behördliche Sachentscheidung über das Asylbegehren noch nicht ergangen ist. Käme das Verwaltungsgericht zu der Auffassung, dass dem Asylantragsteller weder ein Anspruch auf Asylgewährung und Flüchtlingszuerkennung noch ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots zusteht, müsste die Behörde nachträglich eine Abschiebungsandrohung erlassen, was dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes widerspricht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.03.1995 - 9 C 264/94 - a.a.O.). Demnach ist in Fällen des § 27a AsylVfG die Anfechtungsklage die statthafte Klageart (ebenso VG Wiesbaden, Urt. v. 17.06.2011 - 7 K 327/11.WI.A - juris -; VG Neustadt, Urt. v. 16.06.2009 - 5 K 1166/08.NW - juris -; VG Hamburg, Urt. v. 15.03.2012 - 10 A 227/11 - juris -; VG Trier, Urt. v. 30.05.2012 - 5 K 967/11.TR - juris -; VG Freiburg, Beschl. v. 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 - juris -; VG Karlsruhe, Urt. v. 03.03.2010 - A 4 K 4052/08 - juris -; VG Düsseldorf, Urt. v. 15.01.2010 - 11 K 8136/09.A - juris -; a. A. OVG Münster, Urt. v. 10.05.2010 - 3 A 133/10.A - juris -; VGH Mannheim, Urt. v. 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - juris -). Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Bescheids ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren des Klägers von ihr in der Sache zu prüfen.
16 
Die auch sonst zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
17 
Zu Unrecht hat die Beklagte den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt. Nach dieser Bestimmung ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
18 
Der Kläger ist am 24.01.2011 mit dem Flugzeug aus dem Iran nach Ungarn gereist und hat sich dort bis Juni 2011 zu Studienzwecken aufgehalten. Ein Asylantrag wurde in Ungarn bislang nicht gestellt. Am 20.06.2011 reiste der Kläger in das Bundesgebiet ein und beantragte hier am 06.07.2011 die Gewährung von Asyl. Da der Kläger mit einem gültigen ungarischen Visum eingereist ist, ist Ungarn für die Prüfung des Asylantrags an sich zuständig (Art. 9 Abs. 2 Dublin II - VO). Die ungarischen Behörden haben auch mit Schreiben vom 20.10.2011 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags erklärt. Der Kläger wäre im Falle einer Überstellung nach Ungarn indes einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GRCh ausgesetzt.
19 
Es obliegt den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417). Wird aufgezeigt, dass systemische Störungen dazu führen, dass Asylanträge nicht einzeln, objektiv und unparteiisch geprüft und entschieden (Art. 8 Abs. 2 RL 2005/85/EG) sowie die nach Art. 10 RL 2005/85/EG gewährleisteten Verfahrensgarantien für Antragsteller und das Recht auf eine wirksame Überprüfung ablehnender Asylentscheidungen (Art. 23 RL 2005/85/EG) verletzt werden, handelt der Mitgliedstaat, der den Asylsuchenden gleichwohl an diesen Mitgliedstaat überstellt, Art. 4 GRCh zuwider. Sind den Behörden schwerwiegende Mängel des Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund zuverlässiger Berichte internationaler und nichtstaatlicher Organisationen bekannt, darf dem Asylsuchenden nicht die vollständige Beweislast dafür auferlegt werden, dass das dortige Asylsystem nicht wirksam ist; unter diesen Umständen darf sich der ersuchende Mitgliedstaat nicht auf Zusicherungen des ersuchten Mitgliedstaates, dass dem Asylsuchenden dort keine konventionswidrige Behandlung drohen werde, verlassen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - NVwZ 2011, 413). Nach diesen Grundsätzen umfasst die Darlegungslast des Asylsuchenden den Hinweis auf die zuverlässigen Quellen. Macht der Asylsuchende unter Hinweis auf Berichte internationaler Menschenrechtsorganisationen systemische Mängel im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates geltend, ist der um Schutz gebetene Mitgliedstaat verpflichtet nachzuweisen, dass das dortige Asylverfahren wirksam und in der Lage ist, den Asylantrag nach Maßgabe unionsrechtlicher Vorgaben zu behandeln. Kann der um Prüfung des Asylantrags gebetene Mitgliedstaat dies nicht belegen und überstellt er gleichwohl den Asylsuchenden an den zuständigen Mitgliedstaat, verletzt er Art. 4 GRCh.
20 
Nach diesen Grundsätzen ist das Gericht der Überzeugung, dass in Ungarn systemische Mängel des Asylverfahrens für Asylbewerber bestehen.
21 
Der Leiter des österreichischen Büros des UNHCR hat in einer Stellungnahme vom 03.02.2012 an den österreichischen Asylgerichtshof ausgeführt, dass Asylsuchende, die - wie der Kläger - aufgrund der Dublin II-VO nach Ungarn überstellt werden, unmittelbar nach ihrer Überstellung regelmäßig eine Abschiebungsverfügung erhalten und darauf basierend in der Regel inhaftiert werden, so dass viel dafür spricht, dass Ungarn Art. 18 der Richtlinie 2005/85/EG nicht beachtet, wonach die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Gewahrsam nehmen dürfen, weil sie ein Asylbewerber ist. Eine derartige Praxis wird auch durch die Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 09.11.2011 an das VG Regensburg bestätigt. Darin ist ausgeführt, dass der dortige Kläger nach seiner Rücküberstellung nach Ungarn im Dublin II-Verfahren zunächst in Györ und anschließend in Nyirbator in Gewahrsam genommen worden sei und sich Asylbewerber in der zuletzt genannten Gewahrsamseinrichtung täglich nur eine Stunde frei bewegen könnten.
22 
Derartige Praktiken werden außerdem in dem vom Kläger vorgelegten Bericht „Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, Bericht einer einjährigen Recherche bis Februar 2012“ von „Pro Asyl“ vom 15.03.2012 bestätigt. Nach diesem Bericht wird die Mehrheit der Asylsuchenden in Ungarn und der auf der Grundlage der Dublin II-Verordnung Überstellten in besonderen Haftzentren inhaftiert. De facto gebe es keine Möglichkeit, gegen die Inhaftierung ein effektives Rechtsmittel einzulegen. Nach dokumentierten Aussagen von inhaftierten Schutzsuchenden würden den Asylsuchenden in den Haftanstalten systematisch Medikamente oder Beruhigungsmittel verabreicht. Außerdem sei bei Befragungen der Inhaftierten durch den UNHCR festgestellt worden, dass Misshandlungen durch Polizeikräfte in den Hafteinrichtungen an der Tagesordnung seien.
23 
Auch der UNHCR spricht in seinem neuesten Bericht zur Situation von Asylsuchenden in Ungarn vom 24.04.2012 unter Darlegung von Einzelheiten von besorgniserregenden Entwicklungen und sieht Verbesserungen als dringend erforderlich an. Auch wenn er in diesem Bericht abschließend die Schritte Ungarns zur Verbesserung der Situation begrüßt, rechtfertigt dies angesichts seiner vorherigen Ausführungen gleichwohl nicht die Schlussfolgerung, dass die aufgezeigten Missstände beseitigt und in Zukunft nicht mehr zu befürchten sind.
24 
Bei dieser dargelegten Sachlage besteht auch im Falle des Klägers die tatsächliche Gefahr, im Falle einer Überstellung nach Ungarn einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden. Denn gegen den Kläger wird nach einer Überstellung nach Ungarn ein Ausweisungsbescheid ergehen und er wird infolge dessen in Haft genommen werden. In der Haft drohen ihm aber der Einsatz von Beruhigungsmitteln sowie Misshandlungen. Diese Maßnahmen stellen eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung dar.
25 
Da der Kläger mangels Zuständigkeit Ungarns aus rechtlichen Gründen nicht nach dorthin überstellt werden kann, erweist sich auch die auf der Grundlage von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG angeordnete Abschiebung als rechtswidrig.
26 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der am … 1988 geborene Kläger ist gambischer Staatsangehöriger. Er reiste am 20.05.2013 - u.a. von Italien kommend - in das Bundesgebiet ein und beantragte am 11.06.2013 seine Anerkennung als Asylberechtigter. Dabei teilte er mit, dass er bereits in Italien erfolglos ein Asylverfahren betrieben habe, weshalb er nunmehr nach Deutschland weitergereist sei („I was already in Italy, after my asyl application, my case was rejected by the Italian government, that’s wyh I came in Germany to try my chance“).
Nach entsprechendem EURODAC-Treffer (registrierter Asylantrag in Italien am 27.08.2011) ersuchte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 14.11.2013 bei der italienischen Dublin-Koordinierungsstelle um die Wiederaufnahme des Klägers. Die Anfrage wurde am 16.12.2013 wiederholt. Nachdem die italienische Dublin-Koordinierungsstelle keine Antwort erteilte, lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 15.01.2014 den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Italien an. Der Bescheid wurde dem Kläger am 18.01.2014 zugestellt.
Am 28.01.2014 hat er diesbezüglich beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und sich zur Begründung im Wesentlichen auf systemische Mängel im italienischen Asylverfahren berufen.
Der Kläger beantragt sachdienlich,
den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 15.01.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ein Asylverfahren durchzuführen sowie ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG zuzuerkennen;
hilfsweise: die Beklagte zu verpflichten, ihm den (subsidiären) Schutzstatus nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen;
höchst hilfsweise: die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass ein (komplementäres) Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Gründe des angefochtenen Bescheids.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter erklärt.
10 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die dem Gericht vorliegenden Akten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
11 
Soweit sich der Klageantrag auf ein Verpflichtungsbegehren bezieht, ist die Klage schon unzulässig. Denn der Kläger hat keine überlange Verfahrensdauer im Sinne des Art. 47 GRCh gerügt, die auch nicht ersichtlich ist, weswegen ihm von vorneherein kein Anspruch auf „Durchentscheiden“ zustehen kann (hierzu III.), es also insoweit an der Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO fehlt. Bezüglich des Anfechtungsbegehrens hingegen ist die Klage zulässig, weil sich der Kläger auf ihn betreffende systemische Mängel im italienischen Asylverfahren beruft, sodass insoweit die Verletzung eigener Rechte aus Art. 4 GRCh möglich erscheint.
12 
Selbst wenn aber nicht nur das Anfechtungs-, sondern auch das Verpflichtungsbegehren als zulässig angesehen würde, ist die Klage in jedem Fall insgesamt unbegründet. Denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung seines Asylverfahrens im Bundesgebiet sowie auf die geltend gemachten Rechtspositionen (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO). Ob im konkreten Fall das italienische Asylverfahren tatsächlich durch ablehnenden Bescheid bestandskräftig negativ abgeschlossen wurde, ist nicht hinreichend ersichtlich (nur: „my case was rejected by the Italian government“). Es kann im Ergebnis aber offen bleiben, ob ein Zweitantrag im Sinne von § 71a AsylVfG vorliegt oder der Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG unzulässig ist. In beiden Fällen ist Italien für die Fortführung des Asylverfahrens zuständig im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (- GEAS -; hierzu: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., Vorb-AsylVfG Rn. 20 ff., sowie Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen, 2013, S. 34 ff., m.w.N.). Die angefochtene Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG in der Fassung von Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (- Qualifikationsrichtlinie n.F. / QRL -) vom 28.08.2013 (BGBl I Nr. 54 v. 05.09.2013, 3474) ist gerichtlich nicht zu beanstanden.
I.
13 
Gemäß Art. 49 (Abs. 2) der Dublin III-Verordnung 604/2013/EU (- Dublin III-VO -) ist für vor dem 19.07.2013 in Deutschland gestellte (Alt-)Anträge auf internationalen Schutz (i.S. von Art. 2 lit. h QRL: Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiären Schutzes) weiterhin die Dublin II-Verordnung 343/2003/EG (- Dublin II-VO -) anwendbar. Für (Neu-)Anträge ab 01.01.2014 gilt hingegen ausschließlich die Dublin III-VO. Für Anträge im Übergangszeitraum 19.07.2013 bis 31.12.2013 gilt grundsätzlich bereits die Dublin III-VO, nicht jedoch hinsichtlich der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats, die weiterhin nach den Kriterien der Dublin II-VO erfolgt. Sämtliche Regelungen, die die Zuständigkeit eines bestimmten Mitgliedstaats für den Antrag normieren, sind für diese Übergangsfälle - nach Sinn und Zweck des Art. 49 (Abs. 2) Dublin III-VO (Verwaltungsvereinfachung auch bezüglich der verwendeten Formulare etc. im Übergangszeitraum ab Inkrafttreten der erst am 29.06.2013 veröffentlichten Dublin III-VO) - weiterhin der Dublin II-VO zu entnehmen. In deren Kapitel III ist die „Rangfolge“ der Kriterien geregelt; zu dieser Rangfolge gehören untrennbar die sonstigen Dublin II-Regelungen (insbesondere Kapitel V, in dem die Dublin II-VO etwa bei Fristablauf ebenfalls Zuständigkeitskriterien normiert). Dass Kapitel III der Dublin III-VO nunmehr die „Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats“ begrifflich enger fasst, spielt keine Rolle. Denn Art. 49 (Abs. 2) Dublin III-VO verweist ausdrücklich und pauschal auf die Kriterien der (eigentlich gemäß Art. 48 Dublin III-VO aufgehobenen) Dublin II-VO.
14 
Die Dublin II-VO ist im Übrigen (derzeit) weiterhin anwendbar bezüglich der Länder Norwegen, Island, Schweiz, Liechtenstein und Dänemark, die sich (bislang) nicht am Dublin III-System beteiligen.
15 
Die Dublin-Verordnungen dürften im Übrigen nicht nur bei bloßer Feststellung von subsidiärem Schutz, sondern selbst bei Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Dublin-Staat - jedenfalls analog - anwendbar sein (a.A. Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, 11/2013, § 27a Rn. 34). Denn in diesen Fällen behält der andere Dublin-Staat nach Sinn und Zweck der Verordnungen grundsätzlich weiterhin die Flüchtlingsverantwortung, wie dies auch Art. 4 des Europäischen Übereinkommens über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge vom 16.10.1980 (BGBl 1994 II 2645) dokumentiert (vgl. Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., § 2 AsylVfG Rn. 6). Verstärkt wird dieser Ansatz durch die Regelung des Art. 24 Abs. 1 QRL, wonach anerkannte Flüchtlinge Anspruch auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels haben. Analog Art. 9 (i.V.m. Art. 2 lit. j) Dublin II-VO bzw. Art. 12 (i.V.m. Art. 2 lit. l) Dublin III-VO muss der Aussteller-Mitgliedstaat im Dublin-System für die Prüfung des erneuten Antrags auf internationalen Schutz (dem das Rechtsschutzbedürfnis fehlen dürfte) auch in der Zwischenzeit nach Flüchtlingsanerkennung und Titelausstellung zuständig sein. Alles andere wäre mit dem öffentlichen Beschleunigungsinteresse im Sinne einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Dublin-Staates unvereinbar. Denn es kann nicht richtig sein, dass das Bundesamt oder die Asylgerichte - gegebenenfalls unter Beiziehung, Übersetzung und Auswertung der ausländischen Verwaltungsakten sowie nach Studium des jeweiligen nationalen Asylverwaltungsverfahrensrechtes - zur Aufklärung verpflichtet wären, ob der Antragsteller nun tatsächlich eigentlich bereits bestandskräftig anerkannt oder (teil-)abgelehnt wurde bzw. ob ihm die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer oder komplementärer Schutz zuerkannt worden ist. Jedenfalls dann, wenn der ersuchte Dublin-Staat im Dublin-Verfahren der (Wieder-)Aufnahme des Antragstellers zugestimmt hat, was er völker- bzw. unionsrechtlich auch ohne entsprechende Rechtspflicht darf, steht grundsätzlich im Sinne des § 34a Abs. 1 AsylVfG fest, dass die Abschiebung in diesen Staat durchgeführt werden kann. Der Einwand des Antragstellers, er sei dort aber schon anerkannt worden, kann den „effet utile“ der Dublin-Verordnungen nicht außer Kraft setzen.
16 
Im Falle des Klägers, der seinen (Alt-)Asylantrag in Deutschland am 11.06.2013 gestellt hat und bei dem unklar ist, ob sein italienisches Asylverfahren bestandskräftig beendet wurde, ist nach diesen Grundsätzen (weiterhin) die Dublin II-VO anwendbar. Da er vor Einreise in das Bundesgebiet nach dem EURODAC-Treffer sowie seinen eigenen Angaben in Italien bereits ein Asylverfahren durchlaufen hatte, bleibt Italien nach Art. 13 i.V.m. Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II-VO für ihn zuständig und muss ihn nach Maßgabe des Art. 20 Dublin II-VO wieder aufnehmen. Demgemäß hat Italien die Möglichkeit, der Wiederaufnahme ausdrücklich zuzustimmen oder die Wiederaufnahme durch Stillschweigen zu akzeptieren. Nach Art. 20 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO wird davon ausgegangen, dass Italien die Wiederaufnahme akzeptiert, wenn es nach einem EURODAC-Treffer nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab dem deutschen Ersuchen eine Antwort erteilt. Im Falle des Klägers hat das Bundesamt (erstmals) am 14.11.2013 die italienische Dublin-Koordinierungsstelle um die Wiederaufnahme des Klägers ersucht. Gemäß Art. 25 Abs. 1 Dublin II-VO steht mithin seit 29.11.2013 fest, dass Italien der Wiederaufnahme des Klägers zugestimmt hat. Damit steht zugleich auch bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung im Rechtssinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG seit 29.11.2013 insoweit fest, dass die Abschiebung des Klägers nach Italien durchgeführt werden kann.
II.
17 
Hiergegen kann der Kläger - unionsrechtlich - ausschließlich einwenden, im Zielstaat der Abschiebung bestünden systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der EU ausgesetzt zu werden. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) der Sache nach in seinem Urteil vom 10.12.2013 (Rs. C-394/12 ) entschieden und damit das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sowie seine eigene Rechtsprechung in den Urteilen und fortgeschrieben.
18 
1. Im Urteil der Großen Kammer vom 21.01.2011 (Beschw.-Nr. 30696/09) entschied der EGMR, dass eine Dublin-Überstellung von Belgien nach Griechenland aufgrund der dort herrschenden Haft- und Lebensbedingungen für Asylbewerber insbesondere gegen Art. 3 EMRK verstoßen hat.
19 
2. Der EuGH übertrug dies entsprechend Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRCh im Urteil vom 21.12.2011 (Rs. C-411/10 und 493/10) unter Anwendung von Art. 4 GRCh (= Art. 3 EMRK) in das Unionsrecht und entwickelte hierbei den Begriff der „systemischen Mängel“ bzw. „Schwachstellen“ (vgl. heute: Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO). Herrschen in einem Dublin-Staat solche systemischen Mängel im Asylsystem, was Asylbehörde und gegebenenfalls Asylgericht selbst prüfen müssen und wobei die Darlegungsanforderungen an den Antragsteller nicht überspannt werden dürfen (vgl. UK Supreme Court, Urteil vom 19.02.2014 - EM (Eritrea) v SSHD 2014] UKSC 12 - http://supremecourt.uk/decided-cases/docs/UKSC_2012_0272_Judgment.pdf), darf der Asylbewerber dorthin nicht rücküberstellt werden (Rn. 112 f.). Eine unwiderlegbare Vermutung, dass in keinem Dublin-Staat systemische Mängel existieren, widerspricht - trotz des „Prinzips des gegenseitigen Vertrauens“ und dem politischen Ziel, „forum shopping“ zu vermeiden - Unionsrecht (Rn. 79, 104). Abstrakt definiert setzt die Annahme eines systemischen Mangels allerdings keine „flächendeckende Fehlfunktion im Asylsystem“ im Sinne von „griechischen Verhältnissen“ voraus, sondern eine Schwachstelle, Fehlstruktur oder strukturelle Lücke, die im Sinne einer ceteris paribus notwendigen, aber nicht notwendig hinreichenden Bedingung für Fälle, die diese Asylsystemstelle durchlaufen, zu Rechtsverletzungen führt - dies in Abgrenzung und Gegenüberstellung zu Rechtsverletzungen, die (nur) aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände entstehen (überzeugend: Lübbe, „Systemische Mängel“ in Dublin-Verfahren, ZAR 3/2014, i.E.). Solche Rechtsverletzungen müssen jedoch hinreichend gravierend sein, denn nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den Dublin-Zielstaat führt zur Unbeachtlichkeit der Dublin-Zuständigkeitsbestimmungen (Rn. 82).
20 
Vorliegen muss vielmehr eine Verletzung von Art. 4 GRCh, die in Betracht kommen kann etwa hinsichtlich willkürlicher Haft oder katastrophaler Lebensbedingungen für Asylbewerber () oder wenn etwa aufgrund erheblicher Erkrankung und Nichtbehandelbarkeit im Dublin-Zielstaat dort der in Art. 15 der Aufnahme-RL 2003/9/EG garantierte medizinische Mindeststandard („Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten“) gefährlich unterschritten wäre (im Ergebnis ebenso: UK Supreme Court, a.a.O. Rn. 58 ff). Ausschließlich in solchen Fällen darf das Dublin-System außer Kraft gesetzt werden, auch um einen Wertungswiderspruch hinsichtlich der Art. 3 EMRK-Rechtsprechung des EGMR zu vermeiden (vgl. Urteil vom 27.05.2008 , Beschwerde Nr. 26565/05, NVwZ 2008, 1334). Denn wegen der Unteilbarkeit der Menschenwürde, die hinter Art. 4 GRCh = Art. 3 EMRK steht, kann es schlechterdings nicht richtig sein, dass die Abschiebung in den Heimatstaat - hier Gambia - hiernach zulässig wäre, obwohl dort etwa keinerlei Unterbringung gesichert ist, die Abschiebung in den Dublin-Staat - hier Italien - hingegen nach dem Maßstab desselben Menschenrechtes etwa bei gesicherter, aber schlechter Unterbringung unzulässig sein soll. Dies wäre auch mit der effet utile-Rechtsprechung des EuGH unvereinbar, der im Urteil „N.S.“ bekräftigt, dass hinsichtlich des effektiven Funktionierens des Dublin-Systems „der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, das auf gegenseitigem Vertrauen und einer Vermutung der Beachtung des Unionsrechts, genauer der Grundrechte, durch die anderen Mitgliedstaaten gründet“, auf dem Spiel stehen (Rn. 83).
21 
3. In Fortschreibung dieser Entscheidung entschied der EuGH sodann im Urteil am 14.11.2013 (Rs. C-4/11), dass bei Vorliegen systemischer Mängel, die beim konkreten Asylbewerber zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh führen, der eigentlich nicht zuständige Dublin-Staat zunächst weiter prüfen darf, ob anhand der Dublin-Regelungen ein anderer Dublin-Staat für eine Überstellung in Frage kommt (Rn. 33). Dabei hat der eigentlich nicht zuständige Dublin-Staat darauf zu achten, dass kein unangemessen langes Verfahren entsteht. Erforderlichenfalls sollte er den Asylantrag unter Inanspruchnahme des mitgliedstaatlichen Selbsteintrittsrechts (vgl. Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO; Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO) selbst prüfen (Rn. 35). Der EuGH stellte allerdings ausdrücklich klar, dass der Asylbewerber hierauf keinen Rechtsanspruch besitzt (Rn. 26, 37). Damit hat er zugleich der Sache nach klargestellt, dass ein Asylbewerber nur Anspruch darauf hat, dass sein Antrag auf internationalen Schutz auf dem Gebiet des „unvollendeten Bundesstaates EU“ geprüft wird, nicht aber darauf, dass er gerade in einem bestimmten Dublin-Staat eigener Wahl geprüft wird (kein „forum shopping“), genauso wenig, wie etwa ein Anspruch besteht, dass dies in Baden-Württemberg und nicht beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern geschieht. Indem der EuGH dem Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO die drittschützende Wirkung absprach, hat er zugleich angelegt, dass auch den anderen Dublin-Verfahrensvorschriften, insbesondere den Fristenregelungen, grundsätzlich keine drittschützende Wirkung zukommt.
22 
4. Dies wurde nunmehr im Urteil vom 10.12.2013 (Rs. C-394/12) klargestellt, in dem ausdrücklich nach dem Drittschutz von Dublin-Zuständigkeitsverfahrensvorschriften gefragt worden war. Der EuGH antwortete wiederum verneinend und in aller Klarheit, dass in dem Moment, in dem ein Dublin-Zielstaat der (Wieder-)Aufnahme des Asylbewerbers zugestimmt hat, dieser hiergegen ausschließlich dortige systemische Mängel einwenden kann, die in seinem konkreten Einzelfall zu einer Verletzung von Art. 4 GRCh führen würden (Rn. 60). Denn die Dublin-Zuständigkeitsregelungen seien im Sinne von „organisatorischen Vorschriften“ der Mitgliedstaaten (Rn. 56) und nach dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ normiert worden, um - auch wegen des öffentlichen Beschleunigungsinteresses hinsichtlich einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Dublin-Staates - einem „forum shopping“ entgegenzuwirken (Rn. 53).
III.
23 
Damit steht nunmehr im Sinne eines „acte clair“ (genauer: „acte éclairé“) fest, dass sämtliche nicht grundrechtlich (wie Art. 6-8 Dublin II-VO bzw. Art. 8-11 Dublin III-VO) aufgeladenen Dublin-Zuständigkeitsregelungen vom Asylbewerber gerichtlich grundsätzlich nicht durchgesetzt werden können. Denn der EuGH hat in allen drei Leitentscheidungen zum Dublin-System der Sache nach pauschal insbesondere mit der Funktionsfähigkeit des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems argumentiert („Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“, „öffentliches Beschleunigungsinteresse“), sodass eindeutig ist, dass sich dies nicht nur auf die jeweilig spezifischen Normen der Dublin II-VO bezieht. Auch im Rahmen der nach Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbar verbindlichen Dublin III-VO kann deshalb nichts anderes gelten. Ein Drittschutz für Dublin-Zuständigkeitsregelungen könnte allenfalls noch bei überlanger Verfahrensdauer gemäß dem über Art. 51 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GRCh hier direkt anwendbaren Art. 47 Satz 2 GRCh (vgl. Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl., Vorb-GRCh Rn. 1) anerkannt werden, um einen dauerhaft untätigen Mitgliedstaat zum Handeln zu zwingen, damit keine „refugee in orbit“-Situation entsteht. Nur in einer solchen Ausnahmekonstellation, die aufgrund der hintereinander geschalteten verschiedenen Wochen- und Monatsfristen der Dublin-Verordnungen sicherlich ein Untätigbleiben von weit über einem Jahr voraussetzt, könnte sich das private Beschleunigungsinteresse des Asylbewerbers an der inhaltlichen Bearbeitung seines Antrags gegenüber dem öffentlichen Beschleunigungsinteresse bezüglich der zeitnahen Klärung des für die Antragsbearbeitung nach den Dublin-Verordnungen zuständigen Staates durchsetzen.
24 
Ist diese Ausnahmekonstellation aber, wie im vorliegenden Fall, nicht gegeben, kann eine Klage allein mit dem Argument, etwa die Drei- bzw. Zwei-Monatsfrist des Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO oder Art. 21 Abs. 1 bzw. 23 Abs. 2 Dublin III-VO sei verletzt worden, keinen Erfolg haben. Gleiches muss gelten, wenn die Sechs-Monatsfrist des Art. 19 Abs. 4 bzw. 20 Abs. 2 Dublin II-VO oder Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO abgelaufen ist (insoweit von überholt: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 06.08.2013 - 12 S 675/13 - juris Rn. 13). Auch in diesem Fall kann eine Anfechtungsklage des Asylbewerbers unionsrechtlich allein dann Erfolg haben, wenn im Dublin-Zielstaat systemische Mängel vorliegen, die im konkreten Einzelfall zu einer Verletzung von Art. 4 GRCh führen würden. Dann müsste der angefochtene Bescheid des Bundesamts aufgehoben werden, damit dem Bundesamt die im Urteil (Rn. 33) beschriebene (und nun in Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO normierte) Möglichkeit eingeräumt wird, auf den dann weiter anhängigen Asylantrag einen anderen Dublin-Zielstaat für die Rücküberstellung zu finden bzw. vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.
25 
Ein „Durchentscheiden“ zum (vom Bundesamt, anders als bei Folgeanträgen, nicht einmal angeprüften) Asyl- und Flüchtlingsrecht bzw. subsidiären oder komplementären Schutz im Sinne der Folgeantragsrechtsprechung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.12.2000 - 9 B 426.00 - juris) scheidet hingegen aus, weil ansonsten entgegen dem Urteil unionsrechtswidrig dem Asylbewerber doch ein gerichtlich durchsetzbares Recht auf Selbsteintritt eingeräumt (insoweit von überholt: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - juris Rn. 27/30) und dem Bundesamt die Möglichkeit, einen anderen (auch „freiwillig“) aufnehmenden Dublin-Staat zu finden, abgeschnitten würde. Zudem würde hierdurch das Gericht unter Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz zur „Erstbehörde“ gemacht. Solange also die Zustimmung eines Dublin-Zielstaates (faktisch fort-)besteht, den Asylbewerber wieder aufzunehmen (und diese Zustimmung nicht etwa befristet war oder wegen Fristablaufs vom Dublin-Zielstaat inzwischen widerrufen worden ist) sowie in diesem Zielstaat keine systemischen Mängel mit der Folge der Art. 4 GRCh-Verletzung bestehen, solange kann die Klage - unionsrechtlich - keinen Erfolg haben. Diese Zustimmung kann vom Zielstaat nach dem Dublin-System verwaltungstechnisch ausdrücklich oder stillschweigend im Sinne einer Fiktion erteilt worden sein (vgl. Art. 20 Abs. 1 Dublin II-VO bzw. Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO).
26 
Im Falle des Klägers ist es hier deshalb ohne entscheidungserhebliche Relevanz, dass das Bundesamt die Drei-Monatsfrist des Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO verletzt hat (Asylantrag am 11.06.2013; Überstellungsersuchen erst am 14.11.2013). Denn Italien hat seiner Rücküberstellung (mittels Fiktion) gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO seit 29.11.2013 (stillschweigend) zugestimmt.
IV.
27 
Die Klage des Asylbewerbers könnte in dieser Konstellation allenfalls dann - nach nationalem Recht - Erfolg haben, wenn die Rücküberstellung aufgrund inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse unmöglich ist, etwa weil aufgrund einer schwerwiegenden Erkrankung keine Transportfähigkeit, d.h. Reisefähigkeit im engeren Sinne (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 06.02.2008 - 11 S 2439/07 - juris Rn. 8), besteht. Denn dann steht im Sinne von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, d.h. die Abschiebungsanordnung ist rechtswidrig. Das Bundesamt hat im Falle der Abschiebungsanordnung also nicht nur - unionsrechtlich - (Dublin-)zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote im Sinne von systemischen Mängeln i.V.m. Art. 4 GRCh zu prüfen, sondern (ausnahmsweise) auch - nationalrechtlich - inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse (ausführlich: Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, 11/2013, § 34a Rn. 22). Diese Grundregel ist trotz der prozessualen Neuerungen des Art. 27 Abs. 3 lit. c Dublin III-VO bzw. § 34a Abs. 2 AsylVfG auch unter dem Rechtsregime der Dublin III-VO beizubehalten, um das öffentliche Beschleunigungsinteresse hinsichtlich der zeitnahen Feststellung des zuständigen Dublin-Staates nicht durch gegebenenfalls unkoordinierte Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO bezüglich der Abschiebungsanordnung gegenüber dem Bundesamt einerseits und nach § 123 VwGO bezüglich Vollstreckungshindernissen gegenüber der Ausländerbehörde andererseits zu konterkarieren.
28 
Im Falle des verhältnismäßig jungen und offenbar gesunden Klägers gibt es allerdings keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme von inlandsbezogenen Vollstreckungshindernissen.
V.
29 
Bezüglich des Dublin-Zielstaates Italien liegen nach Überzeugung des erkennenden Gerichts (jedenfalls derzeit) auch keine systemischen Mängel im Sinne der dargestellten EuGH-Rechtsprechung (mehr) vor. Durch Tatsachen bestätigte Gründe dafür, dass der junge und gesunde Kläger im italienischen Asylverfahren voraussichtlich im Sinne von Art. 4 GRCh „der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen wird“, lassen sich nicht erkennen. Der Kläger selbst hat solche Gründe aufgrund eigener Erfahrungen in Italien zwischen seinem dortigen Asylerstantrag wohl am 27.08.2011 und der Ausreise aus Italien im Frühjahr 2013 im Übrigen auch nicht ansatzweise vorgetragen. Seine Begründung für die Weiterreise nach Deutschland war vielmehr, „to try my chance“.
30 
Zur aktuellen Situation in Italien hat insbesondere das Verwaltungsgericht Würzburg in seinem Beschluss vom 03.02.2014 - W 6 S 14.30087 - (juris) Folgendes dargelegt:
31 
„Nach der Erkenntnislage ist nicht anzunehmen, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien systemische Mängel aufweisen. (…) Dabei ist festzuhalten, dass nicht schon jeder Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention oder jede Verletzung eines Grundrechts zur Bejahung systemischer Mängel führt. Auch der Umstand, dass in Italien die wirtschaftliche Situation oder die medizinische Versorgung für Asylsuchende schlechter sein mag als in der Bundesrepublik Deutschland, führt für sich nicht zur Annahme systemischen Mängel oder einer allgemeinen unmenschlichen Behandlung (vgl. VG Oldenburg, B.v. 21.1.2014 – 3 B 6802/13 – juris mit Bezug auf OVG LSA, B.v. 14.11.2013 – 4 L 44/13).
32 
Das Auswärtige Amt kommt etwa in seiner Stellungnahme vom 21. Januar 2013 an das OVG Sachsen-Anhalt zu der Einschätzung, dass für Flüchtlinge in Italien landesweit ausreichende staatliche bzw. öffentliche und karitative Unterkunftsmöglichkeiten – bei teilweiser lokaler Überbelegung – zur Verfügung stehen, und insbesondere, dass alle Personen, die im Rahmen der Dublin-II-VO nach Italien zurückgeführt werden, in eine Unterkunft verteilt werden. Sie werden bei ihrer Ankunft am Flughafen empfangen, erkennungsdienstlich behandelt, einer Questura zugeteilt, von einer zuständigen Hilfsorganisation betreut und über den weiteren Verfahrensablauf unterrichtet (vgl. auch Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG NRW vom 11.09.2013).
33 
Soweit der vom Antragstellerbevollmächtigten zitierte Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Oktober 2013 erhebliche Missstände in Italien beschreibt, ebenso der UNHCR in einer Stellungnahme an das VG Freiburg vom Dezember 2013 (der daneben auch positive Aspekte honoriert), rechtfertigt dies nicht das Vorliegen von systemischen Mängeln, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, eine unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden (vgl. allgemein EuGH, U.v. 10.12.2013 – C 394/12 – juris). Das Gericht verkennt nicht das Bestehen der in den vorliegenden Berichten dargestellten Missstände, auf die auch der Antragstellerbevollmächtigte hingewiesen hat. Aber weder dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe noch der Stellungnahme des UNHCR noch sonstigen Unterlagen ist es zurzeit im ausreichenden Maß zu entnehmen, dass ein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen vorliegt bzw. dass das Asylverfahren und die Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern in Italien systemische Mängel aufweisen. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass der UNHCR weiterhin gerade keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, Asylsuchende nicht nach Italien zu überstellen. Dies ist deshalb von erheblicher Bedeutung, weil die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem Mitgliedsstaat, der nach den Kriterien der Dublin-II-VO als zuständiger Staat bestimmt wird, angesichts der Rolle, die dem Amt des UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, die bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrens zu beachten ist, besonders relevant sind (vgl. EUGH, U.v. 30.5.2013 – C-528/11 – ABl EU 2013, Nr. C 225 S. 12 – juris). Soweit in Italien Missstände und Notstände aufgrund der stark gestiegenen Asylbewerberzahl festgestellt worden sind, sind sie dieser geschuldet und stellen als solche für sich keine systemischen Mängel dar. Allein aus dem Umstand, dass andere Verwaltungsgerichte jedenfalls im Sofortverfahren zu anderen Ergebnissen kommen, mag auf den zugrundeliegenden Prüfungsmaßstab zurückzuführen sein, belegt aber nicht das tatsächliche Vorhandensein von Mängeln im italienischen System.
34 
Die vorliegende Einschätzung deckt sich mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 2. April 2013 (27725/10 – ZAR 2013, 336). Der Hinweis des Antragstellerbevollmächtigten auf eine divergierende Rechtsauffassung der 5. Sektion des EGMR und die Befassung der Großen Kammer des EGMR rechtfertigt zurzeit keine andere Beurteilung. Die 3. Sektion des EGMR hat ihre Rechtsauffassung über die Einschätzung hinsichtlich der Situation von Asylsuchenden in Italien mit einer Entscheidung vom 10. September 2013 ausdrücklich bestätigt (2314/10 – http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-127054). Zudem ist auch in dem Zusammenhang zu betonen, dass tatsächlich bestehende Defizite im italienischen Asylsystem auch mit der Folge, dass die wirtschaftliche, die medizinische und die soziale Versorgung in Italien schlechter als in der Bundesrepublik Deutschland ist, nicht die Annahme systemischer Mängel oder einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention rechtfertigen. Denn an einer Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention sind strenge Maßstäbe anzulegen (vgl. auch Thym, ZAR 2013, 331). Zudem ist nicht allein auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bzw. auf die Rechtsauffassung einer einzelnen Sektion abzustellen, sondern die gesamten Umstände des Einzelfalls sind zu würdigen.
35 
Das Gericht schließt sich nach alledem dem Teil der Rechtsprechung an, der systemische Mängel in Italien verneint und nimmt darauf ergänzend Bezug (vgl. zuletzt VG Oldenburg, B.v. 21.1.2014 – 3 B 6802/13 -; VG Regensburg, B.v. 18.12.2013 – RN 6 S 13.30720 – juris; VG Saarland, B.v. 6.12.2013 – 3 L 1989/13 – juris; VG Ansbach, B.v. 26.11.2013 – AN 1 S 13.31045 – juris; VG Trier, B.v. 6.11.2013 – 5 L 1539/13.TR – juris; OVG Berlin-Bbg, B.v. 17.6.2013 – OVG 7 S 33.13 – juris; a. A. etwa VG Gießen, U.v. 25.11.2013 – 1 K 844/11.GI.A – AuAS 2014, 12, jeweils mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung und den dort zitierten Erkenntnisquellen).“
36 
Auch das erkennende Gericht schließt sich dieser Bewertung des derzeitigen Asylsystems in Italien an. Besonderes Gewicht wird dabei dem Umstand beigemessen, dass UNHCR im Bericht vom Dezember 2013 (anders als im Falle Bulgariens, vgl. Bericht vom 02.01.2014 - http://www.refworld.org/docid/52c598354.html) und bis heute bezüglich Italien aufgrund auch der eigenen Überprüfungen vor Ort keinen Überstellungsstopp fordert.
37 
Nach alledem begegnet die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG keinen Bedenken, denn Italien ist, wie ausgeführt, der für die Fortführung des Asylverfahrens des Klägers zuständige Staat.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.

Gründe

 
11 
Soweit sich der Klageantrag auf ein Verpflichtungsbegehren bezieht, ist die Klage schon unzulässig. Denn der Kläger hat keine überlange Verfahrensdauer im Sinne des Art. 47 GRCh gerügt, die auch nicht ersichtlich ist, weswegen ihm von vorneherein kein Anspruch auf „Durchentscheiden“ zustehen kann (hierzu III.), es also insoweit an der Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO fehlt. Bezüglich des Anfechtungsbegehrens hingegen ist die Klage zulässig, weil sich der Kläger auf ihn betreffende systemische Mängel im italienischen Asylverfahren beruft, sodass insoweit die Verletzung eigener Rechte aus Art. 4 GRCh möglich erscheint.
12 
Selbst wenn aber nicht nur das Anfechtungs-, sondern auch das Verpflichtungsbegehren als zulässig angesehen würde, ist die Klage in jedem Fall insgesamt unbegründet. Denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung seines Asylverfahrens im Bundesgebiet sowie auf die geltend gemachten Rechtspositionen (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO). Ob im konkreten Fall das italienische Asylverfahren tatsächlich durch ablehnenden Bescheid bestandskräftig negativ abgeschlossen wurde, ist nicht hinreichend ersichtlich (nur: „my case was rejected by the Italian government“). Es kann im Ergebnis aber offen bleiben, ob ein Zweitantrag im Sinne von § 71a AsylVfG vorliegt oder der Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG unzulässig ist. In beiden Fällen ist Italien für die Fortführung des Asylverfahrens zuständig im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (- GEAS -; hierzu: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., Vorb-AsylVfG Rn. 20 ff., sowie Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen, 2013, S. 34 ff., m.w.N.). Die angefochtene Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG in der Fassung von Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (- Qualifikationsrichtlinie n.F. / QRL -) vom 28.08.2013 (BGBl I Nr. 54 v. 05.09.2013, 3474) ist gerichtlich nicht zu beanstanden.
I.
13 
Gemäß Art. 49 (Abs. 2) der Dublin III-Verordnung 604/2013/EU (- Dublin III-VO -) ist für vor dem 19.07.2013 in Deutschland gestellte (Alt-)Anträge auf internationalen Schutz (i.S. von Art. 2 lit. h QRL: Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiären Schutzes) weiterhin die Dublin II-Verordnung 343/2003/EG (- Dublin II-VO -) anwendbar. Für (Neu-)Anträge ab 01.01.2014 gilt hingegen ausschließlich die Dublin III-VO. Für Anträge im Übergangszeitraum 19.07.2013 bis 31.12.2013 gilt grundsätzlich bereits die Dublin III-VO, nicht jedoch hinsichtlich der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats, die weiterhin nach den Kriterien der Dublin II-VO erfolgt. Sämtliche Regelungen, die die Zuständigkeit eines bestimmten Mitgliedstaats für den Antrag normieren, sind für diese Übergangsfälle - nach Sinn und Zweck des Art. 49 (Abs. 2) Dublin III-VO (Verwaltungsvereinfachung auch bezüglich der verwendeten Formulare etc. im Übergangszeitraum ab Inkrafttreten der erst am 29.06.2013 veröffentlichten Dublin III-VO) - weiterhin der Dublin II-VO zu entnehmen. In deren Kapitel III ist die „Rangfolge“ der Kriterien geregelt; zu dieser Rangfolge gehören untrennbar die sonstigen Dublin II-Regelungen (insbesondere Kapitel V, in dem die Dublin II-VO etwa bei Fristablauf ebenfalls Zuständigkeitskriterien normiert). Dass Kapitel III der Dublin III-VO nunmehr die „Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats“ begrifflich enger fasst, spielt keine Rolle. Denn Art. 49 (Abs. 2) Dublin III-VO verweist ausdrücklich und pauschal auf die Kriterien der (eigentlich gemäß Art. 48 Dublin III-VO aufgehobenen) Dublin II-VO.
14 
Die Dublin II-VO ist im Übrigen (derzeit) weiterhin anwendbar bezüglich der Länder Norwegen, Island, Schweiz, Liechtenstein und Dänemark, die sich (bislang) nicht am Dublin III-System beteiligen.
15 
Die Dublin-Verordnungen dürften im Übrigen nicht nur bei bloßer Feststellung von subsidiärem Schutz, sondern selbst bei Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Dublin-Staat - jedenfalls analog - anwendbar sein (a.A. Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, 11/2013, § 27a Rn. 34). Denn in diesen Fällen behält der andere Dublin-Staat nach Sinn und Zweck der Verordnungen grundsätzlich weiterhin die Flüchtlingsverantwortung, wie dies auch Art. 4 des Europäischen Übereinkommens über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge vom 16.10.1980 (BGBl 1994 II 2645) dokumentiert (vgl. Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., § 2 AsylVfG Rn. 6). Verstärkt wird dieser Ansatz durch die Regelung des Art. 24 Abs. 1 QRL, wonach anerkannte Flüchtlinge Anspruch auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels haben. Analog Art. 9 (i.V.m. Art. 2 lit. j) Dublin II-VO bzw. Art. 12 (i.V.m. Art. 2 lit. l) Dublin III-VO muss der Aussteller-Mitgliedstaat im Dublin-System für die Prüfung des erneuten Antrags auf internationalen Schutz (dem das Rechtsschutzbedürfnis fehlen dürfte) auch in der Zwischenzeit nach Flüchtlingsanerkennung und Titelausstellung zuständig sein. Alles andere wäre mit dem öffentlichen Beschleunigungsinteresse im Sinne einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Dublin-Staates unvereinbar. Denn es kann nicht richtig sein, dass das Bundesamt oder die Asylgerichte - gegebenenfalls unter Beiziehung, Übersetzung und Auswertung der ausländischen Verwaltungsakten sowie nach Studium des jeweiligen nationalen Asylverwaltungsverfahrensrechtes - zur Aufklärung verpflichtet wären, ob der Antragsteller nun tatsächlich eigentlich bereits bestandskräftig anerkannt oder (teil-)abgelehnt wurde bzw. ob ihm die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer oder komplementärer Schutz zuerkannt worden ist. Jedenfalls dann, wenn der ersuchte Dublin-Staat im Dublin-Verfahren der (Wieder-)Aufnahme des Antragstellers zugestimmt hat, was er völker- bzw. unionsrechtlich auch ohne entsprechende Rechtspflicht darf, steht grundsätzlich im Sinne des § 34a Abs. 1 AsylVfG fest, dass die Abschiebung in diesen Staat durchgeführt werden kann. Der Einwand des Antragstellers, er sei dort aber schon anerkannt worden, kann den „effet utile“ der Dublin-Verordnungen nicht außer Kraft setzen.
16 
Im Falle des Klägers, der seinen (Alt-)Asylantrag in Deutschland am 11.06.2013 gestellt hat und bei dem unklar ist, ob sein italienisches Asylverfahren bestandskräftig beendet wurde, ist nach diesen Grundsätzen (weiterhin) die Dublin II-VO anwendbar. Da er vor Einreise in das Bundesgebiet nach dem EURODAC-Treffer sowie seinen eigenen Angaben in Italien bereits ein Asylverfahren durchlaufen hatte, bleibt Italien nach Art. 13 i.V.m. Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II-VO für ihn zuständig und muss ihn nach Maßgabe des Art. 20 Dublin II-VO wieder aufnehmen. Demgemäß hat Italien die Möglichkeit, der Wiederaufnahme ausdrücklich zuzustimmen oder die Wiederaufnahme durch Stillschweigen zu akzeptieren. Nach Art. 20 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO wird davon ausgegangen, dass Italien die Wiederaufnahme akzeptiert, wenn es nach einem EURODAC-Treffer nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab dem deutschen Ersuchen eine Antwort erteilt. Im Falle des Klägers hat das Bundesamt (erstmals) am 14.11.2013 die italienische Dublin-Koordinierungsstelle um die Wiederaufnahme des Klägers ersucht. Gemäß Art. 25 Abs. 1 Dublin II-VO steht mithin seit 29.11.2013 fest, dass Italien der Wiederaufnahme des Klägers zugestimmt hat. Damit steht zugleich auch bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung im Rechtssinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG seit 29.11.2013 insoweit fest, dass die Abschiebung des Klägers nach Italien durchgeführt werden kann.
II.
17 
Hiergegen kann der Kläger - unionsrechtlich - ausschließlich einwenden, im Zielstaat der Abschiebung bestünden systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der EU ausgesetzt zu werden. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) der Sache nach in seinem Urteil vom 10.12.2013 (Rs. C-394/12 ) entschieden und damit das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sowie seine eigene Rechtsprechung in den Urteilen und fortgeschrieben.
18 
1. Im Urteil der Großen Kammer vom 21.01.2011 (Beschw.-Nr. 30696/09) entschied der EGMR, dass eine Dublin-Überstellung von Belgien nach Griechenland aufgrund der dort herrschenden Haft- und Lebensbedingungen für Asylbewerber insbesondere gegen Art. 3 EMRK verstoßen hat.
19 
2. Der EuGH übertrug dies entsprechend Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRCh im Urteil vom 21.12.2011 (Rs. C-411/10 und 493/10) unter Anwendung von Art. 4 GRCh (= Art. 3 EMRK) in das Unionsrecht und entwickelte hierbei den Begriff der „systemischen Mängel“ bzw. „Schwachstellen“ (vgl. heute: Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO). Herrschen in einem Dublin-Staat solche systemischen Mängel im Asylsystem, was Asylbehörde und gegebenenfalls Asylgericht selbst prüfen müssen und wobei die Darlegungsanforderungen an den Antragsteller nicht überspannt werden dürfen (vgl. UK Supreme Court, Urteil vom 19.02.2014 - EM (Eritrea) v SSHD 2014] UKSC 12 - http://supremecourt.uk/decided-cases/docs/UKSC_2012_0272_Judgment.pdf), darf der Asylbewerber dorthin nicht rücküberstellt werden (Rn. 112 f.). Eine unwiderlegbare Vermutung, dass in keinem Dublin-Staat systemische Mängel existieren, widerspricht - trotz des „Prinzips des gegenseitigen Vertrauens“ und dem politischen Ziel, „forum shopping“ zu vermeiden - Unionsrecht (Rn. 79, 104). Abstrakt definiert setzt die Annahme eines systemischen Mangels allerdings keine „flächendeckende Fehlfunktion im Asylsystem“ im Sinne von „griechischen Verhältnissen“ voraus, sondern eine Schwachstelle, Fehlstruktur oder strukturelle Lücke, die im Sinne einer ceteris paribus notwendigen, aber nicht notwendig hinreichenden Bedingung für Fälle, die diese Asylsystemstelle durchlaufen, zu Rechtsverletzungen führt - dies in Abgrenzung und Gegenüberstellung zu Rechtsverletzungen, die (nur) aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände entstehen (überzeugend: Lübbe, „Systemische Mängel“ in Dublin-Verfahren, ZAR 3/2014, i.E.). Solche Rechtsverletzungen müssen jedoch hinreichend gravierend sein, denn nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den Dublin-Zielstaat führt zur Unbeachtlichkeit der Dublin-Zuständigkeitsbestimmungen (Rn. 82).
20 
Vorliegen muss vielmehr eine Verletzung von Art. 4 GRCh, die in Betracht kommen kann etwa hinsichtlich willkürlicher Haft oder katastrophaler Lebensbedingungen für Asylbewerber () oder wenn etwa aufgrund erheblicher Erkrankung und Nichtbehandelbarkeit im Dublin-Zielstaat dort der in Art. 15 der Aufnahme-RL 2003/9/EG garantierte medizinische Mindeststandard („Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten“) gefährlich unterschritten wäre (im Ergebnis ebenso: UK Supreme Court, a.a.O. Rn. 58 ff). Ausschließlich in solchen Fällen darf das Dublin-System außer Kraft gesetzt werden, auch um einen Wertungswiderspruch hinsichtlich der Art. 3 EMRK-Rechtsprechung des EGMR zu vermeiden (vgl. Urteil vom 27.05.2008 , Beschwerde Nr. 26565/05, NVwZ 2008, 1334). Denn wegen der Unteilbarkeit der Menschenwürde, die hinter Art. 4 GRCh = Art. 3 EMRK steht, kann es schlechterdings nicht richtig sein, dass die Abschiebung in den Heimatstaat - hier Gambia - hiernach zulässig wäre, obwohl dort etwa keinerlei Unterbringung gesichert ist, die Abschiebung in den Dublin-Staat - hier Italien - hingegen nach dem Maßstab desselben Menschenrechtes etwa bei gesicherter, aber schlechter Unterbringung unzulässig sein soll. Dies wäre auch mit der effet utile-Rechtsprechung des EuGH unvereinbar, der im Urteil „N.S.“ bekräftigt, dass hinsichtlich des effektiven Funktionierens des Dublin-Systems „der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, das auf gegenseitigem Vertrauen und einer Vermutung der Beachtung des Unionsrechts, genauer der Grundrechte, durch die anderen Mitgliedstaaten gründet“, auf dem Spiel stehen (Rn. 83).
21 
3. In Fortschreibung dieser Entscheidung entschied der EuGH sodann im Urteil am 14.11.2013 (Rs. C-4/11), dass bei Vorliegen systemischer Mängel, die beim konkreten Asylbewerber zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh führen, der eigentlich nicht zuständige Dublin-Staat zunächst weiter prüfen darf, ob anhand der Dublin-Regelungen ein anderer Dublin-Staat für eine Überstellung in Frage kommt (Rn. 33). Dabei hat der eigentlich nicht zuständige Dublin-Staat darauf zu achten, dass kein unangemessen langes Verfahren entsteht. Erforderlichenfalls sollte er den Asylantrag unter Inanspruchnahme des mitgliedstaatlichen Selbsteintrittsrechts (vgl. Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO; Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO) selbst prüfen (Rn. 35). Der EuGH stellte allerdings ausdrücklich klar, dass der Asylbewerber hierauf keinen Rechtsanspruch besitzt (Rn. 26, 37). Damit hat er zugleich der Sache nach klargestellt, dass ein Asylbewerber nur Anspruch darauf hat, dass sein Antrag auf internationalen Schutz auf dem Gebiet des „unvollendeten Bundesstaates EU“ geprüft wird, nicht aber darauf, dass er gerade in einem bestimmten Dublin-Staat eigener Wahl geprüft wird (kein „forum shopping“), genauso wenig, wie etwa ein Anspruch besteht, dass dies in Baden-Württemberg und nicht beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern geschieht. Indem der EuGH dem Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO die drittschützende Wirkung absprach, hat er zugleich angelegt, dass auch den anderen Dublin-Verfahrensvorschriften, insbesondere den Fristenregelungen, grundsätzlich keine drittschützende Wirkung zukommt.
22 
4. Dies wurde nunmehr im Urteil vom 10.12.2013 (Rs. C-394/12) klargestellt, in dem ausdrücklich nach dem Drittschutz von Dublin-Zuständigkeitsverfahrensvorschriften gefragt worden war. Der EuGH antwortete wiederum verneinend und in aller Klarheit, dass in dem Moment, in dem ein Dublin-Zielstaat der (Wieder-)Aufnahme des Asylbewerbers zugestimmt hat, dieser hiergegen ausschließlich dortige systemische Mängel einwenden kann, die in seinem konkreten Einzelfall zu einer Verletzung von Art. 4 GRCh führen würden (Rn. 60). Denn die Dublin-Zuständigkeitsregelungen seien im Sinne von „organisatorischen Vorschriften“ der Mitgliedstaaten (Rn. 56) und nach dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ normiert worden, um - auch wegen des öffentlichen Beschleunigungsinteresses hinsichtlich einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Dublin-Staates - einem „forum shopping“ entgegenzuwirken (Rn. 53).
III.
23 
Damit steht nunmehr im Sinne eines „acte clair“ (genauer: „acte éclairé“) fest, dass sämtliche nicht grundrechtlich (wie Art. 6-8 Dublin II-VO bzw. Art. 8-11 Dublin III-VO) aufgeladenen Dublin-Zuständigkeitsregelungen vom Asylbewerber gerichtlich grundsätzlich nicht durchgesetzt werden können. Denn der EuGH hat in allen drei Leitentscheidungen zum Dublin-System der Sache nach pauschal insbesondere mit der Funktionsfähigkeit des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems argumentiert („Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“, „öffentliches Beschleunigungsinteresse“), sodass eindeutig ist, dass sich dies nicht nur auf die jeweilig spezifischen Normen der Dublin II-VO bezieht. Auch im Rahmen der nach Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbar verbindlichen Dublin III-VO kann deshalb nichts anderes gelten. Ein Drittschutz für Dublin-Zuständigkeitsregelungen könnte allenfalls noch bei überlanger Verfahrensdauer gemäß dem über Art. 51 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GRCh hier direkt anwendbaren Art. 47 Satz 2 GRCh (vgl. Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl., Vorb-GRCh Rn. 1) anerkannt werden, um einen dauerhaft untätigen Mitgliedstaat zum Handeln zu zwingen, damit keine „refugee in orbit“-Situation entsteht. Nur in einer solchen Ausnahmekonstellation, die aufgrund der hintereinander geschalteten verschiedenen Wochen- und Monatsfristen der Dublin-Verordnungen sicherlich ein Untätigbleiben von weit über einem Jahr voraussetzt, könnte sich das private Beschleunigungsinteresse des Asylbewerbers an der inhaltlichen Bearbeitung seines Antrags gegenüber dem öffentlichen Beschleunigungsinteresse bezüglich der zeitnahen Klärung des für die Antragsbearbeitung nach den Dublin-Verordnungen zuständigen Staates durchsetzen.
24 
Ist diese Ausnahmekonstellation aber, wie im vorliegenden Fall, nicht gegeben, kann eine Klage allein mit dem Argument, etwa die Drei- bzw. Zwei-Monatsfrist des Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO oder Art. 21 Abs. 1 bzw. 23 Abs. 2 Dublin III-VO sei verletzt worden, keinen Erfolg haben. Gleiches muss gelten, wenn die Sechs-Monatsfrist des Art. 19 Abs. 4 bzw. 20 Abs. 2 Dublin II-VO oder Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO abgelaufen ist (insoweit von überholt: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 06.08.2013 - 12 S 675/13 - juris Rn. 13). Auch in diesem Fall kann eine Anfechtungsklage des Asylbewerbers unionsrechtlich allein dann Erfolg haben, wenn im Dublin-Zielstaat systemische Mängel vorliegen, die im konkreten Einzelfall zu einer Verletzung von Art. 4 GRCh führen würden. Dann müsste der angefochtene Bescheid des Bundesamts aufgehoben werden, damit dem Bundesamt die im Urteil (Rn. 33) beschriebene (und nun in Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO normierte) Möglichkeit eingeräumt wird, auf den dann weiter anhängigen Asylantrag einen anderen Dublin-Zielstaat für die Rücküberstellung zu finden bzw. vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.
25 
Ein „Durchentscheiden“ zum (vom Bundesamt, anders als bei Folgeanträgen, nicht einmal angeprüften) Asyl- und Flüchtlingsrecht bzw. subsidiären oder komplementären Schutz im Sinne der Folgeantragsrechtsprechung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.12.2000 - 9 B 426.00 - juris) scheidet hingegen aus, weil ansonsten entgegen dem Urteil unionsrechtswidrig dem Asylbewerber doch ein gerichtlich durchsetzbares Recht auf Selbsteintritt eingeräumt (insoweit von überholt: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - juris Rn. 27/30) und dem Bundesamt die Möglichkeit, einen anderen (auch „freiwillig“) aufnehmenden Dublin-Staat zu finden, abgeschnitten würde. Zudem würde hierdurch das Gericht unter Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz zur „Erstbehörde“ gemacht. Solange also die Zustimmung eines Dublin-Zielstaates (faktisch fort-)besteht, den Asylbewerber wieder aufzunehmen (und diese Zustimmung nicht etwa befristet war oder wegen Fristablaufs vom Dublin-Zielstaat inzwischen widerrufen worden ist) sowie in diesem Zielstaat keine systemischen Mängel mit der Folge der Art. 4 GRCh-Verletzung bestehen, solange kann die Klage - unionsrechtlich - keinen Erfolg haben. Diese Zustimmung kann vom Zielstaat nach dem Dublin-System verwaltungstechnisch ausdrücklich oder stillschweigend im Sinne einer Fiktion erteilt worden sein (vgl. Art. 20 Abs. 1 Dublin II-VO bzw. Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO).
26 
Im Falle des Klägers ist es hier deshalb ohne entscheidungserhebliche Relevanz, dass das Bundesamt die Drei-Monatsfrist des Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO verletzt hat (Asylantrag am 11.06.2013; Überstellungsersuchen erst am 14.11.2013). Denn Italien hat seiner Rücküberstellung (mittels Fiktion) gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO seit 29.11.2013 (stillschweigend) zugestimmt.
IV.
27 
Die Klage des Asylbewerbers könnte in dieser Konstellation allenfalls dann - nach nationalem Recht - Erfolg haben, wenn die Rücküberstellung aufgrund inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse unmöglich ist, etwa weil aufgrund einer schwerwiegenden Erkrankung keine Transportfähigkeit, d.h. Reisefähigkeit im engeren Sinne (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 06.02.2008 - 11 S 2439/07 - juris Rn. 8), besteht. Denn dann steht im Sinne von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, d.h. die Abschiebungsanordnung ist rechtswidrig. Das Bundesamt hat im Falle der Abschiebungsanordnung also nicht nur - unionsrechtlich - (Dublin-)zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote im Sinne von systemischen Mängeln i.V.m. Art. 4 GRCh zu prüfen, sondern (ausnahmsweise) auch - nationalrechtlich - inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse (ausführlich: Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, 11/2013, § 34a Rn. 22). Diese Grundregel ist trotz der prozessualen Neuerungen des Art. 27 Abs. 3 lit. c Dublin III-VO bzw. § 34a Abs. 2 AsylVfG auch unter dem Rechtsregime der Dublin III-VO beizubehalten, um das öffentliche Beschleunigungsinteresse hinsichtlich der zeitnahen Feststellung des zuständigen Dublin-Staates nicht durch gegebenenfalls unkoordinierte Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO bezüglich der Abschiebungsanordnung gegenüber dem Bundesamt einerseits und nach § 123 VwGO bezüglich Vollstreckungshindernissen gegenüber der Ausländerbehörde andererseits zu konterkarieren.
28 
Im Falle des verhältnismäßig jungen und offenbar gesunden Klägers gibt es allerdings keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme von inlandsbezogenen Vollstreckungshindernissen.
V.
29 
Bezüglich des Dublin-Zielstaates Italien liegen nach Überzeugung des erkennenden Gerichts (jedenfalls derzeit) auch keine systemischen Mängel im Sinne der dargestellten EuGH-Rechtsprechung (mehr) vor. Durch Tatsachen bestätigte Gründe dafür, dass der junge und gesunde Kläger im italienischen Asylverfahren voraussichtlich im Sinne von Art. 4 GRCh „der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen wird“, lassen sich nicht erkennen. Der Kläger selbst hat solche Gründe aufgrund eigener Erfahrungen in Italien zwischen seinem dortigen Asylerstantrag wohl am 27.08.2011 und der Ausreise aus Italien im Frühjahr 2013 im Übrigen auch nicht ansatzweise vorgetragen. Seine Begründung für die Weiterreise nach Deutschland war vielmehr, „to try my chance“.
30 
Zur aktuellen Situation in Italien hat insbesondere das Verwaltungsgericht Würzburg in seinem Beschluss vom 03.02.2014 - W 6 S 14.30087 - (juris) Folgendes dargelegt:
31 
„Nach der Erkenntnislage ist nicht anzunehmen, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien systemische Mängel aufweisen. (…) Dabei ist festzuhalten, dass nicht schon jeder Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention oder jede Verletzung eines Grundrechts zur Bejahung systemischer Mängel führt. Auch der Umstand, dass in Italien die wirtschaftliche Situation oder die medizinische Versorgung für Asylsuchende schlechter sein mag als in der Bundesrepublik Deutschland, führt für sich nicht zur Annahme systemischen Mängel oder einer allgemeinen unmenschlichen Behandlung (vgl. VG Oldenburg, B.v. 21.1.2014 – 3 B 6802/13 – juris mit Bezug auf OVG LSA, B.v. 14.11.2013 – 4 L 44/13).
32 
Das Auswärtige Amt kommt etwa in seiner Stellungnahme vom 21. Januar 2013 an das OVG Sachsen-Anhalt zu der Einschätzung, dass für Flüchtlinge in Italien landesweit ausreichende staatliche bzw. öffentliche und karitative Unterkunftsmöglichkeiten – bei teilweiser lokaler Überbelegung – zur Verfügung stehen, und insbesondere, dass alle Personen, die im Rahmen der Dublin-II-VO nach Italien zurückgeführt werden, in eine Unterkunft verteilt werden. Sie werden bei ihrer Ankunft am Flughafen empfangen, erkennungsdienstlich behandelt, einer Questura zugeteilt, von einer zuständigen Hilfsorganisation betreut und über den weiteren Verfahrensablauf unterrichtet (vgl. auch Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG NRW vom 11.09.2013).
33 
Soweit der vom Antragstellerbevollmächtigten zitierte Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Oktober 2013 erhebliche Missstände in Italien beschreibt, ebenso der UNHCR in einer Stellungnahme an das VG Freiburg vom Dezember 2013 (der daneben auch positive Aspekte honoriert), rechtfertigt dies nicht das Vorliegen von systemischen Mängeln, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, eine unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden (vgl. allgemein EuGH, U.v. 10.12.2013 – C 394/12 – juris). Das Gericht verkennt nicht das Bestehen der in den vorliegenden Berichten dargestellten Missstände, auf die auch der Antragstellerbevollmächtigte hingewiesen hat. Aber weder dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe noch der Stellungnahme des UNHCR noch sonstigen Unterlagen ist es zurzeit im ausreichenden Maß zu entnehmen, dass ein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen vorliegt bzw. dass das Asylverfahren und die Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern in Italien systemische Mängel aufweisen. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass der UNHCR weiterhin gerade keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, Asylsuchende nicht nach Italien zu überstellen. Dies ist deshalb von erheblicher Bedeutung, weil die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem Mitgliedsstaat, der nach den Kriterien der Dublin-II-VO als zuständiger Staat bestimmt wird, angesichts der Rolle, die dem Amt des UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, die bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrens zu beachten ist, besonders relevant sind (vgl. EUGH, U.v. 30.5.2013 – C-528/11 – ABl EU 2013, Nr. C 225 S. 12 – juris). Soweit in Italien Missstände und Notstände aufgrund der stark gestiegenen Asylbewerberzahl festgestellt worden sind, sind sie dieser geschuldet und stellen als solche für sich keine systemischen Mängel dar. Allein aus dem Umstand, dass andere Verwaltungsgerichte jedenfalls im Sofortverfahren zu anderen Ergebnissen kommen, mag auf den zugrundeliegenden Prüfungsmaßstab zurückzuführen sein, belegt aber nicht das tatsächliche Vorhandensein von Mängeln im italienischen System.
34 
Die vorliegende Einschätzung deckt sich mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 2. April 2013 (27725/10 – ZAR 2013, 336). Der Hinweis des Antragstellerbevollmächtigten auf eine divergierende Rechtsauffassung der 5. Sektion des EGMR und die Befassung der Großen Kammer des EGMR rechtfertigt zurzeit keine andere Beurteilung. Die 3. Sektion des EGMR hat ihre Rechtsauffassung über die Einschätzung hinsichtlich der Situation von Asylsuchenden in Italien mit einer Entscheidung vom 10. September 2013 ausdrücklich bestätigt (2314/10 – http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-127054). Zudem ist auch in dem Zusammenhang zu betonen, dass tatsächlich bestehende Defizite im italienischen Asylsystem auch mit der Folge, dass die wirtschaftliche, die medizinische und die soziale Versorgung in Italien schlechter als in der Bundesrepublik Deutschland ist, nicht die Annahme systemischer Mängel oder einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention rechtfertigen. Denn an einer Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention sind strenge Maßstäbe anzulegen (vgl. auch Thym, ZAR 2013, 331). Zudem ist nicht allein auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bzw. auf die Rechtsauffassung einer einzelnen Sektion abzustellen, sondern die gesamten Umstände des Einzelfalls sind zu würdigen.
35 
Das Gericht schließt sich nach alledem dem Teil der Rechtsprechung an, der systemische Mängel in Italien verneint und nimmt darauf ergänzend Bezug (vgl. zuletzt VG Oldenburg, B.v. 21.1.2014 – 3 B 6802/13 -; VG Regensburg, B.v. 18.12.2013 – RN 6 S 13.30720 – juris; VG Saarland, B.v. 6.12.2013 – 3 L 1989/13 – juris; VG Ansbach, B.v. 26.11.2013 – AN 1 S 13.31045 – juris; VG Trier, B.v. 6.11.2013 – 5 L 1539/13.TR – juris; OVG Berlin-Bbg, B.v. 17.6.2013 – OVG 7 S 33.13 – juris; a. A. etwa VG Gießen, U.v. 25.11.2013 – 1 K 844/11.GI.A – AuAS 2014, 12, jeweils mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung und den dort zitierten Erkenntnisquellen).“
36 
Auch das erkennende Gericht schließt sich dieser Bewertung des derzeitigen Asylsystems in Italien an. Besonderes Gewicht wird dabei dem Umstand beigemessen, dass UNHCR im Bericht vom Dezember 2013 (anders als im Falle Bulgariens, vgl. Bericht vom 02.01.2014 - http://www.refworld.org/docid/52c598354.html) und bis heute bezüglich Italien aufgrund auch der eigenen Überprüfungen vor Ort keinen Überstellungsstopp fordert.
37 
Nach alledem begegnet die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG keinen Bedenken, denn Italien ist, wie ausgeführt, der für die Fortführung des Asylverfahrens des Klägers zuständige Staat.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der 1985 geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Pakistan und gehört zu den Punjabi. Er verließ nach seinen Angaben Pakistan am 25.02.2012 und kam am 26.03.2012 nach Italien, wo er erkennungsdienstlich behandelt wurde. Am 03.06.2012 reiste er nach seinen Angaben auf dem Landweg über die Schweiz oder Frankreich nach Deutschland.
Am 18.06.2012 stellte er einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellte daraufhin am 18.10.2012 ein auf Art. 16 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien. Am 30.11.2012 erfolgte die Zustimmung Italiens zur Rücküberstellung des Klägers.
Mit Bescheid vom 03.12.2012 erklärte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag für unzulässig und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Ein Zustellungsnachweis befindet sich nicht bei den Akten; jedenfalls wurde der Bescheid mit einem Begleitschreiben vom 15.01.2013 zur Post gegeben. Die für den 31.01.2013 vorgesehene Überstellung nach Italien konnte nicht durchgeführt werden, da der Kläger nicht angetroffen wurde.
Am 28.01.2013 erhob der Kläger Klage und machte geltend, eine Abschiebung nach Italien sei nicht zulässig. Er habe in Italien gar keinen Asylantrag gestellt. Auch bestehe die Gefahr der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung in Italien. Die Beklagte hätte von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen.
Mit Beschluss vom 14.03.2013 (A 12 K 332/13) ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 03.12.2012 enthaltene Abschiebungsanordnung an und gab der Beklagten auf, dem Regierungspräsidium Karlsruhe die Anordnung der aufschiebenden Wirkung mitzuteilen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vom 17.06.2013 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 03.12.2012 auf und verpflichtete die Bundesrepublik Deutschland auf den ausdrücklichen Antrag des Klägers, sein Asylverfahren fortzuführen. Zur Begründung führte es aus: Zwar sei Italien der zuständige Mitgliedstaat. Allerdings leide das Asylsystem Italiens unter sog. systemischen Mängeln im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, sodass die Bundesrepublik von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müsse.
Auf den rechtzeitig gestellten Antrag der Beklagten ließ der Senat durch Beschluss vom 14.08.2013 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.
Am 05.09.2013 hat der Beklagte unter Stellung eines Antrags die Berufung begründet: Zunächst sei davon auszugehen, dass das Zuständigkeitsregime der Dublin-Verordnung keine subjektiven Rechte der Asylbewerber begründe. Im Übrigen gelte nach der Rechtsprechung des EuGH eine generelle Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention erfolge. Dass in Bezug auf Italien ernsthaft und erwiesenermaßen zu befürchten sei, dass systemische Mängel zwangsläufig mit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung der überstellten Asylbewerber einhergingen, könne nicht eingewandt werden. Nach den vorliegenden Quellen, insbesondere von UNHCR, seien derartige Befürchtungen nicht gerechtfertigt.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.06.2013 - A 12 K 331/13 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten verweist der Senat auf die gewechselten Schriftsätze. Dem Senat liegen die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

Gründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. September 2009 - A 6 K 3484/08 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt seine Anerkennung als Asylberechtigter.
Der Kläger, ein nach seinen Angaben am ...1985 in Sheikhan geborener irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und yezidischen Glaubens, reiste am 3.2.2008 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung machte er geltend, er stamme aus dem im Sheikhan gelegenen Dorf Essya (gemeint wohl Esyan). Seine Familie, zu der außer seinen Eltern sieben Brüder und sechs Schwestern gehörten, lebe noch mit Ausnahme eines Bruders im Sheikhan. Er habe den Irak im Dezember 2004 verlassen und sich zunächst einige Monate in Griechenland aufgehalten. Er sei dann nach Holland geflogen und habe dort einen Asylantrag gestellt. Die holländischen Behörden hätten den Antrag im Mai 2006 abgelehnt und ihn zurück nach Griechenland geschickt, wo er zunächst in Abschiebehaft genommen worden sei. Nach seiner Freilassung sei er in den Irak zurückgekehrt. Am 22.1.2008 habe er den Irak wieder verlassen und sei über die Türkei nach Deutschland gereist. Der Grund dafür sei, dass er als Yezide von den Leuten merkwürdig angeschaut worden sei. Er habe auch schon gehört, dass in anderen yezidischen Dörfern Leute überfallen worden seien. Er selbst sei aber weder bedroht noch in anderer Weise behelligt worden.
Nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) festgestellt hatte, dass der Kläger bereits am 23.5.2006 einen Asylantrag in Griechenland gestellt hatte, ersuchte es mit Schreiben vom 10.4.2008 die griechischen Behörden um Aufnahme des Klägers. Das Ersuchen blieb trotz einer mit Schreiben vom 14.5.2008 erfolgten Erinnerung unbeantwortet.
Das Bundesamt lehnte daraufhin mit Bescheid vom 8.9.2008 den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Griechenland an. Zur Begründung führte es aus, der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Griechenland aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. e Dublin II-VO für die Behandlung des Antrags zuständig sei.
Der Kläger hat am 9.9.2008 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und beantragt, den Bescheid des Bundesamts vom 8.9.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG zuzuerkennen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 7 S. 2 AufenthG festzustellen, weiter hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 S. 1 AufenthG festzustellen. Der Kläger hat ferner am gleichen Tag einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, auf den das Verwaltungsgericht die Beklagte mit Beschluss vom 16.10.2008 durch eine einstweilige Anordnung verpflichtet hat, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Antragstellers nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen und für den Fall, dass die zuständige Ausländerbehörde von der Abschiebungsanordnung bereits in Kenntnis gesetzt worden sei, dieser mitzuteilen, dass eine Abschiebung nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten nicht durchgeführt werden dürfe.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Mit Urteil vom 29.9.2009 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Bundesamts vom 8.9.2008 aufgehoben und die Beklagte zu der Feststellung verpflichtet, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Asylantrag des Klägers sei nicht mehr gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, da die Beklagte inzwischen für das Asylverfahren des Klägers zuständig geworden sei. Zwar sei ursprünglich Griechenland für das Asylverfahren des Klägers zuständig gewesen, da der Kläger bereits am 23.5.2006 auf dem Flughafen von Athen einen Asylantrag gestellt habe. Die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers sei jedoch gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO von Griechenland auf die beklagte Bundesrepublik Deutschland übergangen, da der Kläger nicht innerhalb der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist an Griechenland überstellt worden sei. Zwar habe die erkennende Kammer die Beklagte mit Beschluss vom 16.10.2008 durch eine einstweilige Anordnung verpflichtet, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Antragstellers nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen. Diese einstweilige Anordnung stelle jedoch keinen Rechtsbehelf dar, der aufschiebende Wirkung habe. Der Beschluss habe daher keinen Einfluss auf den Ablauf der für die Überstellung geltenden Frist. Der zulässig gewordene Asylantrag des Klägers sei auch begründet, da dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak eine religiös motivierte Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure im Sinne des § 60 Abs. 1 S. 4 Buchst. c AufenthG drohe. Die Beklagte gehe bei Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, grundsätzlich von einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure aus. Nach dem Gutachten des Europäischen Zentrums für kurdische Studien vom 26.5.2008 liege das Sheikhan-Gebiet im Grenzgebiet zwischen Zentral- und Nordirak. Es gehöre verwaltungstechnisch und rechtlich zur Provinz Niniwe/Mosul und stehe damit de jure unter zentralirakischer Verwaltung. Mithin treffe die von der Beklagten für Yeziden aus dem Zentralirak angenommene Gruppenverfolgung auch für die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden zu.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 2.2.2010 zugelassene Berufung der Beklagten. Auf Antrag der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 29.6.2010 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Die Beklagte hat das Verfahren am 25.3.2011 wieder angerufen.
Die Beklagte macht geltend, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht der Ansicht, dass die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO von Griechenland auf Deutschland übergangen sei. Die sechsmonatige Frist für den Übergang der Zuständigkeit beginne erst ab dem Zeitpunkt zu laufen, ab dem die Behörde den Bescheid auch vollziehen könne und sich dabei ausschließlich den technischen Problemen der Überstellung widmen könne. Unabhängig davon halte das Verwaltungsgericht den Asylantrag auch zu Unrecht für in der Sache begründet. Nach dem Vorbringen des Klägers sei nicht ersichtlich, dass dieser den Irak unter dem Druck individuell erlittener oder unmittelbar drohender Verfolgung verlassen habe. Eine gruppenspezifische Gefährdung der Yeziden im Irak lasse sich nicht feststellen.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. September 2009 - A 6 K 3484/08 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Verwaltungsgerichts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Hauptantrag des Klägers zu Unrecht entsprochen. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG liegen entgegen seiner Ansicht nicht vor (unten I). Die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 S. 2 AufenthG bzw. § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben, so dass die Klage auch mit den vom Kläger gestellten Hilfsanträgen keinen Erfolg haben kann (unten II).
I.
17 
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht zu der Feststellung verpflichtet, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist.
18 
1. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die beklagte Bundesrepublik Deutschland sei für das Asylverfahren des Klägers zuständig, auch wenn der Kläger zuvor einen Asylantrag in Griechenland gestellt habe. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen.
19 
a) Der Kläger hat am 23.5.2006 in Griechenland einen ersten und nach seiner zwischenzeitlichen Rückkehr in den Irak am 3.2.2008 einen weiteren Asylantrag in Deutschland gestellt. Wegen des zuvor in Griechenland durchgeführten Asylverfahrens hat das Bundesamt mit Schreiben vom 10.4.2008 ein Aufnahmeersuchen an Griechenland gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.2.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, (im Folgenden: Dublin II-VO) gestellt, auf das Griechenland nicht innerhalb von zwei Monaten geantwortet hat. Nach Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO ist in einem solchen Fall davon auszugehen, dass der ersuchte Mitgliedstaat die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiert, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.
20 
Das hat auch das Verwaltungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt. Es hat gleichwohl angenommen, dass die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO von Griechenland auf die Beklagte übergangen sei, da der Kläger nicht innerhalb der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist an Griechenland überstellt worden sei. Den Umstand, dass die erkennende Kammer die Beklagte mit Beschluss vom 16.10.2008 durch eine einstweilige Anordnung verpflichtet hat, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Antragstellers nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen, hat das Verwaltungsgericht dabei für unerheblich erklärt, da diese Anordnung keinen Rechtsbehelf darstelle, der aufschiebende Wirkung habe. Der Beschluss habe daher keinen Einfluss auf den Ablauf der für die Überstellung geltenden Frist. Das steht, wie die Beklagte zu Recht beanstandet, mit Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO nicht in Einklang.
21 
aa) Die Überstellung des Asylbewerbers von dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des ersteren Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, „sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch den anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat“ (Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO). Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde (Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO).
22 
Nach der im deutschen (nationalen) Recht geltenden Regelung in § 34 a Abs. 2 AsylVfG darf die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat nicht nach § 80 oder § 123 VwGO ausgesetzt werden. Das Gleiche gilt nach der Neufassung dieser Vorschrift durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 für die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat. Im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93 - (BVerfGE 94, 49) hat sich das Verwaltungsgericht trotz dieser Regelung für berechtigt gehalten, die Abschiebung des Klägers nach Griechenland auf dessen Antrag auszusetzen, da nach den vorliegenden Erkenntnisquellen zur Situation und Behandlung von Flüchtlingen in Griechenland davon auszugehen sei, dass dem Kläger dort kein Asylverfahren offen stehe, das die Mindestnormen für Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß der Europäischen Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1.12.2005 einhalte. Ebenso wenig sei gewährleistet, dass in Griechenland die Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern gemäß der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.1.2003 eingehalten würden. Die Verletzung der genannten Normen und die damit einher gehenden Grundrechts- und Menschenrechtsverletzungen seien als Sonderfall anzusehen, in dem § 34 a Abs. 2 AsylVfG nicht anzuwenden sei.
23 
bb) Mit dieser Entscheidung ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts der Lauf der Frist für die Überstellung des Klägers an Griechenland gehemmt worden.
24 
Die in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehene Frist berücksichtigt die organisatorischen Schwierigkeiten, die mit der Durchführung der Überstellung verbunden sind, und verfolgt das Ziel, es den beiden betroffenen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, sich im Hinblick auf die Durchführung abzustimmen, und es insbesondere dem ersuchenden Mitgliedstaat zu erlauben, die Modalitäten für die Durchführung der Überstellung zu regeln, die nach den nationalen Rechtsvorschriften dieses letztgenannten Staates erfolgt. Das gilt auch für den in der Vorschrift genannten Fall, dass der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt, da auch in diesem Fall jeder der beiden betroffenen Mitgliedstaaten bei der Organisation der Überstellung den gleichen praktischen Schwierigkeiten gegenübersteht und deshalb über die gleiche Frist von sechs Monaten verfügen soll, um die Überstellung des Asylbewerbers zu bewerkstelligen. Der Lauf der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist beginnt daher in dem genannten Fall nicht bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung, mit der die Durchführung des Überstellungsverfahrens ausgesetzt wird, sondern erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die der Durchführung dieses Verfahrens nicht mehr entgegenstehen kann (EuGH, Urt. v. 29.1.2009 - C-19/08 - NVwZ 2009, 639).
25 
Für den Beginn der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist kann es danach entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht auf den in den §§ 80, 123 VwGO gemachten Unterschied zwischen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs und einer einstweiligen Anordnung ankommen. Dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 16.10.2008 liegt die Auffassung zu Grunde, dass das deutsche (nationale) Recht es unter bestimmten, vom Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall bejahten Voraussetzungen gestattet, die Abschiebung eines Asylbewerbers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat und damit die Durchführung des in der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vorgesehenen Überstellungsverfahrens auszusetzen. Damit greift die genannte Überlegung, wonach die betroffenen Mitgliedstaaten auch für den Fall, dass der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt, eine Frist von sechs Monaten verfügen sollen, um die Überstellung des Asylbewerbers zu bewerkstelligen. Ob die Durchführung des Überstellungsverfahrens in Folge einer nach § 80 VwGO oder in Folge einer nach § 123 VwGO getroffenen gerichtlichen Entscheidung ausgesetzt ist, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.
26 
b) Die Zuständigkeit der Beklagten für die Prüfung des Asylantrags des Klägers ergibt sich jedoch aus Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO.
27 
Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist, und wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung. Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 21.12.2011, aaO) lässt dieses Asylsystem die Annahme zu, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention finden. Es gilt daher die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden. Sie ist widerlegt, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren. Der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, ist in einem solchen Fall verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann.
28 
Nach dem in Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21.1.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland) ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21.12.2011 (aaO) ist davon auszugehen, dass die große Zahl von Asylbewerbern, die in den letzten Jahren über Griechenland in die Union gelangt sind, es den griechischen Behörden unmöglich gemacht hat, diesen Zustrom zu bewältigen. Der Europäische Gerichtshof ist deshalb der Meinung, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Griechenland grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren. Die Beklagte hätte danach den Asylantrag des Klägers nicht als unzulässig abweisen dürfen, sondern den Antrag sachlich prüfen müssen.
29 
2. Das Verwaltungsgericht hat die somit notwendige sachliche Prüfung des Asylantrags des Klägers selbst vorgenommen. Das entspricht der Rechtslage.
30 
Nach § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO spricht das Gericht, soweit die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten begünstigenden Verwaltungsaktes rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde zum Erlass dieses Verwaltungsakts aus, wenn die Sache spruchreif ist. Nach § 86 Abs. 1 VwGO hat das Gericht im Rahmen des Klagebegehrens alle für die Entscheidung maßgebenden tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs in eigener Verantwortung festzustellen. Das Gericht muss danach die Streitsache im Sinne des § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO in vollem Umfang spruchreif machen. Es ist deshalb grundsätzlich nicht zulässig, dass das Verwaltungsgericht bei rechtswidriger Verweigerung des begehrten Verwaltungsakts lediglich die Ablehnung aufhebt und der Behörde mit gewissermaßen zurückverweisender Wirkung die Prüfung und Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen aufgibt. Vielmehr hat es die notwendigen Prüfungen und Feststellungen selbst vorzunehmen und sodann abschließend in der Sache zu entscheiden (stRspr, vgl. BVerwG, Urt. v. 10.2.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Die Pflicht des Gerichts, die Streitsache spruchreif zu machen, gilt auch in Verfahren, in denen das Bundesamt - wie hier - einen Asylantrag zu Unrecht als unzulässig abgewiesen hat.
31 
3. Das Verwaltungsgericht ist jedoch bei seiner Prüfung zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen liegen entgegen seiner Ansicht nicht vor.
32 
a) Nach § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Anders als im Anwendungsbereich des Art. 16a Abs. 1 GG, der grundsätzlich nur Schutz vor staatlicher Verfolgung gewährt, kann eine Verfolgung in diesem Sinne gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ausgehen von (a) dem Staat, (b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder (c) „nichtstaatlichen Akteuren“, sofern die unter den Buchstaben a) und b) genannten „Akteure“ einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten. Für die Feststellung, ob eine solche Verfolgung vorliegt, sind gemäß § 60 Abs. 1 S. 5 AufenthG Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Qualifikationsrichtlinie, ABl. EU 2004 Nr. L 304 S. 12) ergänzend anzuwenden.
33 
Die Gefahr eigener Verfolgung kann sich nicht nur aus gegen den Ausländer selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms - eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die Vermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss. Diese für die staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind auch auf die private Verfolgung durch „nichtstaatliche Akteure“ übertragbar (BVerwG, Urt. v. 21.04.2009 - 10 C 11.08 - NVwZ 2009, 1237).
34 
b) In Anwendung dieser Grundsätze hat das Verwaltungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG mit der Begründung bejaht, dass die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt seien. Es hat dazu näher ausgeführt, die Beklagte gehe bei Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, von einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure aus. Nach dem Gutachten des Europäischen Zentrums für kurdische Studien (EZKS) vom 26.5.2008 liege das Sheikhan-Gebiet im Grenzgebiet zwischen Zentral- und Nordirak. Es gehöre verwaltungstechnisch und rechtlich zur Provinz Niniwe/Mosul und stehe damit de jure unter zentralirakischer Verwaltung. Mithin treffe die von der Beklagten für Yeziden aus dem Zentralirak angenommene Gruppenverfolgung auch für die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden zu.
35 
Das reicht als Begründung schon für sich genommen nicht aus. Das Verwaltungsgericht hat zum einen nicht geprüft, ob die Annahme der Beklagten zutrifft, dass Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt sind, sondern hat diese Annahme ohne weiteres als feststehende Tatsache übernommen. Es hat zum anderen hieraus geschlossen, dass auch die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt seien, da das Sheikhan-Gebiet de jure unter zentralirakischer Verwaltung stehe, ohne der sich aufdrängenden Frage nachzugehen, ob eine de jure bestehende Verwaltungshoheit auch bedeutet, dass die betreffenden Gebiete de facto unter zentralirakischer Verwaltung stehen. Das ist umso weniger zu verstehen, als in dem auch vom Verwaltungsgericht zitierten Gutachten des EZKS vom 26.5.2008 ausführlich auf diesen Unterschied eingegangen wird.
36 
c) Die Begründung des Verwaltungsgericht trifft davon abgesehen auch in der Sache nicht zu.
37 
aa) Das EZKS unterscheidet in seinen Gutachten vom 26.5.2008 und 17.2.2010 zur Gefährdung der im Irak lebenden Yeziden zwischen verschiedenen Gebieten, nämlich zum einen den de jure (und de facto) von der Kurdischen Regionalverwaltung verwalteten Gebieten, d.h. den - aus Teilen der Provinzen Dohuk, Erbil, Suleymaniya, Kirkuk, Diyala und Niniveh zusammengesetzten - Gebieten, die bereits im Zeitpunkt des Einmarschs der alliierten Truppen in den Irak (19.3.2003) von den damals noch zwei kurdischen Regionalregierungen kontrolliert wurden, sowie den „umstrittenen Gebieten“, d.h. den Gebieten, die sowohl von der Kurdischen Regionalverwaltung als auch der irakischen Zentralregierung beansprucht werden. Was die zuletzt genannten Gebiete betrifft, wird weiter unterschieden zwischen de facto von der Kurdischen Regionalverwaltung verwalteten Gebieten, d.h. Gebieten, in denen bestimmte Verwaltungs- bzw. Schutzaufgaben von der Kurdischen Regionalverwaltung bzw. den kurdischen Parteien KDP und PUK übernommen werden, sowie Gebieten, in denen dies nicht der Fall ist und die somit nicht nur de jure, sondern auch de facto von der irakischen Zentralregierung verwaltet werden.
38 
Eine exakte Benennung der Gebiete, die de facto von der Kurdischen Regionalverwaltung verwaltet werden, ist nach den Ausführungen des EZKS nur mit großen Schwierigkeiten möglich. Nach dem Gutachten vom 17.2.2010 kann jedoch als sicher gelten, dass die Distrikte Sheikhan und al-Sheikhan insgesamt de facto unter kurdischer Kontrolle stehen (Gutachten, S. 12).
39 
bb) Zu der Frage, ob und inwieweit im Sheikhan-Gebiet lebende Yeziden durch andere Bevölkerungsgruppen gefährdet sind, heißt es im Gutachten des EZKS vom 17.2.2010 (S. 23), die Sicherheitslage im Sheikhan sei insbesondere wegen seiner direkten Verbindung zu den de jure kurdisch verwalteten Gebieten grundsätzlich besser als im Sindjar. Auch der Bericht der UNAMI (United Nations Assistance Mission for Iraq) zur Lage in den umstrittenen Gebieten bezeichne die Sicherheitslage im Sheikhan als vergleichsweise stabil. Für die Zeit zwischen Februar 2007 und September 2008 würden in diesem Bericht nur fünf registrierte Sicherheitsvorfälle genannt. Auch in den diversen Menschenrechtsberichten etc. fänden sich keine Hinweise darauf, dass es im Sheikhan Übergriffe sunnitischer Extremisten auf Yeziden oder Christen gegeben habe. Auch zu Auseinandersetzungen zwischen muslimischen und yezidischen Kurden wie am 15.2.2007 in Ain Sifni im Anschluss an einen Konflikt zwischen Eheleuten solle es seither nicht mehr gekommen sein. Übergriffe gegenüber Yeziden, die in Opposition zur Politik der kurdischen Allianz stünden, seien ebenfalls nicht dokumentiert. In dem genannten Gutachten werden lediglich Klagen einzelner Yeziden zitiert, nach denen sie von den Kurden aus Dohuk, Erbil und Suleymaniya wie Bürger zweiter Klasse behandelt würden. Von yezidischer Seite werde ferner kritisiert, dass Yeziden innerhalb der Sicherheitskräfte (Peschmerga, Polizei, Geheimdienst) nicht hinreichend repräsentiert seien. Darüber hinaus hätten sich Mitglieder der antikurdischen Yezidischen Bewegung darüber beklagt, dass sie in Sheikhan kein Parteibüro eröffnen dürften (S. 23 f.).
40 
Von einer der aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden drohenden Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure kann danach offensichtlich keine Rede sein, da es an der dafür erforderlichen Verfolgungsdichte fehlt (im Ergebnis ebenso OVG Saarland, Urt. v. 29.3.2012 - 3 A 456/11 - Juris; OVG NRW, Beschl. v. 28.3.2011 - 9 A 2563/10.A - Juris).
II.
41 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Das bedarf, was die in § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG geregelten Abschiebungsverbote betrifft, keiner näheren Begründung. In Betracht zu ziehen ist allein das Bestehen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 2 oder § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG.
42 
1. Nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG, mit dem die sich aus Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie ergebenden Verpflichtungen auf Gewährung eines „subsidiären Schutzstatus“ bzw. „subsidiären Schutzes“ in nationales Recht umgesetzt werden, ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u. a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wofür Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe typische Beispiele sind (BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO).
43 
Die Frage, ob die derzeitige Situation im Irak die landesweit oder auch nur regional gültige Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts rechtfertigt, dürfte hiervon ausgehend zu verneinen sein. Die Frage kann jedoch auf sich beruhen, da selbst bei der Annahme eines solchen Konflikts ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG nur besteht, wenn der Ausländer einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben „im Rahmen“ dieses Konflikts ausgesetzt ist. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers nicht gegeben.
44 
Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 - (BVerwGE 134, 188) kann sich die nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG erforderliche Individualisierung der sich aus einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt ergebenden allgemeinen Gefahr nicht nur aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann vielmehr unabhängig davon auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind nach den oben gemachten Ausführungen zu verneinen. Die erforderliche Individualisierung könnte sich daher nur durch einen besonders hohen Grad der dem Kläger in seiner Heimatregion drohenden allgemeinen Gefahren ergeben, vor denen er auch in den übrigen Teilen des Irak keinen Schutz finden kann. Nach den dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen lässt sich jedoch für die Gegend des Sheikhan, aus welcher der Kläger nach seinen Angaben stammt, ein so hoher Gefahrengrad, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in diesem Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre, nicht feststellen.
45 
2. Auch ein (national begründetes) Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG ist im Falle des Klägers nicht erkennbar.
46 
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder seine Bevölkerungsgruppe allgemein treffen, wird - abgesehen von Fällen der richtlinienkonformen Auslegung bei Anwendung von Art. 15 lit. c der Qualifikationsrichtlinie für internationale oder innerstaatliche bewaffnete Konflikte - der Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG gewährt. Beim Fehlen einer solchen Regelung kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke in Betracht, d.h. nur zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage in dem Sinne, dass dem Ausländer sehenden Auges der sichere Tod droht oder er schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO). Eine solche extreme konkrete Gefahrenlage besteht für den Kläger im Hinblick auf das oben Ausgeführte nicht.
47 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
48 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
16 
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Hauptantrag des Klägers zu Unrecht entsprochen. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG liegen entgegen seiner Ansicht nicht vor (unten I). Die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 S. 2 AufenthG bzw. § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben, so dass die Klage auch mit den vom Kläger gestellten Hilfsanträgen keinen Erfolg haben kann (unten II).
I.
17 
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht zu der Feststellung verpflichtet, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist.
18 
1. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die beklagte Bundesrepublik Deutschland sei für das Asylverfahren des Klägers zuständig, auch wenn der Kläger zuvor einen Asylantrag in Griechenland gestellt habe. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen.
19 
a) Der Kläger hat am 23.5.2006 in Griechenland einen ersten und nach seiner zwischenzeitlichen Rückkehr in den Irak am 3.2.2008 einen weiteren Asylantrag in Deutschland gestellt. Wegen des zuvor in Griechenland durchgeführten Asylverfahrens hat das Bundesamt mit Schreiben vom 10.4.2008 ein Aufnahmeersuchen an Griechenland gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.2.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, (im Folgenden: Dublin II-VO) gestellt, auf das Griechenland nicht innerhalb von zwei Monaten geantwortet hat. Nach Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO ist in einem solchen Fall davon auszugehen, dass der ersuchte Mitgliedstaat die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiert, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.
20 
Das hat auch das Verwaltungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt. Es hat gleichwohl angenommen, dass die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO von Griechenland auf die Beklagte übergangen sei, da der Kläger nicht innerhalb der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist an Griechenland überstellt worden sei. Den Umstand, dass die erkennende Kammer die Beklagte mit Beschluss vom 16.10.2008 durch eine einstweilige Anordnung verpflichtet hat, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Antragstellers nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen, hat das Verwaltungsgericht dabei für unerheblich erklärt, da diese Anordnung keinen Rechtsbehelf darstelle, der aufschiebende Wirkung habe. Der Beschluss habe daher keinen Einfluss auf den Ablauf der für die Überstellung geltenden Frist. Das steht, wie die Beklagte zu Recht beanstandet, mit Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO nicht in Einklang.
21 
aa) Die Überstellung des Asylbewerbers von dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des ersteren Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, „sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch den anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat“ (Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO). Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde (Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO).
22 
Nach der im deutschen (nationalen) Recht geltenden Regelung in § 34 a Abs. 2 AsylVfG darf die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat nicht nach § 80 oder § 123 VwGO ausgesetzt werden. Das Gleiche gilt nach der Neufassung dieser Vorschrift durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 für die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat. Im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93 - (BVerfGE 94, 49) hat sich das Verwaltungsgericht trotz dieser Regelung für berechtigt gehalten, die Abschiebung des Klägers nach Griechenland auf dessen Antrag auszusetzen, da nach den vorliegenden Erkenntnisquellen zur Situation und Behandlung von Flüchtlingen in Griechenland davon auszugehen sei, dass dem Kläger dort kein Asylverfahren offen stehe, das die Mindestnormen für Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß der Europäischen Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1.12.2005 einhalte. Ebenso wenig sei gewährleistet, dass in Griechenland die Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern gemäß der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.1.2003 eingehalten würden. Die Verletzung der genannten Normen und die damit einher gehenden Grundrechts- und Menschenrechtsverletzungen seien als Sonderfall anzusehen, in dem § 34 a Abs. 2 AsylVfG nicht anzuwenden sei.
23 
bb) Mit dieser Entscheidung ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts der Lauf der Frist für die Überstellung des Klägers an Griechenland gehemmt worden.
24 
Die in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehene Frist berücksichtigt die organisatorischen Schwierigkeiten, die mit der Durchführung der Überstellung verbunden sind, und verfolgt das Ziel, es den beiden betroffenen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, sich im Hinblick auf die Durchführung abzustimmen, und es insbesondere dem ersuchenden Mitgliedstaat zu erlauben, die Modalitäten für die Durchführung der Überstellung zu regeln, die nach den nationalen Rechtsvorschriften dieses letztgenannten Staates erfolgt. Das gilt auch für den in der Vorschrift genannten Fall, dass der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt, da auch in diesem Fall jeder der beiden betroffenen Mitgliedstaaten bei der Organisation der Überstellung den gleichen praktischen Schwierigkeiten gegenübersteht und deshalb über die gleiche Frist von sechs Monaten verfügen soll, um die Überstellung des Asylbewerbers zu bewerkstelligen. Der Lauf der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist beginnt daher in dem genannten Fall nicht bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung, mit der die Durchführung des Überstellungsverfahrens ausgesetzt wird, sondern erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die der Durchführung dieses Verfahrens nicht mehr entgegenstehen kann (EuGH, Urt. v. 29.1.2009 - C-19/08 - NVwZ 2009, 639).
25 
Für den Beginn der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist kann es danach entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht auf den in den §§ 80, 123 VwGO gemachten Unterschied zwischen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs und einer einstweiligen Anordnung ankommen. Dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 16.10.2008 liegt die Auffassung zu Grunde, dass das deutsche (nationale) Recht es unter bestimmten, vom Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall bejahten Voraussetzungen gestattet, die Abschiebung eines Asylbewerbers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat und damit die Durchführung des in der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vorgesehenen Überstellungsverfahrens auszusetzen. Damit greift die genannte Überlegung, wonach die betroffenen Mitgliedstaaten auch für den Fall, dass der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt, eine Frist von sechs Monaten verfügen sollen, um die Überstellung des Asylbewerbers zu bewerkstelligen. Ob die Durchführung des Überstellungsverfahrens in Folge einer nach § 80 VwGO oder in Folge einer nach § 123 VwGO getroffenen gerichtlichen Entscheidung ausgesetzt ist, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.
26 
b) Die Zuständigkeit der Beklagten für die Prüfung des Asylantrags des Klägers ergibt sich jedoch aus Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO.
27 
Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist, und wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung. Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 21.12.2011, aaO) lässt dieses Asylsystem die Annahme zu, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention finden. Es gilt daher die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden. Sie ist widerlegt, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren. Der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, ist in einem solchen Fall verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann.
28 
Nach dem in Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21.1.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland) ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21.12.2011 (aaO) ist davon auszugehen, dass die große Zahl von Asylbewerbern, die in den letzten Jahren über Griechenland in die Union gelangt sind, es den griechischen Behörden unmöglich gemacht hat, diesen Zustrom zu bewältigen. Der Europäische Gerichtshof ist deshalb der Meinung, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Griechenland grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren. Die Beklagte hätte danach den Asylantrag des Klägers nicht als unzulässig abweisen dürfen, sondern den Antrag sachlich prüfen müssen.
29 
2. Das Verwaltungsgericht hat die somit notwendige sachliche Prüfung des Asylantrags des Klägers selbst vorgenommen. Das entspricht der Rechtslage.
30 
Nach § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO spricht das Gericht, soweit die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten begünstigenden Verwaltungsaktes rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde zum Erlass dieses Verwaltungsakts aus, wenn die Sache spruchreif ist. Nach § 86 Abs. 1 VwGO hat das Gericht im Rahmen des Klagebegehrens alle für die Entscheidung maßgebenden tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs in eigener Verantwortung festzustellen. Das Gericht muss danach die Streitsache im Sinne des § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO in vollem Umfang spruchreif machen. Es ist deshalb grundsätzlich nicht zulässig, dass das Verwaltungsgericht bei rechtswidriger Verweigerung des begehrten Verwaltungsakts lediglich die Ablehnung aufhebt und der Behörde mit gewissermaßen zurückverweisender Wirkung die Prüfung und Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen aufgibt. Vielmehr hat es die notwendigen Prüfungen und Feststellungen selbst vorzunehmen und sodann abschließend in der Sache zu entscheiden (stRspr, vgl. BVerwG, Urt. v. 10.2.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Die Pflicht des Gerichts, die Streitsache spruchreif zu machen, gilt auch in Verfahren, in denen das Bundesamt - wie hier - einen Asylantrag zu Unrecht als unzulässig abgewiesen hat.
31 
3. Das Verwaltungsgericht ist jedoch bei seiner Prüfung zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen liegen entgegen seiner Ansicht nicht vor.
32 
a) Nach § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Anders als im Anwendungsbereich des Art. 16a Abs. 1 GG, der grundsätzlich nur Schutz vor staatlicher Verfolgung gewährt, kann eine Verfolgung in diesem Sinne gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ausgehen von (a) dem Staat, (b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder (c) „nichtstaatlichen Akteuren“, sofern die unter den Buchstaben a) und b) genannten „Akteure“ einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten. Für die Feststellung, ob eine solche Verfolgung vorliegt, sind gemäß § 60 Abs. 1 S. 5 AufenthG Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Qualifikationsrichtlinie, ABl. EU 2004 Nr. L 304 S. 12) ergänzend anzuwenden.
33 
Die Gefahr eigener Verfolgung kann sich nicht nur aus gegen den Ausländer selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms - eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die Vermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss. Diese für die staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind auch auf die private Verfolgung durch „nichtstaatliche Akteure“ übertragbar (BVerwG, Urt. v. 21.04.2009 - 10 C 11.08 - NVwZ 2009, 1237).
34 
b) In Anwendung dieser Grundsätze hat das Verwaltungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG mit der Begründung bejaht, dass die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt seien. Es hat dazu näher ausgeführt, die Beklagte gehe bei Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, von einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure aus. Nach dem Gutachten des Europäischen Zentrums für kurdische Studien (EZKS) vom 26.5.2008 liege das Sheikhan-Gebiet im Grenzgebiet zwischen Zentral- und Nordirak. Es gehöre verwaltungstechnisch und rechtlich zur Provinz Niniwe/Mosul und stehe damit de jure unter zentralirakischer Verwaltung. Mithin treffe die von der Beklagten für Yeziden aus dem Zentralirak angenommene Gruppenverfolgung auch für die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden zu.
35 
Das reicht als Begründung schon für sich genommen nicht aus. Das Verwaltungsgericht hat zum einen nicht geprüft, ob die Annahme der Beklagten zutrifft, dass Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt sind, sondern hat diese Annahme ohne weiteres als feststehende Tatsache übernommen. Es hat zum anderen hieraus geschlossen, dass auch die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt seien, da das Sheikhan-Gebiet de jure unter zentralirakischer Verwaltung stehe, ohne der sich aufdrängenden Frage nachzugehen, ob eine de jure bestehende Verwaltungshoheit auch bedeutet, dass die betreffenden Gebiete de facto unter zentralirakischer Verwaltung stehen. Das ist umso weniger zu verstehen, als in dem auch vom Verwaltungsgericht zitierten Gutachten des EZKS vom 26.5.2008 ausführlich auf diesen Unterschied eingegangen wird.
36 
c) Die Begründung des Verwaltungsgericht trifft davon abgesehen auch in der Sache nicht zu.
37 
aa) Das EZKS unterscheidet in seinen Gutachten vom 26.5.2008 und 17.2.2010 zur Gefährdung der im Irak lebenden Yeziden zwischen verschiedenen Gebieten, nämlich zum einen den de jure (und de facto) von der Kurdischen Regionalverwaltung verwalteten Gebieten, d.h. den - aus Teilen der Provinzen Dohuk, Erbil, Suleymaniya, Kirkuk, Diyala und Niniveh zusammengesetzten - Gebieten, die bereits im Zeitpunkt des Einmarschs der alliierten Truppen in den Irak (19.3.2003) von den damals noch zwei kurdischen Regionalregierungen kontrolliert wurden, sowie den „umstrittenen Gebieten“, d.h. den Gebieten, die sowohl von der Kurdischen Regionalverwaltung als auch der irakischen Zentralregierung beansprucht werden. Was die zuletzt genannten Gebiete betrifft, wird weiter unterschieden zwischen de facto von der Kurdischen Regionalverwaltung verwalteten Gebieten, d.h. Gebieten, in denen bestimmte Verwaltungs- bzw. Schutzaufgaben von der Kurdischen Regionalverwaltung bzw. den kurdischen Parteien KDP und PUK übernommen werden, sowie Gebieten, in denen dies nicht der Fall ist und die somit nicht nur de jure, sondern auch de facto von der irakischen Zentralregierung verwaltet werden.
38 
Eine exakte Benennung der Gebiete, die de facto von der Kurdischen Regionalverwaltung verwaltet werden, ist nach den Ausführungen des EZKS nur mit großen Schwierigkeiten möglich. Nach dem Gutachten vom 17.2.2010 kann jedoch als sicher gelten, dass die Distrikte Sheikhan und al-Sheikhan insgesamt de facto unter kurdischer Kontrolle stehen (Gutachten, S. 12).
39 
bb) Zu der Frage, ob und inwieweit im Sheikhan-Gebiet lebende Yeziden durch andere Bevölkerungsgruppen gefährdet sind, heißt es im Gutachten des EZKS vom 17.2.2010 (S. 23), die Sicherheitslage im Sheikhan sei insbesondere wegen seiner direkten Verbindung zu den de jure kurdisch verwalteten Gebieten grundsätzlich besser als im Sindjar. Auch der Bericht der UNAMI (United Nations Assistance Mission for Iraq) zur Lage in den umstrittenen Gebieten bezeichne die Sicherheitslage im Sheikhan als vergleichsweise stabil. Für die Zeit zwischen Februar 2007 und September 2008 würden in diesem Bericht nur fünf registrierte Sicherheitsvorfälle genannt. Auch in den diversen Menschenrechtsberichten etc. fänden sich keine Hinweise darauf, dass es im Sheikhan Übergriffe sunnitischer Extremisten auf Yeziden oder Christen gegeben habe. Auch zu Auseinandersetzungen zwischen muslimischen und yezidischen Kurden wie am 15.2.2007 in Ain Sifni im Anschluss an einen Konflikt zwischen Eheleuten solle es seither nicht mehr gekommen sein. Übergriffe gegenüber Yeziden, die in Opposition zur Politik der kurdischen Allianz stünden, seien ebenfalls nicht dokumentiert. In dem genannten Gutachten werden lediglich Klagen einzelner Yeziden zitiert, nach denen sie von den Kurden aus Dohuk, Erbil und Suleymaniya wie Bürger zweiter Klasse behandelt würden. Von yezidischer Seite werde ferner kritisiert, dass Yeziden innerhalb der Sicherheitskräfte (Peschmerga, Polizei, Geheimdienst) nicht hinreichend repräsentiert seien. Darüber hinaus hätten sich Mitglieder der antikurdischen Yezidischen Bewegung darüber beklagt, dass sie in Sheikhan kein Parteibüro eröffnen dürften (S. 23 f.).
40 
Von einer der aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden drohenden Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure kann danach offensichtlich keine Rede sein, da es an der dafür erforderlichen Verfolgungsdichte fehlt (im Ergebnis ebenso OVG Saarland, Urt. v. 29.3.2012 - 3 A 456/11 - Juris; OVG NRW, Beschl. v. 28.3.2011 - 9 A 2563/10.A - Juris).
II.
41 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Das bedarf, was die in § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG geregelten Abschiebungsverbote betrifft, keiner näheren Begründung. In Betracht zu ziehen ist allein das Bestehen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 2 oder § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG.
42 
1. Nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG, mit dem die sich aus Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie ergebenden Verpflichtungen auf Gewährung eines „subsidiären Schutzstatus“ bzw. „subsidiären Schutzes“ in nationales Recht umgesetzt werden, ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u. a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wofür Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe typische Beispiele sind (BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO).
43 
Die Frage, ob die derzeitige Situation im Irak die landesweit oder auch nur regional gültige Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts rechtfertigt, dürfte hiervon ausgehend zu verneinen sein. Die Frage kann jedoch auf sich beruhen, da selbst bei der Annahme eines solchen Konflikts ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG nur besteht, wenn der Ausländer einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben „im Rahmen“ dieses Konflikts ausgesetzt ist. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers nicht gegeben.
44 
Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 - (BVerwGE 134, 188) kann sich die nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG erforderliche Individualisierung der sich aus einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt ergebenden allgemeinen Gefahr nicht nur aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann vielmehr unabhängig davon auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind nach den oben gemachten Ausführungen zu verneinen. Die erforderliche Individualisierung könnte sich daher nur durch einen besonders hohen Grad der dem Kläger in seiner Heimatregion drohenden allgemeinen Gefahren ergeben, vor denen er auch in den übrigen Teilen des Irak keinen Schutz finden kann. Nach den dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen lässt sich jedoch für die Gegend des Sheikhan, aus welcher der Kläger nach seinen Angaben stammt, ein so hoher Gefahrengrad, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in diesem Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre, nicht feststellen.
45 
2. Auch ein (national begründetes) Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG ist im Falle des Klägers nicht erkennbar.
46 
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder seine Bevölkerungsgruppe allgemein treffen, wird - abgesehen von Fällen der richtlinienkonformen Auslegung bei Anwendung von Art. 15 lit. c der Qualifikationsrichtlinie für internationale oder innerstaatliche bewaffnete Konflikte - der Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG gewährt. Beim Fehlen einer solchen Regelung kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke in Betracht, d.h. nur zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage in dem Sinne, dass dem Ausländer sehenden Auges der sichere Tod droht oder er schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO). Eine solche extreme konkrete Gefahrenlage besteht für den Kläger im Hinblick auf das oben Ausgeführte nicht.
47 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
48 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 22. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem die Unzulässigkeit eines von ihm in Deutschland gestellten Asylantrags festgestellt und die Abschiebung nach Italien angeordnet wird. Er begehrt die Ausübung des Selbsteintrittsrechts und die sachliche Prüfung des Asylantrags in Deutschland.

2

Der Kläger stellte am 2. August 2012 bei der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Trier (Bundesamt) einen Asylantrag, nachdem er am 17. Juli 2012 als Asylbewerber erfasst worden war. Bei der Antragstellung gab er an, am 5. August 1988 in Mogadischu geboren zu sein und die somalische Staatsangehörigkeit zu besitzen. Er sei Mitglied der Volksgruppe der Hawadle und sunnitischer Religionszugehörigkeit.

3

Bei der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 29. August 2012 trug der Kläger vor, zwei Jahre lang als Schneider ausgebildet worden zu sein und diesen Beruf ein Jahr lang selbständig ausgeübt zu haben. Seine Schneiderei habe in der Nähe einer Fabrikruine gelegen, auf deren Gelände äthiopische Soldaten campiert hätten. Immer wieder seien diese von Mitgliedern der Al Shabaab attackiert worden. Auch die äthiopischen Soldaten hätten angegriffen. Die Al Shabaab sei zu ihm gekommen und habe gesagt, sie brauche Hilfe. Er habe nicht kämpfen wollen und sei im August 2008 geflohen. Hierzu habe er Mogadischu mit einem Kraftfahrzeug verlassen und sei über Addis Abeba und Khartum nach Tripolis gelangt, wo er am 18. November 2008 angekommen sei. Von dort aus sei er mit einem Boot nach Sizilien gefahren und am 25. Mai 2009 gelandet. Auf seinen Asylantrag hin habe er in Italien den Status eines subsidiär Schutzberechtigten erhalten. Danach habe er das Flüchtlingslager verlassen müssen und sei nach Florenz gegangen. Dort habe ihm die Caritas einmal am Tag etwas zu essen gegeben. Einen Monat lang habe er in einem verlassenen Haus ohne Wasser und Strom gelebt. Dann sei er insgesamt zwei Mal in die Niederlande gefahren und habe versucht, dort Asyl zu bekommen. Er sei aber jedesmal nach Italien zurückgeflogen worden. Die Polizisten am Flughafen Rom hätten ihm gesagt, er solle zum Bahnhof gehen. Dort seien viele Somalis gewesen, die ihn zur somalischen Botschaft in Rom gebracht hätten. Die Botschaft sei aufgegeben und von Flüchtlingen zum Übernachten genutzt worden. Es sei furchtbar dreckig gewesen und man habe krank werden können. Es habe Wasser, aber keinen Strom gegeben. Schließlich habe er sich auf den Weg nach Deutschland gemacht, wo er am 14. Juli 2012 angekommen sei.

4

Er sei krank. Er leide an einer schiefen Wirbelsäule und könne manchmal nicht gehen, außerdem habe er einen Vitamin-D-Mangel und eine Magenerkrankung. In Italien habe man ihm im Krankenhaus nur eine Schmerzspritze gegeben, weil er keinen Gesundheitsausweis habe vorzeigen können.

5

Die niederländischen Behörden wiesen ein Übernahmeersuchen der Beklagten zurück und teilten mit, dass sie den Kläger ihrerseits am 23. Dezember 2010 und 10. Oktober 2011 nach Italien überstellt hätten.

6

Auf entsprechenden Antrag vom 17. Dezember 2012 akzeptierten die italienischen Behörden mit Schreiben vom 20. Dezember 2012 unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 - Dublin-II-VO - ihre Zuständigkeit, wobei der Kläger dort mit syrischer Staatsangehörigkeit und dem Geburtsdatum 1. Januar 1988 geführt wurde, und stimmten einer Überstellung bis zum 20. Juni 2013 zu.

7

Vom 14. bis 24. Oktober 2012 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung wegen Schmerzen im Hüftbereich. Entzündliche sowie autoimmune Erkrankungen konnten laborchemisch ausgeschlossen werden. In einer Magnetresonanztomographie zeigten sich arthropische Veränderungen des Hüftgelenks. Es wurden eine ausgewogene eiweißreiche Ernährung und ambulante Krankengymnastik-Maßnahmen beziehungsweise Reha-Sport sowie eine ambulante psychiatrische Betreuung empfohlen. Am 6. und 7. Januar 2013 befand sich der Kläger wegen epigastrischer Schmerzen unklarer Genese erneut in stationärer Krankenhausbehandlung. Nachdem die Laborbefunde sowie eine Gastroskopie keine Auffälligkeiten aufwiesen und der Patient sich subjektiv beschwerdegebessert zeigte, wurde er ohne weitere Medikation entlassen. In privatärztlichen Attesten einer allgemeinmedizinischen Praxis vom 7. Februar 2013 und 29. Januar 2014 werden als Diagnosen Oberbauschschmerzen bei rezidivierender Gastritis, Lws-Syndrom, Coxalgie, Vitamin-D-Mangel und Mangelernährung bei Appetitlosigkeit aufgezählt. Der Patient sei auf regelmäßige medizinische Behandlung und Medikamente angewiesen. Eine Abschiebung nach Italien wäre mit einem hohen Risiko der Verschlechterung des Gesundheitszustandes verbunden.

8

Mit Bescheid vom 13. Februar 2013 erklärte die Beklagte den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a AsylVfG für unzulässig. Italien sei für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig und habe seine Zuständigkeit auch anerkannt. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, seien nicht ersichtlich. Insbesondere hinderten die vorgelegten Atteste eine Überstellung des Klägers nach Italien nicht, denn in Italien habe der Kläger wie jeder italienischer Staatsbürger Zugang zum dortigen Gesundheitssystem.

9

Am 19. Februar 2013 hat der Kläger Klage erhoben. Die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens sei auf die Beklagte übergegangen, da der Übernahmeantrag an Italien erst nach Ablauf der Frist des Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO gestellt worden sei. Im Übrigen dürfe der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht nach Italien überstellt werden, weil er sich in ständiger ärztlicher Behandlung befinde. Schließlich sei die Beklagte zur Prüfung des Antrags verpflichtet, weil in Italien systemische Mängel im Asylverfahren herrschten. Die Mindeststandards in Bezug auf Unterbringung, soziale und medizinische Versorgung würden erheblich unterschritten. Das gelte insbesondere für Sizilien, wohin der Kläger abgeschoben werden sollte. Ihm drohte daher nach seiner Rückführung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ohne Perspektive auf Arbeit oder Obdach.

10

Der Kläger hat beantragt,

11

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Februar 2013 zu verpflichten, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Verordnung (EG) 343/2003 Gebrauch zu machen,

12

hilfsweise,

13

die Beklagte zu verpflichten, über die Ausübung des vorgenannten Selbsteintrittsrechts erneut zu entscheiden.

14

Die Beklagte hat beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Sie weist darauf hin, dass Personen mit Schutzstatus hinsichtlich der Unterbringung und der medizinischen Versorgung die gleichen Rechte genössen wie italienische Staatsangehörige. Damit seien Unterkunft und Wohnung in eigener Verantwortung zu besorgen. Die entsprechenden Kosten seien selbst zu tragen. Nach Meldung bei dem „Servizio Sanitario Nazionale“ erhielten Personen mit Schutzstatus eine „Tessera Sanitaria“, mit deren Hilfe Zugang zu allen ärztlichen Leistungen erfolge. Die Kosten der Behandlungen würden vom italienischen Staat getragen. Nach Auskunft der deutschen Liaisonbeamtin des Bundesamtes in Rom sei die Gewährung dieser medizinischen Versorgung unabhängig von einem festen Wohnsitz. Alle Personen, die in Italien einen Schutzstatus erhielten, hätten das Recht zu arbeiten (guida practica per i titolari di protezione internazionale). Nach Auskunft der Liaisionbeamtin sei die Arbeitserlaubnis eigentlich an eine „residenza“, also einen festen Wohnsitz geknüpft. Viele Vereinigungen böten den betroffenen Personen aber ihre Adresse als Briefkastenadresse an. Schließlich habe der Kläger auch keine Krankheit substantiiert, die ihn reiseunfähig machen beziehungsweise besondere Lebens- oder Gesundheitsgefahren begründen würde.

17

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. Mai 2013 abgewiesen. Die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung des Asylantrags ergebe sich aus Art. 16 Abs. 2 Dublin-II-Verordnung, da Italien dem Kläger einen Aufenthaltstitel ausgestellt habe. Die Fristvorschriften des Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO begründeten keine subjektiven Rechte, so dass es auf deren Versäumung nicht ankomme. Zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts sei die Beklagte nicht verpflichtet. Es sei nach Auswertung der vorliegenden Auskünfte, Gutachten sowie Berichte und unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung weder zu befürchten, dass dem Kläger keine hinreichende soziale beziehungsweise medizinische Versorgung zugute käme, noch herrschten systemische Mängel im italienischen Asylverfahren, die befürchten ließen, dass dem Kläger in Italien eine menschenunwürdige Behandlung drohte.

18

Auf entsprechenden Antrag ließ der Senat die Berufung zu und untersagte der Beklagten mit Beschluss vom 19. Juni 2013, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Berufungsverfahrens aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchzuführen.

19

Der Kläger wiederholt und vertieft zur Begründung der Berufung seinen Vortrag aus dem Klageverfahren. Als Schutzberechtigtem stünde ihm weder Anspruch auf Unterkunft, noch auf staatliche Sozialleistungen zu. Er habe auch keinen Anspruch auf Integrationsmaßnahmen und könne allenfalls in ländlichen Gebieten zeitlich befristet und schlecht bezahlt als Erntehelfer arbeiten. Außerhalb von Rom habe er keine Möglichkeit, sich eine virtuelle Adresse geben zu lassen, so dass er vermutlich auch keinen Zugang zum Gesundheitssystem habe. In Not geratene italienische Staatsangehörige könnten in der Regel auf Hilfe durch die (Groß-) Familie hoffen. Diese Möglichkeit hätten Flüchtlinge nicht.

20

Der Kläger beantragt,

21

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Februar 2013 zu verpflichten, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Verordnung (EG) 343/2003 Gebrauch zu machen,

22

hilfsweise,

23

die Beklagte zu verpflichten, über die Ausübung des vorgenannten Selbsteintrittsrechts erneut zu entscheiden.

24

Die Beklagte beantragt,

25

die Berufung zurückzuweisen.

26

Sie macht sich im Wesentlichen eine Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern im vorliegenden Verfahren zu Eigen. Danach liegen außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, nicht vor. Italien erfülle seine Verpflichtung nach den Artikeln 20 bis 24 Genfer Flüchtlingskonvention, Flüchtlinge im Sozial- und Arbeitsrecht ebenso zu behandeln wie eigene Staatsangehörige. Eine Besserstellung von Asylbewerbern sei danach nicht vorgesehen. Aus dem Umstand, dass Italien kein ähnliches soziales Netz biete wie Deutschland und andere Mitgliedstaaten, könne nicht geschlossen werden, dass es sich von seiner Verpflichtung aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention gelöst habe. Die von dem Kläger zitierten Gutachten ergäben keine neuen Erkenntnisse, insbesondere kein belastbares Zahlenmaterial darüber, welcher Anteil der Schutzberechtigten für wie lange tatsächlich der Obdachlosigkeit anheimgefallen sei.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte, die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

28

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Er hat keinen Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland. Die Beklagte ist weder nach den allgemeinen Regeln zuständig (I), noch besteht ein Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts (II). Daher ist auch die Abschiebungsanordnung nach Italien rechtlich nicht zu beanstanden (III).

I.

29

Die Frage, welcher Staat für das Asylverfahren des Klägers zuständig ist, bestimmt sich vorliegend nach den Regeln der Dublin-II-Verordnung (1). Danach ist Italien der zuständige Mitgliedstaat (2). Die Zuständigkeit ist nachträglich weder nach der Vorschrift des Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO (3), noch nach der Vorschrift des Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO (4) auf die Beklagte übergegangen.

30

1. Im vorliegenden Fall kommt unbeschadet der Vorschrift des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG noch die Dublin-II-Verordnung und nicht die mittlerweile in Kraft getretene Nachfolgeverordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin-III-VO) zur Anwendung. Gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 49 Dublin-III-VO gilt diese nämlich erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme, die nach dem 1. Januar 2014 gestellt wurden. Vorliegend hat der Kläger seinen Asylantrag bei der Beklagten bereits im Jahr 2012 gestellt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien mit Schreiben vom 20. Dezember 2012 akzeptiert.

31

2. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien nach der Vorschrift des Art. 16 Abs. 2 Dublin-II-VO zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Danach fallen dem Mitgliedstaat die Pflichten zur Wiederaufnahme und abschließenden Prüfung eines Asylverfahrens zu, sofern er einem Antragsteller einen Aufenthaltstitel erteilt. Italien hat dem Kläger in Folge der Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter einen Aufenthaltstitel erteilt und diesen im Jahr 2012 nochmals verlängert.

32

3. Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens ist auch nicht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen. Nach dieser Vorschrift sind Aufnahmegesuche an andere Mitgliedstaaten spätestens innerhalb von drei Monaten nach Einreichung des Asylantrags zu stellen. Wird das Gesuch nicht innerhalb dieser Frist unterbreitet, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für die Prüfung zuständig.

33

Zum einen vermittelt diese Vorschrift dem Asylbewerber aber keine subjektiven Rechte, sondern dient als innerstaatliche Organisationsvorschrift in erster Linie der klaren und praktikablen Bestimmung der Zuständigkeit innerhalb der Mitgliedstaaten (vgl. hierzu die Erwägungsgründe 3 und 16 der Verordnung). Im Vordergrund steht daher das Interesse, die Zuständigkeit zeitnah festzustellen und den Asylantrag durch einzig den zuständigen Mitgliedstaat prüfen zu lassen, nicht aber, die Prüfung einem ganz bestimmten Mitgliedstaat zuzusprechen, in dem der Antragsteller einen (weiteren) Asylantrag gestellt hat.

34

Zum anderen ist die Vorschrift auf den vorliegenden Fall schon nicht anwendbar. Die Beklagte hat kein Aufnahmegesuch nach Art. 17, sondern ein Wiederaufnahmegesuch nach den Art. 16. Abs. 2, Abs. 1 lit. c), 20 Abs. 1 Dublin-II-VO gestellt. Für Wiederaufnahmegesuche sieht die Dublin-II-VO aber keine Frist vor.

35

4. Schließlich ist die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens auch nicht deshalb nach Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen, weil die Überstellung nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten erfolgt ist. Diese Frist beginnt gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. d) nämlich erst nach rechtskräftigem Abschluss eines Rechtsbehelfsverfahrens zu laufen, sofern diesem aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. EuGH, Urteil vom 29.01.2009 – C 19/08 –, Juris-Rn. 44 ff.; OVG Niedersachen, Urteil vom 04.07.2012 – 2 LB 163/10 – Juris-Rn. 36 m.w.Nw.). Vorliegend hatte der Senat noch vor Ablauf der Frist der Beklagten untersagt, den Kläger nach Italien abzuschieben.

II.

36

Es besteht auch kein Anspruch des Klägers auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO.

37

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die mittlerweile ihren Niederschlag in Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO gefunden hat, kann ein Mitgliedstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet sein, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtscharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten haben bei der Ausübung ihres Ermessens diese Grundsätze daher zu beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011-0000, Rn. 68 ff.).

38

Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen (sogenanntes Prinzip gegenseitigen Vertrauens beziehungsweise normativer Vergewisserung, vgl. grundlegend BVerfG, Urteil vom 15.05.1996, 2 BvR 1938/93, Juris-Rn. 179 ff.). Es gilt daher die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht. Diese Vermutung ist jedoch nicht unwiderleglich. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass das System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.

39

Allerdings berührt nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat das in der Dublin-II- bzw. Dublin-III-Verordnung niedergelegte Zuständigkeitssystem. Der Europäische Gerichtshof macht deutlich, dass nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel steht (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs deshalb nur dann auszusetzen, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Grundrechtecharta ausgesetzt zu sein (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 bis Rn. 106).

40

Anhaltspunkte dafür, wann eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung anzunehmen ist, lassen sich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK entnehmen, der mit Art. 4 der Europäischen Grundrechtecharta übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21. Januar 2011 hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden (Urteil vom 21.01.2011, M.S.S. gegen Belgien und Griechenland, Beschwerde-Nr. 30696/09, Rn. 226 und Rn. 254 ff.).

41

Der Senat kommt nach Auswertung der vorliegenden Gutachten, Auskünfte und Berichte und unter Würdigung des Vortrags des Klägers zu dem Ergebnis, dass das italienische Asylsystem nicht an systemischen Mängeln leidet, auf Grund derer dem Antragstellers nach seiner Rückführung eine menschenunwürdige Behandlung droht (ebenso OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, OVG Nds, Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - und vom 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - und vom 24.06.2013 - OVG 7 S 58.13 -; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 -; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 -; VG Ansbach, Beschluss vom 18.09.2013 - An 2 K 13.30675 -; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me -; VG Lüneburg, Urteil vom 04.06.2013 - 6 A 176/11 - (n.V.); VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 -; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A -; VG Osnabrück, Urteil vom 02.04.2012 - 5 A 309/11 - (n.V.) a.A. OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A -; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A -; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As -; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. -; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A -; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A, soweit veröffentlicht zitiert nach Juris).

42

Italien verfügt über ein planvolles und ausdifferenziertes Asylsystem (a). Dieses System leidet zwar an Mängeln (b), nicht aber an systemischen Mängel (c). Das gilt auch für Personen mit Schutzstatus (d).

43

(a) Zunächst ist festzuhalten, dass Italien über ein planvolles und ausdifferenziertes Aufnahmesystem für Asylbewerber verfügt, das in zwei Phasen gegliedert ist. Nach Stellung des Asylantrags ist die Unterbringung in Aufnahmezentren für Asylsuchende, den sogenannten CARA (Centri di Accoglienza per Richiedenti Asilo) vorgesehen. Die maximale Aufenthaltsdauer dort soll grundsätzlich 35 Tage betragen. Daneben gibt es noch Aufnahmeeinrichtungen für Migranten, die keine Asylsuchenden sind, die so genannten CDA (Centri di Accoglienza). Diese werden in der Praxis ebenfalls für die Erstaufnahme von Asylsuchenden verwendet. In der zweiten Phase sollen die Antragsteller in einer Einrichtung des Aufnahmesystems SPRAR (Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugiati) untergebracht werden. Dabei handelt es sich um ein Netzwerk von Unterkünften, das auf einer Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium, den Gemeinden und verschiedenen NGOs basiert. Die SPRAR-Projekte umfassen nicht nur eine Wohnmöglichkeit, sondern ein individualisiertes Integrationsprojekt mit Sprachkursen, Berufsbildung und Unterstützung bei der Arbeitssuche. Die Aufenthaltsdauer im einem SPRAR beträgt normalerweise 6 Monate und kann bis zu einem Jahr verlängert werden (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.).

44

Endet das Asylverfahren mit der Zuerkennung eines Schutzstatus, werden den Schutzsuchenden Aufenthaltsberechtigungen („permessi die soggiorno“) ausgestellt. Danach genießen sie in Italien formal dieselben Rechte wie italienische Staatsangehörige. Sie haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und kostenfreien Zugang zu allen öffentlichen medizinischen Leistungen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an VG Freiburg vom 11.07.2012). In den Erstaufnahmeeinrichtungen werden sie nicht mehr aufgenommen. In Einrichtungen des SPRAR können sie Unterkunft finden, sofern sie die vorgesehene maximale Aufenthaltsdauer noch nicht ausgeschöpft haben und ein Platz frei ist (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 und S. 25; borderline-europe e.V., Gutachten zum Beweisbeschluss des VG Braunschweig vom 28.09.2012, S. 50).

45

(b) In der Praxis litt - und leidet - das italienische Aufnahmesystem an Mängeln. Die Berichtslage zeigt übereinstimmen, dass es insbesondere auf die sehr hohen Antragszahlen in den Jahren 2008 und 2011 nicht ausreichend vorbereitet war (Bethke & Bender, Zur Situation von Flüchtlingen in Italien - Bericht über die Recherchereise nach Rom und Turin im Oktober 2010 -; Schweizer Flüchtlingshilfe/Juss-Buss: Situation von Asylsuchenden, Flüchtlingen und „Dublin-Rückkehrern“, Bericht vom Mai 2011; borderline-europe/Judith Gleitze: Zur Lage von Asylsuchenden und „Dublin-Rückkehrern“, Stellungnahme vom Dezember 2012; Auskunft des Auswärtigen Amtes an VG Darmstadt vom 29.11.2011 und an VG Braunschweig vom 09.12.2011). In der Folge verlängerten sich die Verfahrenszeiten deutlich über die vorgesehenen Fristen hinaus. Die zeitliche Lücke zwischen der Stellung des Asylantrags und dessen formeller Registrierung (verbalizzazione) führte zu der Gefahr der Obdachlosigkeit, da in der Praxis Zugang zu den Erstaufnahmeeinrichtungen erst ab dem Zeitpunkt der Registrierung gewährt wurde (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 12). Zudem waren die Aufnahmekapazitäten der staatlicherseits zur Verfügung gestellten Plätze überlastet. Für Personen mit Schutzstatus bedeutete dies, dass sie Schwierigkeiten hatten, im SPRAR-Aufnahmesystem unterzukommen, auch wenn sie die maximale Verweildauer noch nicht ausgeschöpft hatten. Hinzu kam die wirtschaftliche schwierige Lage, in der sich auch Italien nach der Wirtschaftskrise befand und noch befindet. Nach den Informationen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe lebt vor allem in Rom eine ganz erhebliche Zahl von Asylbewerbern und Personen mit Schutzstatus (die Schätzungen sprechen von 1.200 bis 1.700) in Slums oder besetzten Häusern (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, a.a.O., S. 36).

46

(c) Diese Mängel begründen aber keine systemischen Mängel im oben dargestellten Sinne. Dabei versteht der Senat unter systemischen Mängeln solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar betroffen sind oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem faktisch in weiten Teilen funktionsunfähig wird. Nach Auswertung der vorliegenden Auskünfte kommt der Senat zu der Überzeugung, dass die systembedingten Missstände von den italienischen Behörden angegangen werden und sich die Situation deshalb verbessert hat und aller Voraussicht nach weiter verbessern wird. Außerdem ist festzustellen, dass die Zustände punktuell, aber nicht flächendeckend unzureichend sind, so dass nicht davon gesprochen werden kann, dass das Asyl- und Aufnahmesystem faktisch außer Kraft gesetzt ist.

47

Ein im System angelegter Mangel ist die Tatsache, dass der Zugang zum Erstaufnahmesystem offensichtlich von der Registrierung (verbalizzazione) abhängt und dies bei einer Verzögerung des Verfahrens zur Obdachlosigkeit führen kann. Allerdings hat das italienische Innenministerium in der ersten Jahreshälfte 2013 eine Weisung herausgegeben, wonach die Registrierung zeitlich mit der Asylgesuchstellung zusammenfallen soll (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 12). Auch die Überlastung des Aufnahmesystems nimmt Italien nicht tatenlos hin. Auf die hohen Asylbewerberzahlen im Jahr 2011 reagierte das Land zunächst mit einem Notstandskonzept, bei dem unter Führung des Zivilschutzes (Protezione Civile) Aufnahmestrukturen in der Größenordnung von 26.000 Plätzen bereitgestellt wurden (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; UNHCR an VG Braunschweig, S. 3; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 9). Daneben wurden und werden die Plätze, die im SPRAR-Projekt zur Verfügung stehen, in erheblichem Umfang aufgestockt (siehe zur Bedeutung dieser Plätze für das Aufnahmesystem den Report von Nils Muižnieks, Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, 18.09.2012, Abs. 152). Standen ursprünglich 3.000 Plätze zur Verfügung, waren es Anfang Juni 2013 bereits 4.800 Plätze, wobei hierzu auch bereits vorhandene Unterkunftsplätze gezählt wurden, die um die im SPRAR-System vorgesehen Integrationsleistungen ergänzt wurden. Aufgrund eines im September 2013 erlassenen Dekrets des Innenministeriums soll die Kapazität im Zeitraum 2014 bis 2016 nochmals auf insgesamt 16.000 Plätze erhöht werden (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 22). Außerdem wurde ein neues Informatiksystem „Vestanet“ eingeführt, das ebenfalls zu einer Verbesserung des Verfahrens beitragen soll (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 12). In seiner Antwort an das Verwaltungsgericht Braunschweig vom 24. April 2012 hat der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen ausdrücklich anerkannt, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des Aufnahmesystems stattgefunden haben. Gleiches gilt für die Auskunft des Auswärtige Amtes vom 21. Januar 2013 an das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt.

48

Der Senat geht außerdem davon aus, dass die aufgezeigten Missstände in bestimmten Städten und Regionen auftreten, die Funktionsfähigkeit des Asyl- und Aufnahmesystems aber nicht insgesamt in Frage stellen. Es liegt in der Natur der Sache, dass Aufklärungsreisen die Problemschwerpunkte in den Blick nehmen (so ausdrücklich der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe mit Schwerpunkt Rom und Mailand, S. 1; in der Sache nicht anders der Bericht von Maria Bethke & Dominik Bender mit Schwerpunkt Rom und Turin; Gutachten von borderline-europe e.V. mit Schwerpunkt Rom und Sizilien). Diese Situationen sind aber nicht ohne Weiteres verallgemeinerbar. So geht der UNHCR, dessen Dokumente bei der Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften von besonderer Relevanz sind (vgl. EuGH, Urteil vom 30.05.2013 - C-528/11 - Rn. 44), in seiner Antwort an das Verwaltungsgericht Braunschweig davon aus, dass die CARA, CDA und SPRAR-Projekte in der Lage sind, dem Aufnahmebedarf einer signifikanten Anzahl an Asylsuchenden nachzukommen (UNHCR an VG Braunschweig vom 24. April 2012, S. 3). Anders als im Falle Griechenlands oder jüngst Bulgariens (UNHCR Briefing Notes vom 03.01.2014) hat der UNHCR bislang in keiner seiner Stellungnahmen eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten ausgesprochen, Überstellungen nach Italien nicht mehr vorzunehmen (siehe zuletzt UNHCR, Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy, July 2013). Auch die Auskünfte des Auswärtigen Amtes sprechen gegen die Annahme eines systemischen Mangels des italienischen Asylsystems. Sie basieren auf laufenden Gesprächen der Botschaft Rom mit dem italienischen Flüchtlingsrat CIR und UNHCR in Rom, grenzpolizeilicher Verbindungsbeamter der Bundespolizei im italienischen Innenministerium, Präsentationen des italienischen Innenministeriums und des statistischen Landesamtes ISTAT, Kontakten zu nichtstaatlichen karitativen Organisationen sowie Informationen des SPRAR und sind daher geeignet, einen Überblick über die Situation im Land zu geben. Nach der Auskunft an das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt konnten seinerzeit (Januar 2013) alle Asylbewerber und Flüchtlinge in öffentlichen Zentren untergebracht werden. Gegebenenfalls gebe es lokale und regionale Überbelegungen, italienweit seien aber genügen Plätze vorhanden. Insbesondere in Norditalien seien die Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Zusätzlich zu den staatlichen/öffentlichen Einrichtungen gebe es kommunale und karitative Einrichtungen, so dass meist ein Unterbringungsplatz in der Nähe gefunden werden könne. Es sei nicht davon auszugehen, dass Personen, die in den staatlichen Aufnahmeeinrichtungen und staatlichen Unterkünften keinen Platz fänden, regelmäßig oder überwiegend obdachlos auf der Straße oder in Elendsquartieren leben müssten.

49

(d) Mit Blick auf den hier vorliegenden Fall ist weiter festzuhalten, dass sich aus der Auskunftslage auch keine systemischen Mängel für Personen ergeben, denen bereits ein Schutzstatus zugesprochen wurde. Die mit der Anerkennung verbundene Erteilung eines Aufenthaltsrechts (permession di soggiorno) bedeutet in der Praxis, dass sich die Personen mit Schutzstatus grundsätzlich selbst um eine Unterkunft und eine Arbeit kümmern müssen. Sie können nicht mehr in CARA unterkommen, da diese nur Asylbewerbern offenstehen. Sie können sich aber für Plätze im SPRAR-System bewerben, sofern sie die maximale Verweildauer noch nicht überschritten haben. Tatsächlich wird eine große Zahl der Plätze im SPRAR-System von Personen mit Schutzstatus belegt. Allerdings bestehen zum Teil lange Wartezeiten (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 22). Hier dürfte die geplante Ausweitung der SPRAR-Plätze eine deutliche Entlastung bringen. Daneben bieten die Gemeinden Unterkünfte an. Jedenfalls in Rom betrug die durchschnittliche Wartezeit auf einen solchen Platz allerdings drei Monate und in Mailand einen bis drei Monate (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 27 und S. 30). Schließlich können sich Personen mit Schutzstatus, die keine Unterkunft finden, an kirchliche Organisationen und Nichtregierungsorganisationen wie die Caritas oder das Consiglio Italiano per i Rifugiati wenden (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.01.2013 an das OVG des Landes Sachsen-Anhalt). Verlässliche Zahlen, wie viele Schutzberechtigte von keiner dieser Möglichkeiten Gebrauch machen können und letztlich obdachlos werden, fehlen. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes ist im Regelfall oder gar überwiegend aber nicht davon auszugehen, dass Flüchtlinge in Italien beziehungsweise Rückkehrer nach der Dublin-II-Verordnung dort unter Verhältnissen leben müssen, welche man gemeinhin als „Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums (Betteln, Leben auf der Straße etc.)“ bezeichnen könne. Hierbei handle es sich eher um Einzelfälle (Auswärtiges Amtes an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).

50

In Italien gibt es auch für italienische Staatsangehörige kein national garantiertes Recht auf Fürsorgeleistungen zur Lebensunterhaltssicherung vor dem 65. Lebensjahr. Die Zuständigkeit für die Festsetzung von Sozialhilfeleistungen liegt grundsätzlich im Kompetenzbereich der Regionen. In bestimmten Regionen wird die Höhe des Sozialgeldes durch die Kommune festgesetzt. Öffentliche Fürsorgeleistungen weisen daher deutliche Unterschiede je nach regionaler und kommunaler Finanzkraft auf (Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern im vorliegenden Fall; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 48).

51

Auch wenn sich die Situation damit deutlich schlechter und unsicherer darstellt als in der Bundesrepublik Deutschland, begründet dies für sich genommen keinen systemischen Mangel. Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat ausdrücklich festgehalten, dass Art. 3 EMRK die Vertragsparteien nicht verpflichte, jede Person innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs mit einem Obdach zu versorgen. Die Norm enthalte auch keine allgemeine Pflicht, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu bieten, um ihnen einen bestimmen Lebensstandard zu bieten. Ausländer, die von einer Ausweisung betroffen seien, gewähre die Konvention grundsätzlich keinen Anspruch mit dem Ziel, im Hoheitsgebiet des Vertragsstaates zu verbleiben, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren, die vom ausweisenden Staat zur Verfügung gestellt werde. Wenn keine außergewöhnlichen zwingenden humanitären Gründe vorlägen, die gegen eine Ausweisung sprächen, sei allein die Tatsache, dass die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse des Antragstellers bedeutend geschmälert würden, falls er oder sie ausgewiesen würde, nicht ausreichend, einen Verstoß gegen Art. 3 EMR zu begründen (Beschluss vom 02.04.2013, Mohammed Hussein u.a. gegen Niederlande und Italien, a.a.O. Rn. 70 f.).

52

Keine systematischen Mängel bestehen schließlich auch im Hinblick auf den Zugang zum Gesundheitssystem. Personen mit Schutzstatus sind in Fragen der Gesundheitsversorgung den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt. Die Anmeldung beim Nationalen Gesundheitsdienst ermöglicht die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Behandlung bei einem praktischen Arzt, Kinderarzt, in Ambulanzen und zur Aufnahme in ein Krankenhaus berechtigt. Hierzu benötigen Schutzberechtigte den Aufenthaltstitel, die Steuernummer sowie eine feste Adresse. Personen ohne festen Wohnsitz können sich zumindest in Rom unter Sammeladressen karitativer Einrichtungen melden, die von den Behörden akzeptiert werden. Eine aktuelle Vereinbarung zwischen der italienischen Zentralregierung und den Regionen garantiert die Not- und Grundversorgung auch von Personen, die sich illegal im Land aufhalten. Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei (Auswärtiges Amt an OVG des Landes Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).

53

(e) Die Einschätzung, dass das italienische Asylsystem nicht an systemischen Mängeln leidet, wird durch die jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs für Menschenrechte bestätigt. In seinem Beschluss vom 2. April 2013 hat er die Überstellung der dortigen Beschwerdeführerin, der - wie dem Kläger - in Italien bereits ein Schutzstatus zugesprochen worden war, mit Art. 3 EMRK für vereinbar gehalten. Dabei hat er - neben der konkreten Situation der Antragstellerin - eine Vielzahl von Stellungnahmen sowie Berichten von Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen über die generelle Situation in Italien ausgewertet. Er kommt nach ausführlicher Würdigung der festzustellenden Mängel - und keineswegs nur unter Bezug auf den ihm vorgelegten konkreten Sachverhalt - zu dem Schluss, dass die allgemeine Situation und die Lebensbedingungen in Italien für Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge und Ausländer, die aus Gründen des internationalen Schutzes oder zu humanitären Zwecken eine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben, kein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für Asylbewerber als Mitglieder einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe aufzeigen (Beschluss vom 02.04.2013, Mohammed Hussein u.a. gegen Niederlande und Italien, Rn. 70 ff., in Teilen übersetzt von Wischrath, ZAR 2013, 336, besprochen von Thym in ZAR 2013, 331; siehe auch Hailbronner, AuslR, Dezember 2013, § 34a Rn. 29 f.; ebenso Beschluss vom 18.06.2013, Halimi gegen Österreich und Italien, Rn. 68, in Teilen übersetzt von Wischrath, ZAR 2013, 338). Diese Einschätzung hat er jüngst nochmals ausdrücklich bestätigt (Beschluss vom 10.09.2013 - Nr. 2314/10 -, Hussein Diirshi u.a. gegen Niederlande und Italien, zitiert nach HUDOC).

54

(f) Es sind auch keine besonderen Umstände des Einzelfalles ersichtlich, die befürchten ließen, dass gerade dem Kläger in Italien eine mit Art. 4 der Grundrechtecharta nicht vereinbare Behandlung drohen würde. Er leidet insbesondere nicht an außerordentlich schweren oder seltenen Krankheiten, deren Behandlung in Italien nicht möglich erschiene. Nach seiner Schilderung bekam er in Italien in Notfallsituationen zumindest Schmerzmittel verabreicht. Die Probleme bei einer weiterführenden Behandlung resultierten offenbar daraus, dass er mangels festen Wohnsitzes keine Gesundheitskarte beantragt hat. Dem hätte der Kläger nach der Auskunftslage aber zumindest in Rom dadurch abhelfen können, dass er sich bei einer gemeinnützigen Organisation eine fiktive Meldeadresse hätte geben lassen. Aus den Angaben des Klägers lässt sich außerdem schließen, dass er noch keinen Platz im SPRAR-System beansprucht hat. Damit steht ihm nach seiner Rückkehr die Möglichkeit offen, sich für einen solchen Platz zu bewerben. Auf die von dem Kläger zuletzt aufgeworfene Frage, ob die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt vom 21. August 2013 zutrifft, nach der alle im Rahmen der Dublin-Verordnung zurückgeführten Personen von der Questura in eine Unterkunft verteilt werden, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Diese Auskunft dürfte sich auf Personen ohne Schutzstatus bezogen haben, die - wie oben dargestellt - ohnehin einem anderen Aufnahmeregime unterfallen.

III.

55

Die Abschiebungsanordnung ist nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen nach § 27a AsylVfG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies ist der Fall, nachdem Italien seine Zuständigkeit akzeptiert hat und der Abschiebung keine relevanten Hindernisgründe entgegenstehen.

IV.

56

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.

57

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

58

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen. Streitentscheidend ist vorliegend die Würdigung der tatsächlichen Umstände in Italien.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. September 2009 - A 6 K 3484/08 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt seine Anerkennung als Asylberechtigter.
Der Kläger, ein nach seinen Angaben am ...1985 in Sheikhan geborener irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und yezidischen Glaubens, reiste am 3.2.2008 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung machte er geltend, er stamme aus dem im Sheikhan gelegenen Dorf Essya (gemeint wohl Esyan). Seine Familie, zu der außer seinen Eltern sieben Brüder und sechs Schwestern gehörten, lebe noch mit Ausnahme eines Bruders im Sheikhan. Er habe den Irak im Dezember 2004 verlassen und sich zunächst einige Monate in Griechenland aufgehalten. Er sei dann nach Holland geflogen und habe dort einen Asylantrag gestellt. Die holländischen Behörden hätten den Antrag im Mai 2006 abgelehnt und ihn zurück nach Griechenland geschickt, wo er zunächst in Abschiebehaft genommen worden sei. Nach seiner Freilassung sei er in den Irak zurückgekehrt. Am 22.1.2008 habe er den Irak wieder verlassen und sei über die Türkei nach Deutschland gereist. Der Grund dafür sei, dass er als Yezide von den Leuten merkwürdig angeschaut worden sei. Er habe auch schon gehört, dass in anderen yezidischen Dörfern Leute überfallen worden seien. Er selbst sei aber weder bedroht noch in anderer Weise behelligt worden.
Nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) festgestellt hatte, dass der Kläger bereits am 23.5.2006 einen Asylantrag in Griechenland gestellt hatte, ersuchte es mit Schreiben vom 10.4.2008 die griechischen Behörden um Aufnahme des Klägers. Das Ersuchen blieb trotz einer mit Schreiben vom 14.5.2008 erfolgten Erinnerung unbeantwortet.
Das Bundesamt lehnte daraufhin mit Bescheid vom 8.9.2008 den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Griechenland an. Zur Begründung führte es aus, der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Griechenland aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. e Dublin II-VO für die Behandlung des Antrags zuständig sei.
Der Kläger hat am 9.9.2008 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und beantragt, den Bescheid des Bundesamts vom 8.9.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG zuzuerkennen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 7 S. 2 AufenthG festzustellen, weiter hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 S. 1 AufenthG festzustellen. Der Kläger hat ferner am gleichen Tag einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, auf den das Verwaltungsgericht die Beklagte mit Beschluss vom 16.10.2008 durch eine einstweilige Anordnung verpflichtet hat, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Antragstellers nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen und für den Fall, dass die zuständige Ausländerbehörde von der Abschiebungsanordnung bereits in Kenntnis gesetzt worden sei, dieser mitzuteilen, dass eine Abschiebung nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten nicht durchgeführt werden dürfe.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Mit Urteil vom 29.9.2009 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Bundesamts vom 8.9.2008 aufgehoben und die Beklagte zu der Feststellung verpflichtet, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Asylantrag des Klägers sei nicht mehr gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, da die Beklagte inzwischen für das Asylverfahren des Klägers zuständig geworden sei. Zwar sei ursprünglich Griechenland für das Asylverfahren des Klägers zuständig gewesen, da der Kläger bereits am 23.5.2006 auf dem Flughafen von Athen einen Asylantrag gestellt habe. Die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers sei jedoch gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO von Griechenland auf die beklagte Bundesrepublik Deutschland übergangen, da der Kläger nicht innerhalb der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist an Griechenland überstellt worden sei. Zwar habe die erkennende Kammer die Beklagte mit Beschluss vom 16.10.2008 durch eine einstweilige Anordnung verpflichtet, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Antragstellers nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen. Diese einstweilige Anordnung stelle jedoch keinen Rechtsbehelf dar, der aufschiebende Wirkung habe. Der Beschluss habe daher keinen Einfluss auf den Ablauf der für die Überstellung geltenden Frist. Der zulässig gewordene Asylantrag des Klägers sei auch begründet, da dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak eine religiös motivierte Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure im Sinne des § 60 Abs. 1 S. 4 Buchst. c AufenthG drohe. Die Beklagte gehe bei Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, grundsätzlich von einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure aus. Nach dem Gutachten des Europäischen Zentrums für kurdische Studien vom 26.5.2008 liege das Sheikhan-Gebiet im Grenzgebiet zwischen Zentral- und Nordirak. Es gehöre verwaltungstechnisch und rechtlich zur Provinz Niniwe/Mosul und stehe damit de jure unter zentralirakischer Verwaltung. Mithin treffe die von der Beklagten für Yeziden aus dem Zentralirak angenommene Gruppenverfolgung auch für die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden zu.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 2.2.2010 zugelassene Berufung der Beklagten. Auf Antrag der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 29.6.2010 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Die Beklagte hat das Verfahren am 25.3.2011 wieder angerufen.
Die Beklagte macht geltend, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht der Ansicht, dass die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO von Griechenland auf Deutschland übergangen sei. Die sechsmonatige Frist für den Übergang der Zuständigkeit beginne erst ab dem Zeitpunkt zu laufen, ab dem die Behörde den Bescheid auch vollziehen könne und sich dabei ausschließlich den technischen Problemen der Überstellung widmen könne. Unabhängig davon halte das Verwaltungsgericht den Asylantrag auch zu Unrecht für in der Sache begründet. Nach dem Vorbringen des Klägers sei nicht ersichtlich, dass dieser den Irak unter dem Druck individuell erlittener oder unmittelbar drohender Verfolgung verlassen habe. Eine gruppenspezifische Gefährdung der Yeziden im Irak lasse sich nicht feststellen.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. September 2009 - A 6 K 3484/08 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Verwaltungsgerichts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Hauptantrag des Klägers zu Unrecht entsprochen. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG liegen entgegen seiner Ansicht nicht vor (unten I). Die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 S. 2 AufenthG bzw. § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben, so dass die Klage auch mit den vom Kläger gestellten Hilfsanträgen keinen Erfolg haben kann (unten II).
I.
17 
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht zu der Feststellung verpflichtet, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist.
18 
1. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die beklagte Bundesrepublik Deutschland sei für das Asylverfahren des Klägers zuständig, auch wenn der Kläger zuvor einen Asylantrag in Griechenland gestellt habe. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen.
19 
a) Der Kläger hat am 23.5.2006 in Griechenland einen ersten und nach seiner zwischenzeitlichen Rückkehr in den Irak am 3.2.2008 einen weiteren Asylantrag in Deutschland gestellt. Wegen des zuvor in Griechenland durchgeführten Asylverfahrens hat das Bundesamt mit Schreiben vom 10.4.2008 ein Aufnahmeersuchen an Griechenland gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.2.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, (im Folgenden: Dublin II-VO) gestellt, auf das Griechenland nicht innerhalb von zwei Monaten geantwortet hat. Nach Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO ist in einem solchen Fall davon auszugehen, dass der ersuchte Mitgliedstaat die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiert, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.
20 
Das hat auch das Verwaltungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt. Es hat gleichwohl angenommen, dass die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO von Griechenland auf die Beklagte übergangen sei, da der Kläger nicht innerhalb der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist an Griechenland überstellt worden sei. Den Umstand, dass die erkennende Kammer die Beklagte mit Beschluss vom 16.10.2008 durch eine einstweilige Anordnung verpflichtet hat, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Antragstellers nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen, hat das Verwaltungsgericht dabei für unerheblich erklärt, da diese Anordnung keinen Rechtsbehelf darstelle, der aufschiebende Wirkung habe. Der Beschluss habe daher keinen Einfluss auf den Ablauf der für die Überstellung geltenden Frist. Das steht, wie die Beklagte zu Recht beanstandet, mit Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO nicht in Einklang.
21 
aa) Die Überstellung des Asylbewerbers von dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des ersteren Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, „sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch den anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat“ (Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO). Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde (Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO).
22 
Nach der im deutschen (nationalen) Recht geltenden Regelung in § 34 a Abs. 2 AsylVfG darf die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat nicht nach § 80 oder § 123 VwGO ausgesetzt werden. Das Gleiche gilt nach der Neufassung dieser Vorschrift durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 für die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat. Im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93 - (BVerfGE 94, 49) hat sich das Verwaltungsgericht trotz dieser Regelung für berechtigt gehalten, die Abschiebung des Klägers nach Griechenland auf dessen Antrag auszusetzen, da nach den vorliegenden Erkenntnisquellen zur Situation und Behandlung von Flüchtlingen in Griechenland davon auszugehen sei, dass dem Kläger dort kein Asylverfahren offen stehe, das die Mindestnormen für Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß der Europäischen Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1.12.2005 einhalte. Ebenso wenig sei gewährleistet, dass in Griechenland die Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern gemäß der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.1.2003 eingehalten würden. Die Verletzung der genannten Normen und die damit einher gehenden Grundrechts- und Menschenrechtsverletzungen seien als Sonderfall anzusehen, in dem § 34 a Abs. 2 AsylVfG nicht anzuwenden sei.
23 
bb) Mit dieser Entscheidung ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts der Lauf der Frist für die Überstellung des Klägers an Griechenland gehemmt worden.
24 
Die in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehene Frist berücksichtigt die organisatorischen Schwierigkeiten, die mit der Durchführung der Überstellung verbunden sind, und verfolgt das Ziel, es den beiden betroffenen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, sich im Hinblick auf die Durchführung abzustimmen, und es insbesondere dem ersuchenden Mitgliedstaat zu erlauben, die Modalitäten für die Durchführung der Überstellung zu regeln, die nach den nationalen Rechtsvorschriften dieses letztgenannten Staates erfolgt. Das gilt auch für den in der Vorschrift genannten Fall, dass der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt, da auch in diesem Fall jeder der beiden betroffenen Mitgliedstaaten bei der Organisation der Überstellung den gleichen praktischen Schwierigkeiten gegenübersteht und deshalb über die gleiche Frist von sechs Monaten verfügen soll, um die Überstellung des Asylbewerbers zu bewerkstelligen. Der Lauf der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist beginnt daher in dem genannten Fall nicht bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung, mit der die Durchführung des Überstellungsverfahrens ausgesetzt wird, sondern erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die der Durchführung dieses Verfahrens nicht mehr entgegenstehen kann (EuGH, Urt. v. 29.1.2009 - C-19/08 - NVwZ 2009, 639).
25 
Für den Beginn der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist kann es danach entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht auf den in den §§ 80, 123 VwGO gemachten Unterschied zwischen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs und einer einstweiligen Anordnung ankommen. Dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 16.10.2008 liegt die Auffassung zu Grunde, dass das deutsche (nationale) Recht es unter bestimmten, vom Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall bejahten Voraussetzungen gestattet, die Abschiebung eines Asylbewerbers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat und damit die Durchführung des in der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vorgesehenen Überstellungsverfahrens auszusetzen. Damit greift die genannte Überlegung, wonach die betroffenen Mitgliedstaaten auch für den Fall, dass der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt, eine Frist von sechs Monaten verfügen sollen, um die Überstellung des Asylbewerbers zu bewerkstelligen. Ob die Durchführung des Überstellungsverfahrens in Folge einer nach § 80 VwGO oder in Folge einer nach § 123 VwGO getroffenen gerichtlichen Entscheidung ausgesetzt ist, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.
26 
b) Die Zuständigkeit der Beklagten für die Prüfung des Asylantrags des Klägers ergibt sich jedoch aus Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO.
27 
Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist, und wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung. Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 21.12.2011, aaO) lässt dieses Asylsystem die Annahme zu, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention finden. Es gilt daher die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden. Sie ist widerlegt, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren. Der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, ist in einem solchen Fall verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann.
28 
Nach dem in Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21.1.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland) ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21.12.2011 (aaO) ist davon auszugehen, dass die große Zahl von Asylbewerbern, die in den letzten Jahren über Griechenland in die Union gelangt sind, es den griechischen Behörden unmöglich gemacht hat, diesen Zustrom zu bewältigen. Der Europäische Gerichtshof ist deshalb der Meinung, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Griechenland grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren. Die Beklagte hätte danach den Asylantrag des Klägers nicht als unzulässig abweisen dürfen, sondern den Antrag sachlich prüfen müssen.
29 
2. Das Verwaltungsgericht hat die somit notwendige sachliche Prüfung des Asylantrags des Klägers selbst vorgenommen. Das entspricht der Rechtslage.
30 
Nach § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO spricht das Gericht, soweit die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten begünstigenden Verwaltungsaktes rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde zum Erlass dieses Verwaltungsakts aus, wenn die Sache spruchreif ist. Nach § 86 Abs. 1 VwGO hat das Gericht im Rahmen des Klagebegehrens alle für die Entscheidung maßgebenden tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs in eigener Verantwortung festzustellen. Das Gericht muss danach die Streitsache im Sinne des § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO in vollem Umfang spruchreif machen. Es ist deshalb grundsätzlich nicht zulässig, dass das Verwaltungsgericht bei rechtswidriger Verweigerung des begehrten Verwaltungsakts lediglich die Ablehnung aufhebt und der Behörde mit gewissermaßen zurückverweisender Wirkung die Prüfung und Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen aufgibt. Vielmehr hat es die notwendigen Prüfungen und Feststellungen selbst vorzunehmen und sodann abschließend in der Sache zu entscheiden (stRspr, vgl. BVerwG, Urt. v. 10.2.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Die Pflicht des Gerichts, die Streitsache spruchreif zu machen, gilt auch in Verfahren, in denen das Bundesamt - wie hier - einen Asylantrag zu Unrecht als unzulässig abgewiesen hat.
31 
3. Das Verwaltungsgericht ist jedoch bei seiner Prüfung zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen liegen entgegen seiner Ansicht nicht vor.
32 
a) Nach § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Anders als im Anwendungsbereich des Art. 16a Abs. 1 GG, der grundsätzlich nur Schutz vor staatlicher Verfolgung gewährt, kann eine Verfolgung in diesem Sinne gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ausgehen von (a) dem Staat, (b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder (c) „nichtstaatlichen Akteuren“, sofern die unter den Buchstaben a) und b) genannten „Akteure“ einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten. Für die Feststellung, ob eine solche Verfolgung vorliegt, sind gemäß § 60 Abs. 1 S. 5 AufenthG Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Qualifikationsrichtlinie, ABl. EU 2004 Nr. L 304 S. 12) ergänzend anzuwenden.
33 
Die Gefahr eigener Verfolgung kann sich nicht nur aus gegen den Ausländer selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms - eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die Vermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss. Diese für die staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind auch auf die private Verfolgung durch „nichtstaatliche Akteure“ übertragbar (BVerwG, Urt. v. 21.04.2009 - 10 C 11.08 - NVwZ 2009, 1237).
34 
b) In Anwendung dieser Grundsätze hat das Verwaltungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG mit der Begründung bejaht, dass die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt seien. Es hat dazu näher ausgeführt, die Beklagte gehe bei Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, von einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure aus. Nach dem Gutachten des Europäischen Zentrums für kurdische Studien (EZKS) vom 26.5.2008 liege das Sheikhan-Gebiet im Grenzgebiet zwischen Zentral- und Nordirak. Es gehöre verwaltungstechnisch und rechtlich zur Provinz Niniwe/Mosul und stehe damit de jure unter zentralirakischer Verwaltung. Mithin treffe die von der Beklagten für Yeziden aus dem Zentralirak angenommene Gruppenverfolgung auch für die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden zu.
35 
Das reicht als Begründung schon für sich genommen nicht aus. Das Verwaltungsgericht hat zum einen nicht geprüft, ob die Annahme der Beklagten zutrifft, dass Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt sind, sondern hat diese Annahme ohne weiteres als feststehende Tatsache übernommen. Es hat zum anderen hieraus geschlossen, dass auch die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt seien, da das Sheikhan-Gebiet de jure unter zentralirakischer Verwaltung stehe, ohne der sich aufdrängenden Frage nachzugehen, ob eine de jure bestehende Verwaltungshoheit auch bedeutet, dass die betreffenden Gebiete de facto unter zentralirakischer Verwaltung stehen. Das ist umso weniger zu verstehen, als in dem auch vom Verwaltungsgericht zitierten Gutachten des EZKS vom 26.5.2008 ausführlich auf diesen Unterschied eingegangen wird.
36 
c) Die Begründung des Verwaltungsgericht trifft davon abgesehen auch in der Sache nicht zu.
37 
aa) Das EZKS unterscheidet in seinen Gutachten vom 26.5.2008 und 17.2.2010 zur Gefährdung der im Irak lebenden Yeziden zwischen verschiedenen Gebieten, nämlich zum einen den de jure (und de facto) von der Kurdischen Regionalverwaltung verwalteten Gebieten, d.h. den - aus Teilen der Provinzen Dohuk, Erbil, Suleymaniya, Kirkuk, Diyala und Niniveh zusammengesetzten - Gebieten, die bereits im Zeitpunkt des Einmarschs der alliierten Truppen in den Irak (19.3.2003) von den damals noch zwei kurdischen Regionalregierungen kontrolliert wurden, sowie den „umstrittenen Gebieten“, d.h. den Gebieten, die sowohl von der Kurdischen Regionalverwaltung als auch der irakischen Zentralregierung beansprucht werden. Was die zuletzt genannten Gebiete betrifft, wird weiter unterschieden zwischen de facto von der Kurdischen Regionalverwaltung verwalteten Gebieten, d.h. Gebieten, in denen bestimmte Verwaltungs- bzw. Schutzaufgaben von der Kurdischen Regionalverwaltung bzw. den kurdischen Parteien KDP und PUK übernommen werden, sowie Gebieten, in denen dies nicht der Fall ist und die somit nicht nur de jure, sondern auch de facto von der irakischen Zentralregierung verwaltet werden.
38 
Eine exakte Benennung der Gebiete, die de facto von der Kurdischen Regionalverwaltung verwaltet werden, ist nach den Ausführungen des EZKS nur mit großen Schwierigkeiten möglich. Nach dem Gutachten vom 17.2.2010 kann jedoch als sicher gelten, dass die Distrikte Sheikhan und al-Sheikhan insgesamt de facto unter kurdischer Kontrolle stehen (Gutachten, S. 12).
39 
bb) Zu der Frage, ob und inwieweit im Sheikhan-Gebiet lebende Yeziden durch andere Bevölkerungsgruppen gefährdet sind, heißt es im Gutachten des EZKS vom 17.2.2010 (S. 23), die Sicherheitslage im Sheikhan sei insbesondere wegen seiner direkten Verbindung zu den de jure kurdisch verwalteten Gebieten grundsätzlich besser als im Sindjar. Auch der Bericht der UNAMI (United Nations Assistance Mission for Iraq) zur Lage in den umstrittenen Gebieten bezeichne die Sicherheitslage im Sheikhan als vergleichsweise stabil. Für die Zeit zwischen Februar 2007 und September 2008 würden in diesem Bericht nur fünf registrierte Sicherheitsvorfälle genannt. Auch in den diversen Menschenrechtsberichten etc. fänden sich keine Hinweise darauf, dass es im Sheikhan Übergriffe sunnitischer Extremisten auf Yeziden oder Christen gegeben habe. Auch zu Auseinandersetzungen zwischen muslimischen und yezidischen Kurden wie am 15.2.2007 in Ain Sifni im Anschluss an einen Konflikt zwischen Eheleuten solle es seither nicht mehr gekommen sein. Übergriffe gegenüber Yeziden, die in Opposition zur Politik der kurdischen Allianz stünden, seien ebenfalls nicht dokumentiert. In dem genannten Gutachten werden lediglich Klagen einzelner Yeziden zitiert, nach denen sie von den Kurden aus Dohuk, Erbil und Suleymaniya wie Bürger zweiter Klasse behandelt würden. Von yezidischer Seite werde ferner kritisiert, dass Yeziden innerhalb der Sicherheitskräfte (Peschmerga, Polizei, Geheimdienst) nicht hinreichend repräsentiert seien. Darüber hinaus hätten sich Mitglieder der antikurdischen Yezidischen Bewegung darüber beklagt, dass sie in Sheikhan kein Parteibüro eröffnen dürften (S. 23 f.).
40 
Von einer der aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden drohenden Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure kann danach offensichtlich keine Rede sein, da es an der dafür erforderlichen Verfolgungsdichte fehlt (im Ergebnis ebenso OVG Saarland, Urt. v. 29.3.2012 - 3 A 456/11 - Juris; OVG NRW, Beschl. v. 28.3.2011 - 9 A 2563/10.A - Juris).
II.
41 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Das bedarf, was die in § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG geregelten Abschiebungsverbote betrifft, keiner näheren Begründung. In Betracht zu ziehen ist allein das Bestehen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 2 oder § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG.
42 
1. Nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG, mit dem die sich aus Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie ergebenden Verpflichtungen auf Gewährung eines „subsidiären Schutzstatus“ bzw. „subsidiären Schutzes“ in nationales Recht umgesetzt werden, ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u. a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wofür Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe typische Beispiele sind (BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO).
43 
Die Frage, ob die derzeitige Situation im Irak die landesweit oder auch nur regional gültige Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts rechtfertigt, dürfte hiervon ausgehend zu verneinen sein. Die Frage kann jedoch auf sich beruhen, da selbst bei der Annahme eines solchen Konflikts ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG nur besteht, wenn der Ausländer einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben „im Rahmen“ dieses Konflikts ausgesetzt ist. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers nicht gegeben.
44 
Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 - (BVerwGE 134, 188) kann sich die nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG erforderliche Individualisierung der sich aus einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt ergebenden allgemeinen Gefahr nicht nur aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann vielmehr unabhängig davon auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind nach den oben gemachten Ausführungen zu verneinen. Die erforderliche Individualisierung könnte sich daher nur durch einen besonders hohen Grad der dem Kläger in seiner Heimatregion drohenden allgemeinen Gefahren ergeben, vor denen er auch in den übrigen Teilen des Irak keinen Schutz finden kann. Nach den dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen lässt sich jedoch für die Gegend des Sheikhan, aus welcher der Kläger nach seinen Angaben stammt, ein so hoher Gefahrengrad, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in diesem Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre, nicht feststellen.
45 
2. Auch ein (national begründetes) Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG ist im Falle des Klägers nicht erkennbar.
46 
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder seine Bevölkerungsgruppe allgemein treffen, wird - abgesehen von Fällen der richtlinienkonformen Auslegung bei Anwendung von Art. 15 lit. c der Qualifikationsrichtlinie für internationale oder innerstaatliche bewaffnete Konflikte - der Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG gewährt. Beim Fehlen einer solchen Regelung kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke in Betracht, d.h. nur zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage in dem Sinne, dass dem Ausländer sehenden Auges der sichere Tod droht oder er schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO). Eine solche extreme konkrete Gefahrenlage besteht für den Kläger im Hinblick auf das oben Ausgeführte nicht.
47 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
48 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
16 
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Hauptantrag des Klägers zu Unrecht entsprochen. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG liegen entgegen seiner Ansicht nicht vor (unten I). Die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 S. 2 AufenthG bzw. § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben, so dass die Klage auch mit den vom Kläger gestellten Hilfsanträgen keinen Erfolg haben kann (unten II).
I.
17 
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht zu der Feststellung verpflichtet, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist.
18 
1. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die beklagte Bundesrepublik Deutschland sei für das Asylverfahren des Klägers zuständig, auch wenn der Kläger zuvor einen Asylantrag in Griechenland gestellt habe. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen.
19 
a) Der Kläger hat am 23.5.2006 in Griechenland einen ersten und nach seiner zwischenzeitlichen Rückkehr in den Irak am 3.2.2008 einen weiteren Asylantrag in Deutschland gestellt. Wegen des zuvor in Griechenland durchgeführten Asylverfahrens hat das Bundesamt mit Schreiben vom 10.4.2008 ein Aufnahmeersuchen an Griechenland gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.2.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, (im Folgenden: Dublin II-VO) gestellt, auf das Griechenland nicht innerhalb von zwei Monaten geantwortet hat. Nach Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO ist in einem solchen Fall davon auszugehen, dass der ersuchte Mitgliedstaat die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiert, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.
20 
Das hat auch das Verwaltungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt. Es hat gleichwohl angenommen, dass die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO von Griechenland auf die Beklagte übergangen sei, da der Kläger nicht innerhalb der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist an Griechenland überstellt worden sei. Den Umstand, dass die erkennende Kammer die Beklagte mit Beschluss vom 16.10.2008 durch eine einstweilige Anordnung verpflichtet hat, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Antragstellers nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen, hat das Verwaltungsgericht dabei für unerheblich erklärt, da diese Anordnung keinen Rechtsbehelf darstelle, der aufschiebende Wirkung habe. Der Beschluss habe daher keinen Einfluss auf den Ablauf der für die Überstellung geltenden Frist. Das steht, wie die Beklagte zu Recht beanstandet, mit Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO nicht in Einklang.
21 
aa) Die Überstellung des Asylbewerbers von dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des ersteren Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, „sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch den anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat“ (Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO). Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde (Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO).
22 
Nach der im deutschen (nationalen) Recht geltenden Regelung in § 34 a Abs. 2 AsylVfG darf die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat nicht nach § 80 oder § 123 VwGO ausgesetzt werden. Das Gleiche gilt nach der Neufassung dieser Vorschrift durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 für die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat. Im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93 - (BVerfGE 94, 49) hat sich das Verwaltungsgericht trotz dieser Regelung für berechtigt gehalten, die Abschiebung des Klägers nach Griechenland auf dessen Antrag auszusetzen, da nach den vorliegenden Erkenntnisquellen zur Situation und Behandlung von Flüchtlingen in Griechenland davon auszugehen sei, dass dem Kläger dort kein Asylverfahren offen stehe, das die Mindestnormen für Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß der Europäischen Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1.12.2005 einhalte. Ebenso wenig sei gewährleistet, dass in Griechenland die Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern gemäß der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.1.2003 eingehalten würden. Die Verletzung der genannten Normen und die damit einher gehenden Grundrechts- und Menschenrechtsverletzungen seien als Sonderfall anzusehen, in dem § 34 a Abs. 2 AsylVfG nicht anzuwenden sei.
23 
bb) Mit dieser Entscheidung ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts der Lauf der Frist für die Überstellung des Klägers an Griechenland gehemmt worden.
24 
Die in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehene Frist berücksichtigt die organisatorischen Schwierigkeiten, die mit der Durchführung der Überstellung verbunden sind, und verfolgt das Ziel, es den beiden betroffenen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, sich im Hinblick auf die Durchführung abzustimmen, und es insbesondere dem ersuchenden Mitgliedstaat zu erlauben, die Modalitäten für die Durchführung der Überstellung zu regeln, die nach den nationalen Rechtsvorschriften dieses letztgenannten Staates erfolgt. Das gilt auch für den in der Vorschrift genannten Fall, dass der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt, da auch in diesem Fall jeder der beiden betroffenen Mitgliedstaaten bei der Organisation der Überstellung den gleichen praktischen Schwierigkeiten gegenübersteht und deshalb über die gleiche Frist von sechs Monaten verfügen soll, um die Überstellung des Asylbewerbers zu bewerkstelligen. Der Lauf der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist beginnt daher in dem genannten Fall nicht bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung, mit der die Durchführung des Überstellungsverfahrens ausgesetzt wird, sondern erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die der Durchführung dieses Verfahrens nicht mehr entgegenstehen kann (EuGH, Urt. v. 29.1.2009 - C-19/08 - NVwZ 2009, 639).
25 
Für den Beginn der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist kann es danach entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht auf den in den §§ 80, 123 VwGO gemachten Unterschied zwischen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs und einer einstweiligen Anordnung ankommen. Dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 16.10.2008 liegt die Auffassung zu Grunde, dass das deutsche (nationale) Recht es unter bestimmten, vom Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall bejahten Voraussetzungen gestattet, die Abschiebung eines Asylbewerbers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat und damit die Durchführung des in der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vorgesehenen Überstellungsverfahrens auszusetzen. Damit greift die genannte Überlegung, wonach die betroffenen Mitgliedstaaten auch für den Fall, dass der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt, eine Frist von sechs Monaten verfügen sollen, um die Überstellung des Asylbewerbers zu bewerkstelligen. Ob die Durchführung des Überstellungsverfahrens in Folge einer nach § 80 VwGO oder in Folge einer nach § 123 VwGO getroffenen gerichtlichen Entscheidung ausgesetzt ist, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.
26 
b) Die Zuständigkeit der Beklagten für die Prüfung des Asylantrags des Klägers ergibt sich jedoch aus Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO.
27 
Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist, und wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung. Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 21.12.2011, aaO) lässt dieses Asylsystem die Annahme zu, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention finden. Es gilt daher die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden. Sie ist widerlegt, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren. Der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, ist in einem solchen Fall verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann.
28 
Nach dem in Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21.1.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland) ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21.12.2011 (aaO) ist davon auszugehen, dass die große Zahl von Asylbewerbern, die in den letzten Jahren über Griechenland in die Union gelangt sind, es den griechischen Behörden unmöglich gemacht hat, diesen Zustrom zu bewältigen. Der Europäische Gerichtshof ist deshalb der Meinung, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Griechenland grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren. Die Beklagte hätte danach den Asylantrag des Klägers nicht als unzulässig abweisen dürfen, sondern den Antrag sachlich prüfen müssen.
29 
2. Das Verwaltungsgericht hat die somit notwendige sachliche Prüfung des Asylantrags des Klägers selbst vorgenommen. Das entspricht der Rechtslage.
30 
Nach § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO spricht das Gericht, soweit die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten begünstigenden Verwaltungsaktes rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde zum Erlass dieses Verwaltungsakts aus, wenn die Sache spruchreif ist. Nach § 86 Abs. 1 VwGO hat das Gericht im Rahmen des Klagebegehrens alle für die Entscheidung maßgebenden tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs in eigener Verantwortung festzustellen. Das Gericht muss danach die Streitsache im Sinne des § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO in vollem Umfang spruchreif machen. Es ist deshalb grundsätzlich nicht zulässig, dass das Verwaltungsgericht bei rechtswidriger Verweigerung des begehrten Verwaltungsakts lediglich die Ablehnung aufhebt und der Behörde mit gewissermaßen zurückverweisender Wirkung die Prüfung und Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen aufgibt. Vielmehr hat es die notwendigen Prüfungen und Feststellungen selbst vorzunehmen und sodann abschließend in der Sache zu entscheiden (stRspr, vgl. BVerwG, Urt. v. 10.2.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Die Pflicht des Gerichts, die Streitsache spruchreif zu machen, gilt auch in Verfahren, in denen das Bundesamt - wie hier - einen Asylantrag zu Unrecht als unzulässig abgewiesen hat.
31 
3. Das Verwaltungsgericht ist jedoch bei seiner Prüfung zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen liegen entgegen seiner Ansicht nicht vor.
32 
a) Nach § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Anders als im Anwendungsbereich des Art. 16a Abs. 1 GG, der grundsätzlich nur Schutz vor staatlicher Verfolgung gewährt, kann eine Verfolgung in diesem Sinne gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ausgehen von (a) dem Staat, (b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder (c) „nichtstaatlichen Akteuren“, sofern die unter den Buchstaben a) und b) genannten „Akteure“ einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten. Für die Feststellung, ob eine solche Verfolgung vorliegt, sind gemäß § 60 Abs. 1 S. 5 AufenthG Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Qualifikationsrichtlinie, ABl. EU 2004 Nr. L 304 S. 12) ergänzend anzuwenden.
33 
Die Gefahr eigener Verfolgung kann sich nicht nur aus gegen den Ausländer selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms - eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die Vermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss. Diese für die staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind auch auf die private Verfolgung durch „nichtstaatliche Akteure“ übertragbar (BVerwG, Urt. v. 21.04.2009 - 10 C 11.08 - NVwZ 2009, 1237).
34 
b) In Anwendung dieser Grundsätze hat das Verwaltungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG mit der Begründung bejaht, dass die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt seien. Es hat dazu näher ausgeführt, die Beklagte gehe bei Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, von einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure aus. Nach dem Gutachten des Europäischen Zentrums für kurdische Studien (EZKS) vom 26.5.2008 liege das Sheikhan-Gebiet im Grenzgebiet zwischen Zentral- und Nordirak. Es gehöre verwaltungstechnisch und rechtlich zur Provinz Niniwe/Mosul und stehe damit de jure unter zentralirakischer Verwaltung. Mithin treffe die von der Beklagten für Yeziden aus dem Zentralirak angenommene Gruppenverfolgung auch für die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden zu.
35 
Das reicht als Begründung schon für sich genommen nicht aus. Das Verwaltungsgericht hat zum einen nicht geprüft, ob die Annahme der Beklagten zutrifft, dass Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt sind, sondern hat diese Annahme ohne weiteres als feststehende Tatsache übernommen. Es hat zum anderen hieraus geschlossen, dass auch die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt seien, da das Sheikhan-Gebiet de jure unter zentralirakischer Verwaltung stehe, ohne der sich aufdrängenden Frage nachzugehen, ob eine de jure bestehende Verwaltungshoheit auch bedeutet, dass die betreffenden Gebiete de facto unter zentralirakischer Verwaltung stehen. Das ist umso weniger zu verstehen, als in dem auch vom Verwaltungsgericht zitierten Gutachten des EZKS vom 26.5.2008 ausführlich auf diesen Unterschied eingegangen wird.
36 
c) Die Begründung des Verwaltungsgericht trifft davon abgesehen auch in der Sache nicht zu.
37 
aa) Das EZKS unterscheidet in seinen Gutachten vom 26.5.2008 und 17.2.2010 zur Gefährdung der im Irak lebenden Yeziden zwischen verschiedenen Gebieten, nämlich zum einen den de jure (und de facto) von der Kurdischen Regionalverwaltung verwalteten Gebieten, d.h. den - aus Teilen der Provinzen Dohuk, Erbil, Suleymaniya, Kirkuk, Diyala und Niniveh zusammengesetzten - Gebieten, die bereits im Zeitpunkt des Einmarschs der alliierten Truppen in den Irak (19.3.2003) von den damals noch zwei kurdischen Regionalregierungen kontrolliert wurden, sowie den „umstrittenen Gebieten“, d.h. den Gebieten, die sowohl von der Kurdischen Regionalverwaltung als auch der irakischen Zentralregierung beansprucht werden. Was die zuletzt genannten Gebiete betrifft, wird weiter unterschieden zwischen de facto von der Kurdischen Regionalverwaltung verwalteten Gebieten, d.h. Gebieten, in denen bestimmte Verwaltungs- bzw. Schutzaufgaben von der Kurdischen Regionalverwaltung bzw. den kurdischen Parteien KDP und PUK übernommen werden, sowie Gebieten, in denen dies nicht der Fall ist und die somit nicht nur de jure, sondern auch de facto von der irakischen Zentralregierung verwaltet werden.
38 
Eine exakte Benennung der Gebiete, die de facto von der Kurdischen Regionalverwaltung verwaltet werden, ist nach den Ausführungen des EZKS nur mit großen Schwierigkeiten möglich. Nach dem Gutachten vom 17.2.2010 kann jedoch als sicher gelten, dass die Distrikte Sheikhan und al-Sheikhan insgesamt de facto unter kurdischer Kontrolle stehen (Gutachten, S. 12).
39 
bb) Zu der Frage, ob und inwieweit im Sheikhan-Gebiet lebende Yeziden durch andere Bevölkerungsgruppen gefährdet sind, heißt es im Gutachten des EZKS vom 17.2.2010 (S. 23), die Sicherheitslage im Sheikhan sei insbesondere wegen seiner direkten Verbindung zu den de jure kurdisch verwalteten Gebieten grundsätzlich besser als im Sindjar. Auch der Bericht der UNAMI (United Nations Assistance Mission for Iraq) zur Lage in den umstrittenen Gebieten bezeichne die Sicherheitslage im Sheikhan als vergleichsweise stabil. Für die Zeit zwischen Februar 2007 und September 2008 würden in diesem Bericht nur fünf registrierte Sicherheitsvorfälle genannt. Auch in den diversen Menschenrechtsberichten etc. fänden sich keine Hinweise darauf, dass es im Sheikhan Übergriffe sunnitischer Extremisten auf Yeziden oder Christen gegeben habe. Auch zu Auseinandersetzungen zwischen muslimischen und yezidischen Kurden wie am 15.2.2007 in Ain Sifni im Anschluss an einen Konflikt zwischen Eheleuten solle es seither nicht mehr gekommen sein. Übergriffe gegenüber Yeziden, die in Opposition zur Politik der kurdischen Allianz stünden, seien ebenfalls nicht dokumentiert. In dem genannten Gutachten werden lediglich Klagen einzelner Yeziden zitiert, nach denen sie von den Kurden aus Dohuk, Erbil und Suleymaniya wie Bürger zweiter Klasse behandelt würden. Von yezidischer Seite werde ferner kritisiert, dass Yeziden innerhalb der Sicherheitskräfte (Peschmerga, Polizei, Geheimdienst) nicht hinreichend repräsentiert seien. Darüber hinaus hätten sich Mitglieder der antikurdischen Yezidischen Bewegung darüber beklagt, dass sie in Sheikhan kein Parteibüro eröffnen dürften (S. 23 f.).
40 
Von einer der aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden drohenden Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure kann danach offensichtlich keine Rede sein, da es an der dafür erforderlichen Verfolgungsdichte fehlt (im Ergebnis ebenso OVG Saarland, Urt. v. 29.3.2012 - 3 A 456/11 - Juris; OVG NRW, Beschl. v. 28.3.2011 - 9 A 2563/10.A - Juris).
II.
41 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Das bedarf, was die in § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG geregelten Abschiebungsverbote betrifft, keiner näheren Begründung. In Betracht zu ziehen ist allein das Bestehen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 2 oder § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG.
42 
1. Nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG, mit dem die sich aus Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie ergebenden Verpflichtungen auf Gewährung eines „subsidiären Schutzstatus“ bzw. „subsidiären Schutzes“ in nationales Recht umgesetzt werden, ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u. a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wofür Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe typische Beispiele sind (BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO).
43 
Die Frage, ob die derzeitige Situation im Irak die landesweit oder auch nur regional gültige Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts rechtfertigt, dürfte hiervon ausgehend zu verneinen sein. Die Frage kann jedoch auf sich beruhen, da selbst bei der Annahme eines solchen Konflikts ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG nur besteht, wenn der Ausländer einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben „im Rahmen“ dieses Konflikts ausgesetzt ist. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers nicht gegeben.
44 
Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 - (BVerwGE 134, 188) kann sich die nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG erforderliche Individualisierung der sich aus einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt ergebenden allgemeinen Gefahr nicht nur aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann vielmehr unabhängig davon auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind nach den oben gemachten Ausführungen zu verneinen. Die erforderliche Individualisierung könnte sich daher nur durch einen besonders hohen Grad der dem Kläger in seiner Heimatregion drohenden allgemeinen Gefahren ergeben, vor denen er auch in den übrigen Teilen des Irak keinen Schutz finden kann. Nach den dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen lässt sich jedoch für die Gegend des Sheikhan, aus welcher der Kläger nach seinen Angaben stammt, ein so hoher Gefahrengrad, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in diesem Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre, nicht feststellen.
45 
2. Auch ein (national begründetes) Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG ist im Falle des Klägers nicht erkennbar.
46 
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder seine Bevölkerungsgruppe allgemein treffen, wird - abgesehen von Fällen der richtlinienkonformen Auslegung bei Anwendung von Art. 15 lit. c der Qualifikationsrichtlinie für internationale oder innerstaatliche bewaffnete Konflikte - der Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG gewährt. Beim Fehlen einer solchen Regelung kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke in Betracht, d.h. nur zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage in dem Sinne, dass dem Ausländer sehenden Auges der sichere Tod droht oder er schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO). Eine solche extreme konkrete Gefahrenlage besteht für den Kläger im Hinblick auf das oben Ausgeführte nicht.
47 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
48 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der 1985 geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Pakistan und gehört zu den Punjabi. Er verließ nach seinen Angaben Pakistan am 25.02.2012 und kam am 26.03.2012 nach Italien, wo er erkennungsdienstlich behandelt wurde. Am 03.06.2012 reiste er nach seinen Angaben auf dem Landweg über die Schweiz oder Frankreich nach Deutschland.
Am 18.06.2012 stellte er einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellte daraufhin am 18.10.2012 ein auf Art. 16 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien. Am 30.11.2012 erfolgte die Zustimmung Italiens zur Rücküberstellung des Klägers.
Mit Bescheid vom 03.12.2012 erklärte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag für unzulässig und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Ein Zustellungsnachweis befindet sich nicht bei den Akten; jedenfalls wurde der Bescheid mit einem Begleitschreiben vom 15.01.2013 zur Post gegeben. Die für den 31.01.2013 vorgesehene Überstellung nach Italien konnte nicht durchgeführt werden, da der Kläger nicht angetroffen wurde.
Am 28.01.2013 erhob der Kläger Klage und machte geltend, eine Abschiebung nach Italien sei nicht zulässig. Er habe in Italien gar keinen Asylantrag gestellt. Auch bestehe die Gefahr der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung in Italien. Die Beklagte hätte von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen.
Mit Beschluss vom 14.03.2013 (A 12 K 332/13) ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 03.12.2012 enthaltene Abschiebungsanordnung an und gab der Beklagten auf, dem Regierungspräsidium Karlsruhe die Anordnung der aufschiebenden Wirkung mitzuteilen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vom 17.06.2013 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 03.12.2012 auf und verpflichtete die Bundesrepublik Deutschland auf den ausdrücklichen Antrag des Klägers, sein Asylverfahren fortzuführen. Zur Begründung führte es aus: Zwar sei Italien der zuständige Mitgliedstaat. Allerdings leide das Asylsystem Italiens unter sog. systemischen Mängeln im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, sodass die Bundesrepublik von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müsse.
Auf den rechtzeitig gestellten Antrag der Beklagten ließ der Senat durch Beschluss vom 14.08.2013 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.
Am 05.09.2013 hat der Beklagte unter Stellung eines Antrags die Berufung begründet: Zunächst sei davon auszugehen, dass das Zuständigkeitsregime der Dublin-Verordnung keine subjektiven Rechte der Asylbewerber begründe. Im Übrigen gelte nach der Rechtsprechung des EuGH eine generelle Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention erfolge. Dass in Bezug auf Italien ernsthaft und erwiesenermaßen zu befürchten sei, dass systemische Mängel zwangsläufig mit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung der überstellten Asylbewerber einhergingen, könne nicht eingewandt werden. Nach den vorliegenden Quellen, insbesondere von UNHCR, seien derartige Befürchtungen nicht gerechtfertigt.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.06.2013 - A 12 K 331/13 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten verweist der Senat auf die gewechselten Schriftsätze. Dem Senat liegen die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

Gründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 22. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem die Unzulässigkeit eines von ihm in Deutschland gestellten Asylantrags festgestellt und die Abschiebung nach Italien angeordnet wird. Er begehrt die Ausübung des Selbsteintrittsrechts und die sachliche Prüfung des Asylantrags in Deutschland.

2

Der Kläger stellte am 2. August 2012 bei der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Trier (Bundesamt) einen Asylantrag, nachdem er am 17. Juli 2012 als Asylbewerber erfasst worden war. Bei der Antragstellung gab er an, am 5. August 1988 in Mogadischu geboren zu sein und die somalische Staatsangehörigkeit zu besitzen. Er sei Mitglied der Volksgruppe der Hawadle und sunnitischer Religionszugehörigkeit.

3

Bei der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 29. August 2012 trug der Kläger vor, zwei Jahre lang als Schneider ausgebildet worden zu sein und diesen Beruf ein Jahr lang selbständig ausgeübt zu haben. Seine Schneiderei habe in der Nähe einer Fabrikruine gelegen, auf deren Gelände äthiopische Soldaten campiert hätten. Immer wieder seien diese von Mitgliedern der Al Shabaab attackiert worden. Auch die äthiopischen Soldaten hätten angegriffen. Die Al Shabaab sei zu ihm gekommen und habe gesagt, sie brauche Hilfe. Er habe nicht kämpfen wollen und sei im August 2008 geflohen. Hierzu habe er Mogadischu mit einem Kraftfahrzeug verlassen und sei über Addis Abeba und Khartum nach Tripolis gelangt, wo er am 18. November 2008 angekommen sei. Von dort aus sei er mit einem Boot nach Sizilien gefahren und am 25. Mai 2009 gelandet. Auf seinen Asylantrag hin habe er in Italien den Status eines subsidiär Schutzberechtigten erhalten. Danach habe er das Flüchtlingslager verlassen müssen und sei nach Florenz gegangen. Dort habe ihm die Caritas einmal am Tag etwas zu essen gegeben. Einen Monat lang habe er in einem verlassenen Haus ohne Wasser und Strom gelebt. Dann sei er insgesamt zwei Mal in die Niederlande gefahren und habe versucht, dort Asyl zu bekommen. Er sei aber jedesmal nach Italien zurückgeflogen worden. Die Polizisten am Flughafen Rom hätten ihm gesagt, er solle zum Bahnhof gehen. Dort seien viele Somalis gewesen, die ihn zur somalischen Botschaft in Rom gebracht hätten. Die Botschaft sei aufgegeben und von Flüchtlingen zum Übernachten genutzt worden. Es sei furchtbar dreckig gewesen und man habe krank werden können. Es habe Wasser, aber keinen Strom gegeben. Schließlich habe er sich auf den Weg nach Deutschland gemacht, wo er am 14. Juli 2012 angekommen sei.

4

Er sei krank. Er leide an einer schiefen Wirbelsäule und könne manchmal nicht gehen, außerdem habe er einen Vitamin-D-Mangel und eine Magenerkrankung. In Italien habe man ihm im Krankenhaus nur eine Schmerzspritze gegeben, weil er keinen Gesundheitsausweis habe vorzeigen können.

5

Die niederländischen Behörden wiesen ein Übernahmeersuchen der Beklagten zurück und teilten mit, dass sie den Kläger ihrerseits am 23. Dezember 2010 und 10. Oktober 2011 nach Italien überstellt hätten.

6

Auf entsprechenden Antrag vom 17. Dezember 2012 akzeptierten die italienischen Behörden mit Schreiben vom 20. Dezember 2012 unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 - Dublin-II-VO - ihre Zuständigkeit, wobei der Kläger dort mit syrischer Staatsangehörigkeit und dem Geburtsdatum 1. Januar 1988 geführt wurde, und stimmten einer Überstellung bis zum 20. Juni 2013 zu.

7

Vom 14. bis 24. Oktober 2012 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung wegen Schmerzen im Hüftbereich. Entzündliche sowie autoimmune Erkrankungen konnten laborchemisch ausgeschlossen werden. In einer Magnetresonanztomographie zeigten sich arthropische Veränderungen des Hüftgelenks. Es wurden eine ausgewogene eiweißreiche Ernährung und ambulante Krankengymnastik-Maßnahmen beziehungsweise Reha-Sport sowie eine ambulante psychiatrische Betreuung empfohlen. Am 6. und 7. Januar 2013 befand sich der Kläger wegen epigastrischer Schmerzen unklarer Genese erneut in stationärer Krankenhausbehandlung. Nachdem die Laborbefunde sowie eine Gastroskopie keine Auffälligkeiten aufwiesen und der Patient sich subjektiv beschwerdegebessert zeigte, wurde er ohne weitere Medikation entlassen. In privatärztlichen Attesten einer allgemeinmedizinischen Praxis vom 7. Februar 2013 und 29. Januar 2014 werden als Diagnosen Oberbauschschmerzen bei rezidivierender Gastritis, Lws-Syndrom, Coxalgie, Vitamin-D-Mangel und Mangelernährung bei Appetitlosigkeit aufgezählt. Der Patient sei auf regelmäßige medizinische Behandlung und Medikamente angewiesen. Eine Abschiebung nach Italien wäre mit einem hohen Risiko der Verschlechterung des Gesundheitszustandes verbunden.

8

Mit Bescheid vom 13. Februar 2013 erklärte die Beklagte den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a AsylVfG für unzulässig. Italien sei für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig und habe seine Zuständigkeit auch anerkannt. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, seien nicht ersichtlich. Insbesondere hinderten die vorgelegten Atteste eine Überstellung des Klägers nach Italien nicht, denn in Italien habe der Kläger wie jeder italienischer Staatsbürger Zugang zum dortigen Gesundheitssystem.

9

Am 19. Februar 2013 hat der Kläger Klage erhoben. Die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens sei auf die Beklagte übergegangen, da der Übernahmeantrag an Italien erst nach Ablauf der Frist des Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO gestellt worden sei. Im Übrigen dürfe der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht nach Italien überstellt werden, weil er sich in ständiger ärztlicher Behandlung befinde. Schließlich sei die Beklagte zur Prüfung des Antrags verpflichtet, weil in Italien systemische Mängel im Asylverfahren herrschten. Die Mindeststandards in Bezug auf Unterbringung, soziale und medizinische Versorgung würden erheblich unterschritten. Das gelte insbesondere für Sizilien, wohin der Kläger abgeschoben werden sollte. Ihm drohte daher nach seiner Rückführung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ohne Perspektive auf Arbeit oder Obdach.

10

Der Kläger hat beantragt,

11

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Februar 2013 zu verpflichten, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Verordnung (EG) 343/2003 Gebrauch zu machen,

12

hilfsweise,

13

die Beklagte zu verpflichten, über die Ausübung des vorgenannten Selbsteintrittsrechts erneut zu entscheiden.

14

Die Beklagte hat beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Sie weist darauf hin, dass Personen mit Schutzstatus hinsichtlich der Unterbringung und der medizinischen Versorgung die gleichen Rechte genössen wie italienische Staatsangehörige. Damit seien Unterkunft und Wohnung in eigener Verantwortung zu besorgen. Die entsprechenden Kosten seien selbst zu tragen. Nach Meldung bei dem „Servizio Sanitario Nazionale“ erhielten Personen mit Schutzstatus eine „Tessera Sanitaria“, mit deren Hilfe Zugang zu allen ärztlichen Leistungen erfolge. Die Kosten der Behandlungen würden vom italienischen Staat getragen. Nach Auskunft der deutschen Liaisonbeamtin des Bundesamtes in Rom sei die Gewährung dieser medizinischen Versorgung unabhängig von einem festen Wohnsitz. Alle Personen, die in Italien einen Schutzstatus erhielten, hätten das Recht zu arbeiten (guida practica per i titolari di protezione internazionale). Nach Auskunft der Liaisionbeamtin sei die Arbeitserlaubnis eigentlich an eine „residenza“, also einen festen Wohnsitz geknüpft. Viele Vereinigungen böten den betroffenen Personen aber ihre Adresse als Briefkastenadresse an. Schließlich habe der Kläger auch keine Krankheit substantiiert, die ihn reiseunfähig machen beziehungsweise besondere Lebens- oder Gesundheitsgefahren begründen würde.

17

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. Mai 2013 abgewiesen. Die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung des Asylantrags ergebe sich aus Art. 16 Abs. 2 Dublin-II-Verordnung, da Italien dem Kläger einen Aufenthaltstitel ausgestellt habe. Die Fristvorschriften des Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO begründeten keine subjektiven Rechte, so dass es auf deren Versäumung nicht ankomme. Zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts sei die Beklagte nicht verpflichtet. Es sei nach Auswertung der vorliegenden Auskünfte, Gutachten sowie Berichte und unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung weder zu befürchten, dass dem Kläger keine hinreichende soziale beziehungsweise medizinische Versorgung zugute käme, noch herrschten systemische Mängel im italienischen Asylverfahren, die befürchten ließen, dass dem Kläger in Italien eine menschenunwürdige Behandlung drohte.

18

Auf entsprechenden Antrag ließ der Senat die Berufung zu und untersagte der Beklagten mit Beschluss vom 19. Juni 2013, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Berufungsverfahrens aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchzuführen.

19

Der Kläger wiederholt und vertieft zur Begründung der Berufung seinen Vortrag aus dem Klageverfahren. Als Schutzberechtigtem stünde ihm weder Anspruch auf Unterkunft, noch auf staatliche Sozialleistungen zu. Er habe auch keinen Anspruch auf Integrationsmaßnahmen und könne allenfalls in ländlichen Gebieten zeitlich befristet und schlecht bezahlt als Erntehelfer arbeiten. Außerhalb von Rom habe er keine Möglichkeit, sich eine virtuelle Adresse geben zu lassen, so dass er vermutlich auch keinen Zugang zum Gesundheitssystem habe. In Not geratene italienische Staatsangehörige könnten in der Regel auf Hilfe durch die (Groß-) Familie hoffen. Diese Möglichkeit hätten Flüchtlinge nicht.

20

Der Kläger beantragt,

21

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Februar 2013 zu verpflichten, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Verordnung (EG) 343/2003 Gebrauch zu machen,

22

hilfsweise,

23

die Beklagte zu verpflichten, über die Ausübung des vorgenannten Selbsteintrittsrechts erneut zu entscheiden.

24

Die Beklagte beantragt,

25

die Berufung zurückzuweisen.

26

Sie macht sich im Wesentlichen eine Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern im vorliegenden Verfahren zu Eigen. Danach liegen außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, nicht vor. Italien erfülle seine Verpflichtung nach den Artikeln 20 bis 24 Genfer Flüchtlingskonvention, Flüchtlinge im Sozial- und Arbeitsrecht ebenso zu behandeln wie eigene Staatsangehörige. Eine Besserstellung von Asylbewerbern sei danach nicht vorgesehen. Aus dem Umstand, dass Italien kein ähnliches soziales Netz biete wie Deutschland und andere Mitgliedstaaten, könne nicht geschlossen werden, dass es sich von seiner Verpflichtung aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention gelöst habe. Die von dem Kläger zitierten Gutachten ergäben keine neuen Erkenntnisse, insbesondere kein belastbares Zahlenmaterial darüber, welcher Anteil der Schutzberechtigten für wie lange tatsächlich der Obdachlosigkeit anheimgefallen sei.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte, die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

28

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Er hat keinen Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland. Die Beklagte ist weder nach den allgemeinen Regeln zuständig (I), noch besteht ein Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts (II). Daher ist auch die Abschiebungsanordnung nach Italien rechtlich nicht zu beanstanden (III).

I.

29

Die Frage, welcher Staat für das Asylverfahren des Klägers zuständig ist, bestimmt sich vorliegend nach den Regeln der Dublin-II-Verordnung (1). Danach ist Italien der zuständige Mitgliedstaat (2). Die Zuständigkeit ist nachträglich weder nach der Vorschrift des Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO (3), noch nach der Vorschrift des Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO (4) auf die Beklagte übergegangen.

30

1. Im vorliegenden Fall kommt unbeschadet der Vorschrift des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG noch die Dublin-II-Verordnung und nicht die mittlerweile in Kraft getretene Nachfolgeverordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin-III-VO) zur Anwendung. Gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 49 Dublin-III-VO gilt diese nämlich erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme, die nach dem 1. Januar 2014 gestellt wurden. Vorliegend hat der Kläger seinen Asylantrag bei der Beklagten bereits im Jahr 2012 gestellt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien mit Schreiben vom 20. Dezember 2012 akzeptiert.

31

2. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien nach der Vorschrift des Art. 16 Abs. 2 Dublin-II-VO zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Danach fallen dem Mitgliedstaat die Pflichten zur Wiederaufnahme und abschließenden Prüfung eines Asylverfahrens zu, sofern er einem Antragsteller einen Aufenthaltstitel erteilt. Italien hat dem Kläger in Folge der Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter einen Aufenthaltstitel erteilt und diesen im Jahr 2012 nochmals verlängert.

32

3. Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens ist auch nicht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen. Nach dieser Vorschrift sind Aufnahmegesuche an andere Mitgliedstaaten spätestens innerhalb von drei Monaten nach Einreichung des Asylantrags zu stellen. Wird das Gesuch nicht innerhalb dieser Frist unterbreitet, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für die Prüfung zuständig.

33

Zum einen vermittelt diese Vorschrift dem Asylbewerber aber keine subjektiven Rechte, sondern dient als innerstaatliche Organisationsvorschrift in erster Linie der klaren und praktikablen Bestimmung der Zuständigkeit innerhalb der Mitgliedstaaten (vgl. hierzu die Erwägungsgründe 3 und 16 der Verordnung). Im Vordergrund steht daher das Interesse, die Zuständigkeit zeitnah festzustellen und den Asylantrag durch einzig den zuständigen Mitgliedstaat prüfen zu lassen, nicht aber, die Prüfung einem ganz bestimmten Mitgliedstaat zuzusprechen, in dem der Antragsteller einen (weiteren) Asylantrag gestellt hat.

34

Zum anderen ist die Vorschrift auf den vorliegenden Fall schon nicht anwendbar. Die Beklagte hat kein Aufnahmegesuch nach Art. 17, sondern ein Wiederaufnahmegesuch nach den Art. 16. Abs. 2, Abs. 1 lit. c), 20 Abs. 1 Dublin-II-VO gestellt. Für Wiederaufnahmegesuche sieht die Dublin-II-VO aber keine Frist vor.

35

4. Schließlich ist die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens auch nicht deshalb nach Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen, weil die Überstellung nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten erfolgt ist. Diese Frist beginnt gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. d) nämlich erst nach rechtskräftigem Abschluss eines Rechtsbehelfsverfahrens zu laufen, sofern diesem aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. EuGH, Urteil vom 29.01.2009 – C 19/08 –, Juris-Rn. 44 ff.; OVG Niedersachen, Urteil vom 04.07.2012 – 2 LB 163/10 – Juris-Rn. 36 m.w.Nw.). Vorliegend hatte der Senat noch vor Ablauf der Frist der Beklagten untersagt, den Kläger nach Italien abzuschieben.

II.

36

Es besteht auch kein Anspruch des Klägers auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO.

37

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die mittlerweile ihren Niederschlag in Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO gefunden hat, kann ein Mitgliedstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet sein, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtscharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten haben bei der Ausübung ihres Ermessens diese Grundsätze daher zu beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011-0000, Rn. 68 ff.).

38

Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen (sogenanntes Prinzip gegenseitigen Vertrauens beziehungsweise normativer Vergewisserung, vgl. grundlegend BVerfG, Urteil vom 15.05.1996, 2 BvR 1938/93, Juris-Rn. 179 ff.). Es gilt daher die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht. Diese Vermutung ist jedoch nicht unwiderleglich. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass das System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.

39

Allerdings berührt nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat das in der Dublin-II- bzw. Dublin-III-Verordnung niedergelegte Zuständigkeitssystem. Der Europäische Gerichtshof macht deutlich, dass nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel steht (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs deshalb nur dann auszusetzen, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Grundrechtecharta ausgesetzt zu sein (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 bis Rn. 106).

40

Anhaltspunkte dafür, wann eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung anzunehmen ist, lassen sich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK entnehmen, der mit Art. 4 der Europäischen Grundrechtecharta übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21. Januar 2011 hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden (Urteil vom 21.01.2011, M.S.S. gegen Belgien und Griechenland, Beschwerde-Nr. 30696/09, Rn. 226 und Rn. 254 ff.).

41

Der Senat kommt nach Auswertung der vorliegenden Gutachten, Auskünfte und Berichte und unter Würdigung des Vortrags des Klägers zu dem Ergebnis, dass das italienische Asylsystem nicht an systemischen Mängeln leidet, auf Grund derer dem Antragstellers nach seiner Rückführung eine menschenunwürdige Behandlung droht (ebenso OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, OVG Nds, Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - und vom 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - und vom 24.06.2013 - OVG 7 S 58.13 -; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 -; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 -; VG Ansbach, Beschluss vom 18.09.2013 - An 2 K 13.30675 -; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me -; VG Lüneburg, Urteil vom 04.06.2013 - 6 A 176/11 - (n.V.); VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 -; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A -; VG Osnabrück, Urteil vom 02.04.2012 - 5 A 309/11 - (n.V.) a.A. OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A -; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A -; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As -; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. -; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A -; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A, soweit veröffentlicht zitiert nach Juris).

42

Italien verfügt über ein planvolles und ausdifferenziertes Asylsystem (a). Dieses System leidet zwar an Mängeln (b), nicht aber an systemischen Mängel (c). Das gilt auch für Personen mit Schutzstatus (d).

43

(a) Zunächst ist festzuhalten, dass Italien über ein planvolles und ausdifferenziertes Aufnahmesystem für Asylbewerber verfügt, das in zwei Phasen gegliedert ist. Nach Stellung des Asylantrags ist die Unterbringung in Aufnahmezentren für Asylsuchende, den sogenannten CARA (Centri di Accoglienza per Richiedenti Asilo) vorgesehen. Die maximale Aufenthaltsdauer dort soll grundsätzlich 35 Tage betragen. Daneben gibt es noch Aufnahmeeinrichtungen für Migranten, die keine Asylsuchenden sind, die so genannten CDA (Centri di Accoglienza). Diese werden in der Praxis ebenfalls für die Erstaufnahme von Asylsuchenden verwendet. In der zweiten Phase sollen die Antragsteller in einer Einrichtung des Aufnahmesystems SPRAR (Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugiati) untergebracht werden. Dabei handelt es sich um ein Netzwerk von Unterkünften, das auf einer Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium, den Gemeinden und verschiedenen NGOs basiert. Die SPRAR-Projekte umfassen nicht nur eine Wohnmöglichkeit, sondern ein individualisiertes Integrationsprojekt mit Sprachkursen, Berufsbildung und Unterstützung bei der Arbeitssuche. Die Aufenthaltsdauer im einem SPRAR beträgt normalerweise 6 Monate und kann bis zu einem Jahr verlängert werden (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.).

44

Endet das Asylverfahren mit der Zuerkennung eines Schutzstatus, werden den Schutzsuchenden Aufenthaltsberechtigungen („permessi die soggiorno“) ausgestellt. Danach genießen sie in Italien formal dieselben Rechte wie italienische Staatsangehörige. Sie haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und kostenfreien Zugang zu allen öffentlichen medizinischen Leistungen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an VG Freiburg vom 11.07.2012). In den Erstaufnahmeeinrichtungen werden sie nicht mehr aufgenommen. In Einrichtungen des SPRAR können sie Unterkunft finden, sofern sie die vorgesehene maximale Aufenthaltsdauer noch nicht ausgeschöpft haben und ein Platz frei ist (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 und S. 25; borderline-europe e.V., Gutachten zum Beweisbeschluss des VG Braunschweig vom 28.09.2012, S. 50).

45

(b) In der Praxis litt - und leidet - das italienische Aufnahmesystem an Mängeln. Die Berichtslage zeigt übereinstimmen, dass es insbesondere auf die sehr hohen Antragszahlen in den Jahren 2008 und 2011 nicht ausreichend vorbereitet war (Bethke & Bender, Zur Situation von Flüchtlingen in Italien - Bericht über die Recherchereise nach Rom und Turin im Oktober 2010 -; Schweizer Flüchtlingshilfe/Juss-Buss: Situation von Asylsuchenden, Flüchtlingen und „Dublin-Rückkehrern“, Bericht vom Mai 2011; borderline-europe/Judith Gleitze: Zur Lage von Asylsuchenden und „Dublin-Rückkehrern“, Stellungnahme vom Dezember 2012; Auskunft des Auswärtigen Amtes an VG Darmstadt vom 29.11.2011 und an VG Braunschweig vom 09.12.2011). In der Folge verlängerten sich die Verfahrenszeiten deutlich über die vorgesehenen Fristen hinaus. Die zeitliche Lücke zwischen der Stellung des Asylantrags und dessen formeller Registrierung (verbalizzazione) führte zu der Gefahr der Obdachlosigkeit, da in der Praxis Zugang zu den Erstaufnahmeeinrichtungen erst ab dem Zeitpunkt der Registrierung gewährt wurde (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 12). Zudem waren die Aufnahmekapazitäten der staatlicherseits zur Verfügung gestellten Plätze überlastet. Für Personen mit Schutzstatus bedeutete dies, dass sie Schwierigkeiten hatten, im SPRAR-Aufnahmesystem unterzukommen, auch wenn sie die maximale Verweildauer noch nicht ausgeschöpft hatten. Hinzu kam die wirtschaftliche schwierige Lage, in der sich auch Italien nach der Wirtschaftskrise befand und noch befindet. Nach den Informationen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe lebt vor allem in Rom eine ganz erhebliche Zahl von Asylbewerbern und Personen mit Schutzstatus (die Schätzungen sprechen von 1.200 bis 1.700) in Slums oder besetzten Häusern (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, a.a.O., S. 36).

46

(c) Diese Mängel begründen aber keine systemischen Mängel im oben dargestellten Sinne. Dabei versteht der Senat unter systemischen Mängeln solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar betroffen sind oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem faktisch in weiten Teilen funktionsunfähig wird. Nach Auswertung der vorliegenden Auskünfte kommt der Senat zu der Überzeugung, dass die systembedingten Missstände von den italienischen Behörden angegangen werden und sich die Situation deshalb verbessert hat und aller Voraussicht nach weiter verbessern wird. Außerdem ist festzustellen, dass die Zustände punktuell, aber nicht flächendeckend unzureichend sind, so dass nicht davon gesprochen werden kann, dass das Asyl- und Aufnahmesystem faktisch außer Kraft gesetzt ist.

47

Ein im System angelegter Mangel ist die Tatsache, dass der Zugang zum Erstaufnahmesystem offensichtlich von der Registrierung (verbalizzazione) abhängt und dies bei einer Verzögerung des Verfahrens zur Obdachlosigkeit führen kann. Allerdings hat das italienische Innenministerium in der ersten Jahreshälfte 2013 eine Weisung herausgegeben, wonach die Registrierung zeitlich mit der Asylgesuchstellung zusammenfallen soll (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 12). Auch die Überlastung des Aufnahmesystems nimmt Italien nicht tatenlos hin. Auf die hohen Asylbewerberzahlen im Jahr 2011 reagierte das Land zunächst mit einem Notstandskonzept, bei dem unter Führung des Zivilschutzes (Protezione Civile) Aufnahmestrukturen in der Größenordnung von 26.000 Plätzen bereitgestellt wurden (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; UNHCR an VG Braunschweig, S. 3; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 9). Daneben wurden und werden die Plätze, die im SPRAR-Projekt zur Verfügung stehen, in erheblichem Umfang aufgestockt (siehe zur Bedeutung dieser Plätze für das Aufnahmesystem den Report von Nils Muižnieks, Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, 18.09.2012, Abs. 152). Standen ursprünglich 3.000 Plätze zur Verfügung, waren es Anfang Juni 2013 bereits 4.800 Plätze, wobei hierzu auch bereits vorhandene Unterkunftsplätze gezählt wurden, die um die im SPRAR-System vorgesehen Integrationsleistungen ergänzt wurden. Aufgrund eines im September 2013 erlassenen Dekrets des Innenministeriums soll die Kapazität im Zeitraum 2014 bis 2016 nochmals auf insgesamt 16.000 Plätze erhöht werden (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 22). Außerdem wurde ein neues Informatiksystem „Vestanet“ eingeführt, das ebenfalls zu einer Verbesserung des Verfahrens beitragen soll (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 12). In seiner Antwort an das Verwaltungsgericht Braunschweig vom 24. April 2012 hat der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen ausdrücklich anerkannt, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des Aufnahmesystems stattgefunden haben. Gleiches gilt für die Auskunft des Auswärtige Amtes vom 21. Januar 2013 an das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt.

48

Der Senat geht außerdem davon aus, dass die aufgezeigten Missstände in bestimmten Städten und Regionen auftreten, die Funktionsfähigkeit des Asyl- und Aufnahmesystems aber nicht insgesamt in Frage stellen. Es liegt in der Natur der Sache, dass Aufklärungsreisen die Problemschwerpunkte in den Blick nehmen (so ausdrücklich der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe mit Schwerpunkt Rom und Mailand, S. 1; in der Sache nicht anders der Bericht von Maria Bethke & Dominik Bender mit Schwerpunkt Rom und Turin; Gutachten von borderline-europe e.V. mit Schwerpunkt Rom und Sizilien). Diese Situationen sind aber nicht ohne Weiteres verallgemeinerbar. So geht der UNHCR, dessen Dokumente bei der Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften von besonderer Relevanz sind (vgl. EuGH, Urteil vom 30.05.2013 - C-528/11 - Rn. 44), in seiner Antwort an das Verwaltungsgericht Braunschweig davon aus, dass die CARA, CDA und SPRAR-Projekte in der Lage sind, dem Aufnahmebedarf einer signifikanten Anzahl an Asylsuchenden nachzukommen (UNHCR an VG Braunschweig vom 24. April 2012, S. 3). Anders als im Falle Griechenlands oder jüngst Bulgariens (UNHCR Briefing Notes vom 03.01.2014) hat der UNHCR bislang in keiner seiner Stellungnahmen eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten ausgesprochen, Überstellungen nach Italien nicht mehr vorzunehmen (siehe zuletzt UNHCR, Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy, July 2013). Auch die Auskünfte des Auswärtigen Amtes sprechen gegen die Annahme eines systemischen Mangels des italienischen Asylsystems. Sie basieren auf laufenden Gesprächen der Botschaft Rom mit dem italienischen Flüchtlingsrat CIR und UNHCR in Rom, grenzpolizeilicher Verbindungsbeamter der Bundespolizei im italienischen Innenministerium, Präsentationen des italienischen Innenministeriums und des statistischen Landesamtes ISTAT, Kontakten zu nichtstaatlichen karitativen Organisationen sowie Informationen des SPRAR und sind daher geeignet, einen Überblick über die Situation im Land zu geben. Nach der Auskunft an das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt konnten seinerzeit (Januar 2013) alle Asylbewerber und Flüchtlinge in öffentlichen Zentren untergebracht werden. Gegebenenfalls gebe es lokale und regionale Überbelegungen, italienweit seien aber genügen Plätze vorhanden. Insbesondere in Norditalien seien die Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Zusätzlich zu den staatlichen/öffentlichen Einrichtungen gebe es kommunale und karitative Einrichtungen, so dass meist ein Unterbringungsplatz in der Nähe gefunden werden könne. Es sei nicht davon auszugehen, dass Personen, die in den staatlichen Aufnahmeeinrichtungen und staatlichen Unterkünften keinen Platz fänden, regelmäßig oder überwiegend obdachlos auf der Straße oder in Elendsquartieren leben müssten.

49

(d) Mit Blick auf den hier vorliegenden Fall ist weiter festzuhalten, dass sich aus der Auskunftslage auch keine systemischen Mängel für Personen ergeben, denen bereits ein Schutzstatus zugesprochen wurde. Die mit der Anerkennung verbundene Erteilung eines Aufenthaltsrechts (permession di soggiorno) bedeutet in der Praxis, dass sich die Personen mit Schutzstatus grundsätzlich selbst um eine Unterkunft und eine Arbeit kümmern müssen. Sie können nicht mehr in CARA unterkommen, da diese nur Asylbewerbern offenstehen. Sie können sich aber für Plätze im SPRAR-System bewerben, sofern sie die maximale Verweildauer noch nicht überschritten haben. Tatsächlich wird eine große Zahl der Plätze im SPRAR-System von Personen mit Schutzstatus belegt. Allerdings bestehen zum Teil lange Wartezeiten (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 22). Hier dürfte die geplante Ausweitung der SPRAR-Plätze eine deutliche Entlastung bringen. Daneben bieten die Gemeinden Unterkünfte an. Jedenfalls in Rom betrug die durchschnittliche Wartezeit auf einen solchen Platz allerdings drei Monate und in Mailand einen bis drei Monate (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 27 und S. 30). Schließlich können sich Personen mit Schutzstatus, die keine Unterkunft finden, an kirchliche Organisationen und Nichtregierungsorganisationen wie die Caritas oder das Consiglio Italiano per i Rifugiati wenden (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.01.2013 an das OVG des Landes Sachsen-Anhalt). Verlässliche Zahlen, wie viele Schutzberechtigte von keiner dieser Möglichkeiten Gebrauch machen können und letztlich obdachlos werden, fehlen. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes ist im Regelfall oder gar überwiegend aber nicht davon auszugehen, dass Flüchtlinge in Italien beziehungsweise Rückkehrer nach der Dublin-II-Verordnung dort unter Verhältnissen leben müssen, welche man gemeinhin als „Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums (Betteln, Leben auf der Straße etc.)“ bezeichnen könne. Hierbei handle es sich eher um Einzelfälle (Auswärtiges Amtes an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).

50

In Italien gibt es auch für italienische Staatsangehörige kein national garantiertes Recht auf Fürsorgeleistungen zur Lebensunterhaltssicherung vor dem 65. Lebensjahr. Die Zuständigkeit für die Festsetzung von Sozialhilfeleistungen liegt grundsätzlich im Kompetenzbereich der Regionen. In bestimmten Regionen wird die Höhe des Sozialgeldes durch die Kommune festgesetzt. Öffentliche Fürsorgeleistungen weisen daher deutliche Unterschiede je nach regionaler und kommunaler Finanzkraft auf (Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern im vorliegenden Fall; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 48).

51

Auch wenn sich die Situation damit deutlich schlechter und unsicherer darstellt als in der Bundesrepublik Deutschland, begründet dies für sich genommen keinen systemischen Mangel. Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat ausdrücklich festgehalten, dass Art. 3 EMRK die Vertragsparteien nicht verpflichte, jede Person innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs mit einem Obdach zu versorgen. Die Norm enthalte auch keine allgemeine Pflicht, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu bieten, um ihnen einen bestimmen Lebensstandard zu bieten. Ausländer, die von einer Ausweisung betroffen seien, gewähre die Konvention grundsätzlich keinen Anspruch mit dem Ziel, im Hoheitsgebiet des Vertragsstaates zu verbleiben, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren, die vom ausweisenden Staat zur Verfügung gestellt werde. Wenn keine außergewöhnlichen zwingenden humanitären Gründe vorlägen, die gegen eine Ausweisung sprächen, sei allein die Tatsache, dass die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse des Antragstellers bedeutend geschmälert würden, falls er oder sie ausgewiesen würde, nicht ausreichend, einen Verstoß gegen Art. 3 EMR zu begründen (Beschluss vom 02.04.2013, Mohammed Hussein u.a. gegen Niederlande und Italien, a.a.O. Rn. 70 f.).

52

Keine systematischen Mängel bestehen schließlich auch im Hinblick auf den Zugang zum Gesundheitssystem. Personen mit Schutzstatus sind in Fragen der Gesundheitsversorgung den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt. Die Anmeldung beim Nationalen Gesundheitsdienst ermöglicht die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Behandlung bei einem praktischen Arzt, Kinderarzt, in Ambulanzen und zur Aufnahme in ein Krankenhaus berechtigt. Hierzu benötigen Schutzberechtigte den Aufenthaltstitel, die Steuernummer sowie eine feste Adresse. Personen ohne festen Wohnsitz können sich zumindest in Rom unter Sammeladressen karitativer Einrichtungen melden, die von den Behörden akzeptiert werden. Eine aktuelle Vereinbarung zwischen der italienischen Zentralregierung und den Regionen garantiert die Not- und Grundversorgung auch von Personen, die sich illegal im Land aufhalten. Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei (Auswärtiges Amt an OVG des Landes Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).

53

(e) Die Einschätzung, dass das italienische Asylsystem nicht an systemischen Mängeln leidet, wird durch die jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs für Menschenrechte bestätigt. In seinem Beschluss vom 2. April 2013 hat er die Überstellung der dortigen Beschwerdeführerin, der - wie dem Kläger - in Italien bereits ein Schutzstatus zugesprochen worden war, mit Art. 3 EMRK für vereinbar gehalten. Dabei hat er - neben der konkreten Situation der Antragstellerin - eine Vielzahl von Stellungnahmen sowie Berichten von Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen über die generelle Situation in Italien ausgewertet. Er kommt nach ausführlicher Würdigung der festzustellenden Mängel - und keineswegs nur unter Bezug auf den ihm vorgelegten konkreten Sachverhalt - zu dem Schluss, dass die allgemeine Situation und die Lebensbedingungen in Italien für Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge und Ausländer, die aus Gründen des internationalen Schutzes oder zu humanitären Zwecken eine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben, kein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für Asylbewerber als Mitglieder einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe aufzeigen (Beschluss vom 02.04.2013, Mohammed Hussein u.a. gegen Niederlande und Italien, Rn. 70 ff., in Teilen übersetzt von Wischrath, ZAR 2013, 336, besprochen von Thym in ZAR 2013, 331; siehe auch Hailbronner, AuslR, Dezember 2013, § 34a Rn. 29 f.; ebenso Beschluss vom 18.06.2013, Halimi gegen Österreich und Italien, Rn. 68, in Teilen übersetzt von Wischrath, ZAR 2013, 338). Diese Einschätzung hat er jüngst nochmals ausdrücklich bestätigt (Beschluss vom 10.09.2013 - Nr. 2314/10 -, Hussein Diirshi u.a. gegen Niederlande und Italien, zitiert nach HUDOC).

54

(f) Es sind auch keine besonderen Umstände des Einzelfalles ersichtlich, die befürchten ließen, dass gerade dem Kläger in Italien eine mit Art. 4 der Grundrechtecharta nicht vereinbare Behandlung drohen würde. Er leidet insbesondere nicht an außerordentlich schweren oder seltenen Krankheiten, deren Behandlung in Italien nicht möglich erschiene. Nach seiner Schilderung bekam er in Italien in Notfallsituationen zumindest Schmerzmittel verabreicht. Die Probleme bei einer weiterführenden Behandlung resultierten offenbar daraus, dass er mangels festen Wohnsitzes keine Gesundheitskarte beantragt hat. Dem hätte der Kläger nach der Auskunftslage aber zumindest in Rom dadurch abhelfen können, dass er sich bei einer gemeinnützigen Organisation eine fiktive Meldeadresse hätte geben lassen. Aus den Angaben des Klägers lässt sich außerdem schließen, dass er noch keinen Platz im SPRAR-System beansprucht hat. Damit steht ihm nach seiner Rückkehr die Möglichkeit offen, sich für einen solchen Platz zu bewerben. Auf die von dem Kläger zuletzt aufgeworfene Frage, ob die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt vom 21. August 2013 zutrifft, nach der alle im Rahmen der Dublin-Verordnung zurückgeführten Personen von der Questura in eine Unterkunft verteilt werden, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Diese Auskunft dürfte sich auf Personen ohne Schutzstatus bezogen haben, die - wie oben dargestellt - ohnehin einem anderen Aufnahmeregime unterfallen.

III.

55

Die Abschiebungsanordnung ist nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen nach § 27a AsylVfG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies ist der Fall, nachdem Italien seine Zuständigkeit akzeptiert hat und der Abschiebung keine relevanten Hindernisgründe entgegenstehen.

IV.

56

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.

57

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

58

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen. Streitentscheidend ist vorliegend die Würdigung der tatsächlichen Umstände in Italien.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der 1985 geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Pakistan und gehört zu den Punjabi. Er verließ nach seinen Angaben Pakistan am 25.02.2012 und kam am 26.03.2012 nach Italien, wo er erkennungsdienstlich behandelt wurde. Am 03.06.2012 reiste er nach seinen Angaben auf dem Landweg über die Schweiz oder Frankreich nach Deutschland.
Am 18.06.2012 stellte er einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellte daraufhin am 18.10.2012 ein auf Art. 16 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien. Am 30.11.2012 erfolgte die Zustimmung Italiens zur Rücküberstellung des Klägers.
Mit Bescheid vom 03.12.2012 erklärte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag für unzulässig und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Ein Zustellungsnachweis befindet sich nicht bei den Akten; jedenfalls wurde der Bescheid mit einem Begleitschreiben vom 15.01.2013 zur Post gegeben. Die für den 31.01.2013 vorgesehene Überstellung nach Italien konnte nicht durchgeführt werden, da der Kläger nicht angetroffen wurde.
Am 28.01.2013 erhob der Kläger Klage und machte geltend, eine Abschiebung nach Italien sei nicht zulässig. Er habe in Italien gar keinen Asylantrag gestellt. Auch bestehe die Gefahr der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung in Italien. Die Beklagte hätte von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen.
Mit Beschluss vom 14.03.2013 (A 12 K 332/13) ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 03.12.2012 enthaltene Abschiebungsanordnung an und gab der Beklagten auf, dem Regierungspräsidium Karlsruhe die Anordnung der aufschiebenden Wirkung mitzuteilen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vom 17.06.2013 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 03.12.2012 auf und verpflichtete die Bundesrepublik Deutschland auf den ausdrücklichen Antrag des Klägers, sein Asylverfahren fortzuführen. Zur Begründung führte es aus: Zwar sei Italien der zuständige Mitgliedstaat. Allerdings leide das Asylsystem Italiens unter sog. systemischen Mängeln im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, sodass die Bundesrepublik von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müsse.
Auf den rechtzeitig gestellten Antrag der Beklagten ließ der Senat durch Beschluss vom 14.08.2013 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.
Am 05.09.2013 hat der Beklagte unter Stellung eines Antrags die Berufung begründet: Zunächst sei davon auszugehen, dass das Zuständigkeitsregime der Dublin-Verordnung keine subjektiven Rechte der Asylbewerber begründe. Im Übrigen gelte nach der Rechtsprechung des EuGH eine generelle Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention erfolge. Dass in Bezug auf Italien ernsthaft und erwiesenermaßen zu befürchten sei, dass systemische Mängel zwangsläufig mit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung der überstellten Asylbewerber einhergingen, könne nicht eingewandt werden. Nach den vorliegenden Quellen, insbesondere von UNHCR, seien derartige Befürchtungen nicht gerechtfertigt.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.06.2013 - A 12 K 331/13 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten verweist der Senat auf die gewechselten Schriftsätze. Dem Senat liegen die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

Gründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der 1985 geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Pakistan und gehört zu den Punjabi. Er verließ nach seinen Angaben Pakistan am 25.02.2012 und kam am 26.03.2012 nach Italien, wo er erkennungsdienstlich behandelt wurde. Am 03.06.2012 reiste er nach seinen Angaben auf dem Landweg über die Schweiz oder Frankreich nach Deutschland.
Am 18.06.2012 stellte er einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellte daraufhin am 18.10.2012 ein auf Art. 16 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien. Am 30.11.2012 erfolgte die Zustimmung Italiens zur Rücküberstellung des Klägers.
Mit Bescheid vom 03.12.2012 erklärte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag für unzulässig und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Ein Zustellungsnachweis befindet sich nicht bei den Akten; jedenfalls wurde der Bescheid mit einem Begleitschreiben vom 15.01.2013 zur Post gegeben. Die für den 31.01.2013 vorgesehene Überstellung nach Italien konnte nicht durchgeführt werden, da der Kläger nicht angetroffen wurde.
Am 28.01.2013 erhob der Kläger Klage und machte geltend, eine Abschiebung nach Italien sei nicht zulässig. Er habe in Italien gar keinen Asylantrag gestellt. Auch bestehe die Gefahr der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung in Italien. Die Beklagte hätte von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen.
Mit Beschluss vom 14.03.2013 (A 12 K 332/13) ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 03.12.2012 enthaltene Abschiebungsanordnung an und gab der Beklagten auf, dem Regierungspräsidium Karlsruhe die Anordnung der aufschiebenden Wirkung mitzuteilen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vom 17.06.2013 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 03.12.2012 auf und verpflichtete die Bundesrepublik Deutschland auf den ausdrücklichen Antrag des Klägers, sein Asylverfahren fortzuführen. Zur Begründung führte es aus: Zwar sei Italien der zuständige Mitgliedstaat. Allerdings leide das Asylsystem Italiens unter sog. systemischen Mängeln im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, sodass die Bundesrepublik von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müsse.
Auf den rechtzeitig gestellten Antrag der Beklagten ließ der Senat durch Beschluss vom 14.08.2013 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.
Am 05.09.2013 hat der Beklagte unter Stellung eines Antrags die Berufung begründet: Zunächst sei davon auszugehen, dass das Zuständigkeitsregime der Dublin-Verordnung keine subjektiven Rechte der Asylbewerber begründe. Im Übrigen gelte nach der Rechtsprechung des EuGH eine generelle Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention erfolge. Dass in Bezug auf Italien ernsthaft und erwiesenermaßen zu befürchten sei, dass systemische Mängel zwangsläufig mit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung der überstellten Asylbewerber einhergingen, könne nicht eingewandt werden. Nach den vorliegenden Quellen, insbesondere von UNHCR, seien derartige Befürchtungen nicht gerechtfertigt.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.06.2013 - A 12 K 331/13 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten verweist der Senat auf die gewechselten Schriftsätze. Dem Senat liegen die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

Gründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist am (…) 1947 in H. in Syrien geboren. Sie ist verheiratet, yezidischen Glaubens, kurdische Volkszugehörige und sie besitzt die syrische Staatsangehörigkeit. Nach eigenen Angaben reiste sie – zusammen mit ihrer Tochter (...) sowie drei weiteren Kindern – von Syrien kommend am 01. August 2011 zunächst nach Italien, wo sie erkennungsdienstlich behandelt wurde und am 21. August 2011 in B-Stadt einen Asylantrag stellte, und alsdann am 07. September 2011 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 12. September 2011 stellte sie bei der Außenstelle des Bundesamtes in H-Stadt einen (weiteren) Asylantrag.

2

Die Beklagte richtete unter dem 07. Februar 2012 an Italien ein Übernahmeersuchen gem. Art. 10 Dublin-II-VO (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 des Rates vom 10.02.2003). Mit Schreiben vom 16. Februar 2012 erklärten die italienischen Behörden ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags der Klägerin.

3

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte den Asylantrag der Klägerin mit Bescheid vom 13. Juni 2012 als unzulässig ab und ordnete ihre Abschiebung nach Italien an. Nach der Dublin-Verordnung sei Italien für die Bearbeitung ihres Asylantrags zuständig; außergewöhnliche humanitäre Gründe, welche die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach § 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch zu machen, seien nicht ersichtlich.

4

Die Klägerin hat am 29. Juni 2012 beim Verwaltungsgericht Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, sie könne wegen der allgemeinen Situation von Asylbewerbern in Italien nicht darauf verwiesen werden, in Italien ein Asylverfahren durchzuführen, weil davon auszugehen sei, dass das Asylverfahren dort nicht ordnungsgemäß durchgeführt würde. Sie besitze einen Anspruch auf Asyl und Flüchtlingsschutz sowie Abschiebungsschutz; hierüber sei durch das Bundesamt zu entscheiden.

5

Die Klägerin hat beantragt,

6

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13. Juni 2012 zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen und dass Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gegeben sind.

7

Die Beklagte hat beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Sie hat die Ansicht vertreten, Italien erfülle bei der Durchführung von Asylverfahren die Mindeststandards der Europäischen Union. In den italienischen Aufnahmeeinrichtungen seien zahlreiche humanitäre Organisationen tätig, die dies gewährleisten würden. Insbesondere hätten Asylbewerber in Italien vollen Zugang zum Gesundheitssystem. Anders als im Fall Griechenlands gebe es keine Empfehlung des UNHCR, Flüchtlinge nicht an Italien zu überstellen. Dementsprechend habe das Bundesverfassungsgericht auch Verfassungsbeschwerden gegen erstinstanzliche Entscheidungen, denen zufolge eine Abschiebung nach Italien möglich sei, nicht zur Entscheidung angenommen. Ferner sei eine Vielzahl erstinstanzlicher Entscheidungen ergangen, wonach die asylrechtlichen Mindeststandards in Italien gewährleistet seien und woraus sich ergebe, dass der Bericht von Bethke und Bender zu den Problemen der Flüchtlinge in Italien kritisch zu betrachten sei.

10

Auf den Antrag der Klägerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 07. März 2012 – 9 B 57/12 MD – die Beklagte im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Abschiebung der Klägerin nach Italien vorläufig bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu unterlassen.

11

Mit Gerichtsbescheid vom 10. Juli 2012 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13. Juni 2012 verpflichtet, über den Asylantrag der Klägerin in eigener Zuständigkeit zu entscheiden und ein Asylverfahren durchzuführen. Die Klägerin habe nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO einen Anspruch darauf, dass die Beklagte ein Asylverfahren in der Bundesrepublik Deutschland durchführe; das insoweit bestehende Ermessen der Beklagten sei auf Null reduziert. Der Klägerin könne die Durchführung eines Asylverfahrens in Italien nicht zugemutet werden.

12

Der Senat hat auf Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 10. Oktober 2012 die Berufung zugelassen. Zur Begründung der Berufung verweist die Beklagte im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Zulassungsantrag, wonach sie an ihrer bisherigen Auffassung festhält, die Klägerin könne in Anbetracht der in Italien gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse auf die Durchführung eines Asylverfahrens dort verwiesen werden.

13

Die Beklagte beantragt,

14

die Klage unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 9. Kammer - vom 10. Juli 2012 abzuweisen.

15

Die Klägerin beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Sie macht geltend, die Beklagte beziehe sich zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen auf bloße Vorschriften und eine nicht mehr aktuelle Rechtsprechung, während neue Berichte nicht zur Kenntnis genommen würden. Der Auffassung der Beklagten sei im Hinblick auf die humanitäre Situation in Italien entgegen zu halten, dass sich die Situation der Flüchtlinge in Italien aufgrund des anhaltenden Flüchtlingsstroms aus Tunesien und anderen nordafrikanischen Staaten dramatisch verschlechtert habe. Italien sei bereits zuvor mit der Aufnahme von Flüchtlingen und deren ordnungsgemäßer Unterbringung überfordert gewesen. Aufgrund des momentanen Flüchtlingsstroms nach Italien habe sich die Situation noch verschlechtert; es sei damit zu rechnen, dass der Klägerin bereits aus diesem Grunde ein ordnungsgemäßes Asylverfahren verwehrt werde und dass sie obdachlos würde. Im Übrigen dürfe nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs (Urteil v. 21.12.2011 - C-411/11, C-493/10 -) ein Asylbewerber bereits dann nicht an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin-II-VO überstellt werden, wenn ernsthafte Hinweise auf systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedsstaat vorlägen, die eine Gefährdung des Asylbewerbers nahe legen würden. Solche ernsthaften Hinweise lägen hier vor. Die vorliegenden Berichte und sonstigen Erkenntnismittel gingen davon aus, dass das staatliche Aufnahmesystem in Italien völlig überlastet sei. Es existierten 3.000 Plätze, die eine Aufnahme von Asylbewerbern für jeweils nur sechs Monate vorsehen würden. Im Jahre 2011 hätten indessen laut Presseberichterstattung (Spiegel online v. 26.04.2011) in Italien bis Anfang Mai bereits 26.000 Flüchtlinge um Schutz nachgesucht.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Vorbringen der Beteiligten und auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten (Beiakte A) sowie auf die vom Senat in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage der Klägerin mit Gerichtsbescheid vom 10. Juli 2012 zu Unrecht stattgegeben.

20

I. Die Klage ist teilweise unzulässig.

21

1. Die als Verpflichtungsklage erhobene Klage ist “lediglich“ als Anfechtungsklage zulässig. Gegen die in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13. Juni 2012 getroffene Entscheidung, dass der Asylantrag der Klägerin gem. § 27a AsylVfG (wegen fehlender Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland) unzulässig ist, ist allein die Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO statthaft (ebenso: VG Düsseldorf, Urt. v. 15.01. 2010 - 11 K 8136/09 -; VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009 - 7 K 4376/07.F.A u. a. - InfAuslR 2009,409; Urt. v. 29.09.2009 - 7 K 269/09.F.A -; Urt. v. 23.06. 2010 - 7 K 2789/09.F.A. -; VG Freiburg, Beschl. v. 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 -; VG München, Urt. v. 29.11.2011 - M 24 K 11.30219 -; VG Ansbach, Beschl. v. 08.11. 2011 - AN 11 S 11.30508 -; VG Wiesbaden, Urt. v. 17.06.2011 - 7 K 327/11.WI.A -; VG Braunschweig, Urt. v. 01.06.2010 - 1 A 47/10 -; VG Karlsruhe, Urt. v. 07.04.2010 - A 3 K 1580/09 -; VG Augsburg, Beschl. v. 01.02.2010 - Au 5 S 10.30014 -; Beschl. v. 29.09.2009 - 7 K 269.09 F.A. -; VG Neustadt, Urt. v. 16.06.2009 - 5 K 1166/08.NW -, alle: Juris; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, § 27a Rdnr. 18; a. A. statthaft nur die Verpflichtungsklage: OVG NRW, Urt. v. 10.05.2010 - 3 A 133/10.A - Juris; VG Wiesbaden, Urt. v. 10.03.2010 - 7 K 1389/ 09.WI.A -).

22

Im Fall der Aufhebung einer – wie hier – auf § 27a AsylVfG gestützten Entscheidung wegen Unzulässigkeit des Asylantrages ist der Weg für die Durchführung eines Asylverfahrens („in eigener Zuständigkeit“) vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auch ohne ein hierauf gerichtetes Verpflichtungsbegehren eröffnet. Denn das Bundesamt ist nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides bereits von Gesetzes wegen zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet (vgl. § 31 Abs. 2 AsylVfG zur Entscheidung des Bundesamtes über beachtliche Asylanträge). Da grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass die Beklagte ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachkommt, bedarf es demzufolge einer Verpflichtungsklage nicht (ebenso: VG Düsseldorf, Urt. v. 15.01.2010, a. a. O.; vgl. auch VG Frankfurt/Main, Urt. v. 29.09.2009, a. a. O.; Urt. v. 08.07.2009, a. a. O.).

23

Überdies muss bezweifelt werden, ob es sich bei der Entscheidung nach Art. 3 Abs. 2 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist – Dublin-II-VO – [z. T. auch „EG-AsylZustVO“ genannt] – (ABl. L 50 vom 25.02.2003, S. 1 -10) um einen (selbständigen) Verwaltungsakt handelt, so dass eine Verpflichtungsklage bzw. – unter Berücksichtigung des im Rahmen der genannten Vorschrift eingeräumten Ermessens – eine Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung in Betracht kommt, oder ob es sich bei der gem. § Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO zu treffende Entscheidung nicht um eine bloß inzidente handelt, da es allein um die Feststellung der Zuständigkeit der Beklagten geht.

24

Ebenso scheidet eine Verpflichtungsklage aus, die unmittelbar auf Anerkennung als Asylberechtigter gem. § 16a GG bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG oder aber - hilfsweise - auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gerichtet ist. Denn eine Verpflichtung für das Gericht, die Sache selbst spruchreif zu machen, besteht nur dann, wenn ein „mit seinem Asylantrag beim Bundesamt erfolglos gebliebener Ausländer“ den Klageweg beschreitet (BVerwG, Urt. v. 06.07.1998 - 9 C 45.97 - BVerwGE 107, 128 ff.). Hat hingegen das Bundesamt (noch) keine Sachentscheidung getroffen, so würde dem Betroffenen in dem Falle des “Durchentscheidens“ des Gerichts durch Verpflichtungs-urteil eine Tatsacheninstanz genommen, nämlich dass eine inhaltliche Überprüfung seines Asylbegehrens durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erfolgt (ebenso: VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009, a. a. O.; VG Schleswig, Urt. v. 03.08. 2011 - 1 A 46/11 - und Beschl. v. 12.09.2011 - 12 A 124/10 -; a. A. VG Braunschweig, Urt. v. 21.02.2013 - 2 A 126/11 - u. a. mit Verweis auf VGH Mannheim, Urt. v. 19.06.2012 - A 2 1355/11 -, Juris).

25

Im Übrigen verhält es sich bei der Entscheidung nach § 27a AsylVfG ähnlich wie in Fällen der Entscheidung des Gerichts über eine Einstellung des Asylverfahrens nach§ 32 AsylVfG wegen vermeintlicher Antragsrücknahme bzw. Verzicht nach § 14a Abs. 3 AsylVfG sowie in den Fällen der gerichtlichen Entscheidung bei fiktiver Antragsrücknahme nach§ 33 AsylVfG. In den genannten Fällen ist nach der hierzu ergangenen einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 07.03.1995 - 9 C 264.94 -, NVwZ 1996, S. 80 = Juris; vgl. auch Marx, AsylVfG, 7. Aufl. 2009, § 33 Rdnr. 34 ff. m. w. N.) die Verpflichtungsklage unzulässig, weil die verweigerte sachliche Prüfung des Asylantrages nach den Regelungen des Asylverfahrensgesetzes vorrangig von der Fachbehörde nachzuholen ist.

26

Auch ist im Hinblick auf die mit dem angefochtenen Bescheid angeordnete Abschiebung der Klägerin nach § 34a Abs. 1 AsylVfG die Verpflichtungsklage nicht veranlasst und stattdessen eine Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO ausreichend (vgl. VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009, a. a. O. und Urt. v. 29.09.2009, a. a. O.; s. auch Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 34a AsylVfG Rdnr. 6; Funke-Kaiser, a. a. O., § 34a Rdnr. 64). Soweit es nämlich darum geht, dass die Beklagte von einem Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO i. V. m. der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 02. September 2003 (Abl. L 222 S. 3) Gebrauch macht, bedarf es im Urteil über eine entsprechende inzidente Feststellung hinaus keiner ausdrücklichen Verpflichtung der Beklagten, von einer Abschiebung abzusehen.

27

Es ist vorliegend davon auszugehen, dass die Anfechtungsklage vom Verpflichtungsbegehren der Klägerin (mit-)umfasst ist. Gegenstand der Anfechtungsklage ist nach allem ausschließlich die Frage nach der Zuständigkeit der Beklagten zur Durchführung eines Asylverfahrens, wobei die Frage nach dem rechtlich gebotenen Selbsteintritt der Bundesrepublik Deutschland inzident zu beantworten ist.

28

2) Der Klägerin steht für ihre Klage auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse zur Seite, da sie weiterhin nach Italien zurückgeführt bzw. rücküberstellt werden könnte, nachdem die italienischen Behörden mit Schreiben vom 16. Februar 2012 (Bl. 115 d. Sachakte) ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung ihres Asylantrags erklärt haben, indem sie dem Übernahmeersuchen stattgegeben und damit ihrer Rücküberstellung zugestimmt haben.

29

II. Die Klage ist im Übrigen unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat den Asylantrag der Klägerin zu Recht als unzulässig abgelehnt und zugleich ihre Abschiebung nach Italien angeordnet. Es musste im vorliegenden Fall insbesondere auch nicht von der Möglichkeit des Selbsteintritts der Beklagten nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch machen.

30

1) Rechtsgrundlage des Bescheides vom 13. Juni 2012, mit dem das Bundesamt den Asylantrag der Klägerin als unzulässig abgelehnt hat, ist § 27a AsylVfG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies ist hier der Fall. Zu Recht ist die Beklagte im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, dass die Republik Italien für die Durchführung eines Asylverfahrens der Klägerin zuständig ist.

31

a) Die Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylverfahrens der Klägerin ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO, sofern nicht die nach Art. 5 Abs. 1 der genannten Verordnung vorrangig zu prüfenden Zuständigkeitskriterien nach Art. 6 bis 9 der Verordnung einschlägig sind.

32

Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig, sofern auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 18 Abs. 3 der Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel III derVerordnung (EG) Nr. 2725/2000, festgestellt wird, dass der Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze des Mitgliedstaats illegal überschritten hat (vgl. auch Art. 18 Abs. 4 und 5 Dublin-II-VO).

33

Dies bedeutet, dass – soweit nicht die Vorschriften nach Art. 6 bis 9 Dublin-II-VO einschlägig sind – im vorliegenden Fall Italien für die Prüfung des Asylantrags der Klägerin zuständig ist, da sie ihren eigenen Angaben zufolge aus Syrien kommend die Grenze nach Italien illegal überschritten hat (und dort – in B-Stadt – am 21. August 2011 zugleich einen Asylantrag gestellt hat [Bl. 108 ff. d. Sachakte]).

34

Die insoweit gegebene Zuständigkeit endet zwar gem. Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Die Klägerin hat jedoch am 12. September 2011 und damit noch vor Ablauf der Jahresfrist ihren Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt, so dass die Zuständigkeit Italiens nicht nach Satz 2 entfallen ist. Die Einreise der Klägerin nach Italien erfolgte am 07. September 2011; die Jahresfrist lief somit am 07. September 2012 ab. Dass die Frist nunmehr abgelaufen ist, ist unschädlich, weil für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates nach Art. 5 Abs. 2 Dublin-II-VO auf die Situation in dem Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

35

b) Im Falle der Klägerin sind auch die Voraussetzungen nach Art. 6 bis 9 Dublin-II-VO nicht erfüllt. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich Art. 7 der Verordnung, wonach – soweit die betroffenen Personen dies wünschen – der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig ist, wo ungeachtet dessen, ob die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat, der Asylbewerber einen Familienangehörigen hat, dem das Recht auf Aufenthalt in einem Mitgliedstaat in seiner Eigenschaft als Flüchtling gewährt wurde, sowie hinsichtlich Art. 8 der Verordnung, wonach – soweit die betroffenen Personen dies wünschen – dem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrages obliegt, in dem der Asylbewerber einen Familienangehörigen hat, über dessen Asylantrag noch keine erste Sachentscheidung getroffen wurde. Die genannten Vorschriften sind im Falle der Klägerin jedoch nicht einschlägig.

36

Es ist schon nicht ersichtlich, dass die nach Art. 7 und 8 der Verordnung genannten Voraussetzungen bei der Tochter der Klägerin, mit der sie zusammen in das Bundesgebiet eingereist ist, oder bei ihren in Deutschland lebenden volljährigen Kindern vorliegen. Dies kann aber auch dahin stehen. Denn jedenfalls gelten die genannten Personen nicht als „Familienangehörige“ i. S. d. Dublin-II-VO. Hierzu gehört nach Art. 1 Buchst. i) der Verordnung nur die Mitglieder der “Kernfamilie“, d. h. die Ehegatten des Asylbewerbers und unter bestimmten Voraussetzungen der nicht verheiratete Partner des Asylbewerbers, die minderjährigen Kinder der genannten Personen sowie bei unverheirateten minderjährigen Antragstellern oder Flüchtlingen der Vater, die Mutter oder der Vormund. Ein solches Verwandtschaftsverhältnis der Klägerin zu den mit einreisenden bzw. in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Kindern besteht jedoch nicht.

37

c) Ebenso sind bei der Klägerin die Voraussetzungen nach Art. 15 Abs. 1 und Abs. 2 Dublin-II-VO nicht erfüllt. Nach Art.15 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung kann jeder Mitgliedstaat aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, Familienmitglieder und andere abhängige Familienangehörige zusammenführen, auch wenn er dafür nach den Kriterien der Verordnung nicht zuständig ist. Dass die Klägerin vorliegend aus humanitären Gründen mit ihren Familienangehörigen zusammenzuführen ist und nicht auch auf ein eigenständiges Leben in Italien verwiesen werden kann, zumal ihre Kinder teilweise in Deutschland, teilweise in Österreich leben bzw. teilweise ihr Aufenthalt unbekannt ist, lässt sich nicht feststellen. Die Klägerin befindet sich in Begleitung ihrer volljährigen Tochter; beide sind reisefähig und nach Italien zu überstellen.

38

Ebenso sind die Voraussetzungen nach Art. 15 Abs. 2 Dublin-II-VO nicht erfüllt, wonach im Regelfall von einer Trennung der Familienangehörigen abzusehen bzw. eine Zusammenführung vorzunehmen ist, wenn die betroffene Person u. a. wegen einer schweren Krankheit, einer ernsthaften Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung durch die anderen Person(en) angewiesen ist. Diese Voraussetzungen liegen bei der 67-jährigen Klägerin nicht vor; entsprechendes ist jedenfalls nicht vorgetragen worden.

39

Eine andere Einschätzung ist auch nicht im Hinblick auf die einleitende Erwägung zu Nr. 6 Dublin-II-VO veranlasst, wonach die Einheit der Familie (grundsätzlich) gewahrt bleiben soll, soweit dies mit den sonstigen Zielen vereinbar ist, die mit den Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrages zuständigen Mitgliedstaats angestrebt werden. Nicht anders verhält es sich mit Blick auf die einleitende Erwägung nach Art. 7 Satz 2 Dublin-II-VO, wonach die Mitgliedstaaten von den Zuständigkeitskriterien abweichen können, um eine räumliche Annäherung von den Familienmitgliedern vorzunehmen, soweit dies aus humanitären Gründen erforderlich ist. Bei den genannten Regelungen handelt es sich indes um bloße programmatische Vorgaben, aus denen sich, unabhängig davon, dass die Voraussetzungen hier nicht vorliegen dürften, für die Asylbewerber keine unmittelbaren Rechte ableiten lassen.

40

d) Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens ist auch nicht gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen. Zwar hat das Bundesamt nicht innerhalb von drei Monaten nach Stellung des Asylantrags der Klägerin vom 12. September 2011 ein Wiederaufnahme- bzw. Übernahmeersuchen an die Republik Italien gestellt; das war indes auch nicht erforderlich. Da die Klägerin bereits in Italien einen Asylantrag gestellt hat, steht in ihrem Fall eine Wiederaufnahme durch Italien im Sinne des Art. 16 Abs.1 c) bis e) Dublin-II-VO in Rede, nicht hingegen eine Aufnahme seitens Italiens im Sinne des Art. 16 Abs.1 a) Dublin-II-VO. Die Dublin-II-VO unterscheidet insoweit gem. Art.16 Abs.1 lit. a) einerseits und Art. 16 Abs. 1 lit. c) bis e) andererseits zwischen der Überstellung des Asylsuchenden in einem Aufnahmeverfahren gemäß den Art. 17 bis 19 Dublin-II-VO und einer Überstellung im Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 20 Dublin-II-VO. Das Aufnahmeverfahren findet statt, wenn der Asylsuchende im ersuchten Mitgliedstaat noch keinen Asylantrag gestellt hat, während das Wiederaufnahmeverfahren einschlägig ist, wenn dort bereits ein Asylantrag gestellt wurde. Insofern wird der Anwendungsbereich der nachfolgenden Art. 17 bis 20 Dublin-II-VO durch Art. 16 Dublin-II-VO bestimmt.

41

Aus der systematischen Trennung zwischen Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren folgt, dass im Wiederaufnahmeverfahren keine Frist für das Übernahmeersuchen gilt, denn die insofern allein maßgebliche Regelung des Art. 20 Dublin-II-VO normiert weder selbst eine solche Frist, noch nimmt sie auf die für das Aufnahmeverfahren geltende Regelung in Art. 17 Abs.1 Dublin-II-VO Bezug. Es verhält sich gerade nicht in der Weise, dass Art. 20 Dublin-II-VO nur spezielle Modalitäten für die Wiederaufnahme regelt und im Übrigen die Regelungen der Art. 17 bis 19 Dublin-II-VO anwendbar wären. Vielmehr handelt es sich bei den Art. 17 bis 19 Dublin-II-VO einerseits und dem Art. 20 Dublin-II-VO andererseits um jeweils eigenständige Regelungskomplexe (vgl. VG Düsseldorf, Beschl. v. 06.02.2013 - 17 L 150/13.A -; Beschl. v. 26.04.2013 - 17 K 1777/12.A -; VG Hamburg, Beschl. v. 22.09.2005 - 13 AE 555/05 -; VG Augsburg, Gerichtsbescheid v. 09.05.2011 - Au 3 K 10.30468 - Juris; VG Regensburg, Beschl. v. 05.07.2013 - RN 5 S 13.30273 -; VG Göttingen, Beschl. v. 11.10.2013 - 2 B 805/13 -; a.A.: VG Düsseldorf, Beschl. v. 07.08. 2012 - 22 L 1158/12.A -, alle: Juris).

42

Art. 17 Abs.1 Satz 2 Dublin-II-VO, wonach der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, zuständig wird, wenn das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten unterbreitet wird, findet im Fall der Klägerin folglich keine Anwendung, so dass sich hieraus auch keine Zuständigkeit der Beklagten ergibt. Dementsprechend haben die italienischen Behörden mit Schreiben vom 16. Februar 2012 (Bl. 115 R, 116 d. Sachakte) auch ihre Zustimmung zur Wiederaufnahme bzw. Übernahme der Klägerin erteilt.

43

e) Ferner ist die Zuständigkeit nicht nach Art. 19 Abs. 3 und 4 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen. Nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO erfolgt die Überstellung des Schutzsuchenden von dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, in den zuständigen Mitgliedstaat gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des ersteren Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin-II-VO i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) Dublin-II-VO auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Dabei ist unerheblich, dass die Entscheidung der Beklagten nach Art. 19 Abs. 2 Satz 4 der Verordnung grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung hat; allein entscheidend ist, dass ihr eine solche durch eine entsprechende gerichtliche Entscheidung zuerkannt worden ist (vgl. Hess.VGH, Beschl. v. 23.08.2011 - 2 A 1863/10.Z.A -; Nds.OVG, Beschl. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -; VG Freiburg, Beschl. v. 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 -; offengelassen: OVG NRW, Beschl. v. 01.03.2012 - 1 B 234/12.A -, alle: Juris).

44

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 02. August 2012 - 4 MC 133/12 - (< Rn. 17 zitiert nach Juris >) zu § 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO und zu dem in Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Dublin-II-VO grundsätzlich vorgesehenen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ausgeführt:

45

„Der Annahme der aufschiebenden Wirkung des hier eingelegten Rechtsbehelfs steht auch nicht die Vorschrift des Art. 19 Abs. 2 Satz 4 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 entgegen. Danach hat ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nach Absatz 1 keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung, es sei denn, die Gerichte oder zuständigen Stellen entscheiden im Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts anders, wenn es nach ihrem inner-staatlichen Recht zulässig ist. Zwar darf nach § 34a Abs. 2 AsylVfG die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) nicht nach§ 80oder § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung ausgesetzt werden. Hieraus folgt jedoch nicht, dass durch diese Vorschrift eine andere Entscheidung im Sinne von Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Hs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts ausgeschlossen ist und daher ein Rechtsbehelf wegen § 34a Abs. 2 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung im Sinne des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 haben kann. Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr ausdrücklich entschieden, dass der Ausschluss des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 34a Abs. 2 AsylVfG in den Fällen, in denen die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) erfolgen soll, in Ausnahmefällen, die nicht vom „normativen Vergewisserungskonzept“ des Gesetzgebers über die Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention in einem sog. sicheren Drittstaat erfasst sind, der Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz gegen eine sofortige Überstellung nicht entgegensteht (BVerfG, Urt. v. 14.5. 1996, a. a. O.). Diese Rechtsprechung wird - soweit ersichtlich - von den Verwaltungsgerichten auf die Abschiebung in einen anderen Staat, der nach § 27a AsylVfG für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, mit der Begründung übertragen, dass die vom Bundesverfassungsgericht angestellten Erwägungen zu § 26a AsylVfG auch auf die Vorschrift des§ 27a AsylVfG zutreffen, weil die nach europäischen Recht für die Asylentscheidung zuständigen Mitgliedstaaten zugleich sichere Drittstaaten im Sinne von § 26a AsylVfG sind (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 1.3.2012 - 1 B 234/12.A - und v. 11.10. 2011 - 14 B 1011/11.A -; ferner Nds. OVG, Beschl. v. 2.5.2012 - 13 MC 22/22 - und Hess. VGH, Beschl. v. 23.8.2011 - 2 A 1863/10.Z.A.-). Unter diesen Umständen kann daher keine Rede davon sein, dass es nach der innerstaatlichen Rechtslage in Deutschland unzulässig sei, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine Überstellung auf der Grundlage der Zuständigkeitsbestimmungen in der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 anzuordnen. Unabhängig davon stellt die für den Fristenbeginn der Überstellung maßgebliche Vorschrift des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 nach ihrem Wortlaut auch ausdrücklich darauf ab, dass einem eingelegten Rechtsbehelf tatsächlich aufschiebende Wirkung zukommt und nicht darauf, ob es nach dem innerstaatlichen Recht zulässig ist, die aufschiebende Wirkung anzuordnen (vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 23.8.2011 - 2 A 1863/10.Z.A.-).

46

Läuft danach die Frist zur Überstellung aufgrund des von dem Antragsteller eingelegten Rechtsbehelfs erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens bezüglich der Durchführung der Überstellung entschieden wird und die der Durchführung nicht mehr entgegenstehen kann, kann dahinstehen, ob insoweit das Vorliegen einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache für den Fristenbeginn bereits ausreichend ist oder es darüber hinaus der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung bedarf (so Hess. VGH, Beschl. v. 23.8.2011 - 2 A 1863/10.Z.A.“

47

Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an und macht sie sich zu Eigen.

48

Da die Klägerin – nach Erlass des angefochtenen Bescheides vom 13. Juni 2012 – gegen ihre Überstellung innerhalb der Frist, bis zu der gem. Art. 19 Abs. 4 Satz 2 Dublin-II-VO ihre Überstellung nach Italien vorbehaltlich eventuell zu treffender weiterer Maßnahmen erfolgen konnte, einen Rechtsbehelf gegen ihre Überstellung eingelegt hat, dem mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom Beschluss vom 07. März 2012 - 9 B 56/12 MD - aufschiebende Wirkung beigemessen worden ist, beginnt nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO eine (neue) sechsmonatige Frist zur Überstellung der Klägerin (erst) ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Klage. Diese Frist ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats noch nicht abgelaufen, denn der Senat hat dem Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 10. Oktober 2012 entsprochen. Nach allem kann hier dahingestellt bleiben, ob im Grundsatz das Vorliegen einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache für den Fristenbeginn hinsichtlich der Überstellung bereits ausreichend ist oder ob es darüber hinaus der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung bedarf, da die Klägerin jedenfalls erstinstanzlich obsiegt hat.

49

2) Die Beklagte ist für die Prüfung des Asylantrags der Klägerin auch nicht gem. Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO zuständig, denn die Bundesrepublik Deutschland ist nicht verpflichtet, das Selbsteintrittsrecht auszuüben.

50

Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO kann jeder Mitgliedstaat abweichend von den Zuständigkeitskriterien des Kapitels III der Verordnung einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch gem. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-II-VO zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Gegebenenfalls unterrichtet er den zuvor zuständigen Mitgliedstaat über den Selbsteintritt (a. a. O. Satz 3). Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht dabei grundsätzlich in seinem Ermessen, welches – weil integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen Europäischen Asylsystems (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/ 10 und C-493/10 -, ) – in Übereinstimmung mit den insoweit geltenden unionsrechtlichen Bestimmungen und von den Mitgliedstaaten verfolgten Zielen auszuüben ist.

51

Art. 3 Dublin-II-VO ist auch geeignet, subjektive Rechte der Klägerin zu begründen, die von ihr gegen eine vorgesehene Überstellung (Rückführung) in den nach dieser Verordnung für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat geltend gemacht werden können (vgl. dazu den Vorlagebeschluss des Hess.VGH v. 22.12.2010 - 6 A 2717/09.A -; Nds.OVG, Beschl. v. 02. 08.2012 - 4 MC 133/12 - m. w. N., Juris; ferner Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdn. 37 ff. m. w. N.). Denn auch wenn es sich bei Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO um eine Ermessensvorschrift handelt, kann sich der Betroffene – hier die Klägerin – auf einen subjektiven öffentlich-rechtlichen Anspruch auf den Selbsteintritt der Beklagten gem. Art. 3 Abs. 2 der Verordnung berufen. Diese Bestimmung ist – anders als die Vorgängerregelungen im Schengener Durchführungsübereinkommen und im völkerrechtlichen Dubliner Übereinkommen (vgl. hierzu Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdn. 25) – nicht allein im öffentlichen Interesse geschaffen worden, sondern verbürgt den von ihr Betroffenen ein subjektives Recht. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass ein Einzelner nicht nur dann aus dem Unionsrecht subjektive Rechte herzuleiten vermag, wenn diese ihm ausdrücklich zugesprochen werden. Vielmehr genügt es, wenn aus einer Rechtsnorm klar und eindeutig eine Begünstigung Einzelner hervorgeht, die keiner Bedingung und keinem zeitlichen Aufschub mehr unterliegt, und weder die Union noch die Mitgliedstaaten einen Spielraum zur Ausgestaltung der Rechtsnorm besitzen (vgl. u. a. EuGH, Urt. v. 05.02.1963 - Rs. 26/62 -, Slg. 1963, 1 [24] = NJW 1973, 1751 - van Gend & Loos vs. Niederlande; EuGH, Urt. v. 04. 12.1974 - Rs. C-41/74 -, Slg. 1974, 1337 [1349] - van Duyn vs. Home Office; EuGH, Urt. v. 19.01.1982 - Rs. C-8/81 -, Slg. 1982, 53 [71] = NJW 1982, 53 - Becker vs. Finanzamt Münster). Diese Voraussetzungen sind im Falle der Dublin-II-VO dem Grunde nach erfüllt (vgl. auch Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdnr. 124 m. w. N.). Hiervon geht im Ergebnis auch der Europäische Gerichtshof in dem zur Dublin-II-VO ergangenen Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 – (Rdnr. 38, 48 zur Frage des Rechtsschutzes, NVwZ 2009, S. 639 = Juris) aus.

52

Allerdings verbürgt Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO lediglich das Recht auf eine fehlerfreie Ermessensausübung – welches gegebenenfalls aber auf Null reduziert sein kann (vgl. VG Würzburg, Urt. v. 12.03.2009 - W 4 K 08. 30122 -; Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdnr. 134 f. und 223 m. w. N.; Marx, a. a. O. § 27a Rdnr. 13; Huber/Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2008, Rdnr. 1886; Filzwieser / Liebminger, Dublin II-Verordnung, Kommentar, 2. Aufl., Wien/ Graz 2007, Art. 3 K 9 unter Verweis auf einschlägige Rechtsprechung des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs, Entscheid v. 15.10.2004 - G 237/03 u. a. und des Belgischen Conseil d'Etat / Raad van State vom 28.08.2006, Zl. 162.039; Schröder, Die EU-Verordnung zur Bestimmung des zuständigen Asylstaats, ZAR 2003, S. 124 [131]; Hruschka, Die Dublin II-Verordnung, in: Informationsverbund Asyl e.V. [Hrsg.], Das Dublin-Verfahren, Beilage zum Asylmagazin 1-2/2008, S. 1 [9]; Hruschka, Humanitäre Lösungen in Dublin-Verfahren, Asylmagazin 7-8/2009, S. 5 [7 f. und 9 f.]).

53

Aus dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO ergibt sich eine an die Beklagte gerichtete Ermessensermächtigung, deren Zweck in der Norm selbst nicht seinen Ausdruck gefunden hat (vgl. nur Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdnr. 220; Filzwieser / Liebminger, a. a. O., Art. 3 K 8 ff.), sondern sich aus der Zwecksetzung der Verordnung insgesamt und der im Zuge der durch Art. 63 EG-Vertrag in der Fassung des Amsterdamer Vertrages vom 02. Oktober 1997 vorgegebenen gemeinschaftsrechtlichen Asylharmonisierung ergangenen europäischen Richtlinien zum materiellen Asylrecht auf der einen und zum Verfahrensrecht sowie den Aufnahmebedingungen von Flüchtlingen auf der anderen Seite erschließt. Im Einzelnen ist dabei von Folgendem auszugehen:

54

Nach Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) EG-Vertrag beschließt der Rat in Übereinstimmung mit der Genfer Flüchtlingskonvention sowie mit einschlägigen anderen Verträgen Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat. Hierauf beruhend wurde die Dublin-II-VO erlassen. Im Erwägungsgrund Nr. 5 wird hierzu ausgeführt, dass bezüglich der schrittweisen Einführung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, das auf längere Sicht zu einem gemeinsamen Asylverfahren und einem unionsweit geltenden einheitlichen Status für die Personen, denen Asyl gewährt wird, führen sollte, im derzeitigen Stadium die Grundsätze des am 15. Juni 1990 in Dublin unterzeichneten Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft gestellten Asylantrags(4) (nachstehend „Dubliner Übereinkommen“ genannt), dessen Durchführung die Harmonisierung der Asylpolitik gefördert hat, mit den aufgrund der bisherigen Erfahrungen erforderlichen Änderungen beibehalten werden sollten. Weiterhin wird insbesondere im Erwägungsgrund Nr. 15 ausgeführt, dass die Verordnung in Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen stehe, die mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - EuGrdRCh - anerkannt worden seien. Die Verordnung ziele insbesondere darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung des in Art. 18 EuGrdRCh verankerten Rechts auf Asyl zu gewährleisten.

55

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 -, Juris) lässt das im EU-Vertrag vorgesehene und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeitete gemeinsame Europäische Asylsystem allerdings die Annahme begründet erscheinen, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 (GFK) sowie in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - Europäische Menschenrechtskonvention - (EMRK) finden. Es gilt daher grundsätzlich die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtscharta und der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. M. a. W. ausgehend von der Annahme, dass es sich bei den Mitgliedstaaten der Europäischen Union um sichere Drittstaaten i. S. d. Art. 16a Abs. 2 Grundgesetz (GG) bzw. § 26a AsylVfG handelt, ist aufgrund des diesen Vorschriften zugrunde liegenden „Konzepts der normativen Vergewisserung“ (BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 22 BvR 2315/133 - Juris, Rn. 179 ff.) bzw. des „Prinzips des gegenseitigen Vertrauens“ (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - Rs C-411/10 und C-393/10 – Juris, Rn. 79 ff.) grundsätzlich davon auszugehen, dass die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Grundrechtscharta und der Europäischen Menschenrechtskonvention in diesen Ländern sichergestellt ist. Auch die Dublin-II-Verordnung beruht wie jede andere auf Art. 63 Satz 1 Nr. 1 EG-Vertrag gestützte gemeinschaftsrechtliche Maßnahme auf der Prämisse, dass die zuverlässige Einhaltung der GFK, der EMRK und der EuGrdRCh in allen Mitgliedstaaten gesichert ist (vgl. Begründungserwägung Nr. 2 und Nr. 12 Dublin-II-VO und Art. 6 Abs. 2 sowie Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 lit. a EG-Vertrag, - so auch VG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 02.10.2008 - 6 B 56/08-, Juris und VG Regensburg, Beschl. v. 15.09.2008 - RO 3 E 08.30124 - Juris).

56

Dies bedeutet zugleich, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49 = Juris; Beschl. v. 08.09.2009 - 2 BvQ 56/09 -, Juris) ein Ausländer, der in einen sicheren Drittstaat zurück verbracht werden soll, den Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor einer politischen Verfolgung oder sonstigen schwerwiegenden Beeinträchtigungen in seinem Herkunftsstaat grundsätzlich nicht mit der Begründung einfordern kann, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt würden. Für ihn kommen deshalb entsprechend dem mit Art. 16a Abs. 2 GG verfolgten „Konzept normativer Vergewisserung“ über die Sicherheit im Drittstaat auch die materiellen Rechtspositionen, auf die ein Ausländer sich sonst gegen seine Abschiebung stützen kann, grundsätzlich nicht in Betracht.

57

Allerdings hat die Bundesrepublik Deutschland dann Schutz zu gewähren, wenn ein solcher durch Umstände begründet wird, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des „Konzepts normativer Vergewisserung“ durch Gesetz berücksichtigt werden konnten oder aber sich die für die Qualifizierung als “sicher“ maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung hierauf noch aussteht. So sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (a. a. O.) Ausnahmen u. a. dann geboten, wenn der Drittstaat gegenüber dem Schutzsuchenden selbst zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung greift und dadurch zum Verfolgerstaat wird, oder wenn offen zu Tage tritt, dass der Drittstaat sich von seinen Schutzverpflichtungen lösen und einem bestimmten Ausländer der Schutz dadurch verweigern wird, dass er sich seiner ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigt (vgl. zur Problematik der Bestimmung des „sicheren Drittstaates“: BVerfG, Beschl. v. 08.09.2009 - 2 BvQ 56/09 - DVBl. 2009, 1304; Lübbe-Wolff, Das Asylgrundrecht nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Mai 1996 - DVBl. 1996, 825 ff.; s. insbesondere auch zur europa-rechtlichen Dimension: Weinzierl / Hruschka, Effektiver Rechtsschutz im Lichte deutscher und europäischer Grundrechte, NVwZ 2009, 1540 ff.).

58

Vergleichbares gilt nach dem Willen des Gesetzgebers, wenn es um die Rückführung eines Ausländers in den für seinen Asylantrag zuständigen Staat im Sinne des § 27a AsylVfG geht. Dies bedeutet, dass auch der Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO „nur“ eine Ausnahme darstellt bzw. Sonderfällen vorbehalten ist. Denn eine Prüfung, ob der Zurückweisung in den Drittstaat oder in den nach europäischem Recht oder Völkerrecht für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, ist nur dann veranlasst, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme aufdrängt, dass der Asylbewerber von einem der im normativen Vergewisserungskonzept des Art. 16a Abs. 2 GG und der §§ 26a, 27a, 34a AsylVfG nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An die Darlegung eines solchen Sonderfalles sind dabei auch im Rahmen des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49 = Juris; Beschl. v. 08.09.2009 - 2 BvQ 56/09 -, Juris). Die Annahme eines sicheren Drittstaates ist daher nur dann widerlegt, wenn ernsthaft zu befürchten steht, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EuGrdRCh bzw. der inhaltlich identischen Vorschrift des Art. 3 EMRK (vgl. insoweit Art. 52 Abs. 3 Satz 1 EuGRrdRCh) implizieren.

59

Nach der zu Art. 3 EMRK ergangenen Rechtsprechung des EGMR, auf die zur Auslegung von Art. 4 EuGrdRCH zurückzugreifen ist (vgl. EuGH, Urt. v. 21.01.2011, 2011 - No. 30696 – M.S.S. vs. Belgien und Griechenland, Rn. 88 m. w. N. – Juris) ist eine Behandlung unmenschlich, wenn sie absichtlich erfolgt und entweder tatsächliche körperliche Verletzungen oder schwere körperliche oder psychische Leiden verursacht. Eine Behandlung ist hingegen als erniedrigend anzusehen, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt und dadurch fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert, oder wenn sie Angst, Furcht oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder physischen Widerstand der Person zu brechen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.01.2011, a. a. O., Rn. 220 m. w. N.).

60

Die ernsthafte Befürchtung grundlegender Mängel besteht nur dann, wenn in einem Mitgliedstaat eine ständige Verletzung der Kernanforderungen des europäischen Asylrechts, wie sie in den Richtlinien und Verordnungen der Europäischen Union ihren Niederschlag gefunden haben, stattfindet und dadurch die Menschenwürde, das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Flüchtlings beeinträchtigt wird (vgl. hierzu VG Düsseldorf, Beschl. v. 22.12.2008 - 13 L 1993/08.A - Juris; VG Berlin, Beschl. v. 11.04.2011 - 23 L 84.11 A - Juris; VG Hannover, Beschl. v. 07.06.2011 - 1 B 2106/11 - asyl.net; VG Düsseldorf, Beschl. v. 12.09.2011 - 6 L 866/11.A - Juris; Lehnert / Pelzer, Effektiver Rechtsschutz im Rahmen des EU-Asylzuständigkeitssystems der Dublin II-Verordnung, ZAR 2010, 41 ff.; Lehnert/Pelzer, Der Selbsteintritt der Mitgliedstaaten im Rahmen des EU-Asylzuständigkeitssystems der Dublin-II-Verordnung, NVwZ 2010, 613 ff.). Bei der Beurteilung der Frage, ob für Asylbewerber in Italien dementsprechend ein “richtliniekonformes“ Verfahren gewährleistet ist, ist dabei zunächst das Schutzniveau in den Blick zu nehmen, das sich aus Art. 28 (Sozialleistungen) und Art. 31 (Zugang zu Wohnraum) der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 – Qualifikationsrichtlinie – ergibt und sodann jenes, das sich für das Asylverfahren aus der Dublin-II-VO selbst ergibt. Zugleich ist als Maßstab die Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten heranzuziehen sowie die Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 01. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft. Danach gehören zu den Kernanforderungen des europäischen Asylrechts der Zugang zu einem geordneten Asylverfahren und die Gewährung materieller Aufnahmebedingungen, welche die Grundbedürfnisse nach Unterkunft, Nahrung und medizinischer Versorgung abdecken.

61

Die vorstehend aufgezeigten Grundsätze stehen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Dieser hat mit Urteil vom 21.12.2011 - C 411/10 und C-493/10 - (Juris) ausgeführt, das Gemeinsame Europäische Asylsystem sei in einem Kontext entworfen, der grundsätzlich die Vermutung rechtfertige, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtscharta sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Gleichwohl könne – so der Gerichtshof – nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoße, so dass die ernstzunehmende Gefahr bestehe, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt würden, die mit den Grundrechten unvereinbar sei. Dabei berühre nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Verpflichtung der übrigen Mitgliedstaaten zur Beachtung der Dublin-II-VO. Sei jedoch ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufwiesen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Grundrechtscharta implizierten, so sei eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar.

62

Bei der Beurteilung der anstehenden Frage nach dem Vorliegen eines systemischen Versagens in Bezug auf das Asyl- und Aufnahmeverfahren in dem Mitgliedstaat ist überdies nicht (allein) darauf abzustellen, welche (abstrakte) Rechtslage dort herrscht, mithin ob etwa die vorgenannten Richtlinien in nationales Recht umgesetzt wurden, sondern es sind (ebenfalls) die konkreten bzw. realen Verhältnisse für die Asylbewerber, mithin die bestehende tatsächliche Verwaltungs- und Rechtspraxis in den Blick zu nehmen (ebenso VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009 - 7 K 4376/07.F.A u. a. - InfAuslR 2009, 406 = Juris).

63

Ferner ist darauf abzustellen, ob es sich bei eventuell feststellbaren Defiziten und Mängeln, etwa in Form von Rechtsverstößen und zu erwartenden Beeinträchtigungen, nur um Einzelfälle oder – soweit es sich nicht nur um Einzelfälle handelt – um bloße vorübergehende, temporäre Erscheinungen handelt, die etwa einer überraschenden Entwicklung geschuldet sind, denen aber in naher Zukunft voraussichtlich abgeholfen wird. Anders verhält es sich indes in jenen Fällen, in denen aufgrund einer Vielzahl von Referenzfällen hinreichend belegte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich die Missstände und Unzulänglichkeiten dauerhaft manifestiert haben. Die insoweit erforderliche Feststellung des Vorliegens systemischer Mängel und Missstände hat somit eine quantitative wie qualitative Komponente. Ob die desolaten Verhältnisse im Mitgliedstaat dabei darauf zurückzuführen sind, dass dieser zur Schaffung geordneter und richtlinienkonformer Verhältnisse nicht bereit oder nicht in der Lage ist, macht dabei grundsätzlich keinen Unterschied.

64

3) In Anwendung der genannten Kriterien ist im Fall der Klägerin von Folgendem auszugehen:

65

Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht verpflichtet, in Ausübung des insoweit bestehenden Ermessens von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch zu machen. Auch kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, sie besitze zumindest einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Selbsteintritt der Beklagten zur Durchführung eines Asylverfahrens gem. Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO, um als Ausnahme von den sonstigen Zuständigkeitsregeln der genannten Verordnung die Prüfung ihres Asylantrages in der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen. Diesem Recht der Klägerin ist mit dem angefochtenen Bescheid der Beklagten entsprochen worden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte ihr Ermessen verkannt hätte; auch rechtfertigt sich nicht die Annahme des Vorliegens eines formellen Ermessensfehlers, da keinerlei Gründe vorliegen, die einen sog. Selbsteintritt zu rechtfertigen vermögen.

66

Zur Überzeugung des Senats ist auf der Grundlage des ihm vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern und Flüchtlingen sowie von “Dublin-II-Rückkehrern“ in Italien nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und / oder die Aufnahmebedingungen dort derart grundlegende Mängel aufweisen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EuGrdRCh zu erwarten steht. Der Senat ist vielmehr unter Anlegung der zuvor genannten strengen Maßstäbe zur Überzeugung gelangt, dass für die nach der Dublin-II-Verordnung nach Italien zurückkehrenden bzw. rücküberstellten Asylbewerber in der Gesamtschau ein ordnungsgemäßes und richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren gewährleistet ist und dass für den Fall der Abschiebung bzw. Rückführung der betroffenen Asylsuchenden zwecks Durchführung eines Asylverfahrens nicht mit schwerwiegenden Rechtsverstößen und Beeinträchtigungen zu rechnen ist (ebenso oder ähnlich u. a.: OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013 - OVG 7 S 33.13 -; Beschl. v. 24.06.2013 - OVG 7 S 58.13 –; VG Bremen, Beschl. v. 15.04.2013 - 2 V 440/13.A -; VG Regensburg, Beschl. v. 05.02.2013 - RN 5 S 13.30026 -; Beschl. v. 26.02.2013 - RN 9 K 11.30445 -; VG Düsseldorf, Beschl. v. 17.09.2012 - 13 L 1447/12.A -; Beschl. v. 08.01.2013 - 6 L 104/13.A - und Beschl. v. 06.02. 2013 - 17 L 150/13.A -; VG Augsburg, Urt. v. 11.01.2013 - Au 6 K 12.30358 -; VG Leipzig, Urt. v. 07.12.2012 - A 1 K 973/11 -; VG München, Beschl. v. 08.11.2012 - M 15 E 12.30772 -; VG Würzburg, Beschl. v. 30.10.2012 - W 6 E 12.30288 -; VG Trier, Beschl. v. 25.10.2012 - 5 L 1146/12.TR -; VG Schwerin, Beschl. v. 27.09. 2012 - 8 B 434/12 As -; VG Bayreuth, Urt. v. 12.06.2012 - B 3 K 11.30142 - [bestätigt durch BayVGH, Beschl. v. 6.02.2013 - 20 ZB 12.302856 -]; a. A. oder eine Entscheidung in der Hauptsache vorbehaltend: VG Köln, Beschl. v. 07.05.2013 - 20 L 613/13.A -; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 30.04.2013 - 10a L 484/13.A -; VG Schwerin, Beschl. v. 15.03.2013 - 3 B 111/13 As -; VG Aachen, Beschl. v. 14.03. 2013 - 9 L 53/13.A -; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 19.02.2013 - 15a L 194/13.A -; Beschl. v. 27.02.2013 - 15a L 194/13.A -; VG Gießen, Urt. v. 24.01.2013 - 6 K 1329/12.Gl.A -; VG Karlsruhe, Beschl. v. 11.10.2012 - A 9 K 2386/12 - und Beschl. v. 22.01.2013 - A 9 K 179/13 -; VG Stuttgart, Beschl. v. 08.01.2013 - A 7 K 3929/12 -; VG des Saarlandes, Beschl. v. 03.09.2012 - 3 L 789/12 -; VG Düsseldorf, Beschl. v. 29.08.2012 - 14 L 1392/12.A – alle: Juris; VG Freiburg, Beschl. v. 27.10.2011 - A 5 K 2081/11 -; VG Magdeburg, Beschl. v. 17.07.2012 – 9 B 148/12 -; Beschl. v. 21.11.2011 - 9 A 100/11 -; Urt. v. 26.07.2011 - 9 A 346/10 MD -; vgl. auch OVG NRW, Beschl. v. 01.03.2012 - 1 B 234/ 12.A - Juris). Das Asylsystem in Italien mit dem dort geregelten und praktizierten Aufnahme- und Asylverfahren einschließlich der Unterbringungs- und Versorgungslage für die in Italien schutzsuchenden Flüchtlinge und Asylbewerber entspricht den Anforderungen des europäischen Asylsystems, selbst wenn es in Teilbereichen gewisse Mängel und Defizite aufweist. Im Einzelnen ist dabei von Folgendem auszugehen:

67

a) Nach dem dem Senat vorliegenden Erkenntnismaterial ist davon auszugehen, dass für Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien, jedenfalls soweit es sich um Dublin-II-Rückkehrer handelt, grundsätzlich ein geordnetes Aufnahmeverfahren und auch ein ungehinderter Zugang zum Asylverfahren gewährleistet sind.

68

Der Senat verkennt nicht, dass es in Italien für Asylbewerber und Flüchtlinge – und zwar bis in die jüngste Vergangenheit hinein – eine Vielzahl von Einreiseverweigerungen und Abschiebungen gegeben hat, bevor ein Asylverfahren durchgeführt werden konnte bzw. ein solches abgewartet worden wäre. Namentlich sind Fälle bekannt geworden, wonach es Zurückweisungen von Flüchtlingen auf hoher See und vor der italienischen Küste, aber auch vom italienischen Territorium gegeben hat, die offenbar darauf abzielten, den Strom von Flüchtlingen – insbesondere aus Nordafrika – abzuwehren, die in Italien Zuflucht haben suchen wollen (vgl. UNHCR, Bericht v. 16.08. 2011: „Hunderte Neuankömmlinge aus Libyen und Tunesien in Italien“, abrufbar unter: http://www.unhcr.de/print/home/artikel/042d9651d6d525aad46e97d7ee7848db/hunde).

69

Trotz der bekannt gewordenen zahlreichen Verstöße gegen das Refoulement-Verbot und teilweise vorhandener unangemessener Erschwernisse beim Zugang zu einem Asylverfahren in Italien in den vergangenen Jahren lässt sich aber – jedenfalls soweit es die aktuellen Verhältnisse im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats betrifft – nicht (mehr) davon ausgehen, dass es, sieht man einmal von Einzelfällen ab, in Italien gegenwärtig noch zu derartigen gravierenden Rechtsverletzungen kommt, wie sie in der Vergangenheit zu beklagen waren.

70

Vielmehr sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes keine Fälle neueren Datums bekannt geworden, in denen Flüchtlingen und Asylsuchenden, die in Italien um Schutz nachsuchen wollten, bei ihrer Einreise auf dem Seeweg oder auf dem Landwege die Einreise oder der Aufenthalt in Italien verweigert worden sind (AA, Auskunft v. 21.02. 2013 an OVG LSA, Anm. 1.1.). Ebenso sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes keine Fälle neueren Datums bekannt geworden, in denen Flüchtlinge und Asylsuchende nach ihrer Einreise nach Italien in ihr Herkunftsland bzw. einen Drittstaat zurückgeführt bzw. abgeschoben worden sind, ohne dass sie in Italien den von ihnen beabsichtigten Asylantrag stellen konnten (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 1.2.). Schließlich sind nach Angaben des Auswärtigen Amtes in jüngster Zeit auch keine Fälle (mehr) bekannt geworden, in denen Flüchtlinge und Asylsuchende trotz eines in Italien gestellten Asylantrages in ihr Herkunftsland bzw. einen Drittstaat zurückgeführt bzw. abgeschoben wurden (AA, a. a. O. Anm. 1.2.). Hiernach lässt sich zumindest gegenwärtig nicht mehr die Feststellung treffen, dass in Italien der Anspruch Schutzsuchender auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens generell oder auch nur regelmäßig vereitelt wird (bereits für die Vergangenheit verneinend u. a.: VG Hannover, Beschl. v. 07.07. 2011 - 1 B 2106/11 - Juris; VG Berlin, Beschl. v. 11.04.2011 - 23 L 84/11 - Juris). Dies bedarf hier indes keiner Vertiefung.

71

Denn jedenfalls lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht feststellen, dass für die im Rahmen des Verfahrens nach der Dublin-II-Verordnung nach Italien zurückkehrenden bzw. zurückgeführten Asylbewerber regelmäßig oder sogar überwiegend ein ordnungsgemäßes Asylverfahren nicht gewährleistet ist. Aufgrund eines für diesen Personenkreis gesetzlich speziell geregelten Rückführungsverfahrens ist vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, dass diese nach ihrer Rückkehr nach Italien ihren dort bereits gestellten Asylantrag weiterverfolgen bzw. erstmals einen Asylantrag stellen können und ihnen insoweit der Zugang zu einem ordnungsgemäßen Asylverfahren nicht versperrt wird. Im Einzelnen ist dabei von Folgendem auszugehen:

72

Asylbewerber, die gemäß dem Verfahren nach der Dublin-II-Verordnung nach Italien zurückkehren bzw. zurückgeführt werden, treffen in der Regel auf dem Luftweg auf den Flughäfen Fiumicino in Rom, Malpensa in Mailand, Bergamo, Venedig, Bari, Brindisi oder Ancona ein. Dort werden sie – auch wenn es in Italien kein Flughafenverfahren wie in Deutschland gibt (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW - zu Frage a.)) – von der Polizei in Empfang genommen und es wird ihnen eine Unterkunft in einer der Aufnahmeeinrichtungen zugeteilt, sofern ein Asylantrag gestellt wird bzw. ein Asylverfahren, bei dem Verfahrensstand, der bei Ausreise aus Italien vorlag, weitergeführt werden soll (zu allem: Schweizerische Flüchtlingshilfe, „Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien. Bericht über die Situation von Asylsuchenden, Flüchtlingen und subsidiär oder humanitär aufgenommenen Personen, mit speziellem Fokus auf Dublin-Rückkehrende“, Mai 2011, S. 17 und AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 1.4.). Die Polizei macht in diesen Fällen die verantwortliche Questura ausfindig und fordert die Rückkehrer auf, sich dorthin zu begeben. Dabei werden auch die Reisekosten übernommen (Schweizerischen Flüchtlingshilfe, a. a. O., S. 17) bzw. die Person bekommt, wenn die zuständige Questura weiter entfernt ist (Beispiel: Dublin-Rückkehr nach Rom, zuständige Questura in Catania), ein Zugticket ausgehändigt, um dort hinzureisen (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW - zu Frage a.)).

73

Wenn die Dublin-Rückkehrer von deutschen Beamten /Polizisten begleitet werden, gibt es insoweit keine Unterschiede. Bei ihrer Ankunft werden alle Dublin-Rückkehrer von der Polaria (Luftpolizei) am Flughafen Fiumicino empfangen. Sie werden erneut erkennungsdienstlich behandelt und es erfolgt die Feststellung, welche Questura in Italien für die Person zuständig und wie der Stand des Verfahrens ist (AA, Auskunft v. 11. 09.2013 an OVG NRW - zu Frage a.)).

74

Bei ihrer Ankunft werden die Ausländer – so auch die Dublin-II-Rückkehrer – von der am Flughafen zuständigen Hilfsorganisation „Confederazione Nazionale delle Misericordie d’Italia“ betreut und in Anwesenheit von Dolmetschern über den weiteren Verfahrensablauf unterrichtet (AA, Auskunft v. 11.09. 2013 an OVG NRW - zu Frage a.)). Die genannte Hilfsorganisation sucht für die Dublin-II-Rückkehrer zugleich eine (vorläufige) Unterkunft in einem Aufnahmezentrum (z. B. einer Einrichtung der „Centri di accoglienza richiedenti asilo“ - CARA -), welches im Allgemeinen für die Erstaufnahme zuständig ist, bis die Zuweisung zu einer Asylunterkunft am Ort der zuständigen Questura erfolgt ist. Während die Dublin-II-Rückkehrer sofort eine Unterkunft in einem entsprechenden Erstaufnahmezentrum erhalten, kann die Zuweisung zu einer Asylunterkunft für die Dauer des Asylverfahrens einige Zeit dauern, weil es zunächst gewisser Formalien den jeweiligen Asylantrag betreffend bei der zuständigen Questura bedarf. Manchmal beträgt dieser Zeitraum nur einige Tage, manchmal aber auch Wochen, z. B. wenn es sich um große Städte und Ballungszentren handelt. Belastbares Zahlenmaterial bezogen auf die Verweildauer in den Erstaufnahmeeinrichtungen ist mangels statistischer Erhebungen allerdings nicht verfügbar. In den Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber, den bereits erwähnten Einrichtungen der CARA, ist laut Gesetz grundsätzlich ein Verbleib von nicht länger als 20 bis 35 Tagen vorgesehen. Da die Zuweisungsverfahren aber oftmals länger dauern, bleiben die Antragsteller entsprechend länger in diesen Aufnahmezentren (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW - zu den Fragen a.), b.) und c.)).

75

Nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnismitteln erhalten die Schutzsuchenden nach ihrer Ankunft in Italien zudem Informationsbroschüren über ihre Rechte im Asylverfahren (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 2.3.). Diese Broschüren existieren in unterschiedlichen sprachlichen Fassungen, so u. a. in persischer, arabischer, französischer, englischer, italienischer, somalischer, spanischer und tigrinischer Sprache (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 2.3.). Darüber hinaus befinden sich in den Aufnahmeeinrichtungen Betreuungsdienste, die den Asylantragstellern zur Unterstützung zur Verfügung stehen. Diese beschäftigen oftmals Mitarbeiter, die die Landessprache der Hauptherkunftsstaaten der Asylantragsteller beherrschen (AA, Auskunft v. 21.02. 2013, Anm. 2.3.).

76

Nach allem besteht für den Senat kein Grund zur Annahme, dass die in Italien Schutzsuchenden nach ihrer Ankunft dort in unangemessener Weise “sich selber überlassen bleiben“ und sich im Hinblick auf das erstrebte Aufnahme- und Asylverfahren nicht zurecht finden können.

77

Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass die Rücküberstellung von Asylbewerbern auf der Grundlage der Dublin-II-Verordnung seitens der italienischen Behörden auf Widerstände stößt. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es im Rahmen des Dublin-Systems vor einer Asylantragstellung oder während des Asylverfahrens zu Einreiserverweigerungen, Rücküberstellungen oder sonstigen Ausweisungen in die Herkunftsländer der Asylbewerber kommt (vgl. UNHCR, Stellungnahme v. 24.04.2012 an VG Braunschweig, S. 5).

78

b) Der Senat vermag aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel auch nicht zur Einschätzung zu gelangen, dass Asylsuchende und Flüchtlinge – jedenfalls soweit es die aktuellen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts betrifft – nach ihrer Einreise und / oder während ihres Asylverfahrens mangels einer (angemessenen) Unterkunft regelmäßig oder auch nur in einer Vielzahl von Fällen in die Obdachlosigkeit geraten, mithin „auf der Straße“ oder in „Elendsquartieren“ leben müssen.

79

aa) Dabei ist zunächst hervorzuheben, dass Asylsuchende während des Asylverfahrens einen Rechtsanspruch auf eine Unterbringung besitzen, und zwar gleichermaßen für die Zeit zwischen Antragstellung und Registrierung wie für die Zeit zwischen Registrierung und Entscheidung über das Asylbegehren (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1., 5.3. und 6.1.). Dieser Anspruch ist grundsätzlich wohl auch behördlich bzw. gerichtlich durchsetzbar. Dies deckt sich jedenfalls mit einer Antwort der Bundesregierung vom 18. April 2011 auf eine Kleine Anfrage im Bundestag ("Lage von Asylsuchenden und anerkannten Flüchtlingen in Italien" – BT-Drucks. 17/5579), aus der sich ergibt, dass Asylbewerber in Italien einen gerichtlich durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Unterkunft haben. Allerdings kommt es für die Beurteilung der in Rede stehenden Frage nicht in erster Linie auf die bestehende Rechtslage an; maßgeblich ist vielmehr auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen.

80

Nach den aktuellen Auskünften des Auswärtigen Amtes stellt sich indes die tatsächliche Unterbringungssituation im Rahmen des italienischen Aufnahmesystems für Asylbewerber und Flüchtlinge Anfang 2013 (5. Kalenderwoche) wie folgt dar:

81

Die Aufnahmezentren der CARA verfügen über 5.516 Plätze und beherbergen derzeit ca. 5.300 Personen nebst 2.710 Plätzen in den Einrichtungen der CARA von Lampedusa, so dass insgesamt mehr als 8.000 Plätze zur Verfügung stehen. Die Zahlen im Gutachten von Frau Judith Gleitze, borderline-europe e. V. vom Dezember 2012 an das VG Braunschweig (a. a. O. S. 11), wonach 3.163 Personen in den genannten Einrichtungen aufgenommen werden könnten, seien inzwischen überholt (AA, Auskunft v. 24.05.2013 an VG Minden - zu Frage 8.).

82

Darüber hinaus stehen den Asylbewerbern und Flüchtlingen grundsätzlich die staatlichen Aufnahmeeinrichtungen der SPRAR („Sistems di Protezione per Richiedenti Asilo e Refugiati“) zur Verfügung. Die dort vorhandenen Plätze sind laut Auskunft des Auswärtigen Amtes in der Vergangenheit deutlich angestiegen: Bisher habe es 3.000 Plätze gegeben, so dass dort (weil eine Unterbringung regelmäßig nur für 6 Monate vorgesehen sei) insgesamt 6.000 Personen hätten versorgt und untergebracht werden können (vgl. zur Aufnahmekapazität von etwa 3.000 Personen u. a. auch der Bericht der Schweizerische Flüchtlingshilfe, a. a. O. S. 5). Nunmehr aber stehen nach Auskunft des Auswärtigen Amtes - bestätigt durch Auskünfte von Mitarbeitern der SPRAR und des italienischen Innenministeriums – insgesamt 5.000 Plätze zur Verfügung, so dass 8.000 bis 10.000 Personen untergebracht werden könnten, ungeachtet der im Rahmen des EU-finanzierten FER-Projektes für vulnerable Personen und anderer Projekte vorhandenen weiteren Plätze (AA, Auskunft v. 24.05.2013 an VG Minden - zu Frage 8.). Dies entspricht in etwa auch der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.02.2013 auf Anfrage des Senats, wonach inzwischen in ganz Italien 40 Aufnahmezentren mit rund 9.000 Plätzen zur Verfügung stehen (AA, a. a. O., Anm. 4.3.).

83

Dem steht z. B. für das Jahr 2012 eine Anzahl von 1.148 Personen gegenüber, die als Rückkehrer im Rahmen der Dublin-II-Verordnung über Rom nach Italien zurückgeschickt wurden und von der Organisation Ariconfraternita am Flughafen von Rom betreut wurden (Gutachten an das VG Braunschweig von Judith Gleitze, borderline-europe e. V. vom Dezember 2012, S. 25 und S. 59 – in Ermangelung der erfassten Gesamtzahlen der Dublin-Rückkehrer nach Italien). Berücksichtigt man überdies, dass die Zahl der Asylbewerber seit 2012 – trotz gewisser Schwankungen – insgesamt rückläufig ist, kann zumindest gegenwärtig nicht (mehr) von unzureichenden Aufnahme- und Unterbringungskapazitäten ausgegangen werden. Zur Überzeugung des Senats dürfte sich somit die aktuelle Situation in Italien soweit entspannt haben, dass sämtliche Asylbewerber, und insbesondere Dublin-II-Rückkehrer, in den öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen Platz finden können (ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013 - OVG 7 S 33.13 - ).

84

Die Annahme fehlender Kapazitäten für die Unterbringung von Dublin-II-Rückkehrern nach Italien ist insbesondere auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil es in der Vergangenheit zu einem massiven Zustrom von Flüchtlingen aus Nordafrika gekommen ist und dies zu (nachhaltigen) Engpässen bei der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern geführt hat.

85

Der UNHCR hat in diesem Zusammenhang in seiner Stellungnahme vom 24. April 2012 an das VG Braunschweig (a. a. O. S. 3) auf Folgendes hingewiesen: Im Jahre 2011 sind nach der Ankunft einer erheblichen Zahl von Personen aus Nordafrika und der darauf folgenden Erklärung des „humanitären Notstandes“ die regionalen Regierungen gebeten worden, zusätzliche Aufnahmeeinrichtungen zu bestimmen, da die bestehenden Aufnahmekapazitäten als unzureichend eingeschätzt wurden. Zwischen den Regierungen und den örtlich zuständigen Behörden (Regionen, bestimmten Provinzen [„Province Autonome“] und Gemeinden) seien Vereinbarungen getroffen worden, in denen Kriterien für die landesweite Verteilung von bis zu 50.000 Personen festgehalten wurden. Die Verantwortlichkeit für den diesbezüglichen Aufnahmeplan liege beim Leiter des Zivilschutzes („Dipartimento di Protezione Civile“). Bis Anfang 2012 seien 20.000 Personen im Rahmen des Plans in den Notunterkünften, meist in Einrichtungen kleiner bis mittlerer Größe, untergebracht worden, die in ganz Italien verteilt sind.

86

Dies deckt sich mit den Auskünften des Auswärtigen Amtes. Danach hätten die vorgehaltenen temporären Aufnahmestrukturen des Zivilschutzes, die anlässlich des Flüchtlingsstromes aus Nordafrika in der Größenordnung von 50.000 Plätzen in den Regionen geschaffen worden seien, die bestehenden Engpässe kompensiert (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.3.).

87

Soweit im Gutachten von Judith Gleitze, borderline-europe e. V. vom Dezember 2012 an das VG Braunschweig (a. a. O., S. 15) darauf verwiesen wird, dass die durch den Zivilschutz zusätzlich geschaffenen Unterkünfte nur zeitlich befristet vorgesehen gewesen seien, zunächst wohl nur bis Ende 2011 und alsdann bis Ende 2012, und dass diese inzwischen wieder geschlossen worden seien, so rechtfertigt auch dieser Einwand nach Auffassung des Senats nicht die Annahme, dass es gegenwärtig und zukünftig wieder zu fehlenden Kapazitäten in den staatlichen Einrichtungen kommen wird.

88

Zwar trifft es zu, dass das Notstandsprogramm befristet war und inzwischen wohl offiziell ausgelaufen ist. Allerdings trifft es ebenfalls zu, dass die Einrichtungen derzeit faktisch zumindest in einem beschränkten Umfang fortgeführt werden. Grund für die Schließung der Notunterkünfte war der Umstand, dass die Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge gegenüber den Vorjahren, insbesondere dem Jahr 2011 und 2012, deutlich zurück gegangen war. Allerdings waren nach Auskunft des Auswärtigen Amtes Anfang des Jahres 2013 noch ca. 17.000 Personen in den temporären Einrichtungen des Zivilschutzes untergebracht (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 4.3.). Das Auswärtige Amt hat unterdessen mit seiner neuesten Auskunft – unter Berufung auf den Leiter des Italienischen Amtes für Aufnahmezentren und Betreuung, Herrn Tommaso Ricciardi vom 04. September 2013 – zum Notstandsprojekt Nordafrika mitgeteilt, dass sich derzeit nur noch etwa 1.000 Personen („vulnerable cases“ und Asylbewerber, die ein Rechtsmittel eingelegt haben) in den Notunterkünften befinden. Offiziell hätten diese nunmehr am 01. September 2013 schließen sollen. Es werde gegenwärtig überlegt, wie die Versorgung dieser Personen weiter gewährleistet werden kann (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW – zu Frage e)).

89

Angesichts der aufgezeigten Entwicklung steht auch nicht zu erwarten, dass mit der Schließung der Notunterkünfte die dort untergebrachten bzw. noch verbliebenen Asylbewerber und Flüchtlinge in die staatlichen Unterkünfte drängen und es damit zu erneuten Überbelegungen kommen wird, mithin die Problematik fehlender Kapazitäten in den staatlichen Zentren erneut auftritt. Das Auswärtige Amt weist zudem ausdrücklich darauf hin, dass das Auslaufen des Nordafrika-Programms keine konkreten Auswirkungen auf die Dublin-Rückkehrer hat, da für diesen Personenkreis (der nicht in den Notunterkünften untergebracht wird) von vornherein kein unmittelbarer Zusammenhang zum Programm bestand (AA, Auskunft v. 11.09. 2013 an OVG NRW – zu Frage e)).

90

Gegenteiliges dürfte zur Überzeugung des Senats auch dann nicht anzunehmen sein, wenn es zu einem erneuten Anstieg der Zahl von Asylbewerbern in Italien kommen sollte. Das ausgelaufene Notstandsprogramm belegt, dass Italien Unterbringungsplätze in erheblichen Umfang zusätzlich zur Verfügung stellen kann, wenn der Zustrom von Flüchtlingen dies erfordert. Das geschaffene Notstandsprogramm lässt darauf schließen, dass die verantwortlichen Stellen – selbst wenn sie auf Druck der übrigen EU-Mitgliedstaaten tätig geworden sein sollten – bemüht sind, sich dem jeweiligen unterschiedlichen Unterkunftsbedarf in der gebotenen Weise anzupassen. Dies lässt es insbesondere nicht ausgeschlossen erscheinen, dass bei einem eventuellen erneuten Anstieg der in Italien eintreffenden Flüchtlinge und Asylbewerber entsprechende Programme zur kurzfristigen Schaffung zusätzlicher Unterkünfte neu aufgelegt werden. Dies alles rechtfertigt keine grundlegenden Zweifel daran, dass ein insoweit auch nach Beendigung des Notstandsprogramms fortdauernder Bedarf oder erneute Massenanstürme von Flüchtlingen bewältigt werden können (ebenso: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013, a. a. O.).

91

Im Übrigen erkennt auch der UNHCR an, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des staatlichen Aufnahmesystems stattgefunden haben. Insgesamt seien die Einrichtungen der CARA, CDA und SPRAR (nunmehr) in der Lage, dem Aufnahmebedarf einer „signifikanten Anzahl“ von Asylsuchenden nachzukommen (Stellungnahme vom 24. April 2012 an VG Braunschweig, S. 3). Allerdings macht der UNHCR die Einschränkung, dass die Kapazitäten der genannten Einrichtungen nicht für die Unterbringung aller unterstützungsbedürftigen Asylsuchenden ausreichend sein dürften, wenn Personen in erheblicher Anzahl neu in Italien ankommen würden (UNHCR, a. a. O., S. 3). Indes bestehen z. Z. keine Anhaltspunkte dafür, dass es in Italien derzeit oder in absehbarer Zeit erneut zu einem derartigen Anstieg der Asylbewerberzahlen kommen wird, wie er etwa in den Jahren 2010 und 2011 zu verzeichnen war.

92

Eine andere Bewertung der Unterkunftssituation für Asylbewerber und Flüchtlinge erscheint dem Senat schließlich auch nicht deshalb geboten, weil nach Auffassung des UNHCR (Stellungnahme v. 24.04.2012) in der gegenwärtigen Situation davon auszugehen sei, dass derzeit die überwiegende Anzahl aller Asylverfahren nicht innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen werden können, und die Aufnahme in den Aufnahmezentren regelmäßig auf sechs Monate befristet sei. Abgesehen davon, dass der UNHCR selbst einräumt, dass keine konkreten Zahlen zur Dauer der Asylverfahren vorliegen, besteht nach Auskunft des Auswärtigen Amtes die Möglichkeit, dass im Einzelfall – so auch bei Einlegung von Rechtsmitteln – die Aufenthaltsdauer in der Einrichtung verlängert wird.

93

Zudem ist auch dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Mai 2011 zu entnehmen, dass für die Aufnahme von Asylbewerbern eben nicht nur CARA-, CIE- und SPRAR-Zentren zur Verfügung stehen, sondern auch andere Zentren vorhanden sind basierend auf Abkommen zwischen dem Innenministerium und Gemeinden, aber auch von der Stadt – wie etwa Rom - finanzierte und von NGO’s betriebene Zentren (vgl. Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Bericht über die Situation von Asylsuchenden, Flüchtlingen und subsidiär oder humanitär aufgenommenen Personen, mit speziellem Fokus auf Dublin-Rückkehrende, S. 19). Nach dem vorgenannten Bericht (a. a. O. S. 19) kommen noch kirchliche und karitative Einrichtungen hinzu. Dass es unter Berücksichtigung der Aufnahmekapazität all dieser öffentlichen und privaten Einrichtungen sowie unter Nutzung des Angebotes des Wohnungsmarktes nicht möglich ist, eine Unterkunft zu finden, ist nicht ersichtlich.

94

Das Auswärtige Amt weist ebenfalls darauf hin, dass neben den staatlichen Unterbringungszentren zusätzlich kommunale und karitative Einrichtungen existieren wie z. B. Caritas, Migrantes in Rom, die Schwestern des Ordens der Mutter Teresa „Suore Missionarie della Carità“ und andere Hilfsorganisationen (Comunità di Sant’Egidio, Opere Antoniane, Stranieri in Italia, Centro Astalle - Jesuiten -), welche die Antragsteller und Asylbewerber versorgen und ihnen Unterkunftsplätze besorgen (AA, Auskunft v. 21.08.2013 an OVG LSA - zur Frage 3.). Dies entspricht zugleich der Einschätzung des Auswärtigen Amtes, wonach nicht davon auszugehen ist, dass jene Personen, die in den staatlichen Aufnahmeeinrichtungen und staatlichen Unterkünften keinen Platz finden, regelmäßig oder überwiegend obdachlos „auf der Straße“ oder in „Elendsquartieren“ leben müssen (AA, a. a. O. Anm. 4.3.).

95

Veranlassung zu einer anderen Einschätzung gibt dem Senat schließlich auch nicht der Bericht von Maria Bethke und Dominik Bender „Zur Situation von Flüchtlingen in Italien“ vom 28. Februar 2011, wonach angeblich davon auszugehen ist, dass „in der Vergangenheit 88 vom Hundert der Dublin-II-Rückkehrer der Gefahr der Obdachlosigkeit überlassen worden seien“. Der Senat geht dabei davon aus, dass diese Aussage nicht bedeutet, dass etwa 88 vom Hundert der Dublin-II-Rückkehrer tatsächlich in die Obdachlosigkeit geraten sind, sondern dass es sich hierbei – da der Bericht lediglich von einer „Gefahr“ einer Obdachlosigkeit spricht – um eine bloße Annahme handelt in Bezug auf das womöglich bestehende Risiko, von einer Obdachlosigkeit betroffen zu werden. Dem Senat erscheint bei dieser Sachlage allerdings nicht nachvollziehbar, wie eine (potentielle) „Gefahr“ prozentual derart exakt prognostiziert werden kann, wie dies im Bericht mit 88 vom Hundert geschehen ist, zumal die Unterbringung in staatlichen und privaten Einrichtungen und auch die Wohnungssuche im Allgemeinen mit einer Fülle von Unwägbarkeiten verbunden ist. Überdies sind die Angaben nur bedingt brauchbar, weil eben nicht erkennbar wird, auf welchen Erkenntnissen diese beruhen und welche zurückliegenden Zeiträume in Bezug genommen werden, wenn davon gesprochen wird, dass sich Aussage auf die „Vergangenheit“ beziehe.

96

bb) Ebenso lässt sich nach Auffassung des Senats nicht feststellen, dass Asylbewerber infolge unzureichender und unzumutbarer Verhältnisse in den staatlichen bzw. privaten Unterkünften, namentlich etwa aufgrund unhygienischer Zustände oder Gewalttätigkeiten und krimineller Delikte wie u. a. Diebstahl, Vergewaltigung oder erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind. Dabei wird nicht verkannt, dass es in Unterkünften mit einer Vielzahl von – teilweise auch traumatisierten – Flüchtlingen unterschiedlicher Nationalität, Religion und Gebräuchen häufiger als in anderen Bereichen der Gesellschaft zu Konflikten und gelegentlich auch gewaltsamen Übergriffen kommen dürfte. Es dürfte sich dabei allerdings um ein allgemeines Phänomen in Gemeinschaftseinrichtungen handeln, dem die staatlichen Stellen nur bedingt wirksam entgegen wirken können. Auch wenn die Aufnahme-, Unterbringungs- und Lebensbedingungen von Asylbewerbern in Italien regelmäßig nicht mit dem hiesigen Standard vergleichbar sein mögen, ist zur Überzeugung des Senats davon auszugehen, dass die Zustände in den Unterkünften im Allgemeinen jedenfalls nicht derart unzumutbar und unhaltbar sind, dass deshalb die Feststellung einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung der Asylbewerber gerechtfertigt erschiene. Dies gilt zum einen hinsichtlich der hygienischen Verhältnisse. So wird nach Auskunft des Auswärtigen Amtes von den staatlichen Aufnahmezentren und Einrichtungen Kleidung gestellt, ebenso Wäsche und Hygieneartikel zum persönlichen Gebrauch (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1., 5.3. und 6.1.). Überdies teilt das Auswärtige Amt zur Situation in den staatlichen Aufnahmezentren und Unterkünften mit, dass die hygienischen Verhältnisse dort nicht regelmäßig oder sogar überwiegend sich in der Weise darstellen, dass man ernstlich Gefahr läuft zu erkranken. Sie seien auch nicht dergestalt, dass sie nicht den Mindestanforderungen (Kochstellen, Toiletten, Waschräume, fließendes Wasser und Elektrik) genügen würden. Vielmehr seien sie durchweg so beschaffen, dass kleinere Schlafräume in Wohnhäusern oder Containern vorhanden seien, die auch zumeist mit Klimaanlagen und Zentralheizung versehen seien. Insbesondere seien Toilettenräume in ausreichender Zahl und getrennt nach Geschlechtern vorhanden. Gleiches gelte für Waschräume. Die Verpflegung werde vielfach in einem gemeinsamen Speisesaal bereitgestellt. Vereinzelt bestünden auch zusätzliche Möglichkeiten für die eigene Zubereitung von Mahlzeiten. Ferner seien in den Einrichtungen Sozialräume sowie getrennte Räumlichkeiten für medizinische Dienste und Sonderfälle vorhanden. Zur Aufrechterhaltung der Sauberkeit der allgemeinen Räumlichkeiten würden spezielle Reinigungsdienste beschäftigt (vgl. zu allem: AA, Auskunft v. 21.01.2013, Anm. 4.5.).

97

Zum anderen lässt sich aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse auch nicht feststellen, dass sich die Verhältnisse in den staatlichen Aufnahmezentren und Unterkünften in der Weise darstellen, dass die Bewohner in ständiger Angst leben müssten, „angegriffen, ausgeraubt oder gar vergewaltigt“ zu werden. Zwar gibt es Berichte, wonach es zu gewaltsamen Übergriffen von männlichen auf weibliche Bewohner gekommen sein soll; hierbei handelt es sich aber um Einzelfälle, wenngleich statistische Erhebungen zur Kriminalität speziell in den genannten Einrichtungen nicht existieren bzw. nicht bekannt sind. Darüber hinaus werden die Aufnahmeeinrichtungen zumindest durch die Polizei oder Carabinieri überwacht und geschützt; wegen auftretender Spannungen zwischen verschiedenen Ethnien wurden in manchen Einrichtungen zudem zusätzliche Polizeikräfte postiert (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.6.).

98

Im Ergebnis vermag der Senat somit nicht festzustellen, dass es – sieht man von Engpässen und Einzelschicksalen ab – mit der Durchführung von Asylverfahren in Italien generell zu Begleiterscheinungen wie etwa Obdachlosigkeit oder aufgrund der Zustände in den Unterkünften zu einer Verwahrlosung der Asylbewerber kommt.

99

c) Der Senat vermag ebenfalls nicht festzustellen, dass Schutzsuchende während des Asylverfahrens in Italien unter Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EuGrdRCh in materieller Not leben müssen, so dass von einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung auszugehen wäre, oder mit Blick auf die Versorgungssituation und soziale Situation der Asylbewerber und Flüchtlinge gemessen an den Vorgaben des unionsrechtlichen Sekundärrechts sich das Asylsystem als nicht (mehr) richtlinienkonform darstellt.

100

Asylsuchende und Flüchtlinge haben nach Auskunft des Auswärtigen Amtes während des Asylverfahrens einen (Rechts-)Anspruch auf (angemessene) Verpflegung und Versorgung (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1.). Dieser Verpflichtung wird im Allgemeinen dadurch nachgekommen, dass in den staatlichen Unterkünften und Aufnahmezentren entsprechende Leistungen erbracht werden. Namentlich wird auch Kleidung gestellt, ebenso Wäsche und Hygieneartikel zum persönlichen Gebrauch (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 5.1., 5.3. und 6.1.). Vorgenanntes gilt gleichermaßen für die Zeit zwischen Antragstellung und Registrierung wie für die Zeit zwischen Registrierung und Entscheidung über das Asylbegehren (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 5.1.).

101

Ebenso werden Asylbewerber und Flüchtlinge, die in nichtstaatlichen, namentlich karitativen und kirchlichen Unterkünften leben, mit Nahrung und Kleidung versorgt, wobei insoweit auch private Dienstleister herangezogen werden (vgl. AA, Auskunft v. 21. 02.2013, Anm. 5.2.). Allerdings ist für Asylbewerber und Flüchtlinge außerhalb staatlicher sowie karitativer und kirchlicher Einrichtungen eine staatliche Verpflegung und Versorgung nicht (mehr) gewährleistet. Auch existiert in Italien nur ein sehr eingeschränktes staatliches Sozialhilfesystem; danach erhalten nur Personen über dem 65. Lebensjahr Sozialhilfeleistungen. Im vorliegenden Fall würde dies sogar bedeuten, dass die 65-jährige Klägerin auch staatliche Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen könnte. Im Übrigen haben die Betroffenen auch als Asylbewerber und schutzsuchende Flüchtlinge einen freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Sie können ihren Lebensunterhalt dadurch verdienen, dass sie je nach Ausbildung oder Befähigung einer zumindest einfachen Arbeit nachgehen (vgl. AA, Auskunft v. 21.02. 2013, Anm. 5.1.).

102

In der Praxis kann somit nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass Asylbewerber und Flüchtlinge ihren Lebensunterhalt regelmäßig nicht durch Betteln und / oder Prostitution sichern müssen (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.4.). Vielmehr ist insgesamt eine ausreichende Versorgung vorhanden. Einzelfälle sind allenfalls auf das in der aktuellen Wirtschaftskrise insbesondere in italienischen Großstädten zunehmend auftretende Phänomen des Bettelns und die damit einhergehenden erhofften zusätzlichen Einkunftsmöglichkeiten zurückzuführen. Was die Prostitution angeht, so ist nicht völlig auszuschließen, dass weibliche Asylbewerber oder Flüchtlinge in Einzelfällen durch Angehörige der organisierten Kriminalität rekrutiert werden und dann tatsächlich der Prostitution nachgehen. Dies ist aber nicht im kausalen Zusammenhang mit Defiziten im Asylverfahren zu sehen (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.4.; Auskunft v. 24.09.2012, S. 3 - Antwort auf Frage b 2)).

103

Im Übrigen folgt aus Art. 3 EMRK und Art. 4 EuGrdRCh auch nicht die Verpflichtung, Asylbewerbern und Flüchtlingen eine finanzielle Unterstützung zu gewähren, um ihnen einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.02.2011, a. a. O.).

104

Ebenso ist ein Verstoß gegen die Richtlinie 2004/83/EG nicht ersichtlich. Kapitel VII der Richtlinie gestaltet den Inhalt des internationalen Flüchtlingsschutzes zwar u. a. dahin gehend aus, dass Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte grundsätzlich Zugang zu Sozialleistungen (Art. 28), medizinischer Versorgung (Art. 29) und Wohnraum (Art. 31) erhalten. Allerdings gehen die Bestimmungen über die Gebote zur Inländergleichbehandlung (Art. 28, 29) bzw. zur Ausländergleichbehandlung (Art. 31) nicht hinaus. Art. 28 und 29 der Richtlinie gewährleisten die notwendige Sozialhilfe bzw. medizinische Versorgung nur insoweit, wie die Mitgliedstaaten ihren eigenen Staatsangehörigen eine entsprechende Behandlung bzw. Versorgung gewähren; für Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte besteht zudem die Möglichkeit, den Anspruch auf Kernleistungen zu beschränken, die dann im Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige zu gewähren sind. Demzufolge muss der in Italien bestehende allgemeine Lebensstandard für andere, vergleichbare Personen mit italienischer Staatsangehörigkeit in den Blick genommen werden, die ebenfalls keine staatlichen Sozialleistungen in Anspruch nehmen können und bei denen ebenfalls nur durch die Aufnahme von Gelegenheitsarbeiten oder aber vermittels von Zuwendungen karitativer oder kirchlicher Organisationen das Existenzminimum gesichert ist.

105

Nach allem lässt sich ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EuGrdRCh nicht daraus herleiten, dass – worauf in der Rechtsprechung einzelner Verwaltungsgerichte abgestellt wird – ein staatliches Sozialsystem, welches Flüchtlingen und Asylsuchenden zumindest ein Existenzminimum garantiert, nicht zur Verfügung steht und dass die Betroffenen deshalb darauf angewiesen seien, sich „selbst durch das Leben zu schlagen“ (vgl. VG Magdeburg, Beschl. v. 28.03.2011 - 9 B 101/11 MD - Juris; Gerichtsbescheid v. 21.11.2011 - 9 A 351/10 - [S. 5 d. UA]; VG Braunschweig, Beschl. v. 31.05.2011 - 1 B 103/11 - m. w. N. - Juris).

106

Im Übrigen ist in der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (a. a. O. S. 22) nicht – wie gelegentlich behauptet wird – die Rede davon, dass der genannte Personenkreis „in extremer Armut lebt und dass sie ihre Lebensbedürfnisse nicht decken können“. Vielmehr ist – wohl mit Bedacht – davon die Rede, dass sie Gefahr laufen, womöglich in eine solche Situation zu geraten; dass sich indes diese Gefahr bereits in eine Vielzahl von Fällen realisiert hätte oder gleichsam regelmäßig bzw. für jeden Asylsuchenden und Flüchtling die konkrete Gefahr bestünde, dass nicht einmal das Existenzminimum gesichert ist, wird nicht behauptet. Dies schließt nicht aus, dass es in Einzelfällen auch zu besonderen Notlagen kommen mag und dass der Lebensstandard der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien im Allgemeinen sehr gering sein dürfte. Gleichwohl vermag der Senat anhand des ihm vorliegenden umfassenden Erkenntnismaterials aber nicht festzustellen, dass die Situation für Flüchtlinge und Asylsuchende in den Zentren und außerhalb derselben derart prekär wäre, dass deshalb von einem Verstoß gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EuGrdRCh auszugehen ist.

107

d) Soweit es die medizinische Versorgung betrifft, sind alle Mitgliedstaaten aufgrund der EU-Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 verpflichtet, bestimmte Mindeststandards der medizinischen Versorgung zu gewährleisten. So haben alle Mitgliedstaaten nach Art. 15 der genannten Richtlinie dafür Sorge zu tragen, dass Asylbewerber und Flüchtlinge die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung für die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst. Dabei ist auch Asylbewerbern mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische und sonstige Hilfe zu gewähren.

108

In Italien ist im Rahmen des nationalen Gesundheitsdienstes grundsätzlich ein medizinischer Mindestbehandlungsstandard gewährleistet. Asylbewerber und Flüchtlinge haben in Italien während des Asylverfahrens einen Anspruch auf eine „freie“ (kostenlose) medizinische Versorgung sowie auch auf psychologische Hilfe, insbesondere auch Minderjährige und traumatisierte Personen (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1., 5.3. und 6.3.).

109

Dem entspricht es, wenn im Entscheiderrundbrief des Bundesamtes 7/2011 (a. a. O., S. 8) zur medizinischen Versorgung festgestellt wird, dass bei der Überstellung von kranken bzw. traumatisierten Personen – wie bei jedem italienischen Staatsbürger – die Möglichkeit der (medizinischen) Behandlung besteht. Bereits im Jahre 2009 habe es bei der SPRAR drei Zentren gegeben, in denen auch psychisch kranke Personen hätten behandelt werden können (zwei in Rom, eines in Turin). Für 2011 seien zudem 50 weitere Behandlungsplätze für psychisch kranke Personen bzw. Personen mit besonders schweren Erkrankungen geplant worden. Inzwischen würden bei Dublin-Überstellungen psychisch kranke Personen in Italien als eine besonders „vulnerable Gruppe“ angesehen.

110

Voraussetzung für den Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem ist zwar grundsätzlich ein gültiger Aufenthaltstitel bzw. ein rechtmäßiger Aufenthalt; bei im italienischen Asylverfahren befindliche Personen stellt sich dieses Problem aber nicht. Der Zugang zu öffentlichen medizinischen Leistungen ist auch nicht an die Voraussetzung eines ständigen Wohnsitzes bzw. feste Adresse gekoppelt, wie gelegentlich behauptet wird. Vielmehr erhalten Asylbewerber bei Bedarf auch ohne einen solchen ständigen Wohnsitz bzw. feste Anschrift vom nationalen Gesundheitsdienst einen Gesundheitsausweis („tessera sanitara“) und eine Steuernummer („codice fiscale“) (vgl. AA, Auskunft v. 09.10.2012 an VG Minden, S. 2 - zur Frage b) 4; ebenso: AA, Auskunft v. 11.07.2012 an VG Freiburg - S. 2 Ziffer I b)). Sollte hingegen etwas anderes gelten, ist davon auszugehen, dass aufgrund einer aktuellen Vereinbarung zwischen der Zentralregierung und den Regionen zumindest eine Not- und Grundversorgung auch für sich illegal in Italien aufhaltende Personen garantiert ist (AA, Auskunft v. 21.01.2013, Anm. 6.2.).

111

Der Senat vermag angesichts dieser Situation nicht zu erkennen, dass damit den eingangs aufgezeigten Mindeststandards bzw. Kernanforderungen nicht genügt wird. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass in bestimmten Fällen womöglich einzelnen Personen eine nur unzureichende medizinische Versorgung zuteil wurde oder diese aus dem medizinischen Versorgungssystem herausgefallen sind.

112

Aber selbst dann, wenn für kranke, behinderte oder sonst gesundheitlich besonders schutzbedürftige Personen die garantierte medizinische Not- und Grundversorgung nicht als ausreichend angesehen würde, ergäben sich daraus jedenfalls für die Klägerin, die keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen angeführt hat, keine Bedenken gegen ihre Überstellung nach Italien.

113

e) Soweit es das Asylverfahren als solches, namentlich die Qualität und die Dauer des Verfahrens betrifft, lässt sich ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 EMRK und Art. 4 EuGrdRCH sowie gegen die einschlägigen unionsrechtlichen Richtlinien ebenfalls nicht feststellen.

114

Italien gewährleistet entsprechend dem (Grund-)Recht auf Asyl (gem. Art. 10 Abs. 3 der italienischen Verfassung, verschiedenen Einwanderungs- und Asylverfahrensgesetzen, insbesondere nach dem Gesetz No. 25/2008 vom 28. Januar 2008) ein Schutzverfahren, das auch für Überstellungen nach der Dublin-II-Verordnung greift. Besonderheiten bestehen insoweit nicht (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 3.1.).

115

Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass es hinsichtlich der Qualität oder der Dauer der Asylverfahren einen Grund für Beanstandungen gibt. Insbesondere lässt sich nicht feststellen, dass von einer unverhältnismäßig restriktiven Asylpraxis auszugehen ist. Gegen eine solche Annahme sprechen die Zahlen, die vom Auswärtigen Amt zum Asylverfahren benannt werden. Danach wurden im Jahre 2010 über 14.042 Asylanträge entschieden, davon wurden 2.094 Antragsteller nach der Genfer Konvention anerkannt (15 vom Hundert), 1.789 erhielten subsidiären (13 vom Hundert), 3.675 humanitären Schutz (26 vom Hundert), hingegen wurden 4.698 abgelehnt. 520 Personen waren nicht auffindbar (4 vom Hundert) und 1.266 (9 vom Hundert) sind sonstige Fälle. Dementsprechend lag die Quote der Anerkennungen bzw. der Gewährung eines Bleiberechts bei immerhin 54 vom Hundert (vgl. AA, Auskunft v. 21.02. 2013, Anm. 3.2.). Demgegenüber wurden im Jahre 2011 über 25.626 Asylanträge entschieden. Davon wurden 2.057 Antragsteller nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt (8 vom Hundert), 2.569 Personen erhielten subsidiären (10 vom Hundert) und 5.662 humanitären Schutz (22 vom Hundert); 11.131 Personen wurden hingegen abgelehnt (44 vom Hundert) und 2.339 Personen waren nicht auffindbar (9 vom Hundert). Die Anerkennungsquote lag 2011 somit bei 40 vom Hundert, was ebenfalls nicht die Annahme einer unverhältnismäßig restriktiven Praxis rechtfertigt (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 3.2.; AA, Auskunft v. 11.07.2012 an VG Freiburg, S. 5 unter Hinweis auf eine entsprechende Statistik des Innenministeriums, abrufbar unter: http://www.interno.it/miniinteno/export/sites/default/it/assets/files/21/0551_statistiche_asilo.pdf).

116

Es kommt hinzu, dass sich die für die Entscheidung der Asylverfahren in erster Instanz zuständigen Territorialkommissionen per Dekret des Innenministers in der Weise zusammensetzen, dass auch jeweils ein Vertreter des UNHCR beteiligt ist (Bundesamt für Migration der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Hintergrundnotiz MILA - Italien Asylverfahren, Bericht vom 23.09.2009, S.4). Dies berechtigt zur Annahme, dass der Ordnungsmäßigkeit des Asylverfahrens eine besondere Beachtung geschenkt wird.

117

Hinsichtlich der Dauer des Asylverfahrens in Italien gibt es ebenfalls nichts zu beanstanden. Über den Asylantrag soll an sich innerhalb von 30 Tagen entschieden werden; zudem wird angestrebt, dass das Gesamtverfahren einschließlich gerichtlicher Überprüfung nicht länger als sechs Monaten dauert, auch wenn es immer wieder Fälle gibt, in denen diese Dauer – manchmal bis zu einem Jahr oder auch länger – überschritten wird (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 3.1., 3.2.; ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013, a. a. O. Rn. 15).

118

Ferner lässt sich nicht feststellen, dass es in Italien während des Asylverfahrens in nennenswerter Weise faktische Beeinträchtigungen in verfahrensrechtlicher bzw. prozessualer Hinsicht gibt. Art. 16 des italienischen Asylverfahrensgesetzes No. 25 vom 28. Januar 2008 garantiert dem Asylbewerber, dass er nach den einschlägigen Prozessvorschriften Anspruch auf eine Rechtsberatung und einen unentgeltlichen Rechtsbeistand im Verfahren hat (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 3.4.). Zwar bestehen Zweifel, ob dies auch in der Praxis ausnahmslos Geltung besitzt, wenn man berücksichtigt, dass für die nach Rom zurückkehrenden Dublin-II-Rückkehrern (und in Rom eintreffenden Asylbewerber) die Prozesskostenhilfe davon abhängig gemacht wird, dass zum Nachweis der wirtschaftlichen Bedürftigkeit eine Bescheinigung der jeweiligen Auslandsvertretung beigebracht werden soll. Allein wegen der Tatsache, dass der Asylbewerber im Einzelfall das Verfahren ohne anwaltlichen Beistand durchzuführen hat, soweit kein Anwaltszwang besteht, kann nicht schon von einem (landesweit bestehenden) systemischen Mangel gesprochen werden, der die Annahme einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i. S. d. Grundrechtscharta und EMRK rechtfertigt. Im Übrigen stehen dem Asylbewerber im Asylverfahren auch Übersetzungsdienste zur Verfügung (vgl. AA, Auskunft an OVG LSA v. 21.02.2013, Anm. 2.3. und 3.3.; AA, Auskunft v. 11.07.2012 an VG Freiburg, S. 3).

119

Insbesondere bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass – von Ausnahmen abgesehen – die für die Durchführung des Hauptsacheverfahrens erforderliche Erreichbarkeit des Asylbewerbers in Italien nicht sichergestellt wäre. Für eine solche Annahme fehlt es an hinreichend belegten Referenzfällen. Auch gibt es für Italien keine ernst zu nehmenden Quellen, wonach sich die Wahrnehmung von Verfahrensrechten (Antragstellung, Einlegung von Rechtsbehelfen etc.) regelmäßig als derart schwierig erweist, dass diese Rechte faktisch leer laufen würden.

120

Soweit in der Rechtsprechung dennoch vereinzelt – so u. a. das VG Gießen (Beschl. v. 10.03.2011 - 1 L 468/11.GI.A - Juris) und ihm folgend das VG Magdeburg (Beschl. v. 21.11.2011 - 9 A 351/10 -) – die Auffassung vertreten wird, „es erscheine auch die Qualität der Asylverfahren bedenklich“, wird diese Kritik nicht weiter spezifiziert und auch nicht durch entsprechende Erkenntnismittel belegt.

121

f) Ebenso lässt sich anhand des dem Senat vorliegenden Erkenntnismaterials nicht feststellen, dass im Hinblick auf die rechtliche und soziale Situation anerkannter Asylbewerber sowie der Flüchtlinge mit einem Bleiberecht angesichts der in Italien anzutreffenden Lebens- und Versorgungssituation sowie unter Berücksichtigung der insoweit staatlicherseits unternommenen Integrationsbemühungen das Aufnahme- und Asylverfahren in Italien derartige Mängel aufweist, dass es den Anforderungen des europäischen Asylsystems nicht mehr entspricht.

122

Schutzberechtigte, mithin anerkannte Asylbewerber (Asylberechtigte) und Personen mit subsidiärem Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten mit ihrer Anerkennung ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht; es wird ihnen eine Aufenthaltsberechtigung („permesso di soggiorno“) ausgestellt. Danach genießen sie in Italien dieselben Rechte wie italienische Staatsangehörige (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.2.).

123

Dies bedeutet in der Praxis, dass sie sich – ebenso wie italienische Staatsangehörige – grundsätzlich selbst um eine Unterkunft kümmern und auch in eigener Verantwortung einen Arbeitsplatz suchen müssen. Dafür besteht aber ein freier Zugang zum Arbeitsmarkt (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Alle Personen, die in Italien einen Schutzstatus besitzen, haben auch das Recht zu arbeiten (AA, Auskunft v. 21.02.2013, a. a. O.).

124

Sie können ihren Lebensunterhalt dadurch verdienen, dass sie je nach Ausbildung oder Befähigung einer zumindest einfachen Arbeit nachgehen (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 5.1.). Anerkannte Asylbewerber und Personen mit einem subsidiären Schutzstatus haben Zugang zu einer Beschäftigung in Italien, wie dies durch Art. 26 und Art. 28 der Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) garantiert wird.

125

Ein staatliches System finanzieller Hilfeleistungen bzw. ein Sozialhilfesystem existiert hingegen nicht. Denn in Italien gibt es für italienische Staatsangehörige – und somit auch für anerkannte Flüchtlinge und Personen mit subsidiärem Schutzstatus, die ihnen gleichgestellt sind – kein national garantiertes Recht auf Fürsorgeleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bzw. (sonstige) staatliche Sozialleistungen, jedenfalls soweit sie nicht das 65. Lebensjahr erreicht haben (AA, Auskunft v. 11.07.2012 an das VG Freiburg). Art. 28 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gewährt hinsichtlich der Sozialleistungen nur einen Anspruch auf Inländergleichbehandlung, nicht aber einen Anspruch auf Privilegierung des anerkannten Flüchtlings.

126

Zwar entspricht es der italienischen Kultur, dass es einen engen Familienzusammenhalt gibt, der im Notfall zumindest die Chance eröffnet, eine (gewisse) Unterstützung durch Familienangehörige in Anspruch nehmen zu können. Dass es eine solche vergleichbare Unterstützung unter den ausländischen Landsleuten gibt, die sich aufgrund ihres Schutzstatus dauerhaft in Italien aufhalten, erscheint nicht ausgeschlossen, dürfte aber die Ausnahme sein. Gleichwohl lässt dieser Umstand nach Auffassung des Senats für sich allein nicht schon die Annahme gerechtfertigt erscheinen, dass der anerkannte Flüchtling und sonstige Schutzberechtigte in Italien deshalb der konkreten Gefahr ausgesetzt wäre, „auf der Straße“ zu leben und zu verelenden.

127

Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass – ebenso wie italienische Staatsangehörige in einer vergleichbaren Situation – auch anerkannte Asylbewerber und schutzberechtigte Flüchtlinge von nichtstaatlichen Hilfsorganisationen, wie beispielsweise durch die CARITA und CIR, Unterstützung bekommen können (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Die Zuständigkeit für die Festsetzung von derartigen öffentlichen Sozialleistungen liegt grundsätzlich im Kompetenzbereich der Regionen. In bestimmten Regionen (z. B. Toskana, Emilia Romagna) wird die Höhe derartiger Leistungen durch die Kommune festgesetzt; die Leistungen weisen insoweit je nach regionaler und kommunaler Finanzkraft deutliche Unterschiede auf (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Diese Erkenntnis deckt sich im Übrigen mit dem Gutachten der Flüchtlingsorganisation borderline-europe e. V. (Gutachten an das VG Braunschweig vom Dezember 2012) und der Auskunft der italienischen Vereinigung für rechtliche Untersuchungen zur Situation von Einwanderung (ASGI-Bericht vom 20. November 2011, S. 10 f.). Danach erhalten ebenfalls anerkannte Asylbewerber und Personen, denen internationaler Schutz gewährt worden ist, Unterstützungen allgemeiner Art, wie sie auch für andere mittellose Personen in Italien vorgesehen sind.

128

Überdies ist für anerkannte Flüchtlinge und Personen mit subsidiärem Schutzstatus ein kostenfreier Zugang zu allen öffentlichen medizinischen Leistungen wie Arzt, Zahnarzt, Krankenhaus gewährleistet (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Ein Anspruch auf Einhaltung bestimmter Mindeststandards im Hinblick auf die Gewährung von Unterkunft sowie auf eine gewisse materielle Unterstützung besteht für sie auch nach dem Unionsrecht nicht; ein solcher Anspruch besteht nur für Asylbewerber (EGMR, Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - M.S.S. v. Belgium and Greece; EuGH, Urt. v. 21.12. 2011 - C-411/10 und C-493/10 - N.S. und M.E.), denn nach den Bestimmungen der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 steht Asylbewerbern und Schutzsuchenden zwar ein subjektives Recht auch auf eine angemessene Fürsorge zu. Nach Art. 3 Abs. 1 der genannten Richtlinie haben Asylbewerber jedoch nur solange Anspruch auf die in Art. 5 ff. der Richtlinie bezeichneten humanitären Leistungen, solange sie „als Asylbewerber im Hoheitsgebiet verbleiben dürfen“. „Asylbewerber“ im Sinne der Richtlinie ist dabei ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, der einen Asylantrag gestellt hat, über den noch nicht entschieden wurde.

129

Soweit anerkannten Asylbewerbern und schutzberechtigten Flüchtlingen in der Zivilbevölkerung vereinzelt Vorbehalte entgegen gebracht werden und sich diese Vorbehalte womöglich auch im Verhalten von Amtsträgern widerspiegeln sollten, lässt sich diesem Umstand keine selbständige rechtliche Bedeutung beimessen. Die gilt selbst dann, wenn der genannte Personenkreis im Alltag womöglich Benachteiligungen erfahren sollte. Denn die genannten Umstände lassen nicht den Schluss zu, dass das Aufnahme- und Asylverfahren in Italien schon allein aus diesem Grunde den Regeln des europäischen Asylsystems zuwiderläuft.

130

Nach allem erübrigt sich hier die Erörterung der weitergehenden Frage, ob und inwieweit auch möglicherweise jene (unionsrechtlichen) Rechtsverletzungen für die Entscheidung über den Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO relevant sind, die Personen betreffen, bei denen das Asylverfahren bereits mit einer Anerkennung bzw. mit einem subsidiären Schutzstatus abgeschlossen ist (vgl. hierzu VG Regensburg, Beschl. v. 16.08.2012 - RN 7 S 12.30273 -).

131

g) Zur Überzeugung des Senats steht auch bei der gebotenen Zukunftsprognose nicht zu erwarten, dass angesichts eines unvermindert anhaltenden oder wieder zunehmenden Flüchtlingsstroms nach Italien sich die dort anzutreffenden Verhältnisse (wieder) verschlechtern werden. So verhält es sich jedenfalls dann, wenn man bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats Folgendes in Rechnung stellt:

132

Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes ist in Italien gegenwärtig nicht (mehr) von einem Anstieg des Zustroms von Asylbewerbern und Flüchtlingen auszugehen (AA, Auskunft v. 21.02.2013 Anm. 9.1. und 9.2.). Diese Entwicklung wird auch durch das dem Senat vorliegende Zahlenmaterial belegt. Laut Berichterstattung in der Presse (Spiegel online v. 26.04.2011) haben von Januar bis Ende April 2011 allein 26.000 Flüchtlinge in Italien um Schutz nachgesucht. Demgegenüber wurden laut Auskunft des Auswärtigen Amtes im ersten Halbjahr 2012 nur insgesamt 5.580 Asylanträge in Italien gestellt (AA, Auskunft v. 21.01.2013 Anm. 3.2.).

133

Insbesondere ist auch ein deutlicher Rückgang von Anlandungen im Süden Italiens zu verzeichnen. Im Jahr 2011 waren es noch 62.692 Personen, im Jahre 2012 hingegen nur noch 13.267 Personen (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 9.1. und 9.2.). Dies ist – wie das Auswärtige Amt in nachvollziehbarer Weise feststellt – vor allem auf die Beruhigung der Lage in den Nordafrikanischen Staaten zurückzuführen (AA, a. a. O.).

134

Im Übrigen ist auch in der Gesamtschau des letzten Jahrzehnts nicht von einem kontinuierlichen und erheblichen Zuwachs an Asylbewerbern und Flüchtlingen in Italien auszugehen, so dass etwa deshalb die Annahme einer nicht (mehr) zu bewältigenden “Überlastung“ des Asylsystems in Italien begründet wäre. In der ersten Hälfte des letzten Jahrzehnts waren die Zahlen bis 2006 vielmehr rückläufig, die Zahl der Asylantragsteller ging insoweit von 24.000 auf 10.000 zurück. In den Jahren 2008 und 2011 gab es dann in den Spitzen über 30.000 Asylbewerber, während es im Jahre 2012 allerdings wieder weniger als 15.000 Bewerber waren. Bei den genannten Spitzen handelte es sich somit um temporäre Erscheinungen aufgrund der politischen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem “arabischen Frühling“ (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 9.1.2.). Auch ist nach aktueller Einschätzung, namentlich vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung in den Mittelmeer-Anrainerstaaten, nicht damit zu rechnen, dass die Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien in absehbarer Zeit ansteigen wird (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 9.1.3.).

135

Nach allem erweist sich die in der einschlägigen Rechtsprechung vielfach angeführte Begründung, dass wegen der zu erwartenden weiteren Flüchtlingsströme von Afrika nach Italien infolge der kriegerischen Auseinandersetzungen und der damit einhergehenden instabilen Verhältnisse in Nordafrika sich die Entwicklung in Italien in absehbarer Zeit voraussichtlich nicht verbessern, sondern eher noch verschlechtern wird (so u. a. VG Stuttgart, Beschl. v. 02.07.2012 - A 7 K 1877/12 - ) als nicht (mehr) tragfähig.

136

Insbesondere lässt sich auch der Stellungnahme des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen – UNHCR – vom 24. April 2012 an das Verwaltungsgericht Braunschweig kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass ernsthaft zu befürchten ist, dass die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien grundlegende Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aufweisen. Nach dem Inhalt dieser Stellungnahme wurden in Italien die regionalen Regierungen im Jahr 2011 nach Ankunft einer erheblichen Zahl von Personen aus Nordafrika ausdrücklich gebeten, zusätzliche Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen. Zwischen den Regierungen und den örtlich zuständigen Behörden wurde zudem eine Vereinbarung getroffen, in der die Kriterien für die landesweite Verteilung von bis zu 50.000 Personen festgehalten wurden. Der UNHCR erkennt vor diesem Hintergrund an, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des Aufnahmesystems stattgefunden haben und die CARA-, CDA- und SPRAR-Projekte insgesamt in der Lage sind, dem Aufnahmebedarf einer signifikanten Anzahl von Asylsuchenden nachzukommen (UNHCR, a. a. O. S. 3).

137

Dass die Verhältnisse zwischen Italien und Griechenland – wie gelegentlich behauptet wird – vergleichbar sind, vermag der Senat nicht festzustellen. Dies bedarf aber auch keiner Vertiefung, weil es hierauf nicht entscheidend ankommt. Dennoch bleibt festzustellen, dass der UNHCR – anders als in Bezug auf Griechenland – für Italien jedenfalls keine Empfehlung ausgesprochen hat, von einer Überstellung bzw. Abschiebung von Dublin-II-Flüchtlingen nach Italien abzusehen. Der Senat misst diesem Umstand kein geringes Gewicht bei. Soweit vereinzelt der Einwand erhoben wird, dies sei dem Umstand geschuldet, dass der UNHCR „politische Rücksichten zu nehmen habe“, ist dies durch Nichts belegt. Zwar hat – ausweislich des Tagungsberichts von Nora Markard zum 12. Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz vom 18.-19. Juni 2012 in Berlin (ZAR 10/2012 S. 380 ff. S. 381 zur Situation in Italien) – der UNHCR Senior Regional Protection Associate Jürgen Humberg im Hinblick auf die deutsche Debatte über die Zulässigkeit von Abschiebungen nach Italien angeblich betont, dass der Umstand, dass der UNHCR bisher kein Positionspapier zu Italien veröffentlicht habe, nicht bedeute, dass in Italien „alles in Ordnung sei“; eine solche Schlussfolgerung, den einige Verwaltungsgerichte zögen, sei unzulässig. Auch diese Äußerung veranlasst den Senat nicht zu einer anderen Einschätzung im Hinblick darauf, dass sich der UNHCR – anders als in anderen Fällen – einer entsprechenden offiziellen Stellungnahme bzw. Empfehlung, von einer Rückführung von Asylbewerbern nach Italien abzusehen, enthalten hat. Dies bedeutet keineswegs, dass der Senat der Auffassung wäre, in Italien „sei alles in Ordnung“; hieraus aber folgt eben noch nicht, dass in Bezug auf das Asyl- und Aufnahmeverfahren in Italien systemische Mängel feststellbar sind, die eine Verletzung der Europäischen Grundrechtscharta oder der Menschenrechtskonvention darstellen.

138

Festzustellen bleibt überdies, dass der UNHCR auch in seinem jüngsten Bericht (UNHCR - Recommendations on important aspects of Refugee protection in Italy) vom Juli 2013 trotz zahlreicher kritischer Anmerkungen bei seiner Einschätzung zur aktuellen Lage der Flüchtlinge und Asylbewerber in Italien zu keinem anderen Ergebnis gekommen ist.

139

Schließlich hat auch der EGMR in einer neueren Entscheidung vom 02. April 2013 (Ap-plication No. 27725/10 - Mohammed Hussein vs. the Netherlands and Italy) eine gegen die Dublin-Überstellung von den Niederlanden nach Italien gerichtete Beschwerde als offensichtlich unbegründet abgewiesen. In der Entscheidung hat sich der EGMR mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, einer nach eigenen Angaben aus Somalia stammenden Frau mit zwei kleinen Kindern, zum Asylverfahren und auch zur Unterbringungssituation in Italien auseinander gesetzt und festgestellt, dass die Situation in Italien keineswegs mit der in Griechenland vergleichbar sei (Entscheidung v. 02.04. 2013, a. a. O. Rdn. 72). Auch aus dem Umstand, dass der EGMR in einer früheren Entscheidung (Application No. 64208/11) die Abschiebung eines Asylbewerbers von Deutschland nach Italien gestoppt hat, lässt sich nicht herleiten, dass Italien generell die Anforderungen des europäischen Asylsystems nicht erfüllt. Die Gründe für den mit der genannten Entscheidung verhängten Abschiebungsstopp sind letztlich nicht bekannt. Dem „Statement of Facts“ ist indes zu entnehmen, dass sich der dortige Antragsteller zwar auch auf die Lebensumstände von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Italien berufen hat, jedoch insbesondere im Raum stand, dass er durch die Abschiebung aufgrund unterschiedlicher Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Münster und Magdeburg von seiner Frau und seinen Kindern getrennt werden würde, deren Abschiebung gestoppt wurde. Weitere Fälle des EGMR (Application No. 30815/09, Application No. 37159/09, Application No. 56424/10) betrafen unbegleitete Minderjährige und die spezielle Situation einer Mutter mit einem minderjährigen Kind (Application No. 2303/10).

140

Im Übrigen haben sowohl der Österreichische Asylgerichtshof (Spruch v. 03.05. 2010 - S16 412.104-1/2010-4E -, veröffentlicht unter http://www.ris.bka.gv.at, dort insbes. Ziffer 2.2.2.2.1. "Kritik am italienischen Asylwesen" m. w. N.) als auch das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht (vgl. u. a. Urt. v. 15.07.2010 - D 4987/ 2010 - und Urt. v. 18.03.2010 - D-1496/2010 -, im Internet abrufbar unter: http://www.bundes verwaltungsgericht.ch/index/entscheide/Jurisdiction-datenbank/Jurisdiction-recht-urteile aza.htm) die Rückführung von Asylsuchenden nach Italien in Ansehung der dortigen Asylverfahrenspraxis grundsätzlich als zulässig angesehen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der angeführten Entscheidungen Bezug genommen.

141

Auch der Umstand, dass zahlreiche Verwaltungsgerichte hinsichtlich der Situation der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien zu einer gegenteiligen Einschätzung hinsichtlich der Verhältnisse und des Asylsystems in Italien gelangt sind, veranlasst den Senat nicht zur Annahme, dass die Behandlung der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien nicht in Einklang steht mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtscharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Nach Auffassung des Senats wird in der insoweit einschlägigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte häufig nicht hinreichend dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich bei den zugrunde gelegten Erkenntnismitteln nicht selten um bloße subjektive Einschätzungen handelt, die nicht in der erforderlichen Weise durch Fakten belegt sind. Auch erscheint mitunter fraglich, ob die insoweit festgestellten Mängel und Defizite verallgemeinerungsfähig sind. Nicht zuletzt haben sich die Verhältnisse in Italien – wie dargelegt – zwischenzeitlich teilweise geändert, so etwa in Bezug auf den Flüchtlingsstrom aus Nordafrika und die Anzahl der für die Asylbewerber und Flüchtlinge zur Verfügung stehenden Unterkünfte. Im Übrigen ist Gegenstand der Prüfung nach § 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-VO) nicht die Frage, ob die Aufnahmebedingungen und das Asylverfahren für Flüchtling und Asylbewerber kritikwürdig sind, weil das System zahlreiche Mängel aufweist oder hinter dem Schutzniveau anderer Mitgliedstaat zurückbleibt.

142

Der Senat sieht auch keine Veranlassung, weitere Gutachten, Auskünfte oder Stellungnahmen zur Situation von Asylbewerbern und Flüchtlingen in Italien einzuholen. Nach anerkannter Rechtsauffassung ist die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nur dann geboten, wenn sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung aufdrängen musste, weil bereits vorliegende Gutachten, Auskünfte oder Stellungnahmen nicht den ihnen obliegenden Zweck erfüllen (konnten), dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts notwendige Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. In diesem Sinne kann z. B. ein Sachverständigengutachten für die Überzeugungsbildung des Gerichts ungeeignet oder jedenfalls unzureichend sein, wenn es grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, wenn es von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht (BVerwG, Beschl. v. 14.04.2011 - 2 B 80/10 - m. w. N., Juris). Dies ist hier aber nicht der Fall. Zwar sind die dem Senat vorliegenden zahlreichen Gutachten, Auskünfte und Stellungnahmen nicht in allen Punkte stets konsistent und völlig frei von gewissen Widersprüchen; soweit es indes die im vorliegenden Fall entscheidungserheblichen Tatsachen und Erkenntnisse betrifft, sind diese aufgrund der herangezogenen Erkenntnismittel zur Überzeugung des Senats hinreichend geklärt und eindeutig und mithin für die Überzeugungsbildung ausreichend.

143

Der Senat sieht insbesondere auch keine Veranlassung, an der Tauglichkeit des vorhandenen Erkenntnismaterials für die hier entscheidungsrelevanten Fragen zu zweifeln. Dies gilt speziell auch hinsichtlich des Beweiswertes der Auskünfte des Auswärtigen Amtes, da sie grundsätzlich eine sich auf unterschiedliche Erkenntnisquellen stützende Gesamtbewertung vornehmen und zudem im Allgemeinen den tatsächlichen Verhältnissen am nächsten kommen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.08.2006 - 1 B 24.06 - Juris; Beschl. v. 06.10.1997 - 9 B 803.97 - Juris; Beschl. v. 08.09.1997 - 9 B 401.97 -; Beschl. v. 15.10. 1985 - 9 C 3.85 - Juris sowie Beschl. v. 31.07.1998 - 9 B 71.85 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 28 = Juris). Nicht anders verhält es sich hier. So beruhen die den Auskünften des Auswärtigen Amtes zugrunde liegenden Erkenntnisse auf laufenden Gesprächen der Botschaft Rom mit dem italienischen Flüchtlingsrat CIR, UNHCR und IOM in Rom, den Präsentationen des italienischen Innenministeriums und des statistischen Amtes ISTAT sowie schließlich auf Kontakten zu nichtstaatlichen karitativen Organisationen wie Carita Migrantes, Comunità di Sant’ Egidio u. a..

144

Nach allem vermag der Senat nicht zur Überzeugung zu gelangen, dass ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 21.12.2011, a. a. O.) die Annahme rechtfertigen, dass die Klägerin aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien im Falle einer Abschiebung bzw. Überstellung dorthin Gefahr laufen wird, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. d. Art. 3 EMRK und § 4 EuGrdRCH ausgesetzt zu werden und dass sich deshalb die Rücküberstellung als rechtswidrig erweist.

III.

145

Soweit das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid zugleich die Abschiebung der Klägerin nach Italien gem. § 34 Abs. 1 AsylVfG angeordnet hat, bestehen gegen die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung keine Bedenken.

146

§ 34a AsylVfG überantwortet die Entscheidung über die Abschiebung dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, so dass dieses die Abschiebungsanordnung verfügt. Das Bundesamt ordnet dabei nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Abschiebungsverbote sind nicht ersichtlich.

147

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.

148

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§§ 132 Abs. 2, 137 VwGO).


Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.


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Tenor

1. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Verfahren 7 K 421/14.A gegen den Bescheid vom 30. Januar 2014 wird abgelehnt.

     Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (A 4 K 2202/11) gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 25.08.2011 wird angeordnet.

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, dem Regierungspräsidium Karlsruhe mitzuteilen, dass eine Abschiebung des Antragstellers nach Italien vorläufig nicht durchgeführt werden darf.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

 
A. Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage (A 4 K 2202/11) gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 25.08.2011, zugestellt am 02.11.2011, anzuordnen (§ 80 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylVfG), ist zulässig.
I. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes richtet sich vorliegend nach § 80 Abs. 5 VwGO. Der Antragsteller beantragt im Hauptsacheverfahren (A 4 K 2202/11) die isolierte Aufhebung des Bescheids der Antragsgegnerin vom 25.08.2011, hat folglich eine isolierte Anfechtungsklage erhoben. Die Anfechtungsklage ist in Fällen der §§ 27a, 34a AsylVfG statthafte Klageart. Denn die antragsgemäße Entscheidung des Gerichts - Aufhebung der ablehnenden Entscheidung, mit der die Durchführung eines Asylverfahrens für unzulässig erklärt wurde - führt zu einer formellen und materiellen Prüfung des Asylantrags durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, ohne dass dem Kläger eine mit umfassenden Verfahrensgarantien ausgestattete Tatsachenentscheidung genommen wird (für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage in Fällen des § 27a AsylVfG auch VG Wiesbaden, Urteil vom 17.06.2011 - 7 K 327/11.WI.A -, juris, unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 -, juris; VG Neustadt, Urteil vom 16.06.2009 - 5 K 1166/08.NW -, juris; ohne nähere Begründung auch VG Braunschweig, Urteil vom 01.06.2010 - 1 A 47/10 -, juris; VG München, Urteil vom 29.11.2011 - M 24 K 11.30219 -, juris; VG Ansbach, Beschluss vom 08.11.2011 - AN 11 S 11.30508 -, juris; VG Frankfurt, Urteil vom 23.06.2010 - 7 K 2789/09.F.A. -, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 01.02.2010  - Au 5 S 10.30014 -, juris; a.A. [Statthaftigkeit nur der Verpflichtungsklage] OVG NRW, Urteil vom 10.05.2010 - 3 A 133/10.A -, juris). Ist aber in der Hauptsache die Anfechtungsklage statthaft, richtet sich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 123 Abs. 5 VwGO allein nach § 80 Abs. 5 VwGO.
II. § 34a Abs. 2 AsylVfG, der seinem Wortlaut nach vorläufigen Rechtsschutz bei Abschiebungen nach § 34a Abs. 1 AsylVfG ausschließt, steht dem nicht entgegen. Zwar handelt es sich bei der geplanten Abschiebung des Antragstellers um eine solche nach § 34a Abs. 1 AsylVfG, denn der Antragsteller soll nach Italien als dem gemäß § 27a AsylVfG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 b und c, Art. 4 und Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 - Dublin II-VO - für die Durchführung seines Asylverfahrens zuständigen Staat überstellt werden. Auch im Falle von Italien kommt jedoch angesichts der jüngsten Berichte zur Lage der Flüchtlinge dort eine im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG verfassungskonforme Auslegung bzw. Reduktion des § 34a Abs. 2 AsylVfG, wie sie das Bundesverfassungsgericht in Fällen der Abschiebung nach Griechenland annimmt (vgl. zul. Beschluss vom 15.07.2010 - 2 BvR 1460/10 -, juris), zum Tragen.
1. Das Bundesverfassungsgericht hat im Hinblick auf § 26a AsylVfG (sicherer Drittstaat) bereits im Jahr 1996 entschieden (Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 -, juris), dass die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes trotz der in § 34a Abs. 2 AsylVfG enthaltenen Ausschlussregelung und trotz des der Drittstaatenreglung zugrundeliegenden Konzepts der normativen Vergewisserung gleichwohl statthaft und geboten sein kann, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass der Ausländer von einem Sonderfall betroffen ist, der vom Vergewisserungskonzept nicht aufgefangen wird. Auch in den Fällen, in denen Gegenstand des Eilrechtsschutzantrags eine beabsichtigte Abschiebung in einen nach der Dublin II-Verordnung zuständigen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ist, kann eine verfassungsrechtlich gebotene Reduktion des § 34a Abs. 2 AsylVfG in Betracht kommen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.07.2010 - 2 BvR 1460/10 -, juris). Diese ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf § 27a AsylVfG dann geboten, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass der Ausländer von einem Sonderfall betroffen ist, der außerhalb des Konzepts normativer Vergewisserung über die Sicherheit im jeweiligen EU-Mitgliedstaat liegt. An diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen. Das Konzept normativer Vergewisserung bezieht sich darauf, dass diese Staaten Flüchtlingen den nach der Genfer Flüchtlingskonvention und der Menschenrechtskonvention gebotenen Schutz gewähren, was beinhaltet, dass es schutzsuchenden Ausländern nach den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen möglich ist, ein Schutzgesuch tatsächlich anzubringen und dadurch die Verpflichtung einer zuständigen Stelle zu begründen, hierüber nach vorgängiger Prüfung eine Entscheidung zu treffen. Ein Sonderfall kann daher ausnahmsweise dann vorliegen, wenn sich ein Staat von seinen mit seinem Beitritt zur Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK eingegangenen und von ihm auch generell eingehaltenen Verpflichtungen löst und Ausländern Schutz dadurch verweigert, dass er sich ihrer ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigt (BVerfG, Urteil vom 14.05.1996., a.a.O.), oder wenn das Asylverfahren in einem Staat in der Praxis solche erheblichen strukturellen Mängel aufweist, dass Asylbewerber nur eine sehr geringe Chance haben, dass ihr Antrag ernsthaft geprüft wird (EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09 -, NVwZ 2011, 413). Auch der EuGH hat jüngst (Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u. C-493/10 -, juris) bekräftigt, grundsätzlich sei von einer Vermutung dahingehend auszugehen, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK stehe. Dessen ungeachtet ist nach Auffassung des EuGH jedoch die Überstellung eines Asylbewerbers in einen Staat mit Art. 4 Grundrechte-Charta unvereinbar, wenn systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Statuiert der EuGH für diesen Fall eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den im Sinne der Dublin II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, muss in diesem Ausnahmefall in einschränkender Auslegung des § 34a AsylVfG die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes möglich sein.
2. Unter Berücksichtigung der aktuellen Auskunftslage bestehen erhebliche Zweifel an einer Befugnis der Antragsgegnerin zur Rücküberstellung des Antragstellers nach Italien auf Grundlage des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Denn jedenfalls nach der im Eilverfahren gebotenen und auch nur möglichen summarischen Prüfung ist zweifelhaft, ob Italien gegenwärtig seinen übernommenen Verpflichtungen rechtlich und tatsächlich in ausreichendem Umfang nachkommt und die hinreichende Gewähr dafür bietet, dass Ausländer, die dort einen Asyl- oder Schutzantrag gestellt haben bzw. im Falle ihrer Rücküberstellung noch stellen wollen, nicht von individuellen Gefährdungen i.S.d. Art. 4 Grundrechte-Charta, Art. 3 EMRK betroffen sind.
a) Die in Italien herrschenden Zustände für Asylbewerber, die im Rahmen einer Überstellung nach der Dublin II-Verordnung dorthin zurückkehren, waren bereits vor Beginn der Unruhen in der arabischen Welt im Februar vergangenen Jahres kritikwürdig: Der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe („Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011) deutet darauf hin, dass insbesondere die Richtlinie 2003/9/EG zum Flüchtlingsschutz, nach der die Mitgliedstaaten insbesondere solche materiellen Aufnahmebedingungen schaffen, die Lebensunterhalt einschließlich Unterbringung wie auch Gesundheit der Asylbewerber gewährleisten (vgl. Art. 13 Abs. 2 und Art. 14 dieser Richtlinie), derzeit in vielen Bereichen nicht umgesetzt wird. Der ausführliche Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe schildert Obdachlosigkeit und fehlende existenzielle Versorgung der großen Mehrheit der Asylsuchenden: Zwar sollten Asylsuchende für die Dauer des Asylverfahrens in Erstaufnahmeeinrichtungen, den so genannten CARA (Centri di accoglienza per richiedenti asilo), untergebracht werden; hier seien etwa 2.000 Plätze verfügbar. In der Zeit zwischen dem Erstkontakt mit italienischen Behörden und der formellen Registrierung ihres Asylgesuchs (Verbalizzazione) durch die personell nicht ausreichend ausgestatteten Questura - ein Zeitraum, der einige Monate dauern könne - hätten Asylsuchende jedoch keinen Zugang zu Unterkünften und lebten meist auf der Straße; auch müssten Asylsuchende das CARA regelmäßig nicht nur in jedem Fall nach Erlass des erstinstanzlichen Entscheids, sondern auch dann, wenn das Asylverfahren nicht abgeschlossen ist, nach längstens sechs Monaten verlassen. Das staatliche Aufnahmesystem SPRAR (Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugiati), das italienweit die Unterbringung und Integration von Schutzberechtigten und teilweise auch Asylsuchenden gewährleisten solle, sei mit nur gut 3.000 Plätzen völlig überlastet. Die allermeisten Asylsuchenden hätten, auch wenn sie sich nach sechs Monaten um Arbeitsstellen bewerben dürften, aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit in Italien keine Chance auf reguläre Arbeit, die es ihnen ermöglichte, sich selbst zu versorgen. Sie würden mit der Entlassung aus dem CARA in den meisten Fällen obdachlos und lebten unter freiem Himmel oder in besetzen Häusern unter unhaltbaren Lebensbedingungen; nachdem der Erhalt von Unterstützungsleistungen an den Aufenthalt in einem Zentrum geknüpft sei, habe die Obdachlosigkeit schwerwiegende Folgen nicht nur für ihre grundlegenden Menschenrechte, sondern auch für die weitere Durchführung ihres Asylverfahrens. Auch Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, hätten häufig Schwierigkeiten, eine Unterkunft zu erhalten und seien für die Sicherstellung ihrer lebensnotwendigen Bedürfnisse auf Hilfsorganisationen und NGO’s angewiesen. Diese Bedingungen gälten im wesentlichen auch für auf Grundlage der Dublin II-Verordnung auf dem Luftweg nach Italien zurückgeführte Asylsuchende; die italienischen Behörden seien ebenso wenig wie bei sonstigen Asylsuchenden in der Lage, ihnen bei Rückkehr nach Italien würdige Lebensbedingungen zu gewährleisten, auch insoweit fehle es an Plätzen im staatlichen Aufnahmesystem SPRAR.
b) Mit dieser Einschätzung der Lage steht die Schweizerische Flüchtlingshilfe nicht allein. Vielmehr existieren mehrere in ihren inhaltlichen Aussagen im wesentlichen übereinstimmende Berichte von Nichtregierungsorganisationen, die ausweislich des EuGH geeignet sind, die Mitgliedstaten in die Lage zu versetzen, sich ein Bild über das Funktionieren des Asylsystems im zuständigen Mitgliedstaat zu machen (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.): Der ausführliche Bericht von Maria Bethke und Dominik Bender („Zur Situation von Flüchtlingen in Italien“, Februar 2011; abrufbar unter http://www.proasyl.de/fileadmin/fm-dam/q_PUBLIKATIONEN/2011/Italienbericht_FINAL_15MAERZ2011.pdf) nach ihrer Recherchereise im Oktober 2010, der Bericht der Norwegian Organization für Asylum Seekers („The Italian approach to asylum: System and core problems“, April 2011; abrufbar unter http://www.noas.org/) und der aus dem November 2009 stammende Bericht der Schweizerischen Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht („Rückschaffung in den 'sicheren Drittstaat' Italien“; abrufbar unter http://www.beobachtungsstelle.ch/index.php?id=428&L=2%2F%2F%3F_SERVER%5BDOCUMENT_ROOT%5D%3D) vermitteln ein ganz ähnliches Bild der Situation von Flüchtlingen in Italien (vgl. zur Auswertung aktueller Quellen auch Maria Bethke, „Die Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten in Italien“, Stand 7/2011; abrufbar unter http://www.nds-fluerat.org/6521/aktuelles/infos-fuer-dublin-ii-verfahren-italien/). Im Bericht von Bethke/Bender (a.a.O.) sowie in der Quellenauswertung von Bethke wird insbesondere darauf hingewiesen, dass das Platz- und Obdachlosigkeitsproblem auch Rückkehrer im Rahmen von Dublin-II-Verfahren betreffe, die weder Anspruch auf Wohnraum noch auf existenzsichernde Sozialleistungen hätten; in den Jahren 2008 und 2009 seien nur etwa 12 % der Dublin-Rückkehrer in ein SPRAR-Projekt vermittelt worden, während die ganz überwiegende Mehrzahl der Obdachlosigkeit überlassen worden sei. Weiter verweisen Bethke/Bender (a.a.O.) ausdrücklich darauf, dass bei obdachlosen Personen oder solchen, die in besetzen Häusern wohnten, Postzustellungen nicht möglich seien, so dass amtliche Dokumente, etwa ein im italienischen Asylverfahren noch ausstehender Bescheid, sie nicht erreichen könnten; ebenso wenig sei es ihnen möglich, eine für ein in Deutschland ggf. noch laufendes Gerichtsverfahren notwendige ladungsfähige Anschrift anzugeben.
c) Für die Lagebeurteilung nicht außer Betracht gelassen werden darf weiter der Umstand, dass sich die zitierten Erkenntnismittel mit den Zuständen in Italien beschäftigen, wie sie sich im wesentlichen vor dem Frühjahr 2011 darstellten, zu einem Zeitpunkt also, zu dem die Zahl der Asylanträge in Italien rückläufig war; so wurden im Jahr 2008 30.145 Asylanträge gestellt, 2009 17.670 und 2010 (nur) noch 10.050 (zu den Zahlen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Entscheiderbrief 7/2011). Bereits diese vergleichsweise geringen Zahlen führten zu den in den zitierten Berichten beschriebenen massiven Schwierigkeiten der Asylbewerber, angesichts ihrer prekären Lebenssituation, aber auch angesichts der völlig überlasteten behördlichen Strukturen ein Asylverfahren zu betreiben. Seit Beginn der Unruhen in Nordafrika aber stieg die Zahl der Flüchtlinge, die Italien erreichen, sprunghaft an; nach Angaben des UNHCR (http://www.unhcr.de/home/artikel/042d9651d6d525aad46e97d7ee7848db/hunderte-neuankoemmlinge-aus-libyen-und-tunesien-in-italien.html?L=0) hatten im Jahr 2011 bis Mitte August 52.000 Menschen im Zuge der nordafrikanischen Flüchtlingskrise Italien erreicht, italienische Quellen sprechen Ende September 2011 von über 60.000 Flüchtlingen, die seit Jahresbeginn die italienische Küste erreicht haben (http://www.interno.it/mininterno/export/sites/default/it/sezioni/sala_stampa/notizie/immigrazione/0000070_2011_09_29_informativa_Viale_al_Senato.html). Angesichts dieser Zahlen gibt es keinerlei Anhaltspunkte für eine zwischenzeitliche Verbesserung der Situation der Flüchtlinge in Italien.
d) Diesen Berichten hat die Antragsgegnerin nichts substantiiert entgegengesetzt. Die - unbestrittene - Tatsache, dass es anders als bei Griechenland im Falle von Italien keine Empfehlung des UNHCR dahingehend gibt, Asylsuchende nicht an diesen Staat zu überstellen, genügt nach Auffassung der Kammer nicht; auch das Bundesverfassungsgericht hat sich in seinen die Lage in Griechenland betreffenden Entscheidungen nicht isoliert auf eine entsprechende Stellungnahme des UNHCR, sondern auf die „umfangreichen Stellungnahmen verschiedener Organisationen zur Situation von Asylantragstellern in Griechenland“ berufen (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 22.12.2009 - 2 BvR 2879/09 -, juris; Beschluss vom 13.11.2009 - 2 BvR 2603/09 -, juris). Der Hinweis der Antragsgegnerin darauf, aus dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe ergebe sich keine Empfehlung, Flüchtlinge nicht nach Italien zurückzuschieben, ist in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend. Für bestimmte Personengruppen - verletzliche Personen sowie Asylsuchende, bei denen prima facie die Flüchtlingseigenschaft oder ein subsidiäres Schutzbedürfnis als bestehend betrachtet werden kann - fordert die Schweizerische Flüchtlingshilfe vielmehr explizit die Mitgliedstaaten auf, Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO (Souveränitätsklausel) anzuwenden, um eine Verletzung von Art. 3 EMRK zu verhindern. Aber auch bei allen anderen Asylsuchenden fordert die Schweizerische Flüchtlingshilfe die Mitgliedstaaten ausdrücklich auf, vor der Überstellung der Betroffenen deren Situation sorgfältig abzuklären und dafür zu sorgen, von den italienischen Behörden eine verbindliche Zusage zu erhalten, dass sie in der Lage sind, die Rückkehrenden ab ihrer Ankunft angemessen zu unterstützen. Für eine sorgfältige Abklärung oder gar eine Kontaktaufnahme mit den italienischen Behörden bestehen vorliegend nach Aktenlage indes - insoweit in Übereinstimmung mit der gängigen Praxis der EU-Mitgliedstaaten - keine Anhaltspunkte; in einer solchen Situation aber sind die Empfehlungen, die die Schweizerische Flüchtlingshilfe ausgesprochen hat, durchaus dahingehend zu verstehen, dass eine Überstellung aus Gründen des Menschenrechtsschutzes unterbleiben solle. Ebenso wenig vermag die Kritik des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Entscheiderbrief 7/2011) an den Erkenntnisquellen und den in der Rechtsprechung hieraus gezogenen Konsequenzen zu überzeugen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beruft sich in erster Linie, wie auch die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall, auf die von Gesetzes wegen in Italien bestehenden Rechte von Asylsuchenden auf Unterkunft, Arbeit und Sozialleistungen, setzt sich jedoch nicht auseinander mit den vielfältigen konkreten Hinweisen auf die erhebliche Diskrepanz zwischen den von Italien eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen, denen durch entsprechende Rechtsakte auf formeller Ebene Rechnung getragen worden sein mag, und ihrer Umsetzung in der Praxis. Das Auswärtige Amt und das Bundesamt stellen - soweit ersichtlich - keine eigenen Erkenntnisse zur Verfügung; auch im Übrigen fehlt es an jeglichen Erkenntnismitteln, die eine von den zitierten Auskünften abweichende - günstigere - Lagebeurteilung der Verhältnisse in Italien erlaubten.
10 
e) Nach Auffassung der Kammer nach der bisherigen Recherche und Lektüre der aktuellen Informationen zur Lage in Italien liegen damit aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe im Sinne der EuGH-Rechtsprechung (Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.) für die Annahme vor, der Antragsteller laufe tatsächlich Gefahr, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Angesichts der konkreten Umstände - insbesondere der unter Flüchtlingen verbreiteten Obdachlosigkeit, welche die Zustellung amtlicher Dokumente und damit auch das Betreiben behördlicher wie gerichtlicher Verfahren maßgeblich erschwert, wenn nicht unmöglich macht, aber auch der gerichtsbekannten langen Laufzeiten italienischer Gerichtsverfahren - bestehen nach Aktenlage auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, die Asylbewerber hätten faktisch die Möglichkeit, die ihnen ausweislich der von Italien unterzeichneten internationalen Abkommen wie auch nationalen Gesetze zustehenden (Menschen-)Rechte innerhalb eines überschaubaren Zeitraums einzuklagen. Daher ist der Antrag des Antragstellers in verfassungs- bzw. europarechtskonformer Reduktion des § 34a Abs. 2 AsylVfG zulässig (so für Fälle der Überstellung nach Italien auch VG Freiburg, Beschluss vom 20.10.2011 - A 1 K 1936/11 -; Beschluss vom 06.09.2011 A 3 K 1738/11 -; Beschluss vom 25.10.2011 - A 5 K 2081/11 -; VG Arnsberg, Beschluss vom 25.03.2011 - 12 L 165/11.A -, asyl.net; VG Minden, Beschluss vom 01.09.2011 - 3 L 427/11.A -, asyl.net; VG Stuttgart, Beschluss vom 01.08.2011 - A 6 K 2577/11 -, juris; VG Meiningen, Beschluss vom 21.09.2011 - 8 E 20262/11 -, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 01.08.2011 - 21 L 1083/11.A -, asyl.net; VG Osnabrück, Beschluss vom 23.05.2011 - 5 B 38/11 -, juris; i.Erg. auch VG Wiesbaden, Beschluss vom 12.04.3022 - 7 L 303/11.WI.A -, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 08.07.2011 - Au 6 S 11.30229 -, juris (unter Verweis auf besondere Schutzbedürftigkeit des Antragstellers); a.A. VG Saarlouis, Beschluss vom 22.08.2011 - 5 L 744/11 -, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 05.09.2011 - Au 6 E 11.1320 -, juris; VG Ansbach, Beschluss vom 21.09.2011 - AN 11 S 11.30425 -, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 12.09.2011 - 6 L 866/11.A -, juris; VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 23.05.2011 - 9 L 1025/11.F.A. -, asyl.net; VG Bremen, Beschluss vom 24.01.2012 - 6 V 1549/11.A -, juris).
11 
B. Der Antrag ist auch begründet. Im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Prüfung hat das Gericht das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Bescheids dem privaten Interesse des Betroffenen an einem Absehen von der sofortigen Vollziehung gegenüber zu stellen und abzuwägen. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache maßgeblich. Lassen sich die offensichtliche Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids und damit die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs im Rahmen der summarischen Prüfung nicht ohne weiteres feststellen, hat das Gericht eine Interessenabwägung zu treffen. Dabei hat es die Folgen abzuschätzen, die einträten, wenn der Bescheid sofort vollzogen würde, ein Hauptsacherechtsbehelf des Antragstellers hingegen später Erfolg hätte bzw. wenn der Bescheid nicht sofort vollzogen würde, aber der Hauptsacherechtsbehelf später erfolglos bliebe.
12 
I. Der vorliegende Antrag ist nicht schon deshalb begründet, weil, wie der Antragsteller meint, die zuständigen Behörden der Republik Italien die Übernahme des Asylverfahrens nicht angezeigt hätten und daher nicht feststehe, ob Italien die Übernahme des Antragstellers akzeptiere, so dass die Abschiebungsanordnung rechtswidrig sei. Denn nach Art. 20 Abs. 1 c) Dublin II-VO wird in Fällen, in denen - wie vorliegend - der ersuchte Mitgliedstaat innerhalb der Frist keine Antwort erteilt, davon ausgegangen, dass er die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiert.
13 
II. Das Gericht kommt jedoch im Rahmen der ihm nach § 80 Abs. 5 VwGO obliegenden Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass das private Interesse des Antragstellers, bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht abgeschoben zu werden, das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Abschiebungsanordnung überwiegt.
14 
Im vorliegenden Fall bestehen, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Die offensichtliche Begründetheit der Klage in der Hauptsache lässt sich jedoch wegen der schwierigen Sach- und Rechtsfragen im Rahmen der summarischen Prüfung nicht feststellen; hierzu bedarf es vielmehr einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren, gegebenenfalls nach Durchführung einer Beweisaufnahme. In der daher vorzunehmenden Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO gebührt dem Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung der Abschiebung der Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug der nach summarischer Prüfung rechtswidrigen Abschiebungsanordnung. Denn gegenüber dem Anspruch des Antragstellers auf Schutz entsprechend der europaweit vereinbarten Mindeststandards hat das öffentliche Interesse an der Umsetzung der Zuständigkeitsregelungen der Dublin II-Verordnung zurückzutreten. Dies gilt umso mehr, als die Rückstellungsfristen des Art. 19 Abs. 3 Satz 1, Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO erst nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu laufen beginnen dürften, weil die Klage hier ausnahmsweise nach nationalem Recht aufschiebende Wirkung hat, so dass eine Rücküberstellung des Antragstellers im Falle seines Unterliegens in der Hauptsache wohl immer noch möglich sein dürfte (Hess. VGH, Beschluss vom 23.08.2011 - 2 A 1863/10.Z.A. -, juris, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08 -, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 08.07.2011 - Au 6 S 11.30229 -, juris, m.w.N.). Umgekehrt bestünde bei einer Überstellung nach Italien im laufenden Verfahren angesichts der dem Antragsteller dort drohenden Obdachlosigkeit die konkrete Gefahr, behördlich und gerichtlich unerreichbar zu sein mit der Folge, dass selbst im Falle seines Obsiegens in der Hauptsache die Folgen nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten (vgl. VG Freiburg, Beschluss vom 20.10.2011 - A 1 K 1936/11 -).
15 
Nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Regierungspräsidium Karlsruhe - Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge - bereits die Abschiebungsanordnung übersandt hat, war der Antragsgegnerin zur Sicherung effektiven Rechtsschutzes für den Antragsteller entsprechend § 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO aufzugeben, dem Regierungspräsidium die Aussetzung der Abschiebung mitzuteilen.
16 
Der Antragsgegnerin bleibt es unbenommen, bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zu stellen.
17 
Die Kostenentscheidung folgt § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).
18 
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Tatbestand

1

Die Klägerin ist am (…) 1947 in H. in Syrien geboren. Sie ist verheiratet, yezidischen Glaubens, kurdische Volkszugehörige und sie besitzt die syrische Staatsangehörigkeit. Nach eigenen Angaben reiste sie – zusammen mit ihrer Tochter (...) sowie drei weiteren Kindern – von Syrien kommend am 01. August 2011 zunächst nach Italien, wo sie erkennungsdienstlich behandelt wurde und am 21. August 2011 in B-Stadt einen Asylantrag stellte, und alsdann am 07. September 2011 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 12. September 2011 stellte sie bei der Außenstelle des Bundesamtes in H-Stadt einen (weiteren) Asylantrag.

2

Die Beklagte richtete unter dem 07. Februar 2012 an Italien ein Übernahmeersuchen gem. Art. 10 Dublin-II-VO (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 des Rates vom 10.02.2003). Mit Schreiben vom 16. Februar 2012 erklärten die italienischen Behörden ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags der Klägerin.

3

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte den Asylantrag der Klägerin mit Bescheid vom 13. Juni 2012 als unzulässig ab und ordnete ihre Abschiebung nach Italien an. Nach der Dublin-Verordnung sei Italien für die Bearbeitung ihres Asylantrags zuständig; außergewöhnliche humanitäre Gründe, welche die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach § 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch zu machen, seien nicht ersichtlich.

4

Die Klägerin hat am 29. Juni 2012 beim Verwaltungsgericht Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, sie könne wegen der allgemeinen Situation von Asylbewerbern in Italien nicht darauf verwiesen werden, in Italien ein Asylverfahren durchzuführen, weil davon auszugehen sei, dass das Asylverfahren dort nicht ordnungsgemäß durchgeführt würde. Sie besitze einen Anspruch auf Asyl und Flüchtlingsschutz sowie Abschiebungsschutz; hierüber sei durch das Bundesamt zu entscheiden.

5

Die Klägerin hat beantragt,

6

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13. Juni 2012 zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen und dass Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gegeben sind.

7

Die Beklagte hat beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Sie hat die Ansicht vertreten, Italien erfülle bei der Durchführung von Asylverfahren die Mindeststandards der Europäischen Union. In den italienischen Aufnahmeeinrichtungen seien zahlreiche humanitäre Organisationen tätig, die dies gewährleisten würden. Insbesondere hätten Asylbewerber in Italien vollen Zugang zum Gesundheitssystem. Anders als im Fall Griechenlands gebe es keine Empfehlung des UNHCR, Flüchtlinge nicht an Italien zu überstellen. Dementsprechend habe das Bundesverfassungsgericht auch Verfassungsbeschwerden gegen erstinstanzliche Entscheidungen, denen zufolge eine Abschiebung nach Italien möglich sei, nicht zur Entscheidung angenommen. Ferner sei eine Vielzahl erstinstanzlicher Entscheidungen ergangen, wonach die asylrechtlichen Mindeststandards in Italien gewährleistet seien und woraus sich ergebe, dass der Bericht von Bethke und Bender zu den Problemen der Flüchtlinge in Italien kritisch zu betrachten sei.

10

Auf den Antrag der Klägerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 07. März 2012 – 9 B 57/12 MD – die Beklagte im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Abschiebung der Klägerin nach Italien vorläufig bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu unterlassen.

11

Mit Gerichtsbescheid vom 10. Juli 2012 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13. Juni 2012 verpflichtet, über den Asylantrag der Klägerin in eigener Zuständigkeit zu entscheiden und ein Asylverfahren durchzuführen. Die Klägerin habe nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO einen Anspruch darauf, dass die Beklagte ein Asylverfahren in der Bundesrepublik Deutschland durchführe; das insoweit bestehende Ermessen der Beklagten sei auf Null reduziert. Der Klägerin könne die Durchführung eines Asylverfahrens in Italien nicht zugemutet werden.

12

Der Senat hat auf Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 10. Oktober 2012 die Berufung zugelassen. Zur Begründung der Berufung verweist die Beklagte im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Zulassungsantrag, wonach sie an ihrer bisherigen Auffassung festhält, die Klägerin könne in Anbetracht der in Italien gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse auf die Durchführung eines Asylverfahrens dort verwiesen werden.

13

Die Beklagte beantragt,

14

die Klage unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 9. Kammer - vom 10. Juli 2012 abzuweisen.

15

Die Klägerin beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Sie macht geltend, die Beklagte beziehe sich zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen auf bloße Vorschriften und eine nicht mehr aktuelle Rechtsprechung, während neue Berichte nicht zur Kenntnis genommen würden. Der Auffassung der Beklagten sei im Hinblick auf die humanitäre Situation in Italien entgegen zu halten, dass sich die Situation der Flüchtlinge in Italien aufgrund des anhaltenden Flüchtlingsstroms aus Tunesien und anderen nordafrikanischen Staaten dramatisch verschlechtert habe. Italien sei bereits zuvor mit der Aufnahme von Flüchtlingen und deren ordnungsgemäßer Unterbringung überfordert gewesen. Aufgrund des momentanen Flüchtlingsstroms nach Italien habe sich die Situation noch verschlechtert; es sei damit zu rechnen, dass der Klägerin bereits aus diesem Grunde ein ordnungsgemäßes Asylverfahren verwehrt werde und dass sie obdachlos würde. Im Übrigen dürfe nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs (Urteil v. 21.12.2011 - C-411/11, C-493/10 -) ein Asylbewerber bereits dann nicht an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin-II-VO überstellt werden, wenn ernsthafte Hinweise auf systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedsstaat vorlägen, die eine Gefährdung des Asylbewerbers nahe legen würden. Solche ernsthaften Hinweise lägen hier vor. Die vorliegenden Berichte und sonstigen Erkenntnismittel gingen davon aus, dass das staatliche Aufnahmesystem in Italien völlig überlastet sei. Es existierten 3.000 Plätze, die eine Aufnahme von Asylbewerbern für jeweils nur sechs Monate vorsehen würden. Im Jahre 2011 hätten indessen laut Presseberichterstattung (Spiegel online v. 26.04.2011) in Italien bis Anfang Mai bereits 26.000 Flüchtlinge um Schutz nachgesucht.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Vorbringen der Beteiligten und auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten (Beiakte A) sowie auf die vom Senat in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage der Klägerin mit Gerichtsbescheid vom 10. Juli 2012 zu Unrecht stattgegeben.

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I. Die Klage ist teilweise unzulässig.

21

1. Die als Verpflichtungsklage erhobene Klage ist “lediglich“ als Anfechtungsklage zulässig. Gegen die in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13. Juni 2012 getroffene Entscheidung, dass der Asylantrag der Klägerin gem. § 27a AsylVfG (wegen fehlender Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland) unzulässig ist, ist allein die Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO statthaft (ebenso: VG Düsseldorf, Urt. v. 15.01. 2010 - 11 K 8136/09 -; VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009 - 7 K 4376/07.F.A u. a. - InfAuslR 2009,409; Urt. v. 29.09.2009 - 7 K 269/09.F.A -; Urt. v. 23.06. 2010 - 7 K 2789/09.F.A. -; VG Freiburg, Beschl. v. 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 -; VG München, Urt. v. 29.11.2011 - M 24 K 11.30219 -; VG Ansbach, Beschl. v. 08.11. 2011 - AN 11 S 11.30508 -; VG Wiesbaden, Urt. v. 17.06.2011 - 7 K 327/11.WI.A -; VG Braunschweig, Urt. v. 01.06.2010 - 1 A 47/10 -; VG Karlsruhe, Urt. v. 07.04.2010 - A 3 K 1580/09 -; VG Augsburg, Beschl. v. 01.02.2010 - Au 5 S 10.30014 -; Beschl. v. 29.09.2009 - 7 K 269.09 F.A. -; VG Neustadt, Urt. v. 16.06.2009 - 5 K 1166/08.NW -, alle: Juris; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, § 27a Rdnr. 18; a. A. statthaft nur die Verpflichtungsklage: OVG NRW, Urt. v. 10.05.2010 - 3 A 133/10.A - Juris; VG Wiesbaden, Urt. v. 10.03.2010 - 7 K 1389/ 09.WI.A -).

22

Im Fall der Aufhebung einer – wie hier – auf § 27a AsylVfG gestützten Entscheidung wegen Unzulässigkeit des Asylantrages ist der Weg für die Durchführung eines Asylverfahrens („in eigener Zuständigkeit“) vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auch ohne ein hierauf gerichtetes Verpflichtungsbegehren eröffnet. Denn das Bundesamt ist nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides bereits von Gesetzes wegen zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet (vgl. § 31 Abs. 2 AsylVfG zur Entscheidung des Bundesamtes über beachtliche Asylanträge). Da grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass die Beklagte ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachkommt, bedarf es demzufolge einer Verpflichtungsklage nicht (ebenso: VG Düsseldorf, Urt. v. 15.01.2010, a. a. O.; vgl. auch VG Frankfurt/Main, Urt. v. 29.09.2009, a. a. O.; Urt. v. 08.07.2009, a. a. O.).

23

Überdies muss bezweifelt werden, ob es sich bei der Entscheidung nach Art. 3 Abs. 2 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist – Dublin-II-VO – [z. T. auch „EG-AsylZustVO“ genannt] – (ABl. L 50 vom 25.02.2003, S. 1 -10) um einen (selbständigen) Verwaltungsakt handelt, so dass eine Verpflichtungsklage bzw. – unter Berücksichtigung des im Rahmen der genannten Vorschrift eingeräumten Ermessens – eine Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung in Betracht kommt, oder ob es sich bei der gem. § Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO zu treffende Entscheidung nicht um eine bloß inzidente handelt, da es allein um die Feststellung der Zuständigkeit der Beklagten geht.

24

Ebenso scheidet eine Verpflichtungsklage aus, die unmittelbar auf Anerkennung als Asylberechtigter gem. § 16a GG bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG oder aber - hilfsweise - auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gerichtet ist. Denn eine Verpflichtung für das Gericht, die Sache selbst spruchreif zu machen, besteht nur dann, wenn ein „mit seinem Asylantrag beim Bundesamt erfolglos gebliebener Ausländer“ den Klageweg beschreitet (BVerwG, Urt. v. 06.07.1998 - 9 C 45.97 - BVerwGE 107, 128 ff.). Hat hingegen das Bundesamt (noch) keine Sachentscheidung getroffen, so würde dem Betroffenen in dem Falle des “Durchentscheidens“ des Gerichts durch Verpflichtungs-urteil eine Tatsacheninstanz genommen, nämlich dass eine inhaltliche Überprüfung seines Asylbegehrens durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erfolgt (ebenso: VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009, a. a. O.; VG Schleswig, Urt. v. 03.08. 2011 - 1 A 46/11 - und Beschl. v. 12.09.2011 - 12 A 124/10 -; a. A. VG Braunschweig, Urt. v. 21.02.2013 - 2 A 126/11 - u. a. mit Verweis auf VGH Mannheim, Urt. v. 19.06.2012 - A 2 1355/11 -, Juris).

25

Im Übrigen verhält es sich bei der Entscheidung nach § 27a AsylVfG ähnlich wie in Fällen der Entscheidung des Gerichts über eine Einstellung des Asylverfahrens nach§ 32 AsylVfG wegen vermeintlicher Antragsrücknahme bzw. Verzicht nach § 14a Abs. 3 AsylVfG sowie in den Fällen der gerichtlichen Entscheidung bei fiktiver Antragsrücknahme nach§ 33 AsylVfG. In den genannten Fällen ist nach der hierzu ergangenen einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 07.03.1995 - 9 C 264.94 -, NVwZ 1996, S. 80 = Juris; vgl. auch Marx, AsylVfG, 7. Aufl. 2009, § 33 Rdnr. 34 ff. m. w. N.) die Verpflichtungsklage unzulässig, weil die verweigerte sachliche Prüfung des Asylantrages nach den Regelungen des Asylverfahrensgesetzes vorrangig von der Fachbehörde nachzuholen ist.

26

Auch ist im Hinblick auf die mit dem angefochtenen Bescheid angeordnete Abschiebung der Klägerin nach § 34a Abs. 1 AsylVfG die Verpflichtungsklage nicht veranlasst und stattdessen eine Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO ausreichend (vgl. VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009, a. a. O. und Urt. v. 29.09.2009, a. a. O.; s. auch Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 34a AsylVfG Rdnr. 6; Funke-Kaiser, a. a. O., § 34a Rdnr. 64). Soweit es nämlich darum geht, dass die Beklagte von einem Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO i. V. m. der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 02. September 2003 (Abl. L 222 S. 3) Gebrauch macht, bedarf es im Urteil über eine entsprechende inzidente Feststellung hinaus keiner ausdrücklichen Verpflichtung der Beklagten, von einer Abschiebung abzusehen.

27

Es ist vorliegend davon auszugehen, dass die Anfechtungsklage vom Verpflichtungsbegehren der Klägerin (mit-)umfasst ist. Gegenstand der Anfechtungsklage ist nach allem ausschließlich die Frage nach der Zuständigkeit der Beklagten zur Durchführung eines Asylverfahrens, wobei die Frage nach dem rechtlich gebotenen Selbsteintritt der Bundesrepublik Deutschland inzident zu beantworten ist.

28

2) Der Klägerin steht für ihre Klage auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse zur Seite, da sie weiterhin nach Italien zurückgeführt bzw. rücküberstellt werden könnte, nachdem die italienischen Behörden mit Schreiben vom 16. Februar 2012 (Bl. 115 d. Sachakte) ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung ihres Asylantrags erklärt haben, indem sie dem Übernahmeersuchen stattgegeben und damit ihrer Rücküberstellung zugestimmt haben.

29

II. Die Klage ist im Übrigen unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat den Asylantrag der Klägerin zu Recht als unzulässig abgelehnt und zugleich ihre Abschiebung nach Italien angeordnet. Es musste im vorliegenden Fall insbesondere auch nicht von der Möglichkeit des Selbsteintritts der Beklagten nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch machen.

30

1) Rechtsgrundlage des Bescheides vom 13. Juni 2012, mit dem das Bundesamt den Asylantrag der Klägerin als unzulässig abgelehnt hat, ist § 27a AsylVfG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies ist hier der Fall. Zu Recht ist die Beklagte im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, dass die Republik Italien für die Durchführung eines Asylverfahrens der Klägerin zuständig ist.

31

a) Die Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylverfahrens der Klägerin ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO, sofern nicht die nach Art. 5 Abs. 1 der genannten Verordnung vorrangig zu prüfenden Zuständigkeitskriterien nach Art. 6 bis 9 der Verordnung einschlägig sind.

32

Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig, sofern auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 18 Abs. 3 der Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel III derVerordnung (EG) Nr. 2725/2000, festgestellt wird, dass der Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze des Mitgliedstaats illegal überschritten hat (vgl. auch Art. 18 Abs. 4 und 5 Dublin-II-VO).

33

Dies bedeutet, dass – soweit nicht die Vorschriften nach Art. 6 bis 9 Dublin-II-VO einschlägig sind – im vorliegenden Fall Italien für die Prüfung des Asylantrags der Klägerin zuständig ist, da sie ihren eigenen Angaben zufolge aus Syrien kommend die Grenze nach Italien illegal überschritten hat (und dort – in B-Stadt – am 21. August 2011 zugleich einen Asylantrag gestellt hat [Bl. 108 ff. d. Sachakte]).

34

Die insoweit gegebene Zuständigkeit endet zwar gem. Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Die Klägerin hat jedoch am 12. September 2011 und damit noch vor Ablauf der Jahresfrist ihren Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt, so dass die Zuständigkeit Italiens nicht nach Satz 2 entfallen ist. Die Einreise der Klägerin nach Italien erfolgte am 07. September 2011; die Jahresfrist lief somit am 07. September 2012 ab. Dass die Frist nunmehr abgelaufen ist, ist unschädlich, weil für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates nach Art. 5 Abs. 2 Dublin-II-VO auf die Situation in dem Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

35

b) Im Falle der Klägerin sind auch die Voraussetzungen nach Art. 6 bis 9 Dublin-II-VO nicht erfüllt. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich Art. 7 der Verordnung, wonach – soweit die betroffenen Personen dies wünschen – der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig ist, wo ungeachtet dessen, ob die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat, der Asylbewerber einen Familienangehörigen hat, dem das Recht auf Aufenthalt in einem Mitgliedstaat in seiner Eigenschaft als Flüchtling gewährt wurde, sowie hinsichtlich Art. 8 der Verordnung, wonach – soweit die betroffenen Personen dies wünschen – dem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrages obliegt, in dem der Asylbewerber einen Familienangehörigen hat, über dessen Asylantrag noch keine erste Sachentscheidung getroffen wurde. Die genannten Vorschriften sind im Falle der Klägerin jedoch nicht einschlägig.

36

Es ist schon nicht ersichtlich, dass die nach Art. 7 und 8 der Verordnung genannten Voraussetzungen bei der Tochter der Klägerin, mit der sie zusammen in das Bundesgebiet eingereist ist, oder bei ihren in Deutschland lebenden volljährigen Kindern vorliegen. Dies kann aber auch dahin stehen. Denn jedenfalls gelten die genannten Personen nicht als „Familienangehörige“ i. S. d. Dublin-II-VO. Hierzu gehört nach Art. 1 Buchst. i) der Verordnung nur die Mitglieder der “Kernfamilie“, d. h. die Ehegatten des Asylbewerbers und unter bestimmten Voraussetzungen der nicht verheiratete Partner des Asylbewerbers, die minderjährigen Kinder der genannten Personen sowie bei unverheirateten minderjährigen Antragstellern oder Flüchtlingen der Vater, die Mutter oder der Vormund. Ein solches Verwandtschaftsverhältnis der Klägerin zu den mit einreisenden bzw. in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Kindern besteht jedoch nicht.

37

c) Ebenso sind bei der Klägerin die Voraussetzungen nach Art. 15 Abs. 1 und Abs. 2 Dublin-II-VO nicht erfüllt. Nach Art.15 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung kann jeder Mitgliedstaat aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, Familienmitglieder und andere abhängige Familienangehörige zusammenführen, auch wenn er dafür nach den Kriterien der Verordnung nicht zuständig ist. Dass die Klägerin vorliegend aus humanitären Gründen mit ihren Familienangehörigen zusammenzuführen ist und nicht auch auf ein eigenständiges Leben in Italien verwiesen werden kann, zumal ihre Kinder teilweise in Deutschland, teilweise in Österreich leben bzw. teilweise ihr Aufenthalt unbekannt ist, lässt sich nicht feststellen. Die Klägerin befindet sich in Begleitung ihrer volljährigen Tochter; beide sind reisefähig und nach Italien zu überstellen.

38

Ebenso sind die Voraussetzungen nach Art. 15 Abs. 2 Dublin-II-VO nicht erfüllt, wonach im Regelfall von einer Trennung der Familienangehörigen abzusehen bzw. eine Zusammenführung vorzunehmen ist, wenn die betroffene Person u. a. wegen einer schweren Krankheit, einer ernsthaften Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung durch die anderen Person(en) angewiesen ist. Diese Voraussetzungen liegen bei der 67-jährigen Klägerin nicht vor; entsprechendes ist jedenfalls nicht vorgetragen worden.

39

Eine andere Einschätzung ist auch nicht im Hinblick auf die einleitende Erwägung zu Nr. 6 Dublin-II-VO veranlasst, wonach die Einheit der Familie (grundsätzlich) gewahrt bleiben soll, soweit dies mit den sonstigen Zielen vereinbar ist, die mit den Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrages zuständigen Mitgliedstaats angestrebt werden. Nicht anders verhält es sich mit Blick auf die einleitende Erwägung nach Art. 7 Satz 2 Dublin-II-VO, wonach die Mitgliedstaaten von den Zuständigkeitskriterien abweichen können, um eine räumliche Annäherung von den Familienmitgliedern vorzunehmen, soweit dies aus humanitären Gründen erforderlich ist. Bei den genannten Regelungen handelt es sich indes um bloße programmatische Vorgaben, aus denen sich, unabhängig davon, dass die Voraussetzungen hier nicht vorliegen dürften, für die Asylbewerber keine unmittelbaren Rechte ableiten lassen.

40

d) Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens ist auch nicht gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen. Zwar hat das Bundesamt nicht innerhalb von drei Monaten nach Stellung des Asylantrags der Klägerin vom 12. September 2011 ein Wiederaufnahme- bzw. Übernahmeersuchen an die Republik Italien gestellt; das war indes auch nicht erforderlich. Da die Klägerin bereits in Italien einen Asylantrag gestellt hat, steht in ihrem Fall eine Wiederaufnahme durch Italien im Sinne des Art. 16 Abs.1 c) bis e) Dublin-II-VO in Rede, nicht hingegen eine Aufnahme seitens Italiens im Sinne des Art. 16 Abs.1 a) Dublin-II-VO. Die Dublin-II-VO unterscheidet insoweit gem. Art.16 Abs.1 lit. a) einerseits und Art. 16 Abs. 1 lit. c) bis e) andererseits zwischen der Überstellung des Asylsuchenden in einem Aufnahmeverfahren gemäß den Art. 17 bis 19 Dublin-II-VO und einer Überstellung im Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 20 Dublin-II-VO. Das Aufnahmeverfahren findet statt, wenn der Asylsuchende im ersuchten Mitgliedstaat noch keinen Asylantrag gestellt hat, während das Wiederaufnahmeverfahren einschlägig ist, wenn dort bereits ein Asylantrag gestellt wurde. Insofern wird der Anwendungsbereich der nachfolgenden Art. 17 bis 20 Dublin-II-VO durch Art. 16 Dublin-II-VO bestimmt.

41

Aus der systematischen Trennung zwischen Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren folgt, dass im Wiederaufnahmeverfahren keine Frist für das Übernahmeersuchen gilt, denn die insofern allein maßgebliche Regelung des Art. 20 Dublin-II-VO normiert weder selbst eine solche Frist, noch nimmt sie auf die für das Aufnahmeverfahren geltende Regelung in Art. 17 Abs.1 Dublin-II-VO Bezug. Es verhält sich gerade nicht in der Weise, dass Art. 20 Dublin-II-VO nur spezielle Modalitäten für die Wiederaufnahme regelt und im Übrigen die Regelungen der Art. 17 bis 19 Dublin-II-VO anwendbar wären. Vielmehr handelt es sich bei den Art. 17 bis 19 Dublin-II-VO einerseits und dem Art. 20 Dublin-II-VO andererseits um jeweils eigenständige Regelungskomplexe (vgl. VG Düsseldorf, Beschl. v. 06.02.2013 - 17 L 150/13.A -; Beschl. v. 26.04.2013 - 17 K 1777/12.A -; VG Hamburg, Beschl. v. 22.09.2005 - 13 AE 555/05 -; VG Augsburg, Gerichtsbescheid v. 09.05.2011 - Au 3 K 10.30468 - Juris; VG Regensburg, Beschl. v. 05.07.2013 - RN 5 S 13.30273 -; VG Göttingen, Beschl. v. 11.10.2013 - 2 B 805/13 -; a.A.: VG Düsseldorf, Beschl. v. 07.08. 2012 - 22 L 1158/12.A -, alle: Juris).

42

Art. 17 Abs.1 Satz 2 Dublin-II-VO, wonach der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, zuständig wird, wenn das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten unterbreitet wird, findet im Fall der Klägerin folglich keine Anwendung, so dass sich hieraus auch keine Zuständigkeit der Beklagten ergibt. Dementsprechend haben die italienischen Behörden mit Schreiben vom 16. Februar 2012 (Bl. 115 R, 116 d. Sachakte) auch ihre Zustimmung zur Wiederaufnahme bzw. Übernahme der Klägerin erteilt.

43

e) Ferner ist die Zuständigkeit nicht nach Art. 19 Abs. 3 und 4 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen. Nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO erfolgt die Überstellung des Schutzsuchenden von dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, in den zuständigen Mitgliedstaat gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des ersteren Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin-II-VO i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) Dublin-II-VO auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Dabei ist unerheblich, dass die Entscheidung der Beklagten nach Art. 19 Abs. 2 Satz 4 der Verordnung grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung hat; allein entscheidend ist, dass ihr eine solche durch eine entsprechende gerichtliche Entscheidung zuerkannt worden ist (vgl. Hess.VGH, Beschl. v. 23.08.2011 - 2 A 1863/10.Z.A -; Nds.OVG, Beschl. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -; VG Freiburg, Beschl. v. 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 -; offengelassen: OVG NRW, Beschl. v. 01.03.2012 - 1 B 234/12.A -, alle: Juris).

44

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 02. August 2012 - 4 MC 133/12 - (< Rn. 17 zitiert nach Juris >) zu § 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO und zu dem in Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Dublin-II-VO grundsätzlich vorgesehenen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ausgeführt:

45

„Der Annahme der aufschiebenden Wirkung des hier eingelegten Rechtsbehelfs steht auch nicht die Vorschrift des Art. 19 Abs. 2 Satz 4 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 entgegen. Danach hat ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nach Absatz 1 keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung, es sei denn, die Gerichte oder zuständigen Stellen entscheiden im Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts anders, wenn es nach ihrem inner-staatlichen Recht zulässig ist. Zwar darf nach § 34a Abs. 2 AsylVfG die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) nicht nach§ 80oder § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung ausgesetzt werden. Hieraus folgt jedoch nicht, dass durch diese Vorschrift eine andere Entscheidung im Sinne von Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Hs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts ausgeschlossen ist und daher ein Rechtsbehelf wegen § 34a Abs. 2 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung im Sinne des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 haben kann. Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr ausdrücklich entschieden, dass der Ausschluss des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 34a Abs. 2 AsylVfG in den Fällen, in denen die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) erfolgen soll, in Ausnahmefällen, die nicht vom „normativen Vergewisserungskonzept“ des Gesetzgebers über die Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention in einem sog. sicheren Drittstaat erfasst sind, der Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz gegen eine sofortige Überstellung nicht entgegensteht (BVerfG, Urt. v. 14.5. 1996, a. a. O.). Diese Rechtsprechung wird - soweit ersichtlich - von den Verwaltungsgerichten auf die Abschiebung in einen anderen Staat, der nach § 27a AsylVfG für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, mit der Begründung übertragen, dass die vom Bundesverfassungsgericht angestellten Erwägungen zu § 26a AsylVfG auch auf die Vorschrift des§ 27a AsylVfG zutreffen, weil die nach europäischen Recht für die Asylentscheidung zuständigen Mitgliedstaaten zugleich sichere Drittstaaten im Sinne von § 26a AsylVfG sind (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 1.3.2012 - 1 B 234/12.A - und v. 11.10. 2011 - 14 B 1011/11.A -; ferner Nds. OVG, Beschl. v. 2.5.2012 - 13 MC 22/22 - und Hess. VGH, Beschl. v. 23.8.2011 - 2 A 1863/10.Z.A.-). Unter diesen Umständen kann daher keine Rede davon sein, dass es nach der innerstaatlichen Rechtslage in Deutschland unzulässig sei, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine Überstellung auf der Grundlage der Zuständigkeitsbestimmungen in der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 anzuordnen. Unabhängig davon stellt die für den Fristenbeginn der Überstellung maßgebliche Vorschrift des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 nach ihrem Wortlaut auch ausdrücklich darauf ab, dass einem eingelegten Rechtsbehelf tatsächlich aufschiebende Wirkung zukommt und nicht darauf, ob es nach dem innerstaatlichen Recht zulässig ist, die aufschiebende Wirkung anzuordnen (vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 23.8.2011 - 2 A 1863/10.Z.A.-).

46

Läuft danach die Frist zur Überstellung aufgrund des von dem Antragsteller eingelegten Rechtsbehelfs erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens bezüglich der Durchführung der Überstellung entschieden wird und die der Durchführung nicht mehr entgegenstehen kann, kann dahinstehen, ob insoweit das Vorliegen einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache für den Fristenbeginn bereits ausreichend ist oder es darüber hinaus der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung bedarf (so Hess. VGH, Beschl. v. 23.8.2011 - 2 A 1863/10.Z.A.“

47

Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an und macht sie sich zu Eigen.

48

Da die Klägerin – nach Erlass des angefochtenen Bescheides vom 13. Juni 2012 – gegen ihre Überstellung innerhalb der Frist, bis zu der gem. Art. 19 Abs. 4 Satz 2 Dublin-II-VO ihre Überstellung nach Italien vorbehaltlich eventuell zu treffender weiterer Maßnahmen erfolgen konnte, einen Rechtsbehelf gegen ihre Überstellung eingelegt hat, dem mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom Beschluss vom 07. März 2012 - 9 B 56/12 MD - aufschiebende Wirkung beigemessen worden ist, beginnt nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO eine (neue) sechsmonatige Frist zur Überstellung der Klägerin (erst) ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Klage. Diese Frist ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats noch nicht abgelaufen, denn der Senat hat dem Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 10. Oktober 2012 entsprochen. Nach allem kann hier dahingestellt bleiben, ob im Grundsatz das Vorliegen einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache für den Fristenbeginn hinsichtlich der Überstellung bereits ausreichend ist oder ob es darüber hinaus der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung bedarf, da die Klägerin jedenfalls erstinstanzlich obsiegt hat.

49

2) Die Beklagte ist für die Prüfung des Asylantrags der Klägerin auch nicht gem. Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO zuständig, denn die Bundesrepublik Deutschland ist nicht verpflichtet, das Selbsteintrittsrecht auszuüben.

50

Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO kann jeder Mitgliedstaat abweichend von den Zuständigkeitskriterien des Kapitels III der Verordnung einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch gem. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-II-VO zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Gegebenenfalls unterrichtet er den zuvor zuständigen Mitgliedstaat über den Selbsteintritt (a. a. O. Satz 3). Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht dabei grundsätzlich in seinem Ermessen, welches – weil integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen Europäischen Asylsystems (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/ 10 und C-493/10 -, ) – in Übereinstimmung mit den insoweit geltenden unionsrechtlichen Bestimmungen und von den Mitgliedstaaten verfolgten Zielen auszuüben ist.

51

Art. 3 Dublin-II-VO ist auch geeignet, subjektive Rechte der Klägerin zu begründen, die von ihr gegen eine vorgesehene Überstellung (Rückführung) in den nach dieser Verordnung für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat geltend gemacht werden können (vgl. dazu den Vorlagebeschluss des Hess.VGH v. 22.12.2010 - 6 A 2717/09.A -; Nds.OVG, Beschl. v. 02. 08.2012 - 4 MC 133/12 - m. w. N., Juris; ferner Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdn. 37 ff. m. w. N.). Denn auch wenn es sich bei Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO um eine Ermessensvorschrift handelt, kann sich der Betroffene – hier die Klägerin – auf einen subjektiven öffentlich-rechtlichen Anspruch auf den Selbsteintritt der Beklagten gem. Art. 3 Abs. 2 der Verordnung berufen. Diese Bestimmung ist – anders als die Vorgängerregelungen im Schengener Durchführungsübereinkommen und im völkerrechtlichen Dubliner Übereinkommen (vgl. hierzu Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdn. 25) – nicht allein im öffentlichen Interesse geschaffen worden, sondern verbürgt den von ihr Betroffenen ein subjektives Recht. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass ein Einzelner nicht nur dann aus dem Unionsrecht subjektive Rechte herzuleiten vermag, wenn diese ihm ausdrücklich zugesprochen werden. Vielmehr genügt es, wenn aus einer Rechtsnorm klar und eindeutig eine Begünstigung Einzelner hervorgeht, die keiner Bedingung und keinem zeitlichen Aufschub mehr unterliegt, und weder die Union noch die Mitgliedstaaten einen Spielraum zur Ausgestaltung der Rechtsnorm besitzen (vgl. u. a. EuGH, Urt. v. 05.02.1963 - Rs. 26/62 -, Slg. 1963, 1 [24] = NJW 1973, 1751 - van Gend & Loos vs. Niederlande; EuGH, Urt. v. 04. 12.1974 - Rs. C-41/74 -, Slg. 1974, 1337 [1349] - van Duyn vs. Home Office; EuGH, Urt. v. 19.01.1982 - Rs. C-8/81 -, Slg. 1982, 53 [71] = NJW 1982, 53 - Becker vs. Finanzamt Münster). Diese Voraussetzungen sind im Falle der Dublin-II-VO dem Grunde nach erfüllt (vgl. auch Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdnr. 124 m. w. N.). Hiervon geht im Ergebnis auch der Europäische Gerichtshof in dem zur Dublin-II-VO ergangenen Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 – (Rdnr. 38, 48 zur Frage des Rechtsschutzes, NVwZ 2009, S. 639 = Juris) aus.

52

Allerdings verbürgt Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO lediglich das Recht auf eine fehlerfreie Ermessensausübung – welches gegebenenfalls aber auf Null reduziert sein kann (vgl. VG Würzburg, Urt. v. 12.03.2009 - W 4 K 08. 30122 -; Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdnr. 134 f. und 223 m. w. N.; Marx, a. a. O. § 27a Rdnr. 13; Huber/Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2008, Rdnr. 1886; Filzwieser / Liebminger, Dublin II-Verordnung, Kommentar, 2. Aufl., Wien/ Graz 2007, Art. 3 K 9 unter Verweis auf einschlägige Rechtsprechung des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs, Entscheid v. 15.10.2004 - G 237/03 u. a. und des Belgischen Conseil d'Etat / Raad van State vom 28.08.2006, Zl. 162.039; Schröder, Die EU-Verordnung zur Bestimmung des zuständigen Asylstaats, ZAR 2003, S. 124 [131]; Hruschka, Die Dublin II-Verordnung, in: Informationsverbund Asyl e.V. [Hrsg.], Das Dublin-Verfahren, Beilage zum Asylmagazin 1-2/2008, S. 1 [9]; Hruschka, Humanitäre Lösungen in Dublin-Verfahren, Asylmagazin 7-8/2009, S. 5 [7 f. und 9 f.]).

53

Aus dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO ergibt sich eine an die Beklagte gerichtete Ermessensermächtigung, deren Zweck in der Norm selbst nicht seinen Ausdruck gefunden hat (vgl. nur Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdnr. 220; Filzwieser / Liebminger, a. a. O., Art. 3 K 8 ff.), sondern sich aus der Zwecksetzung der Verordnung insgesamt und der im Zuge der durch Art. 63 EG-Vertrag in der Fassung des Amsterdamer Vertrages vom 02. Oktober 1997 vorgegebenen gemeinschaftsrechtlichen Asylharmonisierung ergangenen europäischen Richtlinien zum materiellen Asylrecht auf der einen und zum Verfahrensrecht sowie den Aufnahmebedingungen von Flüchtlingen auf der anderen Seite erschließt. Im Einzelnen ist dabei von Folgendem auszugehen:

54

Nach Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) EG-Vertrag beschließt der Rat in Übereinstimmung mit der Genfer Flüchtlingskonvention sowie mit einschlägigen anderen Verträgen Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat. Hierauf beruhend wurde die Dublin-II-VO erlassen. Im Erwägungsgrund Nr. 5 wird hierzu ausgeführt, dass bezüglich der schrittweisen Einführung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, das auf längere Sicht zu einem gemeinsamen Asylverfahren und einem unionsweit geltenden einheitlichen Status für die Personen, denen Asyl gewährt wird, führen sollte, im derzeitigen Stadium die Grundsätze des am 15. Juni 1990 in Dublin unterzeichneten Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft gestellten Asylantrags(4) (nachstehend „Dubliner Übereinkommen“ genannt), dessen Durchführung die Harmonisierung der Asylpolitik gefördert hat, mit den aufgrund der bisherigen Erfahrungen erforderlichen Änderungen beibehalten werden sollten. Weiterhin wird insbesondere im Erwägungsgrund Nr. 15 ausgeführt, dass die Verordnung in Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen stehe, die mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - EuGrdRCh - anerkannt worden seien. Die Verordnung ziele insbesondere darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung des in Art. 18 EuGrdRCh verankerten Rechts auf Asyl zu gewährleisten.

55

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 -, Juris) lässt das im EU-Vertrag vorgesehene und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeitete gemeinsame Europäische Asylsystem allerdings die Annahme begründet erscheinen, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 (GFK) sowie in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - Europäische Menschenrechtskonvention - (EMRK) finden. Es gilt daher grundsätzlich die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtscharta und der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. M. a. W. ausgehend von der Annahme, dass es sich bei den Mitgliedstaaten der Europäischen Union um sichere Drittstaaten i. S. d. Art. 16a Abs. 2 Grundgesetz (GG) bzw. § 26a AsylVfG handelt, ist aufgrund des diesen Vorschriften zugrunde liegenden „Konzepts der normativen Vergewisserung“ (BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 22 BvR 2315/133 - Juris, Rn. 179 ff.) bzw. des „Prinzips des gegenseitigen Vertrauens“ (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - Rs C-411/10 und C-393/10 – Juris, Rn. 79 ff.) grundsätzlich davon auszugehen, dass die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Grundrechtscharta und der Europäischen Menschenrechtskonvention in diesen Ländern sichergestellt ist. Auch die Dublin-II-Verordnung beruht wie jede andere auf Art. 63 Satz 1 Nr. 1 EG-Vertrag gestützte gemeinschaftsrechtliche Maßnahme auf der Prämisse, dass die zuverlässige Einhaltung der GFK, der EMRK und der EuGrdRCh in allen Mitgliedstaaten gesichert ist (vgl. Begründungserwägung Nr. 2 und Nr. 12 Dublin-II-VO und Art. 6 Abs. 2 sowie Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 lit. a EG-Vertrag, - so auch VG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 02.10.2008 - 6 B 56/08-, Juris und VG Regensburg, Beschl. v. 15.09.2008 - RO 3 E 08.30124 - Juris).

56

Dies bedeutet zugleich, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49 = Juris; Beschl. v. 08.09.2009 - 2 BvQ 56/09 -, Juris) ein Ausländer, der in einen sicheren Drittstaat zurück verbracht werden soll, den Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor einer politischen Verfolgung oder sonstigen schwerwiegenden Beeinträchtigungen in seinem Herkunftsstaat grundsätzlich nicht mit der Begründung einfordern kann, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt würden. Für ihn kommen deshalb entsprechend dem mit Art. 16a Abs. 2 GG verfolgten „Konzept normativer Vergewisserung“ über die Sicherheit im Drittstaat auch die materiellen Rechtspositionen, auf die ein Ausländer sich sonst gegen seine Abschiebung stützen kann, grundsätzlich nicht in Betracht.

57

Allerdings hat die Bundesrepublik Deutschland dann Schutz zu gewähren, wenn ein solcher durch Umstände begründet wird, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des „Konzepts normativer Vergewisserung“ durch Gesetz berücksichtigt werden konnten oder aber sich die für die Qualifizierung als “sicher“ maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung hierauf noch aussteht. So sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (a. a. O.) Ausnahmen u. a. dann geboten, wenn der Drittstaat gegenüber dem Schutzsuchenden selbst zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung greift und dadurch zum Verfolgerstaat wird, oder wenn offen zu Tage tritt, dass der Drittstaat sich von seinen Schutzverpflichtungen lösen und einem bestimmten Ausländer der Schutz dadurch verweigern wird, dass er sich seiner ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigt (vgl. zur Problematik der Bestimmung des „sicheren Drittstaates“: BVerfG, Beschl. v. 08.09.2009 - 2 BvQ 56/09 - DVBl. 2009, 1304; Lübbe-Wolff, Das Asylgrundrecht nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Mai 1996 - DVBl. 1996, 825 ff.; s. insbesondere auch zur europa-rechtlichen Dimension: Weinzierl / Hruschka, Effektiver Rechtsschutz im Lichte deutscher und europäischer Grundrechte, NVwZ 2009, 1540 ff.).

58

Vergleichbares gilt nach dem Willen des Gesetzgebers, wenn es um die Rückführung eines Ausländers in den für seinen Asylantrag zuständigen Staat im Sinne des § 27a AsylVfG geht. Dies bedeutet, dass auch der Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO „nur“ eine Ausnahme darstellt bzw. Sonderfällen vorbehalten ist. Denn eine Prüfung, ob der Zurückweisung in den Drittstaat oder in den nach europäischem Recht oder Völkerrecht für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, ist nur dann veranlasst, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme aufdrängt, dass der Asylbewerber von einem der im normativen Vergewisserungskonzept des Art. 16a Abs. 2 GG und der §§ 26a, 27a, 34a AsylVfG nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An die Darlegung eines solchen Sonderfalles sind dabei auch im Rahmen des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49 = Juris; Beschl. v. 08.09.2009 - 2 BvQ 56/09 -, Juris). Die Annahme eines sicheren Drittstaates ist daher nur dann widerlegt, wenn ernsthaft zu befürchten steht, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EuGrdRCh bzw. der inhaltlich identischen Vorschrift des Art. 3 EMRK (vgl. insoweit Art. 52 Abs. 3 Satz 1 EuGRrdRCh) implizieren.

59

Nach der zu Art. 3 EMRK ergangenen Rechtsprechung des EGMR, auf die zur Auslegung von Art. 4 EuGrdRCH zurückzugreifen ist (vgl. EuGH, Urt. v. 21.01.2011, 2011 - No. 30696 – M.S.S. vs. Belgien und Griechenland, Rn. 88 m. w. N. – Juris) ist eine Behandlung unmenschlich, wenn sie absichtlich erfolgt und entweder tatsächliche körperliche Verletzungen oder schwere körperliche oder psychische Leiden verursacht. Eine Behandlung ist hingegen als erniedrigend anzusehen, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt und dadurch fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert, oder wenn sie Angst, Furcht oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder physischen Widerstand der Person zu brechen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.01.2011, a. a. O., Rn. 220 m. w. N.).

60

Die ernsthafte Befürchtung grundlegender Mängel besteht nur dann, wenn in einem Mitgliedstaat eine ständige Verletzung der Kernanforderungen des europäischen Asylrechts, wie sie in den Richtlinien und Verordnungen der Europäischen Union ihren Niederschlag gefunden haben, stattfindet und dadurch die Menschenwürde, das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Flüchtlings beeinträchtigt wird (vgl. hierzu VG Düsseldorf, Beschl. v. 22.12.2008 - 13 L 1993/08.A - Juris; VG Berlin, Beschl. v. 11.04.2011 - 23 L 84.11 A - Juris; VG Hannover, Beschl. v. 07.06.2011 - 1 B 2106/11 - asyl.net; VG Düsseldorf, Beschl. v. 12.09.2011 - 6 L 866/11.A - Juris; Lehnert / Pelzer, Effektiver Rechtsschutz im Rahmen des EU-Asylzuständigkeitssystems der Dublin II-Verordnung, ZAR 2010, 41 ff.; Lehnert/Pelzer, Der Selbsteintritt der Mitgliedstaaten im Rahmen des EU-Asylzuständigkeitssystems der Dublin-II-Verordnung, NVwZ 2010, 613 ff.). Bei der Beurteilung der Frage, ob für Asylbewerber in Italien dementsprechend ein “richtliniekonformes“ Verfahren gewährleistet ist, ist dabei zunächst das Schutzniveau in den Blick zu nehmen, das sich aus Art. 28 (Sozialleistungen) und Art. 31 (Zugang zu Wohnraum) der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 – Qualifikationsrichtlinie – ergibt und sodann jenes, das sich für das Asylverfahren aus der Dublin-II-VO selbst ergibt. Zugleich ist als Maßstab die Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten heranzuziehen sowie die Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 01. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft. Danach gehören zu den Kernanforderungen des europäischen Asylrechts der Zugang zu einem geordneten Asylverfahren und die Gewährung materieller Aufnahmebedingungen, welche die Grundbedürfnisse nach Unterkunft, Nahrung und medizinischer Versorgung abdecken.

61

Die vorstehend aufgezeigten Grundsätze stehen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Dieser hat mit Urteil vom 21.12.2011 - C 411/10 und C-493/10 - (Juris) ausgeführt, das Gemeinsame Europäische Asylsystem sei in einem Kontext entworfen, der grundsätzlich die Vermutung rechtfertige, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtscharta sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Gleichwohl könne – so der Gerichtshof – nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoße, so dass die ernstzunehmende Gefahr bestehe, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt würden, die mit den Grundrechten unvereinbar sei. Dabei berühre nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Verpflichtung der übrigen Mitgliedstaaten zur Beachtung der Dublin-II-VO. Sei jedoch ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufwiesen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Grundrechtscharta implizierten, so sei eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar.

62

Bei der Beurteilung der anstehenden Frage nach dem Vorliegen eines systemischen Versagens in Bezug auf das Asyl- und Aufnahmeverfahren in dem Mitgliedstaat ist überdies nicht (allein) darauf abzustellen, welche (abstrakte) Rechtslage dort herrscht, mithin ob etwa die vorgenannten Richtlinien in nationales Recht umgesetzt wurden, sondern es sind (ebenfalls) die konkreten bzw. realen Verhältnisse für die Asylbewerber, mithin die bestehende tatsächliche Verwaltungs- und Rechtspraxis in den Blick zu nehmen (ebenso VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009 - 7 K 4376/07.F.A u. a. - InfAuslR 2009, 406 = Juris).

63

Ferner ist darauf abzustellen, ob es sich bei eventuell feststellbaren Defiziten und Mängeln, etwa in Form von Rechtsverstößen und zu erwartenden Beeinträchtigungen, nur um Einzelfälle oder – soweit es sich nicht nur um Einzelfälle handelt – um bloße vorübergehende, temporäre Erscheinungen handelt, die etwa einer überraschenden Entwicklung geschuldet sind, denen aber in naher Zukunft voraussichtlich abgeholfen wird. Anders verhält es sich indes in jenen Fällen, in denen aufgrund einer Vielzahl von Referenzfällen hinreichend belegte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich die Missstände und Unzulänglichkeiten dauerhaft manifestiert haben. Die insoweit erforderliche Feststellung des Vorliegens systemischer Mängel und Missstände hat somit eine quantitative wie qualitative Komponente. Ob die desolaten Verhältnisse im Mitgliedstaat dabei darauf zurückzuführen sind, dass dieser zur Schaffung geordneter und richtlinienkonformer Verhältnisse nicht bereit oder nicht in der Lage ist, macht dabei grundsätzlich keinen Unterschied.

64

3) In Anwendung der genannten Kriterien ist im Fall der Klägerin von Folgendem auszugehen:

65

Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht verpflichtet, in Ausübung des insoweit bestehenden Ermessens von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch zu machen. Auch kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, sie besitze zumindest einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Selbsteintritt der Beklagten zur Durchführung eines Asylverfahrens gem. Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO, um als Ausnahme von den sonstigen Zuständigkeitsregeln der genannten Verordnung die Prüfung ihres Asylantrages in der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen. Diesem Recht der Klägerin ist mit dem angefochtenen Bescheid der Beklagten entsprochen worden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte ihr Ermessen verkannt hätte; auch rechtfertigt sich nicht die Annahme des Vorliegens eines formellen Ermessensfehlers, da keinerlei Gründe vorliegen, die einen sog. Selbsteintritt zu rechtfertigen vermögen.

66

Zur Überzeugung des Senats ist auf der Grundlage des ihm vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern und Flüchtlingen sowie von “Dublin-II-Rückkehrern“ in Italien nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und / oder die Aufnahmebedingungen dort derart grundlegende Mängel aufweisen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EuGrdRCh zu erwarten steht. Der Senat ist vielmehr unter Anlegung der zuvor genannten strengen Maßstäbe zur Überzeugung gelangt, dass für die nach der Dublin-II-Verordnung nach Italien zurückkehrenden bzw. rücküberstellten Asylbewerber in der Gesamtschau ein ordnungsgemäßes und richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren gewährleistet ist und dass für den Fall der Abschiebung bzw. Rückführung der betroffenen Asylsuchenden zwecks Durchführung eines Asylverfahrens nicht mit schwerwiegenden Rechtsverstößen und Beeinträchtigungen zu rechnen ist (ebenso oder ähnlich u. a.: OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013 - OVG 7 S 33.13 -; Beschl. v. 24.06.2013 - OVG 7 S 58.13 –; VG Bremen, Beschl. v. 15.04.2013 - 2 V 440/13.A -; VG Regensburg, Beschl. v. 05.02.2013 - RN 5 S 13.30026 -; Beschl. v. 26.02.2013 - RN 9 K 11.30445 -; VG Düsseldorf, Beschl. v. 17.09.2012 - 13 L 1447/12.A -; Beschl. v. 08.01.2013 - 6 L 104/13.A - und Beschl. v. 06.02. 2013 - 17 L 150/13.A -; VG Augsburg, Urt. v. 11.01.2013 - Au 6 K 12.30358 -; VG Leipzig, Urt. v. 07.12.2012 - A 1 K 973/11 -; VG München, Beschl. v. 08.11.2012 - M 15 E 12.30772 -; VG Würzburg, Beschl. v. 30.10.2012 - W 6 E 12.30288 -; VG Trier, Beschl. v. 25.10.2012 - 5 L 1146/12.TR -; VG Schwerin, Beschl. v. 27.09. 2012 - 8 B 434/12 As -; VG Bayreuth, Urt. v. 12.06.2012 - B 3 K 11.30142 - [bestätigt durch BayVGH, Beschl. v. 6.02.2013 - 20 ZB 12.302856 -]; a. A. oder eine Entscheidung in der Hauptsache vorbehaltend: VG Köln, Beschl. v. 07.05.2013 - 20 L 613/13.A -; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 30.04.2013 - 10a L 484/13.A -; VG Schwerin, Beschl. v. 15.03.2013 - 3 B 111/13 As -; VG Aachen, Beschl. v. 14.03. 2013 - 9 L 53/13.A -; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 19.02.2013 - 15a L 194/13.A -; Beschl. v. 27.02.2013 - 15a L 194/13.A -; VG Gießen, Urt. v. 24.01.2013 - 6 K 1329/12.Gl.A -; VG Karlsruhe, Beschl. v. 11.10.2012 - A 9 K 2386/12 - und Beschl. v. 22.01.2013 - A 9 K 179/13 -; VG Stuttgart, Beschl. v. 08.01.2013 - A 7 K 3929/12 -; VG des Saarlandes, Beschl. v. 03.09.2012 - 3 L 789/12 -; VG Düsseldorf, Beschl. v. 29.08.2012 - 14 L 1392/12.A – alle: Juris; VG Freiburg, Beschl. v. 27.10.2011 - A 5 K 2081/11 -; VG Magdeburg, Beschl. v. 17.07.2012 – 9 B 148/12 -; Beschl. v. 21.11.2011 - 9 A 100/11 -; Urt. v. 26.07.2011 - 9 A 346/10 MD -; vgl. auch OVG NRW, Beschl. v. 01.03.2012 - 1 B 234/ 12.A - Juris). Das Asylsystem in Italien mit dem dort geregelten und praktizierten Aufnahme- und Asylverfahren einschließlich der Unterbringungs- und Versorgungslage für die in Italien schutzsuchenden Flüchtlinge und Asylbewerber entspricht den Anforderungen des europäischen Asylsystems, selbst wenn es in Teilbereichen gewisse Mängel und Defizite aufweist. Im Einzelnen ist dabei von Folgendem auszugehen:

67

a) Nach dem dem Senat vorliegenden Erkenntnismaterial ist davon auszugehen, dass für Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien, jedenfalls soweit es sich um Dublin-II-Rückkehrer handelt, grundsätzlich ein geordnetes Aufnahmeverfahren und auch ein ungehinderter Zugang zum Asylverfahren gewährleistet sind.

68

Der Senat verkennt nicht, dass es in Italien für Asylbewerber und Flüchtlinge – und zwar bis in die jüngste Vergangenheit hinein – eine Vielzahl von Einreiseverweigerungen und Abschiebungen gegeben hat, bevor ein Asylverfahren durchgeführt werden konnte bzw. ein solches abgewartet worden wäre. Namentlich sind Fälle bekannt geworden, wonach es Zurückweisungen von Flüchtlingen auf hoher See und vor der italienischen Küste, aber auch vom italienischen Territorium gegeben hat, die offenbar darauf abzielten, den Strom von Flüchtlingen – insbesondere aus Nordafrika – abzuwehren, die in Italien Zuflucht haben suchen wollen (vgl. UNHCR, Bericht v. 16.08. 2011: „Hunderte Neuankömmlinge aus Libyen und Tunesien in Italien“, abrufbar unter: http://www.unhcr.de/print/home/artikel/042d9651d6d525aad46e97d7ee7848db/hunde).

69

Trotz der bekannt gewordenen zahlreichen Verstöße gegen das Refoulement-Verbot und teilweise vorhandener unangemessener Erschwernisse beim Zugang zu einem Asylverfahren in Italien in den vergangenen Jahren lässt sich aber – jedenfalls soweit es die aktuellen Verhältnisse im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats betrifft – nicht (mehr) davon ausgehen, dass es, sieht man einmal von Einzelfällen ab, in Italien gegenwärtig noch zu derartigen gravierenden Rechtsverletzungen kommt, wie sie in der Vergangenheit zu beklagen waren.

70

Vielmehr sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes keine Fälle neueren Datums bekannt geworden, in denen Flüchtlingen und Asylsuchenden, die in Italien um Schutz nachsuchen wollten, bei ihrer Einreise auf dem Seeweg oder auf dem Landwege die Einreise oder der Aufenthalt in Italien verweigert worden sind (AA, Auskunft v. 21.02. 2013 an OVG LSA, Anm. 1.1.). Ebenso sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes keine Fälle neueren Datums bekannt geworden, in denen Flüchtlinge und Asylsuchende nach ihrer Einreise nach Italien in ihr Herkunftsland bzw. einen Drittstaat zurückgeführt bzw. abgeschoben worden sind, ohne dass sie in Italien den von ihnen beabsichtigten Asylantrag stellen konnten (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 1.2.). Schließlich sind nach Angaben des Auswärtigen Amtes in jüngster Zeit auch keine Fälle (mehr) bekannt geworden, in denen Flüchtlinge und Asylsuchende trotz eines in Italien gestellten Asylantrages in ihr Herkunftsland bzw. einen Drittstaat zurückgeführt bzw. abgeschoben wurden (AA, a. a. O. Anm. 1.2.). Hiernach lässt sich zumindest gegenwärtig nicht mehr die Feststellung treffen, dass in Italien der Anspruch Schutzsuchender auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens generell oder auch nur regelmäßig vereitelt wird (bereits für die Vergangenheit verneinend u. a.: VG Hannover, Beschl. v. 07.07. 2011 - 1 B 2106/11 - Juris; VG Berlin, Beschl. v. 11.04.2011 - 23 L 84/11 - Juris). Dies bedarf hier indes keiner Vertiefung.

71

Denn jedenfalls lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht feststellen, dass für die im Rahmen des Verfahrens nach der Dublin-II-Verordnung nach Italien zurückkehrenden bzw. zurückgeführten Asylbewerber regelmäßig oder sogar überwiegend ein ordnungsgemäßes Asylverfahren nicht gewährleistet ist. Aufgrund eines für diesen Personenkreis gesetzlich speziell geregelten Rückführungsverfahrens ist vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, dass diese nach ihrer Rückkehr nach Italien ihren dort bereits gestellten Asylantrag weiterverfolgen bzw. erstmals einen Asylantrag stellen können und ihnen insoweit der Zugang zu einem ordnungsgemäßen Asylverfahren nicht versperrt wird. Im Einzelnen ist dabei von Folgendem auszugehen:

72

Asylbewerber, die gemäß dem Verfahren nach der Dublin-II-Verordnung nach Italien zurückkehren bzw. zurückgeführt werden, treffen in der Regel auf dem Luftweg auf den Flughäfen Fiumicino in Rom, Malpensa in Mailand, Bergamo, Venedig, Bari, Brindisi oder Ancona ein. Dort werden sie – auch wenn es in Italien kein Flughafenverfahren wie in Deutschland gibt (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW - zu Frage a.)) – von der Polizei in Empfang genommen und es wird ihnen eine Unterkunft in einer der Aufnahmeeinrichtungen zugeteilt, sofern ein Asylantrag gestellt wird bzw. ein Asylverfahren, bei dem Verfahrensstand, der bei Ausreise aus Italien vorlag, weitergeführt werden soll (zu allem: Schweizerische Flüchtlingshilfe, „Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien. Bericht über die Situation von Asylsuchenden, Flüchtlingen und subsidiär oder humanitär aufgenommenen Personen, mit speziellem Fokus auf Dublin-Rückkehrende“, Mai 2011, S. 17 und AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 1.4.). Die Polizei macht in diesen Fällen die verantwortliche Questura ausfindig und fordert die Rückkehrer auf, sich dorthin zu begeben. Dabei werden auch die Reisekosten übernommen (Schweizerischen Flüchtlingshilfe, a. a. O., S. 17) bzw. die Person bekommt, wenn die zuständige Questura weiter entfernt ist (Beispiel: Dublin-Rückkehr nach Rom, zuständige Questura in Catania), ein Zugticket ausgehändigt, um dort hinzureisen (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW - zu Frage a.)).

73

Wenn die Dublin-Rückkehrer von deutschen Beamten /Polizisten begleitet werden, gibt es insoweit keine Unterschiede. Bei ihrer Ankunft werden alle Dublin-Rückkehrer von der Polaria (Luftpolizei) am Flughafen Fiumicino empfangen. Sie werden erneut erkennungsdienstlich behandelt und es erfolgt die Feststellung, welche Questura in Italien für die Person zuständig und wie der Stand des Verfahrens ist (AA, Auskunft v. 11. 09.2013 an OVG NRW - zu Frage a.)).

74

Bei ihrer Ankunft werden die Ausländer – so auch die Dublin-II-Rückkehrer – von der am Flughafen zuständigen Hilfsorganisation „Confederazione Nazionale delle Misericordie d’Italia“ betreut und in Anwesenheit von Dolmetschern über den weiteren Verfahrensablauf unterrichtet (AA, Auskunft v. 11.09. 2013 an OVG NRW - zu Frage a.)). Die genannte Hilfsorganisation sucht für die Dublin-II-Rückkehrer zugleich eine (vorläufige) Unterkunft in einem Aufnahmezentrum (z. B. einer Einrichtung der „Centri di accoglienza richiedenti asilo“ - CARA -), welches im Allgemeinen für die Erstaufnahme zuständig ist, bis die Zuweisung zu einer Asylunterkunft am Ort der zuständigen Questura erfolgt ist. Während die Dublin-II-Rückkehrer sofort eine Unterkunft in einem entsprechenden Erstaufnahmezentrum erhalten, kann die Zuweisung zu einer Asylunterkunft für die Dauer des Asylverfahrens einige Zeit dauern, weil es zunächst gewisser Formalien den jeweiligen Asylantrag betreffend bei der zuständigen Questura bedarf. Manchmal beträgt dieser Zeitraum nur einige Tage, manchmal aber auch Wochen, z. B. wenn es sich um große Städte und Ballungszentren handelt. Belastbares Zahlenmaterial bezogen auf die Verweildauer in den Erstaufnahmeeinrichtungen ist mangels statistischer Erhebungen allerdings nicht verfügbar. In den Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber, den bereits erwähnten Einrichtungen der CARA, ist laut Gesetz grundsätzlich ein Verbleib von nicht länger als 20 bis 35 Tagen vorgesehen. Da die Zuweisungsverfahren aber oftmals länger dauern, bleiben die Antragsteller entsprechend länger in diesen Aufnahmezentren (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW - zu den Fragen a.), b.) und c.)).

75

Nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnismitteln erhalten die Schutzsuchenden nach ihrer Ankunft in Italien zudem Informationsbroschüren über ihre Rechte im Asylverfahren (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 2.3.). Diese Broschüren existieren in unterschiedlichen sprachlichen Fassungen, so u. a. in persischer, arabischer, französischer, englischer, italienischer, somalischer, spanischer und tigrinischer Sprache (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 2.3.). Darüber hinaus befinden sich in den Aufnahmeeinrichtungen Betreuungsdienste, die den Asylantragstellern zur Unterstützung zur Verfügung stehen. Diese beschäftigen oftmals Mitarbeiter, die die Landessprache der Hauptherkunftsstaaten der Asylantragsteller beherrschen (AA, Auskunft v. 21.02. 2013, Anm. 2.3.).

76

Nach allem besteht für den Senat kein Grund zur Annahme, dass die in Italien Schutzsuchenden nach ihrer Ankunft dort in unangemessener Weise “sich selber überlassen bleiben“ und sich im Hinblick auf das erstrebte Aufnahme- und Asylverfahren nicht zurecht finden können.

77

Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass die Rücküberstellung von Asylbewerbern auf der Grundlage der Dublin-II-Verordnung seitens der italienischen Behörden auf Widerstände stößt. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es im Rahmen des Dublin-Systems vor einer Asylantragstellung oder während des Asylverfahrens zu Einreiserverweigerungen, Rücküberstellungen oder sonstigen Ausweisungen in die Herkunftsländer der Asylbewerber kommt (vgl. UNHCR, Stellungnahme v. 24.04.2012 an VG Braunschweig, S. 5).

78

b) Der Senat vermag aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel auch nicht zur Einschätzung zu gelangen, dass Asylsuchende und Flüchtlinge – jedenfalls soweit es die aktuellen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts betrifft – nach ihrer Einreise und / oder während ihres Asylverfahrens mangels einer (angemessenen) Unterkunft regelmäßig oder auch nur in einer Vielzahl von Fällen in die Obdachlosigkeit geraten, mithin „auf der Straße“ oder in „Elendsquartieren“ leben müssen.

79

aa) Dabei ist zunächst hervorzuheben, dass Asylsuchende während des Asylverfahrens einen Rechtsanspruch auf eine Unterbringung besitzen, und zwar gleichermaßen für die Zeit zwischen Antragstellung und Registrierung wie für die Zeit zwischen Registrierung und Entscheidung über das Asylbegehren (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1., 5.3. und 6.1.). Dieser Anspruch ist grundsätzlich wohl auch behördlich bzw. gerichtlich durchsetzbar. Dies deckt sich jedenfalls mit einer Antwort der Bundesregierung vom 18. April 2011 auf eine Kleine Anfrage im Bundestag ("Lage von Asylsuchenden und anerkannten Flüchtlingen in Italien" – BT-Drucks. 17/5579), aus der sich ergibt, dass Asylbewerber in Italien einen gerichtlich durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Unterkunft haben. Allerdings kommt es für die Beurteilung der in Rede stehenden Frage nicht in erster Linie auf die bestehende Rechtslage an; maßgeblich ist vielmehr auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen.

80

Nach den aktuellen Auskünften des Auswärtigen Amtes stellt sich indes die tatsächliche Unterbringungssituation im Rahmen des italienischen Aufnahmesystems für Asylbewerber und Flüchtlinge Anfang 2013 (5. Kalenderwoche) wie folgt dar:

81

Die Aufnahmezentren der CARA verfügen über 5.516 Plätze und beherbergen derzeit ca. 5.300 Personen nebst 2.710 Plätzen in den Einrichtungen der CARA von Lampedusa, so dass insgesamt mehr als 8.000 Plätze zur Verfügung stehen. Die Zahlen im Gutachten von Frau Judith Gleitze, borderline-europe e. V. vom Dezember 2012 an das VG Braunschweig (a. a. O. S. 11), wonach 3.163 Personen in den genannten Einrichtungen aufgenommen werden könnten, seien inzwischen überholt (AA, Auskunft v. 24.05.2013 an VG Minden - zu Frage 8.).

82

Darüber hinaus stehen den Asylbewerbern und Flüchtlingen grundsätzlich die staatlichen Aufnahmeeinrichtungen der SPRAR („Sistems di Protezione per Richiedenti Asilo e Refugiati“) zur Verfügung. Die dort vorhandenen Plätze sind laut Auskunft des Auswärtigen Amtes in der Vergangenheit deutlich angestiegen: Bisher habe es 3.000 Plätze gegeben, so dass dort (weil eine Unterbringung regelmäßig nur für 6 Monate vorgesehen sei) insgesamt 6.000 Personen hätten versorgt und untergebracht werden können (vgl. zur Aufnahmekapazität von etwa 3.000 Personen u. a. auch der Bericht der Schweizerische Flüchtlingshilfe, a. a. O. S. 5). Nunmehr aber stehen nach Auskunft des Auswärtigen Amtes - bestätigt durch Auskünfte von Mitarbeitern der SPRAR und des italienischen Innenministeriums – insgesamt 5.000 Plätze zur Verfügung, so dass 8.000 bis 10.000 Personen untergebracht werden könnten, ungeachtet der im Rahmen des EU-finanzierten FER-Projektes für vulnerable Personen und anderer Projekte vorhandenen weiteren Plätze (AA, Auskunft v. 24.05.2013 an VG Minden - zu Frage 8.). Dies entspricht in etwa auch der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.02.2013 auf Anfrage des Senats, wonach inzwischen in ganz Italien 40 Aufnahmezentren mit rund 9.000 Plätzen zur Verfügung stehen (AA, a. a. O., Anm. 4.3.).

83

Dem steht z. B. für das Jahr 2012 eine Anzahl von 1.148 Personen gegenüber, die als Rückkehrer im Rahmen der Dublin-II-Verordnung über Rom nach Italien zurückgeschickt wurden und von der Organisation Ariconfraternita am Flughafen von Rom betreut wurden (Gutachten an das VG Braunschweig von Judith Gleitze, borderline-europe e. V. vom Dezember 2012, S. 25 und S. 59 – in Ermangelung der erfassten Gesamtzahlen der Dublin-Rückkehrer nach Italien). Berücksichtigt man überdies, dass die Zahl der Asylbewerber seit 2012 – trotz gewisser Schwankungen – insgesamt rückläufig ist, kann zumindest gegenwärtig nicht (mehr) von unzureichenden Aufnahme- und Unterbringungskapazitäten ausgegangen werden. Zur Überzeugung des Senats dürfte sich somit die aktuelle Situation in Italien soweit entspannt haben, dass sämtliche Asylbewerber, und insbesondere Dublin-II-Rückkehrer, in den öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen Platz finden können (ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013 - OVG 7 S 33.13 - ).

84

Die Annahme fehlender Kapazitäten für die Unterbringung von Dublin-II-Rückkehrern nach Italien ist insbesondere auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil es in der Vergangenheit zu einem massiven Zustrom von Flüchtlingen aus Nordafrika gekommen ist und dies zu (nachhaltigen) Engpässen bei der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern geführt hat.

85

Der UNHCR hat in diesem Zusammenhang in seiner Stellungnahme vom 24. April 2012 an das VG Braunschweig (a. a. O. S. 3) auf Folgendes hingewiesen: Im Jahre 2011 sind nach der Ankunft einer erheblichen Zahl von Personen aus Nordafrika und der darauf folgenden Erklärung des „humanitären Notstandes“ die regionalen Regierungen gebeten worden, zusätzliche Aufnahmeeinrichtungen zu bestimmen, da die bestehenden Aufnahmekapazitäten als unzureichend eingeschätzt wurden. Zwischen den Regierungen und den örtlich zuständigen Behörden (Regionen, bestimmten Provinzen [„Province Autonome“] und Gemeinden) seien Vereinbarungen getroffen worden, in denen Kriterien für die landesweite Verteilung von bis zu 50.000 Personen festgehalten wurden. Die Verantwortlichkeit für den diesbezüglichen Aufnahmeplan liege beim Leiter des Zivilschutzes („Dipartimento di Protezione Civile“). Bis Anfang 2012 seien 20.000 Personen im Rahmen des Plans in den Notunterkünften, meist in Einrichtungen kleiner bis mittlerer Größe, untergebracht worden, die in ganz Italien verteilt sind.

86

Dies deckt sich mit den Auskünften des Auswärtigen Amtes. Danach hätten die vorgehaltenen temporären Aufnahmestrukturen des Zivilschutzes, die anlässlich des Flüchtlingsstromes aus Nordafrika in der Größenordnung von 50.000 Plätzen in den Regionen geschaffen worden seien, die bestehenden Engpässe kompensiert (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.3.).

87

Soweit im Gutachten von Judith Gleitze, borderline-europe e. V. vom Dezember 2012 an das VG Braunschweig (a. a. O., S. 15) darauf verwiesen wird, dass die durch den Zivilschutz zusätzlich geschaffenen Unterkünfte nur zeitlich befristet vorgesehen gewesen seien, zunächst wohl nur bis Ende 2011 und alsdann bis Ende 2012, und dass diese inzwischen wieder geschlossen worden seien, so rechtfertigt auch dieser Einwand nach Auffassung des Senats nicht die Annahme, dass es gegenwärtig und zukünftig wieder zu fehlenden Kapazitäten in den staatlichen Einrichtungen kommen wird.

88

Zwar trifft es zu, dass das Notstandsprogramm befristet war und inzwischen wohl offiziell ausgelaufen ist. Allerdings trifft es ebenfalls zu, dass die Einrichtungen derzeit faktisch zumindest in einem beschränkten Umfang fortgeführt werden. Grund für die Schließung der Notunterkünfte war der Umstand, dass die Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge gegenüber den Vorjahren, insbesondere dem Jahr 2011 und 2012, deutlich zurück gegangen war. Allerdings waren nach Auskunft des Auswärtigen Amtes Anfang des Jahres 2013 noch ca. 17.000 Personen in den temporären Einrichtungen des Zivilschutzes untergebracht (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 4.3.). Das Auswärtige Amt hat unterdessen mit seiner neuesten Auskunft – unter Berufung auf den Leiter des Italienischen Amtes für Aufnahmezentren und Betreuung, Herrn Tommaso Ricciardi vom 04. September 2013 – zum Notstandsprojekt Nordafrika mitgeteilt, dass sich derzeit nur noch etwa 1.000 Personen („vulnerable cases“ und Asylbewerber, die ein Rechtsmittel eingelegt haben) in den Notunterkünften befinden. Offiziell hätten diese nunmehr am 01. September 2013 schließen sollen. Es werde gegenwärtig überlegt, wie die Versorgung dieser Personen weiter gewährleistet werden kann (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW – zu Frage e)).

89

Angesichts der aufgezeigten Entwicklung steht auch nicht zu erwarten, dass mit der Schließung der Notunterkünfte die dort untergebrachten bzw. noch verbliebenen Asylbewerber und Flüchtlinge in die staatlichen Unterkünfte drängen und es damit zu erneuten Überbelegungen kommen wird, mithin die Problematik fehlender Kapazitäten in den staatlichen Zentren erneut auftritt. Das Auswärtige Amt weist zudem ausdrücklich darauf hin, dass das Auslaufen des Nordafrika-Programms keine konkreten Auswirkungen auf die Dublin-Rückkehrer hat, da für diesen Personenkreis (der nicht in den Notunterkünften untergebracht wird) von vornherein kein unmittelbarer Zusammenhang zum Programm bestand (AA, Auskunft v. 11.09. 2013 an OVG NRW – zu Frage e)).

90

Gegenteiliges dürfte zur Überzeugung des Senats auch dann nicht anzunehmen sein, wenn es zu einem erneuten Anstieg der Zahl von Asylbewerbern in Italien kommen sollte. Das ausgelaufene Notstandsprogramm belegt, dass Italien Unterbringungsplätze in erheblichen Umfang zusätzlich zur Verfügung stellen kann, wenn der Zustrom von Flüchtlingen dies erfordert. Das geschaffene Notstandsprogramm lässt darauf schließen, dass die verantwortlichen Stellen – selbst wenn sie auf Druck der übrigen EU-Mitgliedstaaten tätig geworden sein sollten – bemüht sind, sich dem jeweiligen unterschiedlichen Unterkunftsbedarf in der gebotenen Weise anzupassen. Dies lässt es insbesondere nicht ausgeschlossen erscheinen, dass bei einem eventuellen erneuten Anstieg der in Italien eintreffenden Flüchtlinge und Asylbewerber entsprechende Programme zur kurzfristigen Schaffung zusätzlicher Unterkünfte neu aufgelegt werden. Dies alles rechtfertigt keine grundlegenden Zweifel daran, dass ein insoweit auch nach Beendigung des Notstandsprogramms fortdauernder Bedarf oder erneute Massenanstürme von Flüchtlingen bewältigt werden können (ebenso: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013, a. a. O.).

91

Im Übrigen erkennt auch der UNHCR an, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des staatlichen Aufnahmesystems stattgefunden haben. Insgesamt seien die Einrichtungen der CARA, CDA und SPRAR (nunmehr) in der Lage, dem Aufnahmebedarf einer „signifikanten Anzahl“ von Asylsuchenden nachzukommen (Stellungnahme vom 24. April 2012 an VG Braunschweig, S. 3). Allerdings macht der UNHCR die Einschränkung, dass die Kapazitäten der genannten Einrichtungen nicht für die Unterbringung aller unterstützungsbedürftigen Asylsuchenden ausreichend sein dürften, wenn Personen in erheblicher Anzahl neu in Italien ankommen würden (UNHCR, a. a. O., S. 3). Indes bestehen z. Z. keine Anhaltspunkte dafür, dass es in Italien derzeit oder in absehbarer Zeit erneut zu einem derartigen Anstieg der Asylbewerberzahlen kommen wird, wie er etwa in den Jahren 2010 und 2011 zu verzeichnen war.

92

Eine andere Bewertung der Unterkunftssituation für Asylbewerber und Flüchtlinge erscheint dem Senat schließlich auch nicht deshalb geboten, weil nach Auffassung des UNHCR (Stellungnahme v. 24.04.2012) in der gegenwärtigen Situation davon auszugehen sei, dass derzeit die überwiegende Anzahl aller Asylverfahren nicht innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen werden können, und die Aufnahme in den Aufnahmezentren regelmäßig auf sechs Monate befristet sei. Abgesehen davon, dass der UNHCR selbst einräumt, dass keine konkreten Zahlen zur Dauer der Asylverfahren vorliegen, besteht nach Auskunft des Auswärtigen Amtes die Möglichkeit, dass im Einzelfall – so auch bei Einlegung von Rechtsmitteln – die Aufenthaltsdauer in der Einrichtung verlängert wird.

93

Zudem ist auch dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Mai 2011 zu entnehmen, dass für die Aufnahme von Asylbewerbern eben nicht nur CARA-, CIE- und SPRAR-Zentren zur Verfügung stehen, sondern auch andere Zentren vorhanden sind basierend auf Abkommen zwischen dem Innenministerium und Gemeinden, aber auch von der Stadt – wie etwa Rom - finanzierte und von NGO’s betriebene Zentren (vgl. Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Bericht über die Situation von Asylsuchenden, Flüchtlingen und subsidiär oder humanitär aufgenommenen Personen, mit speziellem Fokus auf Dublin-Rückkehrende, S. 19). Nach dem vorgenannten Bericht (a. a. O. S. 19) kommen noch kirchliche und karitative Einrichtungen hinzu. Dass es unter Berücksichtigung der Aufnahmekapazität all dieser öffentlichen und privaten Einrichtungen sowie unter Nutzung des Angebotes des Wohnungsmarktes nicht möglich ist, eine Unterkunft zu finden, ist nicht ersichtlich.

94

Das Auswärtige Amt weist ebenfalls darauf hin, dass neben den staatlichen Unterbringungszentren zusätzlich kommunale und karitative Einrichtungen existieren wie z. B. Caritas, Migrantes in Rom, die Schwestern des Ordens der Mutter Teresa „Suore Missionarie della Carità“ und andere Hilfsorganisationen (Comunità di Sant’Egidio, Opere Antoniane, Stranieri in Italia, Centro Astalle - Jesuiten -), welche die Antragsteller und Asylbewerber versorgen und ihnen Unterkunftsplätze besorgen (AA, Auskunft v. 21.08.2013 an OVG LSA - zur Frage 3.). Dies entspricht zugleich der Einschätzung des Auswärtigen Amtes, wonach nicht davon auszugehen ist, dass jene Personen, die in den staatlichen Aufnahmeeinrichtungen und staatlichen Unterkünften keinen Platz finden, regelmäßig oder überwiegend obdachlos „auf der Straße“ oder in „Elendsquartieren“ leben müssen (AA, a. a. O. Anm. 4.3.).

95

Veranlassung zu einer anderen Einschätzung gibt dem Senat schließlich auch nicht der Bericht von Maria Bethke und Dominik Bender „Zur Situation von Flüchtlingen in Italien“ vom 28. Februar 2011, wonach angeblich davon auszugehen ist, dass „in der Vergangenheit 88 vom Hundert der Dublin-II-Rückkehrer der Gefahr der Obdachlosigkeit überlassen worden seien“. Der Senat geht dabei davon aus, dass diese Aussage nicht bedeutet, dass etwa 88 vom Hundert der Dublin-II-Rückkehrer tatsächlich in die Obdachlosigkeit geraten sind, sondern dass es sich hierbei – da der Bericht lediglich von einer „Gefahr“ einer Obdachlosigkeit spricht – um eine bloße Annahme handelt in Bezug auf das womöglich bestehende Risiko, von einer Obdachlosigkeit betroffen zu werden. Dem Senat erscheint bei dieser Sachlage allerdings nicht nachvollziehbar, wie eine (potentielle) „Gefahr“ prozentual derart exakt prognostiziert werden kann, wie dies im Bericht mit 88 vom Hundert geschehen ist, zumal die Unterbringung in staatlichen und privaten Einrichtungen und auch die Wohnungssuche im Allgemeinen mit einer Fülle von Unwägbarkeiten verbunden ist. Überdies sind die Angaben nur bedingt brauchbar, weil eben nicht erkennbar wird, auf welchen Erkenntnissen diese beruhen und welche zurückliegenden Zeiträume in Bezug genommen werden, wenn davon gesprochen wird, dass sich Aussage auf die „Vergangenheit“ beziehe.

96

bb) Ebenso lässt sich nach Auffassung des Senats nicht feststellen, dass Asylbewerber infolge unzureichender und unzumutbarer Verhältnisse in den staatlichen bzw. privaten Unterkünften, namentlich etwa aufgrund unhygienischer Zustände oder Gewalttätigkeiten und krimineller Delikte wie u. a. Diebstahl, Vergewaltigung oder erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind. Dabei wird nicht verkannt, dass es in Unterkünften mit einer Vielzahl von – teilweise auch traumatisierten – Flüchtlingen unterschiedlicher Nationalität, Religion und Gebräuchen häufiger als in anderen Bereichen der Gesellschaft zu Konflikten und gelegentlich auch gewaltsamen Übergriffen kommen dürfte. Es dürfte sich dabei allerdings um ein allgemeines Phänomen in Gemeinschaftseinrichtungen handeln, dem die staatlichen Stellen nur bedingt wirksam entgegen wirken können. Auch wenn die Aufnahme-, Unterbringungs- und Lebensbedingungen von Asylbewerbern in Italien regelmäßig nicht mit dem hiesigen Standard vergleichbar sein mögen, ist zur Überzeugung des Senats davon auszugehen, dass die Zustände in den Unterkünften im Allgemeinen jedenfalls nicht derart unzumutbar und unhaltbar sind, dass deshalb die Feststellung einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung der Asylbewerber gerechtfertigt erschiene. Dies gilt zum einen hinsichtlich der hygienischen Verhältnisse. So wird nach Auskunft des Auswärtigen Amtes von den staatlichen Aufnahmezentren und Einrichtungen Kleidung gestellt, ebenso Wäsche und Hygieneartikel zum persönlichen Gebrauch (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1., 5.3. und 6.1.). Überdies teilt das Auswärtige Amt zur Situation in den staatlichen Aufnahmezentren und Unterkünften mit, dass die hygienischen Verhältnisse dort nicht regelmäßig oder sogar überwiegend sich in der Weise darstellen, dass man ernstlich Gefahr läuft zu erkranken. Sie seien auch nicht dergestalt, dass sie nicht den Mindestanforderungen (Kochstellen, Toiletten, Waschräume, fließendes Wasser und Elektrik) genügen würden. Vielmehr seien sie durchweg so beschaffen, dass kleinere Schlafräume in Wohnhäusern oder Containern vorhanden seien, die auch zumeist mit Klimaanlagen und Zentralheizung versehen seien. Insbesondere seien Toilettenräume in ausreichender Zahl und getrennt nach Geschlechtern vorhanden. Gleiches gelte für Waschräume. Die Verpflegung werde vielfach in einem gemeinsamen Speisesaal bereitgestellt. Vereinzelt bestünden auch zusätzliche Möglichkeiten für die eigene Zubereitung von Mahlzeiten. Ferner seien in den Einrichtungen Sozialräume sowie getrennte Räumlichkeiten für medizinische Dienste und Sonderfälle vorhanden. Zur Aufrechterhaltung der Sauberkeit der allgemeinen Räumlichkeiten würden spezielle Reinigungsdienste beschäftigt (vgl. zu allem: AA, Auskunft v. 21.01.2013, Anm. 4.5.).

97

Zum anderen lässt sich aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse auch nicht feststellen, dass sich die Verhältnisse in den staatlichen Aufnahmezentren und Unterkünften in der Weise darstellen, dass die Bewohner in ständiger Angst leben müssten, „angegriffen, ausgeraubt oder gar vergewaltigt“ zu werden. Zwar gibt es Berichte, wonach es zu gewaltsamen Übergriffen von männlichen auf weibliche Bewohner gekommen sein soll; hierbei handelt es sich aber um Einzelfälle, wenngleich statistische Erhebungen zur Kriminalität speziell in den genannten Einrichtungen nicht existieren bzw. nicht bekannt sind. Darüber hinaus werden die Aufnahmeeinrichtungen zumindest durch die Polizei oder Carabinieri überwacht und geschützt; wegen auftretender Spannungen zwischen verschiedenen Ethnien wurden in manchen Einrichtungen zudem zusätzliche Polizeikräfte postiert (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.6.).

98

Im Ergebnis vermag der Senat somit nicht festzustellen, dass es – sieht man von Engpässen und Einzelschicksalen ab – mit der Durchführung von Asylverfahren in Italien generell zu Begleiterscheinungen wie etwa Obdachlosigkeit oder aufgrund der Zustände in den Unterkünften zu einer Verwahrlosung der Asylbewerber kommt.

99

c) Der Senat vermag ebenfalls nicht festzustellen, dass Schutzsuchende während des Asylverfahrens in Italien unter Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EuGrdRCh in materieller Not leben müssen, so dass von einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung auszugehen wäre, oder mit Blick auf die Versorgungssituation und soziale Situation der Asylbewerber und Flüchtlinge gemessen an den Vorgaben des unionsrechtlichen Sekundärrechts sich das Asylsystem als nicht (mehr) richtlinienkonform darstellt.

100

Asylsuchende und Flüchtlinge haben nach Auskunft des Auswärtigen Amtes während des Asylverfahrens einen (Rechts-)Anspruch auf (angemessene) Verpflegung und Versorgung (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1.). Dieser Verpflichtung wird im Allgemeinen dadurch nachgekommen, dass in den staatlichen Unterkünften und Aufnahmezentren entsprechende Leistungen erbracht werden. Namentlich wird auch Kleidung gestellt, ebenso Wäsche und Hygieneartikel zum persönlichen Gebrauch (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 5.1., 5.3. und 6.1.). Vorgenanntes gilt gleichermaßen für die Zeit zwischen Antragstellung und Registrierung wie für die Zeit zwischen Registrierung und Entscheidung über das Asylbegehren (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 5.1.).

101

Ebenso werden Asylbewerber und Flüchtlinge, die in nichtstaatlichen, namentlich karitativen und kirchlichen Unterkünften leben, mit Nahrung und Kleidung versorgt, wobei insoweit auch private Dienstleister herangezogen werden (vgl. AA, Auskunft v. 21. 02.2013, Anm. 5.2.). Allerdings ist für Asylbewerber und Flüchtlinge außerhalb staatlicher sowie karitativer und kirchlicher Einrichtungen eine staatliche Verpflegung und Versorgung nicht (mehr) gewährleistet. Auch existiert in Italien nur ein sehr eingeschränktes staatliches Sozialhilfesystem; danach erhalten nur Personen über dem 65. Lebensjahr Sozialhilfeleistungen. Im vorliegenden Fall würde dies sogar bedeuten, dass die 65-jährige Klägerin auch staatliche Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen könnte. Im Übrigen haben die Betroffenen auch als Asylbewerber und schutzsuchende Flüchtlinge einen freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Sie können ihren Lebensunterhalt dadurch verdienen, dass sie je nach Ausbildung oder Befähigung einer zumindest einfachen Arbeit nachgehen (vgl. AA, Auskunft v. 21.02. 2013, Anm. 5.1.).

102

In der Praxis kann somit nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass Asylbewerber und Flüchtlinge ihren Lebensunterhalt regelmäßig nicht durch Betteln und / oder Prostitution sichern müssen (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.4.). Vielmehr ist insgesamt eine ausreichende Versorgung vorhanden. Einzelfälle sind allenfalls auf das in der aktuellen Wirtschaftskrise insbesondere in italienischen Großstädten zunehmend auftretende Phänomen des Bettelns und die damit einhergehenden erhofften zusätzlichen Einkunftsmöglichkeiten zurückzuführen. Was die Prostitution angeht, so ist nicht völlig auszuschließen, dass weibliche Asylbewerber oder Flüchtlinge in Einzelfällen durch Angehörige der organisierten Kriminalität rekrutiert werden und dann tatsächlich der Prostitution nachgehen. Dies ist aber nicht im kausalen Zusammenhang mit Defiziten im Asylverfahren zu sehen (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.4.; Auskunft v. 24.09.2012, S. 3 - Antwort auf Frage b 2)).

103

Im Übrigen folgt aus Art. 3 EMRK und Art. 4 EuGrdRCh auch nicht die Verpflichtung, Asylbewerbern und Flüchtlingen eine finanzielle Unterstützung zu gewähren, um ihnen einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.02.2011, a. a. O.).

104

Ebenso ist ein Verstoß gegen die Richtlinie 2004/83/EG nicht ersichtlich. Kapitel VII der Richtlinie gestaltet den Inhalt des internationalen Flüchtlingsschutzes zwar u. a. dahin gehend aus, dass Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte grundsätzlich Zugang zu Sozialleistungen (Art. 28), medizinischer Versorgung (Art. 29) und Wohnraum (Art. 31) erhalten. Allerdings gehen die Bestimmungen über die Gebote zur Inländergleichbehandlung (Art. 28, 29) bzw. zur Ausländergleichbehandlung (Art. 31) nicht hinaus. Art. 28 und 29 der Richtlinie gewährleisten die notwendige Sozialhilfe bzw. medizinische Versorgung nur insoweit, wie die Mitgliedstaaten ihren eigenen Staatsangehörigen eine entsprechende Behandlung bzw. Versorgung gewähren; für Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte besteht zudem die Möglichkeit, den Anspruch auf Kernleistungen zu beschränken, die dann im Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige zu gewähren sind. Demzufolge muss der in Italien bestehende allgemeine Lebensstandard für andere, vergleichbare Personen mit italienischer Staatsangehörigkeit in den Blick genommen werden, die ebenfalls keine staatlichen Sozialleistungen in Anspruch nehmen können und bei denen ebenfalls nur durch die Aufnahme von Gelegenheitsarbeiten oder aber vermittels von Zuwendungen karitativer oder kirchlicher Organisationen das Existenzminimum gesichert ist.

105

Nach allem lässt sich ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EuGrdRCh nicht daraus herleiten, dass – worauf in der Rechtsprechung einzelner Verwaltungsgerichte abgestellt wird – ein staatliches Sozialsystem, welches Flüchtlingen und Asylsuchenden zumindest ein Existenzminimum garantiert, nicht zur Verfügung steht und dass die Betroffenen deshalb darauf angewiesen seien, sich „selbst durch das Leben zu schlagen“ (vgl. VG Magdeburg, Beschl. v. 28.03.2011 - 9 B 101/11 MD - Juris; Gerichtsbescheid v. 21.11.2011 - 9 A 351/10 - [S. 5 d. UA]; VG Braunschweig, Beschl. v. 31.05.2011 - 1 B 103/11 - m. w. N. - Juris).

106

Im Übrigen ist in der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (a. a. O. S. 22) nicht – wie gelegentlich behauptet wird – die Rede davon, dass der genannte Personenkreis „in extremer Armut lebt und dass sie ihre Lebensbedürfnisse nicht decken können“. Vielmehr ist – wohl mit Bedacht – davon die Rede, dass sie Gefahr laufen, womöglich in eine solche Situation zu geraten; dass sich indes diese Gefahr bereits in eine Vielzahl von Fällen realisiert hätte oder gleichsam regelmäßig bzw. für jeden Asylsuchenden und Flüchtling die konkrete Gefahr bestünde, dass nicht einmal das Existenzminimum gesichert ist, wird nicht behauptet. Dies schließt nicht aus, dass es in Einzelfällen auch zu besonderen Notlagen kommen mag und dass der Lebensstandard der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien im Allgemeinen sehr gering sein dürfte. Gleichwohl vermag der Senat anhand des ihm vorliegenden umfassenden Erkenntnismaterials aber nicht festzustellen, dass die Situation für Flüchtlinge und Asylsuchende in den Zentren und außerhalb derselben derart prekär wäre, dass deshalb von einem Verstoß gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EuGrdRCh auszugehen ist.

107

d) Soweit es die medizinische Versorgung betrifft, sind alle Mitgliedstaaten aufgrund der EU-Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 verpflichtet, bestimmte Mindeststandards der medizinischen Versorgung zu gewährleisten. So haben alle Mitgliedstaaten nach Art. 15 der genannten Richtlinie dafür Sorge zu tragen, dass Asylbewerber und Flüchtlinge die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung für die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst. Dabei ist auch Asylbewerbern mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische und sonstige Hilfe zu gewähren.

108

In Italien ist im Rahmen des nationalen Gesundheitsdienstes grundsätzlich ein medizinischer Mindestbehandlungsstandard gewährleistet. Asylbewerber und Flüchtlinge haben in Italien während des Asylverfahrens einen Anspruch auf eine „freie“ (kostenlose) medizinische Versorgung sowie auch auf psychologische Hilfe, insbesondere auch Minderjährige und traumatisierte Personen (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1., 5.3. und 6.3.).

109

Dem entspricht es, wenn im Entscheiderrundbrief des Bundesamtes 7/2011 (a. a. O., S. 8) zur medizinischen Versorgung festgestellt wird, dass bei der Überstellung von kranken bzw. traumatisierten Personen – wie bei jedem italienischen Staatsbürger – die Möglichkeit der (medizinischen) Behandlung besteht. Bereits im Jahre 2009 habe es bei der SPRAR drei Zentren gegeben, in denen auch psychisch kranke Personen hätten behandelt werden können (zwei in Rom, eines in Turin). Für 2011 seien zudem 50 weitere Behandlungsplätze für psychisch kranke Personen bzw. Personen mit besonders schweren Erkrankungen geplant worden. Inzwischen würden bei Dublin-Überstellungen psychisch kranke Personen in Italien als eine besonders „vulnerable Gruppe“ angesehen.

110

Voraussetzung für den Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem ist zwar grundsätzlich ein gültiger Aufenthaltstitel bzw. ein rechtmäßiger Aufenthalt; bei im italienischen Asylverfahren befindliche Personen stellt sich dieses Problem aber nicht. Der Zugang zu öffentlichen medizinischen Leistungen ist auch nicht an die Voraussetzung eines ständigen Wohnsitzes bzw. feste Adresse gekoppelt, wie gelegentlich behauptet wird. Vielmehr erhalten Asylbewerber bei Bedarf auch ohne einen solchen ständigen Wohnsitz bzw. feste Anschrift vom nationalen Gesundheitsdienst einen Gesundheitsausweis („tessera sanitara“) und eine Steuernummer („codice fiscale“) (vgl. AA, Auskunft v. 09.10.2012 an VG Minden, S. 2 - zur Frage b) 4; ebenso: AA, Auskunft v. 11.07.2012 an VG Freiburg - S. 2 Ziffer I b)). Sollte hingegen etwas anderes gelten, ist davon auszugehen, dass aufgrund einer aktuellen Vereinbarung zwischen der Zentralregierung und den Regionen zumindest eine Not- und Grundversorgung auch für sich illegal in Italien aufhaltende Personen garantiert ist (AA, Auskunft v. 21.01.2013, Anm. 6.2.).

111

Der Senat vermag angesichts dieser Situation nicht zu erkennen, dass damit den eingangs aufgezeigten Mindeststandards bzw. Kernanforderungen nicht genügt wird. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass in bestimmten Fällen womöglich einzelnen Personen eine nur unzureichende medizinische Versorgung zuteil wurde oder diese aus dem medizinischen Versorgungssystem herausgefallen sind.

112

Aber selbst dann, wenn für kranke, behinderte oder sonst gesundheitlich besonders schutzbedürftige Personen die garantierte medizinische Not- und Grundversorgung nicht als ausreichend angesehen würde, ergäben sich daraus jedenfalls für die Klägerin, die keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen angeführt hat, keine Bedenken gegen ihre Überstellung nach Italien.

113

e) Soweit es das Asylverfahren als solches, namentlich die Qualität und die Dauer des Verfahrens betrifft, lässt sich ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 EMRK und Art. 4 EuGrdRCH sowie gegen die einschlägigen unionsrechtlichen Richtlinien ebenfalls nicht feststellen.

114

Italien gewährleistet entsprechend dem (Grund-)Recht auf Asyl (gem. Art. 10 Abs. 3 der italienischen Verfassung, verschiedenen Einwanderungs- und Asylverfahrensgesetzen, insbesondere nach dem Gesetz No. 25/2008 vom 28. Januar 2008) ein Schutzverfahren, das auch für Überstellungen nach der Dublin-II-Verordnung greift. Besonderheiten bestehen insoweit nicht (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 3.1.).

115

Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass es hinsichtlich der Qualität oder der Dauer der Asylverfahren einen Grund für Beanstandungen gibt. Insbesondere lässt sich nicht feststellen, dass von einer unverhältnismäßig restriktiven Asylpraxis auszugehen ist. Gegen eine solche Annahme sprechen die Zahlen, die vom Auswärtigen Amt zum Asylverfahren benannt werden. Danach wurden im Jahre 2010 über 14.042 Asylanträge entschieden, davon wurden 2.094 Antragsteller nach der Genfer Konvention anerkannt (15 vom Hundert), 1.789 erhielten subsidiären (13 vom Hundert), 3.675 humanitären Schutz (26 vom Hundert), hingegen wurden 4.698 abgelehnt. 520 Personen waren nicht auffindbar (4 vom Hundert) und 1.266 (9 vom Hundert) sind sonstige Fälle. Dementsprechend lag die Quote der Anerkennungen bzw. der Gewährung eines Bleiberechts bei immerhin 54 vom Hundert (vgl. AA, Auskunft v. 21.02. 2013, Anm. 3.2.). Demgegenüber wurden im Jahre 2011 über 25.626 Asylanträge entschieden. Davon wurden 2.057 Antragsteller nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt (8 vom Hundert), 2.569 Personen erhielten subsidiären (10 vom Hundert) und 5.662 humanitären Schutz (22 vom Hundert); 11.131 Personen wurden hingegen abgelehnt (44 vom Hundert) und 2.339 Personen waren nicht auffindbar (9 vom Hundert). Die Anerkennungsquote lag 2011 somit bei 40 vom Hundert, was ebenfalls nicht die Annahme einer unverhältnismäßig restriktiven Praxis rechtfertigt (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 3.2.; AA, Auskunft v. 11.07.2012 an VG Freiburg, S. 5 unter Hinweis auf eine entsprechende Statistik des Innenministeriums, abrufbar unter: http://www.interno.it/miniinteno/export/sites/default/it/assets/files/21/0551_statistiche_asilo.pdf).

116

Es kommt hinzu, dass sich die für die Entscheidung der Asylverfahren in erster Instanz zuständigen Territorialkommissionen per Dekret des Innenministers in der Weise zusammensetzen, dass auch jeweils ein Vertreter des UNHCR beteiligt ist (Bundesamt für Migration der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Hintergrundnotiz MILA - Italien Asylverfahren, Bericht vom 23.09.2009, S.4). Dies berechtigt zur Annahme, dass der Ordnungsmäßigkeit des Asylverfahrens eine besondere Beachtung geschenkt wird.

117

Hinsichtlich der Dauer des Asylverfahrens in Italien gibt es ebenfalls nichts zu beanstanden. Über den Asylantrag soll an sich innerhalb von 30 Tagen entschieden werden; zudem wird angestrebt, dass das Gesamtverfahren einschließlich gerichtlicher Überprüfung nicht länger als sechs Monaten dauert, auch wenn es immer wieder Fälle gibt, in denen diese Dauer – manchmal bis zu einem Jahr oder auch länger – überschritten wird (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 3.1., 3.2.; ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013, a. a. O. Rn. 15).

118

Ferner lässt sich nicht feststellen, dass es in Italien während des Asylverfahrens in nennenswerter Weise faktische Beeinträchtigungen in verfahrensrechtlicher bzw. prozessualer Hinsicht gibt. Art. 16 des italienischen Asylverfahrensgesetzes No. 25 vom 28. Januar 2008 garantiert dem Asylbewerber, dass er nach den einschlägigen Prozessvorschriften Anspruch auf eine Rechtsberatung und einen unentgeltlichen Rechtsbeistand im Verfahren hat (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 3.4.). Zwar bestehen Zweifel, ob dies auch in der Praxis ausnahmslos Geltung besitzt, wenn man berücksichtigt, dass für die nach Rom zurückkehrenden Dublin-II-Rückkehrern (und in Rom eintreffenden Asylbewerber) die Prozesskostenhilfe davon abhängig gemacht wird, dass zum Nachweis der wirtschaftlichen Bedürftigkeit eine Bescheinigung der jeweiligen Auslandsvertretung beigebracht werden soll. Allein wegen der Tatsache, dass der Asylbewerber im Einzelfall das Verfahren ohne anwaltlichen Beistand durchzuführen hat, soweit kein Anwaltszwang besteht, kann nicht schon von einem (landesweit bestehenden) systemischen Mangel gesprochen werden, der die Annahme einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i. S. d. Grundrechtscharta und EMRK rechtfertigt. Im Übrigen stehen dem Asylbewerber im Asylverfahren auch Übersetzungsdienste zur Verfügung (vgl. AA, Auskunft an OVG LSA v. 21.02.2013, Anm. 2.3. und 3.3.; AA, Auskunft v. 11.07.2012 an VG Freiburg, S. 3).

119

Insbesondere bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass – von Ausnahmen abgesehen – die für die Durchführung des Hauptsacheverfahrens erforderliche Erreichbarkeit des Asylbewerbers in Italien nicht sichergestellt wäre. Für eine solche Annahme fehlt es an hinreichend belegten Referenzfällen. Auch gibt es für Italien keine ernst zu nehmenden Quellen, wonach sich die Wahrnehmung von Verfahrensrechten (Antragstellung, Einlegung von Rechtsbehelfen etc.) regelmäßig als derart schwierig erweist, dass diese Rechte faktisch leer laufen würden.

120

Soweit in der Rechtsprechung dennoch vereinzelt – so u. a. das VG Gießen (Beschl. v. 10.03.2011 - 1 L 468/11.GI.A - Juris) und ihm folgend das VG Magdeburg (Beschl. v. 21.11.2011 - 9 A 351/10 -) – die Auffassung vertreten wird, „es erscheine auch die Qualität der Asylverfahren bedenklich“, wird diese Kritik nicht weiter spezifiziert und auch nicht durch entsprechende Erkenntnismittel belegt.

121

f) Ebenso lässt sich anhand des dem Senat vorliegenden Erkenntnismaterials nicht feststellen, dass im Hinblick auf die rechtliche und soziale Situation anerkannter Asylbewerber sowie der Flüchtlinge mit einem Bleiberecht angesichts der in Italien anzutreffenden Lebens- und Versorgungssituation sowie unter Berücksichtigung der insoweit staatlicherseits unternommenen Integrationsbemühungen das Aufnahme- und Asylverfahren in Italien derartige Mängel aufweist, dass es den Anforderungen des europäischen Asylsystems nicht mehr entspricht.

122

Schutzberechtigte, mithin anerkannte Asylbewerber (Asylberechtigte) und Personen mit subsidiärem Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten mit ihrer Anerkennung ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht; es wird ihnen eine Aufenthaltsberechtigung („permesso di soggiorno“) ausgestellt. Danach genießen sie in Italien dieselben Rechte wie italienische Staatsangehörige (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.2.).

123

Dies bedeutet in der Praxis, dass sie sich – ebenso wie italienische Staatsangehörige – grundsätzlich selbst um eine Unterkunft kümmern und auch in eigener Verantwortung einen Arbeitsplatz suchen müssen. Dafür besteht aber ein freier Zugang zum Arbeitsmarkt (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Alle Personen, die in Italien einen Schutzstatus besitzen, haben auch das Recht zu arbeiten (AA, Auskunft v. 21.02.2013, a. a. O.).

124

Sie können ihren Lebensunterhalt dadurch verdienen, dass sie je nach Ausbildung oder Befähigung einer zumindest einfachen Arbeit nachgehen (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 5.1.). Anerkannte Asylbewerber und Personen mit einem subsidiären Schutzstatus haben Zugang zu einer Beschäftigung in Italien, wie dies durch Art. 26 und Art. 28 der Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) garantiert wird.

125

Ein staatliches System finanzieller Hilfeleistungen bzw. ein Sozialhilfesystem existiert hingegen nicht. Denn in Italien gibt es für italienische Staatsangehörige – und somit auch für anerkannte Flüchtlinge und Personen mit subsidiärem Schutzstatus, die ihnen gleichgestellt sind – kein national garantiertes Recht auf Fürsorgeleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bzw. (sonstige) staatliche Sozialleistungen, jedenfalls soweit sie nicht das 65. Lebensjahr erreicht haben (AA, Auskunft v. 11.07.2012 an das VG Freiburg). Art. 28 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gewährt hinsichtlich der Sozialleistungen nur einen Anspruch auf Inländergleichbehandlung, nicht aber einen Anspruch auf Privilegierung des anerkannten Flüchtlings.

126

Zwar entspricht es der italienischen Kultur, dass es einen engen Familienzusammenhalt gibt, der im Notfall zumindest die Chance eröffnet, eine (gewisse) Unterstützung durch Familienangehörige in Anspruch nehmen zu können. Dass es eine solche vergleichbare Unterstützung unter den ausländischen Landsleuten gibt, die sich aufgrund ihres Schutzstatus dauerhaft in Italien aufhalten, erscheint nicht ausgeschlossen, dürfte aber die Ausnahme sein. Gleichwohl lässt dieser Umstand nach Auffassung des Senats für sich allein nicht schon die Annahme gerechtfertigt erscheinen, dass der anerkannte Flüchtling und sonstige Schutzberechtigte in Italien deshalb der konkreten Gefahr ausgesetzt wäre, „auf der Straße“ zu leben und zu verelenden.

127

Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass – ebenso wie italienische Staatsangehörige in einer vergleichbaren Situation – auch anerkannte Asylbewerber und schutzberechtigte Flüchtlinge von nichtstaatlichen Hilfsorganisationen, wie beispielsweise durch die CARITA und CIR, Unterstützung bekommen können (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Die Zuständigkeit für die Festsetzung von derartigen öffentlichen Sozialleistungen liegt grundsätzlich im Kompetenzbereich der Regionen. In bestimmten Regionen (z. B. Toskana, Emilia Romagna) wird die Höhe derartiger Leistungen durch die Kommune festgesetzt; die Leistungen weisen insoweit je nach regionaler und kommunaler Finanzkraft deutliche Unterschiede auf (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Diese Erkenntnis deckt sich im Übrigen mit dem Gutachten der Flüchtlingsorganisation borderline-europe e. V. (Gutachten an das VG Braunschweig vom Dezember 2012) und der Auskunft der italienischen Vereinigung für rechtliche Untersuchungen zur Situation von Einwanderung (ASGI-Bericht vom 20. November 2011, S. 10 f.). Danach erhalten ebenfalls anerkannte Asylbewerber und Personen, denen internationaler Schutz gewährt worden ist, Unterstützungen allgemeiner Art, wie sie auch für andere mittellose Personen in Italien vorgesehen sind.

128

Überdies ist für anerkannte Flüchtlinge und Personen mit subsidiärem Schutzstatus ein kostenfreier Zugang zu allen öffentlichen medizinischen Leistungen wie Arzt, Zahnarzt, Krankenhaus gewährleistet (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Ein Anspruch auf Einhaltung bestimmter Mindeststandards im Hinblick auf die Gewährung von Unterkunft sowie auf eine gewisse materielle Unterstützung besteht für sie auch nach dem Unionsrecht nicht; ein solcher Anspruch besteht nur für Asylbewerber (EGMR, Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - M.S.S. v. Belgium and Greece; EuGH, Urt. v. 21.12. 2011 - C-411/10 und C-493/10 - N.S. und M.E.), denn nach den Bestimmungen der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 steht Asylbewerbern und Schutzsuchenden zwar ein subjektives Recht auch auf eine angemessene Fürsorge zu. Nach Art. 3 Abs. 1 der genannten Richtlinie haben Asylbewerber jedoch nur solange Anspruch auf die in Art. 5 ff. der Richtlinie bezeichneten humanitären Leistungen, solange sie „als Asylbewerber im Hoheitsgebiet verbleiben dürfen“. „Asylbewerber“ im Sinne der Richtlinie ist dabei ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, der einen Asylantrag gestellt hat, über den noch nicht entschieden wurde.

129

Soweit anerkannten Asylbewerbern und schutzberechtigten Flüchtlingen in der Zivilbevölkerung vereinzelt Vorbehalte entgegen gebracht werden und sich diese Vorbehalte womöglich auch im Verhalten von Amtsträgern widerspiegeln sollten, lässt sich diesem Umstand keine selbständige rechtliche Bedeutung beimessen. Die gilt selbst dann, wenn der genannte Personenkreis im Alltag womöglich Benachteiligungen erfahren sollte. Denn die genannten Umstände lassen nicht den Schluss zu, dass das Aufnahme- und Asylverfahren in Italien schon allein aus diesem Grunde den Regeln des europäischen Asylsystems zuwiderläuft.

130

Nach allem erübrigt sich hier die Erörterung der weitergehenden Frage, ob und inwieweit auch möglicherweise jene (unionsrechtlichen) Rechtsverletzungen für die Entscheidung über den Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO relevant sind, die Personen betreffen, bei denen das Asylverfahren bereits mit einer Anerkennung bzw. mit einem subsidiären Schutzstatus abgeschlossen ist (vgl. hierzu VG Regensburg, Beschl. v. 16.08.2012 - RN 7 S 12.30273 -).

131

g) Zur Überzeugung des Senats steht auch bei der gebotenen Zukunftsprognose nicht zu erwarten, dass angesichts eines unvermindert anhaltenden oder wieder zunehmenden Flüchtlingsstroms nach Italien sich die dort anzutreffenden Verhältnisse (wieder) verschlechtern werden. So verhält es sich jedenfalls dann, wenn man bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats Folgendes in Rechnung stellt:

132

Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes ist in Italien gegenwärtig nicht (mehr) von einem Anstieg des Zustroms von Asylbewerbern und Flüchtlingen auszugehen (AA, Auskunft v. 21.02.2013 Anm. 9.1. und 9.2.). Diese Entwicklung wird auch durch das dem Senat vorliegende Zahlenmaterial belegt. Laut Berichterstattung in der Presse (Spiegel online v. 26.04.2011) haben von Januar bis Ende April 2011 allein 26.000 Flüchtlinge in Italien um Schutz nachgesucht. Demgegenüber wurden laut Auskunft des Auswärtigen Amtes im ersten Halbjahr 2012 nur insgesamt 5.580 Asylanträge in Italien gestellt (AA, Auskunft v. 21.01.2013 Anm. 3.2.).

133

Insbesondere ist auch ein deutlicher Rückgang von Anlandungen im Süden Italiens zu verzeichnen. Im Jahr 2011 waren es noch 62.692 Personen, im Jahre 2012 hingegen nur noch 13.267 Personen (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 9.1. und 9.2.). Dies ist – wie das Auswärtige Amt in nachvollziehbarer Weise feststellt – vor allem auf die Beruhigung der Lage in den Nordafrikanischen Staaten zurückzuführen (AA, a. a. O.).

134

Im Übrigen ist auch in der Gesamtschau des letzten Jahrzehnts nicht von einem kontinuierlichen und erheblichen Zuwachs an Asylbewerbern und Flüchtlingen in Italien auszugehen, so dass etwa deshalb die Annahme einer nicht (mehr) zu bewältigenden “Überlastung“ des Asylsystems in Italien begründet wäre. In der ersten Hälfte des letzten Jahrzehnts waren die Zahlen bis 2006 vielmehr rückläufig, die Zahl der Asylantragsteller ging insoweit von 24.000 auf 10.000 zurück. In den Jahren 2008 und 2011 gab es dann in den Spitzen über 30.000 Asylbewerber, während es im Jahre 2012 allerdings wieder weniger als 15.000 Bewerber waren. Bei den genannten Spitzen handelte es sich somit um temporäre Erscheinungen aufgrund der politischen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem “arabischen Frühling“ (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 9.1.2.). Auch ist nach aktueller Einschätzung, namentlich vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung in den Mittelmeer-Anrainerstaaten, nicht damit zu rechnen, dass die Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien in absehbarer Zeit ansteigen wird (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 9.1.3.).

135

Nach allem erweist sich die in der einschlägigen Rechtsprechung vielfach angeführte Begründung, dass wegen der zu erwartenden weiteren Flüchtlingsströme von Afrika nach Italien infolge der kriegerischen Auseinandersetzungen und der damit einhergehenden instabilen Verhältnisse in Nordafrika sich die Entwicklung in Italien in absehbarer Zeit voraussichtlich nicht verbessern, sondern eher noch verschlechtern wird (so u. a. VG Stuttgart, Beschl. v. 02.07.2012 - A 7 K 1877/12 - ) als nicht (mehr) tragfähig.

136

Insbesondere lässt sich auch der Stellungnahme des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen – UNHCR – vom 24. April 2012 an das Verwaltungsgericht Braunschweig kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass ernsthaft zu befürchten ist, dass die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien grundlegende Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aufweisen. Nach dem Inhalt dieser Stellungnahme wurden in Italien die regionalen Regierungen im Jahr 2011 nach Ankunft einer erheblichen Zahl von Personen aus Nordafrika ausdrücklich gebeten, zusätzliche Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen. Zwischen den Regierungen und den örtlich zuständigen Behörden wurde zudem eine Vereinbarung getroffen, in der die Kriterien für die landesweite Verteilung von bis zu 50.000 Personen festgehalten wurden. Der UNHCR erkennt vor diesem Hintergrund an, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des Aufnahmesystems stattgefunden haben und die CARA-, CDA- und SPRAR-Projekte insgesamt in der Lage sind, dem Aufnahmebedarf einer signifikanten Anzahl von Asylsuchenden nachzukommen (UNHCR, a. a. O. S. 3).

137

Dass die Verhältnisse zwischen Italien und Griechenland – wie gelegentlich behauptet wird – vergleichbar sind, vermag der Senat nicht festzustellen. Dies bedarf aber auch keiner Vertiefung, weil es hierauf nicht entscheidend ankommt. Dennoch bleibt festzustellen, dass der UNHCR – anders als in Bezug auf Griechenland – für Italien jedenfalls keine Empfehlung ausgesprochen hat, von einer Überstellung bzw. Abschiebung von Dublin-II-Flüchtlingen nach Italien abzusehen. Der Senat misst diesem Umstand kein geringes Gewicht bei. Soweit vereinzelt der Einwand erhoben wird, dies sei dem Umstand geschuldet, dass der UNHCR „politische Rücksichten zu nehmen habe“, ist dies durch Nichts belegt. Zwar hat – ausweislich des Tagungsberichts von Nora Markard zum 12. Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz vom 18.-19. Juni 2012 in Berlin (ZAR 10/2012 S. 380 ff. S. 381 zur Situation in Italien) – der UNHCR Senior Regional Protection Associate Jürgen Humberg im Hinblick auf die deutsche Debatte über die Zulässigkeit von Abschiebungen nach Italien angeblich betont, dass der Umstand, dass der UNHCR bisher kein Positionspapier zu Italien veröffentlicht habe, nicht bedeute, dass in Italien „alles in Ordnung sei“; eine solche Schlussfolgerung, den einige Verwaltungsgerichte zögen, sei unzulässig. Auch diese Äußerung veranlasst den Senat nicht zu einer anderen Einschätzung im Hinblick darauf, dass sich der UNHCR – anders als in anderen Fällen – einer entsprechenden offiziellen Stellungnahme bzw. Empfehlung, von einer Rückführung von Asylbewerbern nach Italien abzusehen, enthalten hat. Dies bedeutet keineswegs, dass der Senat der Auffassung wäre, in Italien „sei alles in Ordnung“; hieraus aber folgt eben noch nicht, dass in Bezug auf das Asyl- und Aufnahmeverfahren in Italien systemische Mängel feststellbar sind, die eine Verletzung der Europäischen Grundrechtscharta oder der Menschenrechtskonvention darstellen.

138

Festzustellen bleibt überdies, dass der UNHCR auch in seinem jüngsten Bericht (UNHCR - Recommendations on important aspects of Refugee protection in Italy) vom Juli 2013 trotz zahlreicher kritischer Anmerkungen bei seiner Einschätzung zur aktuellen Lage der Flüchtlinge und Asylbewerber in Italien zu keinem anderen Ergebnis gekommen ist.

139

Schließlich hat auch der EGMR in einer neueren Entscheidung vom 02. April 2013 (Ap-plication No. 27725/10 - Mohammed Hussein vs. the Netherlands and Italy) eine gegen die Dublin-Überstellung von den Niederlanden nach Italien gerichtete Beschwerde als offensichtlich unbegründet abgewiesen. In der Entscheidung hat sich der EGMR mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, einer nach eigenen Angaben aus Somalia stammenden Frau mit zwei kleinen Kindern, zum Asylverfahren und auch zur Unterbringungssituation in Italien auseinander gesetzt und festgestellt, dass die Situation in Italien keineswegs mit der in Griechenland vergleichbar sei (Entscheidung v. 02.04. 2013, a. a. O. Rdn. 72). Auch aus dem Umstand, dass der EGMR in einer früheren Entscheidung (Application No. 64208/11) die Abschiebung eines Asylbewerbers von Deutschland nach Italien gestoppt hat, lässt sich nicht herleiten, dass Italien generell die Anforderungen des europäischen Asylsystems nicht erfüllt. Die Gründe für den mit der genannten Entscheidung verhängten Abschiebungsstopp sind letztlich nicht bekannt. Dem „Statement of Facts“ ist indes zu entnehmen, dass sich der dortige Antragsteller zwar auch auf die Lebensumstände von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Italien berufen hat, jedoch insbesondere im Raum stand, dass er durch die Abschiebung aufgrund unterschiedlicher Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Münster und Magdeburg von seiner Frau und seinen Kindern getrennt werden würde, deren Abschiebung gestoppt wurde. Weitere Fälle des EGMR (Application No. 30815/09, Application No. 37159/09, Application No. 56424/10) betrafen unbegleitete Minderjährige und die spezielle Situation einer Mutter mit einem minderjährigen Kind (Application No. 2303/10).

140

Im Übrigen haben sowohl der Österreichische Asylgerichtshof (Spruch v. 03.05. 2010 - S16 412.104-1/2010-4E -, veröffentlicht unter http://www.ris.bka.gv.at, dort insbes. Ziffer 2.2.2.2.1. "Kritik am italienischen Asylwesen" m. w. N.) als auch das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht (vgl. u. a. Urt. v. 15.07.2010 - D 4987/ 2010 - und Urt. v. 18.03.2010 - D-1496/2010 -, im Internet abrufbar unter: http://www.bundes verwaltungsgericht.ch/index/entscheide/Jurisdiction-datenbank/Jurisdiction-recht-urteile aza.htm) die Rückführung von Asylsuchenden nach Italien in Ansehung der dortigen Asylverfahrenspraxis grundsätzlich als zulässig angesehen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der angeführten Entscheidungen Bezug genommen.

141

Auch der Umstand, dass zahlreiche Verwaltungsgerichte hinsichtlich der Situation der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien zu einer gegenteiligen Einschätzung hinsichtlich der Verhältnisse und des Asylsystems in Italien gelangt sind, veranlasst den Senat nicht zur Annahme, dass die Behandlung der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien nicht in Einklang steht mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtscharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Nach Auffassung des Senats wird in der insoweit einschlägigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte häufig nicht hinreichend dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich bei den zugrunde gelegten Erkenntnismitteln nicht selten um bloße subjektive Einschätzungen handelt, die nicht in der erforderlichen Weise durch Fakten belegt sind. Auch erscheint mitunter fraglich, ob die insoweit festgestellten Mängel und Defizite verallgemeinerungsfähig sind. Nicht zuletzt haben sich die Verhältnisse in Italien – wie dargelegt – zwischenzeitlich teilweise geändert, so etwa in Bezug auf den Flüchtlingsstrom aus Nordafrika und die Anzahl der für die Asylbewerber und Flüchtlinge zur Verfügung stehenden Unterkünfte. Im Übrigen ist Gegenstand der Prüfung nach § 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-VO) nicht die Frage, ob die Aufnahmebedingungen und das Asylverfahren für Flüchtling und Asylbewerber kritikwürdig sind, weil das System zahlreiche Mängel aufweist oder hinter dem Schutzniveau anderer Mitgliedstaat zurückbleibt.

142

Der Senat sieht auch keine Veranlassung, weitere Gutachten, Auskünfte oder Stellungnahmen zur Situation von Asylbewerbern und Flüchtlingen in Italien einzuholen. Nach anerkannter Rechtsauffassung ist die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nur dann geboten, wenn sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung aufdrängen musste, weil bereits vorliegende Gutachten, Auskünfte oder Stellungnahmen nicht den ihnen obliegenden Zweck erfüllen (konnten), dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts notwendige Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. In diesem Sinne kann z. B. ein Sachverständigengutachten für die Überzeugungsbildung des Gerichts ungeeignet oder jedenfalls unzureichend sein, wenn es grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, wenn es von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht (BVerwG, Beschl. v. 14.04.2011 - 2 B 80/10 - m. w. N., Juris). Dies ist hier aber nicht der Fall. Zwar sind die dem Senat vorliegenden zahlreichen Gutachten, Auskünfte und Stellungnahmen nicht in allen Punkte stets konsistent und völlig frei von gewissen Widersprüchen; soweit es indes die im vorliegenden Fall entscheidungserheblichen Tatsachen und Erkenntnisse betrifft, sind diese aufgrund der herangezogenen Erkenntnismittel zur Überzeugung des Senats hinreichend geklärt und eindeutig und mithin für die Überzeugungsbildung ausreichend.

143

Der Senat sieht insbesondere auch keine Veranlassung, an der Tauglichkeit des vorhandenen Erkenntnismaterials für die hier entscheidungsrelevanten Fragen zu zweifeln. Dies gilt speziell auch hinsichtlich des Beweiswertes der Auskünfte des Auswärtigen Amtes, da sie grundsätzlich eine sich auf unterschiedliche Erkenntnisquellen stützende Gesamtbewertung vornehmen und zudem im Allgemeinen den tatsächlichen Verhältnissen am nächsten kommen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.08.2006 - 1 B 24.06 - Juris; Beschl. v. 06.10.1997 - 9 B 803.97 - Juris; Beschl. v. 08.09.1997 - 9 B 401.97 -; Beschl. v. 15.10. 1985 - 9 C 3.85 - Juris sowie Beschl. v. 31.07.1998 - 9 B 71.85 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 28 = Juris). Nicht anders verhält es sich hier. So beruhen die den Auskünften des Auswärtigen Amtes zugrunde liegenden Erkenntnisse auf laufenden Gesprächen der Botschaft Rom mit dem italienischen Flüchtlingsrat CIR, UNHCR und IOM in Rom, den Präsentationen des italienischen Innenministeriums und des statistischen Amtes ISTAT sowie schließlich auf Kontakten zu nichtstaatlichen karitativen Organisationen wie Carita Migrantes, Comunità di Sant’ Egidio u. a..

144

Nach allem vermag der Senat nicht zur Überzeugung zu gelangen, dass ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 21.12.2011, a. a. O.) die Annahme rechtfertigen, dass die Klägerin aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien im Falle einer Abschiebung bzw. Überstellung dorthin Gefahr laufen wird, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. d. Art. 3 EMRK und § 4 EuGrdRCH ausgesetzt zu werden und dass sich deshalb die Rücküberstellung als rechtswidrig erweist.

III.

145

Soweit das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid zugleich die Abschiebung der Klägerin nach Italien gem. § 34 Abs. 1 AsylVfG angeordnet hat, bestehen gegen die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung keine Bedenken.

146

§ 34a AsylVfG überantwortet die Entscheidung über die Abschiebung dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, so dass dieses die Abschiebungsanordnung verfügt. Das Bundesamt ordnet dabei nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Abschiebungsverbote sind nicht ersichtlich.

147

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.

148

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§§ 132 Abs. 2, 137 VwGO).


Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der 1985 geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Pakistan und gehört zu den Punjabi. Er verließ nach seinen Angaben Pakistan am 25.02.2012 und kam am 26.03.2012 nach Italien, wo er erkennungsdienstlich behandelt wurde. Am 03.06.2012 reiste er nach seinen Angaben auf dem Landweg über die Schweiz oder Frankreich nach Deutschland.
Am 18.06.2012 stellte er einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellte daraufhin am 18.10.2012 ein auf Art. 16 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien. Am 30.11.2012 erfolgte die Zustimmung Italiens zur Rücküberstellung des Klägers.
Mit Bescheid vom 03.12.2012 erklärte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag für unzulässig und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Ein Zustellungsnachweis befindet sich nicht bei den Akten; jedenfalls wurde der Bescheid mit einem Begleitschreiben vom 15.01.2013 zur Post gegeben. Die für den 31.01.2013 vorgesehene Überstellung nach Italien konnte nicht durchgeführt werden, da der Kläger nicht angetroffen wurde.
Am 28.01.2013 erhob der Kläger Klage und machte geltend, eine Abschiebung nach Italien sei nicht zulässig. Er habe in Italien gar keinen Asylantrag gestellt. Auch bestehe die Gefahr der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung in Italien. Die Beklagte hätte von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen.
Mit Beschluss vom 14.03.2013 (A 12 K 332/13) ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 03.12.2012 enthaltene Abschiebungsanordnung an und gab der Beklagten auf, dem Regierungspräsidium Karlsruhe die Anordnung der aufschiebenden Wirkung mitzuteilen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vom 17.06.2013 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 03.12.2012 auf und verpflichtete die Bundesrepublik Deutschland auf den ausdrücklichen Antrag des Klägers, sein Asylverfahren fortzuführen. Zur Begründung führte es aus: Zwar sei Italien der zuständige Mitgliedstaat. Allerdings leide das Asylsystem Italiens unter sog. systemischen Mängeln im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, sodass die Bundesrepublik von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müsse.
Auf den rechtzeitig gestellten Antrag der Beklagten ließ der Senat durch Beschluss vom 14.08.2013 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.
Am 05.09.2013 hat der Beklagte unter Stellung eines Antrags die Berufung begründet: Zunächst sei davon auszugehen, dass das Zuständigkeitsregime der Dublin-Verordnung keine subjektiven Rechte der Asylbewerber begründe. Im Übrigen gelte nach der Rechtsprechung des EuGH eine generelle Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention erfolge. Dass in Bezug auf Italien ernsthaft und erwiesenermaßen zu befürchten sei, dass systemische Mängel zwangsläufig mit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung der überstellten Asylbewerber einhergingen, könne nicht eingewandt werden. Nach den vorliegenden Quellen, insbesondere von UNHCR, seien derartige Befürchtungen nicht gerechtfertigt.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.06.2013 - A 12 K 331/13 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten verweist der Senat auf die gewechselten Schriftsätze. Dem Senat liegen die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

Gründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tatbestand

1

Die Klägerin ist am (…) 1947 in H. in Syrien geboren. Sie ist verheiratet, yezidischen Glaubens, kurdische Volkszugehörige und sie besitzt die syrische Staatsangehörigkeit. Nach eigenen Angaben reiste sie – zusammen mit ihrer Tochter (...) sowie drei weiteren Kindern – von Syrien kommend am 01. August 2011 zunächst nach Italien, wo sie erkennungsdienstlich behandelt wurde und am 21. August 2011 in B-Stadt einen Asylantrag stellte, und alsdann am 07. September 2011 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 12. September 2011 stellte sie bei der Außenstelle des Bundesamtes in H-Stadt einen (weiteren) Asylantrag.

2

Die Beklagte richtete unter dem 07. Februar 2012 an Italien ein Übernahmeersuchen gem. Art. 10 Dublin-II-VO (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 des Rates vom 10.02.2003). Mit Schreiben vom 16. Februar 2012 erklärten die italienischen Behörden ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags der Klägerin.

3

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte den Asylantrag der Klägerin mit Bescheid vom 13. Juni 2012 als unzulässig ab und ordnete ihre Abschiebung nach Italien an. Nach der Dublin-Verordnung sei Italien für die Bearbeitung ihres Asylantrags zuständig; außergewöhnliche humanitäre Gründe, welche die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach § 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch zu machen, seien nicht ersichtlich.

4

Die Klägerin hat am 29. Juni 2012 beim Verwaltungsgericht Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, sie könne wegen der allgemeinen Situation von Asylbewerbern in Italien nicht darauf verwiesen werden, in Italien ein Asylverfahren durchzuführen, weil davon auszugehen sei, dass das Asylverfahren dort nicht ordnungsgemäß durchgeführt würde. Sie besitze einen Anspruch auf Asyl und Flüchtlingsschutz sowie Abschiebungsschutz; hierüber sei durch das Bundesamt zu entscheiden.

5

Die Klägerin hat beantragt,

6

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13. Juni 2012 zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen und dass Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gegeben sind.

7

Die Beklagte hat beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Sie hat die Ansicht vertreten, Italien erfülle bei der Durchführung von Asylverfahren die Mindeststandards der Europäischen Union. In den italienischen Aufnahmeeinrichtungen seien zahlreiche humanitäre Organisationen tätig, die dies gewährleisten würden. Insbesondere hätten Asylbewerber in Italien vollen Zugang zum Gesundheitssystem. Anders als im Fall Griechenlands gebe es keine Empfehlung des UNHCR, Flüchtlinge nicht an Italien zu überstellen. Dementsprechend habe das Bundesverfassungsgericht auch Verfassungsbeschwerden gegen erstinstanzliche Entscheidungen, denen zufolge eine Abschiebung nach Italien möglich sei, nicht zur Entscheidung angenommen. Ferner sei eine Vielzahl erstinstanzlicher Entscheidungen ergangen, wonach die asylrechtlichen Mindeststandards in Italien gewährleistet seien und woraus sich ergebe, dass der Bericht von Bethke und Bender zu den Problemen der Flüchtlinge in Italien kritisch zu betrachten sei.

10

Auf den Antrag der Klägerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 07. März 2012 – 9 B 57/12 MD – die Beklagte im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Abschiebung der Klägerin nach Italien vorläufig bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu unterlassen.

11

Mit Gerichtsbescheid vom 10. Juli 2012 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13. Juni 2012 verpflichtet, über den Asylantrag der Klägerin in eigener Zuständigkeit zu entscheiden und ein Asylverfahren durchzuführen. Die Klägerin habe nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO einen Anspruch darauf, dass die Beklagte ein Asylverfahren in der Bundesrepublik Deutschland durchführe; das insoweit bestehende Ermessen der Beklagten sei auf Null reduziert. Der Klägerin könne die Durchführung eines Asylverfahrens in Italien nicht zugemutet werden.

12

Der Senat hat auf Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 10. Oktober 2012 die Berufung zugelassen. Zur Begründung der Berufung verweist die Beklagte im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Zulassungsantrag, wonach sie an ihrer bisherigen Auffassung festhält, die Klägerin könne in Anbetracht der in Italien gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse auf die Durchführung eines Asylverfahrens dort verwiesen werden.

13

Die Beklagte beantragt,

14

die Klage unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 9. Kammer - vom 10. Juli 2012 abzuweisen.

15

Die Klägerin beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Sie macht geltend, die Beklagte beziehe sich zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen auf bloße Vorschriften und eine nicht mehr aktuelle Rechtsprechung, während neue Berichte nicht zur Kenntnis genommen würden. Der Auffassung der Beklagten sei im Hinblick auf die humanitäre Situation in Italien entgegen zu halten, dass sich die Situation der Flüchtlinge in Italien aufgrund des anhaltenden Flüchtlingsstroms aus Tunesien und anderen nordafrikanischen Staaten dramatisch verschlechtert habe. Italien sei bereits zuvor mit der Aufnahme von Flüchtlingen und deren ordnungsgemäßer Unterbringung überfordert gewesen. Aufgrund des momentanen Flüchtlingsstroms nach Italien habe sich die Situation noch verschlechtert; es sei damit zu rechnen, dass der Klägerin bereits aus diesem Grunde ein ordnungsgemäßes Asylverfahren verwehrt werde und dass sie obdachlos würde. Im Übrigen dürfe nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs (Urteil v. 21.12.2011 - C-411/11, C-493/10 -) ein Asylbewerber bereits dann nicht an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin-II-VO überstellt werden, wenn ernsthafte Hinweise auf systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedsstaat vorlägen, die eine Gefährdung des Asylbewerbers nahe legen würden. Solche ernsthaften Hinweise lägen hier vor. Die vorliegenden Berichte und sonstigen Erkenntnismittel gingen davon aus, dass das staatliche Aufnahmesystem in Italien völlig überlastet sei. Es existierten 3.000 Plätze, die eine Aufnahme von Asylbewerbern für jeweils nur sechs Monate vorsehen würden. Im Jahre 2011 hätten indessen laut Presseberichterstattung (Spiegel online v. 26.04.2011) in Italien bis Anfang Mai bereits 26.000 Flüchtlinge um Schutz nachgesucht.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Vorbringen der Beteiligten und auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten (Beiakte A) sowie auf die vom Senat in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage der Klägerin mit Gerichtsbescheid vom 10. Juli 2012 zu Unrecht stattgegeben.

20

I. Die Klage ist teilweise unzulässig.

21

1. Die als Verpflichtungsklage erhobene Klage ist “lediglich“ als Anfechtungsklage zulässig. Gegen die in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13. Juni 2012 getroffene Entscheidung, dass der Asylantrag der Klägerin gem. § 27a AsylVfG (wegen fehlender Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland) unzulässig ist, ist allein die Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO statthaft (ebenso: VG Düsseldorf, Urt. v. 15.01. 2010 - 11 K 8136/09 -; VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009 - 7 K 4376/07.F.A u. a. - InfAuslR 2009,409; Urt. v. 29.09.2009 - 7 K 269/09.F.A -; Urt. v. 23.06. 2010 - 7 K 2789/09.F.A. -; VG Freiburg, Beschl. v. 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 -; VG München, Urt. v. 29.11.2011 - M 24 K 11.30219 -; VG Ansbach, Beschl. v. 08.11. 2011 - AN 11 S 11.30508 -; VG Wiesbaden, Urt. v. 17.06.2011 - 7 K 327/11.WI.A -; VG Braunschweig, Urt. v. 01.06.2010 - 1 A 47/10 -; VG Karlsruhe, Urt. v. 07.04.2010 - A 3 K 1580/09 -; VG Augsburg, Beschl. v. 01.02.2010 - Au 5 S 10.30014 -; Beschl. v. 29.09.2009 - 7 K 269.09 F.A. -; VG Neustadt, Urt. v. 16.06.2009 - 5 K 1166/08.NW -, alle: Juris; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, § 27a Rdnr. 18; a. A. statthaft nur die Verpflichtungsklage: OVG NRW, Urt. v. 10.05.2010 - 3 A 133/10.A - Juris; VG Wiesbaden, Urt. v. 10.03.2010 - 7 K 1389/ 09.WI.A -).

22

Im Fall der Aufhebung einer – wie hier – auf § 27a AsylVfG gestützten Entscheidung wegen Unzulässigkeit des Asylantrages ist der Weg für die Durchführung eines Asylverfahrens („in eigener Zuständigkeit“) vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auch ohne ein hierauf gerichtetes Verpflichtungsbegehren eröffnet. Denn das Bundesamt ist nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides bereits von Gesetzes wegen zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet (vgl. § 31 Abs. 2 AsylVfG zur Entscheidung des Bundesamtes über beachtliche Asylanträge). Da grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass die Beklagte ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachkommt, bedarf es demzufolge einer Verpflichtungsklage nicht (ebenso: VG Düsseldorf, Urt. v. 15.01.2010, a. a. O.; vgl. auch VG Frankfurt/Main, Urt. v. 29.09.2009, a. a. O.; Urt. v. 08.07.2009, a. a. O.).

23

Überdies muss bezweifelt werden, ob es sich bei der Entscheidung nach Art. 3 Abs. 2 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist – Dublin-II-VO – [z. T. auch „EG-AsylZustVO“ genannt] – (ABl. L 50 vom 25.02.2003, S. 1 -10) um einen (selbständigen) Verwaltungsakt handelt, so dass eine Verpflichtungsklage bzw. – unter Berücksichtigung des im Rahmen der genannten Vorschrift eingeräumten Ermessens – eine Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung in Betracht kommt, oder ob es sich bei der gem. § Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO zu treffende Entscheidung nicht um eine bloß inzidente handelt, da es allein um die Feststellung der Zuständigkeit der Beklagten geht.

24

Ebenso scheidet eine Verpflichtungsklage aus, die unmittelbar auf Anerkennung als Asylberechtigter gem. § 16a GG bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG oder aber - hilfsweise - auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gerichtet ist. Denn eine Verpflichtung für das Gericht, die Sache selbst spruchreif zu machen, besteht nur dann, wenn ein „mit seinem Asylantrag beim Bundesamt erfolglos gebliebener Ausländer“ den Klageweg beschreitet (BVerwG, Urt. v. 06.07.1998 - 9 C 45.97 - BVerwGE 107, 128 ff.). Hat hingegen das Bundesamt (noch) keine Sachentscheidung getroffen, so würde dem Betroffenen in dem Falle des “Durchentscheidens“ des Gerichts durch Verpflichtungs-urteil eine Tatsacheninstanz genommen, nämlich dass eine inhaltliche Überprüfung seines Asylbegehrens durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erfolgt (ebenso: VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009, a. a. O.; VG Schleswig, Urt. v. 03.08. 2011 - 1 A 46/11 - und Beschl. v. 12.09.2011 - 12 A 124/10 -; a. A. VG Braunschweig, Urt. v. 21.02.2013 - 2 A 126/11 - u. a. mit Verweis auf VGH Mannheim, Urt. v. 19.06.2012 - A 2 1355/11 -, Juris).

25

Im Übrigen verhält es sich bei der Entscheidung nach § 27a AsylVfG ähnlich wie in Fällen der Entscheidung des Gerichts über eine Einstellung des Asylverfahrens nach§ 32 AsylVfG wegen vermeintlicher Antragsrücknahme bzw. Verzicht nach § 14a Abs. 3 AsylVfG sowie in den Fällen der gerichtlichen Entscheidung bei fiktiver Antragsrücknahme nach§ 33 AsylVfG. In den genannten Fällen ist nach der hierzu ergangenen einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 07.03.1995 - 9 C 264.94 -, NVwZ 1996, S. 80 = Juris; vgl. auch Marx, AsylVfG, 7. Aufl. 2009, § 33 Rdnr. 34 ff. m. w. N.) die Verpflichtungsklage unzulässig, weil die verweigerte sachliche Prüfung des Asylantrages nach den Regelungen des Asylverfahrensgesetzes vorrangig von der Fachbehörde nachzuholen ist.

26

Auch ist im Hinblick auf die mit dem angefochtenen Bescheid angeordnete Abschiebung der Klägerin nach § 34a Abs. 1 AsylVfG die Verpflichtungsklage nicht veranlasst und stattdessen eine Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO ausreichend (vgl. VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009, a. a. O. und Urt. v. 29.09.2009, a. a. O.; s. auch Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 34a AsylVfG Rdnr. 6; Funke-Kaiser, a. a. O., § 34a Rdnr. 64). Soweit es nämlich darum geht, dass die Beklagte von einem Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO i. V. m. der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 02. September 2003 (Abl. L 222 S. 3) Gebrauch macht, bedarf es im Urteil über eine entsprechende inzidente Feststellung hinaus keiner ausdrücklichen Verpflichtung der Beklagten, von einer Abschiebung abzusehen.

27

Es ist vorliegend davon auszugehen, dass die Anfechtungsklage vom Verpflichtungsbegehren der Klägerin (mit-)umfasst ist. Gegenstand der Anfechtungsklage ist nach allem ausschließlich die Frage nach der Zuständigkeit der Beklagten zur Durchführung eines Asylverfahrens, wobei die Frage nach dem rechtlich gebotenen Selbsteintritt der Bundesrepublik Deutschland inzident zu beantworten ist.

28

2) Der Klägerin steht für ihre Klage auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse zur Seite, da sie weiterhin nach Italien zurückgeführt bzw. rücküberstellt werden könnte, nachdem die italienischen Behörden mit Schreiben vom 16. Februar 2012 (Bl. 115 d. Sachakte) ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung ihres Asylantrags erklärt haben, indem sie dem Übernahmeersuchen stattgegeben und damit ihrer Rücküberstellung zugestimmt haben.

29

II. Die Klage ist im Übrigen unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat den Asylantrag der Klägerin zu Recht als unzulässig abgelehnt und zugleich ihre Abschiebung nach Italien angeordnet. Es musste im vorliegenden Fall insbesondere auch nicht von der Möglichkeit des Selbsteintritts der Beklagten nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch machen.

30

1) Rechtsgrundlage des Bescheides vom 13. Juni 2012, mit dem das Bundesamt den Asylantrag der Klägerin als unzulässig abgelehnt hat, ist § 27a AsylVfG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies ist hier der Fall. Zu Recht ist die Beklagte im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, dass die Republik Italien für die Durchführung eines Asylverfahrens der Klägerin zuständig ist.

31

a) Die Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylverfahrens der Klägerin ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO, sofern nicht die nach Art. 5 Abs. 1 der genannten Verordnung vorrangig zu prüfenden Zuständigkeitskriterien nach Art. 6 bis 9 der Verordnung einschlägig sind.

32

Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig, sofern auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 18 Abs. 3 der Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel III derVerordnung (EG) Nr. 2725/2000, festgestellt wird, dass der Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze des Mitgliedstaats illegal überschritten hat (vgl. auch Art. 18 Abs. 4 und 5 Dublin-II-VO).

33

Dies bedeutet, dass – soweit nicht die Vorschriften nach Art. 6 bis 9 Dublin-II-VO einschlägig sind – im vorliegenden Fall Italien für die Prüfung des Asylantrags der Klägerin zuständig ist, da sie ihren eigenen Angaben zufolge aus Syrien kommend die Grenze nach Italien illegal überschritten hat (und dort – in B-Stadt – am 21. August 2011 zugleich einen Asylantrag gestellt hat [Bl. 108 ff. d. Sachakte]).

34

Die insoweit gegebene Zuständigkeit endet zwar gem. Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Die Klägerin hat jedoch am 12. September 2011 und damit noch vor Ablauf der Jahresfrist ihren Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt, so dass die Zuständigkeit Italiens nicht nach Satz 2 entfallen ist. Die Einreise der Klägerin nach Italien erfolgte am 07. September 2011; die Jahresfrist lief somit am 07. September 2012 ab. Dass die Frist nunmehr abgelaufen ist, ist unschädlich, weil für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates nach Art. 5 Abs. 2 Dublin-II-VO auf die Situation in dem Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

35

b) Im Falle der Klägerin sind auch die Voraussetzungen nach Art. 6 bis 9 Dublin-II-VO nicht erfüllt. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich Art. 7 der Verordnung, wonach – soweit die betroffenen Personen dies wünschen – der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig ist, wo ungeachtet dessen, ob die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat, der Asylbewerber einen Familienangehörigen hat, dem das Recht auf Aufenthalt in einem Mitgliedstaat in seiner Eigenschaft als Flüchtling gewährt wurde, sowie hinsichtlich Art. 8 der Verordnung, wonach – soweit die betroffenen Personen dies wünschen – dem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrages obliegt, in dem der Asylbewerber einen Familienangehörigen hat, über dessen Asylantrag noch keine erste Sachentscheidung getroffen wurde. Die genannten Vorschriften sind im Falle der Klägerin jedoch nicht einschlägig.

36

Es ist schon nicht ersichtlich, dass die nach Art. 7 und 8 der Verordnung genannten Voraussetzungen bei der Tochter der Klägerin, mit der sie zusammen in das Bundesgebiet eingereist ist, oder bei ihren in Deutschland lebenden volljährigen Kindern vorliegen. Dies kann aber auch dahin stehen. Denn jedenfalls gelten die genannten Personen nicht als „Familienangehörige“ i. S. d. Dublin-II-VO. Hierzu gehört nach Art. 1 Buchst. i) der Verordnung nur die Mitglieder der “Kernfamilie“, d. h. die Ehegatten des Asylbewerbers und unter bestimmten Voraussetzungen der nicht verheiratete Partner des Asylbewerbers, die minderjährigen Kinder der genannten Personen sowie bei unverheirateten minderjährigen Antragstellern oder Flüchtlingen der Vater, die Mutter oder der Vormund. Ein solches Verwandtschaftsverhältnis der Klägerin zu den mit einreisenden bzw. in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Kindern besteht jedoch nicht.

37

c) Ebenso sind bei der Klägerin die Voraussetzungen nach Art. 15 Abs. 1 und Abs. 2 Dublin-II-VO nicht erfüllt. Nach Art.15 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung kann jeder Mitgliedstaat aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, Familienmitglieder und andere abhängige Familienangehörige zusammenführen, auch wenn er dafür nach den Kriterien der Verordnung nicht zuständig ist. Dass die Klägerin vorliegend aus humanitären Gründen mit ihren Familienangehörigen zusammenzuführen ist und nicht auch auf ein eigenständiges Leben in Italien verwiesen werden kann, zumal ihre Kinder teilweise in Deutschland, teilweise in Österreich leben bzw. teilweise ihr Aufenthalt unbekannt ist, lässt sich nicht feststellen. Die Klägerin befindet sich in Begleitung ihrer volljährigen Tochter; beide sind reisefähig und nach Italien zu überstellen.

38

Ebenso sind die Voraussetzungen nach Art. 15 Abs. 2 Dublin-II-VO nicht erfüllt, wonach im Regelfall von einer Trennung der Familienangehörigen abzusehen bzw. eine Zusammenführung vorzunehmen ist, wenn die betroffene Person u. a. wegen einer schweren Krankheit, einer ernsthaften Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung durch die anderen Person(en) angewiesen ist. Diese Voraussetzungen liegen bei der 67-jährigen Klägerin nicht vor; entsprechendes ist jedenfalls nicht vorgetragen worden.

39

Eine andere Einschätzung ist auch nicht im Hinblick auf die einleitende Erwägung zu Nr. 6 Dublin-II-VO veranlasst, wonach die Einheit der Familie (grundsätzlich) gewahrt bleiben soll, soweit dies mit den sonstigen Zielen vereinbar ist, die mit den Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrages zuständigen Mitgliedstaats angestrebt werden. Nicht anders verhält es sich mit Blick auf die einleitende Erwägung nach Art. 7 Satz 2 Dublin-II-VO, wonach die Mitgliedstaaten von den Zuständigkeitskriterien abweichen können, um eine räumliche Annäherung von den Familienmitgliedern vorzunehmen, soweit dies aus humanitären Gründen erforderlich ist. Bei den genannten Regelungen handelt es sich indes um bloße programmatische Vorgaben, aus denen sich, unabhängig davon, dass die Voraussetzungen hier nicht vorliegen dürften, für die Asylbewerber keine unmittelbaren Rechte ableiten lassen.

40

d) Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens ist auch nicht gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen. Zwar hat das Bundesamt nicht innerhalb von drei Monaten nach Stellung des Asylantrags der Klägerin vom 12. September 2011 ein Wiederaufnahme- bzw. Übernahmeersuchen an die Republik Italien gestellt; das war indes auch nicht erforderlich. Da die Klägerin bereits in Italien einen Asylantrag gestellt hat, steht in ihrem Fall eine Wiederaufnahme durch Italien im Sinne des Art. 16 Abs.1 c) bis e) Dublin-II-VO in Rede, nicht hingegen eine Aufnahme seitens Italiens im Sinne des Art. 16 Abs.1 a) Dublin-II-VO. Die Dublin-II-VO unterscheidet insoweit gem. Art.16 Abs.1 lit. a) einerseits und Art. 16 Abs. 1 lit. c) bis e) andererseits zwischen der Überstellung des Asylsuchenden in einem Aufnahmeverfahren gemäß den Art. 17 bis 19 Dublin-II-VO und einer Überstellung im Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 20 Dublin-II-VO. Das Aufnahmeverfahren findet statt, wenn der Asylsuchende im ersuchten Mitgliedstaat noch keinen Asylantrag gestellt hat, während das Wiederaufnahmeverfahren einschlägig ist, wenn dort bereits ein Asylantrag gestellt wurde. Insofern wird der Anwendungsbereich der nachfolgenden Art. 17 bis 20 Dublin-II-VO durch Art. 16 Dublin-II-VO bestimmt.

41

Aus der systematischen Trennung zwischen Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren folgt, dass im Wiederaufnahmeverfahren keine Frist für das Übernahmeersuchen gilt, denn die insofern allein maßgebliche Regelung des Art. 20 Dublin-II-VO normiert weder selbst eine solche Frist, noch nimmt sie auf die für das Aufnahmeverfahren geltende Regelung in Art. 17 Abs.1 Dublin-II-VO Bezug. Es verhält sich gerade nicht in der Weise, dass Art. 20 Dublin-II-VO nur spezielle Modalitäten für die Wiederaufnahme regelt und im Übrigen die Regelungen der Art. 17 bis 19 Dublin-II-VO anwendbar wären. Vielmehr handelt es sich bei den Art. 17 bis 19 Dublin-II-VO einerseits und dem Art. 20 Dublin-II-VO andererseits um jeweils eigenständige Regelungskomplexe (vgl. VG Düsseldorf, Beschl. v. 06.02.2013 - 17 L 150/13.A -; Beschl. v. 26.04.2013 - 17 K 1777/12.A -; VG Hamburg, Beschl. v. 22.09.2005 - 13 AE 555/05 -; VG Augsburg, Gerichtsbescheid v. 09.05.2011 - Au 3 K 10.30468 - Juris; VG Regensburg, Beschl. v. 05.07.2013 - RN 5 S 13.30273 -; VG Göttingen, Beschl. v. 11.10.2013 - 2 B 805/13 -; a.A.: VG Düsseldorf, Beschl. v. 07.08. 2012 - 22 L 1158/12.A -, alle: Juris).

42

Art. 17 Abs.1 Satz 2 Dublin-II-VO, wonach der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, zuständig wird, wenn das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten unterbreitet wird, findet im Fall der Klägerin folglich keine Anwendung, so dass sich hieraus auch keine Zuständigkeit der Beklagten ergibt. Dementsprechend haben die italienischen Behörden mit Schreiben vom 16. Februar 2012 (Bl. 115 R, 116 d. Sachakte) auch ihre Zustimmung zur Wiederaufnahme bzw. Übernahme der Klägerin erteilt.

43

e) Ferner ist die Zuständigkeit nicht nach Art. 19 Abs. 3 und 4 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen. Nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO erfolgt die Überstellung des Schutzsuchenden von dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, in den zuständigen Mitgliedstaat gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des ersteren Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin-II-VO i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) Dublin-II-VO auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Dabei ist unerheblich, dass die Entscheidung der Beklagten nach Art. 19 Abs. 2 Satz 4 der Verordnung grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung hat; allein entscheidend ist, dass ihr eine solche durch eine entsprechende gerichtliche Entscheidung zuerkannt worden ist (vgl. Hess.VGH, Beschl. v. 23.08.2011 - 2 A 1863/10.Z.A -; Nds.OVG, Beschl. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -; VG Freiburg, Beschl. v. 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 -; offengelassen: OVG NRW, Beschl. v. 01.03.2012 - 1 B 234/12.A -, alle: Juris).

44

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 02. August 2012 - 4 MC 133/12 - (< Rn. 17 zitiert nach Juris >) zu § 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO und zu dem in Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Dublin-II-VO grundsätzlich vorgesehenen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ausgeführt:

45

„Der Annahme der aufschiebenden Wirkung des hier eingelegten Rechtsbehelfs steht auch nicht die Vorschrift des Art. 19 Abs. 2 Satz 4 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 entgegen. Danach hat ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nach Absatz 1 keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung, es sei denn, die Gerichte oder zuständigen Stellen entscheiden im Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts anders, wenn es nach ihrem inner-staatlichen Recht zulässig ist. Zwar darf nach § 34a Abs. 2 AsylVfG die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) nicht nach§ 80oder § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung ausgesetzt werden. Hieraus folgt jedoch nicht, dass durch diese Vorschrift eine andere Entscheidung im Sinne von Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Hs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts ausgeschlossen ist und daher ein Rechtsbehelf wegen § 34a Abs. 2 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung im Sinne des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 haben kann. Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr ausdrücklich entschieden, dass der Ausschluss des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 34a Abs. 2 AsylVfG in den Fällen, in denen die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) erfolgen soll, in Ausnahmefällen, die nicht vom „normativen Vergewisserungskonzept“ des Gesetzgebers über die Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention in einem sog. sicheren Drittstaat erfasst sind, der Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz gegen eine sofortige Überstellung nicht entgegensteht (BVerfG, Urt. v. 14.5. 1996, a. a. O.). Diese Rechtsprechung wird - soweit ersichtlich - von den Verwaltungsgerichten auf die Abschiebung in einen anderen Staat, der nach § 27a AsylVfG für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, mit der Begründung übertragen, dass die vom Bundesverfassungsgericht angestellten Erwägungen zu § 26a AsylVfG auch auf die Vorschrift des§ 27a AsylVfG zutreffen, weil die nach europäischen Recht für die Asylentscheidung zuständigen Mitgliedstaaten zugleich sichere Drittstaaten im Sinne von § 26a AsylVfG sind (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 1.3.2012 - 1 B 234/12.A - und v. 11.10. 2011 - 14 B 1011/11.A -; ferner Nds. OVG, Beschl. v. 2.5.2012 - 13 MC 22/22 - und Hess. VGH, Beschl. v. 23.8.2011 - 2 A 1863/10.Z.A.-). Unter diesen Umständen kann daher keine Rede davon sein, dass es nach der innerstaatlichen Rechtslage in Deutschland unzulässig sei, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine Überstellung auf der Grundlage der Zuständigkeitsbestimmungen in der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 anzuordnen. Unabhängig davon stellt die für den Fristenbeginn der Überstellung maßgebliche Vorschrift des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 nach ihrem Wortlaut auch ausdrücklich darauf ab, dass einem eingelegten Rechtsbehelf tatsächlich aufschiebende Wirkung zukommt und nicht darauf, ob es nach dem innerstaatlichen Recht zulässig ist, die aufschiebende Wirkung anzuordnen (vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 23.8.2011 - 2 A 1863/10.Z.A.-).

46

Läuft danach die Frist zur Überstellung aufgrund des von dem Antragsteller eingelegten Rechtsbehelfs erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens bezüglich der Durchführung der Überstellung entschieden wird und die der Durchführung nicht mehr entgegenstehen kann, kann dahinstehen, ob insoweit das Vorliegen einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache für den Fristenbeginn bereits ausreichend ist oder es darüber hinaus der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung bedarf (so Hess. VGH, Beschl. v. 23.8.2011 - 2 A 1863/10.Z.A.“

47

Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an und macht sie sich zu Eigen.

48

Da die Klägerin – nach Erlass des angefochtenen Bescheides vom 13. Juni 2012 – gegen ihre Überstellung innerhalb der Frist, bis zu der gem. Art. 19 Abs. 4 Satz 2 Dublin-II-VO ihre Überstellung nach Italien vorbehaltlich eventuell zu treffender weiterer Maßnahmen erfolgen konnte, einen Rechtsbehelf gegen ihre Überstellung eingelegt hat, dem mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom Beschluss vom 07. März 2012 - 9 B 56/12 MD - aufschiebende Wirkung beigemessen worden ist, beginnt nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO eine (neue) sechsmonatige Frist zur Überstellung der Klägerin (erst) ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Klage. Diese Frist ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats noch nicht abgelaufen, denn der Senat hat dem Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 10. Oktober 2012 entsprochen. Nach allem kann hier dahingestellt bleiben, ob im Grundsatz das Vorliegen einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache für den Fristenbeginn hinsichtlich der Überstellung bereits ausreichend ist oder ob es darüber hinaus der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung bedarf, da die Klägerin jedenfalls erstinstanzlich obsiegt hat.

49

2) Die Beklagte ist für die Prüfung des Asylantrags der Klägerin auch nicht gem. Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO zuständig, denn die Bundesrepublik Deutschland ist nicht verpflichtet, das Selbsteintrittsrecht auszuüben.

50

Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO kann jeder Mitgliedstaat abweichend von den Zuständigkeitskriterien des Kapitels III der Verordnung einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch gem. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-II-VO zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Gegebenenfalls unterrichtet er den zuvor zuständigen Mitgliedstaat über den Selbsteintritt (a. a. O. Satz 3). Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht dabei grundsätzlich in seinem Ermessen, welches – weil integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen Europäischen Asylsystems (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/ 10 und C-493/10 -, ) – in Übereinstimmung mit den insoweit geltenden unionsrechtlichen Bestimmungen und von den Mitgliedstaaten verfolgten Zielen auszuüben ist.

51

Art. 3 Dublin-II-VO ist auch geeignet, subjektive Rechte der Klägerin zu begründen, die von ihr gegen eine vorgesehene Überstellung (Rückführung) in den nach dieser Verordnung für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat geltend gemacht werden können (vgl. dazu den Vorlagebeschluss des Hess.VGH v. 22.12.2010 - 6 A 2717/09.A -; Nds.OVG, Beschl. v. 02. 08.2012 - 4 MC 133/12 - m. w. N., Juris; ferner Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdn. 37 ff. m. w. N.). Denn auch wenn es sich bei Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO um eine Ermessensvorschrift handelt, kann sich der Betroffene – hier die Klägerin – auf einen subjektiven öffentlich-rechtlichen Anspruch auf den Selbsteintritt der Beklagten gem. Art. 3 Abs. 2 der Verordnung berufen. Diese Bestimmung ist – anders als die Vorgängerregelungen im Schengener Durchführungsübereinkommen und im völkerrechtlichen Dubliner Übereinkommen (vgl. hierzu Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdn. 25) – nicht allein im öffentlichen Interesse geschaffen worden, sondern verbürgt den von ihr Betroffenen ein subjektives Recht. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass ein Einzelner nicht nur dann aus dem Unionsrecht subjektive Rechte herzuleiten vermag, wenn diese ihm ausdrücklich zugesprochen werden. Vielmehr genügt es, wenn aus einer Rechtsnorm klar und eindeutig eine Begünstigung Einzelner hervorgeht, die keiner Bedingung und keinem zeitlichen Aufschub mehr unterliegt, und weder die Union noch die Mitgliedstaaten einen Spielraum zur Ausgestaltung der Rechtsnorm besitzen (vgl. u. a. EuGH, Urt. v. 05.02.1963 - Rs. 26/62 -, Slg. 1963, 1 [24] = NJW 1973, 1751 - van Gend & Loos vs. Niederlande; EuGH, Urt. v. 04. 12.1974 - Rs. C-41/74 -, Slg. 1974, 1337 [1349] - van Duyn vs. Home Office; EuGH, Urt. v. 19.01.1982 - Rs. C-8/81 -, Slg. 1982, 53 [71] = NJW 1982, 53 - Becker vs. Finanzamt Münster). Diese Voraussetzungen sind im Falle der Dublin-II-VO dem Grunde nach erfüllt (vgl. auch Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdnr. 124 m. w. N.). Hiervon geht im Ergebnis auch der Europäische Gerichtshof in dem zur Dublin-II-VO ergangenen Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 – (Rdnr. 38, 48 zur Frage des Rechtsschutzes, NVwZ 2009, S. 639 = Juris) aus.

52

Allerdings verbürgt Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO lediglich das Recht auf eine fehlerfreie Ermessensausübung – welches gegebenenfalls aber auf Null reduziert sein kann (vgl. VG Würzburg, Urt. v. 12.03.2009 - W 4 K 08. 30122 -; Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdnr. 134 f. und 223 m. w. N.; Marx, a. a. O. § 27a Rdnr. 13; Huber/Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2008, Rdnr. 1886; Filzwieser / Liebminger, Dublin II-Verordnung, Kommentar, 2. Aufl., Wien/ Graz 2007, Art. 3 K 9 unter Verweis auf einschlägige Rechtsprechung des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs, Entscheid v. 15.10.2004 - G 237/03 u. a. und des Belgischen Conseil d'Etat / Raad van State vom 28.08.2006, Zl. 162.039; Schröder, Die EU-Verordnung zur Bestimmung des zuständigen Asylstaats, ZAR 2003, S. 124 [131]; Hruschka, Die Dublin II-Verordnung, in: Informationsverbund Asyl e.V. [Hrsg.], Das Dublin-Verfahren, Beilage zum Asylmagazin 1-2/2008, S. 1 [9]; Hruschka, Humanitäre Lösungen in Dublin-Verfahren, Asylmagazin 7-8/2009, S. 5 [7 f. und 9 f.]).

53

Aus dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO ergibt sich eine an die Beklagte gerichtete Ermessensermächtigung, deren Zweck in der Norm selbst nicht seinen Ausdruck gefunden hat (vgl. nur Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdnr. 220; Filzwieser / Liebminger, a. a. O., Art. 3 K 8 ff.), sondern sich aus der Zwecksetzung der Verordnung insgesamt und der im Zuge der durch Art. 63 EG-Vertrag in der Fassung des Amsterdamer Vertrages vom 02. Oktober 1997 vorgegebenen gemeinschaftsrechtlichen Asylharmonisierung ergangenen europäischen Richtlinien zum materiellen Asylrecht auf der einen und zum Verfahrensrecht sowie den Aufnahmebedingungen von Flüchtlingen auf der anderen Seite erschließt. Im Einzelnen ist dabei von Folgendem auszugehen:

54

Nach Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) EG-Vertrag beschließt der Rat in Übereinstimmung mit der Genfer Flüchtlingskonvention sowie mit einschlägigen anderen Verträgen Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat. Hierauf beruhend wurde die Dublin-II-VO erlassen. Im Erwägungsgrund Nr. 5 wird hierzu ausgeführt, dass bezüglich der schrittweisen Einführung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, das auf längere Sicht zu einem gemeinsamen Asylverfahren und einem unionsweit geltenden einheitlichen Status für die Personen, denen Asyl gewährt wird, führen sollte, im derzeitigen Stadium die Grundsätze des am 15. Juni 1990 in Dublin unterzeichneten Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft gestellten Asylantrags(4) (nachstehend „Dubliner Übereinkommen“ genannt), dessen Durchführung die Harmonisierung der Asylpolitik gefördert hat, mit den aufgrund der bisherigen Erfahrungen erforderlichen Änderungen beibehalten werden sollten. Weiterhin wird insbesondere im Erwägungsgrund Nr. 15 ausgeführt, dass die Verordnung in Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen stehe, die mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - EuGrdRCh - anerkannt worden seien. Die Verordnung ziele insbesondere darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung des in Art. 18 EuGrdRCh verankerten Rechts auf Asyl zu gewährleisten.

55

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 -, Juris) lässt das im EU-Vertrag vorgesehene und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeitete gemeinsame Europäische Asylsystem allerdings die Annahme begründet erscheinen, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 (GFK) sowie in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - Europäische Menschenrechtskonvention - (EMRK) finden. Es gilt daher grundsätzlich die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtscharta und der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. M. a. W. ausgehend von der Annahme, dass es sich bei den Mitgliedstaaten der Europäischen Union um sichere Drittstaaten i. S. d. Art. 16a Abs. 2 Grundgesetz (GG) bzw. § 26a AsylVfG handelt, ist aufgrund des diesen Vorschriften zugrunde liegenden „Konzepts der normativen Vergewisserung“ (BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 22 BvR 2315/133 - Juris, Rn. 179 ff.) bzw. des „Prinzips des gegenseitigen Vertrauens“ (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - Rs C-411/10 und C-393/10 – Juris, Rn. 79 ff.) grundsätzlich davon auszugehen, dass die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Grundrechtscharta und der Europäischen Menschenrechtskonvention in diesen Ländern sichergestellt ist. Auch die Dublin-II-Verordnung beruht wie jede andere auf Art. 63 Satz 1 Nr. 1 EG-Vertrag gestützte gemeinschaftsrechtliche Maßnahme auf der Prämisse, dass die zuverlässige Einhaltung der GFK, der EMRK und der EuGrdRCh in allen Mitgliedstaaten gesichert ist (vgl. Begründungserwägung Nr. 2 und Nr. 12 Dublin-II-VO und Art. 6 Abs. 2 sowie Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 lit. a EG-Vertrag, - so auch VG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 02.10.2008 - 6 B 56/08-, Juris und VG Regensburg, Beschl. v. 15.09.2008 - RO 3 E 08.30124 - Juris).

56

Dies bedeutet zugleich, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49 = Juris; Beschl. v. 08.09.2009 - 2 BvQ 56/09 -, Juris) ein Ausländer, der in einen sicheren Drittstaat zurück verbracht werden soll, den Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor einer politischen Verfolgung oder sonstigen schwerwiegenden Beeinträchtigungen in seinem Herkunftsstaat grundsätzlich nicht mit der Begründung einfordern kann, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt würden. Für ihn kommen deshalb entsprechend dem mit Art. 16a Abs. 2 GG verfolgten „Konzept normativer Vergewisserung“ über die Sicherheit im Drittstaat auch die materiellen Rechtspositionen, auf die ein Ausländer sich sonst gegen seine Abschiebung stützen kann, grundsätzlich nicht in Betracht.

57

Allerdings hat die Bundesrepublik Deutschland dann Schutz zu gewähren, wenn ein solcher durch Umstände begründet wird, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des „Konzepts normativer Vergewisserung“ durch Gesetz berücksichtigt werden konnten oder aber sich die für die Qualifizierung als “sicher“ maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung hierauf noch aussteht. So sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (a. a. O.) Ausnahmen u. a. dann geboten, wenn der Drittstaat gegenüber dem Schutzsuchenden selbst zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung greift und dadurch zum Verfolgerstaat wird, oder wenn offen zu Tage tritt, dass der Drittstaat sich von seinen Schutzverpflichtungen lösen und einem bestimmten Ausländer der Schutz dadurch verweigern wird, dass er sich seiner ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigt (vgl. zur Problematik der Bestimmung des „sicheren Drittstaates“: BVerfG, Beschl. v. 08.09.2009 - 2 BvQ 56/09 - DVBl. 2009, 1304; Lübbe-Wolff, Das Asylgrundrecht nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Mai 1996 - DVBl. 1996, 825 ff.; s. insbesondere auch zur europa-rechtlichen Dimension: Weinzierl / Hruschka, Effektiver Rechtsschutz im Lichte deutscher und europäischer Grundrechte, NVwZ 2009, 1540 ff.).

58

Vergleichbares gilt nach dem Willen des Gesetzgebers, wenn es um die Rückführung eines Ausländers in den für seinen Asylantrag zuständigen Staat im Sinne des § 27a AsylVfG geht. Dies bedeutet, dass auch der Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO „nur“ eine Ausnahme darstellt bzw. Sonderfällen vorbehalten ist. Denn eine Prüfung, ob der Zurückweisung in den Drittstaat oder in den nach europäischem Recht oder Völkerrecht für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, ist nur dann veranlasst, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme aufdrängt, dass der Asylbewerber von einem der im normativen Vergewisserungskonzept des Art. 16a Abs. 2 GG und der §§ 26a, 27a, 34a AsylVfG nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An die Darlegung eines solchen Sonderfalles sind dabei auch im Rahmen des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49 = Juris; Beschl. v. 08.09.2009 - 2 BvQ 56/09 -, Juris). Die Annahme eines sicheren Drittstaates ist daher nur dann widerlegt, wenn ernsthaft zu befürchten steht, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EuGrdRCh bzw. der inhaltlich identischen Vorschrift des Art. 3 EMRK (vgl. insoweit Art. 52 Abs. 3 Satz 1 EuGRrdRCh) implizieren.

59

Nach der zu Art. 3 EMRK ergangenen Rechtsprechung des EGMR, auf die zur Auslegung von Art. 4 EuGrdRCH zurückzugreifen ist (vgl. EuGH, Urt. v. 21.01.2011, 2011 - No. 30696 – M.S.S. vs. Belgien und Griechenland, Rn. 88 m. w. N. – Juris) ist eine Behandlung unmenschlich, wenn sie absichtlich erfolgt und entweder tatsächliche körperliche Verletzungen oder schwere körperliche oder psychische Leiden verursacht. Eine Behandlung ist hingegen als erniedrigend anzusehen, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt und dadurch fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert, oder wenn sie Angst, Furcht oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder physischen Widerstand der Person zu brechen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.01.2011, a. a. O., Rn. 220 m. w. N.).

60

Die ernsthafte Befürchtung grundlegender Mängel besteht nur dann, wenn in einem Mitgliedstaat eine ständige Verletzung der Kernanforderungen des europäischen Asylrechts, wie sie in den Richtlinien und Verordnungen der Europäischen Union ihren Niederschlag gefunden haben, stattfindet und dadurch die Menschenwürde, das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Flüchtlings beeinträchtigt wird (vgl. hierzu VG Düsseldorf, Beschl. v. 22.12.2008 - 13 L 1993/08.A - Juris; VG Berlin, Beschl. v. 11.04.2011 - 23 L 84.11 A - Juris; VG Hannover, Beschl. v. 07.06.2011 - 1 B 2106/11 - asyl.net; VG Düsseldorf, Beschl. v. 12.09.2011 - 6 L 866/11.A - Juris; Lehnert / Pelzer, Effektiver Rechtsschutz im Rahmen des EU-Asylzuständigkeitssystems der Dublin II-Verordnung, ZAR 2010, 41 ff.; Lehnert/Pelzer, Der Selbsteintritt der Mitgliedstaaten im Rahmen des EU-Asylzuständigkeitssystems der Dublin-II-Verordnung, NVwZ 2010, 613 ff.). Bei der Beurteilung der Frage, ob für Asylbewerber in Italien dementsprechend ein “richtliniekonformes“ Verfahren gewährleistet ist, ist dabei zunächst das Schutzniveau in den Blick zu nehmen, das sich aus Art. 28 (Sozialleistungen) und Art. 31 (Zugang zu Wohnraum) der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 – Qualifikationsrichtlinie – ergibt und sodann jenes, das sich für das Asylverfahren aus der Dublin-II-VO selbst ergibt. Zugleich ist als Maßstab die Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten heranzuziehen sowie die Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 01. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft. Danach gehören zu den Kernanforderungen des europäischen Asylrechts der Zugang zu einem geordneten Asylverfahren und die Gewährung materieller Aufnahmebedingungen, welche die Grundbedürfnisse nach Unterkunft, Nahrung und medizinischer Versorgung abdecken.

61

Die vorstehend aufgezeigten Grundsätze stehen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Dieser hat mit Urteil vom 21.12.2011 - C 411/10 und C-493/10 - (Juris) ausgeführt, das Gemeinsame Europäische Asylsystem sei in einem Kontext entworfen, der grundsätzlich die Vermutung rechtfertige, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtscharta sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Gleichwohl könne – so der Gerichtshof – nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoße, so dass die ernstzunehmende Gefahr bestehe, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt würden, die mit den Grundrechten unvereinbar sei. Dabei berühre nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Verpflichtung der übrigen Mitgliedstaaten zur Beachtung der Dublin-II-VO. Sei jedoch ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufwiesen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Grundrechtscharta implizierten, so sei eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar.

62

Bei der Beurteilung der anstehenden Frage nach dem Vorliegen eines systemischen Versagens in Bezug auf das Asyl- und Aufnahmeverfahren in dem Mitgliedstaat ist überdies nicht (allein) darauf abzustellen, welche (abstrakte) Rechtslage dort herrscht, mithin ob etwa die vorgenannten Richtlinien in nationales Recht umgesetzt wurden, sondern es sind (ebenfalls) die konkreten bzw. realen Verhältnisse für die Asylbewerber, mithin die bestehende tatsächliche Verwaltungs- und Rechtspraxis in den Blick zu nehmen (ebenso VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009 - 7 K 4376/07.F.A u. a. - InfAuslR 2009, 406 = Juris).

63

Ferner ist darauf abzustellen, ob es sich bei eventuell feststellbaren Defiziten und Mängeln, etwa in Form von Rechtsverstößen und zu erwartenden Beeinträchtigungen, nur um Einzelfälle oder – soweit es sich nicht nur um Einzelfälle handelt – um bloße vorübergehende, temporäre Erscheinungen handelt, die etwa einer überraschenden Entwicklung geschuldet sind, denen aber in naher Zukunft voraussichtlich abgeholfen wird. Anders verhält es sich indes in jenen Fällen, in denen aufgrund einer Vielzahl von Referenzfällen hinreichend belegte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich die Missstände und Unzulänglichkeiten dauerhaft manifestiert haben. Die insoweit erforderliche Feststellung des Vorliegens systemischer Mängel und Missstände hat somit eine quantitative wie qualitative Komponente. Ob die desolaten Verhältnisse im Mitgliedstaat dabei darauf zurückzuführen sind, dass dieser zur Schaffung geordneter und richtlinienkonformer Verhältnisse nicht bereit oder nicht in der Lage ist, macht dabei grundsätzlich keinen Unterschied.

64

3) In Anwendung der genannten Kriterien ist im Fall der Klägerin von Folgendem auszugehen:

65

Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht verpflichtet, in Ausübung des insoweit bestehenden Ermessens von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch zu machen. Auch kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, sie besitze zumindest einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Selbsteintritt der Beklagten zur Durchführung eines Asylverfahrens gem. Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO, um als Ausnahme von den sonstigen Zuständigkeitsregeln der genannten Verordnung die Prüfung ihres Asylantrages in der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen. Diesem Recht der Klägerin ist mit dem angefochtenen Bescheid der Beklagten entsprochen worden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte ihr Ermessen verkannt hätte; auch rechtfertigt sich nicht die Annahme des Vorliegens eines formellen Ermessensfehlers, da keinerlei Gründe vorliegen, die einen sog. Selbsteintritt zu rechtfertigen vermögen.

66

Zur Überzeugung des Senats ist auf der Grundlage des ihm vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern und Flüchtlingen sowie von “Dublin-II-Rückkehrern“ in Italien nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und / oder die Aufnahmebedingungen dort derart grundlegende Mängel aufweisen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EuGrdRCh zu erwarten steht. Der Senat ist vielmehr unter Anlegung der zuvor genannten strengen Maßstäbe zur Überzeugung gelangt, dass für die nach der Dublin-II-Verordnung nach Italien zurückkehrenden bzw. rücküberstellten Asylbewerber in der Gesamtschau ein ordnungsgemäßes und richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren gewährleistet ist und dass für den Fall der Abschiebung bzw. Rückführung der betroffenen Asylsuchenden zwecks Durchführung eines Asylverfahrens nicht mit schwerwiegenden Rechtsverstößen und Beeinträchtigungen zu rechnen ist (ebenso oder ähnlich u. a.: OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013 - OVG 7 S 33.13 -; Beschl. v. 24.06.2013 - OVG 7 S 58.13 –; VG Bremen, Beschl. v. 15.04.2013 - 2 V 440/13.A -; VG Regensburg, Beschl. v. 05.02.2013 - RN 5 S 13.30026 -; Beschl. v. 26.02.2013 - RN 9 K 11.30445 -; VG Düsseldorf, Beschl. v. 17.09.2012 - 13 L 1447/12.A -; Beschl. v. 08.01.2013 - 6 L 104/13.A - und Beschl. v. 06.02. 2013 - 17 L 150/13.A -; VG Augsburg, Urt. v. 11.01.2013 - Au 6 K 12.30358 -; VG Leipzig, Urt. v. 07.12.2012 - A 1 K 973/11 -; VG München, Beschl. v. 08.11.2012 - M 15 E 12.30772 -; VG Würzburg, Beschl. v. 30.10.2012 - W 6 E 12.30288 -; VG Trier, Beschl. v. 25.10.2012 - 5 L 1146/12.TR -; VG Schwerin, Beschl. v. 27.09. 2012 - 8 B 434/12 As -; VG Bayreuth, Urt. v. 12.06.2012 - B 3 K 11.30142 - [bestätigt durch BayVGH, Beschl. v. 6.02.2013 - 20 ZB 12.302856 -]; a. A. oder eine Entscheidung in der Hauptsache vorbehaltend: VG Köln, Beschl. v. 07.05.2013 - 20 L 613/13.A -; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 30.04.2013 - 10a L 484/13.A -; VG Schwerin, Beschl. v. 15.03.2013 - 3 B 111/13 As -; VG Aachen, Beschl. v. 14.03. 2013 - 9 L 53/13.A -; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 19.02.2013 - 15a L 194/13.A -; Beschl. v. 27.02.2013 - 15a L 194/13.A -; VG Gießen, Urt. v. 24.01.2013 - 6 K 1329/12.Gl.A -; VG Karlsruhe, Beschl. v. 11.10.2012 - A 9 K 2386/12 - und Beschl. v. 22.01.2013 - A 9 K 179/13 -; VG Stuttgart, Beschl. v. 08.01.2013 - A 7 K 3929/12 -; VG des Saarlandes, Beschl. v. 03.09.2012 - 3 L 789/12 -; VG Düsseldorf, Beschl. v. 29.08.2012 - 14 L 1392/12.A – alle: Juris; VG Freiburg, Beschl. v. 27.10.2011 - A 5 K 2081/11 -; VG Magdeburg, Beschl. v. 17.07.2012 – 9 B 148/12 -; Beschl. v. 21.11.2011 - 9 A 100/11 -; Urt. v. 26.07.2011 - 9 A 346/10 MD -; vgl. auch OVG NRW, Beschl. v. 01.03.2012 - 1 B 234/ 12.A - Juris). Das Asylsystem in Italien mit dem dort geregelten und praktizierten Aufnahme- und Asylverfahren einschließlich der Unterbringungs- und Versorgungslage für die in Italien schutzsuchenden Flüchtlinge und Asylbewerber entspricht den Anforderungen des europäischen Asylsystems, selbst wenn es in Teilbereichen gewisse Mängel und Defizite aufweist. Im Einzelnen ist dabei von Folgendem auszugehen:

67

a) Nach dem dem Senat vorliegenden Erkenntnismaterial ist davon auszugehen, dass für Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien, jedenfalls soweit es sich um Dublin-II-Rückkehrer handelt, grundsätzlich ein geordnetes Aufnahmeverfahren und auch ein ungehinderter Zugang zum Asylverfahren gewährleistet sind.

68

Der Senat verkennt nicht, dass es in Italien für Asylbewerber und Flüchtlinge – und zwar bis in die jüngste Vergangenheit hinein – eine Vielzahl von Einreiseverweigerungen und Abschiebungen gegeben hat, bevor ein Asylverfahren durchgeführt werden konnte bzw. ein solches abgewartet worden wäre. Namentlich sind Fälle bekannt geworden, wonach es Zurückweisungen von Flüchtlingen auf hoher See und vor der italienischen Küste, aber auch vom italienischen Territorium gegeben hat, die offenbar darauf abzielten, den Strom von Flüchtlingen – insbesondere aus Nordafrika – abzuwehren, die in Italien Zuflucht haben suchen wollen (vgl. UNHCR, Bericht v. 16.08. 2011: „Hunderte Neuankömmlinge aus Libyen und Tunesien in Italien“, abrufbar unter: http://www.unhcr.de/print/home/artikel/042d9651d6d525aad46e97d7ee7848db/hunde).

69

Trotz der bekannt gewordenen zahlreichen Verstöße gegen das Refoulement-Verbot und teilweise vorhandener unangemessener Erschwernisse beim Zugang zu einem Asylverfahren in Italien in den vergangenen Jahren lässt sich aber – jedenfalls soweit es die aktuellen Verhältnisse im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats betrifft – nicht (mehr) davon ausgehen, dass es, sieht man einmal von Einzelfällen ab, in Italien gegenwärtig noch zu derartigen gravierenden Rechtsverletzungen kommt, wie sie in der Vergangenheit zu beklagen waren.

70

Vielmehr sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes keine Fälle neueren Datums bekannt geworden, in denen Flüchtlingen und Asylsuchenden, die in Italien um Schutz nachsuchen wollten, bei ihrer Einreise auf dem Seeweg oder auf dem Landwege die Einreise oder der Aufenthalt in Italien verweigert worden sind (AA, Auskunft v. 21.02. 2013 an OVG LSA, Anm. 1.1.). Ebenso sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes keine Fälle neueren Datums bekannt geworden, in denen Flüchtlinge und Asylsuchende nach ihrer Einreise nach Italien in ihr Herkunftsland bzw. einen Drittstaat zurückgeführt bzw. abgeschoben worden sind, ohne dass sie in Italien den von ihnen beabsichtigten Asylantrag stellen konnten (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 1.2.). Schließlich sind nach Angaben des Auswärtigen Amtes in jüngster Zeit auch keine Fälle (mehr) bekannt geworden, in denen Flüchtlinge und Asylsuchende trotz eines in Italien gestellten Asylantrages in ihr Herkunftsland bzw. einen Drittstaat zurückgeführt bzw. abgeschoben wurden (AA, a. a. O. Anm. 1.2.). Hiernach lässt sich zumindest gegenwärtig nicht mehr die Feststellung treffen, dass in Italien der Anspruch Schutzsuchender auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens generell oder auch nur regelmäßig vereitelt wird (bereits für die Vergangenheit verneinend u. a.: VG Hannover, Beschl. v. 07.07. 2011 - 1 B 2106/11 - Juris; VG Berlin, Beschl. v. 11.04.2011 - 23 L 84/11 - Juris). Dies bedarf hier indes keiner Vertiefung.

71

Denn jedenfalls lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht feststellen, dass für die im Rahmen des Verfahrens nach der Dublin-II-Verordnung nach Italien zurückkehrenden bzw. zurückgeführten Asylbewerber regelmäßig oder sogar überwiegend ein ordnungsgemäßes Asylverfahren nicht gewährleistet ist. Aufgrund eines für diesen Personenkreis gesetzlich speziell geregelten Rückführungsverfahrens ist vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, dass diese nach ihrer Rückkehr nach Italien ihren dort bereits gestellten Asylantrag weiterverfolgen bzw. erstmals einen Asylantrag stellen können und ihnen insoweit der Zugang zu einem ordnungsgemäßen Asylverfahren nicht versperrt wird. Im Einzelnen ist dabei von Folgendem auszugehen:

72

Asylbewerber, die gemäß dem Verfahren nach der Dublin-II-Verordnung nach Italien zurückkehren bzw. zurückgeführt werden, treffen in der Regel auf dem Luftweg auf den Flughäfen Fiumicino in Rom, Malpensa in Mailand, Bergamo, Venedig, Bari, Brindisi oder Ancona ein. Dort werden sie – auch wenn es in Italien kein Flughafenverfahren wie in Deutschland gibt (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW - zu Frage a.)) – von der Polizei in Empfang genommen und es wird ihnen eine Unterkunft in einer der Aufnahmeeinrichtungen zugeteilt, sofern ein Asylantrag gestellt wird bzw. ein Asylverfahren, bei dem Verfahrensstand, der bei Ausreise aus Italien vorlag, weitergeführt werden soll (zu allem: Schweizerische Flüchtlingshilfe, „Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien. Bericht über die Situation von Asylsuchenden, Flüchtlingen und subsidiär oder humanitär aufgenommenen Personen, mit speziellem Fokus auf Dublin-Rückkehrende“, Mai 2011, S. 17 und AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 1.4.). Die Polizei macht in diesen Fällen die verantwortliche Questura ausfindig und fordert die Rückkehrer auf, sich dorthin zu begeben. Dabei werden auch die Reisekosten übernommen (Schweizerischen Flüchtlingshilfe, a. a. O., S. 17) bzw. die Person bekommt, wenn die zuständige Questura weiter entfernt ist (Beispiel: Dublin-Rückkehr nach Rom, zuständige Questura in Catania), ein Zugticket ausgehändigt, um dort hinzureisen (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW - zu Frage a.)).

73

Wenn die Dublin-Rückkehrer von deutschen Beamten /Polizisten begleitet werden, gibt es insoweit keine Unterschiede. Bei ihrer Ankunft werden alle Dublin-Rückkehrer von der Polaria (Luftpolizei) am Flughafen Fiumicino empfangen. Sie werden erneut erkennungsdienstlich behandelt und es erfolgt die Feststellung, welche Questura in Italien für die Person zuständig und wie der Stand des Verfahrens ist (AA, Auskunft v. 11. 09.2013 an OVG NRW - zu Frage a.)).

74

Bei ihrer Ankunft werden die Ausländer – so auch die Dublin-II-Rückkehrer – von der am Flughafen zuständigen Hilfsorganisation „Confederazione Nazionale delle Misericordie d’Italia“ betreut und in Anwesenheit von Dolmetschern über den weiteren Verfahrensablauf unterrichtet (AA, Auskunft v. 11.09. 2013 an OVG NRW - zu Frage a.)). Die genannte Hilfsorganisation sucht für die Dublin-II-Rückkehrer zugleich eine (vorläufige) Unterkunft in einem Aufnahmezentrum (z. B. einer Einrichtung der „Centri di accoglienza richiedenti asilo“ - CARA -), welches im Allgemeinen für die Erstaufnahme zuständig ist, bis die Zuweisung zu einer Asylunterkunft am Ort der zuständigen Questura erfolgt ist. Während die Dublin-II-Rückkehrer sofort eine Unterkunft in einem entsprechenden Erstaufnahmezentrum erhalten, kann die Zuweisung zu einer Asylunterkunft für die Dauer des Asylverfahrens einige Zeit dauern, weil es zunächst gewisser Formalien den jeweiligen Asylantrag betreffend bei der zuständigen Questura bedarf. Manchmal beträgt dieser Zeitraum nur einige Tage, manchmal aber auch Wochen, z. B. wenn es sich um große Städte und Ballungszentren handelt. Belastbares Zahlenmaterial bezogen auf die Verweildauer in den Erstaufnahmeeinrichtungen ist mangels statistischer Erhebungen allerdings nicht verfügbar. In den Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber, den bereits erwähnten Einrichtungen der CARA, ist laut Gesetz grundsätzlich ein Verbleib von nicht länger als 20 bis 35 Tagen vorgesehen. Da die Zuweisungsverfahren aber oftmals länger dauern, bleiben die Antragsteller entsprechend länger in diesen Aufnahmezentren (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW - zu den Fragen a.), b.) und c.)).

75

Nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnismitteln erhalten die Schutzsuchenden nach ihrer Ankunft in Italien zudem Informationsbroschüren über ihre Rechte im Asylverfahren (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 2.3.). Diese Broschüren existieren in unterschiedlichen sprachlichen Fassungen, so u. a. in persischer, arabischer, französischer, englischer, italienischer, somalischer, spanischer und tigrinischer Sprache (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 2.3.). Darüber hinaus befinden sich in den Aufnahmeeinrichtungen Betreuungsdienste, die den Asylantragstellern zur Unterstützung zur Verfügung stehen. Diese beschäftigen oftmals Mitarbeiter, die die Landessprache der Hauptherkunftsstaaten der Asylantragsteller beherrschen (AA, Auskunft v. 21.02. 2013, Anm. 2.3.).

76

Nach allem besteht für den Senat kein Grund zur Annahme, dass die in Italien Schutzsuchenden nach ihrer Ankunft dort in unangemessener Weise “sich selber überlassen bleiben“ und sich im Hinblick auf das erstrebte Aufnahme- und Asylverfahren nicht zurecht finden können.

77

Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass die Rücküberstellung von Asylbewerbern auf der Grundlage der Dublin-II-Verordnung seitens der italienischen Behörden auf Widerstände stößt. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es im Rahmen des Dublin-Systems vor einer Asylantragstellung oder während des Asylverfahrens zu Einreiserverweigerungen, Rücküberstellungen oder sonstigen Ausweisungen in die Herkunftsländer der Asylbewerber kommt (vgl. UNHCR, Stellungnahme v. 24.04.2012 an VG Braunschweig, S. 5).

78

b) Der Senat vermag aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel auch nicht zur Einschätzung zu gelangen, dass Asylsuchende und Flüchtlinge – jedenfalls soweit es die aktuellen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts betrifft – nach ihrer Einreise und / oder während ihres Asylverfahrens mangels einer (angemessenen) Unterkunft regelmäßig oder auch nur in einer Vielzahl von Fällen in die Obdachlosigkeit geraten, mithin „auf der Straße“ oder in „Elendsquartieren“ leben müssen.

79

aa) Dabei ist zunächst hervorzuheben, dass Asylsuchende während des Asylverfahrens einen Rechtsanspruch auf eine Unterbringung besitzen, und zwar gleichermaßen für die Zeit zwischen Antragstellung und Registrierung wie für die Zeit zwischen Registrierung und Entscheidung über das Asylbegehren (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1., 5.3. und 6.1.). Dieser Anspruch ist grundsätzlich wohl auch behördlich bzw. gerichtlich durchsetzbar. Dies deckt sich jedenfalls mit einer Antwort der Bundesregierung vom 18. April 2011 auf eine Kleine Anfrage im Bundestag ("Lage von Asylsuchenden und anerkannten Flüchtlingen in Italien" – BT-Drucks. 17/5579), aus der sich ergibt, dass Asylbewerber in Italien einen gerichtlich durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Unterkunft haben. Allerdings kommt es für die Beurteilung der in Rede stehenden Frage nicht in erster Linie auf die bestehende Rechtslage an; maßgeblich ist vielmehr auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen.

80

Nach den aktuellen Auskünften des Auswärtigen Amtes stellt sich indes die tatsächliche Unterbringungssituation im Rahmen des italienischen Aufnahmesystems für Asylbewerber und Flüchtlinge Anfang 2013 (5. Kalenderwoche) wie folgt dar:

81

Die Aufnahmezentren der CARA verfügen über 5.516 Plätze und beherbergen derzeit ca. 5.300 Personen nebst 2.710 Plätzen in den Einrichtungen der CARA von Lampedusa, so dass insgesamt mehr als 8.000 Plätze zur Verfügung stehen. Die Zahlen im Gutachten von Frau Judith Gleitze, borderline-europe e. V. vom Dezember 2012 an das VG Braunschweig (a. a. O. S. 11), wonach 3.163 Personen in den genannten Einrichtungen aufgenommen werden könnten, seien inzwischen überholt (AA, Auskunft v. 24.05.2013 an VG Minden - zu Frage 8.).

82

Darüber hinaus stehen den Asylbewerbern und Flüchtlingen grundsätzlich die staatlichen Aufnahmeeinrichtungen der SPRAR („Sistems di Protezione per Richiedenti Asilo e Refugiati“) zur Verfügung. Die dort vorhandenen Plätze sind laut Auskunft des Auswärtigen Amtes in der Vergangenheit deutlich angestiegen: Bisher habe es 3.000 Plätze gegeben, so dass dort (weil eine Unterbringung regelmäßig nur für 6 Monate vorgesehen sei) insgesamt 6.000 Personen hätten versorgt und untergebracht werden können (vgl. zur Aufnahmekapazität von etwa 3.000 Personen u. a. auch der Bericht der Schweizerische Flüchtlingshilfe, a. a. O. S. 5). Nunmehr aber stehen nach Auskunft des Auswärtigen Amtes - bestätigt durch Auskünfte von Mitarbeitern der SPRAR und des italienischen Innenministeriums – insgesamt 5.000 Plätze zur Verfügung, so dass 8.000 bis 10.000 Personen untergebracht werden könnten, ungeachtet der im Rahmen des EU-finanzierten FER-Projektes für vulnerable Personen und anderer Projekte vorhandenen weiteren Plätze (AA, Auskunft v. 24.05.2013 an VG Minden - zu Frage 8.). Dies entspricht in etwa auch der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.02.2013 auf Anfrage des Senats, wonach inzwischen in ganz Italien 40 Aufnahmezentren mit rund 9.000 Plätzen zur Verfügung stehen (AA, a. a. O., Anm. 4.3.).

83

Dem steht z. B. für das Jahr 2012 eine Anzahl von 1.148 Personen gegenüber, die als Rückkehrer im Rahmen der Dublin-II-Verordnung über Rom nach Italien zurückgeschickt wurden und von der Organisation Ariconfraternita am Flughafen von Rom betreut wurden (Gutachten an das VG Braunschweig von Judith Gleitze, borderline-europe e. V. vom Dezember 2012, S. 25 und S. 59 – in Ermangelung der erfassten Gesamtzahlen der Dublin-Rückkehrer nach Italien). Berücksichtigt man überdies, dass die Zahl der Asylbewerber seit 2012 – trotz gewisser Schwankungen – insgesamt rückläufig ist, kann zumindest gegenwärtig nicht (mehr) von unzureichenden Aufnahme- und Unterbringungskapazitäten ausgegangen werden. Zur Überzeugung des Senats dürfte sich somit die aktuelle Situation in Italien soweit entspannt haben, dass sämtliche Asylbewerber, und insbesondere Dublin-II-Rückkehrer, in den öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen Platz finden können (ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013 - OVG 7 S 33.13 - ).

84

Die Annahme fehlender Kapazitäten für die Unterbringung von Dublin-II-Rückkehrern nach Italien ist insbesondere auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil es in der Vergangenheit zu einem massiven Zustrom von Flüchtlingen aus Nordafrika gekommen ist und dies zu (nachhaltigen) Engpässen bei der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern geführt hat.

85

Der UNHCR hat in diesem Zusammenhang in seiner Stellungnahme vom 24. April 2012 an das VG Braunschweig (a. a. O. S. 3) auf Folgendes hingewiesen: Im Jahre 2011 sind nach der Ankunft einer erheblichen Zahl von Personen aus Nordafrika und der darauf folgenden Erklärung des „humanitären Notstandes“ die regionalen Regierungen gebeten worden, zusätzliche Aufnahmeeinrichtungen zu bestimmen, da die bestehenden Aufnahmekapazitäten als unzureichend eingeschätzt wurden. Zwischen den Regierungen und den örtlich zuständigen Behörden (Regionen, bestimmten Provinzen [„Province Autonome“] und Gemeinden) seien Vereinbarungen getroffen worden, in denen Kriterien für die landesweite Verteilung von bis zu 50.000 Personen festgehalten wurden. Die Verantwortlichkeit für den diesbezüglichen Aufnahmeplan liege beim Leiter des Zivilschutzes („Dipartimento di Protezione Civile“). Bis Anfang 2012 seien 20.000 Personen im Rahmen des Plans in den Notunterkünften, meist in Einrichtungen kleiner bis mittlerer Größe, untergebracht worden, die in ganz Italien verteilt sind.

86

Dies deckt sich mit den Auskünften des Auswärtigen Amtes. Danach hätten die vorgehaltenen temporären Aufnahmestrukturen des Zivilschutzes, die anlässlich des Flüchtlingsstromes aus Nordafrika in der Größenordnung von 50.000 Plätzen in den Regionen geschaffen worden seien, die bestehenden Engpässe kompensiert (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.3.).

87

Soweit im Gutachten von Judith Gleitze, borderline-europe e. V. vom Dezember 2012 an das VG Braunschweig (a. a. O., S. 15) darauf verwiesen wird, dass die durch den Zivilschutz zusätzlich geschaffenen Unterkünfte nur zeitlich befristet vorgesehen gewesen seien, zunächst wohl nur bis Ende 2011 und alsdann bis Ende 2012, und dass diese inzwischen wieder geschlossen worden seien, so rechtfertigt auch dieser Einwand nach Auffassung des Senats nicht die Annahme, dass es gegenwärtig und zukünftig wieder zu fehlenden Kapazitäten in den staatlichen Einrichtungen kommen wird.

88

Zwar trifft es zu, dass das Notstandsprogramm befristet war und inzwischen wohl offiziell ausgelaufen ist. Allerdings trifft es ebenfalls zu, dass die Einrichtungen derzeit faktisch zumindest in einem beschränkten Umfang fortgeführt werden. Grund für die Schließung der Notunterkünfte war der Umstand, dass die Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge gegenüber den Vorjahren, insbesondere dem Jahr 2011 und 2012, deutlich zurück gegangen war. Allerdings waren nach Auskunft des Auswärtigen Amtes Anfang des Jahres 2013 noch ca. 17.000 Personen in den temporären Einrichtungen des Zivilschutzes untergebracht (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 4.3.). Das Auswärtige Amt hat unterdessen mit seiner neuesten Auskunft – unter Berufung auf den Leiter des Italienischen Amtes für Aufnahmezentren und Betreuung, Herrn Tommaso Ricciardi vom 04. September 2013 – zum Notstandsprojekt Nordafrika mitgeteilt, dass sich derzeit nur noch etwa 1.000 Personen („vulnerable cases“ und Asylbewerber, die ein Rechtsmittel eingelegt haben) in den Notunterkünften befinden. Offiziell hätten diese nunmehr am 01. September 2013 schließen sollen. Es werde gegenwärtig überlegt, wie die Versorgung dieser Personen weiter gewährleistet werden kann (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW – zu Frage e)).

89

Angesichts der aufgezeigten Entwicklung steht auch nicht zu erwarten, dass mit der Schließung der Notunterkünfte die dort untergebrachten bzw. noch verbliebenen Asylbewerber und Flüchtlinge in die staatlichen Unterkünfte drängen und es damit zu erneuten Überbelegungen kommen wird, mithin die Problematik fehlender Kapazitäten in den staatlichen Zentren erneut auftritt. Das Auswärtige Amt weist zudem ausdrücklich darauf hin, dass das Auslaufen des Nordafrika-Programms keine konkreten Auswirkungen auf die Dublin-Rückkehrer hat, da für diesen Personenkreis (der nicht in den Notunterkünften untergebracht wird) von vornherein kein unmittelbarer Zusammenhang zum Programm bestand (AA, Auskunft v. 11.09. 2013 an OVG NRW – zu Frage e)).

90

Gegenteiliges dürfte zur Überzeugung des Senats auch dann nicht anzunehmen sein, wenn es zu einem erneuten Anstieg der Zahl von Asylbewerbern in Italien kommen sollte. Das ausgelaufene Notstandsprogramm belegt, dass Italien Unterbringungsplätze in erheblichen Umfang zusätzlich zur Verfügung stellen kann, wenn der Zustrom von Flüchtlingen dies erfordert. Das geschaffene Notstandsprogramm lässt darauf schließen, dass die verantwortlichen Stellen – selbst wenn sie auf Druck der übrigen EU-Mitgliedstaaten tätig geworden sein sollten – bemüht sind, sich dem jeweiligen unterschiedlichen Unterkunftsbedarf in der gebotenen Weise anzupassen. Dies lässt es insbesondere nicht ausgeschlossen erscheinen, dass bei einem eventuellen erneuten Anstieg der in Italien eintreffenden Flüchtlinge und Asylbewerber entsprechende Programme zur kurzfristigen Schaffung zusätzlicher Unterkünfte neu aufgelegt werden. Dies alles rechtfertigt keine grundlegenden Zweifel daran, dass ein insoweit auch nach Beendigung des Notstandsprogramms fortdauernder Bedarf oder erneute Massenanstürme von Flüchtlingen bewältigt werden können (ebenso: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013, a. a. O.).

91

Im Übrigen erkennt auch der UNHCR an, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des staatlichen Aufnahmesystems stattgefunden haben. Insgesamt seien die Einrichtungen der CARA, CDA und SPRAR (nunmehr) in der Lage, dem Aufnahmebedarf einer „signifikanten Anzahl“ von Asylsuchenden nachzukommen (Stellungnahme vom 24. April 2012 an VG Braunschweig, S. 3). Allerdings macht der UNHCR die Einschränkung, dass die Kapazitäten der genannten Einrichtungen nicht für die Unterbringung aller unterstützungsbedürftigen Asylsuchenden ausreichend sein dürften, wenn Personen in erheblicher Anzahl neu in Italien ankommen würden (UNHCR, a. a. O., S. 3). Indes bestehen z. Z. keine Anhaltspunkte dafür, dass es in Italien derzeit oder in absehbarer Zeit erneut zu einem derartigen Anstieg der Asylbewerberzahlen kommen wird, wie er etwa in den Jahren 2010 und 2011 zu verzeichnen war.

92

Eine andere Bewertung der Unterkunftssituation für Asylbewerber und Flüchtlinge erscheint dem Senat schließlich auch nicht deshalb geboten, weil nach Auffassung des UNHCR (Stellungnahme v. 24.04.2012) in der gegenwärtigen Situation davon auszugehen sei, dass derzeit die überwiegende Anzahl aller Asylverfahren nicht innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen werden können, und die Aufnahme in den Aufnahmezentren regelmäßig auf sechs Monate befristet sei. Abgesehen davon, dass der UNHCR selbst einräumt, dass keine konkreten Zahlen zur Dauer der Asylverfahren vorliegen, besteht nach Auskunft des Auswärtigen Amtes die Möglichkeit, dass im Einzelfall – so auch bei Einlegung von Rechtsmitteln – die Aufenthaltsdauer in der Einrichtung verlängert wird.

93

Zudem ist auch dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Mai 2011 zu entnehmen, dass für die Aufnahme von Asylbewerbern eben nicht nur CARA-, CIE- und SPRAR-Zentren zur Verfügung stehen, sondern auch andere Zentren vorhanden sind basierend auf Abkommen zwischen dem Innenministerium und Gemeinden, aber auch von der Stadt – wie etwa Rom - finanzierte und von NGO’s betriebene Zentren (vgl. Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Bericht über die Situation von Asylsuchenden, Flüchtlingen und subsidiär oder humanitär aufgenommenen Personen, mit speziellem Fokus auf Dublin-Rückkehrende, S. 19). Nach dem vorgenannten Bericht (a. a. O. S. 19) kommen noch kirchliche und karitative Einrichtungen hinzu. Dass es unter Berücksichtigung der Aufnahmekapazität all dieser öffentlichen und privaten Einrichtungen sowie unter Nutzung des Angebotes des Wohnungsmarktes nicht möglich ist, eine Unterkunft zu finden, ist nicht ersichtlich.

94

Das Auswärtige Amt weist ebenfalls darauf hin, dass neben den staatlichen Unterbringungszentren zusätzlich kommunale und karitative Einrichtungen existieren wie z. B. Caritas, Migrantes in Rom, die Schwestern des Ordens der Mutter Teresa „Suore Missionarie della Carità“ und andere Hilfsorganisationen (Comunità di Sant’Egidio, Opere Antoniane, Stranieri in Italia, Centro Astalle - Jesuiten -), welche die Antragsteller und Asylbewerber versorgen und ihnen Unterkunftsplätze besorgen (AA, Auskunft v. 21.08.2013 an OVG LSA - zur Frage 3.). Dies entspricht zugleich der Einschätzung des Auswärtigen Amtes, wonach nicht davon auszugehen ist, dass jene Personen, die in den staatlichen Aufnahmeeinrichtungen und staatlichen Unterkünften keinen Platz finden, regelmäßig oder überwiegend obdachlos „auf der Straße“ oder in „Elendsquartieren“ leben müssen (AA, a. a. O. Anm. 4.3.).

95

Veranlassung zu einer anderen Einschätzung gibt dem Senat schließlich auch nicht der Bericht von Maria Bethke und Dominik Bender „Zur Situation von Flüchtlingen in Italien“ vom 28. Februar 2011, wonach angeblich davon auszugehen ist, dass „in der Vergangenheit 88 vom Hundert der Dublin-II-Rückkehrer der Gefahr der Obdachlosigkeit überlassen worden seien“. Der Senat geht dabei davon aus, dass diese Aussage nicht bedeutet, dass etwa 88 vom Hundert der Dublin-II-Rückkehrer tatsächlich in die Obdachlosigkeit geraten sind, sondern dass es sich hierbei – da der Bericht lediglich von einer „Gefahr“ einer Obdachlosigkeit spricht – um eine bloße Annahme handelt in Bezug auf das womöglich bestehende Risiko, von einer Obdachlosigkeit betroffen zu werden. Dem Senat erscheint bei dieser Sachlage allerdings nicht nachvollziehbar, wie eine (potentielle) „Gefahr“ prozentual derart exakt prognostiziert werden kann, wie dies im Bericht mit 88 vom Hundert geschehen ist, zumal die Unterbringung in staatlichen und privaten Einrichtungen und auch die Wohnungssuche im Allgemeinen mit einer Fülle von Unwägbarkeiten verbunden ist. Überdies sind die Angaben nur bedingt brauchbar, weil eben nicht erkennbar wird, auf welchen Erkenntnissen diese beruhen und welche zurückliegenden Zeiträume in Bezug genommen werden, wenn davon gesprochen wird, dass sich Aussage auf die „Vergangenheit“ beziehe.

96

bb) Ebenso lässt sich nach Auffassung des Senats nicht feststellen, dass Asylbewerber infolge unzureichender und unzumutbarer Verhältnisse in den staatlichen bzw. privaten Unterkünften, namentlich etwa aufgrund unhygienischer Zustände oder Gewalttätigkeiten und krimineller Delikte wie u. a. Diebstahl, Vergewaltigung oder erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind. Dabei wird nicht verkannt, dass es in Unterkünften mit einer Vielzahl von – teilweise auch traumatisierten – Flüchtlingen unterschiedlicher Nationalität, Religion und Gebräuchen häufiger als in anderen Bereichen der Gesellschaft zu Konflikten und gelegentlich auch gewaltsamen Übergriffen kommen dürfte. Es dürfte sich dabei allerdings um ein allgemeines Phänomen in Gemeinschaftseinrichtungen handeln, dem die staatlichen Stellen nur bedingt wirksam entgegen wirken können. Auch wenn die Aufnahme-, Unterbringungs- und Lebensbedingungen von Asylbewerbern in Italien regelmäßig nicht mit dem hiesigen Standard vergleichbar sein mögen, ist zur Überzeugung des Senats davon auszugehen, dass die Zustände in den Unterkünften im Allgemeinen jedenfalls nicht derart unzumutbar und unhaltbar sind, dass deshalb die Feststellung einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung der Asylbewerber gerechtfertigt erschiene. Dies gilt zum einen hinsichtlich der hygienischen Verhältnisse. So wird nach Auskunft des Auswärtigen Amtes von den staatlichen Aufnahmezentren und Einrichtungen Kleidung gestellt, ebenso Wäsche und Hygieneartikel zum persönlichen Gebrauch (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1., 5.3. und 6.1.). Überdies teilt das Auswärtige Amt zur Situation in den staatlichen Aufnahmezentren und Unterkünften mit, dass die hygienischen Verhältnisse dort nicht regelmäßig oder sogar überwiegend sich in der Weise darstellen, dass man ernstlich Gefahr läuft zu erkranken. Sie seien auch nicht dergestalt, dass sie nicht den Mindestanforderungen (Kochstellen, Toiletten, Waschräume, fließendes Wasser und Elektrik) genügen würden. Vielmehr seien sie durchweg so beschaffen, dass kleinere Schlafräume in Wohnhäusern oder Containern vorhanden seien, die auch zumeist mit Klimaanlagen und Zentralheizung versehen seien. Insbesondere seien Toilettenräume in ausreichender Zahl und getrennt nach Geschlechtern vorhanden. Gleiches gelte für Waschräume. Die Verpflegung werde vielfach in einem gemeinsamen Speisesaal bereitgestellt. Vereinzelt bestünden auch zusätzliche Möglichkeiten für die eigene Zubereitung von Mahlzeiten. Ferner seien in den Einrichtungen Sozialräume sowie getrennte Räumlichkeiten für medizinische Dienste und Sonderfälle vorhanden. Zur Aufrechterhaltung der Sauberkeit der allgemeinen Räumlichkeiten würden spezielle Reinigungsdienste beschäftigt (vgl. zu allem: AA, Auskunft v. 21.01.2013, Anm. 4.5.).

97

Zum anderen lässt sich aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse auch nicht feststellen, dass sich die Verhältnisse in den staatlichen Aufnahmezentren und Unterkünften in der Weise darstellen, dass die Bewohner in ständiger Angst leben müssten, „angegriffen, ausgeraubt oder gar vergewaltigt“ zu werden. Zwar gibt es Berichte, wonach es zu gewaltsamen Übergriffen von männlichen auf weibliche Bewohner gekommen sein soll; hierbei handelt es sich aber um Einzelfälle, wenngleich statistische Erhebungen zur Kriminalität speziell in den genannten Einrichtungen nicht existieren bzw. nicht bekannt sind. Darüber hinaus werden die Aufnahmeeinrichtungen zumindest durch die Polizei oder Carabinieri überwacht und geschützt; wegen auftretender Spannungen zwischen verschiedenen Ethnien wurden in manchen Einrichtungen zudem zusätzliche Polizeikräfte postiert (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.6.).

98

Im Ergebnis vermag der Senat somit nicht festzustellen, dass es – sieht man von Engpässen und Einzelschicksalen ab – mit der Durchführung von Asylverfahren in Italien generell zu Begleiterscheinungen wie etwa Obdachlosigkeit oder aufgrund der Zustände in den Unterkünften zu einer Verwahrlosung der Asylbewerber kommt.

99

c) Der Senat vermag ebenfalls nicht festzustellen, dass Schutzsuchende während des Asylverfahrens in Italien unter Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EuGrdRCh in materieller Not leben müssen, so dass von einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung auszugehen wäre, oder mit Blick auf die Versorgungssituation und soziale Situation der Asylbewerber und Flüchtlinge gemessen an den Vorgaben des unionsrechtlichen Sekundärrechts sich das Asylsystem als nicht (mehr) richtlinienkonform darstellt.

100

Asylsuchende und Flüchtlinge haben nach Auskunft des Auswärtigen Amtes während des Asylverfahrens einen (Rechts-)Anspruch auf (angemessene) Verpflegung und Versorgung (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1.). Dieser Verpflichtung wird im Allgemeinen dadurch nachgekommen, dass in den staatlichen Unterkünften und Aufnahmezentren entsprechende Leistungen erbracht werden. Namentlich wird auch Kleidung gestellt, ebenso Wäsche und Hygieneartikel zum persönlichen Gebrauch (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 5.1., 5.3. und 6.1.). Vorgenanntes gilt gleichermaßen für die Zeit zwischen Antragstellung und Registrierung wie für die Zeit zwischen Registrierung und Entscheidung über das Asylbegehren (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 5.1.).

101

Ebenso werden Asylbewerber und Flüchtlinge, die in nichtstaatlichen, namentlich karitativen und kirchlichen Unterkünften leben, mit Nahrung und Kleidung versorgt, wobei insoweit auch private Dienstleister herangezogen werden (vgl. AA, Auskunft v. 21. 02.2013, Anm. 5.2.). Allerdings ist für Asylbewerber und Flüchtlinge außerhalb staatlicher sowie karitativer und kirchlicher Einrichtungen eine staatliche Verpflegung und Versorgung nicht (mehr) gewährleistet. Auch existiert in Italien nur ein sehr eingeschränktes staatliches Sozialhilfesystem; danach erhalten nur Personen über dem 65. Lebensjahr Sozialhilfeleistungen. Im vorliegenden Fall würde dies sogar bedeuten, dass die 65-jährige Klägerin auch staatliche Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen könnte. Im Übrigen haben die Betroffenen auch als Asylbewerber und schutzsuchende Flüchtlinge einen freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Sie können ihren Lebensunterhalt dadurch verdienen, dass sie je nach Ausbildung oder Befähigung einer zumindest einfachen Arbeit nachgehen (vgl. AA, Auskunft v. 21.02. 2013, Anm. 5.1.).

102

In der Praxis kann somit nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass Asylbewerber und Flüchtlinge ihren Lebensunterhalt regelmäßig nicht durch Betteln und / oder Prostitution sichern müssen (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.4.). Vielmehr ist insgesamt eine ausreichende Versorgung vorhanden. Einzelfälle sind allenfalls auf das in der aktuellen Wirtschaftskrise insbesondere in italienischen Großstädten zunehmend auftretende Phänomen des Bettelns und die damit einhergehenden erhofften zusätzlichen Einkunftsmöglichkeiten zurückzuführen. Was die Prostitution angeht, so ist nicht völlig auszuschließen, dass weibliche Asylbewerber oder Flüchtlinge in Einzelfällen durch Angehörige der organisierten Kriminalität rekrutiert werden und dann tatsächlich der Prostitution nachgehen. Dies ist aber nicht im kausalen Zusammenhang mit Defiziten im Asylverfahren zu sehen (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.4.; Auskunft v. 24.09.2012, S. 3 - Antwort auf Frage b 2)).

103

Im Übrigen folgt aus Art. 3 EMRK und Art. 4 EuGrdRCh auch nicht die Verpflichtung, Asylbewerbern und Flüchtlingen eine finanzielle Unterstützung zu gewähren, um ihnen einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.02.2011, a. a. O.).

104

Ebenso ist ein Verstoß gegen die Richtlinie 2004/83/EG nicht ersichtlich. Kapitel VII der Richtlinie gestaltet den Inhalt des internationalen Flüchtlingsschutzes zwar u. a. dahin gehend aus, dass Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte grundsätzlich Zugang zu Sozialleistungen (Art. 28), medizinischer Versorgung (Art. 29) und Wohnraum (Art. 31) erhalten. Allerdings gehen die Bestimmungen über die Gebote zur Inländergleichbehandlung (Art. 28, 29) bzw. zur Ausländergleichbehandlung (Art. 31) nicht hinaus. Art. 28 und 29 der Richtlinie gewährleisten die notwendige Sozialhilfe bzw. medizinische Versorgung nur insoweit, wie die Mitgliedstaaten ihren eigenen Staatsangehörigen eine entsprechende Behandlung bzw. Versorgung gewähren; für Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte besteht zudem die Möglichkeit, den Anspruch auf Kernleistungen zu beschränken, die dann im Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige zu gewähren sind. Demzufolge muss der in Italien bestehende allgemeine Lebensstandard für andere, vergleichbare Personen mit italienischer Staatsangehörigkeit in den Blick genommen werden, die ebenfalls keine staatlichen Sozialleistungen in Anspruch nehmen können und bei denen ebenfalls nur durch die Aufnahme von Gelegenheitsarbeiten oder aber vermittels von Zuwendungen karitativer oder kirchlicher Organisationen das Existenzminimum gesichert ist.

105

Nach allem lässt sich ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EuGrdRCh nicht daraus herleiten, dass – worauf in der Rechtsprechung einzelner Verwaltungsgerichte abgestellt wird – ein staatliches Sozialsystem, welches Flüchtlingen und Asylsuchenden zumindest ein Existenzminimum garantiert, nicht zur Verfügung steht und dass die Betroffenen deshalb darauf angewiesen seien, sich „selbst durch das Leben zu schlagen“ (vgl. VG Magdeburg, Beschl. v. 28.03.2011 - 9 B 101/11 MD - Juris; Gerichtsbescheid v. 21.11.2011 - 9 A 351/10 - [S. 5 d. UA]; VG Braunschweig, Beschl. v. 31.05.2011 - 1 B 103/11 - m. w. N. - Juris).

106

Im Übrigen ist in der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (a. a. O. S. 22) nicht – wie gelegentlich behauptet wird – die Rede davon, dass der genannte Personenkreis „in extremer Armut lebt und dass sie ihre Lebensbedürfnisse nicht decken können“. Vielmehr ist – wohl mit Bedacht – davon die Rede, dass sie Gefahr laufen, womöglich in eine solche Situation zu geraten; dass sich indes diese Gefahr bereits in eine Vielzahl von Fällen realisiert hätte oder gleichsam regelmäßig bzw. für jeden Asylsuchenden und Flüchtling die konkrete Gefahr bestünde, dass nicht einmal das Existenzminimum gesichert ist, wird nicht behauptet. Dies schließt nicht aus, dass es in Einzelfällen auch zu besonderen Notlagen kommen mag und dass der Lebensstandard der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien im Allgemeinen sehr gering sein dürfte. Gleichwohl vermag der Senat anhand des ihm vorliegenden umfassenden Erkenntnismaterials aber nicht festzustellen, dass die Situation für Flüchtlinge und Asylsuchende in den Zentren und außerhalb derselben derart prekär wäre, dass deshalb von einem Verstoß gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EuGrdRCh auszugehen ist.

107

d) Soweit es die medizinische Versorgung betrifft, sind alle Mitgliedstaaten aufgrund der EU-Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 verpflichtet, bestimmte Mindeststandards der medizinischen Versorgung zu gewährleisten. So haben alle Mitgliedstaaten nach Art. 15 der genannten Richtlinie dafür Sorge zu tragen, dass Asylbewerber und Flüchtlinge die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung für die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst. Dabei ist auch Asylbewerbern mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische und sonstige Hilfe zu gewähren.

108

In Italien ist im Rahmen des nationalen Gesundheitsdienstes grundsätzlich ein medizinischer Mindestbehandlungsstandard gewährleistet. Asylbewerber und Flüchtlinge haben in Italien während des Asylverfahrens einen Anspruch auf eine „freie“ (kostenlose) medizinische Versorgung sowie auch auf psychologische Hilfe, insbesondere auch Minderjährige und traumatisierte Personen (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1., 5.3. und 6.3.).

109

Dem entspricht es, wenn im Entscheiderrundbrief des Bundesamtes 7/2011 (a. a. O., S. 8) zur medizinischen Versorgung festgestellt wird, dass bei der Überstellung von kranken bzw. traumatisierten Personen – wie bei jedem italienischen Staatsbürger – die Möglichkeit der (medizinischen) Behandlung besteht. Bereits im Jahre 2009 habe es bei der SPRAR drei Zentren gegeben, in denen auch psychisch kranke Personen hätten behandelt werden können (zwei in Rom, eines in Turin). Für 2011 seien zudem 50 weitere Behandlungsplätze für psychisch kranke Personen bzw. Personen mit besonders schweren Erkrankungen geplant worden. Inzwischen würden bei Dublin-Überstellungen psychisch kranke Personen in Italien als eine besonders „vulnerable Gruppe“ angesehen.

110

Voraussetzung für den Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem ist zwar grundsätzlich ein gültiger Aufenthaltstitel bzw. ein rechtmäßiger Aufenthalt; bei im italienischen Asylverfahren befindliche Personen stellt sich dieses Problem aber nicht. Der Zugang zu öffentlichen medizinischen Leistungen ist auch nicht an die Voraussetzung eines ständigen Wohnsitzes bzw. feste Adresse gekoppelt, wie gelegentlich behauptet wird. Vielmehr erhalten Asylbewerber bei Bedarf auch ohne einen solchen ständigen Wohnsitz bzw. feste Anschrift vom nationalen Gesundheitsdienst einen Gesundheitsausweis („tessera sanitara“) und eine Steuernummer („codice fiscale“) (vgl. AA, Auskunft v. 09.10.2012 an VG Minden, S. 2 - zur Frage b) 4; ebenso: AA, Auskunft v. 11.07.2012 an VG Freiburg - S. 2 Ziffer I b)). Sollte hingegen etwas anderes gelten, ist davon auszugehen, dass aufgrund einer aktuellen Vereinbarung zwischen der Zentralregierung und den Regionen zumindest eine Not- und Grundversorgung auch für sich illegal in Italien aufhaltende Personen garantiert ist (AA, Auskunft v. 21.01.2013, Anm. 6.2.).

111

Der Senat vermag angesichts dieser Situation nicht zu erkennen, dass damit den eingangs aufgezeigten Mindeststandards bzw. Kernanforderungen nicht genügt wird. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass in bestimmten Fällen womöglich einzelnen Personen eine nur unzureichende medizinische Versorgung zuteil wurde oder diese aus dem medizinischen Versorgungssystem herausgefallen sind.

112

Aber selbst dann, wenn für kranke, behinderte oder sonst gesundheitlich besonders schutzbedürftige Personen die garantierte medizinische Not- und Grundversorgung nicht als ausreichend angesehen würde, ergäben sich daraus jedenfalls für die Klägerin, die keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen angeführt hat, keine Bedenken gegen ihre Überstellung nach Italien.

113

e) Soweit es das Asylverfahren als solches, namentlich die Qualität und die Dauer des Verfahrens betrifft, lässt sich ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 EMRK und Art. 4 EuGrdRCH sowie gegen die einschlägigen unionsrechtlichen Richtlinien ebenfalls nicht feststellen.

114

Italien gewährleistet entsprechend dem (Grund-)Recht auf Asyl (gem. Art. 10 Abs. 3 der italienischen Verfassung, verschiedenen Einwanderungs- und Asylverfahrensgesetzen, insbesondere nach dem Gesetz No. 25/2008 vom 28. Januar 2008) ein Schutzverfahren, das auch für Überstellungen nach der Dublin-II-Verordnung greift. Besonderheiten bestehen insoweit nicht (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 3.1.).

115

Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass es hinsichtlich der Qualität oder der Dauer der Asylverfahren einen Grund für Beanstandungen gibt. Insbesondere lässt sich nicht feststellen, dass von einer unverhältnismäßig restriktiven Asylpraxis auszugehen ist. Gegen eine solche Annahme sprechen die Zahlen, die vom Auswärtigen Amt zum Asylverfahren benannt werden. Danach wurden im Jahre 2010 über 14.042 Asylanträge entschieden, davon wurden 2.094 Antragsteller nach der Genfer Konvention anerkannt (15 vom Hundert), 1.789 erhielten subsidiären (13 vom Hundert), 3.675 humanitären Schutz (26 vom Hundert), hingegen wurden 4.698 abgelehnt. 520 Personen waren nicht auffindbar (4 vom Hundert) und 1.266 (9 vom Hundert) sind sonstige Fälle. Dementsprechend lag die Quote der Anerkennungen bzw. der Gewährung eines Bleiberechts bei immerhin 54 vom Hundert (vgl. AA, Auskunft v. 21.02. 2013, Anm. 3.2.). Demgegenüber wurden im Jahre 2011 über 25.626 Asylanträge entschieden. Davon wurden 2.057 Antragsteller nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt (8 vom Hundert), 2.569 Personen erhielten subsidiären (10 vom Hundert) und 5.662 humanitären Schutz (22 vom Hundert); 11.131 Personen wurden hingegen abgelehnt (44 vom Hundert) und 2.339 Personen waren nicht auffindbar (9 vom Hundert). Die Anerkennungsquote lag 2011 somit bei 40 vom Hundert, was ebenfalls nicht die Annahme einer unverhältnismäßig restriktiven Praxis rechtfertigt (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 3.2.; AA, Auskunft v. 11.07.2012 an VG Freiburg, S. 5 unter Hinweis auf eine entsprechende Statistik des Innenministeriums, abrufbar unter: http://www.interno.it/miniinteno/export/sites/default/it/assets/files/21/0551_statistiche_asilo.pdf).

116

Es kommt hinzu, dass sich die für die Entscheidung der Asylverfahren in erster Instanz zuständigen Territorialkommissionen per Dekret des Innenministers in der Weise zusammensetzen, dass auch jeweils ein Vertreter des UNHCR beteiligt ist (Bundesamt für Migration der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Hintergrundnotiz MILA - Italien Asylverfahren, Bericht vom 23.09.2009, S.4). Dies berechtigt zur Annahme, dass der Ordnungsmäßigkeit des Asylverfahrens eine besondere Beachtung geschenkt wird.

117

Hinsichtlich der Dauer des Asylverfahrens in Italien gibt es ebenfalls nichts zu beanstanden. Über den Asylantrag soll an sich innerhalb von 30 Tagen entschieden werden; zudem wird angestrebt, dass das Gesamtverfahren einschließlich gerichtlicher Überprüfung nicht länger als sechs Monaten dauert, auch wenn es immer wieder Fälle gibt, in denen diese Dauer – manchmal bis zu einem Jahr oder auch länger – überschritten wird (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 3.1., 3.2.; ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013, a. a. O. Rn. 15).

118

Ferner lässt sich nicht feststellen, dass es in Italien während des Asylverfahrens in nennenswerter Weise faktische Beeinträchtigungen in verfahrensrechtlicher bzw. prozessualer Hinsicht gibt. Art. 16 des italienischen Asylverfahrensgesetzes No. 25 vom 28. Januar 2008 garantiert dem Asylbewerber, dass er nach den einschlägigen Prozessvorschriften Anspruch auf eine Rechtsberatung und einen unentgeltlichen Rechtsbeistand im Verfahren hat (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 3.4.). Zwar bestehen Zweifel, ob dies auch in der Praxis ausnahmslos Geltung besitzt, wenn man berücksichtigt, dass für die nach Rom zurückkehrenden Dublin-II-Rückkehrern (und in Rom eintreffenden Asylbewerber) die Prozesskostenhilfe davon abhängig gemacht wird, dass zum Nachweis der wirtschaftlichen Bedürftigkeit eine Bescheinigung der jeweiligen Auslandsvertretung beigebracht werden soll. Allein wegen der Tatsache, dass der Asylbewerber im Einzelfall das Verfahren ohne anwaltlichen Beistand durchzuführen hat, soweit kein Anwaltszwang besteht, kann nicht schon von einem (landesweit bestehenden) systemischen Mangel gesprochen werden, der die Annahme einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i. S. d. Grundrechtscharta und EMRK rechtfertigt. Im Übrigen stehen dem Asylbewerber im Asylverfahren auch Übersetzungsdienste zur Verfügung (vgl. AA, Auskunft an OVG LSA v. 21.02.2013, Anm. 2.3. und 3.3.; AA, Auskunft v. 11.07.2012 an VG Freiburg, S. 3).

119

Insbesondere bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass – von Ausnahmen abgesehen – die für die Durchführung des Hauptsacheverfahrens erforderliche Erreichbarkeit des Asylbewerbers in Italien nicht sichergestellt wäre. Für eine solche Annahme fehlt es an hinreichend belegten Referenzfällen. Auch gibt es für Italien keine ernst zu nehmenden Quellen, wonach sich die Wahrnehmung von Verfahrensrechten (Antragstellung, Einlegung von Rechtsbehelfen etc.) regelmäßig als derart schwierig erweist, dass diese Rechte faktisch leer laufen würden.

120

Soweit in der Rechtsprechung dennoch vereinzelt – so u. a. das VG Gießen (Beschl. v. 10.03.2011 - 1 L 468/11.GI.A - Juris) und ihm folgend das VG Magdeburg (Beschl. v. 21.11.2011 - 9 A 351/10 -) – die Auffassung vertreten wird, „es erscheine auch die Qualität der Asylverfahren bedenklich“, wird diese Kritik nicht weiter spezifiziert und auch nicht durch entsprechende Erkenntnismittel belegt.

121

f) Ebenso lässt sich anhand des dem Senat vorliegenden Erkenntnismaterials nicht feststellen, dass im Hinblick auf die rechtliche und soziale Situation anerkannter Asylbewerber sowie der Flüchtlinge mit einem Bleiberecht angesichts der in Italien anzutreffenden Lebens- und Versorgungssituation sowie unter Berücksichtigung der insoweit staatlicherseits unternommenen Integrationsbemühungen das Aufnahme- und Asylverfahren in Italien derartige Mängel aufweist, dass es den Anforderungen des europäischen Asylsystems nicht mehr entspricht.

122

Schutzberechtigte, mithin anerkannte Asylbewerber (Asylberechtigte) und Personen mit subsidiärem Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten mit ihrer Anerkennung ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht; es wird ihnen eine Aufenthaltsberechtigung („permesso di soggiorno“) ausgestellt. Danach genießen sie in Italien dieselben Rechte wie italienische Staatsangehörige (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.2.).

123

Dies bedeutet in der Praxis, dass sie sich – ebenso wie italienische Staatsangehörige – grundsätzlich selbst um eine Unterkunft kümmern und auch in eigener Verantwortung einen Arbeitsplatz suchen müssen. Dafür besteht aber ein freier Zugang zum Arbeitsmarkt (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Alle Personen, die in Italien einen Schutzstatus besitzen, haben auch das Recht zu arbeiten (AA, Auskunft v. 21.02.2013, a. a. O.).

124

Sie können ihren Lebensunterhalt dadurch verdienen, dass sie je nach Ausbildung oder Befähigung einer zumindest einfachen Arbeit nachgehen (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 5.1.). Anerkannte Asylbewerber und Personen mit einem subsidiären Schutzstatus haben Zugang zu einer Beschäftigung in Italien, wie dies durch Art. 26 und Art. 28 der Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) garantiert wird.

125

Ein staatliches System finanzieller Hilfeleistungen bzw. ein Sozialhilfesystem existiert hingegen nicht. Denn in Italien gibt es für italienische Staatsangehörige – und somit auch für anerkannte Flüchtlinge und Personen mit subsidiärem Schutzstatus, die ihnen gleichgestellt sind – kein national garantiertes Recht auf Fürsorgeleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bzw. (sonstige) staatliche Sozialleistungen, jedenfalls soweit sie nicht das 65. Lebensjahr erreicht haben (AA, Auskunft v. 11.07.2012 an das VG Freiburg). Art. 28 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gewährt hinsichtlich der Sozialleistungen nur einen Anspruch auf Inländergleichbehandlung, nicht aber einen Anspruch auf Privilegierung des anerkannten Flüchtlings.

126

Zwar entspricht es der italienischen Kultur, dass es einen engen Familienzusammenhalt gibt, der im Notfall zumindest die Chance eröffnet, eine (gewisse) Unterstützung durch Familienangehörige in Anspruch nehmen zu können. Dass es eine solche vergleichbare Unterstützung unter den ausländischen Landsleuten gibt, die sich aufgrund ihres Schutzstatus dauerhaft in Italien aufhalten, erscheint nicht ausgeschlossen, dürfte aber die Ausnahme sein. Gleichwohl lässt dieser Umstand nach Auffassung des Senats für sich allein nicht schon die Annahme gerechtfertigt erscheinen, dass der anerkannte Flüchtling und sonstige Schutzberechtigte in Italien deshalb der konkreten Gefahr ausgesetzt wäre, „auf der Straße“ zu leben und zu verelenden.

127

Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass – ebenso wie italienische Staatsangehörige in einer vergleichbaren Situation – auch anerkannte Asylbewerber und schutzberechtigte Flüchtlinge von nichtstaatlichen Hilfsorganisationen, wie beispielsweise durch die CARITA und CIR, Unterstützung bekommen können (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Die Zuständigkeit für die Festsetzung von derartigen öffentlichen Sozialleistungen liegt grundsätzlich im Kompetenzbereich der Regionen. In bestimmten Regionen (z. B. Toskana, Emilia Romagna) wird die Höhe derartiger Leistungen durch die Kommune festgesetzt; die Leistungen weisen insoweit je nach regionaler und kommunaler Finanzkraft deutliche Unterschiede auf (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Diese Erkenntnis deckt sich im Übrigen mit dem Gutachten der Flüchtlingsorganisation borderline-europe e. V. (Gutachten an das VG Braunschweig vom Dezember 2012) und der Auskunft der italienischen Vereinigung für rechtliche Untersuchungen zur Situation von Einwanderung (ASGI-Bericht vom 20. November 2011, S. 10 f.). Danach erhalten ebenfalls anerkannte Asylbewerber und Personen, denen internationaler Schutz gewährt worden ist, Unterstützungen allgemeiner Art, wie sie auch für andere mittellose Personen in Italien vorgesehen sind.

128

Überdies ist für anerkannte Flüchtlinge und Personen mit subsidiärem Schutzstatus ein kostenfreier Zugang zu allen öffentlichen medizinischen Leistungen wie Arzt, Zahnarzt, Krankenhaus gewährleistet (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Ein Anspruch auf Einhaltung bestimmter Mindeststandards im Hinblick auf die Gewährung von Unterkunft sowie auf eine gewisse materielle Unterstützung besteht für sie auch nach dem Unionsrecht nicht; ein solcher Anspruch besteht nur für Asylbewerber (EGMR, Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - M.S.S. v. Belgium and Greece; EuGH, Urt. v. 21.12. 2011 - C-411/10 und C-493/10 - N.S. und M.E.), denn nach den Bestimmungen der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 steht Asylbewerbern und Schutzsuchenden zwar ein subjektives Recht auch auf eine angemessene Fürsorge zu. Nach Art. 3 Abs. 1 der genannten Richtlinie haben Asylbewerber jedoch nur solange Anspruch auf die in Art. 5 ff. der Richtlinie bezeichneten humanitären Leistungen, solange sie „als Asylbewerber im Hoheitsgebiet verbleiben dürfen“. „Asylbewerber“ im Sinne der Richtlinie ist dabei ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, der einen Asylantrag gestellt hat, über den noch nicht entschieden wurde.

129

Soweit anerkannten Asylbewerbern und schutzberechtigten Flüchtlingen in der Zivilbevölkerung vereinzelt Vorbehalte entgegen gebracht werden und sich diese Vorbehalte womöglich auch im Verhalten von Amtsträgern widerspiegeln sollten, lässt sich diesem Umstand keine selbständige rechtliche Bedeutung beimessen. Die gilt selbst dann, wenn der genannte Personenkreis im Alltag womöglich Benachteiligungen erfahren sollte. Denn die genannten Umstände lassen nicht den Schluss zu, dass das Aufnahme- und Asylverfahren in Italien schon allein aus diesem Grunde den Regeln des europäischen Asylsystems zuwiderläuft.

130

Nach allem erübrigt sich hier die Erörterung der weitergehenden Frage, ob und inwieweit auch möglicherweise jene (unionsrechtlichen) Rechtsverletzungen für die Entscheidung über den Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO relevant sind, die Personen betreffen, bei denen das Asylverfahren bereits mit einer Anerkennung bzw. mit einem subsidiären Schutzstatus abgeschlossen ist (vgl. hierzu VG Regensburg, Beschl. v. 16.08.2012 - RN 7 S 12.30273 -).

131

g) Zur Überzeugung des Senats steht auch bei der gebotenen Zukunftsprognose nicht zu erwarten, dass angesichts eines unvermindert anhaltenden oder wieder zunehmenden Flüchtlingsstroms nach Italien sich die dort anzutreffenden Verhältnisse (wieder) verschlechtern werden. So verhält es sich jedenfalls dann, wenn man bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats Folgendes in Rechnung stellt:

132

Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes ist in Italien gegenwärtig nicht (mehr) von einem Anstieg des Zustroms von Asylbewerbern und Flüchtlingen auszugehen (AA, Auskunft v. 21.02.2013 Anm. 9.1. und 9.2.). Diese Entwicklung wird auch durch das dem Senat vorliegende Zahlenmaterial belegt. Laut Berichterstattung in der Presse (Spiegel online v. 26.04.2011) haben von Januar bis Ende April 2011 allein 26.000 Flüchtlinge in Italien um Schutz nachgesucht. Demgegenüber wurden laut Auskunft des Auswärtigen Amtes im ersten Halbjahr 2012 nur insgesamt 5.580 Asylanträge in Italien gestellt (AA, Auskunft v. 21.01.2013 Anm. 3.2.).

133

Insbesondere ist auch ein deutlicher Rückgang von Anlandungen im Süden Italiens zu verzeichnen. Im Jahr 2011 waren es noch 62.692 Personen, im Jahre 2012 hingegen nur noch 13.267 Personen (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 9.1. und 9.2.). Dies ist – wie das Auswärtige Amt in nachvollziehbarer Weise feststellt – vor allem auf die Beruhigung der Lage in den Nordafrikanischen Staaten zurückzuführen (AA, a. a. O.).

134

Im Übrigen ist auch in der Gesamtschau des letzten Jahrzehnts nicht von einem kontinuierlichen und erheblichen Zuwachs an Asylbewerbern und Flüchtlingen in Italien auszugehen, so dass etwa deshalb die Annahme einer nicht (mehr) zu bewältigenden “Überlastung“ des Asylsystems in Italien begründet wäre. In der ersten Hälfte des letzten Jahrzehnts waren die Zahlen bis 2006 vielmehr rückläufig, die Zahl der Asylantragsteller ging insoweit von 24.000 auf 10.000 zurück. In den Jahren 2008 und 2011 gab es dann in den Spitzen über 30.000 Asylbewerber, während es im Jahre 2012 allerdings wieder weniger als 15.000 Bewerber waren. Bei den genannten Spitzen handelte es sich somit um temporäre Erscheinungen aufgrund der politischen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem “arabischen Frühling“ (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 9.1.2.). Auch ist nach aktueller Einschätzung, namentlich vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung in den Mittelmeer-Anrainerstaaten, nicht damit zu rechnen, dass die Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien in absehbarer Zeit ansteigen wird (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 9.1.3.).

135

Nach allem erweist sich die in der einschlägigen Rechtsprechung vielfach angeführte Begründung, dass wegen der zu erwartenden weiteren Flüchtlingsströme von Afrika nach Italien infolge der kriegerischen Auseinandersetzungen und der damit einhergehenden instabilen Verhältnisse in Nordafrika sich die Entwicklung in Italien in absehbarer Zeit voraussichtlich nicht verbessern, sondern eher noch verschlechtern wird (so u. a. VG Stuttgart, Beschl. v. 02.07.2012 - A 7 K 1877/12 - ) als nicht (mehr) tragfähig.

136

Insbesondere lässt sich auch der Stellungnahme des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen – UNHCR – vom 24. April 2012 an das Verwaltungsgericht Braunschweig kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass ernsthaft zu befürchten ist, dass die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien grundlegende Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aufweisen. Nach dem Inhalt dieser Stellungnahme wurden in Italien die regionalen Regierungen im Jahr 2011 nach Ankunft einer erheblichen Zahl von Personen aus Nordafrika ausdrücklich gebeten, zusätzliche Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen. Zwischen den Regierungen und den örtlich zuständigen Behörden wurde zudem eine Vereinbarung getroffen, in der die Kriterien für die landesweite Verteilung von bis zu 50.000 Personen festgehalten wurden. Der UNHCR erkennt vor diesem Hintergrund an, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des Aufnahmesystems stattgefunden haben und die CARA-, CDA- und SPRAR-Projekte insgesamt in der Lage sind, dem Aufnahmebedarf einer signifikanten Anzahl von Asylsuchenden nachzukommen (UNHCR, a. a. O. S. 3).

137

Dass die Verhältnisse zwischen Italien und Griechenland – wie gelegentlich behauptet wird – vergleichbar sind, vermag der Senat nicht festzustellen. Dies bedarf aber auch keiner Vertiefung, weil es hierauf nicht entscheidend ankommt. Dennoch bleibt festzustellen, dass der UNHCR – anders als in Bezug auf Griechenland – für Italien jedenfalls keine Empfehlung ausgesprochen hat, von einer Überstellung bzw. Abschiebung von Dublin-II-Flüchtlingen nach Italien abzusehen. Der Senat misst diesem Umstand kein geringes Gewicht bei. Soweit vereinzelt der Einwand erhoben wird, dies sei dem Umstand geschuldet, dass der UNHCR „politische Rücksichten zu nehmen habe“, ist dies durch Nichts belegt. Zwar hat – ausweislich des Tagungsberichts von Nora Markard zum 12. Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz vom 18.-19. Juni 2012 in Berlin (ZAR 10/2012 S. 380 ff. S. 381 zur Situation in Italien) – der UNHCR Senior Regional Protection Associate Jürgen Humberg im Hinblick auf die deutsche Debatte über die Zulässigkeit von Abschiebungen nach Italien angeblich betont, dass der Umstand, dass der UNHCR bisher kein Positionspapier zu Italien veröffentlicht habe, nicht bedeute, dass in Italien „alles in Ordnung sei“; eine solche Schlussfolgerung, den einige Verwaltungsgerichte zögen, sei unzulässig. Auch diese Äußerung veranlasst den Senat nicht zu einer anderen Einschätzung im Hinblick darauf, dass sich der UNHCR – anders als in anderen Fällen – einer entsprechenden offiziellen Stellungnahme bzw. Empfehlung, von einer Rückführung von Asylbewerbern nach Italien abzusehen, enthalten hat. Dies bedeutet keineswegs, dass der Senat der Auffassung wäre, in Italien „sei alles in Ordnung“; hieraus aber folgt eben noch nicht, dass in Bezug auf das Asyl- und Aufnahmeverfahren in Italien systemische Mängel feststellbar sind, die eine Verletzung der Europäischen Grundrechtscharta oder der Menschenrechtskonvention darstellen.

138

Festzustellen bleibt überdies, dass der UNHCR auch in seinem jüngsten Bericht (UNHCR - Recommendations on important aspects of Refugee protection in Italy) vom Juli 2013 trotz zahlreicher kritischer Anmerkungen bei seiner Einschätzung zur aktuellen Lage der Flüchtlinge und Asylbewerber in Italien zu keinem anderen Ergebnis gekommen ist.

139

Schließlich hat auch der EGMR in einer neueren Entscheidung vom 02. April 2013 (Ap-plication No. 27725/10 - Mohammed Hussein vs. the Netherlands and Italy) eine gegen die Dublin-Überstellung von den Niederlanden nach Italien gerichtete Beschwerde als offensichtlich unbegründet abgewiesen. In der Entscheidung hat sich der EGMR mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, einer nach eigenen Angaben aus Somalia stammenden Frau mit zwei kleinen Kindern, zum Asylverfahren und auch zur Unterbringungssituation in Italien auseinander gesetzt und festgestellt, dass die Situation in Italien keineswegs mit der in Griechenland vergleichbar sei (Entscheidung v. 02.04. 2013, a. a. O. Rdn. 72). Auch aus dem Umstand, dass der EGMR in einer früheren Entscheidung (Application No. 64208/11) die Abschiebung eines Asylbewerbers von Deutschland nach Italien gestoppt hat, lässt sich nicht herleiten, dass Italien generell die Anforderungen des europäischen Asylsystems nicht erfüllt. Die Gründe für den mit der genannten Entscheidung verhängten Abschiebungsstopp sind letztlich nicht bekannt. Dem „Statement of Facts“ ist indes zu entnehmen, dass sich der dortige Antragsteller zwar auch auf die Lebensumstände von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Italien berufen hat, jedoch insbesondere im Raum stand, dass er durch die Abschiebung aufgrund unterschiedlicher Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Münster und Magdeburg von seiner Frau und seinen Kindern getrennt werden würde, deren Abschiebung gestoppt wurde. Weitere Fälle des EGMR (Application No. 30815/09, Application No. 37159/09, Application No. 56424/10) betrafen unbegleitete Minderjährige und die spezielle Situation einer Mutter mit einem minderjährigen Kind (Application No. 2303/10).

140

Im Übrigen haben sowohl der Österreichische Asylgerichtshof (Spruch v. 03.05. 2010 - S16 412.104-1/2010-4E -, veröffentlicht unter http://www.ris.bka.gv.at, dort insbes. Ziffer 2.2.2.2.1. "Kritik am italienischen Asylwesen" m. w. N.) als auch das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht (vgl. u. a. Urt. v. 15.07.2010 - D 4987/ 2010 - und Urt. v. 18.03.2010 - D-1496/2010 -, im Internet abrufbar unter: http://www.bundes verwaltungsgericht.ch/index/entscheide/Jurisdiction-datenbank/Jurisdiction-recht-urteile aza.htm) die Rückführung von Asylsuchenden nach Italien in Ansehung der dortigen Asylverfahrenspraxis grundsätzlich als zulässig angesehen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der angeführten Entscheidungen Bezug genommen.

141

Auch der Umstand, dass zahlreiche Verwaltungsgerichte hinsichtlich der Situation der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien zu einer gegenteiligen Einschätzung hinsichtlich der Verhältnisse und des Asylsystems in Italien gelangt sind, veranlasst den Senat nicht zur Annahme, dass die Behandlung der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien nicht in Einklang steht mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtscharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Nach Auffassung des Senats wird in der insoweit einschlägigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte häufig nicht hinreichend dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich bei den zugrunde gelegten Erkenntnismitteln nicht selten um bloße subjektive Einschätzungen handelt, die nicht in der erforderlichen Weise durch Fakten belegt sind. Auch erscheint mitunter fraglich, ob die insoweit festgestellten Mängel und Defizite verallgemeinerungsfähig sind. Nicht zuletzt haben sich die Verhältnisse in Italien – wie dargelegt – zwischenzeitlich teilweise geändert, so etwa in Bezug auf den Flüchtlingsstrom aus Nordafrika und die Anzahl der für die Asylbewerber und Flüchtlinge zur Verfügung stehenden Unterkünfte. Im Übrigen ist Gegenstand der Prüfung nach § 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-VO) nicht die Frage, ob die Aufnahmebedingungen und das Asylverfahren für Flüchtling und Asylbewerber kritikwürdig sind, weil das System zahlreiche Mängel aufweist oder hinter dem Schutzniveau anderer Mitgliedstaat zurückbleibt.

142

Der Senat sieht auch keine Veranlassung, weitere Gutachten, Auskünfte oder Stellungnahmen zur Situation von Asylbewerbern und Flüchtlingen in Italien einzuholen. Nach anerkannter Rechtsauffassung ist die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nur dann geboten, wenn sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung aufdrängen musste, weil bereits vorliegende Gutachten, Auskünfte oder Stellungnahmen nicht den ihnen obliegenden Zweck erfüllen (konnten), dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts notwendige Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. In diesem Sinne kann z. B. ein Sachverständigengutachten für die Überzeugungsbildung des Gerichts ungeeignet oder jedenfalls unzureichend sein, wenn es grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, wenn es von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht (BVerwG, Beschl. v. 14.04.2011 - 2 B 80/10 - m. w. N., Juris). Dies ist hier aber nicht der Fall. Zwar sind die dem Senat vorliegenden zahlreichen Gutachten, Auskünfte und Stellungnahmen nicht in allen Punkte stets konsistent und völlig frei von gewissen Widersprüchen; soweit es indes die im vorliegenden Fall entscheidungserheblichen Tatsachen und Erkenntnisse betrifft, sind diese aufgrund der herangezogenen Erkenntnismittel zur Überzeugung des Senats hinreichend geklärt und eindeutig und mithin für die Überzeugungsbildung ausreichend.

143

Der Senat sieht insbesondere auch keine Veranlassung, an der Tauglichkeit des vorhandenen Erkenntnismaterials für die hier entscheidungsrelevanten Fragen zu zweifeln. Dies gilt speziell auch hinsichtlich des Beweiswertes der Auskünfte des Auswärtigen Amtes, da sie grundsätzlich eine sich auf unterschiedliche Erkenntnisquellen stützende Gesamtbewertung vornehmen und zudem im Allgemeinen den tatsächlichen Verhältnissen am nächsten kommen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.08.2006 - 1 B 24.06 - Juris; Beschl. v. 06.10.1997 - 9 B 803.97 - Juris; Beschl. v. 08.09.1997 - 9 B 401.97 -; Beschl. v. 15.10. 1985 - 9 C 3.85 - Juris sowie Beschl. v. 31.07.1998 - 9 B 71.85 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 28 = Juris). Nicht anders verhält es sich hier. So beruhen die den Auskünften des Auswärtigen Amtes zugrunde liegenden Erkenntnisse auf laufenden Gesprächen der Botschaft Rom mit dem italienischen Flüchtlingsrat CIR, UNHCR und IOM in Rom, den Präsentationen des italienischen Innenministeriums und des statistischen Amtes ISTAT sowie schließlich auf Kontakten zu nichtstaatlichen karitativen Organisationen wie Carita Migrantes, Comunità di Sant’ Egidio u. a..

144

Nach allem vermag der Senat nicht zur Überzeugung zu gelangen, dass ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 21.12.2011, a. a. O.) die Annahme rechtfertigen, dass die Klägerin aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien im Falle einer Abschiebung bzw. Überstellung dorthin Gefahr laufen wird, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. d. Art. 3 EMRK und § 4 EuGrdRCH ausgesetzt zu werden und dass sich deshalb die Rücküberstellung als rechtswidrig erweist.

III.

145

Soweit das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid zugleich die Abschiebung der Klägerin nach Italien gem. § 34 Abs. 1 AsylVfG angeordnet hat, bestehen gegen die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung keine Bedenken.

146

§ 34a AsylVfG überantwortet die Entscheidung über die Abschiebung dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, so dass dieses die Abschiebungsanordnung verfügt. Das Bundesamt ordnet dabei nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Abschiebungsverbote sind nicht ersichtlich.

147

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.

148

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§§ 132 Abs. 2, 137 VwGO).


Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tatbestand

1

Die Klägerin ist am (…) 1947 in H. in Syrien geboren. Sie ist verheiratet, yezidischen Glaubens, kurdische Volkszugehörige und sie besitzt die syrische Staatsangehörigkeit. Nach eigenen Angaben reiste sie – zusammen mit ihrer Tochter (...) sowie drei weiteren Kindern – von Syrien kommend am 01. August 2011 zunächst nach Italien, wo sie erkennungsdienstlich behandelt wurde und am 21. August 2011 in B-Stadt einen Asylantrag stellte, und alsdann am 07. September 2011 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 12. September 2011 stellte sie bei der Außenstelle des Bundesamtes in H-Stadt einen (weiteren) Asylantrag.

2

Die Beklagte richtete unter dem 07. Februar 2012 an Italien ein Übernahmeersuchen gem. Art. 10 Dublin-II-VO (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 des Rates vom 10.02.2003). Mit Schreiben vom 16. Februar 2012 erklärten die italienischen Behörden ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags der Klägerin.

3

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte den Asylantrag der Klägerin mit Bescheid vom 13. Juni 2012 als unzulässig ab und ordnete ihre Abschiebung nach Italien an. Nach der Dublin-Verordnung sei Italien für die Bearbeitung ihres Asylantrags zuständig; außergewöhnliche humanitäre Gründe, welche die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach § 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch zu machen, seien nicht ersichtlich.

4

Die Klägerin hat am 29. Juni 2012 beim Verwaltungsgericht Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, sie könne wegen der allgemeinen Situation von Asylbewerbern in Italien nicht darauf verwiesen werden, in Italien ein Asylverfahren durchzuführen, weil davon auszugehen sei, dass das Asylverfahren dort nicht ordnungsgemäß durchgeführt würde. Sie besitze einen Anspruch auf Asyl und Flüchtlingsschutz sowie Abschiebungsschutz; hierüber sei durch das Bundesamt zu entscheiden.

5

Die Klägerin hat beantragt,

6

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13. Juni 2012 zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen und dass Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gegeben sind.

7

Die Beklagte hat beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Sie hat die Ansicht vertreten, Italien erfülle bei der Durchführung von Asylverfahren die Mindeststandards der Europäischen Union. In den italienischen Aufnahmeeinrichtungen seien zahlreiche humanitäre Organisationen tätig, die dies gewährleisten würden. Insbesondere hätten Asylbewerber in Italien vollen Zugang zum Gesundheitssystem. Anders als im Fall Griechenlands gebe es keine Empfehlung des UNHCR, Flüchtlinge nicht an Italien zu überstellen. Dementsprechend habe das Bundesverfassungsgericht auch Verfassungsbeschwerden gegen erstinstanzliche Entscheidungen, denen zufolge eine Abschiebung nach Italien möglich sei, nicht zur Entscheidung angenommen. Ferner sei eine Vielzahl erstinstanzlicher Entscheidungen ergangen, wonach die asylrechtlichen Mindeststandards in Italien gewährleistet seien und woraus sich ergebe, dass der Bericht von Bethke und Bender zu den Problemen der Flüchtlinge in Italien kritisch zu betrachten sei.

10

Auf den Antrag der Klägerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 07. März 2012 – 9 B 57/12 MD – die Beklagte im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Abschiebung der Klägerin nach Italien vorläufig bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu unterlassen.

11

Mit Gerichtsbescheid vom 10. Juli 2012 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13. Juni 2012 verpflichtet, über den Asylantrag der Klägerin in eigener Zuständigkeit zu entscheiden und ein Asylverfahren durchzuführen. Die Klägerin habe nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO einen Anspruch darauf, dass die Beklagte ein Asylverfahren in der Bundesrepublik Deutschland durchführe; das insoweit bestehende Ermessen der Beklagten sei auf Null reduziert. Der Klägerin könne die Durchführung eines Asylverfahrens in Italien nicht zugemutet werden.

12

Der Senat hat auf Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 10. Oktober 2012 die Berufung zugelassen. Zur Begründung der Berufung verweist die Beklagte im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Zulassungsantrag, wonach sie an ihrer bisherigen Auffassung festhält, die Klägerin könne in Anbetracht der in Italien gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse auf die Durchführung eines Asylverfahrens dort verwiesen werden.

13

Die Beklagte beantragt,

14

die Klage unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 9. Kammer - vom 10. Juli 2012 abzuweisen.

15

Die Klägerin beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Sie macht geltend, die Beklagte beziehe sich zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen auf bloße Vorschriften und eine nicht mehr aktuelle Rechtsprechung, während neue Berichte nicht zur Kenntnis genommen würden. Der Auffassung der Beklagten sei im Hinblick auf die humanitäre Situation in Italien entgegen zu halten, dass sich die Situation der Flüchtlinge in Italien aufgrund des anhaltenden Flüchtlingsstroms aus Tunesien und anderen nordafrikanischen Staaten dramatisch verschlechtert habe. Italien sei bereits zuvor mit der Aufnahme von Flüchtlingen und deren ordnungsgemäßer Unterbringung überfordert gewesen. Aufgrund des momentanen Flüchtlingsstroms nach Italien habe sich die Situation noch verschlechtert; es sei damit zu rechnen, dass der Klägerin bereits aus diesem Grunde ein ordnungsgemäßes Asylverfahren verwehrt werde und dass sie obdachlos würde. Im Übrigen dürfe nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs (Urteil v. 21.12.2011 - C-411/11, C-493/10 -) ein Asylbewerber bereits dann nicht an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin-II-VO überstellt werden, wenn ernsthafte Hinweise auf systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedsstaat vorlägen, die eine Gefährdung des Asylbewerbers nahe legen würden. Solche ernsthaften Hinweise lägen hier vor. Die vorliegenden Berichte und sonstigen Erkenntnismittel gingen davon aus, dass das staatliche Aufnahmesystem in Italien völlig überlastet sei. Es existierten 3.000 Plätze, die eine Aufnahme von Asylbewerbern für jeweils nur sechs Monate vorsehen würden. Im Jahre 2011 hätten indessen laut Presseberichterstattung (Spiegel online v. 26.04.2011) in Italien bis Anfang Mai bereits 26.000 Flüchtlinge um Schutz nachgesucht.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Vorbringen der Beteiligten und auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten (Beiakte A) sowie auf die vom Senat in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage der Klägerin mit Gerichtsbescheid vom 10. Juli 2012 zu Unrecht stattgegeben.

20

I. Die Klage ist teilweise unzulässig.

21

1. Die als Verpflichtungsklage erhobene Klage ist “lediglich“ als Anfechtungsklage zulässig. Gegen die in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13. Juni 2012 getroffene Entscheidung, dass der Asylantrag der Klägerin gem. § 27a AsylVfG (wegen fehlender Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland) unzulässig ist, ist allein die Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO statthaft (ebenso: VG Düsseldorf, Urt. v. 15.01. 2010 - 11 K 8136/09 -; VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009 - 7 K 4376/07.F.A u. a. - InfAuslR 2009,409; Urt. v. 29.09.2009 - 7 K 269/09.F.A -; Urt. v. 23.06. 2010 - 7 K 2789/09.F.A. -; VG Freiburg, Beschl. v. 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 -; VG München, Urt. v. 29.11.2011 - M 24 K 11.30219 -; VG Ansbach, Beschl. v. 08.11. 2011 - AN 11 S 11.30508 -; VG Wiesbaden, Urt. v. 17.06.2011 - 7 K 327/11.WI.A -; VG Braunschweig, Urt. v. 01.06.2010 - 1 A 47/10 -; VG Karlsruhe, Urt. v. 07.04.2010 - A 3 K 1580/09 -; VG Augsburg, Beschl. v. 01.02.2010 - Au 5 S 10.30014 -; Beschl. v. 29.09.2009 - 7 K 269.09 F.A. -; VG Neustadt, Urt. v. 16.06.2009 - 5 K 1166/08.NW -, alle: Juris; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, § 27a Rdnr. 18; a. A. statthaft nur die Verpflichtungsklage: OVG NRW, Urt. v. 10.05.2010 - 3 A 133/10.A - Juris; VG Wiesbaden, Urt. v. 10.03.2010 - 7 K 1389/ 09.WI.A -).

22

Im Fall der Aufhebung einer – wie hier – auf § 27a AsylVfG gestützten Entscheidung wegen Unzulässigkeit des Asylantrages ist der Weg für die Durchführung eines Asylverfahrens („in eigener Zuständigkeit“) vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auch ohne ein hierauf gerichtetes Verpflichtungsbegehren eröffnet. Denn das Bundesamt ist nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides bereits von Gesetzes wegen zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet (vgl. § 31 Abs. 2 AsylVfG zur Entscheidung des Bundesamtes über beachtliche Asylanträge). Da grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass die Beklagte ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachkommt, bedarf es demzufolge einer Verpflichtungsklage nicht (ebenso: VG Düsseldorf, Urt. v. 15.01.2010, a. a. O.; vgl. auch VG Frankfurt/Main, Urt. v. 29.09.2009, a. a. O.; Urt. v. 08.07.2009, a. a. O.).

23

Überdies muss bezweifelt werden, ob es sich bei der Entscheidung nach Art. 3 Abs. 2 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist – Dublin-II-VO – [z. T. auch „EG-AsylZustVO“ genannt] – (ABl. L 50 vom 25.02.2003, S. 1 -10) um einen (selbständigen) Verwaltungsakt handelt, so dass eine Verpflichtungsklage bzw. – unter Berücksichtigung des im Rahmen der genannten Vorschrift eingeräumten Ermessens – eine Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung in Betracht kommt, oder ob es sich bei der gem. § Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO zu treffende Entscheidung nicht um eine bloß inzidente handelt, da es allein um die Feststellung der Zuständigkeit der Beklagten geht.

24

Ebenso scheidet eine Verpflichtungsklage aus, die unmittelbar auf Anerkennung als Asylberechtigter gem. § 16a GG bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG oder aber - hilfsweise - auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gerichtet ist. Denn eine Verpflichtung für das Gericht, die Sache selbst spruchreif zu machen, besteht nur dann, wenn ein „mit seinem Asylantrag beim Bundesamt erfolglos gebliebener Ausländer“ den Klageweg beschreitet (BVerwG, Urt. v. 06.07.1998 - 9 C 45.97 - BVerwGE 107, 128 ff.). Hat hingegen das Bundesamt (noch) keine Sachentscheidung getroffen, so würde dem Betroffenen in dem Falle des “Durchentscheidens“ des Gerichts durch Verpflichtungs-urteil eine Tatsacheninstanz genommen, nämlich dass eine inhaltliche Überprüfung seines Asylbegehrens durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erfolgt (ebenso: VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009, a. a. O.; VG Schleswig, Urt. v. 03.08. 2011 - 1 A 46/11 - und Beschl. v. 12.09.2011 - 12 A 124/10 -; a. A. VG Braunschweig, Urt. v. 21.02.2013 - 2 A 126/11 - u. a. mit Verweis auf VGH Mannheim, Urt. v. 19.06.2012 - A 2 1355/11 -, Juris).

25

Im Übrigen verhält es sich bei der Entscheidung nach § 27a AsylVfG ähnlich wie in Fällen der Entscheidung des Gerichts über eine Einstellung des Asylverfahrens nach§ 32 AsylVfG wegen vermeintlicher Antragsrücknahme bzw. Verzicht nach § 14a Abs. 3 AsylVfG sowie in den Fällen der gerichtlichen Entscheidung bei fiktiver Antragsrücknahme nach§ 33 AsylVfG. In den genannten Fällen ist nach der hierzu ergangenen einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 07.03.1995 - 9 C 264.94 -, NVwZ 1996, S. 80 = Juris; vgl. auch Marx, AsylVfG, 7. Aufl. 2009, § 33 Rdnr. 34 ff. m. w. N.) die Verpflichtungsklage unzulässig, weil die verweigerte sachliche Prüfung des Asylantrages nach den Regelungen des Asylverfahrensgesetzes vorrangig von der Fachbehörde nachzuholen ist.

26

Auch ist im Hinblick auf die mit dem angefochtenen Bescheid angeordnete Abschiebung der Klägerin nach § 34a Abs. 1 AsylVfG die Verpflichtungsklage nicht veranlasst und stattdessen eine Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO ausreichend (vgl. VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009, a. a. O. und Urt. v. 29.09.2009, a. a. O.; s. auch Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 34a AsylVfG Rdnr. 6; Funke-Kaiser, a. a. O., § 34a Rdnr. 64). Soweit es nämlich darum geht, dass die Beklagte von einem Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO i. V. m. der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 02. September 2003 (Abl. L 222 S. 3) Gebrauch macht, bedarf es im Urteil über eine entsprechende inzidente Feststellung hinaus keiner ausdrücklichen Verpflichtung der Beklagten, von einer Abschiebung abzusehen.

27

Es ist vorliegend davon auszugehen, dass die Anfechtungsklage vom Verpflichtungsbegehren der Klägerin (mit-)umfasst ist. Gegenstand der Anfechtungsklage ist nach allem ausschließlich die Frage nach der Zuständigkeit der Beklagten zur Durchführung eines Asylverfahrens, wobei die Frage nach dem rechtlich gebotenen Selbsteintritt der Bundesrepublik Deutschland inzident zu beantworten ist.

28

2) Der Klägerin steht für ihre Klage auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse zur Seite, da sie weiterhin nach Italien zurückgeführt bzw. rücküberstellt werden könnte, nachdem die italienischen Behörden mit Schreiben vom 16. Februar 2012 (Bl. 115 d. Sachakte) ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung ihres Asylantrags erklärt haben, indem sie dem Übernahmeersuchen stattgegeben und damit ihrer Rücküberstellung zugestimmt haben.

29

II. Die Klage ist im Übrigen unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat den Asylantrag der Klägerin zu Recht als unzulässig abgelehnt und zugleich ihre Abschiebung nach Italien angeordnet. Es musste im vorliegenden Fall insbesondere auch nicht von der Möglichkeit des Selbsteintritts der Beklagten nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch machen.

30

1) Rechtsgrundlage des Bescheides vom 13. Juni 2012, mit dem das Bundesamt den Asylantrag der Klägerin als unzulässig abgelehnt hat, ist § 27a AsylVfG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies ist hier der Fall. Zu Recht ist die Beklagte im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, dass die Republik Italien für die Durchführung eines Asylverfahrens der Klägerin zuständig ist.

31

a) Die Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylverfahrens der Klägerin ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO, sofern nicht die nach Art. 5 Abs. 1 der genannten Verordnung vorrangig zu prüfenden Zuständigkeitskriterien nach Art. 6 bis 9 der Verordnung einschlägig sind.

32

Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig, sofern auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 18 Abs. 3 der Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel III derVerordnung (EG) Nr. 2725/2000, festgestellt wird, dass der Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze des Mitgliedstaats illegal überschritten hat (vgl. auch Art. 18 Abs. 4 und 5 Dublin-II-VO).

33

Dies bedeutet, dass – soweit nicht die Vorschriften nach Art. 6 bis 9 Dublin-II-VO einschlägig sind – im vorliegenden Fall Italien für die Prüfung des Asylantrags der Klägerin zuständig ist, da sie ihren eigenen Angaben zufolge aus Syrien kommend die Grenze nach Italien illegal überschritten hat (und dort – in B-Stadt – am 21. August 2011 zugleich einen Asylantrag gestellt hat [Bl. 108 ff. d. Sachakte]).

34

Die insoweit gegebene Zuständigkeit endet zwar gem. Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Die Klägerin hat jedoch am 12. September 2011 und damit noch vor Ablauf der Jahresfrist ihren Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt, so dass die Zuständigkeit Italiens nicht nach Satz 2 entfallen ist. Die Einreise der Klägerin nach Italien erfolgte am 07. September 2011; die Jahresfrist lief somit am 07. September 2012 ab. Dass die Frist nunmehr abgelaufen ist, ist unschädlich, weil für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates nach Art. 5 Abs. 2 Dublin-II-VO auf die Situation in dem Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

35

b) Im Falle der Klägerin sind auch die Voraussetzungen nach Art. 6 bis 9 Dublin-II-VO nicht erfüllt. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich Art. 7 der Verordnung, wonach – soweit die betroffenen Personen dies wünschen – der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig ist, wo ungeachtet dessen, ob die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat, der Asylbewerber einen Familienangehörigen hat, dem das Recht auf Aufenthalt in einem Mitgliedstaat in seiner Eigenschaft als Flüchtling gewährt wurde, sowie hinsichtlich Art. 8 der Verordnung, wonach – soweit die betroffenen Personen dies wünschen – dem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrages obliegt, in dem der Asylbewerber einen Familienangehörigen hat, über dessen Asylantrag noch keine erste Sachentscheidung getroffen wurde. Die genannten Vorschriften sind im Falle der Klägerin jedoch nicht einschlägig.

36

Es ist schon nicht ersichtlich, dass die nach Art. 7 und 8 der Verordnung genannten Voraussetzungen bei der Tochter der Klägerin, mit der sie zusammen in das Bundesgebiet eingereist ist, oder bei ihren in Deutschland lebenden volljährigen Kindern vorliegen. Dies kann aber auch dahin stehen. Denn jedenfalls gelten die genannten Personen nicht als „Familienangehörige“ i. S. d. Dublin-II-VO. Hierzu gehört nach Art. 1 Buchst. i) der Verordnung nur die Mitglieder der “Kernfamilie“, d. h. die Ehegatten des Asylbewerbers und unter bestimmten Voraussetzungen der nicht verheiratete Partner des Asylbewerbers, die minderjährigen Kinder der genannten Personen sowie bei unverheirateten minderjährigen Antragstellern oder Flüchtlingen der Vater, die Mutter oder der Vormund. Ein solches Verwandtschaftsverhältnis der Klägerin zu den mit einreisenden bzw. in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Kindern besteht jedoch nicht.

37

c) Ebenso sind bei der Klägerin die Voraussetzungen nach Art. 15 Abs. 1 und Abs. 2 Dublin-II-VO nicht erfüllt. Nach Art.15 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung kann jeder Mitgliedstaat aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, Familienmitglieder und andere abhängige Familienangehörige zusammenführen, auch wenn er dafür nach den Kriterien der Verordnung nicht zuständig ist. Dass die Klägerin vorliegend aus humanitären Gründen mit ihren Familienangehörigen zusammenzuführen ist und nicht auch auf ein eigenständiges Leben in Italien verwiesen werden kann, zumal ihre Kinder teilweise in Deutschland, teilweise in Österreich leben bzw. teilweise ihr Aufenthalt unbekannt ist, lässt sich nicht feststellen. Die Klägerin befindet sich in Begleitung ihrer volljährigen Tochter; beide sind reisefähig und nach Italien zu überstellen.

38

Ebenso sind die Voraussetzungen nach Art. 15 Abs. 2 Dublin-II-VO nicht erfüllt, wonach im Regelfall von einer Trennung der Familienangehörigen abzusehen bzw. eine Zusammenführung vorzunehmen ist, wenn die betroffene Person u. a. wegen einer schweren Krankheit, einer ernsthaften Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung durch die anderen Person(en) angewiesen ist. Diese Voraussetzungen liegen bei der 67-jährigen Klägerin nicht vor; entsprechendes ist jedenfalls nicht vorgetragen worden.

39

Eine andere Einschätzung ist auch nicht im Hinblick auf die einleitende Erwägung zu Nr. 6 Dublin-II-VO veranlasst, wonach die Einheit der Familie (grundsätzlich) gewahrt bleiben soll, soweit dies mit den sonstigen Zielen vereinbar ist, die mit den Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrages zuständigen Mitgliedstaats angestrebt werden. Nicht anders verhält es sich mit Blick auf die einleitende Erwägung nach Art. 7 Satz 2 Dublin-II-VO, wonach die Mitgliedstaaten von den Zuständigkeitskriterien abweichen können, um eine räumliche Annäherung von den Familienmitgliedern vorzunehmen, soweit dies aus humanitären Gründen erforderlich ist. Bei den genannten Regelungen handelt es sich indes um bloße programmatische Vorgaben, aus denen sich, unabhängig davon, dass die Voraussetzungen hier nicht vorliegen dürften, für die Asylbewerber keine unmittelbaren Rechte ableiten lassen.

40

d) Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens ist auch nicht gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen. Zwar hat das Bundesamt nicht innerhalb von drei Monaten nach Stellung des Asylantrags der Klägerin vom 12. September 2011 ein Wiederaufnahme- bzw. Übernahmeersuchen an die Republik Italien gestellt; das war indes auch nicht erforderlich. Da die Klägerin bereits in Italien einen Asylantrag gestellt hat, steht in ihrem Fall eine Wiederaufnahme durch Italien im Sinne des Art. 16 Abs.1 c) bis e) Dublin-II-VO in Rede, nicht hingegen eine Aufnahme seitens Italiens im Sinne des Art. 16 Abs.1 a) Dublin-II-VO. Die Dublin-II-VO unterscheidet insoweit gem. Art.16 Abs.1 lit. a) einerseits und Art. 16 Abs. 1 lit. c) bis e) andererseits zwischen der Überstellung des Asylsuchenden in einem Aufnahmeverfahren gemäß den Art. 17 bis 19 Dublin-II-VO und einer Überstellung im Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 20 Dublin-II-VO. Das Aufnahmeverfahren findet statt, wenn der Asylsuchende im ersuchten Mitgliedstaat noch keinen Asylantrag gestellt hat, während das Wiederaufnahmeverfahren einschlägig ist, wenn dort bereits ein Asylantrag gestellt wurde. Insofern wird der Anwendungsbereich der nachfolgenden Art. 17 bis 20 Dublin-II-VO durch Art. 16 Dublin-II-VO bestimmt.

41

Aus der systematischen Trennung zwischen Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren folgt, dass im Wiederaufnahmeverfahren keine Frist für das Übernahmeersuchen gilt, denn die insofern allein maßgebliche Regelung des Art. 20 Dublin-II-VO normiert weder selbst eine solche Frist, noch nimmt sie auf die für das Aufnahmeverfahren geltende Regelung in Art. 17 Abs.1 Dublin-II-VO Bezug. Es verhält sich gerade nicht in der Weise, dass Art. 20 Dublin-II-VO nur spezielle Modalitäten für die Wiederaufnahme regelt und im Übrigen die Regelungen der Art. 17 bis 19 Dublin-II-VO anwendbar wären. Vielmehr handelt es sich bei den Art. 17 bis 19 Dublin-II-VO einerseits und dem Art. 20 Dublin-II-VO andererseits um jeweils eigenständige Regelungskomplexe (vgl. VG Düsseldorf, Beschl. v. 06.02.2013 - 17 L 150/13.A -; Beschl. v. 26.04.2013 - 17 K 1777/12.A -; VG Hamburg, Beschl. v. 22.09.2005 - 13 AE 555/05 -; VG Augsburg, Gerichtsbescheid v. 09.05.2011 - Au 3 K 10.30468 - Juris; VG Regensburg, Beschl. v. 05.07.2013 - RN 5 S 13.30273 -; VG Göttingen, Beschl. v. 11.10.2013 - 2 B 805/13 -; a.A.: VG Düsseldorf, Beschl. v. 07.08. 2012 - 22 L 1158/12.A -, alle: Juris).

42

Art. 17 Abs.1 Satz 2 Dublin-II-VO, wonach der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, zuständig wird, wenn das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten unterbreitet wird, findet im Fall der Klägerin folglich keine Anwendung, so dass sich hieraus auch keine Zuständigkeit der Beklagten ergibt. Dementsprechend haben die italienischen Behörden mit Schreiben vom 16. Februar 2012 (Bl. 115 R, 116 d. Sachakte) auch ihre Zustimmung zur Wiederaufnahme bzw. Übernahme der Klägerin erteilt.

43

e) Ferner ist die Zuständigkeit nicht nach Art. 19 Abs. 3 und 4 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen. Nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO erfolgt die Überstellung des Schutzsuchenden von dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, in den zuständigen Mitgliedstaat gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des ersteren Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin-II-VO i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) Dublin-II-VO auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Dabei ist unerheblich, dass die Entscheidung der Beklagten nach Art. 19 Abs. 2 Satz 4 der Verordnung grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung hat; allein entscheidend ist, dass ihr eine solche durch eine entsprechende gerichtliche Entscheidung zuerkannt worden ist (vgl. Hess.VGH, Beschl. v. 23.08.2011 - 2 A 1863/10.Z.A -; Nds.OVG, Beschl. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -; VG Freiburg, Beschl. v. 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 -; offengelassen: OVG NRW, Beschl. v. 01.03.2012 - 1 B 234/12.A -, alle: Juris).

44

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 02. August 2012 - 4 MC 133/12 - (< Rn. 17 zitiert nach Juris >) zu § 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO und zu dem in Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Dublin-II-VO grundsätzlich vorgesehenen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ausgeführt:

45

„Der Annahme der aufschiebenden Wirkung des hier eingelegten Rechtsbehelfs steht auch nicht die Vorschrift des Art. 19 Abs. 2 Satz 4 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 entgegen. Danach hat ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nach Absatz 1 keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung, es sei denn, die Gerichte oder zuständigen Stellen entscheiden im Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts anders, wenn es nach ihrem inner-staatlichen Recht zulässig ist. Zwar darf nach § 34a Abs. 2 AsylVfG die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) nicht nach§ 80oder § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung ausgesetzt werden. Hieraus folgt jedoch nicht, dass durch diese Vorschrift eine andere Entscheidung im Sinne von Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Hs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts ausgeschlossen ist und daher ein Rechtsbehelf wegen § 34a Abs. 2 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung im Sinne des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 haben kann. Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr ausdrücklich entschieden, dass der Ausschluss des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 34a Abs. 2 AsylVfG in den Fällen, in denen die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) erfolgen soll, in Ausnahmefällen, die nicht vom „normativen Vergewisserungskonzept“ des Gesetzgebers über die Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention in einem sog. sicheren Drittstaat erfasst sind, der Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz gegen eine sofortige Überstellung nicht entgegensteht (BVerfG, Urt. v. 14.5. 1996, a. a. O.). Diese Rechtsprechung wird - soweit ersichtlich - von den Verwaltungsgerichten auf die Abschiebung in einen anderen Staat, der nach § 27a AsylVfG für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, mit der Begründung übertragen, dass die vom Bundesverfassungsgericht angestellten Erwägungen zu § 26a AsylVfG auch auf die Vorschrift des§ 27a AsylVfG zutreffen, weil die nach europäischen Recht für die Asylentscheidung zuständigen Mitgliedstaaten zugleich sichere Drittstaaten im Sinne von § 26a AsylVfG sind (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 1.3.2012 - 1 B 234/12.A - und v. 11.10. 2011 - 14 B 1011/11.A -; ferner Nds. OVG, Beschl. v. 2.5.2012 - 13 MC 22/22 - und Hess. VGH, Beschl. v. 23.8.2011 - 2 A 1863/10.Z.A.-). Unter diesen Umständen kann daher keine Rede davon sein, dass es nach der innerstaatlichen Rechtslage in Deutschland unzulässig sei, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine Überstellung auf der Grundlage der Zuständigkeitsbestimmungen in der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 anzuordnen. Unabhängig davon stellt die für den Fristenbeginn der Überstellung maßgebliche Vorschrift des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 derVerordnung (EG) Nr. 343/2003 nach ihrem Wortlaut auch ausdrücklich darauf ab, dass einem eingelegten Rechtsbehelf tatsächlich aufschiebende Wirkung zukommt und nicht darauf, ob es nach dem innerstaatlichen Recht zulässig ist, die aufschiebende Wirkung anzuordnen (vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 23.8.2011 - 2 A 1863/10.Z.A.-).

46

Läuft danach die Frist zur Überstellung aufgrund des von dem Antragsteller eingelegten Rechtsbehelfs erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens bezüglich der Durchführung der Überstellung entschieden wird und die der Durchführung nicht mehr entgegenstehen kann, kann dahinstehen, ob insoweit das Vorliegen einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache für den Fristenbeginn bereits ausreichend ist oder es darüber hinaus der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung bedarf (so Hess. VGH, Beschl. v. 23.8.2011 - 2 A 1863/10.Z.A.“

47

Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an und macht sie sich zu Eigen.

48

Da die Klägerin – nach Erlass des angefochtenen Bescheides vom 13. Juni 2012 – gegen ihre Überstellung innerhalb der Frist, bis zu der gem. Art. 19 Abs. 4 Satz 2 Dublin-II-VO ihre Überstellung nach Italien vorbehaltlich eventuell zu treffender weiterer Maßnahmen erfolgen konnte, einen Rechtsbehelf gegen ihre Überstellung eingelegt hat, dem mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom Beschluss vom 07. März 2012 - 9 B 56/12 MD - aufschiebende Wirkung beigemessen worden ist, beginnt nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO eine (neue) sechsmonatige Frist zur Überstellung der Klägerin (erst) ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Klage. Diese Frist ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats noch nicht abgelaufen, denn der Senat hat dem Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 10. Oktober 2012 entsprochen. Nach allem kann hier dahingestellt bleiben, ob im Grundsatz das Vorliegen einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache für den Fristenbeginn hinsichtlich der Überstellung bereits ausreichend ist oder ob es darüber hinaus der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung bedarf, da die Klägerin jedenfalls erstinstanzlich obsiegt hat.

49

2) Die Beklagte ist für die Prüfung des Asylantrags der Klägerin auch nicht gem. Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO zuständig, denn die Bundesrepublik Deutschland ist nicht verpflichtet, das Selbsteintrittsrecht auszuüben.

50

Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO kann jeder Mitgliedstaat abweichend von den Zuständigkeitskriterien des Kapitels III der Verordnung einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch gem. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-II-VO zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Gegebenenfalls unterrichtet er den zuvor zuständigen Mitgliedstaat über den Selbsteintritt (a. a. O. Satz 3). Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht dabei grundsätzlich in seinem Ermessen, welches – weil integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen Europäischen Asylsystems (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/ 10 und C-493/10 -, ) – in Übereinstimmung mit den insoweit geltenden unionsrechtlichen Bestimmungen und von den Mitgliedstaaten verfolgten Zielen auszuüben ist.

51

Art. 3 Dublin-II-VO ist auch geeignet, subjektive Rechte der Klägerin zu begründen, die von ihr gegen eine vorgesehene Überstellung (Rückführung) in den nach dieser Verordnung für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat geltend gemacht werden können (vgl. dazu den Vorlagebeschluss des Hess.VGH v. 22.12.2010 - 6 A 2717/09.A -; Nds.OVG, Beschl. v. 02. 08.2012 - 4 MC 133/12 - m. w. N., Juris; ferner Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdn. 37 ff. m. w. N.). Denn auch wenn es sich bei Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO um eine Ermessensvorschrift handelt, kann sich der Betroffene – hier die Klägerin – auf einen subjektiven öffentlich-rechtlichen Anspruch auf den Selbsteintritt der Beklagten gem. Art. 3 Abs. 2 der Verordnung berufen. Diese Bestimmung ist – anders als die Vorgängerregelungen im Schengener Durchführungsübereinkommen und im völkerrechtlichen Dubliner Übereinkommen (vgl. hierzu Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdn. 25) – nicht allein im öffentlichen Interesse geschaffen worden, sondern verbürgt den von ihr Betroffenen ein subjektives Recht. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass ein Einzelner nicht nur dann aus dem Unionsrecht subjektive Rechte herzuleiten vermag, wenn diese ihm ausdrücklich zugesprochen werden. Vielmehr genügt es, wenn aus einer Rechtsnorm klar und eindeutig eine Begünstigung Einzelner hervorgeht, die keiner Bedingung und keinem zeitlichen Aufschub mehr unterliegt, und weder die Union noch die Mitgliedstaaten einen Spielraum zur Ausgestaltung der Rechtsnorm besitzen (vgl. u. a. EuGH, Urt. v. 05.02.1963 - Rs. 26/62 -, Slg. 1963, 1 [24] = NJW 1973, 1751 - van Gend & Loos vs. Niederlande; EuGH, Urt. v. 04. 12.1974 - Rs. C-41/74 -, Slg. 1974, 1337 [1349] - van Duyn vs. Home Office; EuGH, Urt. v. 19.01.1982 - Rs. C-8/81 -, Slg. 1982, 53 [71] = NJW 1982, 53 - Becker vs. Finanzamt Münster). Diese Voraussetzungen sind im Falle der Dublin-II-VO dem Grunde nach erfüllt (vgl. auch Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdnr. 124 m. w. N.). Hiervon geht im Ergebnis auch der Europäische Gerichtshof in dem zur Dublin-II-VO ergangenen Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 – (Rdnr. 38, 48 zur Frage des Rechtsschutzes, NVwZ 2009, S. 639 = Juris) aus.

52

Allerdings verbürgt Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO lediglich das Recht auf eine fehlerfreie Ermessensausübung – welches gegebenenfalls aber auf Null reduziert sein kann (vgl. VG Würzburg, Urt. v. 12.03.2009 - W 4 K 08. 30122 -; Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdnr. 134 f. und 223 m. w. N.; Marx, a. a. O. § 27a Rdnr. 13; Huber/Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2008, Rdnr. 1886; Filzwieser / Liebminger, Dublin II-Verordnung, Kommentar, 2. Aufl., Wien/ Graz 2007, Art. 3 K 9 unter Verweis auf einschlägige Rechtsprechung des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs, Entscheid v. 15.10.2004 - G 237/03 u. a. und des Belgischen Conseil d'Etat / Raad van State vom 28.08.2006, Zl. 162.039; Schröder, Die EU-Verordnung zur Bestimmung des zuständigen Asylstaats, ZAR 2003, S. 124 [131]; Hruschka, Die Dublin II-Verordnung, in: Informationsverbund Asyl e.V. [Hrsg.], Das Dublin-Verfahren, Beilage zum Asylmagazin 1-2/2008, S. 1 [9]; Hruschka, Humanitäre Lösungen in Dublin-Verfahren, Asylmagazin 7-8/2009, S. 5 [7 f. und 9 f.]).

53

Aus dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO ergibt sich eine an die Beklagte gerichtete Ermessensermächtigung, deren Zweck in der Norm selbst nicht seinen Ausdruck gefunden hat (vgl. nur Funke-Kaiser, a. a. O., § 27a Rdnr. 220; Filzwieser / Liebminger, a. a. O., Art. 3 K 8 ff.), sondern sich aus der Zwecksetzung der Verordnung insgesamt und der im Zuge der durch Art. 63 EG-Vertrag in der Fassung des Amsterdamer Vertrages vom 02. Oktober 1997 vorgegebenen gemeinschaftsrechtlichen Asylharmonisierung ergangenen europäischen Richtlinien zum materiellen Asylrecht auf der einen und zum Verfahrensrecht sowie den Aufnahmebedingungen von Flüchtlingen auf der anderen Seite erschließt. Im Einzelnen ist dabei von Folgendem auszugehen:

54

Nach Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) EG-Vertrag beschließt der Rat in Übereinstimmung mit der Genfer Flüchtlingskonvention sowie mit einschlägigen anderen Verträgen Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat. Hierauf beruhend wurde die Dublin-II-VO erlassen. Im Erwägungsgrund Nr. 5 wird hierzu ausgeführt, dass bezüglich der schrittweisen Einführung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, das auf längere Sicht zu einem gemeinsamen Asylverfahren und einem unionsweit geltenden einheitlichen Status für die Personen, denen Asyl gewährt wird, führen sollte, im derzeitigen Stadium die Grundsätze des am 15. Juni 1990 in Dublin unterzeichneten Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft gestellten Asylantrags(4) (nachstehend „Dubliner Übereinkommen“ genannt), dessen Durchführung die Harmonisierung der Asylpolitik gefördert hat, mit den aufgrund der bisherigen Erfahrungen erforderlichen Änderungen beibehalten werden sollten. Weiterhin wird insbesondere im Erwägungsgrund Nr. 15 ausgeführt, dass die Verordnung in Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen stehe, die mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - EuGrdRCh - anerkannt worden seien. Die Verordnung ziele insbesondere darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung des in Art. 18 EuGrdRCh verankerten Rechts auf Asyl zu gewährleisten.

55

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 -, Juris) lässt das im EU-Vertrag vorgesehene und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeitete gemeinsame Europäische Asylsystem allerdings die Annahme begründet erscheinen, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 (GFK) sowie in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - Europäische Menschenrechtskonvention - (EMRK) finden. Es gilt daher grundsätzlich die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtscharta und der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. M. a. W. ausgehend von der Annahme, dass es sich bei den Mitgliedstaaten der Europäischen Union um sichere Drittstaaten i. S. d. Art. 16a Abs. 2 Grundgesetz (GG) bzw. § 26a AsylVfG handelt, ist aufgrund des diesen Vorschriften zugrunde liegenden „Konzepts der normativen Vergewisserung“ (BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 22 BvR 2315/133 - Juris, Rn. 179 ff.) bzw. des „Prinzips des gegenseitigen Vertrauens“ (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - Rs C-411/10 und C-393/10 – Juris, Rn. 79 ff.) grundsätzlich davon auszugehen, dass die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Grundrechtscharta und der Europäischen Menschenrechtskonvention in diesen Ländern sichergestellt ist. Auch die Dublin-II-Verordnung beruht wie jede andere auf Art. 63 Satz 1 Nr. 1 EG-Vertrag gestützte gemeinschaftsrechtliche Maßnahme auf der Prämisse, dass die zuverlässige Einhaltung der GFK, der EMRK und der EuGrdRCh in allen Mitgliedstaaten gesichert ist (vgl. Begründungserwägung Nr. 2 und Nr. 12 Dublin-II-VO und Art. 6 Abs. 2 sowie Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 lit. a EG-Vertrag, - so auch VG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 02.10.2008 - 6 B 56/08-, Juris und VG Regensburg, Beschl. v. 15.09.2008 - RO 3 E 08.30124 - Juris).

56

Dies bedeutet zugleich, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49 = Juris; Beschl. v. 08.09.2009 - 2 BvQ 56/09 -, Juris) ein Ausländer, der in einen sicheren Drittstaat zurück verbracht werden soll, den Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor einer politischen Verfolgung oder sonstigen schwerwiegenden Beeinträchtigungen in seinem Herkunftsstaat grundsätzlich nicht mit der Begründung einfordern kann, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt würden. Für ihn kommen deshalb entsprechend dem mit Art. 16a Abs. 2 GG verfolgten „Konzept normativer Vergewisserung“ über die Sicherheit im Drittstaat auch die materiellen Rechtspositionen, auf die ein Ausländer sich sonst gegen seine Abschiebung stützen kann, grundsätzlich nicht in Betracht.

57

Allerdings hat die Bundesrepublik Deutschland dann Schutz zu gewähren, wenn ein solcher durch Umstände begründet wird, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des „Konzepts normativer Vergewisserung“ durch Gesetz berücksichtigt werden konnten oder aber sich die für die Qualifizierung als “sicher“ maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung hierauf noch aussteht. So sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (a. a. O.) Ausnahmen u. a. dann geboten, wenn der Drittstaat gegenüber dem Schutzsuchenden selbst zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung greift und dadurch zum Verfolgerstaat wird, oder wenn offen zu Tage tritt, dass der Drittstaat sich von seinen Schutzverpflichtungen lösen und einem bestimmten Ausländer der Schutz dadurch verweigern wird, dass er sich seiner ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigt (vgl. zur Problematik der Bestimmung des „sicheren Drittstaates“: BVerfG, Beschl. v. 08.09.2009 - 2 BvQ 56/09 - DVBl. 2009, 1304; Lübbe-Wolff, Das Asylgrundrecht nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Mai 1996 - DVBl. 1996, 825 ff.; s. insbesondere auch zur europa-rechtlichen Dimension: Weinzierl / Hruschka, Effektiver Rechtsschutz im Lichte deutscher und europäischer Grundrechte, NVwZ 2009, 1540 ff.).

58

Vergleichbares gilt nach dem Willen des Gesetzgebers, wenn es um die Rückführung eines Ausländers in den für seinen Asylantrag zuständigen Staat im Sinne des § 27a AsylVfG geht. Dies bedeutet, dass auch der Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO „nur“ eine Ausnahme darstellt bzw. Sonderfällen vorbehalten ist. Denn eine Prüfung, ob der Zurückweisung in den Drittstaat oder in den nach europäischem Recht oder Völkerrecht für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, ist nur dann veranlasst, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme aufdrängt, dass der Asylbewerber von einem der im normativen Vergewisserungskonzept des Art. 16a Abs. 2 GG und der §§ 26a, 27a, 34a AsylVfG nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An die Darlegung eines solchen Sonderfalles sind dabei auch im Rahmen des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49 = Juris; Beschl. v. 08.09.2009 - 2 BvQ 56/09 -, Juris). Die Annahme eines sicheren Drittstaates ist daher nur dann widerlegt, wenn ernsthaft zu befürchten steht, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EuGrdRCh bzw. der inhaltlich identischen Vorschrift des Art. 3 EMRK (vgl. insoweit Art. 52 Abs. 3 Satz 1 EuGRrdRCh) implizieren.

59

Nach der zu Art. 3 EMRK ergangenen Rechtsprechung des EGMR, auf die zur Auslegung von Art. 4 EuGrdRCH zurückzugreifen ist (vgl. EuGH, Urt. v. 21.01.2011, 2011 - No. 30696 – M.S.S. vs. Belgien und Griechenland, Rn. 88 m. w. N. – Juris) ist eine Behandlung unmenschlich, wenn sie absichtlich erfolgt und entweder tatsächliche körperliche Verletzungen oder schwere körperliche oder psychische Leiden verursacht. Eine Behandlung ist hingegen als erniedrigend anzusehen, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt und dadurch fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert, oder wenn sie Angst, Furcht oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder physischen Widerstand der Person zu brechen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.01.2011, a. a. O., Rn. 220 m. w. N.).

60

Die ernsthafte Befürchtung grundlegender Mängel besteht nur dann, wenn in einem Mitgliedstaat eine ständige Verletzung der Kernanforderungen des europäischen Asylrechts, wie sie in den Richtlinien und Verordnungen der Europäischen Union ihren Niederschlag gefunden haben, stattfindet und dadurch die Menschenwürde, das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Flüchtlings beeinträchtigt wird (vgl. hierzu VG Düsseldorf, Beschl. v. 22.12.2008 - 13 L 1993/08.A - Juris; VG Berlin, Beschl. v. 11.04.2011 - 23 L 84.11 A - Juris; VG Hannover, Beschl. v. 07.06.2011 - 1 B 2106/11 - asyl.net; VG Düsseldorf, Beschl. v. 12.09.2011 - 6 L 866/11.A - Juris; Lehnert / Pelzer, Effektiver Rechtsschutz im Rahmen des EU-Asylzuständigkeitssystems der Dublin II-Verordnung, ZAR 2010, 41 ff.; Lehnert/Pelzer, Der Selbsteintritt der Mitgliedstaaten im Rahmen des EU-Asylzuständigkeitssystems der Dublin-II-Verordnung, NVwZ 2010, 613 ff.). Bei der Beurteilung der Frage, ob für Asylbewerber in Italien dementsprechend ein “richtliniekonformes“ Verfahren gewährleistet ist, ist dabei zunächst das Schutzniveau in den Blick zu nehmen, das sich aus Art. 28 (Sozialleistungen) und Art. 31 (Zugang zu Wohnraum) der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 – Qualifikationsrichtlinie – ergibt und sodann jenes, das sich für das Asylverfahren aus der Dublin-II-VO selbst ergibt. Zugleich ist als Maßstab die Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten heranzuziehen sowie die Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 01. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft. Danach gehören zu den Kernanforderungen des europäischen Asylrechts der Zugang zu einem geordneten Asylverfahren und die Gewährung materieller Aufnahmebedingungen, welche die Grundbedürfnisse nach Unterkunft, Nahrung und medizinischer Versorgung abdecken.

61

Die vorstehend aufgezeigten Grundsätze stehen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Dieser hat mit Urteil vom 21.12.2011 - C 411/10 und C-493/10 - (Juris) ausgeführt, das Gemeinsame Europäische Asylsystem sei in einem Kontext entworfen, der grundsätzlich die Vermutung rechtfertige, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtscharta sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Gleichwohl könne – so der Gerichtshof – nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoße, so dass die ernstzunehmende Gefahr bestehe, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt würden, die mit den Grundrechten unvereinbar sei. Dabei berühre nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Verpflichtung der übrigen Mitgliedstaaten zur Beachtung der Dublin-II-VO. Sei jedoch ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufwiesen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Grundrechtscharta implizierten, so sei eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar.

62

Bei der Beurteilung der anstehenden Frage nach dem Vorliegen eines systemischen Versagens in Bezug auf das Asyl- und Aufnahmeverfahren in dem Mitgliedstaat ist überdies nicht (allein) darauf abzustellen, welche (abstrakte) Rechtslage dort herrscht, mithin ob etwa die vorgenannten Richtlinien in nationales Recht umgesetzt wurden, sondern es sind (ebenfalls) die konkreten bzw. realen Verhältnisse für die Asylbewerber, mithin die bestehende tatsächliche Verwaltungs- und Rechtspraxis in den Blick zu nehmen (ebenso VG Frankfurt/Main, Urt. v. 08.07.2009 - 7 K 4376/07.F.A u. a. - InfAuslR 2009, 406 = Juris).

63

Ferner ist darauf abzustellen, ob es sich bei eventuell feststellbaren Defiziten und Mängeln, etwa in Form von Rechtsverstößen und zu erwartenden Beeinträchtigungen, nur um Einzelfälle oder – soweit es sich nicht nur um Einzelfälle handelt – um bloße vorübergehende, temporäre Erscheinungen handelt, die etwa einer überraschenden Entwicklung geschuldet sind, denen aber in naher Zukunft voraussichtlich abgeholfen wird. Anders verhält es sich indes in jenen Fällen, in denen aufgrund einer Vielzahl von Referenzfällen hinreichend belegte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich die Missstände und Unzulänglichkeiten dauerhaft manifestiert haben. Die insoweit erforderliche Feststellung des Vorliegens systemischer Mängel und Missstände hat somit eine quantitative wie qualitative Komponente. Ob die desolaten Verhältnisse im Mitgliedstaat dabei darauf zurückzuführen sind, dass dieser zur Schaffung geordneter und richtlinienkonformer Verhältnisse nicht bereit oder nicht in der Lage ist, macht dabei grundsätzlich keinen Unterschied.

64

3) In Anwendung der genannten Kriterien ist im Fall der Klägerin von Folgendem auszugehen:

65

Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht verpflichtet, in Ausübung des insoweit bestehenden Ermessens von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch zu machen. Auch kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, sie besitze zumindest einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Selbsteintritt der Beklagten zur Durchführung eines Asylverfahrens gem. Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO, um als Ausnahme von den sonstigen Zuständigkeitsregeln der genannten Verordnung die Prüfung ihres Asylantrages in der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen. Diesem Recht der Klägerin ist mit dem angefochtenen Bescheid der Beklagten entsprochen worden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte ihr Ermessen verkannt hätte; auch rechtfertigt sich nicht die Annahme des Vorliegens eines formellen Ermessensfehlers, da keinerlei Gründe vorliegen, die einen sog. Selbsteintritt zu rechtfertigen vermögen.

66

Zur Überzeugung des Senats ist auf der Grundlage des ihm vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern und Flüchtlingen sowie von “Dublin-II-Rückkehrern“ in Italien nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und / oder die Aufnahmebedingungen dort derart grundlegende Mängel aufweisen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EuGrdRCh zu erwarten steht. Der Senat ist vielmehr unter Anlegung der zuvor genannten strengen Maßstäbe zur Überzeugung gelangt, dass für die nach der Dublin-II-Verordnung nach Italien zurückkehrenden bzw. rücküberstellten Asylbewerber in der Gesamtschau ein ordnungsgemäßes und richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren gewährleistet ist und dass für den Fall der Abschiebung bzw. Rückführung der betroffenen Asylsuchenden zwecks Durchführung eines Asylverfahrens nicht mit schwerwiegenden Rechtsverstößen und Beeinträchtigungen zu rechnen ist (ebenso oder ähnlich u. a.: OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013 - OVG 7 S 33.13 -; Beschl. v. 24.06.2013 - OVG 7 S 58.13 –; VG Bremen, Beschl. v. 15.04.2013 - 2 V 440/13.A -; VG Regensburg, Beschl. v. 05.02.2013 - RN 5 S 13.30026 -; Beschl. v. 26.02.2013 - RN 9 K 11.30445 -; VG Düsseldorf, Beschl. v. 17.09.2012 - 13 L 1447/12.A -; Beschl. v. 08.01.2013 - 6 L 104/13.A - und Beschl. v. 06.02. 2013 - 17 L 150/13.A -; VG Augsburg, Urt. v. 11.01.2013 - Au 6 K 12.30358 -; VG Leipzig, Urt. v. 07.12.2012 - A 1 K 973/11 -; VG München, Beschl. v. 08.11.2012 - M 15 E 12.30772 -; VG Würzburg, Beschl. v. 30.10.2012 - W 6 E 12.30288 -; VG Trier, Beschl. v. 25.10.2012 - 5 L 1146/12.TR -; VG Schwerin, Beschl. v. 27.09. 2012 - 8 B 434/12 As -; VG Bayreuth, Urt. v. 12.06.2012 - B 3 K 11.30142 - [bestätigt durch BayVGH, Beschl. v. 6.02.2013 - 20 ZB 12.302856 -]; a. A. oder eine Entscheidung in der Hauptsache vorbehaltend: VG Köln, Beschl. v. 07.05.2013 - 20 L 613/13.A -; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 30.04.2013 - 10a L 484/13.A -; VG Schwerin, Beschl. v. 15.03.2013 - 3 B 111/13 As -; VG Aachen, Beschl. v. 14.03. 2013 - 9 L 53/13.A -; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 19.02.2013 - 15a L 194/13.A -; Beschl. v. 27.02.2013 - 15a L 194/13.A -; VG Gießen, Urt. v. 24.01.2013 - 6 K 1329/12.Gl.A -; VG Karlsruhe, Beschl. v. 11.10.2012 - A 9 K 2386/12 - und Beschl. v. 22.01.2013 - A 9 K 179/13 -; VG Stuttgart, Beschl. v. 08.01.2013 - A 7 K 3929/12 -; VG des Saarlandes, Beschl. v. 03.09.2012 - 3 L 789/12 -; VG Düsseldorf, Beschl. v. 29.08.2012 - 14 L 1392/12.A – alle: Juris; VG Freiburg, Beschl. v. 27.10.2011 - A 5 K 2081/11 -; VG Magdeburg, Beschl. v. 17.07.2012 – 9 B 148/12 -; Beschl. v. 21.11.2011 - 9 A 100/11 -; Urt. v. 26.07.2011 - 9 A 346/10 MD -; vgl. auch OVG NRW, Beschl. v. 01.03.2012 - 1 B 234/ 12.A - Juris). Das Asylsystem in Italien mit dem dort geregelten und praktizierten Aufnahme- und Asylverfahren einschließlich der Unterbringungs- und Versorgungslage für die in Italien schutzsuchenden Flüchtlinge und Asylbewerber entspricht den Anforderungen des europäischen Asylsystems, selbst wenn es in Teilbereichen gewisse Mängel und Defizite aufweist. Im Einzelnen ist dabei von Folgendem auszugehen:

67

a) Nach dem dem Senat vorliegenden Erkenntnismaterial ist davon auszugehen, dass für Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien, jedenfalls soweit es sich um Dublin-II-Rückkehrer handelt, grundsätzlich ein geordnetes Aufnahmeverfahren und auch ein ungehinderter Zugang zum Asylverfahren gewährleistet sind.

68

Der Senat verkennt nicht, dass es in Italien für Asylbewerber und Flüchtlinge – und zwar bis in die jüngste Vergangenheit hinein – eine Vielzahl von Einreiseverweigerungen und Abschiebungen gegeben hat, bevor ein Asylverfahren durchgeführt werden konnte bzw. ein solches abgewartet worden wäre. Namentlich sind Fälle bekannt geworden, wonach es Zurückweisungen von Flüchtlingen auf hoher See und vor der italienischen Küste, aber auch vom italienischen Territorium gegeben hat, die offenbar darauf abzielten, den Strom von Flüchtlingen – insbesondere aus Nordafrika – abzuwehren, die in Italien Zuflucht haben suchen wollen (vgl. UNHCR, Bericht v. 16.08. 2011: „Hunderte Neuankömmlinge aus Libyen und Tunesien in Italien“, abrufbar unter: http://www.unhcr.de/print/home/artikel/042d9651d6d525aad46e97d7ee7848db/hunde).

69

Trotz der bekannt gewordenen zahlreichen Verstöße gegen das Refoulement-Verbot und teilweise vorhandener unangemessener Erschwernisse beim Zugang zu einem Asylverfahren in Italien in den vergangenen Jahren lässt sich aber – jedenfalls soweit es die aktuellen Verhältnisse im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats betrifft – nicht (mehr) davon ausgehen, dass es, sieht man einmal von Einzelfällen ab, in Italien gegenwärtig noch zu derartigen gravierenden Rechtsverletzungen kommt, wie sie in der Vergangenheit zu beklagen waren.

70

Vielmehr sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes keine Fälle neueren Datums bekannt geworden, in denen Flüchtlingen und Asylsuchenden, die in Italien um Schutz nachsuchen wollten, bei ihrer Einreise auf dem Seeweg oder auf dem Landwege die Einreise oder der Aufenthalt in Italien verweigert worden sind (AA, Auskunft v. 21.02. 2013 an OVG LSA, Anm. 1.1.). Ebenso sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes keine Fälle neueren Datums bekannt geworden, in denen Flüchtlinge und Asylsuchende nach ihrer Einreise nach Italien in ihr Herkunftsland bzw. einen Drittstaat zurückgeführt bzw. abgeschoben worden sind, ohne dass sie in Italien den von ihnen beabsichtigten Asylantrag stellen konnten (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 1.2.). Schließlich sind nach Angaben des Auswärtigen Amtes in jüngster Zeit auch keine Fälle (mehr) bekannt geworden, in denen Flüchtlinge und Asylsuchende trotz eines in Italien gestellten Asylantrages in ihr Herkunftsland bzw. einen Drittstaat zurückgeführt bzw. abgeschoben wurden (AA, a. a. O. Anm. 1.2.). Hiernach lässt sich zumindest gegenwärtig nicht mehr die Feststellung treffen, dass in Italien der Anspruch Schutzsuchender auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens generell oder auch nur regelmäßig vereitelt wird (bereits für die Vergangenheit verneinend u. a.: VG Hannover, Beschl. v. 07.07. 2011 - 1 B 2106/11 - Juris; VG Berlin, Beschl. v. 11.04.2011 - 23 L 84/11 - Juris). Dies bedarf hier indes keiner Vertiefung.

71

Denn jedenfalls lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht feststellen, dass für die im Rahmen des Verfahrens nach der Dublin-II-Verordnung nach Italien zurückkehrenden bzw. zurückgeführten Asylbewerber regelmäßig oder sogar überwiegend ein ordnungsgemäßes Asylverfahren nicht gewährleistet ist. Aufgrund eines für diesen Personenkreis gesetzlich speziell geregelten Rückführungsverfahrens ist vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, dass diese nach ihrer Rückkehr nach Italien ihren dort bereits gestellten Asylantrag weiterverfolgen bzw. erstmals einen Asylantrag stellen können und ihnen insoweit der Zugang zu einem ordnungsgemäßen Asylverfahren nicht versperrt wird. Im Einzelnen ist dabei von Folgendem auszugehen:

72

Asylbewerber, die gemäß dem Verfahren nach der Dublin-II-Verordnung nach Italien zurückkehren bzw. zurückgeführt werden, treffen in der Regel auf dem Luftweg auf den Flughäfen Fiumicino in Rom, Malpensa in Mailand, Bergamo, Venedig, Bari, Brindisi oder Ancona ein. Dort werden sie – auch wenn es in Italien kein Flughafenverfahren wie in Deutschland gibt (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW - zu Frage a.)) – von der Polizei in Empfang genommen und es wird ihnen eine Unterkunft in einer der Aufnahmeeinrichtungen zugeteilt, sofern ein Asylantrag gestellt wird bzw. ein Asylverfahren, bei dem Verfahrensstand, der bei Ausreise aus Italien vorlag, weitergeführt werden soll (zu allem: Schweizerische Flüchtlingshilfe, „Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien. Bericht über die Situation von Asylsuchenden, Flüchtlingen und subsidiär oder humanitär aufgenommenen Personen, mit speziellem Fokus auf Dublin-Rückkehrende“, Mai 2011, S. 17 und AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 1.4.). Die Polizei macht in diesen Fällen die verantwortliche Questura ausfindig und fordert die Rückkehrer auf, sich dorthin zu begeben. Dabei werden auch die Reisekosten übernommen (Schweizerischen Flüchtlingshilfe, a. a. O., S. 17) bzw. die Person bekommt, wenn die zuständige Questura weiter entfernt ist (Beispiel: Dublin-Rückkehr nach Rom, zuständige Questura in Catania), ein Zugticket ausgehändigt, um dort hinzureisen (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW - zu Frage a.)).

73

Wenn die Dublin-Rückkehrer von deutschen Beamten /Polizisten begleitet werden, gibt es insoweit keine Unterschiede. Bei ihrer Ankunft werden alle Dublin-Rückkehrer von der Polaria (Luftpolizei) am Flughafen Fiumicino empfangen. Sie werden erneut erkennungsdienstlich behandelt und es erfolgt die Feststellung, welche Questura in Italien für die Person zuständig und wie der Stand des Verfahrens ist (AA, Auskunft v. 11. 09.2013 an OVG NRW - zu Frage a.)).

74

Bei ihrer Ankunft werden die Ausländer – so auch die Dublin-II-Rückkehrer – von der am Flughafen zuständigen Hilfsorganisation „Confederazione Nazionale delle Misericordie d’Italia“ betreut und in Anwesenheit von Dolmetschern über den weiteren Verfahrensablauf unterrichtet (AA, Auskunft v. 11.09. 2013 an OVG NRW - zu Frage a.)). Die genannte Hilfsorganisation sucht für die Dublin-II-Rückkehrer zugleich eine (vorläufige) Unterkunft in einem Aufnahmezentrum (z. B. einer Einrichtung der „Centri di accoglienza richiedenti asilo“ - CARA -), welches im Allgemeinen für die Erstaufnahme zuständig ist, bis die Zuweisung zu einer Asylunterkunft am Ort der zuständigen Questura erfolgt ist. Während die Dublin-II-Rückkehrer sofort eine Unterkunft in einem entsprechenden Erstaufnahmezentrum erhalten, kann die Zuweisung zu einer Asylunterkunft für die Dauer des Asylverfahrens einige Zeit dauern, weil es zunächst gewisser Formalien den jeweiligen Asylantrag betreffend bei der zuständigen Questura bedarf. Manchmal beträgt dieser Zeitraum nur einige Tage, manchmal aber auch Wochen, z. B. wenn es sich um große Städte und Ballungszentren handelt. Belastbares Zahlenmaterial bezogen auf die Verweildauer in den Erstaufnahmeeinrichtungen ist mangels statistischer Erhebungen allerdings nicht verfügbar. In den Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber, den bereits erwähnten Einrichtungen der CARA, ist laut Gesetz grundsätzlich ein Verbleib von nicht länger als 20 bis 35 Tagen vorgesehen. Da die Zuweisungsverfahren aber oftmals länger dauern, bleiben die Antragsteller entsprechend länger in diesen Aufnahmezentren (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW - zu den Fragen a.), b.) und c.)).

75

Nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnismitteln erhalten die Schutzsuchenden nach ihrer Ankunft in Italien zudem Informationsbroschüren über ihre Rechte im Asylverfahren (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 2.3.). Diese Broschüren existieren in unterschiedlichen sprachlichen Fassungen, so u. a. in persischer, arabischer, französischer, englischer, italienischer, somalischer, spanischer und tigrinischer Sprache (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 2.3.). Darüber hinaus befinden sich in den Aufnahmeeinrichtungen Betreuungsdienste, die den Asylantragstellern zur Unterstützung zur Verfügung stehen. Diese beschäftigen oftmals Mitarbeiter, die die Landessprache der Hauptherkunftsstaaten der Asylantragsteller beherrschen (AA, Auskunft v. 21.02. 2013, Anm. 2.3.).

76

Nach allem besteht für den Senat kein Grund zur Annahme, dass die in Italien Schutzsuchenden nach ihrer Ankunft dort in unangemessener Weise “sich selber überlassen bleiben“ und sich im Hinblick auf das erstrebte Aufnahme- und Asylverfahren nicht zurecht finden können.

77

Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass die Rücküberstellung von Asylbewerbern auf der Grundlage der Dublin-II-Verordnung seitens der italienischen Behörden auf Widerstände stößt. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es im Rahmen des Dublin-Systems vor einer Asylantragstellung oder während des Asylverfahrens zu Einreiserverweigerungen, Rücküberstellungen oder sonstigen Ausweisungen in die Herkunftsländer der Asylbewerber kommt (vgl. UNHCR, Stellungnahme v. 24.04.2012 an VG Braunschweig, S. 5).

78

b) Der Senat vermag aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel auch nicht zur Einschätzung zu gelangen, dass Asylsuchende und Flüchtlinge – jedenfalls soweit es die aktuellen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts betrifft – nach ihrer Einreise und / oder während ihres Asylverfahrens mangels einer (angemessenen) Unterkunft regelmäßig oder auch nur in einer Vielzahl von Fällen in die Obdachlosigkeit geraten, mithin „auf der Straße“ oder in „Elendsquartieren“ leben müssen.

79

aa) Dabei ist zunächst hervorzuheben, dass Asylsuchende während des Asylverfahrens einen Rechtsanspruch auf eine Unterbringung besitzen, und zwar gleichermaßen für die Zeit zwischen Antragstellung und Registrierung wie für die Zeit zwischen Registrierung und Entscheidung über das Asylbegehren (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1., 5.3. und 6.1.). Dieser Anspruch ist grundsätzlich wohl auch behördlich bzw. gerichtlich durchsetzbar. Dies deckt sich jedenfalls mit einer Antwort der Bundesregierung vom 18. April 2011 auf eine Kleine Anfrage im Bundestag ("Lage von Asylsuchenden und anerkannten Flüchtlingen in Italien" – BT-Drucks. 17/5579), aus der sich ergibt, dass Asylbewerber in Italien einen gerichtlich durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Unterkunft haben. Allerdings kommt es für die Beurteilung der in Rede stehenden Frage nicht in erster Linie auf die bestehende Rechtslage an; maßgeblich ist vielmehr auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen.

80

Nach den aktuellen Auskünften des Auswärtigen Amtes stellt sich indes die tatsächliche Unterbringungssituation im Rahmen des italienischen Aufnahmesystems für Asylbewerber und Flüchtlinge Anfang 2013 (5. Kalenderwoche) wie folgt dar:

81

Die Aufnahmezentren der CARA verfügen über 5.516 Plätze und beherbergen derzeit ca. 5.300 Personen nebst 2.710 Plätzen in den Einrichtungen der CARA von Lampedusa, so dass insgesamt mehr als 8.000 Plätze zur Verfügung stehen. Die Zahlen im Gutachten von Frau Judith Gleitze, borderline-europe e. V. vom Dezember 2012 an das VG Braunschweig (a. a. O. S. 11), wonach 3.163 Personen in den genannten Einrichtungen aufgenommen werden könnten, seien inzwischen überholt (AA, Auskunft v. 24.05.2013 an VG Minden - zu Frage 8.).

82

Darüber hinaus stehen den Asylbewerbern und Flüchtlingen grundsätzlich die staatlichen Aufnahmeeinrichtungen der SPRAR („Sistems di Protezione per Richiedenti Asilo e Refugiati“) zur Verfügung. Die dort vorhandenen Plätze sind laut Auskunft des Auswärtigen Amtes in der Vergangenheit deutlich angestiegen: Bisher habe es 3.000 Plätze gegeben, so dass dort (weil eine Unterbringung regelmäßig nur für 6 Monate vorgesehen sei) insgesamt 6.000 Personen hätten versorgt und untergebracht werden können (vgl. zur Aufnahmekapazität von etwa 3.000 Personen u. a. auch der Bericht der Schweizerische Flüchtlingshilfe, a. a. O. S. 5). Nunmehr aber stehen nach Auskunft des Auswärtigen Amtes - bestätigt durch Auskünfte von Mitarbeitern der SPRAR und des italienischen Innenministeriums – insgesamt 5.000 Plätze zur Verfügung, so dass 8.000 bis 10.000 Personen untergebracht werden könnten, ungeachtet der im Rahmen des EU-finanzierten FER-Projektes für vulnerable Personen und anderer Projekte vorhandenen weiteren Plätze (AA, Auskunft v. 24.05.2013 an VG Minden - zu Frage 8.). Dies entspricht in etwa auch der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.02.2013 auf Anfrage des Senats, wonach inzwischen in ganz Italien 40 Aufnahmezentren mit rund 9.000 Plätzen zur Verfügung stehen (AA, a. a. O., Anm. 4.3.).

83

Dem steht z. B. für das Jahr 2012 eine Anzahl von 1.148 Personen gegenüber, die als Rückkehrer im Rahmen der Dublin-II-Verordnung über Rom nach Italien zurückgeschickt wurden und von der Organisation Ariconfraternita am Flughafen von Rom betreut wurden (Gutachten an das VG Braunschweig von Judith Gleitze, borderline-europe e. V. vom Dezember 2012, S. 25 und S. 59 – in Ermangelung der erfassten Gesamtzahlen der Dublin-Rückkehrer nach Italien). Berücksichtigt man überdies, dass die Zahl der Asylbewerber seit 2012 – trotz gewisser Schwankungen – insgesamt rückläufig ist, kann zumindest gegenwärtig nicht (mehr) von unzureichenden Aufnahme- und Unterbringungskapazitäten ausgegangen werden. Zur Überzeugung des Senats dürfte sich somit die aktuelle Situation in Italien soweit entspannt haben, dass sämtliche Asylbewerber, und insbesondere Dublin-II-Rückkehrer, in den öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen Platz finden können (ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013 - OVG 7 S 33.13 - ).

84

Die Annahme fehlender Kapazitäten für die Unterbringung von Dublin-II-Rückkehrern nach Italien ist insbesondere auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil es in der Vergangenheit zu einem massiven Zustrom von Flüchtlingen aus Nordafrika gekommen ist und dies zu (nachhaltigen) Engpässen bei der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern geführt hat.

85

Der UNHCR hat in diesem Zusammenhang in seiner Stellungnahme vom 24. April 2012 an das VG Braunschweig (a. a. O. S. 3) auf Folgendes hingewiesen: Im Jahre 2011 sind nach der Ankunft einer erheblichen Zahl von Personen aus Nordafrika und der darauf folgenden Erklärung des „humanitären Notstandes“ die regionalen Regierungen gebeten worden, zusätzliche Aufnahmeeinrichtungen zu bestimmen, da die bestehenden Aufnahmekapazitäten als unzureichend eingeschätzt wurden. Zwischen den Regierungen und den örtlich zuständigen Behörden (Regionen, bestimmten Provinzen [„Province Autonome“] und Gemeinden) seien Vereinbarungen getroffen worden, in denen Kriterien für die landesweite Verteilung von bis zu 50.000 Personen festgehalten wurden. Die Verantwortlichkeit für den diesbezüglichen Aufnahmeplan liege beim Leiter des Zivilschutzes („Dipartimento di Protezione Civile“). Bis Anfang 2012 seien 20.000 Personen im Rahmen des Plans in den Notunterkünften, meist in Einrichtungen kleiner bis mittlerer Größe, untergebracht worden, die in ganz Italien verteilt sind.

86

Dies deckt sich mit den Auskünften des Auswärtigen Amtes. Danach hätten die vorgehaltenen temporären Aufnahmestrukturen des Zivilschutzes, die anlässlich des Flüchtlingsstromes aus Nordafrika in der Größenordnung von 50.000 Plätzen in den Regionen geschaffen worden seien, die bestehenden Engpässe kompensiert (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.3.).

87

Soweit im Gutachten von Judith Gleitze, borderline-europe e. V. vom Dezember 2012 an das VG Braunschweig (a. a. O., S. 15) darauf verwiesen wird, dass die durch den Zivilschutz zusätzlich geschaffenen Unterkünfte nur zeitlich befristet vorgesehen gewesen seien, zunächst wohl nur bis Ende 2011 und alsdann bis Ende 2012, und dass diese inzwischen wieder geschlossen worden seien, so rechtfertigt auch dieser Einwand nach Auffassung des Senats nicht die Annahme, dass es gegenwärtig und zukünftig wieder zu fehlenden Kapazitäten in den staatlichen Einrichtungen kommen wird.

88

Zwar trifft es zu, dass das Notstandsprogramm befristet war und inzwischen wohl offiziell ausgelaufen ist. Allerdings trifft es ebenfalls zu, dass die Einrichtungen derzeit faktisch zumindest in einem beschränkten Umfang fortgeführt werden. Grund für die Schließung der Notunterkünfte war der Umstand, dass die Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge gegenüber den Vorjahren, insbesondere dem Jahr 2011 und 2012, deutlich zurück gegangen war. Allerdings waren nach Auskunft des Auswärtigen Amtes Anfang des Jahres 2013 noch ca. 17.000 Personen in den temporären Einrichtungen des Zivilschutzes untergebracht (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 4.3.). Das Auswärtige Amt hat unterdessen mit seiner neuesten Auskunft – unter Berufung auf den Leiter des Italienischen Amtes für Aufnahmezentren und Betreuung, Herrn Tommaso Ricciardi vom 04. September 2013 – zum Notstandsprojekt Nordafrika mitgeteilt, dass sich derzeit nur noch etwa 1.000 Personen („vulnerable cases“ und Asylbewerber, die ein Rechtsmittel eingelegt haben) in den Notunterkünften befinden. Offiziell hätten diese nunmehr am 01. September 2013 schließen sollen. Es werde gegenwärtig überlegt, wie die Versorgung dieser Personen weiter gewährleistet werden kann (AA, Auskunft v. 11.09.2013 an OVG NRW – zu Frage e)).

89

Angesichts der aufgezeigten Entwicklung steht auch nicht zu erwarten, dass mit der Schließung der Notunterkünfte die dort untergebrachten bzw. noch verbliebenen Asylbewerber und Flüchtlinge in die staatlichen Unterkünfte drängen und es damit zu erneuten Überbelegungen kommen wird, mithin die Problematik fehlender Kapazitäten in den staatlichen Zentren erneut auftritt. Das Auswärtige Amt weist zudem ausdrücklich darauf hin, dass das Auslaufen des Nordafrika-Programms keine konkreten Auswirkungen auf die Dublin-Rückkehrer hat, da für diesen Personenkreis (der nicht in den Notunterkünften untergebracht wird) von vornherein kein unmittelbarer Zusammenhang zum Programm bestand (AA, Auskunft v. 11.09. 2013 an OVG NRW – zu Frage e)).

90

Gegenteiliges dürfte zur Überzeugung des Senats auch dann nicht anzunehmen sein, wenn es zu einem erneuten Anstieg der Zahl von Asylbewerbern in Italien kommen sollte. Das ausgelaufene Notstandsprogramm belegt, dass Italien Unterbringungsplätze in erheblichen Umfang zusätzlich zur Verfügung stellen kann, wenn der Zustrom von Flüchtlingen dies erfordert. Das geschaffene Notstandsprogramm lässt darauf schließen, dass die verantwortlichen Stellen – selbst wenn sie auf Druck der übrigen EU-Mitgliedstaaten tätig geworden sein sollten – bemüht sind, sich dem jeweiligen unterschiedlichen Unterkunftsbedarf in der gebotenen Weise anzupassen. Dies lässt es insbesondere nicht ausgeschlossen erscheinen, dass bei einem eventuellen erneuten Anstieg der in Italien eintreffenden Flüchtlinge und Asylbewerber entsprechende Programme zur kurzfristigen Schaffung zusätzlicher Unterkünfte neu aufgelegt werden. Dies alles rechtfertigt keine grundlegenden Zweifel daran, dass ein insoweit auch nach Beendigung des Notstandsprogramms fortdauernder Bedarf oder erneute Massenanstürme von Flüchtlingen bewältigt werden können (ebenso: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013, a. a. O.).

91

Im Übrigen erkennt auch der UNHCR an, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des staatlichen Aufnahmesystems stattgefunden haben. Insgesamt seien die Einrichtungen der CARA, CDA und SPRAR (nunmehr) in der Lage, dem Aufnahmebedarf einer „signifikanten Anzahl“ von Asylsuchenden nachzukommen (Stellungnahme vom 24. April 2012 an VG Braunschweig, S. 3). Allerdings macht der UNHCR die Einschränkung, dass die Kapazitäten der genannten Einrichtungen nicht für die Unterbringung aller unterstützungsbedürftigen Asylsuchenden ausreichend sein dürften, wenn Personen in erheblicher Anzahl neu in Italien ankommen würden (UNHCR, a. a. O., S. 3). Indes bestehen z. Z. keine Anhaltspunkte dafür, dass es in Italien derzeit oder in absehbarer Zeit erneut zu einem derartigen Anstieg der Asylbewerberzahlen kommen wird, wie er etwa in den Jahren 2010 und 2011 zu verzeichnen war.

92

Eine andere Bewertung der Unterkunftssituation für Asylbewerber und Flüchtlinge erscheint dem Senat schließlich auch nicht deshalb geboten, weil nach Auffassung des UNHCR (Stellungnahme v. 24.04.2012) in der gegenwärtigen Situation davon auszugehen sei, dass derzeit die überwiegende Anzahl aller Asylverfahren nicht innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen werden können, und die Aufnahme in den Aufnahmezentren regelmäßig auf sechs Monate befristet sei. Abgesehen davon, dass der UNHCR selbst einräumt, dass keine konkreten Zahlen zur Dauer der Asylverfahren vorliegen, besteht nach Auskunft des Auswärtigen Amtes die Möglichkeit, dass im Einzelfall – so auch bei Einlegung von Rechtsmitteln – die Aufenthaltsdauer in der Einrichtung verlängert wird.

93

Zudem ist auch dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Mai 2011 zu entnehmen, dass für die Aufnahme von Asylbewerbern eben nicht nur CARA-, CIE- und SPRAR-Zentren zur Verfügung stehen, sondern auch andere Zentren vorhanden sind basierend auf Abkommen zwischen dem Innenministerium und Gemeinden, aber auch von der Stadt – wie etwa Rom - finanzierte und von NGO’s betriebene Zentren (vgl. Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Bericht über die Situation von Asylsuchenden, Flüchtlingen und subsidiär oder humanitär aufgenommenen Personen, mit speziellem Fokus auf Dublin-Rückkehrende, S. 19). Nach dem vorgenannten Bericht (a. a. O. S. 19) kommen noch kirchliche und karitative Einrichtungen hinzu. Dass es unter Berücksichtigung der Aufnahmekapazität all dieser öffentlichen und privaten Einrichtungen sowie unter Nutzung des Angebotes des Wohnungsmarktes nicht möglich ist, eine Unterkunft zu finden, ist nicht ersichtlich.

94

Das Auswärtige Amt weist ebenfalls darauf hin, dass neben den staatlichen Unterbringungszentren zusätzlich kommunale und karitative Einrichtungen existieren wie z. B. Caritas, Migrantes in Rom, die Schwestern des Ordens der Mutter Teresa „Suore Missionarie della Carità“ und andere Hilfsorganisationen (Comunità di Sant’Egidio, Opere Antoniane, Stranieri in Italia, Centro Astalle - Jesuiten -), welche die Antragsteller und Asylbewerber versorgen und ihnen Unterkunftsplätze besorgen (AA, Auskunft v. 21.08.2013 an OVG LSA - zur Frage 3.). Dies entspricht zugleich der Einschätzung des Auswärtigen Amtes, wonach nicht davon auszugehen ist, dass jene Personen, die in den staatlichen Aufnahmeeinrichtungen und staatlichen Unterkünften keinen Platz finden, regelmäßig oder überwiegend obdachlos „auf der Straße“ oder in „Elendsquartieren“ leben müssen (AA, a. a. O. Anm. 4.3.).

95

Veranlassung zu einer anderen Einschätzung gibt dem Senat schließlich auch nicht der Bericht von Maria Bethke und Dominik Bender „Zur Situation von Flüchtlingen in Italien“ vom 28. Februar 2011, wonach angeblich davon auszugehen ist, dass „in der Vergangenheit 88 vom Hundert der Dublin-II-Rückkehrer der Gefahr der Obdachlosigkeit überlassen worden seien“. Der Senat geht dabei davon aus, dass diese Aussage nicht bedeutet, dass etwa 88 vom Hundert der Dublin-II-Rückkehrer tatsächlich in die Obdachlosigkeit geraten sind, sondern dass es sich hierbei – da der Bericht lediglich von einer „Gefahr“ einer Obdachlosigkeit spricht – um eine bloße Annahme handelt in Bezug auf das womöglich bestehende Risiko, von einer Obdachlosigkeit betroffen zu werden. Dem Senat erscheint bei dieser Sachlage allerdings nicht nachvollziehbar, wie eine (potentielle) „Gefahr“ prozentual derart exakt prognostiziert werden kann, wie dies im Bericht mit 88 vom Hundert geschehen ist, zumal die Unterbringung in staatlichen und privaten Einrichtungen und auch die Wohnungssuche im Allgemeinen mit einer Fülle von Unwägbarkeiten verbunden ist. Überdies sind die Angaben nur bedingt brauchbar, weil eben nicht erkennbar wird, auf welchen Erkenntnissen diese beruhen und welche zurückliegenden Zeiträume in Bezug genommen werden, wenn davon gesprochen wird, dass sich Aussage auf die „Vergangenheit“ beziehe.

96

bb) Ebenso lässt sich nach Auffassung des Senats nicht feststellen, dass Asylbewerber infolge unzureichender und unzumutbarer Verhältnisse in den staatlichen bzw. privaten Unterkünften, namentlich etwa aufgrund unhygienischer Zustände oder Gewalttätigkeiten und krimineller Delikte wie u. a. Diebstahl, Vergewaltigung oder erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind. Dabei wird nicht verkannt, dass es in Unterkünften mit einer Vielzahl von – teilweise auch traumatisierten – Flüchtlingen unterschiedlicher Nationalität, Religion und Gebräuchen häufiger als in anderen Bereichen der Gesellschaft zu Konflikten und gelegentlich auch gewaltsamen Übergriffen kommen dürfte. Es dürfte sich dabei allerdings um ein allgemeines Phänomen in Gemeinschaftseinrichtungen handeln, dem die staatlichen Stellen nur bedingt wirksam entgegen wirken können. Auch wenn die Aufnahme-, Unterbringungs- und Lebensbedingungen von Asylbewerbern in Italien regelmäßig nicht mit dem hiesigen Standard vergleichbar sein mögen, ist zur Überzeugung des Senats davon auszugehen, dass die Zustände in den Unterkünften im Allgemeinen jedenfalls nicht derart unzumutbar und unhaltbar sind, dass deshalb die Feststellung einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung der Asylbewerber gerechtfertigt erschiene. Dies gilt zum einen hinsichtlich der hygienischen Verhältnisse. So wird nach Auskunft des Auswärtigen Amtes von den staatlichen Aufnahmezentren und Einrichtungen Kleidung gestellt, ebenso Wäsche und Hygieneartikel zum persönlichen Gebrauch (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1., 5.3. und 6.1.). Überdies teilt das Auswärtige Amt zur Situation in den staatlichen Aufnahmezentren und Unterkünften mit, dass die hygienischen Verhältnisse dort nicht regelmäßig oder sogar überwiegend sich in der Weise darstellen, dass man ernstlich Gefahr läuft zu erkranken. Sie seien auch nicht dergestalt, dass sie nicht den Mindestanforderungen (Kochstellen, Toiletten, Waschräume, fließendes Wasser und Elektrik) genügen würden. Vielmehr seien sie durchweg so beschaffen, dass kleinere Schlafräume in Wohnhäusern oder Containern vorhanden seien, die auch zumeist mit Klimaanlagen und Zentralheizung versehen seien. Insbesondere seien Toilettenräume in ausreichender Zahl und getrennt nach Geschlechtern vorhanden. Gleiches gelte für Waschräume. Die Verpflegung werde vielfach in einem gemeinsamen Speisesaal bereitgestellt. Vereinzelt bestünden auch zusätzliche Möglichkeiten für die eigene Zubereitung von Mahlzeiten. Ferner seien in den Einrichtungen Sozialräume sowie getrennte Räumlichkeiten für medizinische Dienste und Sonderfälle vorhanden. Zur Aufrechterhaltung der Sauberkeit der allgemeinen Räumlichkeiten würden spezielle Reinigungsdienste beschäftigt (vgl. zu allem: AA, Auskunft v. 21.01.2013, Anm. 4.5.).

97

Zum anderen lässt sich aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse auch nicht feststellen, dass sich die Verhältnisse in den staatlichen Aufnahmezentren und Unterkünften in der Weise darstellen, dass die Bewohner in ständiger Angst leben müssten, „angegriffen, ausgeraubt oder gar vergewaltigt“ zu werden. Zwar gibt es Berichte, wonach es zu gewaltsamen Übergriffen von männlichen auf weibliche Bewohner gekommen sein soll; hierbei handelt es sich aber um Einzelfälle, wenngleich statistische Erhebungen zur Kriminalität speziell in den genannten Einrichtungen nicht existieren bzw. nicht bekannt sind. Darüber hinaus werden die Aufnahmeeinrichtungen zumindest durch die Polizei oder Carabinieri überwacht und geschützt; wegen auftretender Spannungen zwischen verschiedenen Ethnien wurden in manchen Einrichtungen zudem zusätzliche Polizeikräfte postiert (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.6.).

98

Im Ergebnis vermag der Senat somit nicht festzustellen, dass es – sieht man von Engpässen und Einzelschicksalen ab – mit der Durchführung von Asylverfahren in Italien generell zu Begleiterscheinungen wie etwa Obdachlosigkeit oder aufgrund der Zustände in den Unterkünften zu einer Verwahrlosung der Asylbewerber kommt.

99

c) Der Senat vermag ebenfalls nicht festzustellen, dass Schutzsuchende während des Asylverfahrens in Italien unter Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EuGrdRCh in materieller Not leben müssen, so dass von einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung auszugehen wäre, oder mit Blick auf die Versorgungssituation und soziale Situation der Asylbewerber und Flüchtlinge gemessen an den Vorgaben des unionsrechtlichen Sekundärrechts sich das Asylsystem als nicht (mehr) richtlinienkonform darstellt.

100

Asylsuchende und Flüchtlinge haben nach Auskunft des Auswärtigen Amtes während des Asylverfahrens einen (Rechts-)Anspruch auf (angemessene) Verpflegung und Versorgung (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1.). Dieser Verpflichtung wird im Allgemeinen dadurch nachgekommen, dass in den staatlichen Unterkünften und Aufnahmezentren entsprechende Leistungen erbracht werden. Namentlich wird auch Kleidung gestellt, ebenso Wäsche und Hygieneartikel zum persönlichen Gebrauch (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 5.1., 5.3. und 6.1.). Vorgenanntes gilt gleichermaßen für die Zeit zwischen Antragstellung und Registrierung wie für die Zeit zwischen Registrierung und Entscheidung über das Asylbegehren (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 5.1.).

101

Ebenso werden Asylbewerber und Flüchtlinge, die in nichtstaatlichen, namentlich karitativen und kirchlichen Unterkünften leben, mit Nahrung und Kleidung versorgt, wobei insoweit auch private Dienstleister herangezogen werden (vgl. AA, Auskunft v. 21. 02.2013, Anm. 5.2.). Allerdings ist für Asylbewerber und Flüchtlinge außerhalb staatlicher sowie karitativer und kirchlicher Einrichtungen eine staatliche Verpflegung und Versorgung nicht (mehr) gewährleistet. Auch existiert in Italien nur ein sehr eingeschränktes staatliches Sozialhilfesystem; danach erhalten nur Personen über dem 65. Lebensjahr Sozialhilfeleistungen. Im vorliegenden Fall würde dies sogar bedeuten, dass die 65-jährige Klägerin auch staatliche Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen könnte. Im Übrigen haben die Betroffenen auch als Asylbewerber und schutzsuchende Flüchtlinge einen freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Sie können ihren Lebensunterhalt dadurch verdienen, dass sie je nach Ausbildung oder Befähigung einer zumindest einfachen Arbeit nachgehen (vgl. AA, Auskunft v. 21.02. 2013, Anm. 5.1.).

102

In der Praxis kann somit nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass Asylbewerber und Flüchtlinge ihren Lebensunterhalt regelmäßig nicht durch Betteln und / oder Prostitution sichern müssen (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.4.). Vielmehr ist insgesamt eine ausreichende Versorgung vorhanden. Einzelfälle sind allenfalls auf das in der aktuellen Wirtschaftskrise insbesondere in italienischen Großstädten zunehmend auftretende Phänomen des Bettelns und die damit einhergehenden erhofften zusätzlichen Einkunftsmöglichkeiten zurückzuführen. Was die Prostitution angeht, so ist nicht völlig auszuschließen, dass weibliche Asylbewerber oder Flüchtlinge in Einzelfällen durch Angehörige der organisierten Kriminalität rekrutiert werden und dann tatsächlich der Prostitution nachgehen. Dies ist aber nicht im kausalen Zusammenhang mit Defiziten im Asylverfahren zu sehen (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 4.4.; Auskunft v. 24.09.2012, S. 3 - Antwort auf Frage b 2)).

103

Im Übrigen folgt aus Art. 3 EMRK und Art. 4 EuGrdRCh auch nicht die Verpflichtung, Asylbewerbern und Flüchtlingen eine finanzielle Unterstützung zu gewähren, um ihnen einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urt. v. 21.02.2011, a. a. O.).

104

Ebenso ist ein Verstoß gegen die Richtlinie 2004/83/EG nicht ersichtlich. Kapitel VII der Richtlinie gestaltet den Inhalt des internationalen Flüchtlingsschutzes zwar u. a. dahin gehend aus, dass Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte grundsätzlich Zugang zu Sozialleistungen (Art. 28), medizinischer Versorgung (Art. 29) und Wohnraum (Art. 31) erhalten. Allerdings gehen die Bestimmungen über die Gebote zur Inländergleichbehandlung (Art. 28, 29) bzw. zur Ausländergleichbehandlung (Art. 31) nicht hinaus. Art. 28 und 29 der Richtlinie gewährleisten die notwendige Sozialhilfe bzw. medizinische Versorgung nur insoweit, wie die Mitgliedstaaten ihren eigenen Staatsangehörigen eine entsprechende Behandlung bzw. Versorgung gewähren; für Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte besteht zudem die Möglichkeit, den Anspruch auf Kernleistungen zu beschränken, die dann im Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige zu gewähren sind. Demzufolge muss der in Italien bestehende allgemeine Lebensstandard für andere, vergleichbare Personen mit italienischer Staatsangehörigkeit in den Blick genommen werden, die ebenfalls keine staatlichen Sozialleistungen in Anspruch nehmen können und bei denen ebenfalls nur durch die Aufnahme von Gelegenheitsarbeiten oder aber vermittels von Zuwendungen karitativer oder kirchlicher Organisationen das Existenzminimum gesichert ist.

105

Nach allem lässt sich ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EuGrdRCh nicht daraus herleiten, dass – worauf in der Rechtsprechung einzelner Verwaltungsgerichte abgestellt wird – ein staatliches Sozialsystem, welches Flüchtlingen und Asylsuchenden zumindest ein Existenzminimum garantiert, nicht zur Verfügung steht und dass die Betroffenen deshalb darauf angewiesen seien, sich „selbst durch das Leben zu schlagen“ (vgl. VG Magdeburg, Beschl. v. 28.03.2011 - 9 B 101/11 MD - Juris; Gerichtsbescheid v. 21.11.2011 - 9 A 351/10 - [S. 5 d. UA]; VG Braunschweig, Beschl. v. 31.05.2011 - 1 B 103/11 - m. w. N. - Juris).

106

Im Übrigen ist in der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (a. a. O. S. 22) nicht – wie gelegentlich behauptet wird – die Rede davon, dass der genannte Personenkreis „in extremer Armut lebt und dass sie ihre Lebensbedürfnisse nicht decken können“. Vielmehr ist – wohl mit Bedacht – davon die Rede, dass sie Gefahr laufen, womöglich in eine solche Situation zu geraten; dass sich indes diese Gefahr bereits in eine Vielzahl von Fällen realisiert hätte oder gleichsam regelmäßig bzw. für jeden Asylsuchenden und Flüchtling die konkrete Gefahr bestünde, dass nicht einmal das Existenzminimum gesichert ist, wird nicht behauptet. Dies schließt nicht aus, dass es in Einzelfällen auch zu besonderen Notlagen kommen mag und dass der Lebensstandard der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien im Allgemeinen sehr gering sein dürfte. Gleichwohl vermag der Senat anhand des ihm vorliegenden umfassenden Erkenntnismaterials aber nicht festzustellen, dass die Situation für Flüchtlinge und Asylsuchende in den Zentren und außerhalb derselben derart prekär wäre, dass deshalb von einem Verstoß gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EuGrdRCh auszugehen ist.

107

d) Soweit es die medizinische Versorgung betrifft, sind alle Mitgliedstaaten aufgrund der EU-Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 verpflichtet, bestimmte Mindeststandards der medizinischen Versorgung zu gewährleisten. So haben alle Mitgliedstaaten nach Art. 15 der genannten Richtlinie dafür Sorge zu tragen, dass Asylbewerber und Flüchtlinge die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung für die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst. Dabei ist auch Asylbewerbern mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische und sonstige Hilfe zu gewähren.

108

In Italien ist im Rahmen des nationalen Gesundheitsdienstes grundsätzlich ein medizinischer Mindestbehandlungsstandard gewährleistet. Asylbewerber und Flüchtlinge haben in Italien während des Asylverfahrens einen Anspruch auf eine „freie“ (kostenlose) medizinische Versorgung sowie auch auf psychologische Hilfe, insbesondere auch Minderjährige und traumatisierte Personen (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 5.1., 5.3. und 6.3.).

109

Dem entspricht es, wenn im Entscheiderrundbrief des Bundesamtes 7/2011 (a. a. O., S. 8) zur medizinischen Versorgung festgestellt wird, dass bei der Überstellung von kranken bzw. traumatisierten Personen – wie bei jedem italienischen Staatsbürger – die Möglichkeit der (medizinischen) Behandlung besteht. Bereits im Jahre 2009 habe es bei der SPRAR drei Zentren gegeben, in denen auch psychisch kranke Personen hätten behandelt werden können (zwei in Rom, eines in Turin). Für 2011 seien zudem 50 weitere Behandlungsplätze für psychisch kranke Personen bzw. Personen mit besonders schweren Erkrankungen geplant worden. Inzwischen würden bei Dublin-Überstellungen psychisch kranke Personen in Italien als eine besonders „vulnerable Gruppe“ angesehen.

110

Voraussetzung für den Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem ist zwar grundsätzlich ein gültiger Aufenthaltstitel bzw. ein rechtmäßiger Aufenthalt; bei im italienischen Asylverfahren befindliche Personen stellt sich dieses Problem aber nicht. Der Zugang zu öffentlichen medizinischen Leistungen ist auch nicht an die Voraussetzung eines ständigen Wohnsitzes bzw. feste Adresse gekoppelt, wie gelegentlich behauptet wird. Vielmehr erhalten Asylbewerber bei Bedarf auch ohne einen solchen ständigen Wohnsitz bzw. feste Anschrift vom nationalen Gesundheitsdienst einen Gesundheitsausweis („tessera sanitara“) und eine Steuernummer („codice fiscale“) (vgl. AA, Auskunft v. 09.10.2012 an VG Minden, S. 2 - zur Frage b) 4; ebenso: AA, Auskunft v. 11.07.2012 an VG Freiburg - S. 2 Ziffer I b)). Sollte hingegen etwas anderes gelten, ist davon auszugehen, dass aufgrund einer aktuellen Vereinbarung zwischen der Zentralregierung und den Regionen zumindest eine Not- und Grundversorgung auch für sich illegal in Italien aufhaltende Personen garantiert ist (AA, Auskunft v. 21.01.2013, Anm. 6.2.).

111

Der Senat vermag angesichts dieser Situation nicht zu erkennen, dass damit den eingangs aufgezeigten Mindeststandards bzw. Kernanforderungen nicht genügt wird. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass in bestimmten Fällen womöglich einzelnen Personen eine nur unzureichende medizinische Versorgung zuteil wurde oder diese aus dem medizinischen Versorgungssystem herausgefallen sind.

112

Aber selbst dann, wenn für kranke, behinderte oder sonst gesundheitlich besonders schutzbedürftige Personen die garantierte medizinische Not- und Grundversorgung nicht als ausreichend angesehen würde, ergäben sich daraus jedenfalls für die Klägerin, die keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen angeführt hat, keine Bedenken gegen ihre Überstellung nach Italien.

113

e) Soweit es das Asylverfahren als solches, namentlich die Qualität und die Dauer des Verfahrens betrifft, lässt sich ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 EMRK und Art. 4 EuGrdRCH sowie gegen die einschlägigen unionsrechtlichen Richtlinien ebenfalls nicht feststellen.

114

Italien gewährleistet entsprechend dem (Grund-)Recht auf Asyl (gem. Art. 10 Abs. 3 der italienischen Verfassung, verschiedenen Einwanderungs- und Asylverfahrensgesetzen, insbesondere nach dem Gesetz No. 25/2008 vom 28. Januar 2008) ein Schutzverfahren, das auch für Überstellungen nach der Dublin-II-Verordnung greift. Besonderheiten bestehen insoweit nicht (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 3.1.).

115

Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass es hinsichtlich der Qualität oder der Dauer der Asylverfahren einen Grund für Beanstandungen gibt. Insbesondere lässt sich nicht feststellen, dass von einer unverhältnismäßig restriktiven Asylpraxis auszugehen ist. Gegen eine solche Annahme sprechen die Zahlen, die vom Auswärtigen Amt zum Asylverfahren benannt werden. Danach wurden im Jahre 2010 über 14.042 Asylanträge entschieden, davon wurden 2.094 Antragsteller nach der Genfer Konvention anerkannt (15 vom Hundert), 1.789 erhielten subsidiären (13 vom Hundert), 3.675 humanitären Schutz (26 vom Hundert), hingegen wurden 4.698 abgelehnt. 520 Personen waren nicht auffindbar (4 vom Hundert) und 1.266 (9 vom Hundert) sind sonstige Fälle. Dementsprechend lag die Quote der Anerkennungen bzw. der Gewährung eines Bleiberechts bei immerhin 54 vom Hundert (vgl. AA, Auskunft v. 21.02. 2013, Anm. 3.2.). Demgegenüber wurden im Jahre 2011 über 25.626 Asylanträge entschieden. Davon wurden 2.057 Antragsteller nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt (8 vom Hundert), 2.569 Personen erhielten subsidiären (10 vom Hundert) und 5.662 humanitären Schutz (22 vom Hundert); 11.131 Personen wurden hingegen abgelehnt (44 vom Hundert) und 2.339 Personen waren nicht auffindbar (9 vom Hundert). Die Anerkennungsquote lag 2011 somit bei 40 vom Hundert, was ebenfalls nicht die Annahme einer unverhältnismäßig restriktiven Praxis rechtfertigt (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 3.2.; AA, Auskunft v. 11.07.2012 an VG Freiburg, S. 5 unter Hinweis auf eine entsprechende Statistik des Innenministeriums, abrufbar unter: http://www.interno.it/miniinteno/export/sites/default/it/assets/files/21/0551_statistiche_asilo.pdf).

116

Es kommt hinzu, dass sich die für die Entscheidung der Asylverfahren in erster Instanz zuständigen Territorialkommissionen per Dekret des Innenministers in der Weise zusammensetzen, dass auch jeweils ein Vertreter des UNHCR beteiligt ist (Bundesamt für Migration der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Hintergrundnotiz MILA - Italien Asylverfahren, Bericht vom 23.09.2009, S.4). Dies berechtigt zur Annahme, dass der Ordnungsmäßigkeit des Asylverfahrens eine besondere Beachtung geschenkt wird.

117

Hinsichtlich der Dauer des Asylverfahrens in Italien gibt es ebenfalls nichts zu beanstanden. Über den Asylantrag soll an sich innerhalb von 30 Tagen entschieden werden; zudem wird angestrebt, dass das Gesamtverfahren einschließlich gerichtlicher Überprüfung nicht länger als sechs Monaten dauert, auch wenn es immer wieder Fälle gibt, in denen diese Dauer – manchmal bis zu einem Jahr oder auch länger – überschritten wird (AA, Auskunft v. 21.02.2013 an OVG LSA, Anm. 3.1., 3.2.; ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2013, a. a. O. Rn. 15).

118

Ferner lässt sich nicht feststellen, dass es in Italien während des Asylverfahrens in nennenswerter Weise faktische Beeinträchtigungen in verfahrensrechtlicher bzw. prozessualer Hinsicht gibt. Art. 16 des italienischen Asylverfahrensgesetzes No. 25 vom 28. Januar 2008 garantiert dem Asylbewerber, dass er nach den einschlägigen Prozessvorschriften Anspruch auf eine Rechtsberatung und einen unentgeltlichen Rechtsbeistand im Verfahren hat (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 3.4.). Zwar bestehen Zweifel, ob dies auch in der Praxis ausnahmslos Geltung besitzt, wenn man berücksichtigt, dass für die nach Rom zurückkehrenden Dublin-II-Rückkehrern (und in Rom eintreffenden Asylbewerber) die Prozesskostenhilfe davon abhängig gemacht wird, dass zum Nachweis der wirtschaftlichen Bedürftigkeit eine Bescheinigung der jeweiligen Auslandsvertretung beigebracht werden soll. Allein wegen der Tatsache, dass der Asylbewerber im Einzelfall das Verfahren ohne anwaltlichen Beistand durchzuführen hat, soweit kein Anwaltszwang besteht, kann nicht schon von einem (landesweit bestehenden) systemischen Mangel gesprochen werden, der die Annahme einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i. S. d. Grundrechtscharta und EMRK rechtfertigt. Im Übrigen stehen dem Asylbewerber im Asylverfahren auch Übersetzungsdienste zur Verfügung (vgl. AA, Auskunft an OVG LSA v. 21.02.2013, Anm. 2.3. und 3.3.; AA, Auskunft v. 11.07.2012 an VG Freiburg, S. 3).

119

Insbesondere bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass – von Ausnahmen abgesehen – die für die Durchführung des Hauptsacheverfahrens erforderliche Erreichbarkeit des Asylbewerbers in Italien nicht sichergestellt wäre. Für eine solche Annahme fehlt es an hinreichend belegten Referenzfällen. Auch gibt es für Italien keine ernst zu nehmenden Quellen, wonach sich die Wahrnehmung von Verfahrensrechten (Antragstellung, Einlegung von Rechtsbehelfen etc.) regelmäßig als derart schwierig erweist, dass diese Rechte faktisch leer laufen würden.

120

Soweit in der Rechtsprechung dennoch vereinzelt – so u. a. das VG Gießen (Beschl. v. 10.03.2011 - 1 L 468/11.GI.A - Juris) und ihm folgend das VG Magdeburg (Beschl. v. 21.11.2011 - 9 A 351/10 -) – die Auffassung vertreten wird, „es erscheine auch die Qualität der Asylverfahren bedenklich“, wird diese Kritik nicht weiter spezifiziert und auch nicht durch entsprechende Erkenntnismittel belegt.

121

f) Ebenso lässt sich anhand des dem Senat vorliegenden Erkenntnismaterials nicht feststellen, dass im Hinblick auf die rechtliche und soziale Situation anerkannter Asylbewerber sowie der Flüchtlinge mit einem Bleiberecht angesichts der in Italien anzutreffenden Lebens- und Versorgungssituation sowie unter Berücksichtigung der insoweit staatlicherseits unternommenen Integrationsbemühungen das Aufnahme- und Asylverfahren in Italien derartige Mängel aufweist, dass es den Anforderungen des europäischen Asylsystems nicht mehr entspricht.

122

Schutzberechtigte, mithin anerkannte Asylbewerber (Asylberechtigte) und Personen mit subsidiärem Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten mit ihrer Anerkennung ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht; es wird ihnen eine Aufenthaltsberechtigung („permesso di soggiorno“) ausgestellt. Danach genießen sie in Italien dieselben Rechte wie italienische Staatsangehörige (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.2.).

123

Dies bedeutet in der Praxis, dass sie sich – ebenso wie italienische Staatsangehörige – grundsätzlich selbst um eine Unterkunft kümmern und auch in eigener Verantwortung einen Arbeitsplatz suchen müssen. Dafür besteht aber ein freier Zugang zum Arbeitsmarkt (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Alle Personen, die in Italien einen Schutzstatus besitzen, haben auch das Recht zu arbeiten (AA, Auskunft v. 21.02.2013, a. a. O.).

124

Sie können ihren Lebensunterhalt dadurch verdienen, dass sie je nach Ausbildung oder Befähigung einer zumindest einfachen Arbeit nachgehen (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 5.1.). Anerkannte Asylbewerber und Personen mit einem subsidiären Schutzstatus haben Zugang zu einer Beschäftigung in Italien, wie dies durch Art. 26 und Art. 28 der Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) garantiert wird.

125

Ein staatliches System finanzieller Hilfeleistungen bzw. ein Sozialhilfesystem existiert hingegen nicht. Denn in Italien gibt es für italienische Staatsangehörige – und somit auch für anerkannte Flüchtlinge und Personen mit subsidiärem Schutzstatus, die ihnen gleichgestellt sind – kein national garantiertes Recht auf Fürsorgeleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bzw. (sonstige) staatliche Sozialleistungen, jedenfalls soweit sie nicht das 65. Lebensjahr erreicht haben (AA, Auskunft v. 11.07.2012 an das VG Freiburg). Art. 28 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gewährt hinsichtlich der Sozialleistungen nur einen Anspruch auf Inländergleichbehandlung, nicht aber einen Anspruch auf Privilegierung des anerkannten Flüchtlings.

126

Zwar entspricht es der italienischen Kultur, dass es einen engen Familienzusammenhalt gibt, der im Notfall zumindest die Chance eröffnet, eine (gewisse) Unterstützung durch Familienangehörige in Anspruch nehmen zu können. Dass es eine solche vergleichbare Unterstützung unter den ausländischen Landsleuten gibt, die sich aufgrund ihres Schutzstatus dauerhaft in Italien aufhalten, erscheint nicht ausgeschlossen, dürfte aber die Ausnahme sein. Gleichwohl lässt dieser Umstand nach Auffassung des Senats für sich allein nicht schon die Annahme gerechtfertigt erscheinen, dass der anerkannte Flüchtling und sonstige Schutzberechtigte in Italien deshalb der konkreten Gefahr ausgesetzt wäre, „auf der Straße“ zu leben und zu verelenden.

127

Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass – ebenso wie italienische Staatsangehörige in einer vergleichbaren Situation – auch anerkannte Asylbewerber und schutzberechtigte Flüchtlinge von nichtstaatlichen Hilfsorganisationen, wie beispielsweise durch die CARITA und CIR, Unterstützung bekommen können (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Die Zuständigkeit für die Festsetzung von derartigen öffentlichen Sozialleistungen liegt grundsätzlich im Kompetenzbereich der Regionen. In bestimmten Regionen (z. B. Toskana, Emilia Romagna) wird die Höhe derartiger Leistungen durch die Kommune festgesetzt; die Leistungen weisen insoweit je nach regionaler und kommunaler Finanzkraft deutliche Unterschiede auf (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Diese Erkenntnis deckt sich im Übrigen mit dem Gutachten der Flüchtlingsorganisation borderline-europe e. V. (Gutachten an das VG Braunschweig vom Dezember 2012) und der Auskunft der italienischen Vereinigung für rechtliche Untersuchungen zur Situation von Einwanderung (ASGI-Bericht vom 20. November 2011, S. 10 f.). Danach erhalten ebenfalls anerkannte Asylbewerber und Personen, denen internationaler Schutz gewährt worden ist, Unterstützungen allgemeiner Art, wie sie auch für andere mittellose Personen in Italien vorgesehen sind.

128

Überdies ist für anerkannte Flüchtlinge und Personen mit subsidiärem Schutzstatus ein kostenfreier Zugang zu allen öffentlichen medizinischen Leistungen wie Arzt, Zahnarzt, Krankenhaus gewährleistet (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 7.1.). Ein Anspruch auf Einhaltung bestimmter Mindeststandards im Hinblick auf die Gewährung von Unterkunft sowie auf eine gewisse materielle Unterstützung besteht für sie auch nach dem Unionsrecht nicht; ein solcher Anspruch besteht nur für Asylbewerber (EGMR, Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - M.S.S. v. Belgium and Greece; EuGH, Urt. v. 21.12. 2011 - C-411/10 und C-493/10 - N.S. und M.E.), denn nach den Bestimmungen der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 steht Asylbewerbern und Schutzsuchenden zwar ein subjektives Recht auch auf eine angemessene Fürsorge zu. Nach Art. 3 Abs. 1 der genannten Richtlinie haben Asylbewerber jedoch nur solange Anspruch auf die in Art. 5 ff. der Richtlinie bezeichneten humanitären Leistungen, solange sie „als Asylbewerber im Hoheitsgebiet verbleiben dürfen“. „Asylbewerber“ im Sinne der Richtlinie ist dabei ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, der einen Asylantrag gestellt hat, über den noch nicht entschieden wurde.

129

Soweit anerkannten Asylbewerbern und schutzberechtigten Flüchtlingen in der Zivilbevölkerung vereinzelt Vorbehalte entgegen gebracht werden und sich diese Vorbehalte womöglich auch im Verhalten von Amtsträgern widerspiegeln sollten, lässt sich diesem Umstand keine selbständige rechtliche Bedeutung beimessen. Die gilt selbst dann, wenn der genannte Personenkreis im Alltag womöglich Benachteiligungen erfahren sollte. Denn die genannten Umstände lassen nicht den Schluss zu, dass das Aufnahme- und Asylverfahren in Italien schon allein aus diesem Grunde den Regeln des europäischen Asylsystems zuwiderläuft.

130

Nach allem erübrigt sich hier die Erörterung der weitergehenden Frage, ob und inwieweit auch möglicherweise jene (unionsrechtlichen) Rechtsverletzungen für die Entscheidung über den Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO relevant sind, die Personen betreffen, bei denen das Asylverfahren bereits mit einer Anerkennung bzw. mit einem subsidiären Schutzstatus abgeschlossen ist (vgl. hierzu VG Regensburg, Beschl. v. 16.08.2012 - RN 7 S 12.30273 -).

131

g) Zur Überzeugung des Senats steht auch bei der gebotenen Zukunftsprognose nicht zu erwarten, dass angesichts eines unvermindert anhaltenden oder wieder zunehmenden Flüchtlingsstroms nach Italien sich die dort anzutreffenden Verhältnisse (wieder) verschlechtern werden. So verhält es sich jedenfalls dann, wenn man bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats Folgendes in Rechnung stellt:

132

Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes ist in Italien gegenwärtig nicht (mehr) von einem Anstieg des Zustroms von Asylbewerbern und Flüchtlingen auszugehen (AA, Auskunft v. 21.02.2013 Anm. 9.1. und 9.2.). Diese Entwicklung wird auch durch das dem Senat vorliegende Zahlenmaterial belegt. Laut Berichterstattung in der Presse (Spiegel online v. 26.04.2011) haben von Januar bis Ende April 2011 allein 26.000 Flüchtlinge in Italien um Schutz nachgesucht. Demgegenüber wurden laut Auskunft des Auswärtigen Amtes im ersten Halbjahr 2012 nur insgesamt 5.580 Asylanträge in Italien gestellt (AA, Auskunft v. 21.01.2013 Anm. 3.2.).

133

Insbesondere ist auch ein deutlicher Rückgang von Anlandungen im Süden Italiens zu verzeichnen. Im Jahr 2011 waren es noch 62.692 Personen, im Jahre 2012 hingegen nur noch 13.267 Personen (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 9.1. und 9.2.). Dies ist – wie das Auswärtige Amt in nachvollziehbarer Weise feststellt – vor allem auf die Beruhigung der Lage in den Nordafrikanischen Staaten zurückzuführen (AA, a. a. O.).

134

Im Übrigen ist auch in der Gesamtschau des letzten Jahrzehnts nicht von einem kontinuierlichen und erheblichen Zuwachs an Asylbewerbern und Flüchtlingen in Italien auszugehen, so dass etwa deshalb die Annahme einer nicht (mehr) zu bewältigenden “Überlastung“ des Asylsystems in Italien begründet wäre. In der ersten Hälfte des letzten Jahrzehnts waren die Zahlen bis 2006 vielmehr rückläufig, die Zahl der Asylantragsteller ging insoweit von 24.000 auf 10.000 zurück. In den Jahren 2008 und 2011 gab es dann in den Spitzen über 30.000 Asylbewerber, während es im Jahre 2012 allerdings wieder weniger als 15.000 Bewerber waren. Bei den genannten Spitzen handelte es sich somit um temporäre Erscheinungen aufgrund der politischen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem “arabischen Frühling“ (vgl. AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 9.1.2.). Auch ist nach aktueller Einschätzung, namentlich vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung in den Mittelmeer-Anrainerstaaten, nicht damit zu rechnen, dass die Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien in absehbarer Zeit ansteigen wird (AA, Auskunft v. 21.02.2013, Anm. 9.1.3.).

135

Nach allem erweist sich die in der einschlägigen Rechtsprechung vielfach angeführte Begründung, dass wegen der zu erwartenden weiteren Flüchtlingsströme von Afrika nach Italien infolge der kriegerischen Auseinandersetzungen und der damit einhergehenden instabilen Verhältnisse in Nordafrika sich die Entwicklung in Italien in absehbarer Zeit voraussichtlich nicht verbessern, sondern eher noch verschlechtern wird (so u. a. VG Stuttgart, Beschl. v. 02.07.2012 - A 7 K 1877/12 - ) als nicht (mehr) tragfähig.

136

Insbesondere lässt sich auch der Stellungnahme des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen – UNHCR – vom 24. April 2012 an das Verwaltungsgericht Braunschweig kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass ernsthaft zu befürchten ist, dass die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien grundlegende Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aufweisen. Nach dem Inhalt dieser Stellungnahme wurden in Italien die regionalen Regierungen im Jahr 2011 nach Ankunft einer erheblichen Zahl von Personen aus Nordafrika ausdrücklich gebeten, zusätzliche Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen. Zwischen den Regierungen und den örtlich zuständigen Behörden wurde zudem eine Vereinbarung getroffen, in der die Kriterien für die landesweite Verteilung von bis zu 50.000 Personen festgehalten wurden. Der UNHCR erkennt vor diesem Hintergrund an, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des Aufnahmesystems stattgefunden haben und die CARA-, CDA- und SPRAR-Projekte insgesamt in der Lage sind, dem Aufnahmebedarf einer signifikanten Anzahl von Asylsuchenden nachzukommen (UNHCR, a. a. O. S. 3).

137

Dass die Verhältnisse zwischen Italien und Griechenland – wie gelegentlich behauptet wird – vergleichbar sind, vermag der Senat nicht festzustellen. Dies bedarf aber auch keiner Vertiefung, weil es hierauf nicht entscheidend ankommt. Dennoch bleibt festzustellen, dass der UNHCR – anders als in Bezug auf Griechenland – für Italien jedenfalls keine Empfehlung ausgesprochen hat, von einer Überstellung bzw. Abschiebung von Dublin-II-Flüchtlingen nach Italien abzusehen. Der Senat misst diesem Umstand kein geringes Gewicht bei. Soweit vereinzelt der Einwand erhoben wird, dies sei dem Umstand geschuldet, dass der UNHCR „politische Rücksichten zu nehmen habe“, ist dies durch Nichts belegt. Zwar hat – ausweislich des Tagungsberichts von Nora Markard zum 12. Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz vom 18.-19. Juni 2012 in Berlin (ZAR 10/2012 S. 380 ff. S. 381 zur Situation in Italien) – der UNHCR Senior Regional Protection Associate Jürgen Humberg im Hinblick auf die deutsche Debatte über die Zulässigkeit von Abschiebungen nach Italien angeblich betont, dass der Umstand, dass der UNHCR bisher kein Positionspapier zu Italien veröffentlicht habe, nicht bedeute, dass in Italien „alles in Ordnung sei“; eine solche Schlussfolgerung, den einige Verwaltungsgerichte zögen, sei unzulässig. Auch diese Äußerung veranlasst den Senat nicht zu einer anderen Einschätzung im Hinblick darauf, dass sich der UNHCR – anders als in anderen Fällen – einer entsprechenden offiziellen Stellungnahme bzw. Empfehlung, von einer Rückführung von Asylbewerbern nach Italien abzusehen, enthalten hat. Dies bedeutet keineswegs, dass der Senat der Auffassung wäre, in Italien „sei alles in Ordnung“; hieraus aber folgt eben noch nicht, dass in Bezug auf das Asyl- und Aufnahmeverfahren in Italien systemische Mängel feststellbar sind, die eine Verletzung der Europäischen Grundrechtscharta oder der Menschenrechtskonvention darstellen.

138

Festzustellen bleibt überdies, dass der UNHCR auch in seinem jüngsten Bericht (UNHCR - Recommendations on important aspects of Refugee protection in Italy) vom Juli 2013 trotz zahlreicher kritischer Anmerkungen bei seiner Einschätzung zur aktuellen Lage der Flüchtlinge und Asylbewerber in Italien zu keinem anderen Ergebnis gekommen ist.

139

Schließlich hat auch der EGMR in einer neueren Entscheidung vom 02. April 2013 (Ap-plication No. 27725/10 - Mohammed Hussein vs. the Netherlands and Italy) eine gegen die Dublin-Überstellung von den Niederlanden nach Italien gerichtete Beschwerde als offensichtlich unbegründet abgewiesen. In der Entscheidung hat sich der EGMR mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, einer nach eigenen Angaben aus Somalia stammenden Frau mit zwei kleinen Kindern, zum Asylverfahren und auch zur Unterbringungssituation in Italien auseinander gesetzt und festgestellt, dass die Situation in Italien keineswegs mit der in Griechenland vergleichbar sei (Entscheidung v. 02.04. 2013, a. a. O. Rdn. 72). Auch aus dem Umstand, dass der EGMR in einer früheren Entscheidung (Application No. 64208/11) die Abschiebung eines Asylbewerbers von Deutschland nach Italien gestoppt hat, lässt sich nicht herleiten, dass Italien generell die Anforderungen des europäischen Asylsystems nicht erfüllt. Die Gründe für den mit der genannten Entscheidung verhängten Abschiebungsstopp sind letztlich nicht bekannt. Dem „Statement of Facts“ ist indes zu entnehmen, dass sich der dortige Antragsteller zwar auch auf die Lebensumstände von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Italien berufen hat, jedoch insbesondere im Raum stand, dass er durch die Abschiebung aufgrund unterschiedlicher Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Münster und Magdeburg von seiner Frau und seinen Kindern getrennt werden würde, deren Abschiebung gestoppt wurde. Weitere Fälle des EGMR (Application No. 30815/09, Application No. 37159/09, Application No. 56424/10) betrafen unbegleitete Minderjährige und die spezielle Situation einer Mutter mit einem minderjährigen Kind (Application No. 2303/10).

140

Im Übrigen haben sowohl der Österreichische Asylgerichtshof (Spruch v. 03.05. 2010 - S16 412.104-1/2010-4E -, veröffentlicht unter http://www.ris.bka.gv.at, dort insbes. Ziffer 2.2.2.2.1. "Kritik am italienischen Asylwesen" m. w. N.) als auch das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht (vgl. u. a. Urt. v. 15.07.2010 - D 4987/ 2010 - und Urt. v. 18.03.2010 - D-1496/2010 -, im Internet abrufbar unter: http://www.bundes verwaltungsgericht.ch/index/entscheide/Jurisdiction-datenbank/Jurisdiction-recht-urteile aza.htm) die Rückführung von Asylsuchenden nach Italien in Ansehung der dortigen Asylverfahrenspraxis grundsätzlich als zulässig angesehen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der angeführten Entscheidungen Bezug genommen.

141

Auch der Umstand, dass zahlreiche Verwaltungsgerichte hinsichtlich der Situation der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien zu einer gegenteiligen Einschätzung hinsichtlich der Verhältnisse und des Asylsystems in Italien gelangt sind, veranlasst den Senat nicht zur Annahme, dass die Behandlung der Asylbewerber und Flüchtlinge in Italien nicht in Einklang steht mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtscharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Nach Auffassung des Senats wird in der insoweit einschlägigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte häufig nicht hinreichend dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich bei den zugrunde gelegten Erkenntnismitteln nicht selten um bloße subjektive Einschätzungen handelt, die nicht in der erforderlichen Weise durch Fakten belegt sind. Auch erscheint mitunter fraglich, ob die insoweit festgestellten Mängel und Defizite verallgemeinerungsfähig sind. Nicht zuletzt haben sich die Verhältnisse in Italien – wie dargelegt – zwischenzeitlich teilweise geändert, so etwa in Bezug auf den Flüchtlingsstrom aus Nordafrika und die Anzahl der für die Asylbewerber und Flüchtlinge zur Verfügung stehenden Unterkünfte. Im Übrigen ist Gegenstand der Prüfung nach § 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-VO) nicht die Frage, ob die Aufnahmebedingungen und das Asylverfahren für Flüchtling und Asylbewerber kritikwürdig sind, weil das System zahlreiche Mängel aufweist oder hinter dem Schutzniveau anderer Mitgliedstaat zurückbleibt.

142

Der Senat sieht auch keine Veranlassung, weitere Gutachten, Auskünfte oder Stellungnahmen zur Situation von Asylbewerbern und Flüchtlingen in Italien einzuholen. Nach anerkannter Rechtsauffassung ist die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nur dann geboten, wenn sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung aufdrängen musste, weil bereits vorliegende Gutachten, Auskünfte oder Stellungnahmen nicht den ihnen obliegenden Zweck erfüllen (konnten), dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts notwendige Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. In diesem Sinne kann z. B. ein Sachverständigengutachten für die Überzeugungsbildung des Gerichts ungeeignet oder jedenfalls unzureichend sein, wenn es grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, wenn es von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht (BVerwG, Beschl. v. 14.04.2011 - 2 B 80/10 - m. w. N., Juris). Dies ist hier aber nicht der Fall. Zwar sind die dem Senat vorliegenden zahlreichen Gutachten, Auskünfte und Stellungnahmen nicht in allen Punkte stets konsistent und völlig frei von gewissen Widersprüchen; soweit es indes die im vorliegenden Fall entscheidungserheblichen Tatsachen und Erkenntnisse betrifft, sind diese aufgrund der herangezogenen Erkenntnismittel zur Überzeugung des Senats hinreichend geklärt und eindeutig und mithin für die Überzeugungsbildung ausreichend.

143

Der Senat sieht insbesondere auch keine Veranlassung, an der Tauglichkeit des vorhandenen Erkenntnismaterials für die hier entscheidungsrelevanten Fragen zu zweifeln. Dies gilt speziell auch hinsichtlich des Beweiswertes der Auskünfte des Auswärtigen Amtes, da sie grundsätzlich eine sich auf unterschiedliche Erkenntnisquellen stützende Gesamtbewertung vornehmen und zudem im Allgemeinen den tatsächlichen Verhältnissen am nächsten kommen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.08.2006 - 1 B 24.06 - Juris; Beschl. v. 06.10.1997 - 9 B 803.97 - Juris; Beschl. v. 08.09.1997 - 9 B 401.97 -; Beschl. v. 15.10. 1985 - 9 C 3.85 - Juris sowie Beschl. v. 31.07.1998 - 9 B 71.85 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 28 = Juris). Nicht anders verhält es sich hier. So beruhen die den Auskünften des Auswärtigen Amtes zugrunde liegenden Erkenntnisse auf laufenden Gesprächen der Botschaft Rom mit dem italienischen Flüchtlingsrat CIR, UNHCR und IOM in Rom, den Präsentationen des italienischen Innenministeriums und des statistischen Amtes ISTAT sowie schließlich auf Kontakten zu nichtstaatlichen karitativen Organisationen wie Carita Migrantes, Comunità di Sant’ Egidio u. a..

144

Nach allem vermag der Senat nicht zur Überzeugung zu gelangen, dass ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 21.12.2011, a. a. O.) die Annahme rechtfertigen, dass die Klägerin aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien im Falle einer Abschiebung bzw. Überstellung dorthin Gefahr laufen wird, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. d. Art. 3 EMRK und § 4 EuGrdRCH ausgesetzt zu werden und dass sich deshalb die Rücküberstellung als rechtswidrig erweist.

III.

145

Soweit das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid zugleich die Abschiebung der Klägerin nach Italien gem. § 34 Abs. 1 AsylVfG angeordnet hat, bestehen gegen die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung keine Bedenken.

146

§ 34a AsylVfG überantwortet die Entscheidung über die Abschiebung dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, so dass dieses die Abschiebungsanordnung verfügt. Das Bundesamt ordnet dabei nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Abschiebungsverbote sind nicht ersichtlich.

147

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.

148

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§§ 132 Abs. 2, 137 VwGO).


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.