Verwaltungsgericht Schwerin Beschluss, 16. Okt. 2014 - 3 B 915/14 As

bei uns veröffentlicht am16.10.2014

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage 3 A 1737/14 As wird angeordnet.

Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller wendet sich im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes gegen seine Abschiebung nach Italien nach Maßgabe der VO (EU) 604/2013 vom 26. Juni 2013 (Amtsbl. Nr. L 180 S. 31, sog. Dublin III-Verordnung [Dublin III-VO]).

2

Der im März 1971 geborene Antragsteller ist iranischer Staatsbürger persischer Volkszugehörigkeit. Nach seiner Einreise in das Bundesgebiet beantragte er am 4. August 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asyl. In seiner Anhörung vom gleichen Tage gab er zunächst an, sein Heimatland am 30. Juli 2014 auf dem Luftweg verlassen zu haben. Über Istanbul habe er auf dem Luftweg Frankfurt a. M. erreicht. Aus dem Ausländerzentralregister ergab sich am 5. August 2014, dass dem Antragsteller durch das Außenministerium der Republik Italien (also durch die italienischen Botschaft in Teheran) am 24. April 2014 für eine Einreise ein sog. Schengen-Visum mit der Gültigkeitsdauer von 16 Tagen für den Zeitraum vom 1. bis 31. Mai 2014 ausgestellt worden war. Auf erneute Befragung am 5. August 2014 führte der Antragsteller aus, er habe ein Schengen-Visum erhalten, sei aber vor Ablauf von dessen Gültigkeitsdauer in den Iran zurückgekehrt. Das Bundesamt bat am gleichen Tage die Republik Italien um Übernahme des Asylverfahrens nach Maßgabe der Dublin III-Verordnung.

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In einer weiteren Befragung am 11. August 2014 führte der Antragsteller nach dem Inhalt des darüber gefertigten Vermerks in den Verwaltungsvorgängen am 11. August 2014 zunächst aus, am 30. Juli 2014 erstmals in einen europäischen Staat eingereist zu sein. Auf Hinweis, dass er dies sechs Tage zuvor anders dargestellt habe, habe er eingeräumt, am 5. oder 6. Mai bis etwa 22. Mai 2014 in Deutschland zur Teilnahme an einer Verkaufsmesse in Frankfurt a. M. gewesen zu sein. Er sei nach Besichtigung von ein paar Kirchen über Istanbul nach Teheran zurückgeflogen, habe aber keine Einzelheiten zum Flug oder Flugdatum nennen können. Der Flugschein – so der Antragsteller weiter - befinde sich vermutlich im Iran. Genaueres wisse er nicht, weil er habe fliehen müssen. Ein Freund habe den Flugschein über ein Reisebüro besorgt; dieser habe eines Tages vor seiner Tür gelegen. Diesen Flugschein habe er bei der Beantragung des Visums bei der italienischen Botschaft vorgelegt.

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Unter dem 16. September 2014 erklärte das italienische Ministero dell’Interno die Übernahme des Asylverfahrens des Antragstellers, allerdings ohne Hinweis auf eine Bestimmung der Dublin III-Verordnung.

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Daraufhin lehnte das Bundesamt den Antrag des Antragstellers als unzulässig ab und ordnete dessen Abschiebung in die italienische Republik an. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Es habe Anhaltspunkte gegeben, dass nach Maßgabe der Dublin III-Verordnung die Zuständigkeit eines anderen Staats begründet sein könnte. Auf das am 5. August 2014 an die Republik Italien gerichtete Übernahmeersuchen hätten die italienischen Behörden unter dem 16. September 2014 ihre Zuständigkeit zur Bearbeitung des Asylverfahrens erklärt. Daher sei der Asylantrag nach § 27a des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) unzulässig. Die Republik Italien sei aufgrund der von ihrer Botschaft in Teheran ausgestellten und zum Zeitpunkt der Asylantragstellung nicht länger als sechs Monate ungültigen Visums gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland zum Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 der Dublin III-VO veranlassen könnten, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Angaben des Antragstellers, vor Ablauf des Visums in den Iran zurückgekehrt zu sein, seien unglaubwürdig. Die Anordnung der Abschiebung nach Italien beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Der Bescheid wurde am 18. September 2014 zur Post gegeben.

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Am 25. September 2014 hat der Antragsteller die Klage 3 A 1737/14 As erhoben und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus: Nach vorliegenden Erkenntnissen der Schweizer Flüchtlingshilfe und des UNHCR bestünden in Italien erhebliche Defizite bei der Unterbringung, da Asylbewerber erst untergebracht würden, wenn die nach Antragstellung erforderliche verbalizzazione mit Registrierung erfolgt sei. Zwischen diesen Terminen lägen erhebliche Zeiträume von mehreren Wochen oder gar Monaten. In dieser Zeit seien die Asylbewerber auf sich allein gestellt. Dies sei ein systemischer Mangel im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Maßnahmen des italienischen Innenministeriums zur Beseitigung dieses Mangels seien nicht erkennbar. Es fehle auch an Zahlen zu Aufnahmekapazitäten in den einzelnen Unterbringungszentren, insbesondere aus dem kommunalen und karikativen Bereich, vor allem mit Blick auf die künftige Entwicklung der Asylbewerberzahlen in Italien. Die von Antragsgegner angeführte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 2. April 2013 – Nr. 27725/10 – sei nicht verallgemeinerungsfähig, da es die spezielle Situation einer somalischen Asylbewerberin betreffe. Eine grundlegende Klärung durch den Gerichtshof werde noch erwartet. Die Aufklärung müsse dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

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Der Antragsteller beantragt,

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die aufschiebende Wirkung seiner Klage 3 A 1737/14 As anzuordnen.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Zur Begründung verweist sie auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung und führt weiter aus: Italien erfülle die unionsrechtlichen Mindeststandards gegenüber Drittstaatsangehörigen, die dort Asylanträge stellten. Es sei davon auszugehen, dass in Italien als Mitgliedsstaat der Europäischen Union und sicherer Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) und § 26a des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) und des sich daraus ergebenen normativen Vergewisserungskonzeptes die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sichergestellt sei. Die Dublin III-Verordnung beruhe auf der Prämisse, dass die zuverlässige Einhaltung der genannten Bestimmungen in allen Mitgliedstaaten gesichert sei. Es bestünden auch keine systemischen Mängel, welche diese Sicherheitsvermutung widerlegen würden. Diese Auffassung werde von Oberverwaltungsgerichten, der überwiegenden Mehrheit der Verwaltungsgerichte und auch der 5. Kammer des erkennenden Gerichts geteilt. In den italienischen Aufnahmeeinrichtungen seien IOM, UNHCR, Caritas und andere humanitäre Organisationen vor Ort, um sicher zu stellen, dass Flüchtlinge angemessen untergebracht und medizinisch versorgt würden. Asylbewerber hätten in Italien Anspruch auf Unterbringung in einer Aufnahmeeinrichtung. Die Unterbringung erfolge mit Meldung als Asylbewerber. Sie müssten sich sodann bis zum Abschluss des Asylverfahrens an einen einem vom Präfekten bestimmten Ort aufhalten. Die Unterbringung werde durch den Nationalen Verband italienischer Gemeinden (ANCI) koordiniert. Trotz weiter bestehender regionaler Unterschiede könne angenommen werden, dass für Flüchtlinge in Italien landesweit ausreichende staatliche oder öffentliche karikative Unterbringungsmöglichkeiten vorhanden seien. Bei teilweiser lokaler Überbelegung seien insbesondere in Norditalien die Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Die Asylbewerber hätten während des Asylverfahrens Anspruch auf Verpflegung. Kleidung, Wäsche und Hygieneartikel würden gestellt. Der Erhalt von Unterstützungsleistungen sei an den Aufenthalt in einem Zentrum geknüpft. Indessen hielten sich einige Personen nicht an die ihnen zugewiesene Adresse und die Verteilung, sondern reisten in Großstädte, etwa Rom, um dort unterzukommen. Erhielten diese Personen keinen Unterbringungsplatz, sei deren Zugang zu Unterstützungsleistungen erschwert und die Unterbringungsdauer zeitlich begrenzt. Nach Ablauf der Aufenthaltsdauer und nach Verlassen der Zentren erhielten sie auch keine Unterstützung mehr. In der Praxis verblieben diese Personen regelmäßig in den Zentren und erhielten Unterstützung. Wenn vorgetragen werde, dass Asylbewerber und Flüchtlinge ihren Lebensunterhalt durch Betteln oder Prostitution sichern müssten, handele es sich um Einzelfälle, die der sich verschlechternden Wirtschaftslage geschuldet sei und besonderes in Großstädten auftrete. Die Prostitution stehe nicht unbedingt im Zusammenhang mit Defiziten bei der Unterbringung von Asylbewerbern oder des Asylverfahrens, sondern könne in Einzelfällen auch durch organisierte Kriminalität beeinflusst sein. Sog. Dublin-Rückkehrer würden auf dem Luftweg überstellt. Sie hätten die Möglichkeit, nach ihrer Abschiebung am Flughafen einen Asylantrag zu stellen. Die zuständige Questura und der Stand des Verfahrens würden festgestellt. Auch bereits abgelehnte Asylbewerber würden noch für Tage oder Wochen provisorisch untergebracht. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes würden viele Dublin-Rückkehrer keinen Asylantrag stellen, da sie häufig nicht in Italien bleiben wollten. Staatliche Aufnahmezentren und Leistungen stünden ihnen dann nicht mehr offen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes und des Hauptsacheverfahrens 3 A 1737/14 As nebst der übersandten Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes verwiesen.

II.

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1. Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage ist angesichts der Regelungen in § 75 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) zulässig; insbesondere ist der Antrag auch rechtzeitig binnen der Frist nach § 34a Abs. 2 AsylVfG bei Gericht eingegangen.

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2. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, wonach das Gericht der Hauptsache die gesetzlich angeordnete aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs anordnen kann, ist auch materiell begründet.

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a) Mit Wirkung vom 6. September 2013 ist § 34a Abs. 2 AsylVfG durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (BGBl. I 2013, 3474) neu gefasst worden. Nunmehr ist vorläufiger Rechtsschutz auch bei Abschiebungen in sichere Drittstaaten bzw. in sog. Dublin-Verfahren (§§ 26a, 27a AsylVfG) zulässig und nach Maßgabe des § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nach normalen Maßstäben zu gewähren.

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Dazu und zum Folgenden auch VG Lüneburg, Beschluss vom 25. Oktober 2013 – 4 B 57/13 –, juris Rn. 3 f.

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Der Erfolg eines solchen Antrags in der Sache hängt vom Ausgang einer Interessenabwägung ab. Das Gericht hat dabei eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, wobei alle in der Sache betroffenen Interessen zu berücksichtigen sind. Regelmäßig werden die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs, dessen aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden soll, als erstes Kriterium herangezogen. Denn es kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung eines eindeutig rechtswidrigen Verwaltungsakts bestehen, während umgekehrt der Asylbewerber grundsätzlich kein schutzwürdiges privates Interesse haben kann, von der Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakts verschont zu bleiben, sofern ein - hier gesetzlich festgestelltes - öffentliches Interesse daran besteht, diesen Verwaltungsakt vor Eintritt seiner Bestandskraft zu vollziehen. Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO notwendigen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung offen, so ist eine Interessenabwägung erforderlich, die auch gesetzgeberische Entscheidungen zugunsten bzw. entgegen der sofortigen Vollziehbarkeit mit gewichtet.

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Bei der lediglich gebotenen summarischen Prüfung begegnet der angegriffene Bescheid durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Im vorliegenden Fall überwiegt daher das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin.

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b) Zum einen kann die im angegriffenen Bescheid enthaltende Abschiebungsanordnung deshalb rechtsfehlerhaft sein, weil die ihr zugrunde liegende, auf § 26a oder § 27a AsylVfG gestützte Feststellung rechtswidrig ist, dass der Asylantrag unzulässig ist. Zum anderen kann die Abschiebungsanordnung wegen Fehlens der in § 34a AsylVfG selbst normierten Voraussetzungen nicht gegeben sein, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht feststeht, dass „die Abschiebung durchgeführt werden kann“.

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aa)

Im vorliegenden Fall geht das Gericht zunächst davon aus, dass die Republik Italien der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Staat ist, ohne dass der Frage im Einzelnen nachzugehen wäre, ob der Antragsteller einmal oder - wie er in den weiteren Anhörungen ausgeführt hat - zweimal in das Bundesgebiet eingereist ist. Die Zuständigkeit der Republik Italien folgt jedenfalls aus Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO, da die italienische Botschaft in Teheran ein sog. Schengen-Visum ausgestellt hat, mit dem er wahrscheinlich im Mai 2014 in das Bundesgebiet eingereist ist. Die in Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO genannten Fristen nach Ablauf der Gültigkeit des Visums waren noch nicht verstrichen. Demgemäß hat das italienische Ministero dell’Interno - allerdings ohne Nennung einer konkreten Bestimmung - unter dem 16. September 2014 erklärt, das Asylverfahren des Antragstellers zu übernehmen und die Überstellungsmodalitäten mitgeteilt.

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bb) Bei summarischer Wertung ist die Feststellung der Unzulässigkeit des Antrags durch das Bundesamt rechtswidrig. Nach wie vor hat das Gericht durchgreifende Bedenken, ob Asylbewerber nach Italien abgeschoben werden können. Der Einzelrichter der 3. Kammer (früher 8. Kammer) des Verwaltungsgerichts Schwerin hat nach anfänglichem Zögern

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- vgl. VG Schwerin, Beschluss vom 27. September 2012 – 8 B 434/12 As –, juris Rn. 13 ff. -

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in der Vergangenheit mehrfach Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz stattgegeben, weil seinerzeit erhebliche Anhaltspunkte bestanden haben, dass insbesondere die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien unter systemischen Mängeln leidet.

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Vgl. etwa VG Schwerin, Beschlüsse vom 15. März 2013 – 3 B 111/13 As –, juris Rn. 16 ff.; vom 13. November 2013 – 3 B 315/13 As –, juris Rn. 14 ff; und vom 15. Mai 2014 – 3 B 418/14 As –, juris Rn. 16 ff.; zuletzt Beschlüsse vom 25. September 2014 – 3 B 746/14 As und 3 B 749/14 As sowie vom 26. September 2014 – 3 B 881/14 As – (n. v.).

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Daran hält die Kammer nach neuerlicher Überprüfung anhand aktueller Zahlen fest.

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cc) Dies ergibt sich aus folgenden Gründen:

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(1) Mit Blick auf das Grundrecht auf Asyl nach Art. 16a Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten hinsichtlich der Einreise von Asylbewerbern aus sicheren Drittstaaten ausgeführt, dass der Ausländer, der in einen sicheren Drittstaat zurückgewiesen oder zurückverbracht werden soll, grundsätzlich nicht den Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor einer politischen Verfolgung oder sonstigen schwerwiegenden Beeinträchtigungen in seinem Herkunftsstaat mit der Begründung einfordern kann, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort in seinem Einzelfall - trotz normativer Vergewisserung - die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) nicht erfüllt würden. Demgemäß kommen für ihn entsprechend dem mit Art. 16a Abs. 2 GG verfolgten Konzept der normativen Vergewisserung über die Sicherheit im Drittstaat auch die materiellen Rechtspositionen, auf die ein Ausländer sich sonst gegen seine Abschiebung stützen kann (insbesondere nach heutigem Recht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 AsylVfG, subsidiärer Schutz nach § 4 AsylVfG und nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes [AufenthG]), nicht in Betracht.

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Eine Prüfung, ob der Zurückweisung oder sofortigen Rückverbringung in den Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, kann der Ausländer nur erreichen, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass er von einem der im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen. So kann sich im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 Satz 2 EMRK, wonach die Todesstrafe nicht konventionswidrig ist, ein Ausländer gegenüber einer Zurückweisung oder Rückverbringung in den Drittstaat auf das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 3 AufenthG berufen, wenn ihm dort die Todesstrafe drohen sollte. Weiterhin kann er einer Abschiebung in den Drittstaat § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG etwa dann entgegenhalten, wenn er eine erhebliche konkrete Gefahr dafür aufzeigt, dass er in unmittelbarem Zusammenhang mit der Zurückweisung oder Rückverbringung in den Drittstaat dort Opfer eines Verbrechens werde, welches zu verhindern nicht in der Macht des Drittstaates steht. Ferner kommt der Fall in Betracht, dass sich die für die Qualifizierung als sicher maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung nach § 26a Abs. 3 AsylVfG hierauf noch aussteht. Nicht umfasst vom Konzept normativer Vergewisserung über einen Schutz für Flüchtlinge durch den Drittstaat sind auch Ausnahmesituationen, in denen der Drittstaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung (Art. 3 EMRK) greift und dadurch zum Verfolgerstaat wird. Schließlich kann sich - im seltenen Ausnahmefall - aus allgemein bekannten oder im Einzelfall offen zutage tretenden Umständen ergeben, dass der Drittstaat sich - etwa aus Gründen besonderer politischer Rücksichtnahme gegenüber dem Herkunftsstaat - von seinen mit dem Beitritt zu den beiden Konventionen eingegangenen und von ihm generell auch eingehaltenen Verpflichtungen löst und einem bestimmten Ausländer Schutz dadurch verweigert, dass er sich seiner ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigen wird. Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor, wenn die ihn begründenden Umstände sich schon im Kontakt zwischen deutschen Behörden und Behörden des Drittstaates ausräumen lassen.

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Näher BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 –, BVerfGE 94, 49-114, juris Rn. 181 ff, 189.

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(2) Aus dem gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG

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- dazu BVerfG, Urteil vom 30. Juni 2009 – 2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, u. a., BVerfGE 123, 267-437, juris Rn. 335 ff; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2011, Art. 23 Rn. 33, 33a mwN -

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vorrangig anzuwendenden Unionsrecht folgt nach Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO, dass ein Asylantragsteller nicht an den zuständigen Mitgliedstaat überstellt werden darf, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtscharta mit sich bringen. Diese Formulierung geht zurück auf Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Der EuGH hat in seinem Urteil vom 21. Dezember 2011 in der Sache N. S. gegen Secretary of State for the Home Department u. a. entschieden:

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„Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den ‚zuständigen Mitgliedstaat’ im Sinne der Verordnung Nr. 343/2003 zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne dieser Bestimmung ausgesetzt zu werden.“

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EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 und C-493/10, C-411/10, C-493/10 –,

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Den Begriff des EuGH des „systemischen Mangels“ (systemic flaws) hat nachfolgend der EGMR mit den Begriff des „systemischen Versagens“ (systemic failure) umschrieben.

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Vgl. EGMR, Urt. v. 2. April 2013 – Nr. 27725/10 – (Hussein), ZAR 2013, 336 (337 Nr. 78); dazu Thym, ZAR 2013, 331 (332 Fn. 12). - Zur Entwicklung des Begriffs in der Rechtsprechung des EuGH und des EGMR auch Lübbe, ZAR 2014, 105 f.

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Die Begriffe sind indes von beiden Gerichten nicht näher definiert worden. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat dazu ausgeführt, es sei von einem systemischen Mangel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in einem Mitgliedsstaat auszugehen, wenn diese „regelhaft so defizitär“ sind, dass

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zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber auch im konkret zu entscheidenden Einzelfall dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.“

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BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6/14 –, juris LS und Rn. 6 ff.

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Es ist nach dem Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) vorrangig Aufgabe des Tatrichters zu beurteilen, ob der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Feststellung systemischer Mängel ist dabei Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite. Sie sind im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt oder prägen dessen Vollzugspraxis strukturell. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der beschriebenen Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dort drohten auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung.

41

Vgl. Berlit, jurisPR-BVerwG 12/2014 Anm. 3.

42

Systemische Mängel sind jedenfalls anzunehmen, wenn sie das im Urteil des EGMR, M.S.S. ./. Belgien und Griechenland vom 21. Januar 2011 (auszugsweise abgedruckt etwa in EuGRZ 2011, 243 ff.) beschriebene Ausmaß der Beeinträchtigungen der Grundrechte (siehe insbesondere Rz. 162 ff.; 233 f., 263 f. 358, 360 und 367) erreichen.

43

Vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung 2014, Art. 3 K16.

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Allerdings erscheint es zweifelhaft, ob systemische Mängel erst bei „griechischen Verhältnissen“ festgestellt werden können.

45

So auch Lübbe, ZAR 2014, 105 (110 f.)

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dd) Bei Beachtung dieser Vorgaben bestehen bei summarischer Wertung nach Auffassung der Kammer in der Republik Italien entgegen den Bestimmungen der derzeit noch zu beachtenden unionsrechtlichen Aufnahmerichtlinie (Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003) nach wie vor erhebliche strukturelle Defizite bei der Unterbringung von Asylbewerbern – einschließlich sog. Dublin-Rückkehrern.

47

Nach den bisherigen Feststellungen erfolgt in Italien eine Unterbringung erst, wenn der Asylbewerber nicht nur einen Asylantrag gestellt, sondern der Asylbewerber bei der nachfolgenden verbalizzazione auch registriert worden ist. Zwischen den Terminen für Antragstellung und Begründung lagen bislang zum Teil erhebliche Zeiträume von mehreren Wochen oder gar Monaten.

48

Vgl. Schweizer Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen vom 13. Oktober 2013, S. 12; UNHCR, Stellungnahme an das Verwaltungsgericht Darmstadt vom 3. Dezember 2013, S. 8; UNHCR, Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien (Juli 2013), S. 6 f.; siehe auch die Darstellung bei VG Freiburg, Urteil vom 10. April 2014 - A 4 K 2202/11 - (abrufbar bei www.asyl.net), Umdruck, S. 21 ff. (unter 2.2.2.2); so bereits VG Schwerin, Beschluss vom 15. Mai 2014 – 3 B 418/14 As –, juris Rn. 16 ff. sowie nunmehr VG Leipzig, Beschlüsse vom 01. Juli 2014 – A 5 L 169/14 –, juris Rn. 20 ff. und vom 31. Juli 2014 – A 5 L 258/14 – (abrufbar unter www.asyl.net), Umdruck S. 6 ff.

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Danach könnte dem Antragsteller mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen, da die Asylbewerber in dem Zeitraum auf sich allein gestellt und häufig obdachlos sind.

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Vgl. etwa Schweizer Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen vom 13. Oktober 2013, S. 12.

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Zwar gibt es nach Angaben der Schweizer Flüchtlingshilfe und UNHCR eine Weisung des italienischen Innenministeriums, die genannten Antragstermine zusammenzuführen. Ob diese und weitere Maßnahme tatsächlich zu Verbesserungen führen, bleibe abzuwarten.

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So Schweizer Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen vom 13. Oktober 2013, S. 12.

53

Auch UNHCR spricht von Verbesserungen, aber nicht davon, dass dieser Mangel mittlerweile (weitgehend) abgestellt worden ist.

54

Vgl. UNHCR, Stellungnahme an das Verwaltungsgericht Darmstadt, S. 8; Empfehlungen, S. 6 f.; vgl. auch Asylum Information Database (künftig zit. als aida-Bericht), National Country Report Italy (April 2014), S. 15 mwN.

55

In der zeitlichen Lücke zwischen Antragstellung und Registrierung des Asylbewerbers sieht die Kammer bei summarischer Wertung einen systemischen Mangel der Aufnahmebedingungen im obigen Sinne. Diese Lücke führt regelmäßig dazu, dass Asylbewerber nicht untergebracht werden, so dass dem Antragsteller im vorliegenden Fall insoweit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.

56

Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2014 – 10 A 10656/13 –, juris Rn. 47, sieht darin ebenfalls einen systemischen Mangel, hält aber die getroffenen Maßnahmen der italienischen Regierung für ausreichend; wie hier: VG Leipzig, Beschluss vom 01. Juli 2014 – A 5 L 169/14 –, juris Rn. 20 ff. und Beschluss vom 31. Juli 2014, aaO, S. 6 ff.

57

Ob die angeordneten Maßnahmen der italienischen Regierung zur Beseitigung der genannten Defizite ausreichend sind, ist nach den vorhandenen Quellen mit der erforderlichen Sicherheit bislang nicht feststellbar. Die Liasonbeamtin des Bundesamtes bei der deutschen Botschaft in Rom führt in ihrer undatierten Stellungnahme zu dem oben zitierten Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe (Stand: 21. November 2013, S. 1, [allerdings zu S. 60 (Nr. 7.3) des Berichts] aus: „Die Flüchtlinge bekommen alle eine Unterkunft, teilweise jedoch mit Verzögerung.“ Damit hat sie eingeräumt, dass es zu Verzögerungen bei der Unterbringung kommt, allerdings ohne dies in zeitlicher Hinsicht näher darzustellen.

58

ee) Des Weiteren liegen dem Gericht immer noch keine hinreichend verlässlichen Zahlen bezüglich der gegenwärtigen Aufnahmekapazitäten in den verschiedenen Unterbringungszentren und weiteren Einrichtungen vor. Insbesondere fehlen genauere Zahlenangaben aus dem karitativen und dem kommunalen Bereich. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die künftige Entwicklung der Asylbewerberzahlen in Italien. Es liegen belastbare Angaben dazu vor, dass in Italien derzeit bei den Unterbringungsmöglichkeiten Kapazitätsengpässe bestehen.

59

So auch BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14 -, (abrufbar bei www.asyl.net), Umdruck, S. 7 sowie Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 939/14, Umdruck, S. 8.

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(1) Nach Angaben der Tagesschau sind bis Mitte des Jahres 2014 rund 54.000 Menschen nach Italien geflüchtet.

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Vgl. Bericht der ARD vom 15. Juni 2014: Verzweifelter Rettungseinsatz http://www.tagesschau.de/ausland/mittelmeer-100.html

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In der ersten Jahreshälfte 2014 sind mit ca. 24.500 Asylbewerbern fast ebensoviel Personen um Asyl nachgesucht wie das gesamt Jahr zuvor (ca. 25.700). Bis September 2014 sind nach einem Bericht von UNHCR 130.000 Personen über das Mittelmeer geflohen, davon 118.000 Personen nach Italien.

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UNHCR, Asylum Trends, First Half 2014, S. 11; ders., „Boatpeople“: UNHCR warnt vor Eskalation im Mittelmeer http://www.unhcr.de/no_cache/detail/artikel/artikel//boatpeople-unhcr-warnt-vor-eskalation-im-mittelmeer.html?L=0

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Bezüglich der Unterbringungsplätze in den Aufnahmeeinrichtungen geht das Gericht nunmehr von anderen Zahlen als in den o. g. Beschlüssen vom 25. und 26. September 2014 aus.

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(2) Es gibt verschiedene Einrichtungen zur Unterbringung von Asylbewerbern: CARA-Erstaufnahmeeinrichtungen (centro di accoglienza per richiedenti asilo) sind nur für den vorübergehenden (maximal 35 Tage) Aufenthalt von Asylbewerbern mit ungeklärter Identität in erster Linie zum Zwecke der Identitätsklärung vorgesehen. Ähnliche Funktionen erfüllen die CIE (Centro die identificazione ed espulsione). Daneben gibt es CDAs (Centro di accoglienza per Richiedenti Asilo), die ebenfalls Erstaufnahmeeinrichtungen sind und dem kurzfristigen Aufenthalt u.a. auf dem Staatsterritorium aufgegriffenen Migranten dienen. CSPA (Centro di Soccorso e Prima Accoglienza) dienen nur der Aufnahme von Bootsflüchtlingen. Für den längerfristigen (normalerweise bis zu 6-monatigen) Aufenthalt von Asylbewerbern vorgesehen sind die Unterkunftsplätze in SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e rifugiati), einem Netzwerk von durch Kommunen, Kirchen, kirchliche Einrichtungen sowie sonstige Hilfsorganisationen betriebenen Unterkünften, das seine Grundlage in einer Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium, den Kommunen und den beteiligten nichtstaatlichen Organisationen hat.

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Vgl. die Beschreibung des VG Freiburg, Urteil vom 10. April 2014 – A 4 K 2202/11, aaO, S. 16 mwN.

67

Nach den im Länderbericht von aida (Stand: April 2014; S. 49 f.) wiedergegebenen Angaben des italienischen Innenministeriums vom 19. März 2014 ergibt sich folgendes Bild (vgl. auch die Darstellung bei Bundesverwaltungsgericht [Österreich], Entscheid vom 12. September 2014 – W212 2011703-1 - [abrufbar bei www.ris.at ], Umdruck, S. 7 ff.):

68

 Aufnahmeeinrichtung

 Anzahl der Plätze

 4 CPSA

 650

 10 CARA

 7.866

 SPRAR-System

 13.020

 Insgesamt

 21.536

69

Im aida-Bericht wird darauf hingewiesen, dass die CPSA in Lampedusa wegen Renovierungsarbeiten derzeit geschlossen sei. Hinsichtlich der CARA wird darauf hingewiesen, dass dort tatsächlich derzeit 9.600 Asylsuchende beherbergt würden. Insbesondere in Süditalien seien die CARA überbelegt. Bezüglich der SPRAR-Projekte sei am 17. September 2013 beschlossen worden, die Anzahl der Plätze zwischen 2014 und 2016 auf 16.000 Plätze zu erhöhen. Berücksichtigt man diese Angaben, könnte im Jahre 2016 von insgesamt 24.516 Plätzen ausgegangen werden. Belastbare Zahlen sind dem Gericht aus dem kommunalen und karikativen Bereich nicht bekannt.

70

(3) Trotz der anerkennenswerten Steigerung der Unterbringungsplätze um nahezu das Dreifache wird nach Einschätzung des Gerichts der italienische Staat angesichts der oben referierten Flüchtlingszahlen in absehbarer Zeit die Flüchtlinge nicht in ausreichendem Maß unterbringen können. Italien wäre nicht in der Lage, die bis zum Jahresende geflüchteten Personen unterzubringen. Dies dürfte selbst dann gelten, wenn die Plätze im Jahr mehrfach belegt werden könnten, was u. a. von der Dauer der Asylverfahren abhängen dürfte. Nach Angaben im aida-Bericht werden die Unterkünfte zwischen 6 Monaten und einem Jahr in Anspruch genommen. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes

71

- vgl. Auswärtiges Amt, Grundsatzauskunft an das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt vom 21. Januar 2013, S. 4. -

72

würden die Asylverfahren - entgegen den gesetzlichen Vorgaben - durchschnittlich vier bis sechs Monate dauern, Danach könnte die Anzahl der Unterbringungsplätze mit ca. 43.000 bis 64.600 im Jahr angesetzt werden. Dabei ist festzuhalten, dass auch nach dem Bericht der Liasonbeamtin des Bundesamtes bei der Deutschen Botschaft in Rom Mitte November 2013 die Lager bereits überbelegt gewesen sind, da sie auf 10.856 tatsächlich anwesende Personen hingewiesen hat.

73

Vgl. auch VG Leipzig, Beschluss vom 01. Juli 2014 – A 5 L 169/14 –, juris Rn. 29 ff.; Beschluss vom 31. Juli 2014, aaO, S. 9 ff.

74

Dem Vortrag der Antragsgegnerin zufolge gebe es zwar bei der Unterbringung regionale Unterschiede, im Ergebnis könne aber davon ausgegangen werden, dass in Italien landesweit ausreichende staatliche bzw. öffentliche Unterkunftsmöglichkeiten (bei teilweiser Überbelegung) zur Verfügung stünden. Insbesondere seien in Norditalien die Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Diese Aussage begegnete nach den vorstehenden Erkenntnissen des Gerichts durchgreifenden Bedenken.

75

(4) Gegenwärtig sind im Laufe des Jahres 2014 mehr Flüchtlinge in Italien angekommen als bis zum Jahresende 2013 (laut aida-Bericht, S. 5: 27.930 Antragsteller; laut UNHCR, Asylum Trend, S. 11: 25.700), wobei anzunehmen ist, dass - wie in den vergangenen Jahren (vgl. UNHCR, aaO, S. 7) - in der zweiten Jahreshälfte eher noch mehr Asylbewerber Italien erreichen werden, als in der ersten Jahreshälfte des Jahres 2014. Von unzureichenden Unterbringungskapazitäten wäre angesichts der genannten Zahlen auch auszugehen, wenn nicht alle Flüchtlinge einen Asylantrag in Italien stellen sollten. Sollte den Angaben des Italienischen Flüchtlingsrates (CIR) zu folgen sein, wonach 2014 bislang lediglich 38.000 Personen (auf das Jahr hochgerechnet also etwa 57.000 Personen) einen Asylantrag in Italien gestellt haben,

76

zit. nach Informationspapier (aktualisiert September 2014): Mittelmeer-Flüchtlinge: Woher kommen sie? Wo wollen sie hin?, des Mediendienstes Integration –

77

https://mediendienst-integraton.de/fileadmin/Dateien/Informationspapier_Mittelmeer_Fluechtlinge.pdf.

78

wäre deren Unterbringung nach vorläufiger Wertung ersichtlich nicht gesichert. Dabei müsste allerdings auch erörtert werden, aus welchen Gründen die Flüchtlinge keinen Antrag stellen. Sollte dies darauf zurückzuführen sein, dass sie angesichts fehlender Unterbringungs- und Unterstützungsmöglichkeiten (mit oder ohne Hilfe oder Duldung italienischer Behörden) in einen anderen EU-Staat weiterreisen, könnte dies auf systemische Mängel bei den Unterbringungs- und Versorgungsmöglichkeiten in Italien hinweisen.

79

c) Soweit die Antragsgegnerin auf die Entscheidung des EGMR vom 2. April 2013 – Nr. 27725/10 - (Samsam Mohammed Hossein u. a.) (ZAR 2013, 336) verweist, macht die Kammer darauf aufmerksam, dass die Richterin am EGMR Angelika Nußberger in ihrem Referat auf dem 17. Verwaltungsgerichtstag Münster 2013 zur Frage der Rückführungen nach der Dublin-II-Verordnung ausgeführt hat, es sei fraglich, inwieweit dieses Urteil, das die sehr spezielle Situation einer Asylbewerberin aus Somalia in den Blick nehme, verallgemeinerungsfähig sei. Ähnlich gelagerte Fälle seien noch anhängig, wobei die Autorin ausdrücklich auf den Fall Tarakhel u. a. v. Schweiz (Nr. 29217/12) hingewiesen hat.

80

Vgl. Nußberger, Menschenrechtsschutz im Ausländerrecht, Verein Deutscher Verwaltungsgerichtstag e. V. (Hrsg.), 17. Deutscher Verwaltungsgerichtstag, S. 343 (351) = NVwZ 2013, 1305 (1309) mit Fn. 47.

81

Insofern spricht viel dafür, dass eine grundlegende Klärung der aufgeworfenen Fragen durch den EGMR – Große Kammer - noch erfolgen wird.

82

Vgl. dazu Sattler, Strassburg hinterfragt Abschiebungen nach Italien, Neue Züricher Zeitung vom 11. Februar 2014.

83

Wegen der noch ausstehenden Entscheidung des EGMR hat das Verwaltungsgericht Hannover im Beschluss vom 24. Juli 2014 - 4 B 9719/14 – (abrufbar bei www.asyl.net) den Ausgang eines diesbezüglichen Hauptsacheverfahrens als offen bezeichnet (Umdruck, S. 6 ff.), zumal die Rechtsfrage innerhalb der Sektionen des EGMR unterschiedlich beurteilt zu werden scheinen (Umdruck, S. 7 f. mwN). Holger Hoffmann hat in einer Stellungnahme „Europäische Entwicklungen im Asyl- und Flüchtlingsrecht Mai - November 2013“ dazu die These vertreten:

84

„Die Rechtsprechung des EGMR bezüglich Italiens kann […] weder in die eine noch in die andere Richtung als gefestigt gelten.“

85

und zur Begründung ausgeführt:

86

„Bei der ERA-Konferenz in Trier Ende Oktober 2013 soll der niederländische EGMR-Richter Silvis zur Überstellung nach Italien erklärt haben: Der Fall Mohammed Hussein [Nr. 27725/10] sei zunächst als „leading case“ geplant und deswegen von der 3. Sektion des Gerichtshofs ausführlich begründet worden. Die 5. Sektion des Gerichtshofs habe aber im Fall Tarakhel beschlossen, eine gegenteilige Auffassung zu vertreten. Entsprechend der Gepflogenheiten des Gerichts habe dies automatisch eine Weitergabe des Verfahrens an die Große Kammer zur Folge.“

87

http://www.rechtsberaterkonferenz.de/mediapool/121/1215437/data/Europaeische_Entwicklungen_Mai_-_November_2013.pdf

88

d) Des Weiteren ist im Hauptsacheverfahren der Frage nachzugehen, ob und inwieweit Asylbewerber in Italien einer (rechtlichen oder faktischen) Residenzpflicht unterliegen. Darauf deuten eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts der Schweiz und ein neuer Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe hin.

89

vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts der schweizer Eidgenossenschaft vom 14. November 2013, D-4751/2013: www.bvger.ch/publiws/download?decisionId=b65014a8-d99d-4d88-b438-d26309fb97d9 ; SFH, Bewegungsfreiheit in Italien für mittelose Personen mit Schutzstatus (Muriel Trummer) vom 4. August 2014.

90

Da sich die Asylbewerber in Italien nach Erkenntnissen des Gerichts auf Weisung des zuständigen Präfekten bis zum Abschluss des Asylverfahrens an einem bestimmten Ort aufhalten müssen,

91

- vgl. Auswärtiges Amt, Grundsatzauskunft an das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt vom 21. Januar 2013, S. 2. -

92

spricht einiges dafür, dass es bei der Feststellung von systemischen Mängeln nicht unbedingt auf die Situation in ganz Italien, sondern möglicherweise auf die örtlichen Gegebenheiten abzustellen ist, da rechtstreue Asylbewerber Unzulänglichkeiten an einem Ort nicht ausweichen können.

93

e) Nach allem vermag die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Schwerin sich der Auffassung insbesondere der Obergerichte derzeit nicht anzuschließen, dass es sich bei Italien um einen sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a AsylVfG bzw. der Dublin III-VO handelt.

94

So etwa Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07. März 2014 – 1 A 21/12.A –, juris, LS 2 und Rn. 40 ff. – bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 06. Juni 2014 – 10 B 35/14 –, juris -; NdsOVG, Beschluss vom 27. Mai 2014 – 2 LA 308/13 –, juris Rn. 4 ff.; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 –, juris, LS 2, Rn. 43 ff. je mwN.

95

Diese Entscheidungen beruhen auf überholten Erkenntnissen, die im Wesentlichen aus dem Jahr 2013 stammen.

96

Ebenso VG Leipzig, Beschluss vom 1. Juli 2014, juris Rn. 25 ff. bzw. vom 31. Juli 2014, aaO Umdruck, S. 8 ff.

97

f) Der Hinweis des Bundesverfassungsgerichts, dass mit der Überforderung des Asylsystems eines Mitgliedstaats der Europäischen Union verbundene transnationale Probleme vornehmlich auf der Ebene der Europäischen Union zu bewältigen sind,

98

- vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. September 2014, aaO, S. 4 bzw. S. 5; unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2011 – 2 BvR 2015/09 –, BVerfGE 128, 224-226, juris Rn. 2. -

99

führt nach Auffassung des Gerichts bei Vorliegen systemischer Mängel regelmäßig nicht dazu, dass ein Asylbewerber sich nicht gegen eine Überstellung in einen solchen Staat wehren kann. Wie das Bundesverfassungsgericht bereits zu Art. 16a GG ausgeführt hat, könne sich - im seltenen Ausnahmefall - aus allgemein bekannten oder im Einzelfall offen zutage tretenden Umständen ergeben, dass der Drittstaat sich - etwa aus Gründen besonderer politischer Rücksichtnahme gegenüber dem Herkunftsstaat - von seinen mit dem Beitritt zu der EMRK und GFK eingegangenen und von ihm generell auch eingehaltenen Verpflichtungen löst und einem bestimmten Ausländer Schutz dadurch verweigert, dass er sich seiner ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigt. Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor, wenn die ihn begründenden Umstände sich schon im Kontakt zwischen deutschen Behörden und Behörden des Drittstaates ausräumen lassen.

100

Vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 –, BVerfGE 94, 49-114 juris Rn. 189.

101

Damit wird ein Asylbewerber nicht rechtsschutzlos gestellt. Im vorliegenden Fall spricht Überwiegendes dafür, dass in Italien systemische Mängel bei den Aufnahmebedingungen vorliegen. Daher hält es das Gericht für angezeigt, dass die Antragsgegnerin mit den zuständigen Behörden der Republik Italien Kontakt aufnimmt, um auf die Beseitigung der aufgezeigten Probleme hinzuwirken.

102

g) Sollte sich im Hauptsacheverfahren herausstellen, dass die Mängel des italienischen Asylverfahrens vorübergehender Natur sind, also in einem überschaubaren Zeitraum behoben werden könnten, wäre mit Blick auf das Vergewisserungskonzept des Bundesverfassungsgericht zu prüfen, ob zum Entscheidungszeitpunkt im Sinne des § 34a Abs. 1 AsylVfG feststeht, dass alle Abschiebungsvoraussetzungen vorliegen und ob die Antragsgegnerin sich bemüht, die Voraussetzungen zu schaffen.

103

Dazu BVerfG, Beschlüsse vom 17. September 2014, aaO, S. 6 bzw. 8.

104

h) Die aufgezeigten Fragen müssen ggf. im Hauptsacheverfahren aufgeklärt werden.

105

3. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin als Unterliegende nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylVfG).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

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(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

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(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. (2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung

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Diese Entscheidung wird zitiert Diese Entscheidung zitiert Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 22. Mai 2013 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger. D

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Der Bund kann hierzu durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte übertragen. Für die Begründung der Europäischen Union sowie für Änderungen ihrer vertraglichen Grundlagen und vergleichbare Regelungen, durch die dieses Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglicht werden, gilt Artikel 79 Abs. 2 und 3.

(1a) Der Bundestag und der Bundesrat haben das Recht, wegen Verstoßes eines Gesetzgebungsakts der Europäischen Union gegen das Subsidiaritätsprinzip vor dem Gerichtshof der Europäischen Union Klage zu erheben. Der Bundestag ist hierzu auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder verpflichtet. Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können für die Wahrnehmung der Rechte, die dem Bundestag und dem Bundesrat in den vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union eingeräumt sind, Ausnahmen von Artikel 42 Abs. 2 Satz 1 und Artikel 52 Abs. 3 Satz 1 zugelassen werden.

(2) In Angelegenheiten der Europäischen Union wirken der Bundestag und durch den Bundesrat die Länder mit. Die Bundesregierung hat den Bundestag und den Bundesrat umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten.

(3) Die Bundesregierung gibt dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme vor ihrer Mitwirkung an Rechtsetzungsakten der Europäischen Union. Die Bundesregierung berücksichtigt die Stellungnahmen des Bundestages bei den Verhandlungen. Das Nähere regelt ein Gesetz.

(4) Der Bundesrat ist an der Willensbildung des Bundes zu beteiligen, soweit er an einer entsprechenden innerstaatlichen Maßnahme mitzuwirken hätte oder soweit die Länder innerstaatlich zuständig wären.

(5) Soweit in einem Bereich ausschließlicher Zuständigkeiten des Bundes Interessen der Länder berührt sind oder soweit im übrigen der Bund das Recht zur Gesetzgebung hat, berücksichtigt die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundesrates. Wenn im Schwerpunkt Gesetzgebungsbefugnisse der Länder, die Einrichtung ihrer Behörden oder ihre Verwaltungsverfahren betroffen sind, ist bei der Willensbildung des Bundes insoweit die Auffassung des Bundesrates maßgeblich zu berücksichtigen; dabei ist die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren. In Angelegenheiten, die zu Ausgabenerhöhungen oder Einnahmeminderungen für den Bund führen können, ist die Zustimmung der Bundesregierung erforderlich.

(6) Wenn im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder auf den Gebieten der schulischen Bildung, der Kultur oder des Rundfunks betroffen sind, wird die Wahrnehmung der Rechte, die der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union zustehen, vom Bund auf einen vom Bundesrat benannten Vertreter der Länder übertragen. Die Wahrnehmung der Rechte erfolgt unter Beteiligung und in Abstimmung mit der Bundesregierung; dabei ist die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren.

(7) Das Nähere zu den Absätzen 4 bis 6 regelt ein Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein malischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2009 über den Seeweg nach Italien ein und stellte dort einen Asylantrag. Im Juli 2009 stellte er in der Schweiz einen weiteren Asylantrag und entzog sich der Überstellung nach Italien. Auf seinen am 1. Oktober 2010 in Österreich gestellten Asylantrag überstellten ihn die österreichischen Behörden im Juli 2011 nach Italien. Im November 2011 wurde der Kläger in Deutschland aufgegriffen und stellte erneut einen Asylantrag. Dem Übernahmeersuchen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) stimmten die italienischen Behörden im Februar 2012 zu. Daraufhin entschied das Bundesamt mit Bescheid vom 7. Mai 2012, dass der Asylantrag unzulässig sei und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

II.

2

Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie einen Gehörsverstoß des Berufungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO) rügt, hat keinen Erfolg.

3

1. Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,

"welchen rechtlichen Anforderungen der Begriff der 'systemischen Mängel' unterliegt, insbesondere welcher Wahrscheinlichkeits- und Beweismaßstab für die Annahme erforderlich ist, dass für einen Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden."

4

Diese Frage rechtfertigt mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lässt sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt ist, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung und des nationalen Prozessrechts ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten.

5

Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).

6

Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).

7

Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den "zuständigen Mitgliedstaat" im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.

8

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ("systemic failure") abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).

9

Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus. Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht der angefochtenen Entscheidung erkennbar zugrunde gelegt.

10

2. Mit der Gehörsrüge macht die Beschwerde geltend, das Berufungsgericht habe zusammen mit seiner Ankündigung vom 8. Oktober 2013, dass erwogen werde, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO zu entscheiden, darauf hingewiesen, dass der 3. Senat des Gerichts in vergleichbaren Fällen ebenso entschieden habe. Trotz entsprechender Aufforderung habe das Berufungsgericht die damals noch nicht abgesetzten Entscheidungen des anderen Senats nicht zugänglich gemacht und auch die Frist zur Stellungnahme nicht verlängert. Die Gehörsrüge greift nicht durch.

11

Aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO ergibt sich, dass eine gerichtliche Entscheidung nur auf solche Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Verwertung tatsächlicher Feststellungen aus anderen Verfahren für den zur Entscheidung anstehenden Rechtsstreit unterliegt - nicht anders als andere tatsächliche Feststellungen - dem Gebot des rechtlichen Gehörs (Urteil vom 8. Februar 1983 - BVerwG 9 C 847.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 132 = InfAuslR 1983, 184). Dagegen verstößt ein Gericht, wenn es anstelle einer eigenen Beweiserhebung auf Entscheidungen mit umfangreichen tatsächlichen Feststellungen verweist, ohne die Entscheidungen den Beteiligten so zugänglich zu machen, dass sie sich dazu hätten äußern können. Zieht ein Gericht aber andere Entscheidungen nur als bestätigenden Beleg dafür heran, dass andere Gerichte die Lage (einer bestimmten Gruppe) in einem Land tatrichterlich in ähnlicher Weise gewürdigt und deshalb rechtlich die gleichen Schlussfolgerungen gezogen haben, unterliegen solche Bezugnahmen nicht den besonderen Anforderungen des § 108 Abs. 2 VwGO (Urteil vom 22. März 1983 - BVerwG 9 C 860.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 133; Beschluss vom 12. Juli 1985 - BVerwG 9 CB 104.84 - Buchholz 310 § 103 VwGO Nr. 8 = NJW 1986, 3154).

12

An diesem Maßstab gemessen erweist sich die Gehörsrüge als unbegründet. Das Berufungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Lage der Asylbewerber in Italien unter Auswertung verschiedener Quellen selbstständig tatrichterlich gewürdigt. Es hat die in dem Schreiben vom 8. Oktober 2013 genannten Entscheidungen des 3. Senats des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt ausweislich der Entscheidungsgründe nicht verwertet. Daher ist nicht ersichtlich, wie die angefochtene Entscheidung durch die - sicherlich prozessual ungeschickte - Vorgehensweise des Berufungsgerichts das rechtliche Gehör des Klägers hätte verletzen können. Denn die Auskunftsquellen als Grundlagen der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts waren dem Kläger mit dem gerichtlichen Schreiben vom 8. Oktober 2013 bekannt gegeben worden, so dass er sich dazu äußern konnte.

13

Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung seines Asylantrags als unzulässig sowie die Anordnung seiner Abschiebung nach Italien.
Der Kläger ist nach eigenen Angaben ein 1982 geborener Staatsangehöriger Sri Lankas mit tamilischer Volks- und hinduistischer Glaubenszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben am 11.03.2011 ins Bundesgebiet ein und stellte am 12.04.2011 einen Asylantrag. Bereits im Rahmen seiner Befragung zur Vorbereitung der Anhörung am 06.05.2011 gab der Kläger an, er habe im Juni 2010 in Lecce / Italien Asyl beantragt. Von Januar 2010 bis Oktober 2010 habe er sich in Italien aufgehalten.
Am 20.06.2011 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (künftig: Bundesamt) an die italienischen Behörden ein Übernahmeersuchen unter Berufung auf Art. 16 c) Dublin-II-VO. Die italienischen Behörden gaben hierzu keine Stellungnahme ab.
Mit Bescheid vom 25.08.2011, zugestellt nach dem 02.11.2011, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab und ordnete seine Abschiebung nach Italien an. Der Bescheid war auf § 27a AsylVfG, Art. 20 Abs. 1 c) Dublin-II-VO gestützt. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.
Der Kläger hat am 07.11.2011 Klage erhoben und wie folgt begründet: Eine Abschiebung erfolge gegenwärtig „ins Blaue hinein“, nachdem die italienischen Behörden das Übernahmeersuchen nicht beantwortet hätten. Er habe in Italien kein faires Asylverfahren erhalten; er habe bis heute keinen Ablehnungsbescheid bekommen, sondern sei ohne die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, unter Setzung einer kurzen Frist zur Ausreise aufgefordert worden. Auch der EGMR habe Bedenken an der Durchführung eines rechtsstaatlichen Mindestgrundsätzen genügenden Asylverfahrens in Italien. Die Ausführungen in der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes widersprächen der aktuellen Erkenntnislage sowie der praktisch einhelligen Rechtsprechung, wonach Überstellungen nach Italien aufgrund fehlender Gewährleistung des Flüchtlingsschutzes gegenwärtig unzulässig seien. Die Situation dort habe sich gerade nicht entscheidend verbessert. Die Überstellungsfristen nach Italien seien zwischenzeitlich wohl abgelaufen. Die Beklagte ignoriere die aktuelle Rechtsprechung, die zum Vorliegen systemischer Mängel komme. Es bestünden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich die Aufnahmesituation für zurückgeschobene Flüchtlinge verbessert habe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 25.08.2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
10 
Italien erfülle gegenüber Asylantragstellern die Mindeststandards. Es handele sich bei Italien um einen EU-Mitgliedstaat und damit um einen sicheren Drittstaat i.S.v. Art. 16a Abs. 2 GG, § 26 AsylVfG. Es sei daher aufgrund des diesen Vorschriften zugrunde liegenden Konzepts der normativen Vergewisserung davon auszugehen, dass die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt sei. Die Dublin-II-Verordnung beruhe auf der Prämisse, dass die zuverlässige Einhaltung von GFK und EMRK in allen Mitgliedstaaten gesichert sei. Weder UNHCR noch SFH hätten Bedenken an einer Zurückschiebung von Flüchtlingen nach Italien geäußert. Die Auskunft des Auswärtigen Amtes gebe die Situation wider, wie sie von zahlreichen Verwaltungsgerichten gesehen werde. Die Möglichkeit und der Ablauf des Asylverfahrens seien gesetzlich geregelt, Unterbringung werde Asylbewerbern in den Erstaufnahmeeinrichtungen und in den Aufnahmezentren gewährt. Es liege im Verantwortungsbereich des Antragstellers, dass ihn Zustellungen erreichten, wie es auch in Deutschland der Fall sei. In Italien liege der Fall im Gegensatz zu Griechenland offenbar eher so, dass sich ein großer Teil der Flüchtlinge unabhängig vom Asylverfahren dort aufhalte. Der daraus entstehende Eindruck schwieriger Lebensverhältnisse könne keinen Einfluss auf die Beurteilung haben, ob die Mindestanforderungen an das Asylverfahren erfüllt seien. Der EGMR sei der Auffassung, dass die Situation in Italien nicht mit der in Griechenland vergleichbar sei. Der EGMR habe das Vorliegen systemischer Mängel verneint. Auch das BVerfG habe in keinem einzigen Fall entschieden, dass eine Rückführung nach Italien im Rahmen des Dublin-II-Verfahrens unzulässig sei. Dies sähen auch Obergerichte wie der OVG Sachsen-Anhalt im Verfahren 4 L 44/13 so. Die Auskunft des UNHCR bestätige die Rechtsauffassung, dass eine systemische Störung des Asylsystems in Italien nicht bestehe. Der UNHCR bestätige die positive Entwicklung im italienischen Verfahren. Die unentgeltliche Prozesskostenhilfe sei gesetzlich verankert, finanzielle Hilfen stünden prinzipiell zur Verfügung, wenn die Unterbringungskapazitäten der staatlichen Unterkünfte nicht ausreichten. Zur Gesundheitsversorgung und Ernährungssituation äußere sich der UNHCR positiv. Auch kurzzeitige und geringfügige Verschlechterungen und Verzögerungen erreichten nicht die Qualität einer menschenrechtswidrigen Behandlung. Die Zuständigkeit Italiens sei gemäß Art. 16 Abs. 1 c) i.V.m. Art. 29 Abs. 1 Dublin-II-VO begründet; ein Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte sei später nicht erfolgt. Für Wiederaufnahmegesuche nach Art. 16 Abs. 1 c) bis e) Dublin-II-VO gebe es keinerlei Frist. Da der Kläger gegen seine Überstellung innerhalb der Frist, bis zu der gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO seine Überstellung nach Italien habe erfolgen können, einen Rechtsbehelf eingelegt habe, beginne gemäß Art. 20 Abs. 1 d) Satz 2 der Verordnung die sechsmonatige Frist im Zeitpunkt der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung zu laufen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Gerichte - wie vorliegend - aufgrund der Annahme eines Ausnahmefalles tatsächlich vorläufigen Rechtsschutz gewährten.
11 
Mit Beschluss vom 24.04.2012 hat die Kammer Beweis erhoben durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes sowie eines Gutachtens des UNHCR zu verschiedenen Fragen betreffend die rechtlichen Grundlagen sowie die Praxis des Asylverfahrens sowie der Aufnahmebedingungen in Italien. Das Auswärtige Amt erteilte unter dem 11.07.2012 eine Auskunft, das Gutachten des UNHCR stammt vom 19.12.2013. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
12 
Mit Beschluss der Kammer vom 02.02.2013 ist die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid der Beklagten vom 25.08.2011 angeordnet und der Beklagten aufgegeben worden, dem Regierungspräsidium Karlsruhe mitzuteilen, dass eine Abschiebung des Klägers nach Italien vorläufig nicht durchgeführt werden darf.
13 
Dem Gericht haben die einschlägigen Verwaltungsakten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (1 Bd.) vorgelegen. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten im Verfahren A 4 K 2203/11 und im vorliegenden Verfahren wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
A.
14 
Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß §§ 40, 42 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Denn mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 25.08.2011 hat die Beklagte den Asylantrag des Klägers unter Bezugnahme auf § 27a AsylVfG für unzulässig erklärt und auf der Grundlage des § 34a AsylVfG seine Abschiebung nach Italien angeordnet. Für die Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage - gerichtet auf das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen - besteht kein Raum. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig unter Berufung auf die fehlende Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre trotz fehlender Sachprüfung durch das Bundesamt nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Folglich ist im Falle des § 27a AsylVfG - wie auch in Konstellationen einer Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens nach § 33 Abs. 1 AsylVfG (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 05.09.2013 - 10 C 1/13 -, juris; Urteil vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 -, juris) - nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt vorbehalten (so auch VG Stuttgart, Urteil vom 20.09.2012 - A 11 K 2519/12 -, juris; Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K 383/14 -; VG Karlsruhe, Urteil vom 03.03.2010 - A 4 K 4072/08 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Nieders., Beschluss vom 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -, juris, sowie jüngst VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; a.A. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris).
B.
15 
Die Klage ist jedoch unbegründet. Das Bundesamt ist im angefochtenen Bescheid vom 25.08.2011 zu Recht davon ausgegangen, dass nicht die Bundesrepublik Deutschland für die Prüfung des am 12.04.2011 gestellten Asylantrages des Klägers zuständig ist, sondern die Republik Italien, und hat daher auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet.
I.
16 
Gemäß Art. 49 (Abs. 2) der Dublin-III-Verordnung 604/2013/EU ist für vor dem 19.07.2013 in Deutschland gestellte (Alt-)Anträge auf internationalen Schutz (i.S. von Art. 2 lit. h QRL: Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiären Schutzes) weiterhin die Dublin-II-Verordnung 343/2003/EG (- Dublin-II-VO -) anwendbar. Nach den hiernach anwendbaren Regelungen der Dublin-II-VO ist Italien für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers auch dann zuständig, wenn das von ihm nach eigenen Angaben im Jahr 2011 in Lecce eingeleitete Asylverfahren, wie er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, rechtskräftig abgeschlossen worden ist; insoweit ergibt sich eine Zuständigkeit der italienischen Behörden für die Prüfung des klägerischen Asyl(-folge-)antrags aus Art. 16 Abs. 1 e) Dublin-II-VO, nachdem diese innerhalb der Frist des Art. 20 Abs. 1 c) Dublin-II-VO keine Antwort erteilt haben.
17 
Die Zuständigkeit Italiens ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Beklagte übergegangen. Nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin-II-VO geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag gestellt wurde, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wird. Das knüpft an Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO an, welcher (u.a.) bestimmt, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf erfolgt, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Diese Frist ist hier noch nicht abgelaufen, wobei es maßgeblich auf die zweite Alternative der Regelung ("oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf") ankommt. Denn solange die Vollziehung der Überstellung - wie es vorliegend ausnahmsweise der Fall ist - weiter ausgesetzt ist, ist insoweit entscheidend auf die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzustellen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 -, juris).
II.
18 
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO ausübt.
19 
1. Ein Hauptzweck der Verordnung VO (EG) Nr. 343/2003 besteht, wie aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 hervorgeht, in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaates, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden. Allerdings kann abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-II-VO gemäß Absatz 2 der Vorschrift jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen.
20 
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (grundlegend Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u. C-493/10, N.S. u.a. -, juris sowie Slg. 2011, I-13905) kann ein Mitgliedstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet sein, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen (vgl. zum Folgenden auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris; Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - OVG 7 S 58.13 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, juris). Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) aus.
21 
1.1 Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtscharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten haben bei der Ausübung ihres Ermessens diese Grundsätze daher zu beachten. Im Rahmen seiner Ermessensausübung kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen; es gilt insoweit das sog. Prinzip gegenseitigen Vertrauens beziehungsweise normativer Vergewisserung (dazu grundlegend BVerfG, Urteil vom 15.05.1996 - 2 BvR 1938/93 -, juris). Daraus folgt die Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat stehe in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.). Ein Ausländer, der in einen sicheren Drittstaat zurück verbracht werden soll, kann infolgedessen entsprechend dem Konzept normativer Vergewisserung den Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor einer politischen Verfolgung oder sonstigen schwerwiegenden Beeinträchtigungen in seinem Herkunftsstaat grundsätzlich nicht mit der Begründung einfordern, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt würden (BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 -, juris).
22 
1.2 Die Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat stehe in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, ist jedoch nicht unwiderleglich. Nicht ausgeschlossen werden kann nämlich, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.).
23 
Eine Widerlegung der Vermutung wurde vom EuGH mit Blick auf die gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems indes an hohe Hürden geknüpft. Nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der Dublin-II-VO und nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts - wie etwa von Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK - durch den zuständigen Mitgliedstaat vermag die Überstellung eines Asylbewerbers an den laut Dublin-II-VO eigentlich zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln und das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage zu stellen. Das Zuständigkeitssystem ist nach der Rechtsprechung des EuGH vielmehr nur dann auszusetzen, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.; Urteil vom 10.12.2013 - C-394/12 -, juris; Urteil vom 14.11.2013 - C 4/11 -, juris). Diese Rechtsprechung ist auch in die Neufassung von Art. 3 Abs. 2 VO (EU) Nr. 604/2013 (v. 26.06.2013 - Dublin-III-VO) eingeflossen.
24 
Die sich aus dieser EuGH-Rechtsprechung ergebenden Anforderungen an das deutsche verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -, juris) dahingehend zusammengefasst, dass sich der Tatrichter im Rahmen der Amtsermittlung zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen muss, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. (Nur) dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus.
25 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 -, NVwZ 2011, 413) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da Asylbewerber dort systematisch ohne Angabe von Gründen in Haftzentren untergebracht würden. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden. Art. 3 EMRK allein verpflichte die Vertragsstaaten zwar nicht, Flüchtlinge in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen, sie finanziell zu unterstützen oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Etwas anderes gilt aber ausweislich des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie -), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen (so nun auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris).
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Aus dem Gesagten ergibt sich: Eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK liegt im Hinblick auf die Asylverfahren nur dann vor, wenn mit Blick auf das Gewicht und Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieses Grundrechts mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit die reale, nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass dem Betroffenen in dem Mitgliedstaat, in den er als den nach der Dublin-II-VO „zuständigen“ Staat überstellt werden soll, schon der Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt oder massiv erschwert wird, dass das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet oder dass der Betroffene während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbarer Weise befriedigen kann.
27 
2. Trotz der in Teilen weiterhin defizitären Umsetzung der in Italien bestehenden asylrelevanten Regelungen durch die italienischen Behörden und der nach wie vor bestehenden Mängel in Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern in Italien sind zur Überzeugung der Kammer auf der Grundlage einer ausführlichen Auswertung der vorliegenden Erkenntnismitteln (vgl. zum Folgenden AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2011; Consiglio Italiano per i Rifugiati / European Council on Refugees and Exiles, Asylum Information Database, National Country Report Italy, Mai 2013, Update November 2013, verfügbar unter http://www.asylumineurope.org/files/report-download/italy_aida_report_first_update_final_dec13.pdf - CIR/ecre, National Country Report Italy -; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013; Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, 07/2013 - UNHCR, Empfehlungen 2013 -; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; Associazione per gli Studi Giuridici sull’Immigrazione, Die derzeitige Situation von Asylbewerbern in Italien, 20.11.2012 - ASGI, Asylbewerber in Italien -) zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die strengen Voraussetzungen, die nach dem oben Gesagten für die Annahme einer Eintrittspflicht der Beklagten erfüllt sein müssten, nicht gegeben. Es steht nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und / oder die Aufnahmebedingungen in Italien derart grundlegende Mängel aufweisen, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an Italien im Rahmen der Dublin-II-Verordnung überstellten Asylbewerber zu erwarten steht (in diesem Sinne auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo; Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 20 A 10656/13 -, juris; OVG Nieders., Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 -, juris; Beschluss vom 18.03.2014 - 13 LA 75/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris).
28 
Denn Italien verfügt über ein ausdifferenziertes Asylverfahrensrecht und konkrete Regelungen betreffend die Aufnahme von Flüchtlingen (2.1). Auch wenn die diesbezüglichen Regelungen in der Praxis mitunter defizitär angewendet werden, sind die hierbei zutage tretenden Mängel jedenfalls gegenwärtig nicht von einer Tragweite, die das Vorliegen systemischer Mängel implizierte (2.2).
29 
Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob die Anforderungen an das Vorliegen systemischer Mängel in den Fällen, in denen der Betroffene - wie hier der Kläger - in dem nach der Dublin-Verordnung zuständigen Staat bereits ein Asylverfahren durchlaufen hat, sogar noch strengere Anforderungen zu stellen sind (in diese Richtung VG Potsdam, Beschluss vom 14.11.2013 - 6 L 767/13.A -, juris).
30 
2.1. Das italienische Rechtssystem sieht ein ausdifferenziertes Asylverfahren vor. Die italienische Verfassung kennt ein Grundrecht auf Asyl (Art. 10 Abs. 3); daneben bestehen verschiedene Einwanderungs- und Asylverfahrensgesetze. Die gesetzlichen Regelungen gelten auch für - hier relevante und daher zuvörderst in die Betrachtungen einzubeziehende - Überstellungen nach der Dublin-II-Verordnung; Besonderheiten bestehen insoweit nicht (AA, Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2011; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
31 
2.1.1 Das Asylverfahren läuft in mehreren Schritten ab:
32 
2.1.1.1 Asylgesuche werden beim Polizeipräsidium (questura) oder bei dem Grenzschutz (polizia di frontiera) entgegengenommen; eine inhaltliche Überprüfung des Gesuchs, das an keine Form gebunden ist, findet nicht statt (ASGI, Asylbewerber in Italien). Im Zusammenhang mit der Stellung des Schutzersuchens findet eine erkennungsdienstliche Behandlung (fotosegnalamento) statt (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Antragsteller, deren Anträge vom Grenzschutz aufgenommen worden sind, erhalten ein Schreiben, in dem sie an die zuständige „Questura“ weiterverwiesen werden (verbale di invito).
33 
2.1.1.2 Die förmliche Erfassung des Asylantrags (verbalizzazione) mittels „C3-Formular“ (verbale) erfolgt durch die örtlich zuständige „Questura“, die dem Asylsuchenden eine Bescheinigung über den Erstantrag sowie eine Aufenthaltserlaubnis (permesso di soggiorno) ausstellt (CIR/ecre, National Country Report Italy; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Eine gesetzliche Frist, innerhalb derer die Verbalizzazione zu erfolgen hat, existiert nicht (CIR/ecre, National Country Report Italy). Außerdem soll der Asylbewerber dort mit einer Informationsbroschüre in einer nach Möglichkeit für den Asylbewerber verständlichen Sprache über den Gang des Asylverfahrens, seine Rechte und Pflichten und den Zugang zum Gesundheitssystem informiert werden (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Ferner ist dem Asylsuchenden in jeder Phase des Asylverfahrens der Kontakt zum UNHCR und Nichtregierungsorganisationen zu ermöglichen (CIR/ecre, National Country Report Italy).
34 
2.1.1.3 Nach der Verbalizzazione wird der Fall an die jeweilige für die Region verantwortliche, dem Innenministerium unterstehende Kommission (Commissione territoriale per il riconoscimento dello status di rifugiato) übergeben, deren Mitglieder sich aus zwei Bediensteten des Innenministeriums, einem Vertreter einer lokalen Behörde (Kommune, Provinz oder Region) sowie einem UNHCR-Vertreter zusammensetzen (UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Bestandteil des Verfahrens ist eine nicht-öffentliche persönliche Anhörung des Asylbewerbers, die laut Gesetz innerhalb von 30 Tagen stattfinden soll und zu der ein Dolmetscher hinzugezogen wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). In bestimmten Fällen (etwa offensichtlich begründeter Asylanträge) findet ein beschleunigtes Verfahren statt (esame prioritario). Die abschließende Entscheidung soll binnen drei, im beschleunigten Verfahren binnen zwei Tagen nach der Anhörung ergehen.
35 
Während des Asylverfahrens haben die Asylbewerber Anspruch auf sprachliche und kulturelle Übersetzungsdienste. Sie haben das Recht, sich auf eigene Kosten von einem Rechtsanwalt beraten und vertreten zu lassen (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; ASGI, Asylbewerber in Italien).
36 
2.1.1.4 Gegen einen ablehnenden Bescheid können Asylbewerber innerhalb von 30 Tagen, Bewohner von CIE (Centro di Identificazione ed Espulsione) und CARA (centro die accoglienza per richiedenti asilo) grundsätzlich innerhalb von 15 Tagen nach Zustellung durch das hierfür zuständige Polizeipräsidium (questura) vor einem ordentlichen Gericht (Tribunale Ordinario) Widerspruch einlegen. Der Widerspruch hat grundsätzlich aufschiebende Wirkung; entfällt im Ausnahmefall, etwa bei als unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylanträgen, die aufschiebende Wirkung, kann der Antragsteller bei Gericht das Aussetzen der Rechtswirkung der erstinstanzlichen ablehnenden Entscheidung beantragen (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). Bestandteil des gerichtlichen Verfahrens ist eine (nicht-öffentliche) Anhörung des Asylbewerbers (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013). Das Gesamtverfahren einschließlich Widerspruch gegen einen ablehnenden Bescheid soll nicht länger als sechs Monate dauern (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
37 
2.1.1.5 Gegen die erstinstanzliche Entscheidung ist der Instanzenweg (Berufung, Revision) eröffnet (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012); insoweit findet keine automatische Aussetzung der Wirksamkeit der richterlichen Entscheidung statt, eine solche kann jedoch auf Antrag vom angerufenen Gericht gewährt werden (ASGI, Asylbewerber in Italien).
38 
2.1.1.6 Während des Gerichtsverfahrens besteht die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe; diese ist vom Nachweis der Vermögensverhältnisse sowie der Prüfung der Erfolgsaussichten des Prozesses durch das zuständige Gericht abhängig (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; ASGI, Asylbewerber in Italien).
39 
2.1.1.7 Asylbewerber haben die Möglichkeit, nach negativem Abschluss ihres Asylverfahrens bei der Questura einen Folgeantrag zu stellen. Dieser wird nach der Verbalizzazione von derjenigen Commissione territoriale, die auch für den Erstantrag zuständig war, daraufhin überprüft, ob der Asylantragsteller neue Gesichtspunkte betreffend seine eigene Person oder die Umstände im Heimatland vorbringt. Ist dies nicht der Fall, wird der Asylfolgeantrag als unzulässig abgelehnt; gegen die Ablehnungsentscheidung steht der Rechtsweg einschließlich der Möglichkeit des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes offen (CIR/ecre, National Country Report Italy). Andernfalls tritt die Commissione territoriale in eine erneute Prüfung ein. Hierfür enthält das italienische Recht keine besonderen Vorschriften, vielmehr gelten die gleichen gesetzlichen Regelungen und Verfahrensgarantien wie für das Asylerstverfahren (CIR/ecre, National Country Report Italy; zur Möglichkeit, in Italien einen Folgeantrag zu stellen, vgl. auch VG Minden, Urteil vom 20.01.2014 - 10 K 1096/13.A -, juris; VG Aachen, Beschluss vom 03.04.2014 - 7 L 165/14.A -, juris).
40 
2.1.2 Auch hinsichtlich der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende enthält das italienische Recht umfangreiche Regelungen.
41 
2.1.2.1 Im Hinblick auf die Unterbringung von Asylbewerbern ist geregelt, dass diese, falls sie nicht selbst ihren Lebensunterhalt für sich und ihre Familienangehörigen finanzieren können, einen entsprechenden Antrag stellen können, der von der Präfektur (prefettura) bearbeitet wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). Die Präfektur weist den Asylbewerbern dann Plätze zu.
42 
Italien verfügt über unterschiedliche Unterbringungsmodalitäten für Asylbewerber (ausführlich dazu borderline-europe e.v., Gutachten an VG Darmstadt, 12/2012; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; CIR/ecre, National Country Report Italy). CARA-Erstaufnahmeeinrichtungen (centro di accoglienza per richiedenti asilo) sind von Gesetzes wegen nur für den vorübergehenden (maximal 35 Tage) Aufenthalt von Asylbewerbern mit ungeklärter Identität in erster Linie zum Zwecke der Identitätsklärung vorgesehen (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013); ähnliche Funktionen erfüllen CIE (Centro die identificazione ed espulsione). Daneben gibt es CDAs (Centro di accoglienza per Richiedenti Asilo), die ebenfalls Erstaufnahmeeinrichtungen sind und dem kurzfristigen Aufenthalt u.a. auf dem Staatsterritorium aufgegriffenen Migranten dienen. CSPA (Centro di Soccorso e Prima Accoglienza) dienen nur der Aufnahme von Bootsflüchtlingen. Für den längerfristigen (normalerweise bis zu 6-monatigen) Aufenthalt von Asylbewerbern vorgesehen sind die Unterkunftsplätze in SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e rifugiati), einem Netzwerk von durch Kommunen, Kirchen, kirchliche Einrichtungen sowie sonstige Hilfsorganisationen betriebenen Unterkünften, das seine Grundlage in einer Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium, den Kommunen und den beteiligten nichtstaatlichen Organisationen hat.
43 
Ist in diesen Unterkünften kein Platz vorhanden, sieht das Gesetz vor, dass den Asylbewerbern bis zum Freiwerden eines Platzes finanzielle Unterstützung gewährt wird.
44 
Zugang zu den Einrichtungen besteht für Asylbewerber von Gesetzes wegen bereits ab dem Zeitpunkt des Asylgesuchs (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). In den Erstaufnahmeeinrichtungen (CARA, CDA, CSPA) werden den Asylbewerbern Essen, Unterkunft, Kleidung, erste Hilfe sowie grundlegende Informationen gewährt (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013); SPRARs sind besser ausgestattet und gewähren darüber hinaus etwa Dolmetscherdienste und Gesundheitsfürsorge (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Daneben wird den Asylbewerbern ein Taschengeld für persönliche Bedürfnisse gezahlt, das in CARA 2,50 Euro/Tag beträgt und in SPRAR in unterschiedlicher Höhe von etwa 2,00 Euro/Tag gewährt wird (CIR/ecre, National Country Report Italy). Unterstützungsleistungen können durch die Präfektur gestrichen werden, wenn sich der Asylberechtigte nicht in die zugewiesene Unterkunft begibt oder diese unerlaubt verlässt; hiergegen ist Rechtsschutz möglich (CIR/ecre, National Country Report Italy).
45 
Wird das Asylverfahren nicht binnen sechs Monaten abgeschlossen, erhalten Asylbewerber im Anschluss an ihren zunächst auf sechs Monate befristeten Aufenthaltstitel einen erneuten Aufenthaltstitel, der ihnen die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme gewährt und bis zum Ende des Asylverfahrens verlängert wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013). Unterbringung und Versorgungsleistungen werden ebenfalls entsprechend verlängert (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
46 
Legt der Asylbewerber Rechtsmittel gegen die Ablehnung seines Asylantrags ein, wird seine Aufenthaltserlaubnis verlängert (ASGI, Asylbewerber in Italien). Allerdings muss er die Aufnahmeeinrichtung verlassen, wenn er arbeitsfähig ist (borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012).
47 
Haben Dublin-Rückkehrer bereits während ihres ersten Asylverfahrens Platz in einer Aufnahmeeinrichtung gefunden, steht ihnen kein Recht zu, nach ihrer Rückführung nach Italien bis zum Abschluss des Asylerstverfahrens erneut dort untergebracht zu werden; dies schließt es nicht aus, dass sie bei freien Kapazitäten einen Platz etwa in einem SPRAR erhalten (CIR/ecre, National Country Report Italy; borderline-europe e.v., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2102). Gleiches gilt für Folgeantragsteller (CIR/ecre, National Country Report Italy).
48 
2.1.2.2 Asylbewerber sind vom Zeitpunkt der Registrierung ihres Asylgesuchs zusammen mit ihren Familienmitgliedern über die gesetzliche Krankenversicherung versichert und sind italienischen Staatsbürgern gleichgestellt; sie haben Anspruch auf kostenlose Gesundheitsversorgung (CIR/ecre, National Country Report Italy). Hierfür ist die Anmeldung mit Aufenthaltstitel, der Steuernummer sowie einer festen Adresse beim nationalen Gesundheitsdienst (Servizio Sanitario Nazionale) erforderlich, welcher einen zur ambulanten oder stationären Behandlung berechtigenden Gesundheitsausweis ausstellt (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Diese kostenfreie medizinische Versorgung steht auch Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft wohnen (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
49 
2.1.2.3 Zur Durchsetzung einer Unterbringung und Mindestversorgung besteht möglicherweise (genau ist dies den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht zu entnehmen) prinzipiell die Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten in Anspruch zu nehmen (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Einen gerichtlich durchsetzbaren Rechtsanspruch (etwa mittels einstweiliger Anordnung) auf einen Unterbringungsplatz gibt es indes nicht (AA, Auskunft an VG Minden vom 24.05.2013), und auch im Übrigen gibt es jedenfalls keine Informationen darüber, dass von Asylbewerbern Rechtsschutz zur Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Mindestversorgung in Anspruch genommen worden wäre (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012).
50 
2.1.2.4 Im Falle einer Abschiebung werden abgelehnte Asylbewerber zunächst aufgefordert, das Land zu verlassen; geschieht dies nicht, werden sie in eine Abschiebhaftanstalt verbracht. Vor der Abschiebung muss ein Richter auf Grundlage eines Gesprächs mit dem Häftling die Rechtmäßigkeit des Ausreisebescheids prüfen. Dem Häftling wird bei diesem Gespräch ein Rechtsanwalt und ein Dolmetscher zur Seite gestellt. Ferner besteht in der Abschiebehaft die Möglichkeit, rechtliche Informationen einzuholen und an Sprachkursen teilzunehmen. Psychologischer sowie ärztlicher Beistand werden gewährleistet (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012).
51 
2.1.3 Aus dieser Darstellung ergibt sich, dass die rechtlichen Regelungen, das Asylverfahren und die Aufnahme von Asylbewerbern betreffend, in Italien den an sie zu stellenden Anforderungen durchweg gerecht werden. Diese Bewertung steht in Übereinstimmung mit der aktuellen Erkenntnismittellage. Auch wenn hier die tatsächliche Situation mitunter sehr kritisch beurteilt wird, werden die bestehenden gesetzlichen Vorgaben nur vereinzelt und nur im Hinblick auf vergleichsweise wenig gewichtige Punkte - etwa recht kurze Rechtsmittelfristen (vgl. dazu etwa CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien) - kritisiert. Es besteht daher keinerlei Anlass für die Annahme, bereits die rechtlichen Rahmenbedingungen implizierten systemische Mängel, aufgrund derer anzunehmen wäre, dass dort dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Italien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohe.
52 
2.2 Die rechtlichen Vorgaben werden in der Praxis jedoch nicht durchgängig eingehalten. Vielmehr verweisen etwa der UNHCR, die Schweizerische Flüchtlingshilfe, borderline-europe e.V., der European Council on Refugees and Exiles und das Consiglio italiano per i Rifugiati, in abgeschwächter Form auch das Auswärtige Amt auf verschiedene Mängel sowohl betreffend den Zugang Asylsuchender zum Asylverfahren und dessen Ablauf als auch betreffend die Aufnahmebedingungen, insbesondere die Unterbringung und (gesundheitliche) Versorgung der Asylbewerber in Italien.
53 
Rückblickend gesehen war das italienische Aufnahmesystem jedenfalls auf die erheblichen Flüchtlingsströme in den Jahren 2008 und 2011 nicht hinreichend vorbereitet; es gibt gravierende Hinweise darauf, dass in dieser Zeit wiederholt Asylbewerber ohne Prüfung ihres Asylbegehrens oder während noch laufender Rechtsmittelfristen und damit unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot in ihre Herkunftsländer abgeschoben wurden und ferner viele Asylbewerber in Italien keinen Zugang zu den völlig überlasteten Unterkünften hatten, der Obdachlosigkeit anheimfielen und keinerlei staatliche Unterstützung, etwa im Hinblick auf Nahrung und Kleidung oder Zugang zu medizinischer Versorgung, erlangen konnten (vgl. dazu etwa SFH, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, 05/ 2011; Bethke/Bender, „Zur Situation von Flüchtlingen in Italien“, 02/2011; Norwegian Organization für Asylum Seekers, The Italian approach to asylum: System and core problems“, 04/2011, sowie weitere, von der Kammer im Beschluss vom 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 -, juris zitierte Quellen). Dem entspricht es, wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung berichtet hat, er habe während der Durchführung des Asylerstverfahrens zu keinem Zeitpunkt staatliche Unterstützung in irgend einer Form erhalten, ihm sei insbesondere nie ein Platz in einer Unterkunft zugewiesen worden, und er sei nur deshalb nicht obdach- und völlig mittellos gewesen, weil er auf eigene Initiative bei Landsleuten habe unterkommen und für diese zeitweise gegen Unterkunft und Mahlzeiten habe arbeiten und eine Adresse für die behördliche Erreichbarkeit habe angeben können.
54 
Die italienischen Behörden haben auf die teilweise chaotischen Zustände zwischenzeitlich jedoch, etwa durch Verbesserungen im Verfahren oder auch die massive Erweiterung der zur Verfügung stehenden Unterkünfte (dazu im Einzelnen s.u.), reagiert. Auch die gegenwärtige Situation weist Mängel wie administrative Hürden, zeitliche Verzögerungen sowie Engpässe bei den Unterkünften auf, die allerdings als weniger schwerwiegend einzustufen sind und die Schwelle zum systemischen Mangel weder für sich genommen noch im Zusammenspiel überschreiten. Vielmehr ist in der Gesamtschau des vorliegenden Erkenntnismaterials davon auszugehen, dass das Asyl- und Aufnahmeverfahren im wesentlichen richtlinienkonform verläuft und grundsätzlich funktionsfähig ist und dabei insbesondere hinreichend sicherstellt, dass im Rahmen des Dublin-Verfahrens rücküberstellte Asylbewerber, die, wie der Kläger, nicht etwa aufgrund Alters, gesundheitlicher Beeinträchtigungen oder sonstiger besonderer in ihrer Person liegender Umstände besonders schutzwürdig sind, bei normalem Verlauf der Dinge nicht mit schwerwiegenden Verstößen oder Rechtsbeeinträchtigungen im Sinne von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh rechnen müssen.
55 
Im Einzelnen:
56 
2.2.1 In jüngerer Zeit sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013) keine Fälle mehr bekannt geworden, in denen Flüchtlingen und Asylsuchenden die Einreise nach Italien oder der Aufenthalt in Italien verweigert worden oder Flüchtlinge und Asylsuchende ohne die Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen, in ihren Herkunftsstaat oder ein Drittland zurückgeführt worden wären; auch sind dem Auswärtigen Amt keine Fälle neueren Datums bekannt, in denen Asylbewerber trotz laufender Asylverfahren abgeschoben worden wären. Jedenfalls gegenwärtig lässt sich daher nicht mehr feststellen, dass in Italien der Anspruch Schutzsuchender auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens generell oder auch nur regelmäßig vereitelt würde (OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo). Ebenso wenig lässt sich den vorliegenden Erkenntnismitteln entnehmen, dass Asylbewerbern nach erfolglosem Abschluss ihres Asylerstverfahrens die Stellung eines Asylfolgeantrags verweigert worden wäre.
57 
2.2.2 Eine Feststellung, die in den vorliegenden Erkenntnismitteln fast durchgängig bemängelt wird, ist die oftmals lange Verfahrensdauer. Diese rechtfertigt jedoch gegenwärtig nicht (mehr) die Feststellung systemischer Mängel.
58 
2.2.2.1 Das Asylverfahren dauert in vielen Regionen regelmäßig etwa 6 bis 10 Monate, während die gesetzlichen Vorgaben vorsehen, dass die Anhörung des Asylbewerbers binnen 30 Tagen erfolgen, die behördliche Entscheidung binnen weiterer 3 Tagen ergehen soll (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Dieser Umstand hat indes auf die Asylbewerber regelmäßig keine gravierenden Auswirkungen, weil auch Unterbringung und Versorgungsleistungen sowie der Aufenthaltstitel entsprechend verlängert werden (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
59 
2.2.2.2 Anders ist dies, wenn sich die Ausstellung der Verbalizzazione verzögert.
60 
2.2.2.2.1 Vom Asylgesuch bis zur Ausstellung der Verbalizzazione dauert es nach einhelliger Erkenntnislage (etwa CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013) nach wie vor oftmals mehrere Wochen, mitunter, insbesondere in größeren Städten wie Rom oder Mailand, auch mehrere Monate. Diese Verzögerung beruht mitunter auf fehlenden personellen Kapazitäten. Etwa in Mailand oder Rom liegt sie aber auch darin begründet, dass die dortigen Questure systematisch eine Wohnbestätigung oder den Nachweis einer Adresse als Voraussetzung für die Einreichung eines Asylgesuchs verlangen (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013), eine (gesetzlich nicht vorgesehene) Anforderung, die Asylbewerber mitunter nur dann erfüllen können, wenn ihnen Nichtregierungsorganisationen „virtuelle“ Adressen zur Verfügung stellen oder sie Leute dafür bezahlen, dass diese ihnen eine (fiktive) Wohnbestätigung ausstellen (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Diese Wartezeit bis zur Ausstellung der Verbalizzazione führt zu erheblichen Schwierigkeiten für die Asylbewerber. Denn in der Zwischenzeit haben sie Anspruch nur auf medizinische Notfallversorgung (CIR/ecre, National Country Report Italy). In der Praxis haben sie ferner vor Ausstellung der Verbalizzazione keinen Zugang zu CARA- oder SPRAR-Unterkünften, auch wenn von Gesetzes wegen der Zugang zu Unterkunft ab dem Moment der Stellung des Asylgesuchs zu gewährleisten wäre (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013). In diesen Fällen sind alternative Maßnahmen zur Sicherung des Lebensunterhalts von Asylsuchenden selten verfügbar, die Asylsuchenden sind vielmehr oftmals auf sich selbst gestellt und häufig obdachlos (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Allerdings wird dieses Problem von Nichtregierungsorganisationen und kirchlichen Organisationen erkannt, die hier im Rahmen ihrer Möglichkeiten, etwa durch die Vermittlung von provisorischen (Not-)Unterkünften, tätig werden (AA, Auskunft an VG Minden vom 24.05.2013).
61 
Dass Asylbewerber diese Verzögerungen vor einem Gericht angefochten oder überhaupt vorläufigen Rechtsschutz beantragt hätten, ist weder dem Auswärtigen Amt (Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012) noch dem UNHCR (Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; UNHCR, Empfehlungen 2013) bekannt. Die Praxis der Questura Mailand, eine Wohnbestätigung zu verlangen, wurde bereits von Hilfsorganisationen angefochten (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012), vom zuständigen Gericht jedoch gebilligt (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013).
62 
2.2.2.2.2 Von den Schwierigkeiten infolge der erheblichen Wartezeit bis zur Ausstellung der Verbalizzazione sind grundsätzlich auch Dublin-Rückkehrer betroffen. Diese treffen in der Regel auf dem Luftweg in Italien ein. Nach einer erneuten erkennungsdienstlichen Behandlung durch die Polizei erfolgt die Feststellung, welche Questura für die Person zuständig ist und wie der Stand des Verfahrens ist. Davon, ob der Asylbewerber während des laufenden Asylverfahrens Italien verlassen oder ob er in Italien nie ein Asylverfahren durchgeführt bzw., wie der Kläger, das Asylverfahren dort rechtskräftig abgeschlossen hat, hängt der weitere Ablauf ab:
63 
Dublin-Rückkehrer, die sich noch im Asylverfahren befinden, erhalten nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013) umgehend eine Unterkunft in einem entsprechenden Aufnahmezentrum zugewiesen, die ihnen von den auf dem Flughafen tätigen Nichtregierungsorganisationen vermittelt werde. Laut UNHCR hat diese Personengruppe in der Regel Zugang zu Transitunterbringungseinrichtungen (Auskunft an VG Freiburg, 12/2103). Laut Schweizerischer Flüchtlingshilfe (Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013) erfolgt die Unterbringung in einem FER-Projekt, soweit freie Plätze bestehen. Sind für sie nicht die Präfekturen Rom bzw. Varese zuständig, gilt diese Unterkunftsmöglichkeit nur für wenige Tage, bis sie in die für sie zuständige Region weiterreisen, um sich dort bei der Questura zu melden und von dieser einen Berechtigungsschein für ein CARA zu erhalten. Laut borderline-europe e.V. (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012) gibt es in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten mit der Ausstellung dieses Scheins; auch stünden mitunter nicht genügend Plätze zur Verfügung. Plätze in einem SPRAR könnten außerdem nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Betreffende vor seiner Ausreise keinen Platz dort in Anspruch genommen habe.
64 
Für Dublin-Rückkehrer, die sich, wie der Kläger, noch nicht oder nicht mehr in einem Asylverfahren befinden, etwa für diejenigen, die vor ihrer Asylantragstellung in einem anderen Land durch Italien gereist sind, ohne dort einen Asylantrag gestellt zu haben, erfolgt die Zuweisung der Unterkunft dagegen grundsätzlich, wie bei anderen Asylbewerbern auch, erst nach der Verbalizzazione, die auch für diese Gruppe mitunter erst nach Wochen oder Monaten erfolgt (so ausdrücklich UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012); eine frühere Möglichkeit, in eine FER-Unterkunft oder ein CARA zugewiesen zu werden, hängt von freien Kapazitäten ab (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Borderline-europe (a.a.O.) berichtet davon, von den Dublin-Rückkehrern, die über Rom eingereist seien, hätten nur knapp 8% eine CARA- oder SPRAR-Unterkunft erhalten, weitere etwa 12% eine Kurzzeitunterkunft, um sich von dort aus zu den für sie zuständigen Questure zu begeben. Allerdings bemühen sich die am Flughafen zuständigen Hilfsorganisationen, dem Betreffenden zumindest eine Übergangs- oder Notunterkunft in einer kommunalen oder karitativen Einrichtung zu besorgen; sollte dies nicht umgehend möglich sein, müssen Dublin-Rückkehrer unter Umständen einige Tage am Flughafen verbleiben und dort, zwar ohne besondere Schlafplätze, offenbar aber geduldet, übernachten (SFH, Aufnahmebedingungen, 10/2013; UNHCR, Empfehlungen 2013; AA, Auskunft an OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.09.2013). Nicht ausgeschlossen ist in diesem Zusammenhang indes, dass die Nichtregierungsorganisationen nicht rechtzeitig von der Ankunft von Dublin-Rückkehrern informiert werden und diese daher keine besondere Betreuung am Flughafen erfahren (SFH, a.a.O.).
65 
2.2.2.2.3 Der Umstand, dass der Zugang zu Unterkünften in der Praxis italienischer Behörden von der Ausstellung der Verbalizzazione abhängt und deren Ausstellung zeitlich jedenfalls in der Behördenpraxis (noch) nicht an das Asylgesuch geknüpft ist, ist sicherlich ein gravierender Mangel, der auch im System angelegt ist und grundsätzlich - wenn infolge der intensiveren Betreuung am Flughafen in möglicherweise geringerem Maße - auch Dublin-Rückkehrer wie den Kläger betrifft. Allerdings hat die italienische Regierung dieses Problem erkannt und sich dessen angenommen. So hat im Februar 2013 das italienische Innenministerium eine Weisung an die Questure herausgegeben, wonach die Verbalizzazione zeitlich mit der Asylgesuchsstellung zusammenfallen soll, und versucht, durch ein neues Onlinesystem (VESTANET) die Bearbeitung der Asylgesuche zu beschleunigen, die Bearbeitung von Einzelfällen im gesamten Verfahren zu verbessern, die Zeit zwischen dem erstmaligen Asylgesuch und der formalen Registrierung des Antrags zu überwachen und Verzögerungen umgehend entgegenzuwirken (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; CIR/ecre, National Country Report Italy). Im Report von CIR/ecre (a.a.O.) heißt es, die italienischen Behörden hätten insoweit wichtige Anstrengungen unternommen, um den förmlichen Zugang zum Asylverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Auch der UNHCR (a.a.O.) spricht insoweit von „positiven Entwicklungen“. Seinen jüngsten Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien (07/2013) lässt sich zwar entnehmen, dass es immer wieder zu wochen- oder auch monatelangen Verzögerungen bis zur Erstellung der Verbalizzazione kommt; wenn der UNHCR insoweit jedoch von „einigen Fällen“ oder auch Schwierigkeiten „in einigen regionalen Polizeidirektionen“ spricht, so handelt es sich gegenwärtig nicht mehr um größere Funktionsstörungen oder regelhafte Defizite, die das Asylverfahren in ihrer Gesamtheit prägen, sondern um - freilich in ihren Auswirkungen zulasten der Betroffenen keinesfalls zu unterschätzende - partielle Überlastungen oder verwaltungstechnische Missstände. Und auch insoweit ist davon auszugehen, dass sich die Situation, wenn die neuen Anweisungen und Verwaltungsvereinfachungen landesweit implementiert sind, weiter verbessern wird (so auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 20 A 10656/13 -, juris; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris). Insbesondere für Dublin-Rückkehrer und ihre im Vergleich zu anderweitig ins Land kommende Asylbewerber regelmäßig intensivere Betreuung durch Nichtregierungsorganisationen bereits am Flughafen lässt sich im Hinblick auf die Verzögerungen im Asylverfahren daher nicht (mehr) von einem systemischen Mangel sprechen.
66 
2.2.3 Weitere in vielen der vorliegenden Erkenntnismitteln beklagte Missstände sind die nach wie vor bestehende - und auch Dublin-Rückkehrer betreffende - Überlastung des Aufnahmesystems und die damit verbundenen Lebensbedingungen der Asylbewerber. Aber auch im Hinblick auf die Aufnahmebedingungen ist auf Grundlage der aktuellen Erkenntnismittel nicht (mehr) von strukturellen Mängeln auszugehen.
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2.2.3.1 Immer wieder in der Kritik steht die Zahl der Unterkünfte, die Asylsuchenden zur Verfügung gestellt werden.
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Die italienische Regierung hat in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen, um die Zahl verfügbarer Unterkünfte zu erhöhen. So gab es im Zusammenhang mit den sprunghaft angestiegenen Asylbewerberzahlen im Jahr 2011 ein Notstandskonzept „Nordafrika“, in dessen Rahmen Aufnahmestrukturen durch den Zivilschutz in der Größenordnung von 26.000 Plätzen bereitgestellt wurden (SFH, Aufnahmebedingungen; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013 spricht sogar von 50.000 Plätzen). Daneben wurde insbesondere die Zahl der regulär verfügbaren Plätze in den vergangenen Jahren massiv erhöht. Noch im Juli 2012 war das Auswärtige Amt (Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; vgl. auch Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2012) von (nur) je 3.000 Plätzen in CARA und SPRAR ausgegangen, während es im August 2013 bereits von insgesamt über 16.000 Plätzen in CARA, CIE, CDA und SPRAR ausging (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013). Die Entwicklung der verfügbaren Unterkünfte spiegelt sich auch in den von CIR/ecre erhobenen Zahlen wider: Während im Länderreport Stand Mai 2013 von insgesamt 4.007 Plätzen in CDA und CARA die Rede war, waren es ein halbes Jahr später bereits 6.866 Plätze; statt 151 SPRAR standen ausweislich CIR/ecre nun bereits 175 Einrichtungen zur Verfügung. Aufgrund eines im September 2013 erlassenen Dekrets des Innenministeriums soll die SPRAR-Kapazität bis 2016 zudem auf 16.000 Plätze erhöht werden (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen; CIR/ecre, National Country Report Italy). Auch durch die Praxis, insbesondere die CARA entgegen ihrer Zweckbestimmung auch für den längerfristigen Aufenthalt zu nutzen, konnte der Überlastungssituation Rechnung getragen werden, und auch wenn das Notstandsprogramm „Nordafrika“ zwischenzeitlich ausgelaufen ist und (Stand September 2013) nur noch etwa 1.000 Personen („vulnerable Cases“ und Asylbewerber, die Widerspruch eingelegt haben, vgl. AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013) dort lebten, zeigt es doch, dass Italien in der Lage ist, Unterbringungsplätze in erheblichem Umfang zusätzlich zur Verfügung zu stellen, wenn dies durch den Zustrom von Flüchtlingen erneut erforderlich werden sollte. Um bestehende Lücken und Fehlentwicklungen aufzudecken, wurde ferner Ende 2012 im Rahmen des Präsidium-Projekts testweise ein Überwachungssystem in staatlichen Einrichtungen eingeführt (UNHCR, Empfehlungen 2013). Laut Auswärtigem Amt bestanden im öffentlichen System im August 2013 rund 8.000 Plätze in CARA-Aufnahmelagern, die in der Praxis dem längerfristigen Aufenthalt von Asylbewerbern dienen, nahezu 3.000 Plätze in CIE und CDA und über 5.000 Plätze in SPRAR (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013). Laut CIR/ecre, Stand November 2013, bestanden zu diesem Zeitpunkt in CARA, CIE und CPSA insgesamt deutlich weniger, nämlich nur gut 7.500 Plätze, dafür in SPRAR 3.000 reguläre sowie 9.500 zusätzliche Plätze.
69 
Finden Asylsuchende keinen Platz in einer öffentlichen Aufnahmeeinrichtung - sei es, weil die Kapazitäten erschöpft sind, sei es, dass sie etwa als Dublin-Rückkehrer, die bereits vor ihrer Ausreise aus Italien einen Platz in einer Aufnahmeeinrichtung beansprucht hatten, keinen erneuten Zugang zu öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen haben -, bekommen sie in der Praxis keine staatliche (finanzielle) Unterstützung, um sich selbst um eine Unterkunft kümmern zu können; die gesetzliche Regelung, wonach der Asylbewerber im Falle fehlender Unterbringungsmöglichkeiten eine finanzielle Unterstützung erhält, um sich selbst eine Unterkunft zu suchen, ist in der Praxis nicht umgesetzt worden (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Für diesen Personenkreis gibt es kommunale, kirchliche und karitative Einrichtungen etwa der CARITAS, die die Asylantragsteller versorgen, ihnen Unterkunftsplätze besorgen und ihnen medizinischen, rechtlichen und psychologischen Beistand zur Verfügung stellen (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Diese nicht-staatlichen Unterkünfte werden teilweise von der öffentlichen Hand finanziert und sind im Auftrag des Staates tätig. Sie sind bei der Frage, ob die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines Verstoßes gegen Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK aufgrund fehlender Unterbringungsmöglichkeiten besteht, mit einzubeziehen. Denn aus Sicht des Unionsrechts ist lediglich entscheidend, dass tatsächlich eine hinreichende Zahl an Unterkünften besteht; dies aber ist auch dann der Fall, wenn der Staat mit nichtstaatlichen Trägern zusammenarbeitet, die zuverlässig einen Teil der erforderlichen Plätze zur Verfügung stellen.
70 
Darüber, ob das verfügbare - im Übrigen je nach Auskunft deutlich differierende - Zahlenmaterial den tatsächlichen Bestand an Unterkünften widerspiegelt und wenn ja, ob die vorhandenen Unterkünfte ausreichend sind, um den Bedarf zu decken, gehen die Ansichten in den aktuellen Erkenntnismitteln auseinander. Das Auswärtige Amt stellt fest, dass - Stand August 2013 - alle Asylbewerber / Flüchtlinge in öffentlichen Zentren untergebracht werden könnten. Lokalen oder regionalen Überbelegungen stünden freie Kapazitäten in anderen Regionen, etwa in Norditalien, gegenüber, und landesweit seien genügend Plätze vorhanden (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013; mit dem gleichen Tenor auch bereits AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Auch nach Auffassung des UNHCR ist Italien in der Lage, den Aufnahmebedarf jedenfalls einer erheblichen Zahl an Asylsuchenden zu decken (Empfehlungen 2013; ähnlich auch bereits im Gutachten an VG Braunschweig vom 24.04.2012). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe zeichnet ein etwas düstereres Bild und berichtet - Stand Oktober 2013 - davon, zurzeit seien die Kapazitäten der Erstaufnahmezentren CARA ausgeschöpft und neu ankommende Flüchtlinge könnten dort nicht untergebracht werden (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Auch anderen Auskünften lässt sich entnehmen, dass die verfügbaren Plätze immer noch nicht ausreichten und die bestehenden Einrichtungen daher oft deutlich überbelegt seien (CIR/ecre, National Country Report Italy), bzw. dass nicht alle Asylbewerber einen Platz in einer Aufnahmeeinrichtung finden (borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012) oder mitunter aufgrund fehlender Kapazitäten erst nach Wochen oder Monaten Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen bekommen können (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Viele Auskünfte berichten davon, dass Asylbewerber unter schlechten Bedingungen in überfüllten Privatunterkünften, die teilweise in besetzten Häusern eingerichtet worden seien, unterkommen müssten (CIR/ecre, National Country Report Italy) oder obdachlos seien (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.v., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012).
71 
Tatsächlich dürfte eine genaue Ermittlung, ob die vorhandenen Plätze rechnerisch gesehen landesweit ausreichend sind, um den Bedarf an Wohnraum zu decken, nur sehr schwer seriös möglich sein. Insoweit ist nicht nur von Bedeutung, dass die vorhandenen Einrichtungen mitunter deutlich mehr Flüchtlinge aufnehmen als die Anzahl, für die sie ausgelegt sind; so sollen etwa im November 2013 9.771 Asylsuchende in CDA/CARA untergebracht gewesen sein, die nur 6.866 reguläre Plätze boten (CIR/ecre, National Country Report Italy). Auch bedürfte es für die Frage, ob die Anzahl an Plätzen ausreichend ist, belastbarem statistischem Material nicht nur zu der Frage, wie lang die durchschnittliche Belegungszeit eines Platzes in einer Unterkunft ist, sondern auch dazu, wie viele Asylbewerber aus eigenem Antrieb keinen Platz in Anspruch nehmen, sondern entweder untertauchen oder in ein anderes europäisches Land weiterreisen. Belastbare Zahlen gibt es jedoch insoweit nicht (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris). Ferner fehlt es auch an methodisch korrekten statistischen Erhebungen zu der Frage, welcher Prozentsatz an Asylsuchenden tatsächlich Interesse an der Zuweisung einer öffentlichen Unterkunft hätte. Vor diesem Hintergrund haben insbesondere die Prozentzahlen der in öffentlichen Unterkünften untergebrachten Dublin-Rückgeführten, die borderline-europe e.V. (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; hierzu ausführlich OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris) nennt, eine nur sehr begrenzte Aussagekraft. Denn diesen Zahlen lässt sich weder entnehmen, wie viele der Rückgeführten bereits über einen Aufenthaltstitel etwa aufgrund der Zuerkennung subsidiären Schutzes in Italien verfügen (und daher keinen Anspruch mehr auf Aufnahme in eine der Unterkünfte haben), noch, wie viele von ihnen überhaupt Interesse an einem Platz in einer öffentlichen Aufnahmeeinrichtung gehabt hätten. Insoweit wäre im Hinblick auf fehlendes Interesse an einer öffentlichen Unterkunft nicht nur an Rückkehrer zu denken, die auf die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens von vornherein verzichten, sondern auch an solche, die bei ihrem letzten Aufenthalt in Italien bereits ein soziales Netzwerk aufgebaut haben, das sie von öffentlichen Unterkünften unabhängig macht, oder solche, die ein Leben in Rom oder Mailand, wo die Wohnraumkapazitäten bekanntermaßen erschöpft sind, auch um den Preis schlechterer Unterbringungsverhältnisse bewusst einem Aufenthalt in einem anderen Landesteil, in dem ihnen eine Unterkunft zugewiesen werden könnte, vorziehen.
72 
Aber auch wenn unter Zugrundelegung der aktuellen Erkenntnismittel davon auszugehen ist, dass insbesondere in Großstädten wie Rom oder Mailand die vorhandenen Aufnahmekapazitäten in staatlichen wie privat betriebenen Einrichtungen erschöpft und die Unterkünfte überfüllt sind und es daher Asylsuchende gibt, die keinen Platz in einer Unterkunft finden und daher ohne Obdach sind oder unter völlig unzureichenden Wohn- und Lebensverhältnissen leben, lässt sich doch den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht entnehmen, dass dieses Schicksal für Asylbewerber gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachte; vielmehr handelt es sich hierbei um drastische Einzelschicksale, die keiner Verallgemeinerung zugänglich sind (darauf hinweisend auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris, sowie nunmehr VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris). Auf Grundlage der genannten Zahlen von mutmaßlich deutlich mehr als 16.000 Plätzen allein in den öffentlichen Unterkünften ist jedenfalls gegenwärtig nicht (mehr) davon auszugehen, dass im Hinblick auf die Unterbringungssituation dauerhafte erhebliche Missstände vorlägen, aufgrund dessen Asylbewerber quasi typischerweise und in signifikanter Zahl der Obdachlosigkeit überlassen würden (so i.Erg. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/10 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo, geht davon aus, alle Asylbewerber fänden Platz in den öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen).
73 
2.2.3.2 Es lässt sich nach den vorliegenden Auskünften auch nicht davon ausgehen, dass systematische Mängel im Hinblick auf die Schwierigkeiten derjenigen Asylsuchenden, die keinen Platz in einer staatlichen Unterkunft gefunden haben, bestünden bei der Zustellung offizieller Schreiben, etwa ablehnender Asylbescheide. Denn auch wenn für Flüchtlinge außerhalb staatlicher Unterkünfte, insbesondere für Obdachlose, der Zugang offizieller Schreiben typischerweise größeren Schwierigkeiten begegnet als für Flüchtlinge in staatlichen Unterkünften, haben sich auch insoweit Strukturen gebildet, die die Situation der Betroffenen erleichtern. Inzwischen bieten Hilfsorganisationen wie die CARITAS Sammeladressen für Personen ohne festen Wohnsitz an, die gegenüber öffentlichen Stellen verwendet werden und an die Poststücke zugestellt werden können (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Derartige Möglichkeiten „virtueller Wohnsitznahme“ gibt es zwar nur in wenigen Städten Italiens, insbesondere in Rom; da es hier aber auch die größten Engpässe in der Wohnraumversorgung gibt, dürfte Dank des den Behörden bekannten und von ihnen akzeptierten Konzepts der virtuellen Wohnsitznahme jedenfalls im Regelfall die Zustellung von Schreiben an den Empfänger gewährleistet sein.
74 
2.2.3.3 Die vorliegenden Erkenntnismittel lassen auch nicht den Rückschluss darauf zu, dass Asylbewerber infolge unzureichender und unzumutbarer Verhältnisse in den staatlichen bzw. privaten Unterkünften, namentlich etwa aufgrund unhygienischer Zustände oder Gewalttätigkeiten, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind. Dabei wird nicht verkannt, dass es in Unterkünften mit einer Vielzahl von Flüchtlingen unterschiedlicher Nationalität, Religion und kultureller Prägung häufiger als in anderen Bereichen der Gesellschaft zu Konflikten und gelegentlich auch gewaltsamen Übergriffen kommen dürfte, zumal in einer Situation, die oftmals von überstandenen Leiden und ungewisser Zukunft geprägt ist. Es dürfte sich dabei allerdings um ein allgemeines Phänomen in Gemeinschaftseinrichtungen handeln, dem die staatlichen Stellen nur bedingt wirksam entgegenwirken können. Auch ist der Kammer bewusst, dass die Aufnahme-, Unterbringungs- und Lebensbedingungen von Asylbewerbern in Italien regelmäßig nicht mit dem hiesigen Standard vergleichbar sein dürften. Andererseits gibt es keine greifbaren Anhaltspunkte, dass die Zustände in den Unterkünften nicht nur in Einzelfällen, sondern regelhaft unzumutbar und unhaltbar sind, so dass schon unter diesem Gesichtspunkt die Feststellung einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung der Asylbewerber gerechtfertigt erschiene. So wird nach Auskunft des Auswärtigen Amtes von den staatlichen Aufnahmezentren und Einrichtungen Kleidung gestellt, ebenso Wäsche und Hygieneartikel zum persönlichen Gebrauch (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Die Verhältnisse im Einzelnen unterscheiden sich und hängen von den jeweiligen Trägern der Unterkünfte ab (CIR/ecre, National Country Report Italy). Laut Auswärtigem Amt stellen sich die hygienischen Verhältnisse aber nicht regelmäßig oder überwiegend in der Weise dar, dass man ernstlich Gefahr läuft zu erkranken. Es seien durchgehend kleinere Schlafräume in Wohnhäusern oder Containern vorhanden, die auch einer ausreichenden Zahl an Toiletten- und Waschräumen sowie zumeist mit Klimaanlagen und Zentralheizung versehen seien. Die Verpflegung werde vielfach in einem gemeinsamen Speisesaal bereitgestellt. Ferner seien in den Einrichtungen Sozialräume sowie getrennte Räumlichkeiten für medizinische Dienste und Sonderfälle vorhanden. Zur Aufrechterhaltung der Sauberkeit der allgemeinen Räumlichkeiten würden spezielle Reinigungsdienste beschäftigt. Es gebe zwar mitunter gewaltsame Überfälle, hierbei handelt es sich aber um Einzelfälle. Darüber hinaus würden die Aufnahmeeinrichtungen zumindest durch die Polizei oder Carabinieri überwacht und geschützt; wegen auftretender Spannungen zwischen verschiedenen Ethnien seien in manchen Einrichtungen zudem zusätzliche Polizeikräfte postiert worden (vgl. dazu auch OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo).
75 
2.2.3.4 Ist nach den vorliegenden Erkenntnismitteln, wie gesehen, davon auszugehen, dass jedenfalls die meisten Flüchtlinge Platz in einer staatlichen Unterkunft erhalten, so ist dort ihr Lebensunterhalt - wenn auch auf niedrigem Niveau - gesichert. Es lässt sich den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht entnehmen, dass den Flüchtlingen dort entgegen der Gesetzeslage keine Kleidung, Nahrung oder Hygieneartikel zur Verfügung gestellt würden.
76 
Nach Auskunft des Auswärtigen Amts (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012) werden auch diejenigen Flüchtlinge, die außerhalb staatlicher Einrichtungen, etwa in karitativen oder kirchlichen Unterkünften, leben, teilweise unter Einbeziehung privater Dienstleister, mit Nahrung und Kleidung versorgt. Dagegen berichtet etwa borderline-europe (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012), Asylsuchende, die in keinem Zentrum untergebracht seien, erhielten weder Sach- noch Geldleistungen zur Abdeckung ihrer Grundbedürfnisse wie Nahrung oder Kleidung. Geklärt sein dürfte jedoch, dass für diese Gruppe der Flüchtlinge Hilfsorganisationen die notwendige grundlegende Versorgung der bei ihnen lebenden Flüchtlinge übernehmen. Auch für diesen Personenkreis dürfte daher nicht festzustellen sein, dass dieser regelhaft in einem menschenrechtlichen Mindeststandards widersprechenden Zustand leben müsse. Dies schließt es nicht aus, dass einzelne Asylbewerber in prekären Verhältnissen extremer Armut und Obdachlosigkeit leben; dieser Umstand ist aber für die Annahme, der Kläger werde im Falle seiner Überstellung nach Italien ernstlich der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK ausgesetzt sein (vgl. dazu auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, juris), nicht ausreichend.
77 
2.2.3.5 Schließlich ist nach aktueller Auskunftslage auch nicht davon auszugehen sein, dass Flüchtlinge regelhaft von medizinischen Leistungen ausgeschlossen sind.
78 
Zwar mag es im Einzelfall auch bei Bewohnern öffentlicher Unterkünfte - sei es durch fehlende Informationen, sei es durch fehlerhaft arbeitende oder überlastete Verwaltungen - zu Schwierigkeiten kommen, in den Besitz einer Gesundheitskarte zu gelangen. Dies ist aber offenbar der Ausnahmefall.
79 
Für Asylbewerber, auch Dublin-Rückkehrer, die keinen festen Wohnsitz vorweisen können, hat dieser Umstand allerdings Konsequenzen. Der Erhalt der Gesundheitskarte ist an das Erfordernis eines festen Wohnsitzes geknüpft. Während das Auswärtige Amt davon ausgeht, es genüge insoweit die Angabe des Asylbewerbers, berichtet borderline-europe (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012), die Anmeldung eines Wohnsitzes werde durch die Behörde überprüft. Die Associazione per gli Studi Giuridici sull’Immigrazione (Asylbewerber in Italien, Bericht vom 20.11.2012) berichtet darüber hinaus davon, viele Flüchtlinge würden aufgrund von bürokratischen und restriktiven Interpretationen seitens der Gemeinden nicht im Einwohnermelderegister eingetragen. Selbst wenn dies so wäre, führte dieser Umstand jedoch nicht dazu, dass diese Flüchtlinge vom Erhalt der Gesundheitskarte ausgeschlossen würden. Denn vor allem in Rom - wo die Wohnungsnot, wie gesehen, und daher auch der Anteil der nicht in öffentlichen Unterkünften untergebrachten Flüchtlinge vermutlich am größten ist - besteht, wie bereits erwähnt, die Möglichkeit einer von den Behörden anerkannten, durch Hilfsorganisationen wie die CARITAS zur Verfügung gestellten „virtuellen Wohnsitznahme“ (borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. dazu auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Davon abgesehen ist jedenfalls die medizinische Notfallversorgung in Italien auch ohne Gesundheitskarte gewährleistet.
80 
2.2.3.6 Vor diesem Hintergrund lässt sich trotz nach wie vor bestehender Defizite in den Aufnahmebedingungen und auch unter Berücksichtigung der gravierenden Folgen, die das Fehlen einer zumutbaren Unterkunft für den hiervon Betroffenen im Einzelfall hat, nicht feststellen, dass die bestehenden Engpässe und Mängel die Funktionsfähigkeit des Aufnahmesystems insgesamt in Frage stellen und so gravierend sind, dass sie das Asylverfahren regelhaft seiner Funktion berauben.
81 
2.3 Im Ergebnis lässt sich daher auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnismittel feststellen, dass Asylsuchende, die nach den Regelungen der Dublin-II-Verordnung nach Italien überstellt werden sollen, derzeit jedenfalls dann, wenn in ihrer Person keine besonderen (etwa gesundheitlichen) Gründe gegeben sind, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer durch das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen verursachten unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh rechnen müssen. Dies scheint der Auffassung des UNHCR zu entsprechen, der sich - anders als seinerzeit im Falle Griechenlands - trotz deutlicher Worte in Bezug auf bestehende Defizite und Mängel im italienischen Asyl- und Aufnahmesystem nicht veranlasst gesehen hat, sich gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien auszusprechen.
82 
Vorliegend aber sind keine besonderen Umstände des Einzelfalles ersichtlich, die befürchten ließen, dass gerade dem Kläger in Italien entgegen der allgemeinen Lageeinschätzung eine mit Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK nicht vereinbare Behandlung drohte. Der Kläger hat nach seiner Ankunft in Italien die Möglichkeit, einen Asylfolgeantrag zu stellen. Bis zum Abschluss dieses Verfahrens hat er, da er nach eigenen Angaben während des Asylerstverfahrens nie einen Platz in einer Unterkunft zugewiesen bekommen hat, die Möglichkeit, in einer öffentlichen Einrichtung unterzukommen, wo neben der Unterkunft auch Essen, Bekleidung und sonstige persönliche Bedürfnisse sichergestellt sind. Sollte sich der Kläger dagegen dafür entscheiden, nach seiner Rückkehr keinen erneuten Asylantrag zu stellen, bestünden zu seinen Gunsten - nachdem das Asylerstverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist - keine Verfahrensgarantien nach der Genfer Flüchtlingskonvention, und auch die Aufnahmerichtlinie (RL 2003/9/EG) fände auf ihn gemäß Art. 3 Abs. 1 keine Anwendung (mehr). Er wäre vielmehr, wenn sein Aufenthalt nicht behördlicherseits legalisiert wird, verpflichtet, Italien zu verlassen, und hätte keinen Anspruch auf Unterstützung mehr (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Kommt er seiner Ausreisepflicht nicht nach, kann er kein Mehr an Unterstützung verlangen, als dies italienischen Staatsangehörigen zuteil wird. Ein staatliches Sozialhilfesystem aber existiert in Italien nur sehr eingeschränkt; vielmehr sind auch italienische Staatsangehörige grundsätzlich verpflichtet, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen, was naturgemäß mit Schwierigkeiten verbunden, für einen gesunden, arbeitsfähigen Mann wie den Kläger aber, wie er bereits bei seinem ersten Aufenthalt in Italien bewiesen hat, nicht unmöglich ist. Der Umstand, dass es in Italien anders als in Deutschland kein System staatlicher Unterstützung auch für ausreisepflichtige, jedoch tatsächlich noch nicht abgeschobene Ausländer gibt, reicht, nachdem, wie bereits gesehen, aus Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh nicht die Verpflichtung erwächst, jemandem finanzielle Unterstützung zu gewähren, um ihm einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen, nicht für die Annahme aus, der Kläger werde im Falle seiner Überstellung nach Italien ernstlich der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh ausgesetzt sein.
III.
83 
Die Abschiebungsanordnung in Ziff. 2 des angefochtenen Bescheides ist hiernach ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen nach § 27a AsylVfG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies ist der Fall, nachdem Italien keine Einwände gegen seine Zuständigkeit erhoben hat und der Abschiebung keine relevanten Hindernisgründe entgegenstehen.
84 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Das Gericht sieht von einem Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach Ermessen ab.

Gründe

 
A.
14 
Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß §§ 40, 42 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Denn mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 25.08.2011 hat die Beklagte den Asylantrag des Klägers unter Bezugnahme auf § 27a AsylVfG für unzulässig erklärt und auf der Grundlage des § 34a AsylVfG seine Abschiebung nach Italien angeordnet. Für die Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage - gerichtet auf das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen - besteht kein Raum. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig unter Berufung auf die fehlende Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre trotz fehlender Sachprüfung durch das Bundesamt nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Folglich ist im Falle des § 27a AsylVfG - wie auch in Konstellationen einer Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens nach § 33 Abs. 1 AsylVfG (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 05.09.2013 - 10 C 1/13 -, juris; Urteil vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 -, juris) - nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt vorbehalten (so auch VG Stuttgart, Urteil vom 20.09.2012 - A 11 K 2519/12 -, juris; Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K 383/14 -; VG Karlsruhe, Urteil vom 03.03.2010 - A 4 K 4072/08 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Nieders., Beschluss vom 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -, juris, sowie jüngst VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; a.A. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris).
B.
15 
Die Klage ist jedoch unbegründet. Das Bundesamt ist im angefochtenen Bescheid vom 25.08.2011 zu Recht davon ausgegangen, dass nicht die Bundesrepublik Deutschland für die Prüfung des am 12.04.2011 gestellten Asylantrages des Klägers zuständig ist, sondern die Republik Italien, und hat daher auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet.
I.
16 
Gemäß Art. 49 (Abs. 2) der Dublin-III-Verordnung 604/2013/EU ist für vor dem 19.07.2013 in Deutschland gestellte (Alt-)Anträge auf internationalen Schutz (i.S. von Art. 2 lit. h QRL: Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiären Schutzes) weiterhin die Dublin-II-Verordnung 343/2003/EG (- Dublin-II-VO -) anwendbar. Nach den hiernach anwendbaren Regelungen der Dublin-II-VO ist Italien für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers auch dann zuständig, wenn das von ihm nach eigenen Angaben im Jahr 2011 in Lecce eingeleitete Asylverfahren, wie er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, rechtskräftig abgeschlossen worden ist; insoweit ergibt sich eine Zuständigkeit der italienischen Behörden für die Prüfung des klägerischen Asyl(-folge-)antrags aus Art. 16 Abs. 1 e) Dublin-II-VO, nachdem diese innerhalb der Frist des Art. 20 Abs. 1 c) Dublin-II-VO keine Antwort erteilt haben.
17 
Die Zuständigkeit Italiens ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Beklagte übergegangen. Nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin-II-VO geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag gestellt wurde, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wird. Das knüpft an Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO an, welcher (u.a.) bestimmt, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf erfolgt, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Diese Frist ist hier noch nicht abgelaufen, wobei es maßgeblich auf die zweite Alternative der Regelung ("oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf") ankommt. Denn solange die Vollziehung der Überstellung - wie es vorliegend ausnahmsweise der Fall ist - weiter ausgesetzt ist, ist insoweit entscheidend auf die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzustellen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 -, juris).
II.
18 
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO ausübt.
19 
1. Ein Hauptzweck der Verordnung VO (EG) Nr. 343/2003 besteht, wie aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 hervorgeht, in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaates, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden. Allerdings kann abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-II-VO gemäß Absatz 2 der Vorschrift jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen.
20 
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (grundlegend Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u. C-493/10, N.S. u.a. -, juris sowie Slg. 2011, I-13905) kann ein Mitgliedstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet sein, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen (vgl. zum Folgenden auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris; Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - OVG 7 S 58.13 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, juris). Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) aus.
21 
1.1 Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtscharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten haben bei der Ausübung ihres Ermessens diese Grundsätze daher zu beachten. Im Rahmen seiner Ermessensausübung kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen; es gilt insoweit das sog. Prinzip gegenseitigen Vertrauens beziehungsweise normativer Vergewisserung (dazu grundlegend BVerfG, Urteil vom 15.05.1996 - 2 BvR 1938/93 -, juris). Daraus folgt die Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat stehe in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.). Ein Ausländer, der in einen sicheren Drittstaat zurück verbracht werden soll, kann infolgedessen entsprechend dem Konzept normativer Vergewisserung den Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor einer politischen Verfolgung oder sonstigen schwerwiegenden Beeinträchtigungen in seinem Herkunftsstaat grundsätzlich nicht mit der Begründung einfordern, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt würden (BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 -, juris).
22 
1.2 Die Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat stehe in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, ist jedoch nicht unwiderleglich. Nicht ausgeschlossen werden kann nämlich, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.).
23 
Eine Widerlegung der Vermutung wurde vom EuGH mit Blick auf die gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems indes an hohe Hürden geknüpft. Nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der Dublin-II-VO und nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts - wie etwa von Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK - durch den zuständigen Mitgliedstaat vermag die Überstellung eines Asylbewerbers an den laut Dublin-II-VO eigentlich zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln und das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage zu stellen. Das Zuständigkeitssystem ist nach der Rechtsprechung des EuGH vielmehr nur dann auszusetzen, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.; Urteil vom 10.12.2013 - C-394/12 -, juris; Urteil vom 14.11.2013 - C 4/11 -, juris). Diese Rechtsprechung ist auch in die Neufassung von Art. 3 Abs. 2 VO (EU) Nr. 604/2013 (v. 26.06.2013 - Dublin-III-VO) eingeflossen.
24 
Die sich aus dieser EuGH-Rechtsprechung ergebenden Anforderungen an das deutsche verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -, juris) dahingehend zusammengefasst, dass sich der Tatrichter im Rahmen der Amtsermittlung zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen muss, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. (Nur) dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus.
25 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 -, NVwZ 2011, 413) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da Asylbewerber dort systematisch ohne Angabe von Gründen in Haftzentren untergebracht würden. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden. Art. 3 EMRK allein verpflichte die Vertragsstaaten zwar nicht, Flüchtlinge in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen, sie finanziell zu unterstützen oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Etwas anderes gilt aber ausweislich des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie -), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen (so nun auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris).
26 
Aus dem Gesagten ergibt sich: Eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK liegt im Hinblick auf die Asylverfahren nur dann vor, wenn mit Blick auf das Gewicht und Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieses Grundrechts mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit die reale, nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass dem Betroffenen in dem Mitgliedstaat, in den er als den nach der Dublin-II-VO „zuständigen“ Staat überstellt werden soll, schon der Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt oder massiv erschwert wird, dass das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet oder dass der Betroffene während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbarer Weise befriedigen kann.
27 
2. Trotz der in Teilen weiterhin defizitären Umsetzung der in Italien bestehenden asylrelevanten Regelungen durch die italienischen Behörden und der nach wie vor bestehenden Mängel in Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern in Italien sind zur Überzeugung der Kammer auf der Grundlage einer ausführlichen Auswertung der vorliegenden Erkenntnismitteln (vgl. zum Folgenden AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2011; Consiglio Italiano per i Rifugiati / European Council on Refugees and Exiles, Asylum Information Database, National Country Report Italy, Mai 2013, Update November 2013, verfügbar unter http://www.asylumineurope.org/files/report-download/italy_aida_report_first_update_final_dec13.pdf - CIR/ecre, National Country Report Italy -; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013; Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, 07/2013 - UNHCR, Empfehlungen 2013 -; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; Associazione per gli Studi Giuridici sull’Immigrazione, Die derzeitige Situation von Asylbewerbern in Italien, 20.11.2012 - ASGI, Asylbewerber in Italien -) zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die strengen Voraussetzungen, die nach dem oben Gesagten für die Annahme einer Eintrittspflicht der Beklagten erfüllt sein müssten, nicht gegeben. Es steht nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und / oder die Aufnahmebedingungen in Italien derart grundlegende Mängel aufweisen, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an Italien im Rahmen der Dublin-II-Verordnung überstellten Asylbewerber zu erwarten steht (in diesem Sinne auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo; Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 20 A 10656/13 -, juris; OVG Nieders., Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 -, juris; Beschluss vom 18.03.2014 - 13 LA 75/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris).
28 
Denn Italien verfügt über ein ausdifferenziertes Asylverfahrensrecht und konkrete Regelungen betreffend die Aufnahme von Flüchtlingen (2.1). Auch wenn die diesbezüglichen Regelungen in der Praxis mitunter defizitär angewendet werden, sind die hierbei zutage tretenden Mängel jedenfalls gegenwärtig nicht von einer Tragweite, die das Vorliegen systemischer Mängel implizierte (2.2).
29 
Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob die Anforderungen an das Vorliegen systemischer Mängel in den Fällen, in denen der Betroffene - wie hier der Kläger - in dem nach der Dublin-Verordnung zuständigen Staat bereits ein Asylverfahren durchlaufen hat, sogar noch strengere Anforderungen zu stellen sind (in diese Richtung VG Potsdam, Beschluss vom 14.11.2013 - 6 L 767/13.A -, juris).
30 
2.1. Das italienische Rechtssystem sieht ein ausdifferenziertes Asylverfahren vor. Die italienische Verfassung kennt ein Grundrecht auf Asyl (Art. 10 Abs. 3); daneben bestehen verschiedene Einwanderungs- und Asylverfahrensgesetze. Die gesetzlichen Regelungen gelten auch für - hier relevante und daher zuvörderst in die Betrachtungen einzubeziehende - Überstellungen nach der Dublin-II-Verordnung; Besonderheiten bestehen insoweit nicht (AA, Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2011; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
31 
2.1.1 Das Asylverfahren läuft in mehreren Schritten ab:
32 
2.1.1.1 Asylgesuche werden beim Polizeipräsidium (questura) oder bei dem Grenzschutz (polizia di frontiera) entgegengenommen; eine inhaltliche Überprüfung des Gesuchs, das an keine Form gebunden ist, findet nicht statt (ASGI, Asylbewerber in Italien). Im Zusammenhang mit der Stellung des Schutzersuchens findet eine erkennungsdienstliche Behandlung (fotosegnalamento) statt (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Antragsteller, deren Anträge vom Grenzschutz aufgenommen worden sind, erhalten ein Schreiben, in dem sie an die zuständige „Questura“ weiterverwiesen werden (verbale di invito).
33 
2.1.1.2 Die förmliche Erfassung des Asylantrags (verbalizzazione) mittels „C3-Formular“ (verbale) erfolgt durch die örtlich zuständige „Questura“, die dem Asylsuchenden eine Bescheinigung über den Erstantrag sowie eine Aufenthaltserlaubnis (permesso di soggiorno) ausstellt (CIR/ecre, National Country Report Italy; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Eine gesetzliche Frist, innerhalb derer die Verbalizzazione zu erfolgen hat, existiert nicht (CIR/ecre, National Country Report Italy). Außerdem soll der Asylbewerber dort mit einer Informationsbroschüre in einer nach Möglichkeit für den Asylbewerber verständlichen Sprache über den Gang des Asylverfahrens, seine Rechte und Pflichten und den Zugang zum Gesundheitssystem informiert werden (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Ferner ist dem Asylsuchenden in jeder Phase des Asylverfahrens der Kontakt zum UNHCR und Nichtregierungsorganisationen zu ermöglichen (CIR/ecre, National Country Report Italy).
34 
2.1.1.3 Nach der Verbalizzazione wird der Fall an die jeweilige für die Region verantwortliche, dem Innenministerium unterstehende Kommission (Commissione territoriale per il riconoscimento dello status di rifugiato) übergeben, deren Mitglieder sich aus zwei Bediensteten des Innenministeriums, einem Vertreter einer lokalen Behörde (Kommune, Provinz oder Region) sowie einem UNHCR-Vertreter zusammensetzen (UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Bestandteil des Verfahrens ist eine nicht-öffentliche persönliche Anhörung des Asylbewerbers, die laut Gesetz innerhalb von 30 Tagen stattfinden soll und zu der ein Dolmetscher hinzugezogen wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). In bestimmten Fällen (etwa offensichtlich begründeter Asylanträge) findet ein beschleunigtes Verfahren statt (esame prioritario). Die abschließende Entscheidung soll binnen drei, im beschleunigten Verfahren binnen zwei Tagen nach der Anhörung ergehen.
35 
Während des Asylverfahrens haben die Asylbewerber Anspruch auf sprachliche und kulturelle Übersetzungsdienste. Sie haben das Recht, sich auf eigene Kosten von einem Rechtsanwalt beraten und vertreten zu lassen (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; ASGI, Asylbewerber in Italien).
36 
2.1.1.4 Gegen einen ablehnenden Bescheid können Asylbewerber innerhalb von 30 Tagen, Bewohner von CIE (Centro di Identificazione ed Espulsione) und CARA (centro die accoglienza per richiedenti asilo) grundsätzlich innerhalb von 15 Tagen nach Zustellung durch das hierfür zuständige Polizeipräsidium (questura) vor einem ordentlichen Gericht (Tribunale Ordinario) Widerspruch einlegen. Der Widerspruch hat grundsätzlich aufschiebende Wirkung; entfällt im Ausnahmefall, etwa bei als unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylanträgen, die aufschiebende Wirkung, kann der Antragsteller bei Gericht das Aussetzen der Rechtswirkung der erstinstanzlichen ablehnenden Entscheidung beantragen (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). Bestandteil des gerichtlichen Verfahrens ist eine (nicht-öffentliche) Anhörung des Asylbewerbers (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013). Das Gesamtverfahren einschließlich Widerspruch gegen einen ablehnenden Bescheid soll nicht länger als sechs Monate dauern (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
37 
2.1.1.5 Gegen die erstinstanzliche Entscheidung ist der Instanzenweg (Berufung, Revision) eröffnet (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012); insoweit findet keine automatische Aussetzung der Wirksamkeit der richterlichen Entscheidung statt, eine solche kann jedoch auf Antrag vom angerufenen Gericht gewährt werden (ASGI, Asylbewerber in Italien).
38 
2.1.1.6 Während des Gerichtsverfahrens besteht die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe; diese ist vom Nachweis der Vermögensverhältnisse sowie der Prüfung der Erfolgsaussichten des Prozesses durch das zuständige Gericht abhängig (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; ASGI, Asylbewerber in Italien).
39 
2.1.1.7 Asylbewerber haben die Möglichkeit, nach negativem Abschluss ihres Asylverfahrens bei der Questura einen Folgeantrag zu stellen. Dieser wird nach der Verbalizzazione von derjenigen Commissione territoriale, die auch für den Erstantrag zuständig war, daraufhin überprüft, ob der Asylantragsteller neue Gesichtspunkte betreffend seine eigene Person oder die Umstände im Heimatland vorbringt. Ist dies nicht der Fall, wird der Asylfolgeantrag als unzulässig abgelehnt; gegen die Ablehnungsentscheidung steht der Rechtsweg einschließlich der Möglichkeit des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes offen (CIR/ecre, National Country Report Italy). Andernfalls tritt die Commissione territoriale in eine erneute Prüfung ein. Hierfür enthält das italienische Recht keine besonderen Vorschriften, vielmehr gelten die gleichen gesetzlichen Regelungen und Verfahrensgarantien wie für das Asylerstverfahren (CIR/ecre, National Country Report Italy; zur Möglichkeit, in Italien einen Folgeantrag zu stellen, vgl. auch VG Minden, Urteil vom 20.01.2014 - 10 K 1096/13.A -, juris; VG Aachen, Beschluss vom 03.04.2014 - 7 L 165/14.A -, juris).
40 
2.1.2 Auch hinsichtlich der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende enthält das italienische Recht umfangreiche Regelungen.
41 
2.1.2.1 Im Hinblick auf die Unterbringung von Asylbewerbern ist geregelt, dass diese, falls sie nicht selbst ihren Lebensunterhalt für sich und ihre Familienangehörigen finanzieren können, einen entsprechenden Antrag stellen können, der von der Präfektur (prefettura) bearbeitet wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). Die Präfektur weist den Asylbewerbern dann Plätze zu.
42 
Italien verfügt über unterschiedliche Unterbringungsmodalitäten für Asylbewerber (ausführlich dazu borderline-europe e.v., Gutachten an VG Darmstadt, 12/2012; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; CIR/ecre, National Country Report Italy). CARA-Erstaufnahmeeinrichtungen (centro di accoglienza per richiedenti asilo) sind von Gesetzes wegen nur für den vorübergehenden (maximal 35 Tage) Aufenthalt von Asylbewerbern mit ungeklärter Identität in erster Linie zum Zwecke der Identitätsklärung vorgesehen (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013); ähnliche Funktionen erfüllen CIE (Centro die identificazione ed espulsione). Daneben gibt es CDAs (Centro di accoglienza per Richiedenti Asilo), die ebenfalls Erstaufnahmeeinrichtungen sind und dem kurzfristigen Aufenthalt u.a. auf dem Staatsterritorium aufgegriffenen Migranten dienen. CSPA (Centro di Soccorso e Prima Accoglienza) dienen nur der Aufnahme von Bootsflüchtlingen. Für den längerfristigen (normalerweise bis zu 6-monatigen) Aufenthalt von Asylbewerbern vorgesehen sind die Unterkunftsplätze in SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e rifugiati), einem Netzwerk von durch Kommunen, Kirchen, kirchliche Einrichtungen sowie sonstige Hilfsorganisationen betriebenen Unterkünften, das seine Grundlage in einer Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium, den Kommunen und den beteiligten nichtstaatlichen Organisationen hat.
43 
Ist in diesen Unterkünften kein Platz vorhanden, sieht das Gesetz vor, dass den Asylbewerbern bis zum Freiwerden eines Platzes finanzielle Unterstützung gewährt wird.
44 
Zugang zu den Einrichtungen besteht für Asylbewerber von Gesetzes wegen bereits ab dem Zeitpunkt des Asylgesuchs (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). In den Erstaufnahmeeinrichtungen (CARA, CDA, CSPA) werden den Asylbewerbern Essen, Unterkunft, Kleidung, erste Hilfe sowie grundlegende Informationen gewährt (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013); SPRARs sind besser ausgestattet und gewähren darüber hinaus etwa Dolmetscherdienste und Gesundheitsfürsorge (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Daneben wird den Asylbewerbern ein Taschengeld für persönliche Bedürfnisse gezahlt, das in CARA 2,50 Euro/Tag beträgt und in SPRAR in unterschiedlicher Höhe von etwa 2,00 Euro/Tag gewährt wird (CIR/ecre, National Country Report Italy). Unterstützungsleistungen können durch die Präfektur gestrichen werden, wenn sich der Asylberechtigte nicht in die zugewiesene Unterkunft begibt oder diese unerlaubt verlässt; hiergegen ist Rechtsschutz möglich (CIR/ecre, National Country Report Italy).
45 
Wird das Asylverfahren nicht binnen sechs Monaten abgeschlossen, erhalten Asylbewerber im Anschluss an ihren zunächst auf sechs Monate befristeten Aufenthaltstitel einen erneuten Aufenthaltstitel, der ihnen die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme gewährt und bis zum Ende des Asylverfahrens verlängert wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013). Unterbringung und Versorgungsleistungen werden ebenfalls entsprechend verlängert (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
46 
Legt der Asylbewerber Rechtsmittel gegen die Ablehnung seines Asylantrags ein, wird seine Aufenthaltserlaubnis verlängert (ASGI, Asylbewerber in Italien). Allerdings muss er die Aufnahmeeinrichtung verlassen, wenn er arbeitsfähig ist (borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012).
47 
Haben Dublin-Rückkehrer bereits während ihres ersten Asylverfahrens Platz in einer Aufnahmeeinrichtung gefunden, steht ihnen kein Recht zu, nach ihrer Rückführung nach Italien bis zum Abschluss des Asylerstverfahrens erneut dort untergebracht zu werden; dies schließt es nicht aus, dass sie bei freien Kapazitäten einen Platz etwa in einem SPRAR erhalten (CIR/ecre, National Country Report Italy; borderline-europe e.v., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2102). Gleiches gilt für Folgeantragsteller (CIR/ecre, National Country Report Italy).
48 
2.1.2.2 Asylbewerber sind vom Zeitpunkt der Registrierung ihres Asylgesuchs zusammen mit ihren Familienmitgliedern über die gesetzliche Krankenversicherung versichert und sind italienischen Staatsbürgern gleichgestellt; sie haben Anspruch auf kostenlose Gesundheitsversorgung (CIR/ecre, National Country Report Italy). Hierfür ist die Anmeldung mit Aufenthaltstitel, der Steuernummer sowie einer festen Adresse beim nationalen Gesundheitsdienst (Servizio Sanitario Nazionale) erforderlich, welcher einen zur ambulanten oder stationären Behandlung berechtigenden Gesundheitsausweis ausstellt (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Diese kostenfreie medizinische Versorgung steht auch Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft wohnen (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
49 
2.1.2.3 Zur Durchsetzung einer Unterbringung und Mindestversorgung besteht möglicherweise (genau ist dies den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht zu entnehmen) prinzipiell die Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten in Anspruch zu nehmen (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Einen gerichtlich durchsetzbaren Rechtsanspruch (etwa mittels einstweiliger Anordnung) auf einen Unterbringungsplatz gibt es indes nicht (AA, Auskunft an VG Minden vom 24.05.2013), und auch im Übrigen gibt es jedenfalls keine Informationen darüber, dass von Asylbewerbern Rechtsschutz zur Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Mindestversorgung in Anspruch genommen worden wäre (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012).
50 
2.1.2.4 Im Falle einer Abschiebung werden abgelehnte Asylbewerber zunächst aufgefordert, das Land zu verlassen; geschieht dies nicht, werden sie in eine Abschiebhaftanstalt verbracht. Vor der Abschiebung muss ein Richter auf Grundlage eines Gesprächs mit dem Häftling die Rechtmäßigkeit des Ausreisebescheids prüfen. Dem Häftling wird bei diesem Gespräch ein Rechtsanwalt und ein Dolmetscher zur Seite gestellt. Ferner besteht in der Abschiebehaft die Möglichkeit, rechtliche Informationen einzuholen und an Sprachkursen teilzunehmen. Psychologischer sowie ärztlicher Beistand werden gewährleistet (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012).
51 
2.1.3 Aus dieser Darstellung ergibt sich, dass die rechtlichen Regelungen, das Asylverfahren und die Aufnahme von Asylbewerbern betreffend, in Italien den an sie zu stellenden Anforderungen durchweg gerecht werden. Diese Bewertung steht in Übereinstimmung mit der aktuellen Erkenntnismittellage. Auch wenn hier die tatsächliche Situation mitunter sehr kritisch beurteilt wird, werden die bestehenden gesetzlichen Vorgaben nur vereinzelt und nur im Hinblick auf vergleichsweise wenig gewichtige Punkte - etwa recht kurze Rechtsmittelfristen (vgl. dazu etwa CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien) - kritisiert. Es besteht daher keinerlei Anlass für die Annahme, bereits die rechtlichen Rahmenbedingungen implizierten systemische Mängel, aufgrund derer anzunehmen wäre, dass dort dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Italien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohe.
52 
2.2 Die rechtlichen Vorgaben werden in der Praxis jedoch nicht durchgängig eingehalten. Vielmehr verweisen etwa der UNHCR, die Schweizerische Flüchtlingshilfe, borderline-europe e.V., der European Council on Refugees and Exiles und das Consiglio italiano per i Rifugiati, in abgeschwächter Form auch das Auswärtige Amt auf verschiedene Mängel sowohl betreffend den Zugang Asylsuchender zum Asylverfahren und dessen Ablauf als auch betreffend die Aufnahmebedingungen, insbesondere die Unterbringung und (gesundheitliche) Versorgung der Asylbewerber in Italien.
53 
Rückblickend gesehen war das italienische Aufnahmesystem jedenfalls auf die erheblichen Flüchtlingsströme in den Jahren 2008 und 2011 nicht hinreichend vorbereitet; es gibt gravierende Hinweise darauf, dass in dieser Zeit wiederholt Asylbewerber ohne Prüfung ihres Asylbegehrens oder während noch laufender Rechtsmittelfristen und damit unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot in ihre Herkunftsländer abgeschoben wurden und ferner viele Asylbewerber in Italien keinen Zugang zu den völlig überlasteten Unterkünften hatten, der Obdachlosigkeit anheimfielen und keinerlei staatliche Unterstützung, etwa im Hinblick auf Nahrung und Kleidung oder Zugang zu medizinischer Versorgung, erlangen konnten (vgl. dazu etwa SFH, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, 05/ 2011; Bethke/Bender, „Zur Situation von Flüchtlingen in Italien“, 02/2011; Norwegian Organization für Asylum Seekers, The Italian approach to asylum: System and core problems“, 04/2011, sowie weitere, von der Kammer im Beschluss vom 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 -, juris zitierte Quellen). Dem entspricht es, wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung berichtet hat, er habe während der Durchführung des Asylerstverfahrens zu keinem Zeitpunkt staatliche Unterstützung in irgend einer Form erhalten, ihm sei insbesondere nie ein Platz in einer Unterkunft zugewiesen worden, und er sei nur deshalb nicht obdach- und völlig mittellos gewesen, weil er auf eigene Initiative bei Landsleuten habe unterkommen und für diese zeitweise gegen Unterkunft und Mahlzeiten habe arbeiten und eine Adresse für die behördliche Erreichbarkeit habe angeben können.
54 
Die italienischen Behörden haben auf die teilweise chaotischen Zustände zwischenzeitlich jedoch, etwa durch Verbesserungen im Verfahren oder auch die massive Erweiterung der zur Verfügung stehenden Unterkünfte (dazu im Einzelnen s.u.), reagiert. Auch die gegenwärtige Situation weist Mängel wie administrative Hürden, zeitliche Verzögerungen sowie Engpässe bei den Unterkünften auf, die allerdings als weniger schwerwiegend einzustufen sind und die Schwelle zum systemischen Mangel weder für sich genommen noch im Zusammenspiel überschreiten. Vielmehr ist in der Gesamtschau des vorliegenden Erkenntnismaterials davon auszugehen, dass das Asyl- und Aufnahmeverfahren im wesentlichen richtlinienkonform verläuft und grundsätzlich funktionsfähig ist und dabei insbesondere hinreichend sicherstellt, dass im Rahmen des Dublin-Verfahrens rücküberstellte Asylbewerber, die, wie der Kläger, nicht etwa aufgrund Alters, gesundheitlicher Beeinträchtigungen oder sonstiger besonderer in ihrer Person liegender Umstände besonders schutzwürdig sind, bei normalem Verlauf der Dinge nicht mit schwerwiegenden Verstößen oder Rechtsbeeinträchtigungen im Sinne von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh rechnen müssen.
55 
Im Einzelnen:
56 
2.2.1 In jüngerer Zeit sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013) keine Fälle mehr bekannt geworden, in denen Flüchtlingen und Asylsuchenden die Einreise nach Italien oder der Aufenthalt in Italien verweigert worden oder Flüchtlinge und Asylsuchende ohne die Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen, in ihren Herkunftsstaat oder ein Drittland zurückgeführt worden wären; auch sind dem Auswärtigen Amt keine Fälle neueren Datums bekannt, in denen Asylbewerber trotz laufender Asylverfahren abgeschoben worden wären. Jedenfalls gegenwärtig lässt sich daher nicht mehr feststellen, dass in Italien der Anspruch Schutzsuchender auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens generell oder auch nur regelmäßig vereitelt würde (OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo). Ebenso wenig lässt sich den vorliegenden Erkenntnismitteln entnehmen, dass Asylbewerbern nach erfolglosem Abschluss ihres Asylerstverfahrens die Stellung eines Asylfolgeantrags verweigert worden wäre.
57 
2.2.2 Eine Feststellung, die in den vorliegenden Erkenntnismitteln fast durchgängig bemängelt wird, ist die oftmals lange Verfahrensdauer. Diese rechtfertigt jedoch gegenwärtig nicht (mehr) die Feststellung systemischer Mängel.
58 
2.2.2.1 Das Asylverfahren dauert in vielen Regionen regelmäßig etwa 6 bis 10 Monate, während die gesetzlichen Vorgaben vorsehen, dass die Anhörung des Asylbewerbers binnen 30 Tagen erfolgen, die behördliche Entscheidung binnen weiterer 3 Tagen ergehen soll (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Dieser Umstand hat indes auf die Asylbewerber regelmäßig keine gravierenden Auswirkungen, weil auch Unterbringung und Versorgungsleistungen sowie der Aufenthaltstitel entsprechend verlängert werden (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
59 
2.2.2.2 Anders ist dies, wenn sich die Ausstellung der Verbalizzazione verzögert.
60 
2.2.2.2.1 Vom Asylgesuch bis zur Ausstellung der Verbalizzazione dauert es nach einhelliger Erkenntnislage (etwa CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013) nach wie vor oftmals mehrere Wochen, mitunter, insbesondere in größeren Städten wie Rom oder Mailand, auch mehrere Monate. Diese Verzögerung beruht mitunter auf fehlenden personellen Kapazitäten. Etwa in Mailand oder Rom liegt sie aber auch darin begründet, dass die dortigen Questure systematisch eine Wohnbestätigung oder den Nachweis einer Adresse als Voraussetzung für die Einreichung eines Asylgesuchs verlangen (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013), eine (gesetzlich nicht vorgesehene) Anforderung, die Asylbewerber mitunter nur dann erfüllen können, wenn ihnen Nichtregierungsorganisationen „virtuelle“ Adressen zur Verfügung stellen oder sie Leute dafür bezahlen, dass diese ihnen eine (fiktive) Wohnbestätigung ausstellen (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Diese Wartezeit bis zur Ausstellung der Verbalizzazione führt zu erheblichen Schwierigkeiten für die Asylbewerber. Denn in der Zwischenzeit haben sie Anspruch nur auf medizinische Notfallversorgung (CIR/ecre, National Country Report Italy). In der Praxis haben sie ferner vor Ausstellung der Verbalizzazione keinen Zugang zu CARA- oder SPRAR-Unterkünften, auch wenn von Gesetzes wegen der Zugang zu Unterkunft ab dem Moment der Stellung des Asylgesuchs zu gewährleisten wäre (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013). In diesen Fällen sind alternative Maßnahmen zur Sicherung des Lebensunterhalts von Asylsuchenden selten verfügbar, die Asylsuchenden sind vielmehr oftmals auf sich selbst gestellt und häufig obdachlos (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Allerdings wird dieses Problem von Nichtregierungsorganisationen und kirchlichen Organisationen erkannt, die hier im Rahmen ihrer Möglichkeiten, etwa durch die Vermittlung von provisorischen (Not-)Unterkünften, tätig werden (AA, Auskunft an VG Minden vom 24.05.2013).
61 
Dass Asylbewerber diese Verzögerungen vor einem Gericht angefochten oder überhaupt vorläufigen Rechtsschutz beantragt hätten, ist weder dem Auswärtigen Amt (Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012) noch dem UNHCR (Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; UNHCR, Empfehlungen 2013) bekannt. Die Praxis der Questura Mailand, eine Wohnbestätigung zu verlangen, wurde bereits von Hilfsorganisationen angefochten (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012), vom zuständigen Gericht jedoch gebilligt (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013).
62 
2.2.2.2.2 Von den Schwierigkeiten infolge der erheblichen Wartezeit bis zur Ausstellung der Verbalizzazione sind grundsätzlich auch Dublin-Rückkehrer betroffen. Diese treffen in der Regel auf dem Luftweg in Italien ein. Nach einer erneuten erkennungsdienstlichen Behandlung durch die Polizei erfolgt die Feststellung, welche Questura für die Person zuständig ist und wie der Stand des Verfahrens ist. Davon, ob der Asylbewerber während des laufenden Asylverfahrens Italien verlassen oder ob er in Italien nie ein Asylverfahren durchgeführt bzw., wie der Kläger, das Asylverfahren dort rechtskräftig abgeschlossen hat, hängt der weitere Ablauf ab:
63 
Dublin-Rückkehrer, die sich noch im Asylverfahren befinden, erhalten nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013) umgehend eine Unterkunft in einem entsprechenden Aufnahmezentrum zugewiesen, die ihnen von den auf dem Flughafen tätigen Nichtregierungsorganisationen vermittelt werde. Laut UNHCR hat diese Personengruppe in der Regel Zugang zu Transitunterbringungseinrichtungen (Auskunft an VG Freiburg, 12/2103). Laut Schweizerischer Flüchtlingshilfe (Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013) erfolgt die Unterbringung in einem FER-Projekt, soweit freie Plätze bestehen. Sind für sie nicht die Präfekturen Rom bzw. Varese zuständig, gilt diese Unterkunftsmöglichkeit nur für wenige Tage, bis sie in die für sie zuständige Region weiterreisen, um sich dort bei der Questura zu melden und von dieser einen Berechtigungsschein für ein CARA zu erhalten. Laut borderline-europe e.V. (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012) gibt es in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten mit der Ausstellung dieses Scheins; auch stünden mitunter nicht genügend Plätze zur Verfügung. Plätze in einem SPRAR könnten außerdem nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Betreffende vor seiner Ausreise keinen Platz dort in Anspruch genommen habe.
64 
Für Dublin-Rückkehrer, die sich, wie der Kläger, noch nicht oder nicht mehr in einem Asylverfahren befinden, etwa für diejenigen, die vor ihrer Asylantragstellung in einem anderen Land durch Italien gereist sind, ohne dort einen Asylantrag gestellt zu haben, erfolgt die Zuweisung der Unterkunft dagegen grundsätzlich, wie bei anderen Asylbewerbern auch, erst nach der Verbalizzazione, die auch für diese Gruppe mitunter erst nach Wochen oder Monaten erfolgt (so ausdrücklich UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012); eine frühere Möglichkeit, in eine FER-Unterkunft oder ein CARA zugewiesen zu werden, hängt von freien Kapazitäten ab (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Borderline-europe (a.a.O.) berichtet davon, von den Dublin-Rückkehrern, die über Rom eingereist seien, hätten nur knapp 8% eine CARA- oder SPRAR-Unterkunft erhalten, weitere etwa 12% eine Kurzzeitunterkunft, um sich von dort aus zu den für sie zuständigen Questure zu begeben. Allerdings bemühen sich die am Flughafen zuständigen Hilfsorganisationen, dem Betreffenden zumindest eine Übergangs- oder Notunterkunft in einer kommunalen oder karitativen Einrichtung zu besorgen; sollte dies nicht umgehend möglich sein, müssen Dublin-Rückkehrer unter Umständen einige Tage am Flughafen verbleiben und dort, zwar ohne besondere Schlafplätze, offenbar aber geduldet, übernachten (SFH, Aufnahmebedingungen, 10/2013; UNHCR, Empfehlungen 2013; AA, Auskunft an OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.09.2013). Nicht ausgeschlossen ist in diesem Zusammenhang indes, dass die Nichtregierungsorganisationen nicht rechtzeitig von der Ankunft von Dublin-Rückkehrern informiert werden und diese daher keine besondere Betreuung am Flughafen erfahren (SFH, a.a.O.).
65 
2.2.2.2.3 Der Umstand, dass der Zugang zu Unterkünften in der Praxis italienischer Behörden von der Ausstellung der Verbalizzazione abhängt und deren Ausstellung zeitlich jedenfalls in der Behördenpraxis (noch) nicht an das Asylgesuch geknüpft ist, ist sicherlich ein gravierender Mangel, der auch im System angelegt ist und grundsätzlich - wenn infolge der intensiveren Betreuung am Flughafen in möglicherweise geringerem Maße - auch Dublin-Rückkehrer wie den Kläger betrifft. Allerdings hat die italienische Regierung dieses Problem erkannt und sich dessen angenommen. So hat im Februar 2013 das italienische Innenministerium eine Weisung an die Questure herausgegeben, wonach die Verbalizzazione zeitlich mit der Asylgesuchsstellung zusammenfallen soll, und versucht, durch ein neues Onlinesystem (VESTANET) die Bearbeitung der Asylgesuche zu beschleunigen, die Bearbeitung von Einzelfällen im gesamten Verfahren zu verbessern, die Zeit zwischen dem erstmaligen Asylgesuch und der formalen Registrierung des Antrags zu überwachen und Verzögerungen umgehend entgegenzuwirken (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; CIR/ecre, National Country Report Italy). Im Report von CIR/ecre (a.a.O.) heißt es, die italienischen Behörden hätten insoweit wichtige Anstrengungen unternommen, um den förmlichen Zugang zum Asylverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Auch der UNHCR (a.a.O.) spricht insoweit von „positiven Entwicklungen“. Seinen jüngsten Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien (07/2013) lässt sich zwar entnehmen, dass es immer wieder zu wochen- oder auch monatelangen Verzögerungen bis zur Erstellung der Verbalizzazione kommt; wenn der UNHCR insoweit jedoch von „einigen Fällen“ oder auch Schwierigkeiten „in einigen regionalen Polizeidirektionen“ spricht, so handelt es sich gegenwärtig nicht mehr um größere Funktionsstörungen oder regelhafte Defizite, die das Asylverfahren in ihrer Gesamtheit prägen, sondern um - freilich in ihren Auswirkungen zulasten der Betroffenen keinesfalls zu unterschätzende - partielle Überlastungen oder verwaltungstechnische Missstände. Und auch insoweit ist davon auszugehen, dass sich die Situation, wenn die neuen Anweisungen und Verwaltungsvereinfachungen landesweit implementiert sind, weiter verbessern wird (so auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 20 A 10656/13 -, juris; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris). Insbesondere für Dublin-Rückkehrer und ihre im Vergleich zu anderweitig ins Land kommende Asylbewerber regelmäßig intensivere Betreuung durch Nichtregierungsorganisationen bereits am Flughafen lässt sich im Hinblick auf die Verzögerungen im Asylverfahren daher nicht (mehr) von einem systemischen Mangel sprechen.
66 
2.2.3 Weitere in vielen der vorliegenden Erkenntnismitteln beklagte Missstände sind die nach wie vor bestehende - und auch Dublin-Rückkehrer betreffende - Überlastung des Aufnahmesystems und die damit verbundenen Lebensbedingungen der Asylbewerber. Aber auch im Hinblick auf die Aufnahmebedingungen ist auf Grundlage der aktuellen Erkenntnismittel nicht (mehr) von strukturellen Mängeln auszugehen.
67 
2.2.3.1 Immer wieder in der Kritik steht die Zahl der Unterkünfte, die Asylsuchenden zur Verfügung gestellt werden.
68 
Die italienische Regierung hat in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen, um die Zahl verfügbarer Unterkünfte zu erhöhen. So gab es im Zusammenhang mit den sprunghaft angestiegenen Asylbewerberzahlen im Jahr 2011 ein Notstandskonzept „Nordafrika“, in dessen Rahmen Aufnahmestrukturen durch den Zivilschutz in der Größenordnung von 26.000 Plätzen bereitgestellt wurden (SFH, Aufnahmebedingungen; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013 spricht sogar von 50.000 Plätzen). Daneben wurde insbesondere die Zahl der regulär verfügbaren Plätze in den vergangenen Jahren massiv erhöht. Noch im Juli 2012 war das Auswärtige Amt (Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; vgl. auch Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2012) von (nur) je 3.000 Plätzen in CARA und SPRAR ausgegangen, während es im August 2013 bereits von insgesamt über 16.000 Plätzen in CARA, CIE, CDA und SPRAR ausging (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013). Die Entwicklung der verfügbaren Unterkünfte spiegelt sich auch in den von CIR/ecre erhobenen Zahlen wider: Während im Länderreport Stand Mai 2013 von insgesamt 4.007 Plätzen in CDA und CARA die Rede war, waren es ein halbes Jahr später bereits 6.866 Plätze; statt 151 SPRAR standen ausweislich CIR/ecre nun bereits 175 Einrichtungen zur Verfügung. Aufgrund eines im September 2013 erlassenen Dekrets des Innenministeriums soll die SPRAR-Kapazität bis 2016 zudem auf 16.000 Plätze erhöht werden (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen; CIR/ecre, National Country Report Italy). Auch durch die Praxis, insbesondere die CARA entgegen ihrer Zweckbestimmung auch für den längerfristigen Aufenthalt zu nutzen, konnte der Überlastungssituation Rechnung getragen werden, und auch wenn das Notstandsprogramm „Nordafrika“ zwischenzeitlich ausgelaufen ist und (Stand September 2013) nur noch etwa 1.000 Personen („vulnerable Cases“ und Asylbewerber, die Widerspruch eingelegt haben, vgl. AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013) dort lebten, zeigt es doch, dass Italien in der Lage ist, Unterbringungsplätze in erheblichem Umfang zusätzlich zur Verfügung zu stellen, wenn dies durch den Zustrom von Flüchtlingen erneut erforderlich werden sollte. Um bestehende Lücken und Fehlentwicklungen aufzudecken, wurde ferner Ende 2012 im Rahmen des Präsidium-Projekts testweise ein Überwachungssystem in staatlichen Einrichtungen eingeführt (UNHCR, Empfehlungen 2013). Laut Auswärtigem Amt bestanden im öffentlichen System im August 2013 rund 8.000 Plätze in CARA-Aufnahmelagern, die in der Praxis dem längerfristigen Aufenthalt von Asylbewerbern dienen, nahezu 3.000 Plätze in CIE und CDA und über 5.000 Plätze in SPRAR (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013). Laut CIR/ecre, Stand November 2013, bestanden zu diesem Zeitpunkt in CARA, CIE und CPSA insgesamt deutlich weniger, nämlich nur gut 7.500 Plätze, dafür in SPRAR 3.000 reguläre sowie 9.500 zusätzliche Plätze.
69 
Finden Asylsuchende keinen Platz in einer öffentlichen Aufnahmeeinrichtung - sei es, weil die Kapazitäten erschöpft sind, sei es, dass sie etwa als Dublin-Rückkehrer, die bereits vor ihrer Ausreise aus Italien einen Platz in einer Aufnahmeeinrichtung beansprucht hatten, keinen erneuten Zugang zu öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen haben -, bekommen sie in der Praxis keine staatliche (finanzielle) Unterstützung, um sich selbst um eine Unterkunft kümmern zu können; die gesetzliche Regelung, wonach der Asylbewerber im Falle fehlender Unterbringungsmöglichkeiten eine finanzielle Unterstützung erhält, um sich selbst eine Unterkunft zu suchen, ist in der Praxis nicht umgesetzt worden (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Für diesen Personenkreis gibt es kommunale, kirchliche und karitative Einrichtungen etwa der CARITAS, die die Asylantragsteller versorgen, ihnen Unterkunftsplätze besorgen und ihnen medizinischen, rechtlichen und psychologischen Beistand zur Verfügung stellen (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Diese nicht-staatlichen Unterkünfte werden teilweise von der öffentlichen Hand finanziert und sind im Auftrag des Staates tätig. Sie sind bei der Frage, ob die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines Verstoßes gegen Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK aufgrund fehlender Unterbringungsmöglichkeiten besteht, mit einzubeziehen. Denn aus Sicht des Unionsrechts ist lediglich entscheidend, dass tatsächlich eine hinreichende Zahl an Unterkünften besteht; dies aber ist auch dann der Fall, wenn der Staat mit nichtstaatlichen Trägern zusammenarbeitet, die zuverlässig einen Teil der erforderlichen Plätze zur Verfügung stellen.
70 
Darüber, ob das verfügbare - im Übrigen je nach Auskunft deutlich differierende - Zahlenmaterial den tatsächlichen Bestand an Unterkünften widerspiegelt und wenn ja, ob die vorhandenen Unterkünfte ausreichend sind, um den Bedarf zu decken, gehen die Ansichten in den aktuellen Erkenntnismitteln auseinander. Das Auswärtige Amt stellt fest, dass - Stand August 2013 - alle Asylbewerber / Flüchtlinge in öffentlichen Zentren untergebracht werden könnten. Lokalen oder regionalen Überbelegungen stünden freie Kapazitäten in anderen Regionen, etwa in Norditalien, gegenüber, und landesweit seien genügend Plätze vorhanden (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013; mit dem gleichen Tenor auch bereits AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Auch nach Auffassung des UNHCR ist Italien in der Lage, den Aufnahmebedarf jedenfalls einer erheblichen Zahl an Asylsuchenden zu decken (Empfehlungen 2013; ähnlich auch bereits im Gutachten an VG Braunschweig vom 24.04.2012). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe zeichnet ein etwas düstereres Bild und berichtet - Stand Oktober 2013 - davon, zurzeit seien die Kapazitäten der Erstaufnahmezentren CARA ausgeschöpft und neu ankommende Flüchtlinge könnten dort nicht untergebracht werden (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Auch anderen Auskünften lässt sich entnehmen, dass die verfügbaren Plätze immer noch nicht ausreichten und die bestehenden Einrichtungen daher oft deutlich überbelegt seien (CIR/ecre, National Country Report Italy), bzw. dass nicht alle Asylbewerber einen Platz in einer Aufnahmeeinrichtung finden (borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012) oder mitunter aufgrund fehlender Kapazitäten erst nach Wochen oder Monaten Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen bekommen können (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Viele Auskünfte berichten davon, dass Asylbewerber unter schlechten Bedingungen in überfüllten Privatunterkünften, die teilweise in besetzten Häusern eingerichtet worden seien, unterkommen müssten (CIR/ecre, National Country Report Italy) oder obdachlos seien (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.v., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012).
71 
Tatsächlich dürfte eine genaue Ermittlung, ob die vorhandenen Plätze rechnerisch gesehen landesweit ausreichend sind, um den Bedarf an Wohnraum zu decken, nur sehr schwer seriös möglich sein. Insoweit ist nicht nur von Bedeutung, dass die vorhandenen Einrichtungen mitunter deutlich mehr Flüchtlinge aufnehmen als die Anzahl, für die sie ausgelegt sind; so sollen etwa im November 2013 9.771 Asylsuchende in CDA/CARA untergebracht gewesen sein, die nur 6.866 reguläre Plätze boten (CIR/ecre, National Country Report Italy). Auch bedürfte es für die Frage, ob die Anzahl an Plätzen ausreichend ist, belastbarem statistischem Material nicht nur zu der Frage, wie lang die durchschnittliche Belegungszeit eines Platzes in einer Unterkunft ist, sondern auch dazu, wie viele Asylbewerber aus eigenem Antrieb keinen Platz in Anspruch nehmen, sondern entweder untertauchen oder in ein anderes europäisches Land weiterreisen. Belastbare Zahlen gibt es jedoch insoweit nicht (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris). Ferner fehlt es auch an methodisch korrekten statistischen Erhebungen zu der Frage, welcher Prozentsatz an Asylsuchenden tatsächlich Interesse an der Zuweisung einer öffentlichen Unterkunft hätte. Vor diesem Hintergrund haben insbesondere die Prozentzahlen der in öffentlichen Unterkünften untergebrachten Dublin-Rückgeführten, die borderline-europe e.V. (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; hierzu ausführlich OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris) nennt, eine nur sehr begrenzte Aussagekraft. Denn diesen Zahlen lässt sich weder entnehmen, wie viele der Rückgeführten bereits über einen Aufenthaltstitel etwa aufgrund der Zuerkennung subsidiären Schutzes in Italien verfügen (und daher keinen Anspruch mehr auf Aufnahme in eine der Unterkünfte haben), noch, wie viele von ihnen überhaupt Interesse an einem Platz in einer öffentlichen Aufnahmeeinrichtung gehabt hätten. Insoweit wäre im Hinblick auf fehlendes Interesse an einer öffentlichen Unterkunft nicht nur an Rückkehrer zu denken, die auf die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens von vornherein verzichten, sondern auch an solche, die bei ihrem letzten Aufenthalt in Italien bereits ein soziales Netzwerk aufgebaut haben, das sie von öffentlichen Unterkünften unabhängig macht, oder solche, die ein Leben in Rom oder Mailand, wo die Wohnraumkapazitäten bekanntermaßen erschöpft sind, auch um den Preis schlechterer Unterbringungsverhältnisse bewusst einem Aufenthalt in einem anderen Landesteil, in dem ihnen eine Unterkunft zugewiesen werden könnte, vorziehen.
72 
Aber auch wenn unter Zugrundelegung der aktuellen Erkenntnismittel davon auszugehen ist, dass insbesondere in Großstädten wie Rom oder Mailand die vorhandenen Aufnahmekapazitäten in staatlichen wie privat betriebenen Einrichtungen erschöpft und die Unterkünfte überfüllt sind und es daher Asylsuchende gibt, die keinen Platz in einer Unterkunft finden und daher ohne Obdach sind oder unter völlig unzureichenden Wohn- und Lebensverhältnissen leben, lässt sich doch den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht entnehmen, dass dieses Schicksal für Asylbewerber gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachte; vielmehr handelt es sich hierbei um drastische Einzelschicksale, die keiner Verallgemeinerung zugänglich sind (darauf hinweisend auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris, sowie nunmehr VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris). Auf Grundlage der genannten Zahlen von mutmaßlich deutlich mehr als 16.000 Plätzen allein in den öffentlichen Unterkünften ist jedenfalls gegenwärtig nicht (mehr) davon auszugehen, dass im Hinblick auf die Unterbringungssituation dauerhafte erhebliche Missstände vorlägen, aufgrund dessen Asylbewerber quasi typischerweise und in signifikanter Zahl der Obdachlosigkeit überlassen würden (so i.Erg. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/10 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo, geht davon aus, alle Asylbewerber fänden Platz in den öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen).
73 
2.2.3.2 Es lässt sich nach den vorliegenden Auskünften auch nicht davon ausgehen, dass systematische Mängel im Hinblick auf die Schwierigkeiten derjenigen Asylsuchenden, die keinen Platz in einer staatlichen Unterkunft gefunden haben, bestünden bei der Zustellung offizieller Schreiben, etwa ablehnender Asylbescheide. Denn auch wenn für Flüchtlinge außerhalb staatlicher Unterkünfte, insbesondere für Obdachlose, der Zugang offizieller Schreiben typischerweise größeren Schwierigkeiten begegnet als für Flüchtlinge in staatlichen Unterkünften, haben sich auch insoweit Strukturen gebildet, die die Situation der Betroffenen erleichtern. Inzwischen bieten Hilfsorganisationen wie die CARITAS Sammeladressen für Personen ohne festen Wohnsitz an, die gegenüber öffentlichen Stellen verwendet werden und an die Poststücke zugestellt werden können (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Derartige Möglichkeiten „virtueller Wohnsitznahme“ gibt es zwar nur in wenigen Städten Italiens, insbesondere in Rom; da es hier aber auch die größten Engpässe in der Wohnraumversorgung gibt, dürfte Dank des den Behörden bekannten und von ihnen akzeptierten Konzepts der virtuellen Wohnsitznahme jedenfalls im Regelfall die Zustellung von Schreiben an den Empfänger gewährleistet sein.
74 
2.2.3.3 Die vorliegenden Erkenntnismittel lassen auch nicht den Rückschluss darauf zu, dass Asylbewerber infolge unzureichender und unzumutbarer Verhältnisse in den staatlichen bzw. privaten Unterkünften, namentlich etwa aufgrund unhygienischer Zustände oder Gewalttätigkeiten, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind. Dabei wird nicht verkannt, dass es in Unterkünften mit einer Vielzahl von Flüchtlingen unterschiedlicher Nationalität, Religion und kultureller Prägung häufiger als in anderen Bereichen der Gesellschaft zu Konflikten und gelegentlich auch gewaltsamen Übergriffen kommen dürfte, zumal in einer Situation, die oftmals von überstandenen Leiden und ungewisser Zukunft geprägt ist. Es dürfte sich dabei allerdings um ein allgemeines Phänomen in Gemeinschaftseinrichtungen handeln, dem die staatlichen Stellen nur bedingt wirksam entgegenwirken können. Auch ist der Kammer bewusst, dass die Aufnahme-, Unterbringungs- und Lebensbedingungen von Asylbewerbern in Italien regelmäßig nicht mit dem hiesigen Standard vergleichbar sein dürften. Andererseits gibt es keine greifbaren Anhaltspunkte, dass die Zustände in den Unterkünften nicht nur in Einzelfällen, sondern regelhaft unzumutbar und unhaltbar sind, so dass schon unter diesem Gesichtspunkt die Feststellung einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung der Asylbewerber gerechtfertigt erschiene. So wird nach Auskunft des Auswärtigen Amtes von den staatlichen Aufnahmezentren und Einrichtungen Kleidung gestellt, ebenso Wäsche und Hygieneartikel zum persönlichen Gebrauch (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Die Verhältnisse im Einzelnen unterscheiden sich und hängen von den jeweiligen Trägern der Unterkünfte ab (CIR/ecre, National Country Report Italy). Laut Auswärtigem Amt stellen sich die hygienischen Verhältnisse aber nicht regelmäßig oder überwiegend in der Weise dar, dass man ernstlich Gefahr läuft zu erkranken. Es seien durchgehend kleinere Schlafräume in Wohnhäusern oder Containern vorhanden, die auch einer ausreichenden Zahl an Toiletten- und Waschräumen sowie zumeist mit Klimaanlagen und Zentralheizung versehen seien. Die Verpflegung werde vielfach in einem gemeinsamen Speisesaal bereitgestellt. Ferner seien in den Einrichtungen Sozialräume sowie getrennte Räumlichkeiten für medizinische Dienste und Sonderfälle vorhanden. Zur Aufrechterhaltung der Sauberkeit der allgemeinen Räumlichkeiten würden spezielle Reinigungsdienste beschäftigt. Es gebe zwar mitunter gewaltsame Überfälle, hierbei handelt es sich aber um Einzelfälle. Darüber hinaus würden die Aufnahmeeinrichtungen zumindest durch die Polizei oder Carabinieri überwacht und geschützt; wegen auftretender Spannungen zwischen verschiedenen Ethnien seien in manchen Einrichtungen zudem zusätzliche Polizeikräfte postiert worden (vgl. dazu auch OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo).
75 
2.2.3.4 Ist nach den vorliegenden Erkenntnismitteln, wie gesehen, davon auszugehen, dass jedenfalls die meisten Flüchtlinge Platz in einer staatlichen Unterkunft erhalten, so ist dort ihr Lebensunterhalt - wenn auch auf niedrigem Niveau - gesichert. Es lässt sich den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht entnehmen, dass den Flüchtlingen dort entgegen der Gesetzeslage keine Kleidung, Nahrung oder Hygieneartikel zur Verfügung gestellt würden.
76 
Nach Auskunft des Auswärtigen Amts (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012) werden auch diejenigen Flüchtlinge, die außerhalb staatlicher Einrichtungen, etwa in karitativen oder kirchlichen Unterkünften, leben, teilweise unter Einbeziehung privater Dienstleister, mit Nahrung und Kleidung versorgt. Dagegen berichtet etwa borderline-europe (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012), Asylsuchende, die in keinem Zentrum untergebracht seien, erhielten weder Sach- noch Geldleistungen zur Abdeckung ihrer Grundbedürfnisse wie Nahrung oder Kleidung. Geklärt sein dürfte jedoch, dass für diese Gruppe der Flüchtlinge Hilfsorganisationen die notwendige grundlegende Versorgung der bei ihnen lebenden Flüchtlinge übernehmen. Auch für diesen Personenkreis dürfte daher nicht festzustellen sein, dass dieser regelhaft in einem menschenrechtlichen Mindeststandards widersprechenden Zustand leben müsse. Dies schließt es nicht aus, dass einzelne Asylbewerber in prekären Verhältnissen extremer Armut und Obdachlosigkeit leben; dieser Umstand ist aber für die Annahme, der Kläger werde im Falle seiner Überstellung nach Italien ernstlich der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK ausgesetzt sein (vgl. dazu auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, juris), nicht ausreichend.
77 
2.2.3.5 Schließlich ist nach aktueller Auskunftslage auch nicht davon auszugehen sein, dass Flüchtlinge regelhaft von medizinischen Leistungen ausgeschlossen sind.
78 
Zwar mag es im Einzelfall auch bei Bewohnern öffentlicher Unterkünfte - sei es durch fehlende Informationen, sei es durch fehlerhaft arbeitende oder überlastete Verwaltungen - zu Schwierigkeiten kommen, in den Besitz einer Gesundheitskarte zu gelangen. Dies ist aber offenbar der Ausnahmefall.
79 
Für Asylbewerber, auch Dublin-Rückkehrer, die keinen festen Wohnsitz vorweisen können, hat dieser Umstand allerdings Konsequenzen. Der Erhalt der Gesundheitskarte ist an das Erfordernis eines festen Wohnsitzes geknüpft. Während das Auswärtige Amt davon ausgeht, es genüge insoweit die Angabe des Asylbewerbers, berichtet borderline-europe (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012), die Anmeldung eines Wohnsitzes werde durch die Behörde überprüft. Die Associazione per gli Studi Giuridici sull’Immigrazione (Asylbewerber in Italien, Bericht vom 20.11.2012) berichtet darüber hinaus davon, viele Flüchtlinge würden aufgrund von bürokratischen und restriktiven Interpretationen seitens der Gemeinden nicht im Einwohnermelderegister eingetragen. Selbst wenn dies so wäre, führte dieser Umstand jedoch nicht dazu, dass diese Flüchtlinge vom Erhalt der Gesundheitskarte ausgeschlossen würden. Denn vor allem in Rom - wo die Wohnungsnot, wie gesehen, und daher auch der Anteil der nicht in öffentlichen Unterkünften untergebrachten Flüchtlinge vermutlich am größten ist - besteht, wie bereits erwähnt, die Möglichkeit einer von den Behörden anerkannten, durch Hilfsorganisationen wie die CARITAS zur Verfügung gestellten „virtuellen Wohnsitznahme“ (borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. dazu auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Davon abgesehen ist jedenfalls die medizinische Notfallversorgung in Italien auch ohne Gesundheitskarte gewährleistet.
80 
2.2.3.6 Vor diesem Hintergrund lässt sich trotz nach wie vor bestehender Defizite in den Aufnahmebedingungen und auch unter Berücksichtigung der gravierenden Folgen, die das Fehlen einer zumutbaren Unterkunft für den hiervon Betroffenen im Einzelfall hat, nicht feststellen, dass die bestehenden Engpässe und Mängel die Funktionsfähigkeit des Aufnahmesystems insgesamt in Frage stellen und so gravierend sind, dass sie das Asylverfahren regelhaft seiner Funktion berauben.
81 
2.3 Im Ergebnis lässt sich daher auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnismittel feststellen, dass Asylsuchende, die nach den Regelungen der Dublin-II-Verordnung nach Italien überstellt werden sollen, derzeit jedenfalls dann, wenn in ihrer Person keine besonderen (etwa gesundheitlichen) Gründe gegeben sind, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer durch das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen verursachten unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh rechnen müssen. Dies scheint der Auffassung des UNHCR zu entsprechen, der sich - anders als seinerzeit im Falle Griechenlands - trotz deutlicher Worte in Bezug auf bestehende Defizite und Mängel im italienischen Asyl- und Aufnahmesystem nicht veranlasst gesehen hat, sich gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien auszusprechen.
82 
Vorliegend aber sind keine besonderen Umstände des Einzelfalles ersichtlich, die befürchten ließen, dass gerade dem Kläger in Italien entgegen der allgemeinen Lageeinschätzung eine mit Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK nicht vereinbare Behandlung drohte. Der Kläger hat nach seiner Ankunft in Italien die Möglichkeit, einen Asylfolgeantrag zu stellen. Bis zum Abschluss dieses Verfahrens hat er, da er nach eigenen Angaben während des Asylerstverfahrens nie einen Platz in einer Unterkunft zugewiesen bekommen hat, die Möglichkeit, in einer öffentlichen Einrichtung unterzukommen, wo neben der Unterkunft auch Essen, Bekleidung und sonstige persönliche Bedürfnisse sichergestellt sind. Sollte sich der Kläger dagegen dafür entscheiden, nach seiner Rückkehr keinen erneuten Asylantrag zu stellen, bestünden zu seinen Gunsten - nachdem das Asylerstverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist - keine Verfahrensgarantien nach der Genfer Flüchtlingskonvention, und auch die Aufnahmerichtlinie (RL 2003/9/EG) fände auf ihn gemäß Art. 3 Abs. 1 keine Anwendung (mehr). Er wäre vielmehr, wenn sein Aufenthalt nicht behördlicherseits legalisiert wird, verpflichtet, Italien zu verlassen, und hätte keinen Anspruch auf Unterstützung mehr (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Kommt er seiner Ausreisepflicht nicht nach, kann er kein Mehr an Unterstützung verlangen, als dies italienischen Staatsangehörigen zuteil wird. Ein staatliches Sozialhilfesystem aber existiert in Italien nur sehr eingeschränkt; vielmehr sind auch italienische Staatsangehörige grundsätzlich verpflichtet, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen, was naturgemäß mit Schwierigkeiten verbunden, für einen gesunden, arbeitsfähigen Mann wie den Kläger aber, wie er bereits bei seinem ersten Aufenthalt in Italien bewiesen hat, nicht unmöglich ist. Der Umstand, dass es in Italien anders als in Deutschland kein System staatlicher Unterstützung auch für ausreisepflichtige, jedoch tatsächlich noch nicht abgeschobene Ausländer gibt, reicht, nachdem, wie bereits gesehen, aus Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh nicht die Verpflichtung erwächst, jemandem finanzielle Unterstützung zu gewähren, um ihm einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen, nicht für die Annahme aus, der Kläger werde im Falle seiner Überstellung nach Italien ernstlich der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh ausgesetzt sein.
III.
83 
Die Abschiebungsanordnung in Ziff. 2 des angefochtenen Bescheides ist hiernach ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen nach § 27a AsylVfG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies ist der Fall, nachdem Italien keine Einwände gegen seine Zuständigkeit erhoben hat und der Abschiebung keine relevanten Hindernisgründe entgegenstehen.
84 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Das Gericht sieht von einem Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach Ermessen ab.

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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 22. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem die Unzulässigkeit eines von ihm in Deutschland gestellten Asylantrags festgestellt und die Abschiebung nach Italien angeordnet wird. Er begehrt die Ausübung des Selbsteintrittsrechts und die sachliche Prüfung des Asylantrags in Deutschland.

2

Der Kläger stellte am 2. August 2012 bei der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Trier (Bundesamt) einen Asylantrag, nachdem er am 17. Juli 2012 als Asylbewerber erfasst worden war. Bei der Antragstellung gab er an, am 5. August 1988 in Mogadischu geboren zu sein und die somalische Staatsangehörigkeit zu besitzen. Er sei Mitglied der Volksgruppe der Hawadle und sunnitischer Religionszugehörigkeit.

3

Bei der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 29. August 2012 trug der Kläger vor, zwei Jahre lang als Schneider ausgebildet worden zu sein und diesen Beruf ein Jahr lang selbständig ausgeübt zu haben. Seine Schneiderei habe in der Nähe einer Fabrikruine gelegen, auf deren Gelände äthiopische Soldaten campiert hätten. Immer wieder seien diese von Mitgliedern der Al Shabaab attackiert worden. Auch die äthiopischen Soldaten hätten angegriffen. Die Al Shabaab sei zu ihm gekommen und habe gesagt, sie brauche Hilfe. Er habe nicht kämpfen wollen und sei im August 2008 geflohen. Hierzu habe er Mogadischu mit einem Kraftfahrzeug verlassen und sei über Addis Abeba und Khartum nach Tripolis gelangt, wo er am 18. November 2008 angekommen sei. Von dort aus sei er mit einem Boot nach Sizilien gefahren und am 25. Mai 2009 gelandet. Auf seinen Asylantrag hin habe er in Italien den Status eines subsidiär Schutzberechtigten erhalten. Danach habe er das Flüchtlingslager verlassen müssen und sei nach Florenz gegangen. Dort habe ihm die Caritas einmal am Tag etwas zu essen gegeben. Einen Monat lang habe er in einem verlassenen Haus ohne Wasser und Strom gelebt. Dann sei er insgesamt zwei Mal in die Niederlande gefahren und habe versucht, dort Asyl zu bekommen. Er sei aber jedesmal nach Italien zurückgeflogen worden. Die Polizisten am Flughafen Rom hätten ihm gesagt, er solle zum Bahnhof gehen. Dort seien viele Somalis gewesen, die ihn zur somalischen Botschaft in Rom gebracht hätten. Die Botschaft sei aufgegeben und von Flüchtlingen zum Übernachten genutzt worden. Es sei furchtbar dreckig gewesen und man habe krank werden können. Es habe Wasser, aber keinen Strom gegeben. Schließlich habe er sich auf den Weg nach Deutschland gemacht, wo er am 14. Juli 2012 angekommen sei.

4

Er sei krank. Er leide an einer schiefen Wirbelsäule und könne manchmal nicht gehen, außerdem habe er einen Vitamin-D-Mangel und eine Magenerkrankung. In Italien habe man ihm im Krankenhaus nur eine Schmerzspritze gegeben, weil er keinen Gesundheitsausweis habe vorzeigen können.

5

Die niederländischen Behörden wiesen ein Übernahmeersuchen der Beklagten zurück und teilten mit, dass sie den Kläger ihrerseits am 23. Dezember 2010 und 10. Oktober 2011 nach Italien überstellt hätten.

6

Auf entsprechenden Antrag vom 17. Dezember 2012 akzeptierten die italienischen Behörden mit Schreiben vom 20. Dezember 2012 unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 - Dublin-II-VO - ihre Zuständigkeit, wobei der Kläger dort mit syrischer Staatsangehörigkeit und dem Geburtsdatum 1. Januar 1988 geführt wurde, und stimmten einer Überstellung bis zum 20. Juni 2013 zu.

7

Vom 14. bis 24. Oktober 2012 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung wegen Schmerzen im Hüftbereich. Entzündliche sowie autoimmune Erkrankungen konnten laborchemisch ausgeschlossen werden. In einer Magnetresonanztomographie zeigten sich arthropische Veränderungen des Hüftgelenks. Es wurden eine ausgewogene eiweißreiche Ernährung und ambulante Krankengymnastik-Maßnahmen beziehungsweise Reha-Sport sowie eine ambulante psychiatrische Betreuung empfohlen. Am 6. und 7. Januar 2013 befand sich der Kläger wegen epigastrischer Schmerzen unklarer Genese erneut in stationärer Krankenhausbehandlung. Nachdem die Laborbefunde sowie eine Gastroskopie keine Auffälligkeiten aufwiesen und der Patient sich subjektiv beschwerdegebessert zeigte, wurde er ohne weitere Medikation entlassen. In privatärztlichen Attesten einer allgemeinmedizinischen Praxis vom 7. Februar 2013 und 29. Januar 2014 werden als Diagnosen Oberbauschschmerzen bei rezidivierender Gastritis, Lws-Syndrom, Coxalgie, Vitamin-D-Mangel und Mangelernährung bei Appetitlosigkeit aufgezählt. Der Patient sei auf regelmäßige medizinische Behandlung und Medikamente angewiesen. Eine Abschiebung nach Italien wäre mit einem hohen Risiko der Verschlechterung des Gesundheitszustandes verbunden.

8

Mit Bescheid vom 13. Februar 2013 erklärte die Beklagte den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a AsylVfG für unzulässig. Italien sei für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig und habe seine Zuständigkeit auch anerkannt. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, seien nicht ersichtlich. Insbesondere hinderten die vorgelegten Atteste eine Überstellung des Klägers nach Italien nicht, denn in Italien habe der Kläger wie jeder italienischer Staatsbürger Zugang zum dortigen Gesundheitssystem.

9

Am 19. Februar 2013 hat der Kläger Klage erhoben. Die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens sei auf die Beklagte übergegangen, da der Übernahmeantrag an Italien erst nach Ablauf der Frist des Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO gestellt worden sei. Im Übrigen dürfe der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht nach Italien überstellt werden, weil er sich in ständiger ärztlicher Behandlung befinde. Schließlich sei die Beklagte zur Prüfung des Antrags verpflichtet, weil in Italien systemische Mängel im Asylverfahren herrschten. Die Mindeststandards in Bezug auf Unterbringung, soziale und medizinische Versorgung würden erheblich unterschritten. Das gelte insbesondere für Sizilien, wohin der Kläger abgeschoben werden sollte. Ihm drohte daher nach seiner Rückführung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ohne Perspektive auf Arbeit oder Obdach.

10

Der Kläger hat beantragt,

11

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Februar 2013 zu verpflichten, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Verordnung (EG) 343/2003 Gebrauch zu machen,

12

hilfsweise,

13

die Beklagte zu verpflichten, über die Ausübung des vorgenannten Selbsteintrittsrechts erneut zu entscheiden.

14

Die Beklagte hat beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Sie weist darauf hin, dass Personen mit Schutzstatus hinsichtlich der Unterbringung und der medizinischen Versorgung die gleichen Rechte genössen wie italienische Staatsangehörige. Damit seien Unterkunft und Wohnung in eigener Verantwortung zu besorgen. Die entsprechenden Kosten seien selbst zu tragen. Nach Meldung bei dem „Servizio Sanitario Nazionale“ erhielten Personen mit Schutzstatus eine „Tessera Sanitaria“, mit deren Hilfe Zugang zu allen ärztlichen Leistungen erfolge. Die Kosten der Behandlungen würden vom italienischen Staat getragen. Nach Auskunft der deutschen Liaisonbeamtin des Bundesamtes in Rom sei die Gewährung dieser medizinischen Versorgung unabhängig von einem festen Wohnsitz. Alle Personen, die in Italien einen Schutzstatus erhielten, hätten das Recht zu arbeiten (guida practica per i titolari di protezione internazionale). Nach Auskunft der Liaisionbeamtin sei die Arbeitserlaubnis eigentlich an eine „residenza“, also einen festen Wohnsitz geknüpft. Viele Vereinigungen böten den betroffenen Personen aber ihre Adresse als Briefkastenadresse an. Schließlich habe der Kläger auch keine Krankheit substantiiert, die ihn reiseunfähig machen beziehungsweise besondere Lebens- oder Gesundheitsgefahren begründen würde.

17

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. Mai 2013 abgewiesen. Die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung des Asylantrags ergebe sich aus Art. 16 Abs. 2 Dublin-II-Verordnung, da Italien dem Kläger einen Aufenthaltstitel ausgestellt habe. Die Fristvorschriften des Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO begründeten keine subjektiven Rechte, so dass es auf deren Versäumung nicht ankomme. Zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts sei die Beklagte nicht verpflichtet. Es sei nach Auswertung der vorliegenden Auskünfte, Gutachten sowie Berichte und unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung weder zu befürchten, dass dem Kläger keine hinreichende soziale beziehungsweise medizinische Versorgung zugute käme, noch herrschten systemische Mängel im italienischen Asylverfahren, die befürchten ließen, dass dem Kläger in Italien eine menschenunwürdige Behandlung drohte.

18

Auf entsprechenden Antrag ließ der Senat die Berufung zu und untersagte der Beklagten mit Beschluss vom 19. Juni 2013, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Berufungsverfahrens aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchzuführen.

19

Der Kläger wiederholt und vertieft zur Begründung der Berufung seinen Vortrag aus dem Klageverfahren. Als Schutzberechtigtem stünde ihm weder Anspruch auf Unterkunft, noch auf staatliche Sozialleistungen zu. Er habe auch keinen Anspruch auf Integrationsmaßnahmen und könne allenfalls in ländlichen Gebieten zeitlich befristet und schlecht bezahlt als Erntehelfer arbeiten. Außerhalb von Rom habe er keine Möglichkeit, sich eine virtuelle Adresse geben zu lassen, so dass er vermutlich auch keinen Zugang zum Gesundheitssystem habe. In Not geratene italienische Staatsangehörige könnten in der Regel auf Hilfe durch die (Groß-) Familie hoffen. Diese Möglichkeit hätten Flüchtlinge nicht.

20

Der Kläger beantragt,

21

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Februar 2013 zu verpflichten, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Verordnung (EG) 343/2003 Gebrauch zu machen,

22

hilfsweise,

23

die Beklagte zu verpflichten, über die Ausübung des vorgenannten Selbsteintrittsrechts erneut zu entscheiden.

24

Die Beklagte beantragt,

25

die Berufung zurückzuweisen.

26

Sie macht sich im Wesentlichen eine Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern im vorliegenden Verfahren zu Eigen. Danach liegen außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, nicht vor. Italien erfülle seine Verpflichtung nach den Artikeln 20 bis 24 Genfer Flüchtlingskonvention, Flüchtlinge im Sozial- und Arbeitsrecht ebenso zu behandeln wie eigene Staatsangehörige. Eine Besserstellung von Asylbewerbern sei danach nicht vorgesehen. Aus dem Umstand, dass Italien kein ähnliches soziales Netz biete wie Deutschland und andere Mitgliedstaaten, könne nicht geschlossen werden, dass es sich von seiner Verpflichtung aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention gelöst habe. Die von dem Kläger zitierten Gutachten ergäben keine neuen Erkenntnisse, insbesondere kein belastbares Zahlenmaterial darüber, welcher Anteil der Schutzberechtigten für wie lange tatsächlich der Obdachlosigkeit anheimgefallen sei.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte, die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

28

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Er hat keinen Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland. Die Beklagte ist weder nach den allgemeinen Regeln zuständig (I), noch besteht ein Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts (II). Daher ist auch die Abschiebungsanordnung nach Italien rechtlich nicht zu beanstanden (III).

I.

29

Die Frage, welcher Staat für das Asylverfahren des Klägers zuständig ist, bestimmt sich vorliegend nach den Regeln der Dublin-II-Verordnung (1). Danach ist Italien der zuständige Mitgliedstaat (2). Die Zuständigkeit ist nachträglich weder nach der Vorschrift des Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO (3), noch nach der Vorschrift des Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO (4) auf die Beklagte übergegangen.

30

1. Im vorliegenden Fall kommt unbeschadet der Vorschrift des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG noch die Dublin-II-Verordnung und nicht die mittlerweile in Kraft getretene Nachfolgeverordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin-III-VO) zur Anwendung. Gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 49 Dublin-III-VO gilt diese nämlich erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme, die nach dem 1. Januar 2014 gestellt wurden. Vorliegend hat der Kläger seinen Asylantrag bei der Beklagten bereits im Jahr 2012 gestellt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien mit Schreiben vom 20. Dezember 2012 akzeptiert.

31

2. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien nach der Vorschrift des Art. 16 Abs. 2 Dublin-II-VO zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Danach fallen dem Mitgliedstaat die Pflichten zur Wiederaufnahme und abschließenden Prüfung eines Asylverfahrens zu, sofern er einem Antragsteller einen Aufenthaltstitel erteilt. Italien hat dem Kläger in Folge der Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter einen Aufenthaltstitel erteilt und diesen im Jahr 2012 nochmals verlängert.

32

3. Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens ist auch nicht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen. Nach dieser Vorschrift sind Aufnahmegesuche an andere Mitgliedstaaten spätestens innerhalb von drei Monaten nach Einreichung des Asylantrags zu stellen. Wird das Gesuch nicht innerhalb dieser Frist unterbreitet, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für die Prüfung zuständig.

33

Zum einen vermittelt diese Vorschrift dem Asylbewerber aber keine subjektiven Rechte, sondern dient als innerstaatliche Organisationsvorschrift in erster Linie der klaren und praktikablen Bestimmung der Zuständigkeit innerhalb der Mitgliedstaaten (vgl. hierzu die Erwägungsgründe 3 und 16 der Verordnung). Im Vordergrund steht daher das Interesse, die Zuständigkeit zeitnah festzustellen und den Asylantrag durch einzig den zuständigen Mitgliedstaat prüfen zu lassen, nicht aber, die Prüfung einem ganz bestimmten Mitgliedstaat zuzusprechen, in dem der Antragsteller einen (weiteren) Asylantrag gestellt hat.

34

Zum anderen ist die Vorschrift auf den vorliegenden Fall schon nicht anwendbar. Die Beklagte hat kein Aufnahmegesuch nach Art. 17, sondern ein Wiederaufnahmegesuch nach den Art. 16. Abs. 2, Abs. 1 lit. c), 20 Abs. 1 Dublin-II-VO gestellt. Für Wiederaufnahmegesuche sieht die Dublin-II-VO aber keine Frist vor.

35

4. Schließlich ist die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens auch nicht deshalb nach Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen, weil die Überstellung nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten erfolgt ist. Diese Frist beginnt gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. d) nämlich erst nach rechtskräftigem Abschluss eines Rechtsbehelfsverfahrens zu laufen, sofern diesem aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. EuGH, Urteil vom 29.01.2009 – C 19/08 –, Juris-Rn. 44 ff.; OVG Niedersachen, Urteil vom 04.07.2012 – 2 LB 163/10 – Juris-Rn. 36 m.w.Nw.). Vorliegend hatte der Senat noch vor Ablauf der Frist der Beklagten untersagt, den Kläger nach Italien abzuschieben.

II.

36

Es besteht auch kein Anspruch des Klägers auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO.

37

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die mittlerweile ihren Niederschlag in Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO gefunden hat, kann ein Mitgliedstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet sein, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtscharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten haben bei der Ausübung ihres Ermessens diese Grundsätze daher zu beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011-0000, Rn. 68 ff.).

38

Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen (sogenanntes Prinzip gegenseitigen Vertrauens beziehungsweise normativer Vergewisserung, vgl. grundlegend BVerfG, Urteil vom 15.05.1996, 2 BvR 1938/93, Juris-Rn. 179 ff.). Es gilt daher die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht. Diese Vermutung ist jedoch nicht unwiderleglich. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass das System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.

39

Allerdings berührt nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat das in der Dublin-II- bzw. Dublin-III-Verordnung niedergelegte Zuständigkeitssystem. Der Europäische Gerichtshof macht deutlich, dass nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel steht (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs deshalb nur dann auszusetzen, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Grundrechtecharta ausgesetzt zu sein (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 bis Rn. 106).

40

Anhaltspunkte dafür, wann eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung anzunehmen ist, lassen sich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK entnehmen, der mit Art. 4 der Europäischen Grundrechtecharta übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21. Januar 2011 hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden (Urteil vom 21.01.2011, M.S.S. gegen Belgien und Griechenland, Beschwerde-Nr. 30696/09, Rn. 226 und Rn. 254 ff.).

41

Der Senat kommt nach Auswertung der vorliegenden Gutachten, Auskünfte und Berichte und unter Würdigung des Vortrags des Klägers zu dem Ergebnis, dass das italienische Asylsystem nicht an systemischen Mängeln leidet, auf Grund derer dem Antragstellers nach seiner Rückführung eine menschenunwürdige Behandlung droht (ebenso OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, OVG Nds, Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - und vom 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - und vom 24.06.2013 - OVG 7 S 58.13 -; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 -; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 -; VG Ansbach, Beschluss vom 18.09.2013 - An 2 K 13.30675 -; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me -; VG Lüneburg, Urteil vom 04.06.2013 - 6 A 176/11 - (n.V.); VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 -; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A -; VG Osnabrück, Urteil vom 02.04.2012 - 5 A 309/11 - (n.V.) a.A. OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A -; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A -; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As -; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. -; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A -; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A, soweit veröffentlicht zitiert nach Juris).

42

Italien verfügt über ein planvolles und ausdifferenziertes Asylsystem (a). Dieses System leidet zwar an Mängeln (b), nicht aber an systemischen Mängel (c). Das gilt auch für Personen mit Schutzstatus (d).

43

(a) Zunächst ist festzuhalten, dass Italien über ein planvolles und ausdifferenziertes Aufnahmesystem für Asylbewerber verfügt, das in zwei Phasen gegliedert ist. Nach Stellung des Asylantrags ist die Unterbringung in Aufnahmezentren für Asylsuchende, den sogenannten CARA (Centri di Accoglienza per Richiedenti Asilo) vorgesehen. Die maximale Aufenthaltsdauer dort soll grundsätzlich 35 Tage betragen. Daneben gibt es noch Aufnahmeeinrichtungen für Migranten, die keine Asylsuchenden sind, die so genannten CDA (Centri di Accoglienza). Diese werden in der Praxis ebenfalls für die Erstaufnahme von Asylsuchenden verwendet. In der zweiten Phase sollen die Antragsteller in einer Einrichtung des Aufnahmesystems SPRAR (Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugiati) untergebracht werden. Dabei handelt es sich um ein Netzwerk von Unterkünften, das auf einer Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium, den Gemeinden und verschiedenen NGOs basiert. Die SPRAR-Projekte umfassen nicht nur eine Wohnmöglichkeit, sondern ein individualisiertes Integrationsprojekt mit Sprachkursen, Berufsbildung und Unterstützung bei der Arbeitssuche. Die Aufenthaltsdauer im einem SPRAR beträgt normalerweise 6 Monate und kann bis zu einem Jahr verlängert werden (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.).

44

Endet das Asylverfahren mit der Zuerkennung eines Schutzstatus, werden den Schutzsuchenden Aufenthaltsberechtigungen („permessi die soggiorno“) ausgestellt. Danach genießen sie in Italien formal dieselben Rechte wie italienische Staatsangehörige. Sie haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und kostenfreien Zugang zu allen öffentlichen medizinischen Leistungen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an VG Freiburg vom 11.07.2012). In den Erstaufnahmeeinrichtungen werden sie nicht mehr aufgenommen. In Einrichtungen des SPRAR können sie Unterkunft finden, sofern sie die vorgesehene maximale Aufenthaltsdauer noch nicht ausgeschöpft haben und ein Platz frei ist (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 und S. 25; borderline-europe e.V., Gutachten zum Beweisbeschluss des VG Braunschweig vom 28.09.2012, S. 50).

45

(b) In der Praxis litt - und leidet - das italienische Aufnahmesystem an Mängeln. Die Berichtslage zeigt übereinstimmen, dass es insbesondere auf die sehr hohen Antragszahlen in den Jahren 2008 und 2011 nicht ausreichend vorbereitet war (Bethke & Bender, Zur Situation von Flüchtlingen in Italien - Bericht über die Recherchereise nach Rom und Turin im Oktober 2010 -; Schweizer Flüchtlingshilfe/Juss-Buss: Situation von Asylsuchenden, Flüchtlingen und „Dublin-Rückkehrern“, Bericht vom Mai 2011; borderline-europe/Judith Gleitze: Zur Lage von Asylsuchenden und „Dublin-Rückkehrern“, Stellungnahme vom Dezember 2012; Auskunft des Auswärtigen Amtes an VG Darmstadt vom 29.11.2011 und an VG Braunschweig vom 09.12.2011). In der Folge verlängerten sich die Verfahrenszeiten deutlich über die vorgesehenen Fristen hinaus. Die zeitliche Lücke zwischen der Stellung des Asylantrags und dessen formeller Registrierung (verbalizzazione) führte zu der Gefahr der Obdachlosigkeit, da in der Praxis Zugang zu den Erstaufnahmeeinrichtungen erst ab dem Zeitpunkt der Registrierung gewährt wurde (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 12). Zudem waren die Aufnahmekapazitäten der staatlicherseits zur Verfügung gestellten Plätze überlastet. Für Personen mit Schutzstatus bedeutete dies, dass sie Schwierigkeiten hatten, im SPRAR-Aufnahmesystem unterzukommen, auch wenn sie die maximale Verweildauer noch nicht ausgeschöpft hatten. Hinzu kam die wirtschaftliche schwierige Lage, in der sich auch Italien nach der Wirtschaftskrise befand und noch befindet. Nach den Informationen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe lebt vor allem in Rom eine ganz erhebliche Zahl von Asylbewerbern und Personen mit Schutzstatus (die Schätzungen sprechen von 1.200 bis 1.700) in Slums oder besetzten Häusern (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, a.a.O., S. 36).

46

(c) Diese Mängel begründen aber keine systemischen Mängel im oben dargestellten Sinne. Dabei versteht der Senat unter systemischen Mängeln solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar betroffen sind oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem faktisch in weiten Teilen funktionsunfähig wird. Nach Auswertung der vorliegenden Auskünfte kommt der Senat zu der Überzeugung, dass die systembedingten Missstände von den italienischen Behörden angegangen werden und sich die Situation deshalb verbessert hat und aller Voraussicht nach weiter verbessern wird. Außerdem ist festzustellen, dass die Zustände punktuell, aber nicht flächendeckend unzureichend sind, so dass nicht davon gesprochen werden kann, dass das Asyl- und Aufnahmesystem faktisch außer Kraft gesetzt ist.

47

Ein im System angelegter Mangel ist die Tatsache, dass der Zugang zum Erstaufnahmesystem offensichtlich von der Registrierung (verbalizzazione) abhängt und dies bei einer Verzögerung des Verfahrens zur Obdachlosigkeit führen kann. Allerdings hat das italienische Innenministerium in der ersten Jahreshälfte 2013 eine Weisung herausgegeben, wonach die Registrierung zeitlich mit der Asylgesuchstellung zusammenfallen soll (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 12). Auch die Überlastung des Aufnahmesystems nimmt Italien nicht tatenlos hin. Auf die hohen Asylbewerberzahlen im Jahr 2011 reagierte das Land zunächst mit einem Notstandskonzept, bei dem unter Führung des Zivilschutzes (Protezione Civile) Aufnahmestrukturen in der Größenordnung von 26.000 Plätzen bereitgestellt wurden (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; UNHCR an VG Braunschweig, S. 3; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 9). Daneben wurden und werden die Plätze, die im SPRAR-Projekt zur Verfügung stehen, in erheblichem Umfang aufgestockt (siehe zur Bedeutung dieser Plätze für das Aufnahmesystem den Report von Nils Muižnieks, Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, 18.09.2012, Abs. 152). Standen ursprünglich 3.000 Plätze zur Verfügung, waren es Anfang Juni 2013 bereits 4.800 Plätze, wobei hierzu auch bereits vorhandene Unterkunftsplätze gezählt wurden, die um die im SPRAR-System vorgesehen Integrationsleistungen ergänzt wurden. Aufgrund eines im September 2013 erlassenen Dekrets des Innenministeriums soll die Kapazität im Zeitraum 2014 bis 2016 nochmals auf insgesamt 16.000 Plätze erhöht werden (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 22). Außerdem wurde ein neues Informatiksystem „Vestanet“ eingeführt, das ebenfalls zu einer Verbesserung des Verfahrens beitragen soll (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 12). In seiner Antwort an das Verwaltungsgericht Braunschweig vom 24. April 2012 hat der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen ausdrücklich anerkannt, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des Aufnahmesystems stattgefunden haben. Gleiches gilt für die Auskunft des Auswärtige Amtes vom 21. Januar 2013 an das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt.

48

Der Senat geht außerdem davon aus, dass die aufgezeigten Missstände in bestimmten Städten und Regionen auftreten, die Funktionsfähigkeit des Asyl- und Aufnahmesystems aber nicht insgesamt in Frage stellen. Es liegt in der Natur der Sache, dass Aufklärungsreisen die Problemschwerpunkte in den Blick nehmen (so ausdrücklich der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe mit Schwerpunkt Rom und Mailand, S. 1; in der Sache nicht anders der Bericht von Maria Bethke & Dominik Bender mit Schwerpunkt Rom und Turin; Gutachten von borderline-europe e.V. mit Schwerpunkt Rom und Sizilien). Diese Situationen sind aber nicht ohne Weiteres verallgemeinerbar. So geht der UNHCR, dessen Dokumente bei der Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften von besonderer Relevanz sind (vgl. EuGH, Urteil vom 30.05.2013 - C-528/11 - Rn. 44), in seiner Antwort an das Verwaltungsgericht Braunschweig davon aus, dass die CARA, CDA und SPRAR-Projekte in der Lage sind, dem Aufnahmebedarf einer signifikanten Anzahl an Asylsuchenden nachzukommen (UNHCR an VG Braunschweig vom 24. April 2012, S. 3). Anders als im Falle Griechenlands oder jüngst Bulgariens (UNHCR Briefing Notes vom 03.01.2014) hat der UNHCR bislang in keiner seiner Stellungnahmen eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten ausgesprochen, Überstellungen nach Italien nicht mehr vorzunehmen (siehe zuletzt UNHCR, Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy, July 2013). Auch die Auskünfte des Auswärtigen Amtes sprechen gegen die Annahme eines systemischen Mangels des italienischen Asylsystems. Sie basieren auf laufenden Gesprächen der Botschaft Rom mit dem italienischen Flüchtlingsrat CIR und UNHCR in Rom, grenzpolizeilicher Verbindungsbeamter der Bundespolizei im italienischen Innenministerium, Präsentationen des italienischen Innenministeriums und des statistischen Landesamtes ISTAT, Kontakten zu nichtstaatlichen karitativen Organisationen sowie Informationen des SPRAR und sind daher geeignet, einen Überblick über die Situation im Land zu geben. Nach der Auskunft an das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt konnten seinerzeit (Januar 2013) alle Asylbewerber und Flüchtlinge in öffentlichen Zentren untergebracht werden. Gegebenenfalls gebe es lokale und regionale Überbelegungen, italienweit seien aber genügen Plätze vorhanden. Insbesondere in Norditalien seien die Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Zusätzlich zu den staatlichen/öffentlichen Einrichtungen gebe es kommunale und karitative Einrichtungen, so dass meist ein Unterbringungsplatz in der Nähe gefunden werden könne. Es sei nicht davon auszugehen, dass Personen, die in den staatlichen Aufnahmeeinrichtungen und staatlichen Unterkünften keinen Platz fänden, regelmäßig oder überwiegend obdachlos auf der Straße oder in Elendsquartieren leben müssten.

49

(d) Mit Blick auf den hier vorliegenden Fall ist weiter festzuhalten, dass sich aus der Auskunftslage auch keine systemischen Mängel für Personen ergeben, denen bereits ein Schutzstatus zugesprochen wurde. Die mit der Anerkennung verbundene Erteilung eines Aufenthaltsrechts (permession di soggiorno) bedeutet in der Praxis, dass sich die Personen mit Schutzstatus grundsätzlich selbst um eine Unterkunft und eine Arbeit kümmern müssen. Sie können nicht mehr in CARA unterkommen, da diese nur Asylbewerbern offenstehen. Sie können sich aber für Plätze im SPRAR-System bewerben, sofern sie die maximale Verweildauer noch nicht überschritten haben. Tatsächlich wird eine große Zahl der Plätze im SPRAR-System von Personen mit Schutzstatus belegt. Allerdings bestehen zum Teil lange Wartezeiten (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 22). Hier dürfte die geplante Ausweitung der SPRAR-Plätze eine deutliche Entlastung bringen. Daneben bieten die Gemeinden Unterkünfte an. Jedenfalls in Rom betrug die durchschnittliche Wartezeit auf einen solchen Platz allerdings drei Monate und in Mailand einen bis drei Monate (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 27 und S. 30). Schließlich können sich Personen mit Schutzstatus, die keine Unterkunft finden, an kirchliche Organisationen und Nichtregierungsorganisationen wie die Caritas oder das Consiglio Italiano per i Rifugiati wenden (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.01.2013 an das OVG des Landes Sachsen-Anhalt). Verlässliche Zahlen, wie viele Schutzberechtigte von keiner dieser Möglichkeiten Gebrauch machen können und letztlich obdachlos werden, fehlen. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes ist im Regelfall oder gar überwiegend aber nicht davon auszugehen, dass Flüchtlinge in Italien beziehungsweise Rückkehrer nach der Dublin-II-Verordnung dort unter Verhältnissen leben müssen, welche man gemeinhin als „Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums (Betteln, Leben auf der Straße etc.)“ bezeichnen könne. Hierbei handle es sich eher um Einzelfälle (Auswärtiges Amtes an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).

50

In Italien gibt es auch für italienische Staatsangehörige kein national garantiertes Recht auf Fürsorgeleistungen zur Lebensunterhaltssicherung vor dem 65. Lebensjahr. Die Zuständigkeit für die Festsetzung von Sozialhilfeleistungen liegt grundsätzlich im Kompetenzbereich der Regionen. In bestimmten Regionen wird die Höhe des Sozialgeldes durch die Kommune festgesetzt. Öffentliche Fürsorgeleistungen weisen daher deutliche Unterschiede je nach regionaler und kommunaler Finanzkraft auf (Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern im vorliegenden Fall; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 48).

51

Auch wenn sich die Situation damit deutlich schlechter und unsicherer darstellt als in der Bundesrepublik Deutschland, begründet dies für sich genommen keinen systemischen Mangel. Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat ausdrücklich festgehalten, dass Art. 3 EMRK die Vertragsparteien nicht verpflichte, jede Person innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs mit einem Obdach zu versorgen. Die Norm enthalte auch keine allgemeine Pflicht, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu bieten, um ihnen einen bestimmen Lebensstandard zu bieten. Ausländer, die von einer Ausweisung betroffen seien, gewähre die Konvention grundsätzlich keinen Anspruch mit dem Ziel, im Hoheitsgebiet des Vertragsstaates zu verbleiben, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren, die vom ausweisenden Staat zur Verfügung gestellt werde. Wenn keine außergewöhnlichen zwingenden humanitären Gründe vorlägen, die gegen eine Ausweisung sprächen, sei allein die Tatsache, dass die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse des Antragstellers bedeutend geschmälert würden, falls er oder sie ausgewiesen würde, nicht ausreichend, einen Verstoß gegen Art. 3 EMR zu begründen (Beschluss vom 02.04.2013, Mohammed Hussein u.a. gegen Niederlande und Italien, a.a.O. Rn. 70 f.).

52

Keine systematischen Mängel bestehen schließlich auch im Hinblick auf den Zugang zum Gesundheitssystem. Personen mit Schutzstatus sind in Fragen der Gesundheitsversorgung den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt. Die Anmeldung beim Nationalen Gesundheitsdienst ermöglicht die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Behandlung bei einem praktischen Arzt, Kinderarzt, in Ambulanzen und zur Aufnahme in ein Krankenhaus berechtigt. Hierzu benötigen Schutzberechtigte den Aufenthaltstitel, die Steuernummer sowie eine feste Adresse. Personen ohne festen Wohnsitz können sich zumindest in Rom unter Sammeladressen karitativer Einrichtungen melden, die von den Behörden akzeptiert werden. Eine aktuelle Vereinbarung zwischen der italienischen Zentralregierung und den Regionen garantiert die Not- und Grundversorgung auch von Personen, die sich illegal im Land aufhalten. Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei (Auswärtiges Amt an OVG des Landes Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).

53

(e) Die Einschätzung, dass das italienische Asylsystem nicht an systemischen Mängeln leidet, wird durch die jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs für Menschenrechte bestätigt. In seinem Beschluss vom 2. April 2013 hat er die Überstellung der dortigen Beschwerdeführerin, der - wie dem Kläger - in Italien bereits ein Schutzstatus zugesprochen worden war, mit Art. 3 EMRK für vereinbar gehalten. Dabei hat er - neben der konkreten Situation der Antragstellerin - eine Vielzahl von Stellungnahmen sowie Berichten von Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen über die generelle Situation in Italien ausgewertet. Er kommt nach ausführlicher Würdigung der festzustellenden Mängel - und keineswegs nur unter Bezug auf den ihm vorgelegten konkreten Sachverhalt - zu dem Schluss, dass die allgemeine Situation und die Lebensbedingungen in Italien für Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge und Ausländer, die aus Gründen des internationalen Schutzes oder zu humanitären Zwecken eine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben, kein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für Asylbewerber als Mitglieder einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe aufzeigen (Beschluss vom 02.04.2013, Mohammed Hussein u.a. gegen Niederlande und Italien, Rn. 70 ff., in Teilen übersetzt von Wischrath, ZAR 2013, 336, besprochen von Thym in ZAR 2013, 331; siehe auch Hailbronner, AuslR, Dezember 2013, § 34a Rn. 29 f.; ebenso Beschluss vom 18.06.2013, Halimi gegen Österreich und Italien, Rn. 68, in Teilen übersetzt von Wischrath, ZAR 2013, 338). Diese Einschätzung hat er jüngst nochmals ausdrücklich bestätigt (Beschluss vom 10.09.2013 - Nr. 2314/10 -, Hussein Diirshi u.a. gegen Niederlande und Italien, zitiert nach HUDOC).

54

(f) Es sind auch keine besonderen Umstände des Einzelfalles ersichtlich, die befürchten ließen, dass gerade dem Kläger in Italien eine mit Art. 4 der Grundrechtecharta nicht vereinbare Behandlung drohen würde. Er leidet insbesondere nicht an außerordentlich schweren oder seltenen Krankheiten, deren Behandlung in Italien nicht möglich erschiene. Nach seiner Schilderung bekam er in Italien in Notfallsituationen zumindest Schmerzmittel verabreicht. Die Probleme bei einer weiterführenden Behandlung resultierten offenbar daraus, dass er mangels festen Wohnsitzes keine Gesundheitskarte beantragt hat. Dem hätte der Kläger nach der Auskunftslage aber zumindest in Rom dadurch abhelfen können, dass er sich bei einer gemeinnützigen Organisation eine fiktive Meldeadresse hätte geben lassen. Aus den Angaben des Klägers lässt sich außerdem schließen, dass er noch keinen Platz im SPRAR-System beansprucht hat. Damit steht ihm nach seiner Rückkehr die Möglichkeit offen, sich für einen solchen Platz zu bewerben. Auf die von dem Kläger zuletzt aufgeworfene Frage, ob die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt vom 21. August 2013 zutrifft, nach der alle im Rahmen der Dublin-Verordnung zurückgeführten Personen von der Questura in eine Unterkunft verteilt werden, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Diese Auskunft dürfte sich auf Personen ohne Schutzstatus bezogen haben, die - wie oben dargestellt - ohnehin einem anderen Aufnahmeregime unterfallen.

III.

55

Die Abschiebungsanordnung ist nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen nach § 27a AsylVfG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies ist der Fall, nachdem Italien seine Zuständigkeit akzeptiert hat und der Abschiebung keine relevanten Hindernisgründe entgegenstehen.

IV.

56

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.

57

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

58

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen. Streitentscheidend ist vorliegend die Würdigung der tatsächlichen Umstände in Italien.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung seines Asylantrags als unzulässig sowie die Anordnung seiner Abschiebung nach Italien.
Der Kläger ist nach eigenen Angaben ein 1982 geborener Staatsangehöriger Sri Lankas mit tamilischer Volks- und hinduistischer Glaubenszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben am 11.03.2011 ins Bundesgebiet ein und stellte am 12.04.2011 einen Asylantrag. Bereits im Rahmen seiner Befragung zur Vorbereitung der Anhörung am 06.05.2011 gab der Kläger an, er habe im Juni 2010 in Lecce / Italien Asyl beantragt. Von Januar 2010 bis Oktober 2010 habe er sich in Italien aufgehalten.
Am 20.06.2011 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (künftig: Bundesamt) an die italienischen Behörden ein Übernahmeersuchen unter Berufung auf Art. 16 c) Dublin-II-VO. Die italienischen Behörden gaben hierzu keine Stellungnahme ab.
Mit Bescheid vom 25.08.2011, zugestellt nach dem 02.11.2011, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab und ordnete seine Abschiebung nach Italien an. Der Bescheid war auf § 27a AsylVfG, Art. 20 Abs. 1 c) Dublin-II-VO gestützt. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.
Der Kläger hat am 07.11.2011 Klage erhoben und wie folgt begründet: Eine Abschiebung erfolge gegenwärtig „ins Blaue hinein“, nachdem die italienischen Behörden das Übernahmeersuchen nicht beantwortet hätten. Er habe in Italien kein faires Asylverfahren erhalten; er habe bis heute keinen Ablehnungsbescheid bekommen, sondern sei ohne die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, unter Setzung einer kurzen Frist zur Ausreise aufgefordert worden. Auch der EGMR habe Bedenken an der Durchführung eines rechtsstaatlichen Mindestgrundsätzen genügenden Asylverfahrens in Italien. Die Ausführungen in der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes widersprächen der aktuellen Erkenntnislage sowie der praktisch einhelligen Rechtsprechung, wonach Überstellungen nach Italien aufgrund fehlender Gewährleistung des Flüchtlingsschutzes gegenwärtig unzulässig seien. Die Situation dort habe sich gerade nicht entscheidend verbessert. Die Überstellungsfristen nach Italien seien zwischenzeitlich wohl abgelaufen. Die Beklagte ignoriere die aktuelle Rechtsprechung, die zum Vorliegen systemischer Mängel komme. Es bestünden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich die Aufnahmesituation für zurückgeschobene Flüchtlinge verbessert habe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 25.08.2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
10 
Italien erfülle gegenüber Asylantragstellern die Mindeststandards. Es handele sich bei Italien um einen EU-Mitgliedstaat und damit um einen sicheren Drittstaat i.S.v. Art. 16a Abs. 2 GG, § 26 AsylVfG. Es sei daher aufgrund des diesen Vorschriften zugrunde liegenden Konzepts der normativen Vergewisserung davon auszugehen, dass die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt sei. Die Dublin-II-Verordnung beruhe auf der Prämisse, dass die zuverlässige Einhaltung von GFK und EMRK in allen Mitgliedstaaten gesichert sei. Weder UNHCR noch SFH hätten Bedenken an einer Zurückschiebung von Flüchtlingen nach Italien geäußert. Die Auskunft des Auswärtigen Amtes gebe die Situation wider, wie sie von zahlreichen Verwaltungsgerichten gesehen werde. Die Möglichkeit und der Ablauf des Asylverfahrens seien gesetzlich geregelt, Unterbringung werde Asylbewerbern in den Erstaufnahmeeinrichtungen und in den Aufnahmezentren gewährt. Es liege im Verantwortungsbereich des Antragstellers, dass ihn Zustellungen erreichten, wie es auch in Deutschland der Fall sei. In Italien liege der Fall im Gegensatz zu Griechenland offenbar eher so, dass sich ein großer Teil der Flüchtlinge unabhängig vom Asylverfahren dort aufhalte. Der daraus entstehende Eindruck schwieriger Lebensverhältnisse könne keinen Einfluss auf die Beurteilung haben, ob die Mindestanforderungen an das Asylverfahren erfüllt seien. Der EGMR sei der Auffassung, dass die Situation in Italien nicht mit der in Griechenland vergleichbar sei. Der EGMR habe das Vorliegen systemischer Mängel verneint. Auch das BVerfG habe in keinem einzigen Fall entschieden, dass eine Rückführung nach Italien im Rahmen des Dublin-II-Verfahrens unzulässig sei. Dies sähen auch Obergerichte wie der OVG Sachsen-Anhalt im Verfahren 4 L 44/13 so. Die Auskunft des UNHCR bestätige die Rechtsauffassung, dass eine systemische Störung des Asylsystems in Italien nicht bestehe. Der UNHCR bestätige die positive Entwicklung im italienischen Verfahren. Die unentgeltliche Prozesskostenhilfe sei gesetzlich verankert, finanzielle Hilfen stünden prinzipiell zur Verfügung, wenn die Unterbringungskapazitäten der staatlichen Unterkünfte nicht ausreichten. Zur Gesundheitsversorgung und Ernährungssituation äußere sich der UNHCR positiv. Auch kurzzeitige und geringfügige Verschlechterungen und Verzögerungen erreichten nicht die Qualität einer menschenrechtswidrigen Behandlung. Die Zuständigkeit Italiens sei gemäß Art. 16 Abs. 1 c) i.V.m. Art. 29 Abs. 1 Dublin-II-VO begründet; ein Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte sei später nicht erfolgt. Für Wiederaufnahmegesuche nach Art. 16 Abs. 1 c) bis e) Dublin-II-VO gebe es keinerlei Frist. Da der Kläger gegen seine Überstellung innerhalb der Frist, bis zu der gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO seine Überstellung nach Italien habe erfolgen können, einen Rechtsbehelf eingelegt habe, beginne gemäß Art. 20 Abs. 1 d) Satz 2 der Verordnung die sechsmonatige Frist im Zeitpunkt der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung zu laufen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Gerichte - wie vorliegend - aufgrund der Annahme eines Ausnahmefalles tatsächlich vorläufigen Rechtsschutz gewährten.
11 
Mit Beschluss vom 24.04.2012 hat die Kammer Beweis erhoben durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes sowie eines Gutachtens des UNHCR zu verschiedenen Fragen betreffend die rechtlichen Grundlagen sowie die Praxis des Asylverfahrens sowie der Aufnahmebedingungen in Italien. Das Auswärtige Amt erteilte unter dem 11.07.2012 eine Auskunft, das Gutachten des UNHCR stammt vom 19.12.2013. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
12 
Mit Beschluss der Kammer vom 02.02.2013 ist die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid der Beklagten vom 25.08.2011 angeordnet und der Beklagten aufgegeben worden, dem Regierungspräsidium Karlsruhe mitzuteilen, dass eine Abschiebung des Klägers nach Italien vorläufig nicht durchgeführt werden darf.
13 
Dem Gericht haben die einschlägigen Verwaltungsakten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (1 Bd.) vorgelegen. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten im Verfahren A 4 K 2203/11 und im vorliegenden Verfahren wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
A.
14 
Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß §§ 40, 42 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Denn mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 25.08.2011 hat die Beklagte den Asylantrag des Klägers unter Bezugnahme auf § 27a AsylVfG für unzulässig erklärt und auf der Grundlage des § 34a AsylVfG seine Abschiebung nach Italien angeordnet. Für die Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage - gerichtet auf das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen - besteht kein Raum. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig unter Berufung auf die fehlende Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre trotz fehlender Sachprüfung durch das Bundesamt nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Folglich ist im Falle des § 27a AsylVfG - wie auch in Konstellationen einer Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens nach § 33 Abs. 1 AsylVfG (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 05.09.2013 - 10 C 1/13 -, juris; Urteil vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 -, juris) - nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt vorbehalten (so auch VG Stuttgart, Urteil vom 20.09.2012 - A 11 K 2519/12 -, juris; Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K 383/14 -; VG Karlsruhe, Urteil vom 03.03.2010 - A 4 K 4072/08 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Nieders., Beschluss vom 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -, juris, sowie jüngst VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; a.A. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris).
B.
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Die Klage ist jedoch unbegründet. Das Bundesamt ist im angefochtenen Bescheid vom 25.08.2011 zu Recht davon ausgegangen, dass nicht die Bundesrepublik Deutschland für die Prüfung des am 12.04.2011 gestellten Asylantrages des Klägers zuständig ist, sondern die Republik Italien, und hat daher auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet.
I.
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Gemäß Art. 49 (Abs. 2) der Dublin-III-Verordnung 604/2013/EU ist für vor dem 19.07.2013 in Deutschland gestellte (Alt-)Anträge auf internationalen Schutz (i.S. von Art. 2 lit. h QRL: Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiären Schutzes) weiterhin die Dublin-II-Verordnung 343/2003/EG (- Dublin-II-VO -) anwendbar. Nach den hiernach anwendbaren Regelungen der Dublin-II-VO ist Italien für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers auch dann zuständig, wenn das von ihm nach eigenen Angaben im Jahr 2011 in Lecce eingeleitete Asylverfahren, wie er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, rechtskräftig abgeschlossen worden ist; insoweit ergibt sich eine Zuständigkeit der italienischen Behörden für die Prüfung des klägerischen Asyl(-folge-)antrags aus Art. 16 Abs. 1 e) Dublin-II-VO, nachdem diese innerhalb der Frist des Art. 20 Abs. 1 c) Dublin-II-VO keine Antwort erteilt haben.
17 
Die Zuständigkeit Italiens ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Beklagte übergegangen. Nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin-II-VO geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag gestellt wurde, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wird. Das knüpft an Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO an, welcher (u.a.) bestimmt, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf erfolgt, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Diese Frist ist hier noch nicht abgelaufen, wobei es maßgeblich auf die zweite Alternative der Regelung ("oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf") ankommt. Denn solange die Vollziehung der Überstellung - wie es vorliegend ausnahmsweise der Fall ist - weiter ausgesetzt ist, ist insoweit entscheidend auf die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzustellen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 -, juris).
II.
18 
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO ausübt.
19 
1. Ein Hauptzweck der Verordnung VO (EG) Nr. 343/2003 besteht, wie aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 hervorgeht, in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaates, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden. Allerdings kann abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-II-VO gemäß Absatz 2 der Vorschrift jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen.
20 
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (grundlegend Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u. C-493/10, N.S. u.a. -, juris sowie Slg. 2011, I-13905) kann ein Mitgliedstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet sein, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen (vgl. zum Folgenden auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris; Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - OVG 7 S 58.13 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, juris). Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) aus.
21 
1.1 Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtscharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten haben bei der Ausübung ihres Ermessens diese Grundsätze daher zu beachten. Im Rahmen seiner Ermessensausübung kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen; es gilt insoweit das sog. Prinzip gegenseitigen Vertrauens beziehungsweise normativer Vergewisserung (dazu grundlegend BVerfG, Urteil vom 15.05.1996 - 2 BvR 1938/93 -, juris). Daraus folgt die Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat stehe in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.). Ein Ausländer, der in einen sicheren Drittstaat zurück verbracht werden soll, kann infolgedessen entsprechend dem Konzept normativer Vergewisserung den Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor einer politischen Verfolgung oder sonstigen schwerwiegenden Beeinträchtigungen in seinem Herkunftsstaat grundsätzlich nicht mit der Begründung einfordern, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt würden (BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 -, juris).
22 
1.2 Die Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat stehe in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, ist jedoch nicht unwiderleglich. Nicht ausgeschlossen werden kann nämlich, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.).
23 
Eine Widerlegung der Vermutung wurde vom EuGH mit Blick auf die gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems indes an hohe Hürden geknüpft. Nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der Dublin-II-VO und nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts - wie etwa von Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK - durch den zuständigen Mitgliedstaat vermag die Überstellung eines Asylbewerbers an den laut Dublin-II-VO eigentlich zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln und das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage zu stellen. Das Zuständigkeitssystem ist nach der Rechtsprechung des EuGH vielmehr nur dann auszusetzen, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.; Urteil vom 10.12.2013 - C-394/12 -, juris; Urteil vom 14.11.2013 - C 4/11 -, juris). Diese Rechtsprechung ist auch in die Neufassung von Art. 3 Abs. 2 VO (EU) Nr. 604/2013 (v. 26.06.2013 - Dublin-III-VO) eingeflossen.
24 
Die sich aus dieser EuGH-Rechtsprechung ergebenden Anforderungen an das deutsche verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -, juris) dahingehend zusammengefasst, dass sich der Tatrichter im Rahmen der Amtsermittlung zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen muss, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. (Nur) dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus.
25 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 -, NVwZ 2011, 413) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da Asylbewerber dort systematisch ohne Angabe von Gründen in Haftzentren untergebracht würden. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden. Art. 3 EMRK allein verpflichte die Vertragsstaaten zwar nicht, Flüchtlinge in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen, sie finanziell zu unterstützen oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Etwas anderes gilt aber ausweislich des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie -), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen (so nun auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris).
26 
Aus dem Gesagten ergibt sich: Eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK liegt im Hinblick auf die Asylverfahren nur dann vor, wenn mit Blick auf das Gewicht und Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieses Grundrechts mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit die reale, nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass dem Betroffenen in dem Mitgliedstaat, in den er als den nach der Dublin-II-VO „zuständigen“ Staat überstellt werden soll, schon der Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt oder massiv erschwert wird, dass das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet oder dass der Betroffene während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbarer Weise befriedigen kann.
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2. Trotz der in Teilen weiterhin defizitären Umsetzung der in Italien bestehenden asylrelevanten Regelungen durch die italienischen Behörden und der nach wie vor bestehenden Mängel in Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern in Italien sind zur Überzeugung der Kammer auf der Grundlage einer ausführlichen Auswertung der vorliegenden Erkenntnismitteln (vgl. zum Folgenden AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2011; Consiglio Italiano per i Rifugiati / European Council on Refugees and Exiles, Asylum Information Database, National Country Report Italy, Mai 2013, Update November 2013, verfügbar unter http://www.asylumineurope.org/files/report-download/italy_aida_report_first_update_final_dec13.pdf - CIR/ecre, National Country Report Italy -; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013; Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, 07/2013 - UNHCR, Empfehlungen 2013 -; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; Associazione per gli Studi Giuridici sull’Immigrazione, Die derzeitige Situation von Asylbewerbern in Italien, 20.11.2012 - ASGI, Asylbewerber in Italien -) zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die strengen Voraussetzungen, die nach dem oben Gesagten für die Annahme einer Eintrittspflicht der Beklagten erfüllt sein müssten, nicht gegeben. Es steht nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und / oder die Aufnahmebedingungen in Italien derart grundlegende Mängel aufweisen, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an Italien im Rahmen der Dublin-II-Verordnung überstellten Asylbewerber zu erwarten steht (in diesem Sinne auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo; Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 20 A 10656/13 -, juris; OVG Nieders., Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 -, juris; Beschluss vom 18.03.2014 - 13 LA 75/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris).
28 
Denn Italien verfügt über ein ausdifferenziertes Asylverfahrensrecht und konkrete Regelungen betreffend die Aufnahme von Flüchtlingen (2.1). Auch wenn die diesbezüglichen Regelungen in der Praxis mitunter defizitär angewendet werden, sind die hierbei zutage tretenden Mängel jedenfalls gegenwärtig nicht von einer Tragweite, die das Vorliegen systemischer Mängel implizierte (2.2).
29 
Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob die Anforderungen an das Vorliegen systemischer Mängel in den Fällen, in denen der Betroffene - wie hier der Kläger - in dem nach der Dublin-Verordnung zuständigen Staat bereits ein Asylverfahren durchlaufen hat, sogar noch strengere Anforderungen zu stellen sind (in diese Richtung VG Potsdam, Beschluss vom 14.11.2013 - 6 L 767/13.A -, juris).
30 
2.1. Das italienische Rechtssystem sieht ein ausdifferenziertes Asylverfahren vor. Die italienische Verfassung kennt ein Grundrecht auf Asyl (Art. 10 Abs. 3); daneben bestehen verschiedene Einwanderungs- und Asylverfahrensgesetze. Die gesetzlichen Regelungen gelten auch für - hier relevante und daher zuvörderst in die Betrachtungen einzubeziehende - Überstellungen nach der Dublin-II-Verordnung; Besonderheiten bestehen insoweit nicht (AA, Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2011; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
31 
2.1.1 Das Asylverfahren läuft in mehreren Schritten ab:
32 
2.1.1.1 Asylgesuche werden beim Polizeipräsidium (questura) oder bei dem Grenzschutz (polizia di frontiera) entgegengenommen; eine inhaltliche Überprüfung des Gesuchs, das an keine Form gebunden ist, findet nicht statt (ASGI, Asylbewerber in Italien). Im Zusammenhang mit der Stellung des Schutzersuchens findet eine erkennungsdienstliche Behandlung (fotosegnalamento) statt (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Antragsteller, deren Anträge vom Grenzschutz aufgenommen worden sind, erhalten ein Schreiben, in dem sie an die zuständige „Questura“ weiterverwiesen werden (verbale di invito).
33 
2.1.1.2 Die förmliche Erfassung des Asylantrags (verbalizzazione) mittels „C3-Formular“ (verbale) erfolgt durch die örtlich zuständige „Questura“, die dem Asylsuchenden eine Bescheinigung über den Erstantrag sowie eine Aufenthaltserlaubnis (permesso di soggiorno) ausstellt (CIR/ecre, National Country Report Italy; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Eine gesetzliche Frist, innerhalb derer die Verbalizzazione zu erfolgen hat, existiert nicht (CIR/ecre, National Country Report Italy). Außerdem soll der Asylbewerber dort mit einer Informationsbroschüre in einer nach Möglichkeit für den Asylbewerber verständlichen Sprache über den Gang des Asylverfahrens, seine Rechte und Pflichten und den Zugang zum Gesundheitssystem informiert werden (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Ferner ist dem Asylsuchenden in jeder Phase des Asylverfahrens der Kontakt zum UNHCR und Nichtregierungsorganisationen zu ermöglichen (CIR/ecre, National Country Report Italy).
34 
2.1.1.3 Nach der Verbalizzazione wird der Fall an die jeweilige für die Region verantwortliche, dem Innenministerium unterstehende Kommission (Commissione territoriale per il riconoscimento dello status di rifugiato) übergeben, deren Mitglieder sich aus zwei Bediensteten des Innenministeriums, einem Vertreter einer lokalen Behörde (Kommune, Provinz oder Region) sowie einem UNHCR-Vertreter zusammensetzen (UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Bestandteil des Verfahrens ist eine nicht-öffentliche persönliche Anhörung des Asylbewerbers, die laut Gesetz innerhalb von 30 Tagen stattfinden soll und zu der ein Dolmetscher hinzugezogen wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). In bestimmten Fällen (etwa offensichtlich begründeter Asylanträge) findet ein beschleunigtes Verfahren statt (esame prioritario). Die abschließende Entscheidung soll binnen drei, im beschleunigten Verfahren binnen zwei Tagen nach der Anhörung ergehen.
35 
Während des Asylverfahrens haben die Asylbewerber Anspruch auf sprachliche und kulturelle Übersetzungsdienste. Sie haben das Recht, sich auf eigene Kosten von einem Rechtsanwalt beraten und vertreten zu lassen (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; ASGI, Asylbewerber in Italien).
36 
2.1.1.4 Gegen einen ablehnenden Bescheid können Asylbewerber innerhalb von 30 Tagen, Bewohner von CIE (Centro di Identificazione ed Espulsione) und CARA (centro die accoglienza per richiedenti asilo) grundsätzlich innerhalb von 15 Tagen nach Zustellung durch das hierfür zuständige Polizeipräsidium (questura) vor einem ordentlichen Gericht (Tribunale Ordinario) Widerspruch einlegen. Der Widerspruch hat grundsätzlich aufschiebende Wirkung; entfällt im Ausnahmefall, etwa bei als unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylanträgen, die aufschiebende Wirkung, kann der Antragsteller bei Gericht das Aussetzen der Rechtswirkung der erstinstanzlichen ablehnenden Entscheidung beantragen (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). Bestandteil des gerichtlichen Verfahrens ist eine (nicht-öffentliche) Anhörung des Asylbewerbers (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013). Das Gesamtverfahren einschließlich Widerspruch gegen einen ablehnenden Bescheid soll nicht länger als sechs Monate dauern (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
37 
2.1.1.5 Gegen die erstinstanzliche Entscheidung ist der Instanzenweg (Berufung, Revision) eröffnet (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012); insoweit findet keine automatische Aussetzung der Wirksamkeit der richterlichen Entscheidung statt, eine solche kann jedoch auf Antrag vom angerufenen Gericht gewährt werden (ASGI, Asylbewerber in Italien).
38 
2.1.1.6 Während des Gerichtsverfahrens besteht die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe; diese ist vom Nachweis der Vermögensverhältnisse sowie der Prüfung der Erfolgsaussichten des Prozesses durch das zuständige Gericht abhängig (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; ASGI, Asylbewerber in Italien).
39 
2.1.1.7 Asylbewerber haben die Möglichkeit, nach negativem Abschluss ihres Asylverfahrens bei der Questura einen Folgeantrag zu stellen. Dieser wird nach der Verbalizzazione von derjenigen Commissione territoriale, die auch für den Erstantrag zuständig war, daraufhin überprüft, ob der Asylantragsteller neue Gesichtspunkte betreffend seine eigene Person oder die Umstände im Heimatland vorbringt. Ist dies nicht der Fall, wird der Asylfolgeantrag als unzulässig abgelehnt; gegen die Ablehnungsentscheidung steht der Rechtsweg einschließlich der Möglichkeit des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes offen (CIR/ecre, National Country Report Italy). Andernfalls tritt die Commissione territoriale in eine erneute Prüfung ein. Hierfür enthält das italienische Recht keine besonderen Vorschriften, vielmehr gelten die gleichen gesetzlichen Regelungen und Verfahrensgarantien wie für das Asylerstverfahren (CIR/ecre, National Country Report Italy; zur Möglichkeit, in Italien einen Folgeantrag zu stellen, vgl. auch VG Minden, Urteil vom 20.01.2014 - 10 K 1096/13.A -, juris; VG Aachen, Beschluss vom 03.04.2014 - 7 L 165/14.A -, juris).
40 
2.1.2 Auch hinsichtlich der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende enthält das italienische Recht umfangreiche Regelungen.
41 
2.1.2.1 Im Hinblick auf die Unterbringung von Asylbewerbern ist geregelt, dass diese, falls sie nicht selbst ihren Lebensunterhalt für sich und ihre Familienangehörigen finanzieren können, einen entsprechenden Antrag stellen können, der von der Präfektur (prefettura) bearbeitet wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). Die Präfektur weist den Asylbewerbern dann Plätze zu.
42 
Italien verfügt über unterschiedliche Unterbringungsmodalitäten für Asylbewerber (ausführlich dazu borderline-europe e.v., Gutachten an VG Darmstadt, 12/2012; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; CIR/ecre, National Country Report Italy). CARA-Erstaufnahmeeinrichtungen (centro di accoglienza per richiedenti asilo) sind von Gesetzes wegen nur für den vorübergehenden (maximal 35 Tage) Aufenthalt von Asylbewerbern mit ungeklärter Identität in erster Linie zum Zwecke der Identitätsklärung vorgesehen (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013); ähnliche Funktionen erfüllen CIE (Centro die identificazione ed espulsione). Daneben gibt es CDAs (Centro di accoglienza per Richiedenti Asilo), die ebenfalls Erstaufnahmeeinrichtungen sind und dem kurzfristigen Aufenthalt u.a. auf dem Staatsterritorium aufgegriffenen Migranten dienen. CSPA (Centro di Soccorso e Prima Accoglienza) dienen nur der Aufnahme von Bootsflüchtlingen. Für den längerfristigen (normalerweise bis zu 6-monatigen) Aufenthalt von Asylbewerbern vorgesehen sind die Unterkunftsplätze in SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e rifugiati), einem Netzwerk von durch Kommunen, Kirchen, kirchliche Einrichtungen sowie sonstige Hilfsorganisationen betriebenen Unterkünften, das seine Grundlage in einer Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium, den Kommunen und den beteiligten nichtstaatlichen Organisationen hat.
43 
Ist in diesen Unterkünften kein Platz vorhanden, sieht das Gesetz vor, dass den Asylbewerbern bis zum Freiwerden eines Platzes finanzielle Unterstützung gewährt wird.
44 
Zugang zu den Einrichtungen besteht für Asylbewerber von Gesetzes wegen bereits ab dem Zeitpunkt des Asylgesuchs (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). In den Erstaufnahmeeinrichtungen (CARA, CDA, CSPA) werden den Asylbewerbern Essen, Unterkunft, Kleidung, erste Hilfe sowie grundlegende Informationen gewährt (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013); SPRARs sind besser ausgestattet und gewähren darüber hinaus etwa Dolmetscherdienste und Gesundheitsfürsorge (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Daneben wird den Asylbewerbern ein Taschengeld für persönliche Bedürfnisse gezahlt, das in CARA 2,50 Euro/Tag beträgt und in SPRAR in unterschiedlicher Höhe von etwa 2,00 Euro/Tag gewährt wird (CIR/ecre, National Country Report Italy). Unterstützungsleistungen können durch die Präfektur gestrichen werden, wenn sich der Asylberechtigte nicht in die zugewiesene Unterkunft begibt oder diese unerlaubt verlässt; hiergegen ist Rechtsschutz möglich (CIR/ecre, National Country Report Italy).
45 
Wird das Asylverfahren nicht binnen sechs Monaten abgeschlossen, erhalten Asylbewerber im Anschluss an ihren zunächst auf sechs Monate befristeten Aufenthaltstitel einen erneuten Aufenthaltstitel, der ihnen die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme gewährt und bis zum Ende des Asylverfahrens verlängert wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013). Unterbringung und Versorgungsleistungen werden ebenfalls entsprechend verlängert (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
46 
Legt der Asylbewerber Rechtsmittel gegen die Ablehnung seines Asylantrags ein, wird seine Aufenthaltserlaubnis verlängert (ASGI, Asylbewerber in Italien). Allerdings muss er die Aufnahmeeinrichtung verlassen, wenn er arbeitsfähig ist (borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012).
47 
Haben Dublin-Rückkehrer bereits während ihres ersten Asylverfahrens Platz in einer Aufnahmeeinrichtung gefunden, steht ihnen kein Recht zu, nach ihrer Rückführung nach Italien bis zum Abschluss des Asylerstverfahrens erneut dort untergebracht zu werden; dies schließt es nicht aus, dass sie bei freien Kapazitäten einen Platz etwa in einem SPRAR erhalten (CIR/ecre, National Country Report Italy; borderline-europe e.v., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2102). Gleiches gilt für Folgeantragsteller (CIR/ecre, National Country Report Italy).
48 
2.1.2.2 Asylbewerber sind vom Zeitpunkt der Registrierung ihres Asylgesuchs zusammen mit ihren Familienmitgliedern über die gesetzliche Krankenversicherung versichert und sind italienischen Staatsbürgern gleichgestellt; sie haben Anspruch auf kostenlose Gesundheitsversorgung (CIR/ecre, National Country Report Italy). Hierfür ist die Anmeldung mit Aufenthaltstitel, der Steuernummer sowie einer festen Adresse beim nationalen Gesundheitsdienst (Servizio Sanitario Nazionale) erforderlich, welcher einen zur ambulanten oder stationären Behandlung berechtigenden Gesundheitsausweis ausstellt (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Diese kostenfreie medizinische Versorgung steht auch Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft wohnen (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
49 
2.1.2.3 Zur Durchsetzung einer Unterbringung und Mindestversorgung besteht möglicherweise (genau ist dies den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht zu entnehmen) prinzipiell die Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten in Anspruch zu nehmen (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Einen gerichtlich durchsetzbaren Rechtsanspruch (etwa mittels einstweiliger Anordnung) auf einen Unterbringungsplatz gibt es indes nicht (AA, Auskunft an VG Minden vom 24.05.2013), und auch im Übrigen gibt es jedenfalls keine Informationen darüber, dass von Asylbewerbern Rechtsschutz zur Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Mindestversorgung in Anspruch genommen worden wäre (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012).
50 
2.1.2.4 Im Falle einer Abschiebung werden abgelehnte Asylbewerber zunächst aufgefordert, das Land zu verlassen; geschieht dies nicht, werden sie in eine Abschiebhaftanstalt verbracht. Vor der Abschiebung muss ein Richter auf Grundlage eines Gesprächs mit dem Häftling die Rechtmäßigkeit des Ausreisebescheids prüfen. Dem Häftling wird bei diesem Gespräch ein Rechtsanwalt und ein Dolmetscher zur Seite gestellt. Ferner besteht in der Abschiebehaft die Möglichkeit, rechtliche Informationen einzuholen und an Sprachkursen teilzunehmen. Psychologischer sowie ärztlicher Beistand werden gewährleistet (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012).
51 
2.1.3 Aus dieser Darstellung ergibt sich, dass die rechtlichen Regelungen, das Asylverfahren und die Aufnahme von Asylbewerbern betreffend, in Italien den an sie zu stellenden Anforderungen durchweg gerecht werden. Diese Bewertung steht in Übereinstimmung mit der aktuellen Erkenntnismittellage. Auch wenn hier die tatsächliche Situation mitunter sehr kritisch beurteilt wird, werden die bestehenden gesetzlichen Vorgaben nur vereinzelt und nur im Hinblick auf vergleichsweise wenig gewichtige Punkte - etwa recht kurze Rechtsmittelfristen (vgl. dazu etwa CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien) - kritisiert. Es besteht daher keinerlei Anlass für die Annahme, bereits die rechtlichen Rahmenbedingungen implizierten systemische Mängel, aufgrund derer anzunehmen wäre, dass dort dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Italien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohe.
52 
2.2 Die rechtlichen Vorgaben werden in der Praxis jedoch nicht durchgängig eingehalten. Vielmehr verweisen etwa der UNHCR, die Schweizerische Flüchtlingshilfe, borderline-europe e.V., der European Council on Refugees and Exiles und das Consiglio italiano per i Rifugiati, in abgeschwächter Form auch das Auswärtige Amt auf verschiedene Mängel sowohl betreffend den Zugang Asylsuchender zum Asylverfahren und dessen Ablauf als auch betreffend die Aufnahmebedingungen, insbesondere die Unterbringung und (gesundheitliche) Versorgung der Asylbewerber in Italien.
53 
Rückblickend gesehen war das italienische Aufnahmesystem jedenfalls auf die erheblichen Flüchtlingsströme in den Jahren 2008 und 2011 nicht hinreichend vorbereitet; es gibt gravierende Hinweise darauf, dass in dieser Zeit wiederholt Asylbewerber ohne Prüfung ihres Asylbegehrens oder während noch laufender Rechtsmittelfristen und damit unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot in ihre Herkunftsländer abgeschoben wurden und ferner viele Asylbewerber in Italien keinen Zugang zu den völlig überlasteten Unterkünften hatten, der Obdachlosigkeit anheimfielen und keinerlei staatliche Unterstützung, etwa im Hinblick auf Nahrung und Kleidung oder Zugang zu medizinischer Versorgung, erlangen konnten (vgl. dazu etwa SFH, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, 05/ 2011; Bethke/Bender, „Zur Situation von Flüchtlingen in Italien“, 02/2011; Norwegian Organization für Asylum Seekers, The Italian approach to asylum: System and core problems“, 04/2011, sowie weitere, von der Kammer im Beschluss vom 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 -, juris zitierte Quellen). Dem entspricht es, wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung berichtet hat, er habe während der Durchführung des Asylerstverfahrens zu keinem Zeitpunkt staatliche Unterstützung in irgend einer Form erhalten, ihm sei insbesondere nie ein Platz in einer Unterkunft zugewiesen worden, und er sei nur deshalb nicht obdach- und völlig mittellos gewesen, weil er auf eigene Initiative bei Landsleuten habe unterkommen und für diese zeitweise gegen Unterkunft und Mahlzeiten habe arbeiten und eine Adresse für die behördliche Erreichbarkeit habe angeben können.
54 
Die italienischen Behörden haben auf die teilweise chaotischen Zustände zwischenzeitlich jedoch, etwa durch Verbesserungen im Verfahren oder auch die massive Erweiterung der zur Verfügung stehenden Unterkünfte (dazu im Einzelnen s.u.), reagiert. Auch die gegenwärtige Situation weist Mängel wie administrative Hürden, zeitliche Verzögerungen sowie Engpässe bei den Unterkünften auf, die allerdings als weniger schwerwiegend einzustufen sind und die Schwelle zum systemischen Mangel weder für sich genommen noch im Zusammenspiel überschreiten. Vielmehr ist in der Gesamtschau des vorliegenden Erkenntnismaterials davon auszugehen, dass das Asyl- und Aufnahmeverfahren im wesentlichen richtlinienkonform verläuft und grundsätzlich funktionsfähig ist und dabei insbesondere hinreichend sicherstellt, dass im Rahmen des Dublin-Verfahrens rücküberstellte Asylbewerber, die, wie der Kläger, nicht etwa aufgrund Alters, gesundheitlicher Beeinträchtigungen oder sonstiger besonderer in ihrer Person liegender Umstände besonders schutzwürdig sind, bei normalem Verlauf der Dinge nicht mit schwerwiegenden Verstößen oder Rechtsbeeinträchtigungen im Sinne von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh rechnen müssen.
55 
Im Einzelnen:
56 
2.2.1 In jüngerer Zeit sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013) keine Fälle mehr bekannt geworden, in denen Flüchtlingen und Asylsuchenden die Einreise nach Italien oder der Aufenthalt in Italien verweigert worden oder Flüchtlinge und Asylsuchende ohne die Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen, in ihren Herkunftsstaat oder ein Drittland zurückgeführt worden wären; auch sind dem Auswärtigen Amt keine Fälle neueren Datums bekannt, in denen Asylbewerber trotz laufender Asylverfahren abgeschoben worden wären. Jedenfalls gegenwärtig lässt sich daher nicht mehr feststellen, dass in Italien der Anspruch Schutzsuchender auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens generell oder auch nur regelmäßig vereitelt würde (OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo). Ebenso wenig lässt sich den vorliegenden Erkenntnismitteln entnehmen, dass Asylbewerbern nach erfolglosem Abschluss ihres Asylerstverfahrens die Stellung eines Asylfolgeantrags verweigert worden wäre.
57 
2.2.2 Eine Feststellung, die in den vorliegenden Erkenntnismitteln fast durchgängig bemängelt wird, ist die oftmals lange Verfahrensdauer. Diese rechtfertigt jedoch gegenwärtig nicht (mehr) die Feststellung systemischer Mängel.
58 
2.2.2.1 Das Asylverfahren dauert in vielen Regionen regelmäßig etwa 6 bis 10 Monate, während die gesetzlichen Vorgaben vorsehen, dass die Anhörung des Asylbewerbers binnen 30 Tagen erfolgen, die behördliche Entscheidung binnen weiterer 3 Tagen ergehen soll (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Dieser Umstand hat indes auf die Asylbewerber regelmäßig keine gravierenden Auswirkungen, weil auch Unterbringung und Versorgungsleistungen sowie der Aufenthaltstitel entsprechend verlängert werden (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
59 
2.2.2.2 Anders ist dies, wenn sich die Ausstellung der Verbalizzazione verzögert.
60 
2.2.2.2.1 Vom Asylgesuch bis zur Ausstellung der Verbalizzazione dauert es nach einhelliger Erkenntnislage (etwa CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013) nach wie vor oftmals mehrere Wochen, mitunter, insbesondere in größeren Städten wie Rom oder Mailand, auch mehrere Monate. Diese Verzögerung beruht mitunter auf fehlenden personellen Kapazitäten. Etwa in Mailand oder Rom liegt sie aber auch darin begründet, dass die dortigen Questure systematisch eine Wohnbestätigung oder den Nachweis einer Adresse als Voraussetzung für die Einreichung eines Asylgesuchs verlangen (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013), eine (gesetzlich nicht vorgesehene) Anforderung, die Asylbewerber mitunter nur dann erfüllen können, wenn ihnen Nichtregierungsorganisationen „virtuelle“ Adressen zur Verfügung stellen oder sie Leute dafür bezahlen, dass diese ihnen eine (fiktive) Wohnbestätigung ausstellen (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Diese Wartezeit bis zur Ausstellung der Verbalizzazione führt zu erheblichen Schwierigkeiten für die Asylbewerber. Denn in der Zwischenzeit haben sie Anspruch nur auf medizinische Notfallversorgung (CIR/ecre, National Country Report Italy). In der Praxis haben sie ferner vor Ausstellung der Verbalizzazione keinen Zugang zu CARA- oder SPRAR-Unterkünften, auch wenn von Gesetzes wegen der Zugang zu Unterkunft ab dem Moment der Stellung des Asylgesuchs zu gewährleisten wäre (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013). In diesen Fällen sind alternative Maßnahmen zur Sicherung des Lebensunterhalts von Asylsuchenden selten verfügbar, die Asylsuchenden sind vielmehr oftmals auf sich selbst gestellt und häufig obdachlos (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Allerdings wird dieses Problem von Nichtregierungsorganisationen und kirchlichen Organisationen erkannt, die hier im Rahmen ihrer Möglichkeiten, etwa durch die Vermittlung von provisorischen (Not-)Unterkünften, tätig werden (AA, Auskunft an VG Minden vom 24.05.2013).
61 
Dass Asylbewerber diese Verzögerungen vor einem Gericht angefochten oder überhaupt vorläufigen Rechtsschutz beantragt hätten, ist weder dem Auswärtigen Amt (Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012) noch dem UNHCR (Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; UNHCR, Empfehlungen 2013) bekannt. Die Praxis der Questura Mailand, eine Wohnbestätigung zu verlangen, wurde bereits von Hilfsorganisationen angefochten (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012), vom zuständigen Gericht jedoch gebilligt (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013).
62 
2.2.2.2.2 Von den Schwierigkeiten infolge der erheblichen Wartezeit bis zur Ausstellung der Verbalizzazione sind grundsätzlich auch Dublin-Rückkehrer betroffen. Diese treffen in der Regel auf dem Luftweg in Italien ein. Nach einer erneuten erkennungsdienstlichen Behandlung durch die Polizei erfolgt die Feststellung, welche Questura für die Person zuständig ist und wie der Stand des Verfahrens ist. Davon, ob der Asylbewerber während des laufenden Asylverfahrens Italien verlassen oder ob er in Italien nie ein Asylverfahren durchgeführt bzw., wie der Kläger, das Asylverfahren dort rechtskräftig abgeschlossen hat, hängt der weitere Ablauf ab:
63 
Dublin-Rückkehrer, die sich noch im Asylverfahren befinden, erhalten nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013) umgehend eine Unterkunft in einem entsprechenden Aufnahmezentrum zugewiesen, die ihnen von den auf dem Flughafen tätigen Nichtregierungsorganisationen vermittelt werde. Laut UNHCR hat diese Personengruppe in der Regel Zugang zu Transitunterbringungseinrichtungen (Auskunft an VG Freiburg, 12/2103). Laut Schweizerischer Flüchtlingshilfe (Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013) erfolgt die Unterbringung in einem FER-Projekt, soweit freie Plätze bestehen. Sind für sie nicht die Präfekturen Rom bzw. Varese zuständig, gilt diese Unterkunftsmöglichkeit nur für wenige Tage, bis sie in die für sie zuständige Region weiterreisen, um sich dort bei der Questura zu melden und von dieser einen Berechtigungsschein für ein CARA zu erhalten. Laut borderline-europe e.V. (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012) gibt es in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten mit der Ausstellung dieses Scheins; auch stünden mitunter nicht genügend Plätze zur Verfügung. Plätze in einem SPRAR könnten außerdem nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Betreffende vor seiner Ausreise keinen Platz dort in Anspruch genommen habe.
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Für Dublin-Rückkehrer, die sich, wie der Kläger, noch nicht oder nicht mehr in einem Asylverfahren befinden, etwa für diejenigen, die vor ihrer Asylantragstellung in einem anderen Land durch Italien gereist sind, ohne dort einen Asylantrag gestellt zu haben, erfolgt die Zuweisung der Unterkunft dagegen grundsätzlich, wie bei anderen Asylbewerbern auch, erst nach der Verbalizzazione, die auch für diese Gruppe mitunter erst nach Wochen oder Monaten erfolgt (so ausdrücklich UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012); eine frühere Möglichkeit, in eine FER-Unterkunft oder ein CARA zugewiesen zu werden, hängt von freien Kapazitäten ab (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Borderline-europe (a.a.O.) berichtet davon, von den Dublin-Rückkehrern, die über Rom eingereist seien, hätten nur knapp 8% eine CARA- oder SPRAR-Unterkunft erhalten, weitere etwa 12% eine Kurzzeitunterkunft, um sich von dort aus zu den für sie zuständigen Questure zu begeben. Allerdings bemühen sich die am Flughafen zuständigen Hilfsorganisationen, dem Betreffenden zumindest eine Übergangs- oder Notunterkunft in einer kommunalen oder karitativen Einrichtung zu besorgen; sollte dies nicht umgehend möglich sein, müssen Dublin-Rückkehrer unter Umständen einige Tage am Flughafen verbleiben und dort, zwar ohne besondere Schlafplätze, offenbar aber geduldet, übernachten (SFH, Aufnahmebedingungen, 10/2013; UNHCR, Empfehlungen 2013; AA, Auskunft an OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.09.2013). Nicht ausgeschlossen ist in diesem Zusammenhang indes, dass die Nichtregierungsorganisationen nicht rechtzeitig von der Ankunft von Dublin-Rückkehrern informiert werden und diese daher keine besondere Betreuung am Flughafen erfahren (SFH, a.a.O.).
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2.2.2.2.3 Der Umstand, dass der Zugang zu Unterkünften in der Praxis italienischer Behörden von der Ausstellung der Verbalizzazione abhängt und deren Ausstellung zeitlich jedenfalls in der Behördenpraxis (noch) nicht an das Asylgesuch geknüpft ist, ist sicherlich ein gravierender Mangel, der auch im System angelegt ist und grundsätzlich - wenn infolge der intensiveren Betreuung am Flughafen in möglicherweise geringerem Maße - auch Dublin-Rückkehrer wie den Kläger betrifft. Allerdings hat die italienische Regierung dieses Problem erkannt und sich dessen angenommen. So hat im Februar 2013 das italienische Innenministerium eine Weisung an die Questure herausgegeben, wonach die Verbalizzazione zeitlich mit der Asylgesuchsstellung zusammenfallen soll, und versucht, durch ein neues Onlinesystem (VESTANET) die Bearbeitung der Asylgesuche zu beschleunigen, die Bearbeitung von Einzelfällen im gesamten Verfahren zu verbessern, die Zeit zwischen dem erstmaligen Asylgesuch und der formalen Registrierung des Antrags zu überwachen und Verzögerungen umgehend entgegenzuwirken (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; CIR/ecre, National Country Report Italy). Im Report von CIR/ecre (a.a.O.) heißt es, die italienischen Behörden hätten insoweit wichtige Anstrengungen unternommen, um den förmlichen Zugang zum Asylverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Auch der UNHCR (a.a.O.) spricht insoweit von „positiven Entwicklungen“. Seinen jüngsten Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien (07/2013) lässt sich zwar entnehmen, dass es immer wieder zu wochen- oder auch monatelangen Verzögerungen bis zur Erstellung der Verbalizzazione kommt; wenn der UNHCR insoweit jedoch von „einigen Fällen“ oder auch Schwierigkeiten „in einigen regionalen Polizeidirektionen“ spricht, so handelt es sich gegenwärtig nicht mehr um größere Funktionsstörungen oder regelhafte Defizite, die das Asylverfahren in ihrer Gesamtheit prägen, sondern um - freilich in ihren Auswirkungen zulasten der Betroffenen keinesfalls zu unterschätzende - partielle Überlastungen oder verwaltungstechnische Missstände. Und auch insoweit ist davon auszugehen, dass sich die Situation, wenn die neuen Anweisungen und Verwaltungsvereinfachungen landesweit implementiert sind, weiter verbessern wird (so auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 20 A 10656/13 -, juris; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris). Insbesondere für Dublin-Rückkehrer und ihre im Vergleich zu anderweitig ins Land kommende Asylbewerber regelmäßig intensivere Betreuung durch Nichtregierungsorganisationen bereits am Flughafen lässt sich im Hinblick auf die Verzögerungen im Asylverfahren daher nicht (mehr) von einem systemischen Mangel sprechen.
66 
2.2.3 Weitere in vielen der vorliegenden Erkenntnismitteln beklagte Missstände sind die nach wie vor bestehende - und auch Dublin-Rückkehrer betreffende - Überlastung des Aufnahmesystems und die damit verbundenen Lebensbedingungen der Asylbewerber. Aber auch im Hinblick auf die Aufnahmebedingungen ist auf Grundlage der aktuellen Erkenntnismittel nicht (mehr) von strukturellen Mängeln auszugehen.
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2.2.3.1 Immer wieder in der Kritik steht die Zahl der Unterkünfte, die Asylsuchenden zur Verfügung gestellt werden.
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Die italienische Regierung hat in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen, um die Zahl verfügbarer Unterkünfte zu erhöhen. So gab es im Zusammenhang mit den sprunghaft angestiegenen Asylbewerberzahlen im Jahr 2011 ein Notstandskonzept „Nordafrika“, in dessen Rahmen Aufnahmestrukturen durch den Zivilschutz in der Größenordnung von 26.000 Plätzen bereitgestellt wurden (SFH, Aufnahmebedingungen; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013 spricht sogar von 50.000 Plätzen). Daneben wurde insbesondere die Zahl der regulär verfügbaren Plätze in den vergangenen Jahren massiv erhöht. Noch im Juli 2012 war das Auswärtige Amt (Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; vgl. auch Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2012) von (nur) je 3.000 Plätzen in CARA und SPRAR ausgegangen, während es im August 2013 bereits von insgesamt über 16.000 Plätzen in CARA, CIE, CDA und SPRAR ausging (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013). Die Entwicklung der verfügbaren Unterkünfte spiegelt sich auch in den von CIR/ecre erhobenen Zahlen wider: Während im Länderreport Stand Mai 2013 von insgesamt 4.007 Plätzen in CDA und CARA die Rede war, waren es ein halbes Jahr später bereits 6.866 Plätze; statt 151 SPRAR standen ausweislich CIR/ecre nun bereits 175 Einrichtungen zur Verfügung. Aufgrund eines im September 2013 erlassenen Dekrets des Innenministeriums soll die SPRAR-Kapazität bis 2016 zudem auf 16.000 Plätze erhöht werden (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen; CIR/ecre, National Country Report Italy). Auch durch die Praxis, insbesondere die CARA entgegen ihrer Zweckbestimmung auch für den längerfristigen Aufenthalt zu nutzen, konnte der Überlastungssituation Rechnung getragen werden, und auch wenn das Notstandsprogramm „Nordafrika“ zwischenzeitlich ausgelaufen ist und (Stand September 2013) nur noch etwa 1.000 Personen („vulnerable Cases“ und Asylbewerber, die Widerspruch eingelegt haben, vgl. AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013) dort lebten, zeigt es doch, dass Italien in der Lage ist, Unterbringungsplätze in erheblichem Umfang zusätzlich zur Verfügung zu stellen, wenn dies durch den Zustrom von Flüchtlingen erneut erforderlich werden sollte. Um bestehende Lücken und Fehlentwicklungen aufzudecken, wurde ferner Ende 2012 im Rahmen des Präsidium-Projekts testweise ein Überwachungssystem in staatlichen Einrichtungen eingeführt (UNHCR, Empfehlungen 2013). Laut Auswärtigem Amt bestanden im öffentlichen System im August 2013 rund 8.000 Plätze in CARA-Aufnahmelagern, die in der Praxis dem längerfristigen Aufenthalt von Asylbewerbern dienen, nahezu 3.000 Plätze in CIE und CDA und über 5.000 Plätze in SPRAR (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013). Laut CIR/ecre, Stand November 2013, bestanden zu diesem Zeitpunkt in CARA, CIE und CPSA insgesamt deutlich weniger, nämlich nur gut 7.500 Plätze, dafür in SPRAR 3.000 reguläre sowie 9.500 zusätzliche Plätze.
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Finden Asylsuchende keinen Platz in einer öffentlichen Aufnahmeeinrichtung - sei es, weil die Kapazitäten erschöpft sind, sei es, dass sie etwa als Dublin-Rückkehrer, die bereits vor ihrer Ausreise aus Italien einen Platz in einer Aufnahmeeinrichtung beansprucht hatten, keinen erneuten Zugang zu öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen haben -, bekommen sie in der Praxis keine staatliche (finanzielle) Unterstützung, um sich selbst um eine Unterkunft kümmern zu können; die gesetzliche Regelung, wonach der Asylbewerber im Falle fehlender Unterbringungsmöglichkeiten eine finanzielle Unterstützung erhält, um sich selbst eine Unterkunft zu suchen, ist in der Praxis nicht umgesetzt worden (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Für diesen Personenkreis gibt es kommunale, kirchliche und karitative Einrichtungen etwa der CARITAS, die die Asylantragsteller versorgen, ihnen Unterkunftsplätze besorgen und ihnen medizinischen, rechtlichen und psychologischen Beistand zur Verfügung stellen (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Diese nicht-staatlichen Unterkünfte werden teilweise von der öffentlichen Hand finanziert und sind im Auftrag des Staates tätig. Sie sind bei der Frage, ob die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines Verstoßes gegen Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK aufgrund fehlender Unterbringungsmöglichkeiten besteht, mit einzubeziehen. Denn aus Sicht des Unionsrechts ist lediglich entscheidend, dass tatsächlich eine hinreichende Zahl an Unterkünften besteht; dies aber ist auch dann der Fall, wenn der Staat mit nichtstaatlichen Trägern zusammenarbeitet, die zuverlässig einen Teil der erforderlichen Plätze zur Verfügung stellen.
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Darüber, ob das verfügbare - im Übrigen je nach Auskunft deutlich differierende - Zahlenmaterial den tatsächlichen Bestand an Unterkünften widerspiegelt und wenn ja, ob die vorhandenen Unterkünfte ausreichend sind, um den Bedarf zu decken, gehen die Ansichten in den aktuellen Erkenntnismitteln auseinander. Das Auswärtige Amt stellt fest, dass - Stand August 2013 - alle Asylbewerber / Flüchtlinge in öffentlichen Zentren untergebracht werden könnten. Lokalen oder regionalen Überbelegungen stünden freie Kapazitäten in anderen Regionen, etwa in Norditalien, gegenüber, und landesweit seien genügend Plätze vorhanden (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013; mit dem gleichen Tenor auch bereits AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Auch nach Auffassung des UNHCR ist Italien in der Lage, den Aufnahmebedarf jedenfalls einer erheblichen Zahl an Asylsuchenden zu decken (Empfehlungen 2013; ähnlich auch bereits im Gutachten an VG Braunschweig vom 24.04.2012). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe zeichnet ein etwas düstereres Bild und berichtet - Stand Oktober 2013 - davon, zurzeit seien die Kapazitäten der Erstaufnahmezentren CARA ausgeschöpft und neu ankommende Flüchtlinge könnten dort nicht untergebracht werden (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Auch anderen Auskünften lässt sich entnehmen, dass die verfügbaren Plätze immer noch nicht ausreichten und die bestehenden Einrichtungen daher oft deutlich überbelegt seien (CIR/ecre, National Country Report Italy), bzw. dass nicht alle Asylbewerber einen Platz in einer Aufnahmeeinrichtung finden (borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012) oder mitunter aufgrund fehlender Kapazitäten erst nach Wochen oder Monaten Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen bekommen können (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Viele Auskünfte berichten davon, dass Asylbewerber unter schlechten Bedingungen in überfüllten Privatunterkünften, die teilweise in besetzten Häusern eingerichtet worden seien, unterkommen müssten (CIR/ecre, National Country Report Italy) oder obdachlos seien (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.v., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012).
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Tatsächlich dürfte eine genaue Ermittlung, ob die vorhandenen Plätze rechnerisch gesehen landesweit ausreichend sind, um den Bedarf an Wohnraum zu decken, nur sehr schwer seriös möglich sein. Insoweit ist nicht nur von Bedeutung, dass die vorhandenen Einrichtungen mitunter deutlich mehr Flüchtlinge aufnehmen als die Anzahl, für die sie ausgelegt sind; so sollen etwa im November 2013 9.771 Asylsuchende in CDA/CARA untergebracht gewesen sein, die nur 6.866 reguläre Plätze boten (CIR/ecre, National Country Report Italy). Auch bedürfte es für die Frage, ob die Anzahl an Plätzen ausreichend ist, belastbarem statistischem Material nicht nur zu der Frage, wie lang die durchschnittliche Belegungszeit eines Platzes in einer Unterkunft ist, sondern auch dazu, wie viele Asylbewerber aus eigenem Antrieb keinen Platz in Anspruch nehmen, sondern entweder untertauchen oder in ein anderes europäisches Land weiterreisen. Belastbare Zahlen gibt es jedoch insoweit nicht (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris). Ferner fehlt es auch an methodisch korrekten statistischen Erhebungen zu der Frage, welcher Prozentsatz an Asylsuchenden tatsächlich Interesse an der Zuweisung einer öffentlichen Unterkunft hätte. Vor diesem Hintergrund haben insbesondere die Prozentzahlen der in öffentlichen Unterkünften untergebrachten Dublin-Rückgeführten, die borderline-europe e.V. (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; hierzu ausführlich OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris) nennt, eine nur sehr begrenzte Aussagekraft. Denn diesen Zahlen lässt sich weder entnehmen, wie viele der Rückgeführten bereits über einen Aufenthaltstitel etwa aufgrund der Zuerkennung subsidiären Schutzes in Italien verfügen (und daher keinen Anspruch mehr auf Aufnahme in eine der Unterkünfte haben), noch, wie viele von ihnen überhaupt Interesse an einem Platz in einer öffentlichen Aufnahmeeinrichtung gehabt hätten. Insoweit wäre im Hinblick auf fehlendes Interesse an einer öffentlichen Unterkunft nicht nur an Rückkehrer zu denken, die auf die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens von vornherein verzichten, sondern auch an solche, die bei ihrem letzten Aufenthalt in Italien bereits ein soziales Netzwerk aufgebaut haben, das sie von öffentlichen Unterkünften unabhängig macht, oder solche, die ein Leben in Rom oder Mailand, wo die Wohnraumkapazitäten bekanntermaßen erschöpft sind, auch um den Preis schlechterer Unterbringungsverhältnisse bewusst einem Aufenthalt in einem anderen Landesteil, in dem ihnen eine Unterkunft zugewiesen werden könnte, vorziehen.
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Aber auch wenn unter Zugrundelegung der aktuellen Erkenntnismittel davon auszugehen ist, dass insbesondere in Großstädten wie Rom oder Mailand die vorhandenen Aufnahmekapazitäten in staatlichen wie privat betriebenen Einrichtungen erschöpft und die Unterkünfte überfüllt sind und es daher Asylsuchende gibt, die keinen Platz in einer Unterkunft finden und daher ohne Obdach sind oder unter völlig unzureichenden Wohn- und Lebensverhältnissen leben, lässt sich doch den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht entnehmen, dass dieses Schicksal für Asylbewerber gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachte; vielmehr handelt es sich hierbei um drastische Einzelschicksale, die keiner Verallgemeinerung zugänglich sind (darauf hinweisend auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris, sowie nunmehr VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris). Auf Grundlage der genannten Zahlen von mutmaßlich deutlich mehr als 16.000 Plätzen allein in den öffentlichen Unterkünften ist jedenfalls gegenwärtig nicht (mehr) davon auszugehen, dass im Hinblick auf die Unterbringungssituation dauerhafte erhebliche Missstände vorlägen, aufgrund dessen Asylbewerber quasi typischerweise und in signifikanter Zahl der Obdachlosigkeit überlassen würden (so i.Erg. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/10 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo, geht davon aus, alle Asylbewerber fänden Platz in den öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen).
73 
2.2.3.2 Es lässt sich nach den vorliegenden Auskünften auch nicht davon ausgehen, dass systematische Mängel im Hinblick auf die Schwierigkeiten derjenigen Asylsuchenden, die keinen Platz in einer staatlichen Unterkunft gefunden haben, bestünden bei der Zustellung offizieller Schreiben, etwa ablehnender Asylbescheide. Denn auch wenn für Flüchtlinge außerhalb staatlicher Unterkünfte, insbesondere für Obdachlose, der Zugang offizieller Schreiben typischerweise größeren Schwierigkeiten begegnet als für Flüchtlinge in staatlichen Unterkünften, haben sich auch insoweit Strukturen gebildet, die die Situation der Betroffenen erleichtern. Inzwischen bieten Hilfsorganisationen wie die CARITAS Sammeladressen für Personen ohne festen Wohnsitz an, die gegenüber öffentlichen Stellen verwendet werden und an die Poststücke zugestellt werden können (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Derartige Möglichkeiten „virtueller Wohnsitznahme“ gibt es zwar nur in wenigen Städten Italiens, insbesondere in Rom; da es hier aber auch die größten Engpässe in der Wohnraumversorgung gibt, dürfte Dank des den Behörden bekannten und von ihnen akzeptierten Konzepts der virtuellen Wohnsitznahme jedenfalls im Regelfall die Zustellung von Schreiben an den Empfänger gewährleistet sein.
74 
2.2.3.3 Die vorliegenden Erkenntnismittel lassen auch nicht den Rückschluss darauf zu, dass Asylbewerber infolge unzureichender und unzumutbarer Verhältnisse in den staatlichen bzw. privaten Unterkünften, namentlich etwa aufgrund unhygienischer Zustände oder Gewalttätigkeiten, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind. Dabei wird nicht verkannt, dass es in Unterkünften mit einer Vielzahl von Flüchtlingen unterschiedlicher Nationalität, Religion und kultureller Prägung häufiger als in anderen Bereichen der Gesellschaft zu Konflikten und gelegentlich auch gewaltsamen Übergriffen kommen dürfte, zumal in einer Situation, die oftmals von überstandenen Leiden und ungewisser Zukunft geprägt ist. Es dürfte sich dabei allerdings um ein allgemeines Phänomen in Gemeinschaftseinrichtungen handeln, dem die staatlichen Stellen nur bedingt wirksam entgegenwirken können. Auch ist der Kammer bewusst, dass die Aufnahme-, Unterbringungs- und Lebensbedingungen von Asylbewerbern in Italien regelmäßig nicht mit dem hiesigen Standard vergleichbar sein dürften. Andererseits gibt es keine greifbaren Anhaltspunkte, dass die Zustände in den Unterkünften nicht nur in Einzelfällen, sondern regelhaft unzumutbar und unhaltbar sind, so dass schon unter diesem Gesichtspunkt die Feststellung einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung der Asylbewerber gerechtfertigt erschiene. So wird nach Auskunft des Auswärtigen Amtes von den staatlichen Aufnahmezentren und Einrichtungen Kleidung gestellt, ebenso Wäsche und Hygieneartikel zum persönlichen Gebrauch (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Die Verhältnisse im Einzelnen unterscheiden sich und hängen von den jeweiligen Trägern der Unterkünfte ab (CIR/ecre, National Country Report Italy). Laut Auswärtigem Amt stellen sich die hygienischen Verhältnisse aber nicht regelmäßig oder überwiegend in der Weise dar, dass man ernstlich Gefahr läuft zu erkranken. Es seien durchgehend kleinere Schlafräume in Wohnhäusern oder Containern vorhanden, die auch einer ausreichenden Zahl an Toiletten- und Waschräumen sowie zumeist mit Klimaanlagen und Zentralheizung versehen seien. Die Verpflegung werde vielfach in einem gemeinsamen Speisesaal bereitgestellt. Ferner seien in den Einrichtungen Sozialräume sowie getrennte Räumlichkeiten für medizinische Dienste und Sonderfälle vorhanden. Zur Aufrechterhaltung der Sauberkeit der allgemeinen Räumlichkeiten würden spezielle Reinigungsdienste beschäftigt. Es gebe zwar mitunter gewaltsame Überfälle, hierbei handelt es sich aber um Einzelfälle. Darüber hinaus würden die Aufnahmeeinrichtungen zumindest durch die Polizei oder Carabinieri überwacht und geschützt; wegen auftretender Spannungen zwischen verschiedenen Ethnien seien in manchen Einrichtungen zudem zusätzliche Polizeikräfte postiert worden (vgl. dazu auch OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo).
75 
2.2.3.4 Ist nach den vorliegenden Erkenntnismitteln, wie gesehen, davon auszugehen, dass jedenfalls die meisten Flüchtlinge Platz in einer staatlichen Unterkunft erhalten, so ist dort ihr Lebensunterhalt - wenn auch auf niedrigem Niveau - gesichert. Es lässt sich den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht entnehmen, dass den Flüchtlingen dort entgegen der Gesetzeslage keine Kleidung, Nahrung oder Hygieneartikel zur Verfügung gestellt würden.
76 
Nach Auskunft des Auswärtigen Amts (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012) werden auch diejenigen Flüchtlinge, die außerhalb staatlicher Einrichtungen, etwa in karitativen oder kirchlichen Unterkünften, leben, teilweise unter Einbeziehung privater Dienstleister, mit Nahrung und Kleidung versorgt. Dagegen berichtet etwa borderline-europe (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012), Asylsuchende, die in keinem Zentrum untergebracht seien, erhielten weder Sach- noch Geldleistungen zur Abdeckung ihrer Grundbedürfnisse wie Nahrung oder Kleidung. Geklärt sein dürfte jedoch, dass für diese Gruppe der Flüchtlinge Hilfsorganisationen die notwendige grundlegende Versorgung der bei ihnen lebenden Flüchtlinge übernehmen. Auch für diesen Personenkreis dürfte daher nicht festzustellen sein, dass dieser regelhaft in einem menschenrechtlichen Mindeststandards widersprechenden Zustand leben müsse. Dies schließt es nicht aus, dass einzelne Asylbewerber in prekären Verhältnissen extremer Armut und Obdachlosigkeit leben; dieser Umstand ist aber für die Annahme, der Kläger werde im Falle seiner Überstellung nach Italien ernstlich der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK ausgesetzt sein (vgl. dazu auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, juris), nicht ausreichend.
77 
2.2.3.5 Schließlich ist nach aktueller Auskunftslage auch nicht davon auszugehen sein, dass Flüchtlinge regelhaft von medizinischen Leistungen ausgeschlossen sind.
78 
Zwar mag es im Einzelfall auch bei Bewohnern öffentlicher Unterkünfte - sei es durch fehlende Informationen, sei es durch fehlerhaft arbeitende oder überlastete Verwaltungen - zu Schwierigkeiten kommen, in den Besitz einer Gesundheitskarte zu gelangen. Dies ist aber offenbar der Ausnahmefall.
79 
Für Asylbewerber, auch Dublin-Rückkehrer, die keinen festen Wohnsitz vorweisen können, hat dieser Umstand allerdings Konsequenzen. Der Erhalt der Gesundheitskarte ist an das Erfordernis eines festen Wohnsitzes geknüpft. Während das Auswärtige Amt davon ausgeht, es genüge insoweit die Angabe des Asylbewerbers, berichtet borderline-europe (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012), die Anmeldung eines Wohnsitzes werde durch die Behörde überprüft. Die Associazione per gli Studi Giuridici sull’Immigrazione (Asylbewerber in Italien, Bericht vom 20.11.2012) berichtet darüber hinaus davon, viele Flüchtlinge würden aufgrund von bürokratischen und restriktiven Interpretationen seitens der Gemeinden nicht im Einwohnermelderegister eingetragen. Selbst wenn dies so wäre, führte dieser Umstand jedoch nicht dazu, dass diese Flüchtlinge vom Erhalt der Gesundheitskarte ausgeschlossen würden. Denn vor allem in Rom - wo die Wohnungsnot, wie gesehen, und daher auch der Anteil der nicht in öffentlichen Unterkünften untergebrachten Flüchtlinge vermutlich am größten ist - besteht, wie bereits erwähnt, die Möglichkeit einer von den Behörden anerkannten, durch Hilfsorganisationen wie die CARITAS zur Verfügung gestellten „virtuellen Wohnsitznahme“ (borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. dazu auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Davon abgesehen ist jedenfalls die medizinische Notfallversorgung in Italien auch ohne Gesundheitskarte gewährleistet.
80 
2.2.3.6 Vor diesem Hintergrund lässt sich trotz nach wie vor bestehender Defizite in den Aufnahmebedingungen und auch unter Berücksichtigung der gravierenden Folgen, die das Fehlen einer zumutbaren Unterkunft für den hiervon Betroffenen im Einzelfall hat, nicht feststellen, dass die bestehenden Engpässe und Mängel die Funktionsfähigkeit des Aufnahmesystems insgesamt in Frage stellen und so gravierend sind, dass sie das Asylverfahren regelhaft seiner Funktion berauben.
81 
2.3 Im Ergebnis lässt sich daher auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnismittel feststellen, dass Asylsuchende, die nach den Regelungen der Dublin-II-Verordnung nach Italien überstellt werden sollen, derzeit jedenfalls dann, wenn in ihrer Person keine besonderen (etwa gesundheitlichen) Gründe gegeben sind, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer durch das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen verursachten unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh rechnen müssen. Dies scheint der Auffassung des UNHCR zu entsprechen, der sich - anders als seinerzeit im Falle Griechenlands - trotz deutlicher Worte in Bezug auf bestehende Defizite und Mängel im italienischen Asyl- und Aufnahmesystem nicht veranlasst gesehen hat, sich gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien auszusprechen.
82 
Vorliegend aber sind keine besonderen Umstände des Einzelfalles ersichtlich, die befürchten ließen, dass gerade dem Kläger in Italien entgegen der allgemeinen Lageeinschätzung eine mit Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK nicht vereinbare Behandlung drohte. Der Kläger hat nach seiner Ankunft in Italien die Möglichkeit, einen Asylfolgeantrag zu stellen. Bis zum Abschluss dieses Verfahrens hat er, da er nach eigenen Angaben während des Asylerstverfahrens nie einen Platz in einer Unterkunft zugewiesen bekommen hat, die Möglichkeit, in einer öffentlichen Einrichtung unterzukommen, wo neben der Unterkunft auch Essen, Bekleidung und sonstige persönliche Bedürfnisse sichergestellt sind. Sollte sich der Kläger dagegen dafür entscheiden, nach seiner Rückkehr keinen erneuten Asylantrag zu stellen, bestünden zu seinen Gunsten - nachdem das Asylerstverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist - keine Verfahrensgarantien nach der Genfer Flüchtlingskonvention, und auch die Aufnahmerichtlinie (RL 2003/9/EG) fände auf ihn gemäß Art. 3 Abs. 1 keine Anwendung (mehr). Er wäre vielmehr, wenn sein Aufenthalt nicht behördlicherseits legalisiert wird, verpflichtet, Italien zu verlassen, und hätte keinen Anspruch auf Unterstützung mehr (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Kommt er seiner Ausreisepflicht nicht nach, kann er kein Mehr an Unterstützung verlangen, als dies italienischen Staatsangehörigen zuteil wird. Ein staatliches Sozialhilfesystem aber existiert in Italien nur sehr eingeschränkt; vielmehr sind auch italienische Staatsangehörige grundsätzlich verpflichtet, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen, was naturgemäß mit Schwierigkeiten verbunden, für einen gesunden, arbeitsfähigen Mann wie den Kläger aber, wie er bereits bei seinem ersten Aufenthalt in Italien bewiesen hat, nicht unmöglich ist. Der Umstand, dass es in Italien anders als in Deutschland kein System staatlicher Unterstützung auch für ausreisepflichtige, jedoch tatsächlich noch nicht abgeschobene Ausländer gibt, reicht, nachdem, wie bereits gesehen, aus Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh nicht die Verpflichtung erwächst, jemandem finanzielle Unterstützung zu gewähren, um ihm einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen, nicht für die Annahme aus, der Kläger werde im Falle seiner Überstellung nach Italien ernstlich der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh ausgesetzt sein.
III.
83 
Die Abschiebungsanordnung in Ziff. 2 des angefochtenen Bescheides ist hiernach ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen nach § 27a AsylVfG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies ist der Fall, nachdem Italien keine Einwände gegen seine Zuständigkeit erhoben hat und der Abschiebung keine relevanten Hindernisgründe entgegenstehen.
84 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Das Gericht sieht von einem Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach Ermessen ab.

Gründe

 
A.
14 
Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß §§ 40, 42 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Denn mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 25.08.2011 hat die Beklagte den Asylantrag des Klägers unter Bezugnahme auf § 27a AsylVfG für unzulässig erklärt und auf der Grundlage des § 34a AsylVfG seine Abschiebung nach Italien angeordnet. Für die Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage - gerichtet auf das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen - besteht kein Raum. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig unter Berufung auf die fehlende Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre trotz fehlender Sachprüfung durch das Bundesamt nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Folglich ist im Falle des § 27a AsylVfG - wie auch in Konstellationen einer Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens nach § 33 Abs. 1 AsylVfG (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 05.09.2013 - 10 C 1/13 -, juris; Urteil vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 -, juris) - nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt vorbehalten (so auch VG Stuttgart, Urteil vom 20.09.2012 - A 11 K 2519/12 -, juris; Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K 383/14 -; VG Karlsruhe, Urteil vom 03.03.2010 - A 4 K 4072/08 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Nieders., Beschluss vom 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -, juris, sowie jüngst VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; a.A. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris).
B.
15 
Die Klage ist jedoch unbegründet. Das Bundesamt ist im angefochtenen Bescheid vom 25.08.2011 zu Recht davon ausgegangen, dass nicht die Bundesrepublik Deutschland für die Prüfung des am 12.04.2011 gestellten Asylantrages des Klägers zuständig ist, sondern die Republik Italien, und hat daher auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet.
I.
16 
Gemäß Art. 49 (Abs. 2) der Dublin-III-Verordnung 604/2013/EU ist für vor dem 19.07.2013 in Deutschland gestellte (Alt-)Anträge auf internationalen Schutz (i.S. von Art. 2 lit. h QRL: Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiären Schutzes) weiterhin die Dublin-II-Verordnung 343/2003/EG (- Dublin-II-VO -) anwendbar. Nach den hiernach anwendbaren Regelungen der Dublin-II-VO ist Italien für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers auch dann zuständig, wenn das von ihm nach eigenen Angaben im Jahr 2011 in Lecce eingeleitete Asylverfahren, wie er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, rechtskräftig abgeschlossen worden ist; insoweit ergibt sich eine Zuständigkeit der italienischen Behörden für die Prüfung des klägerischen Asyl(-folge-)antrags aus Art. 16 Abs. 1 e) Dublin-II-VO, nachdem diese innerhalb der Frist des Art. 20 Abs. 1 c) Dublin-II-VO keine Antwort erteilt haben.
17 
Die Zuständigkeit Italiens ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Beklagte übergegangen. Nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin-II-VO geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag gestellt wurde, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wird. Das knüpft an Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO an, welcher (u.a.) bestimmt, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf erfolgt, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Diese Frist ist hier noch nicht abgelaufen, wobei es maßgeblich auf die zweite Alternative der Regelung ("oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf") ankommt. Denn solange die Vollziehung der Überstellung - wie es vorliegend ausnahmsweise der Fall ist - weiter ausgesetzt ist, ist insoweit entscheidend auf die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzustellen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 -, juris).
II.
18 
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO ausübt.
19 
1. Ein Hauptzweck der Verordnung VO (EG) Nr. 343/2003 besteht, wie aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 hervorgeht, in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaates, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden. Allerdings kann abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-II-VO gemäß Absatz 2 der Vorschrift jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen.
20 
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (grundlegend Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u. C-493/10, N.S. u.a. -, juris sowie Slg. 2011, I-13905) kann ein Mitgliedstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet sein, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen (vgl. zum Folgenden auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris; Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - OVG 7 S 58.13 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, juris). Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) aus.
21 
1.1 Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtscharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten haben bei der Ausübung ihres Ermessens diese Grundsätze daher zu beachten. Im Rahmen seiner Ermessensausübung kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen; es gilt insoweit das sog. Prinzip gegenseitigen Vertrauens beziehungsweise normativer Vergewisserung (dazu grundlegend BVerfG, Urteil vom 15.05.1996 - 2 BvR 1938/93 -, juris). Daraus folgt die Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat stehe in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.). Ein Ausländer, der in einen sicheren Drittstaat zurück verbracht werden soll, kann infolgedessen entsprechend dem Konzept normativer Vergewisserung den Schutz der Bundesrepublik Deutschland vor einer politischen Verfolgung oder sonstigen schwerwiegenden Beeinträchtigungen in seinem Herkunftsstaat grundsätzlich nicht mit der Begründung einfordern, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt würden (BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 -, juris).
22 
1.2 Die Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat stehe in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, ist jedoch nicht unwiderleglich. Nicht ausgeschlossen werden kann nämlich, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.).
23 
Eine Widerlegung der Vermutung wurde vom EuGH mit Blick auf die gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems indes an hohe Hürden geknüpft. Nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der Dublin-II-VO und nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts - wie etwa von Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK - durch den zuständigen Mitgliedstaat vermag die Überstellung eines Asylbewerbers an den laut Dublin-II-VO eigentlich zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln und das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage zu stellen. Das Zuständigkeitssystem ist nach der Rechtsprechung des EuGH vielmehr nur dann auszusetzen, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.; Urteil vom 10.12.2013 - C-394/12 -, juris; Urteil vom 14.11.2013 - C 4/11 -, juris). Diese Rechtsprechung ist auch in die Neufassung von Art. 3 Abs. 2 VO (EU) Nr. 604/2013 (v. 26.06.2013 - Dublin-III-VO) eingeflossen.
24 
Die sich aus dieser EuGH-Rechtsprechung ergebenden Anforderungen an das deutsche verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -, juris) dahingehend zusammengefasst, dass sich der Tatrichter im Rahmen der Amtsermittlung zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen muss, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. (Nur) dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus.
25 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 -, NVwZ 2011, 413) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da Asylbewerber dort systematisch ohne Angabe von Gründen in Haftzentren untergebracht würden. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden. Art. 3 EMRK allein verpflichte die Vertragsstaaten zwar nicht, Flüchtlinge in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen, sie finanziell zu unterstützen oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Etwas anderes gilt aber ausweislich des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie -), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen (so nun auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris).
26 
Aus dem Gesagten ergibt sich: Eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK liegt im Hinblick auf die Asylverfahren nur dann vor, wenn mit Blick auf das Gewicht und Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieses Grundrechts mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit die reale, nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass dem Betroffenen in dem Mitgliedstaat, in den er als den nach der Dublin-II-VO „zuständigen“ Staat überstellt werden soll, schon der Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt oder massiv erschwert wird, dass das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet oder dass der Betroffene während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbarer Weise befriedigen kann.
27 
2. Trotz der in Teilen weiterhin defizitären Umsetzung der in Italien bestehenden asylrelevanten Regelungen durch die italienischen Behörden und der nach wie vor bestehenden Mängel in Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern in Italien sind zur Überzeugung der Kammer auf der Grundlage einer ausführlichen Auswertung der vorliegenden Erkenntnismitteln (vgl. zum Folgenden AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2011; Consiglio Italiano per i Rifugiati / European Council on Refugees and Exiles, Asylum Information Database, National Country Report Italy, Mai 2013, Update November 2013, verfügbar unter http://www.asylumineurope.org/files/report-download/italy_aida_report_first_update_final_dec13.pdf - CIR/ecre, National Country Report Italy -; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013; Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, 07/2013 - UNHCR, Empfehlungen 2013 -; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; Associazione per gli Studi Giuridici sull’Immigrazione, Die derzeitige Situation von Asylbewerbern in Italien, 20.11.2012 - ASGI, Asylbewerber in Italien -) zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die strengen Voraussetzungen, die nach dem oben Gesagten für die Annahme einer Eintrittspflicht der Beklagten erfüllt sein müssten, nicht gegeben. Es steht nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und / oder die Aufnahmebedingungen in Italien derart grundlegende Mängel aufweisen, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an Italien im Rahmen der Dublin-II-Verordnung überstellten Asylbewerber zu erwarten steht (in diesem Sinne auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo; Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 20 A 10656/13 -, juris; OVG Nieders., Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 -, juris; Beschluss vom 18.03.2014 - 13 LA 75/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris).
28 
Denn Italien verfügt über ein ausdifferenziertes Asylverfahrensrecht und konkrete Regelungen betreffend die Aufnahme von Flüchtlingen (2.1). Auch wenn die diesbezüglichen Regelungen in der Praxis mitunter defizitär angewendet werden, sind die hierbei zutage tretenden Mängel jedenfalls gegenwärtig nicht von einer Tragweite, die das Vorliegen systemischer Mängel implizierte (2.2).
29 
Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob die Anforderungen an das Vorliegen systemischer Mängel in den Fällen, in denen der Betroffene - wie hier der Kläger - in dem nach der Dublin-Verordnung zuständigen Staat bereits ein Asylverfahren durchlaufen hat, sogar noch strengere Anforderungen zu stellen sind (in diese Richtung VG Potsdam, Beschluss vom 14.11.2013 - 6 L 767/13.A -, juris).
30 
2.1. Das italienische Rechtssystem sieht ein ausdifferenziertes Asylverfahren vor. Die italienische Verfassung kennt ein Grundrecht auf Asyl (Art. 10 Abs. 3); daneben bestehen verschiedene Einwanderungs- und Asylverfahrensgesetze. Die gesetzlichen Regelungen gelten auch für - hier relevante und daher zuvörderst in die Betrachtungen einzubeziehende - Überstellungen nach der Dublin-II-Verordnung; Besonderheiten bestehen insoweit nicht (AA, Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2011; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
31 
2.1.1 Das Asylverfahren läuft in mehreren Schritten ab:
32 
2.1.1.1 Asylgesuche werden beim Polizeipräsidium (questura) oder bei dem Grenzschutz (polizia di frontiera) entgegengenommen; eine inhaltliche Überprüfung des Gesuchs, das an keine Form gebunden ist, findet nicht statt (ASGI, Asylbewerber in Italien). Im Zusammenhang mit der Stellung des Schutzersuchens findet eine erkennungsdienstliche Behandlung (fotosegnalamento) statt (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Antragsteller, deren Anträge vom Grenzschutz aufgenommen worden sind, erhalten ein Schreiben, in dem sie an die zuständige „Questura“ weiterverwiesen werden (verbale di invito).
33 
2.1.1.2 Die förmliche Erfassung des Asylantrags (verbalizzazione) mittels „C3-Formular“ (verbale) erfolgt durch die örtlich zuständige „Questura“, die dem Asylsuchenden eine Bescheinigung über den Erstantrag sowie eine Aufenthaltserlaubnis (permesso di soggiorno) ausstellt (CIR/ecre, National Country Report Italy; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Eine gesetzliche Frist, innerhalb derer die Verbalizzazione zu erfolgen hat, existiert nicht (CIR/ecre, National Country Report Italy). Außerdem soll der Asylbewerber dort mit einer Informationsbroschüre in einer nach Möglichkeit für den Asylbewerber verständlichen Sprache über den Gang des Asylverfahrens, seine Rechte und Pflichten und den Zugang zum Gesundheitssystem informiert werden (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Ferner ist dem Asylsuchenden in jeder Phase des Asylverfahrens der Kontakt zum UNHCR und Nichtregierungsorganisationen zu ermöglichen (CIR/ecre, National Country Report Italy).
34 
2.1.1.3 Nach der Verbalizzazione wird der Fall an die jeweilige für die Region verantwortliche, dem Innenministerium unterstehende Kommission (Commissione territoriale per il riconoscimento dello status di rifugiato) übergeben, deren Mitglieder sich aus zwei Bediensteten des Innenministeriums, einem Vertreter einer lokalen Behörde (Kommune, Provinz oder Region) sowie einem UNHCR-Vertreter zusammensetzen (UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Bestandteil des Verfahrens ist eine nicht-öffentliche persönliche Anhörung des Asylbewerbers, die laut Gesetz innerhalb von 30 Tagen stattfinden soll und zu der ein Dolmetscher hinzugezogen wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). In bestimmten Fällen (etwa offensichtlich begründeter Asylanträge) findet ein beschleunigtes Verfahren statt (esame prioritario). Die abschließende Entscheidung soll binnen drei, im beschleunigten Verfahren binnen zwei Tagen nach der Anhörung ergehen.
35 
Während des Asylverfahrens haben die Asylbewerber Anspruch auf sprachliche und kulturelle Übersetzungsdienste. Sie haben das Recht, sich auf eigene Kosten von einem Rechtsanwalt beraten und vertreten zu lassen (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; ASGI, Asylbewerber in Italien).
36 
2.1.1.4 Gegen einen ablehnenden Bescheid können Asylbewerber innerhalb von 30 Tagen, Bewohner von CIE (Centro di Identificazione ed Espulsione) und CARA (centro die accoglienza per richiedenti asilo) grundsätzlich innerhalb von 15 Tagen nach Zustellung durch das hierfür zuständige Polizeipräsidium (questura) vor einem ordentlichen Gericht (Tribunale Ordinario) Widerspruch einlegen. Der Widerspruch hat grundsätzlich aufschiebende Wirkung; entfällt im Ausnahmefall, etwa bei als unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylanträgen, die aufschiebende Wirkung, kann der Antragsteller bei Gericht das Aussetzen der Rechtswirkung der erstinstanzlichen ablehnenden Entscheidung beantragen (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). Bestandteil des gerichtlichen Verfahrens ist eine (nicht-öffentliche) Anhörung des Asylbewerbers (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013). Das Gesamtverfahren einschließlich Widerspruch gegen einen ablehnenden Bescheid soll nicht länger als sechs Monate dauern (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
37 
2.1.1.5 Gegen die erstinstanzliche Entscheidung ist der Instanzenweg (Berufung, Revision) eröffnet (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012); insoweit findet keine automatische Aussetzung der Wirksamkeit der richterlichen Entscheidung statt, eine solche kann jedoch auf Antrag vom angerufenen Gericht gewährt werden (ASGI, Asylbewerber in Italien).
38 
2.1.1.6 Während des Gerichtsverfahrens besteht die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe; diese ist vom Nachweis der Vermögensverhältnisse sowie der Prüfung der Erfolgsaussichten des Prozesses durch das zuständige Gericht abhängig (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; ASGI, Asylbewerber in Italien).
39 
2.1.1.7 Asylbewerber haben die Möglichkeit, nach negativem Abschluss ihres Asylverfahrens bei der Questura einen Folgeantrag zu stellen. Dieser wird nach der Verbalizzazione von derjenigen Commissione territoriale, die auch für den Erstantrag zuständig war, daraufhin überprüft, ob der Asylantragsteller neue Gesichtspunkte betreffend seine eigene Person oder die Umstände im Heimatland vorbringt. Ist dies nicht der Fall, wird der Asylfolgeantrag als unzulässig abgelehnt; gegen die Ablehnungsentscheidung steht der Rechtsweg einschließlich der Möglichkeit des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes offen (CIR/ecre, National Country Report Italy). Andernfalls tritt die Commissione territoriale in eine erneute Prüfung ein. Hierfür enthält das italienische Recht keine besonderen Vorschriften, vielmehr gelten die gleichen gesetzlichen Regelungen und Verfahrensgarantien wie für das Asylerstverfahren (CIR/ecre, National Country Report Italy; zur Möglichkeit, in Italien einen Folgeantrag zu stellen, vgl. auch VG Minden, Urteil vom 20.01.2014 - 10 K 1096/13.A -, juris; VG Aachen, Beschluss vom 03.04.2014 - 7 L 165/14.A -, juris).
40 
2.1.2 Auch hinsichtlich der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende enthält das italienische Recht umfangreiche Regelungen.
41 
2.1.2.1 Im Hinblick auf die Unterbringung von Asylbewerbern ist geregelt, dass diese, falls sie nicht selbst ihren Lebensunterhalt für sich und ihre Familienangehörigen finanzieren können, einen entsprechenden Antrag stellen können, der von der Präfektur (prefettura) bearbeitet wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien). Die Präfektur weist den Asylbewerbern dann Plätze zu.
42 
Italien verfügt über unterschiedliche Unterbringungsmodalitäten für Asylbewerber (ausführlich dazu borderline-europe e.v., Gutachten an VG Darmstadt, 12/2012; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; CIR/ecre, National Country Report Italy). CARA-Erstaufnahmeeinrichtungen (centro di accoglienza per richiedenti asilo) sind von Gesetzes wegen nur für den vorübergehenden (maximal 35 Tage) Aufenthalt von Asylbewerbern mit ungeklärter Identität in erster Linie zum Zwecke der Identitätsklärung vorgesehen (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013); ähnliche Funktionen erfüllen CIE (Centro die identificazione ed espulsione). Daneben gibt es CDAs (Centro di accoglienza per Richiedenti Asilo), die ebenfalls Erstaufnahmeeinrichtungen sind und dem kurzfristigen Aufenthalt u.a. auf dem Staatsterritorium aufgegriffenen Migranten dienen. CSPA (Centro di Soccorso e Prima Accoglienza) dienen nur der Aufnahme von Bootsflüchtlingen. Für den längerfristigen (normalerweise bis zu 6-monatigen) Aufenthalt von Asylbewerbern vorgesehen sind die Unterkunftsplätze in SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e rifugiati), einem Netzwerk von durch Kommunen, Kirchen, kirchliche Einrichtungen sowie sonstige Hilfsorganisationen betriebenen Unterkünften, das seine Grundlage in einer Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium, den Kommunen und den beteiligten nichtstaatlichen Organisationen hat.
43 
Ist in diesen Unterkünften kein Platz vorhanden, sieht das Gesetz vor, dass den Asylbewerbern bis zum Freiwerden eines Platzes finanzielle Unterstützung gewährt wird.
44 
Zugang zu den Einrichtungen besteht für Asylbewerber von Gesetzes wegen bereits ab dem Zeitpunkt des Asylgesuchs (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). In den Erstaufnahmeeinrichtungen (CARA, CDA, CSPA) werden den Asylbewerbern Essen, Unterkunft, Kleidung, erste Hilfe sowie grundlegende Informationen gewährt (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013); SPRARs sind besser ausgestattet und gewähren darüber hinaus etwa Dolmetscherdienste und Gesundheitsfürsorge (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Daneben wird den Asylbewerbern ein Taschengeld für persönliche Bedürfnisse gezahlt, das in CARA 2,50 Euro/Tag beträgt und in SPRAR in unterschiedlicher Höhe von etwa 2,00 Euro/Tag gewährt wird (CIR/ecre, National Country Report Italy). Unterstützungsleistungen können durch die Präfektur gestrichen werden, wenn sich der Asylberechtigte nicht in die zugewiesene Unterkunft begibt oder diese unerlaubt verlässt; hiergegen ist Rechtsschutz möglich (CIR/ecre, National Country Report Italy).
45 
Wird das Asylverfahren nicht binnen sechs Monaten abgeschlossen, erhalten Asylbewerber im Anschluss an ihren zunächst auf sechs Monate befristeten Aufenthaltstitel einen erneuten Aufenthaltstitel, der ihnen die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme gewährt und bis zum Ende des Asylverfahrens verlängert wird (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Gutachten an VG Freiburg, 12/2013). Unterbringung und Versorgungsleistungen werden ebenfalls entsprechend verlängert (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
46 
Legt der Asylbewerber Rechtsmittel gegen die Ablehnung seines Asylantrags ein, wird seine Aufenthaltserlaubnis verlängert (ASGI, Asylbewerber in Italien). Allerdings muss er die Aufnahmeeinrichtung verlassen, wenn er arbeitsfähig ist (borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012).
47 
Haben Dublin-Rückkehrer bereits während ihres ersten Asylverfahrens Platz in einer Aufnahmeeinrichtung gefunden, steht ihnen kein Recht zu, nach ihrer Rückführung nach Italien bis zum Abschluss des Asylerstverfahrens erneut dort untergebracht zu werden; dies schließt es nicht aus, dass sie bei freien Kapazitäten einen Platz etwa in einem SPRAR erhalten (CIR/ecre, National Country Report Italy; borderline-europe e.v., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2102). Gleiches gilt für Folgeantragsteller (CIR/ecre, National Country Report Italy).
48 
2.1.2.2 Asylbewerber sind vom Zeitpunkt der Registrierung ihres Asylgesuchs zusammen mit ihren Familienmitgliedern über die gesetzliche Krankenversicherung versichert und sind italienischen Staatsbürgern gleichgestellt; sie haben Anspruch auf kostenlose Gesundheitsversorgung (CIR/ecre, National Country Report Italy). Hierfür ist die Anmeldung mit Aufenthaltstitel, der Steuernummer sowie einer festen Adresse beim nationalen Gesundheitsdienst (Servizio Sanitario Nazionale) erforderlich, welcher einen zur ambulanten oder stationären Behandlung berechtigenden Gesundheitsausweis ausstellt (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Diese kostenfreie medizinische Versorgung steht auch Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft wohnen (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
49 
2.1.2.3 Zur Durchsetzung einer Unterbringung und Mindestversorgung besteht möglicherweise (genau ist dies den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht zu entnehmen) prinzipiell die Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten in Anspruch zu nehmen (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Einen gerichtlich durchsetzbaren Rechtsanspruch (etwa mittels einstweiliger Anordnung) auf einen Unterbringungsplatz gibt es indes nicht (AA, Auskunft an VG Minden vom 24.05.2013), und auch im Übrigen gibt es jedenfalls keine Informationen darüber, dass von Asylbewerbern Rechtsschutz zur Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Mindestversorgung in Anspruch genommen worden wäre (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012).
50 
2.1.2.4 Im Falle einer Abschiebung werden abgelehnte Asylbewerber zunächst aufgefordert, das Land zu verlassen; geschieht dies nicht, werden sie in eine Abschiebhaftanstalt verbracht. Vor der Abschiebung muss ein Richter auf Grundlage eines Gesprächs mit dem Häftling die Rechtmäßigkeit des Ausreisebescheids prüfen. Dem Häftling wird bei diesem Gespräch ein Rechtsanwalt und ein Dolmetscher zur Seite gestellt. Ferner besteht in der Abschiebehaft die Möglichkeit, rechtliche Informationen einzuholen und an Sprachkursen teilzunehmen. Psychologischer sowie ärztlicher Beistand werden gewährleistet (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012).
51 
2.1.3 Aus dieser Darstellung ergibt sich, dass die rechtlichen Regelungen, das Asylverfahren und die Aufnahme von Asylbewerbern betreffend, in Italien den an sie zu stellenden Anforderungen durchweg gerecht werden. Diese Bewertung steht in Übereinstimmung mit der aktuellen Erkenntnismittellage. Auch wenn hier die tatsächliche Situation mitunter sehr kritisch beurteilt wird, werden die bestehenden gesetzlichen Vorgaben nur vereinzelt und nur im Hinblick auf vergleichsweise wenig gewichtige Punkte - etwa recht kurze Rechtsmittelfristen (vgl. dazu etwa CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien) - kritisiert. Es besteht daher keinerlei Anlass für die Annahme, bereits die rechtlichen Rahmenbedingungen implizierten systemische Mängel, aufgrund derer anzunehmen wäre, dass dort dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Italien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohe.
52 
2.2 Die rechtlichen Vorgaben werden in der Praxis jedoch nicht durchgängig eingehalten. Vielmehr verweisen etwa der UNHCR, die Schweizerische Flüchtlingshilfe, borderline-europe e.V., der European Council on Refugees and Exiles und das Consiglio italiano per i Rifugiati, in abgeschwächter Form auch das Auswärtige Amt auf verschiedene Mängel sowohl betreffend den Zugang Asylsuchender zum Asylverfahren und dessen Ablauf als auch betreffend die Aufnahmebedingungen, insbesondere die Unterbringung und (gesundheitliche) Versorgung der Asylbewerber in Italien.
53 
Rückblickend gesehen war das italienische Aufnahmesystem jedenfalls auf die erheblichen Flüchtlingsströme in den Jahren 2008 und 2011 nicht hinreichend vorbereitet; es gibt gravierende Hinweise darauf, dass in dieser Zeit wiederholt Asylbewerber ohne Prüfung ihres Asylbegehrens oder während noch laufender Rechtsmittelfristen und damit unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot in ihre Herkunftsländer abgeschoben wurden und ferner viele Asylbewerber in Italien keinen Zugang zu den völlig überlasteten Unterkünften hatten, der Obdachlosigkeit anheimfielen und keinerlei staatliche Unterstützung, etwa im Hinblick auf Nahrung und Kleidung oder Zugang zu medizinischer Versorgung, erlangen konnten (vgl. dazu etwa SFH, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, 05/ 2011; Bethke/Bender, „Zur Situation von Flüchtlingen in Italien“, 02/2011; Norwegian Organization für Asylum Seekers, The Italian approach to asylum: System and core problems“, 04/2011, sowie weitere, von der Kammer im Beschluss vom 02.02.2012 - A 4 K 2203/11 -, juris zitierte Quellen). Dem entspricht es, wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung berichtet hat, er habe während der Durchführung des Asylerstverfahrens zu keinem Zeitpunkt staatliche Unterstützung in irgend einer Form erhalten, ihm sei insbesondere nie ein Platz in einer Unterkunft zugewiesen worden, und er sei nur deshalb nicht obdach- und völlig mittellos gewesen, weil er auf eigene Initiative bei Landsleuten habe unterkommen und für diese zeitweise gegen Unterkunft und Mahlzeiten habe arbeiten und eine Adresse für die behördliche Erreichbarkeit habe angeben können.
54 
Die italienischen Behörden haben auf die teilweise chaotischen Zustände zwischenzeitlich jedoch, etwa durch Verbesserungen im Verfahren oder auch die massive Erweiterung der zur Verfügung stehenden Unterkünfte (dazu im Einzelnen s.u.), reagiert. Auch die gegenwärtige Situation weist Mängel wie administrative Hürden, zeitliche Verzögerungen sowie Engpässe bei den Unterkünften auf, die allerdings als weniger schwerwiegend einzustufen sind und die Schwelle zum systemischen Mangel weder für sich genommen noch im Zusammenspiel überschreiten. Vielmehr ist in der Gesamtschau des vorliegenden Erkenntnismaterials davon auszugehen, dass das Asyl- und Aufnahmeverfahren im wesentlichen richtlinienkonform verläuft und grundsätzlich funktionsfähig ist und dabei insbesondere hinreichend sicherstellt, dass im Rahmen des Dublin-Verfahrens rücküberstellte Asylbewerber, die, wie der Kläger, nicht etwa aufgrund Alters, gesundheitlicher Beeinträchtigungen oder sonstiger besonderer in ihrer Person liegender Umstände besonders schutzwürdig sind, bei normalem Verlauf der Dinge nicht mit schwerwiegenden Verstößen oder Rechtsbeeinträchtigungen im Sinne von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh rechnen müssen.
55 
Im Einzelnen:
56 
2.2.1 In jüngerer Zeit sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013) keine Fälle mehr bekannt geworden, in denen Flüchtlingen und Asylsuchenden die Einreise nach Italien oder der Aufenthalt in Italien verweigert worden oder Flüchtlinge und Asylsuchende ohne die Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen, in ihren Herkunftsstaat oder ein Drittland zurückgeführt worden wären; auch sind dem Auswärtigen Amt keine Fälle neueren Datums bekannt, in denen Asylbewerber trotz laufender Asylverfahren abgeschoben worden wären. Jedenfalls gegenwärtig lässt sich daher nicht mehr feststellen, dass in Italien der Anspruch Schutzsuchender auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens generell oder auch nur regelmäßig vereitelt würde (OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo). Ebenso wenig lässt sich den vorliegenden Erkenntnismitteln entnehmen, dass Asylbewerbern nach erfolglosem Abschluss ihres Asylerstverfahrens die Stellung eines Asylfolgeantrags verweigert worden wäre.
57 
2.2.2 Eine Feststellung, die in den vorliegenden Erkenntnismitteln fast durchgängig bemängelt wird, ist die oftmals lange Verfahrensdauer. Diese rechtfertigt jedoch gegenwärtig nicht (mehr) die Feststellung systemischer Mängel.
58 
2.2.2.1 Das Asylverfahren dauert in vielen Regionen regelmäßig etwa 6 bis 10 Monate, während die gesetzlichen Vorgaben vorsehen, dass die Anhörung des Asylbewerbers binnen 30 Tagen erfolgen, die behördliche Entscheidung binnen weiterer 3 Tagen ergehen soll (CIR/ecre, National Country Report Italy; ASGI, Asylbewerber in Italien; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Dieser Umstand hat indes auf die Asylbewerber regelmäßig keine gravierenden Auswirkungen, weil auch Unterbringung und Versorgungsleistungen sowie der Aufenthaltstitel entsprechend verlängert werden (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
59 
2.2.2.2 Anders ist dies, wenn sich die Ausstellung der Verbalizzazione verzögert.
60 
2.2.2.2.1 Vom Asylgesuch bis zur Ausstellung der Verbalizzazione dauert es nach einhelliger Erkenntnislage (etwa CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013) nach wie vor oftmals mehrere Wochen, mitunter, insbesondere in größeren Städten wie Rom oder Mailand, auch mehrere Monate. Diese Verzögerung beruht mitunter auf fehlenden personellen Kapazitäten. Etwa in Mailand oder Rom liegt sie aber auch darin begründet, dass die dortigen Questure systematisch eine Wohnbestätigung oder den Nachweis einer Adresse als Voraussetzung für die Einreichung eines Asylgesuchs verlangen (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013), eine (gesetzlich nicht vorgesehene) Anforderung, die Asylbewerber mitunter nur dann erfüllen können, wenn ihnen Nichtregierungsorganisationen „virtuelle“ Adressen zur Verfügung stellen oder sie Leute dafür bezahlen, dass diese ihnen eine (fiktive) Wohnbestätigung ausstellen (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Diese Wartezeit bis zur Ausstellung der Verbalizzazione führt zu erheblichen Schwierigkeiten für die Asylbewerber. Denn in der Zwischenzeit haben sie Anspruch nur auf medizinische Notfallversorgung (CIR/ecre, National Country Report Italy). In der Praxis haben sie ferner vor Ausstellung der Verbalizzazione keinen Zugang zu CARA- oder SPRAR-Unterkünften, auch wenn von Gesetzes wegen der Zugang zu Unterkunft ab dem Moment der Stellung des Asylgesuchs zu gewährleisten wäre (CIR/ecre, National Country Report Italy; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013). In diesen Fällen sind alternative Maßnahmen zur Sicherung des Lebensunterhalts von Asylsuchenden selten verfügbar, die Asylsuchenden sind vielmehr oftmals auf sich selbst gestellt und häufig obdachlos (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Allerdings wird dieses Problem von Nichtregierungsorganisationen und kirchlichen Organisationen erkannt, die hier im Rahmen ihrer Möglichkeiten, etwa durch die Vermittlung von provisorischen (Not-)Unterkünften, tätig werden (AA, Auskunft an VG Minden vom 24.05.2013).
61 
Dass Asylbewerber diese Verzögerungen vor einem Gericht angefochten oder überhaupt vorläufigen Rechtsschutz beantragt hätten, ist weder dem Auswärtigen Amt (Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012) noch dem UNHCR (Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; UNHCR, Empfehlungen 2013) bekannt. Die Praxis der Questura Mailand, eine Wohnbestätigung zu verlangen, wurde bereits von Hilfsorganisationen angefochten (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012), vom zuständigen Gericht jedoch gebilligt (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013).
62 
2.2.2.2.2 Von den Schwierigkeiten infolge der erheblichen Wartezeit bis zur Ausstellung der Verbalizzazione sind grundsätzlich auch Dublin-Rückkehrer betroffen. Diese treffen in der Regel auf dem Luftweg in Italien ein. Nach einer erneuten erkennungsdienstlichen Behandlung durch die Polizei erfolgt die Feststellung, welche Questura für die Person zuständig ist und wie der Stand des Verfahrens ist. Davon, ob der Asylbewerber während des laufenden Asylverfahrens Italien verlassen oder ob er in Italien nie ein Asylverfahren durchgeführt bzw., wie der Kläger, das Asylverfahren dort rechtskräftig abgeschlossen hat, hängt der weitere Ablauf ab:
63 
Dublin-Rückkehrer, die sich noch im Asylverfahren befinden, erhalten nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013; Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013) umgehend eine Unterkunft in einem entsprechenden Aufnahmezentrum zugewiesen, die ihnen von den auf dem Flughafen tätigen Nichtregierungsorganisationen vermittelt werde. Laut UNHCR hat diese Personengruppe in der Regel Zugang zu Transitunterbringungseinrichtungen (Auskunft an VG Freiburg, 12/2103). Laut Schweizerischer Flüchtlingshilfe (Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013) erfolgt die Unterbringung in einem FER-Projekt, soweit freie Plätze bestehen. Sind für sie nicht die Präfekturen Rom bzw. Varese zuständig, gilt diese Unterkunftsmöglichkeit nur für wenige Tage, bis sie in die für sie zuständige Region weiterreisen, um sich dort bei der Questura zu melden und von dieser einen Berechtigungsschein für ein CARA zu erhalten. Laut borderline-europe e.V. (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012) gibt es in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten mit der Ausstellung dieses Scheins; auch stünden mitunter nicht genügend Plätze zur Verfügung. Plätze in einem SPRAR könnten außerdem nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Betreffende vor seiner Ausreise keinen Platz dort in Anspruch genommen habe.
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Für Dublin-Rückkehrer, die sich, wie der Kläger, noch nicht oder nicht mehr in einem Asylverfahren befinden, etwa für diejenigen, die vor ihrer Asylantragstellung in einem anderen Land durch Italien gereist sind, ohne dort einen Asylantrag gestellt zu haben, erfolgt die Zuweisung der Unterkunft dagegen grundsätzlich, wie bei anderen Asylbewerbern auch, erst nach der Verbalizzazione, die auch für diese Gruppe mitunter erst nach Wochen oder Monaten erfolgt (so ausdrücklich UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.V., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. auch AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012); eine frühere Möglichkeit, in eine FER-Unterkunft oder ein CARA zugewiesen zu werden, hängt von freien Kapazitäten ab (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Borderline-europe (a.a.O.) berichtet davon, von den Dublin-Rückkehrern, die über Rom eingereist seien, hätten nur knapp 8% eine CARA- oder SPRAR-Unterkunft erhalten, weitere etwa 12% eine Kurzzeitunterkunft, um sich von dort aus zu den für sie zuständigen Questure zu begeben. Allerdings bemühen sich die am Flughafen zuständigen Hilfsorganisationen, dem Betreffenden zumindest eine Übergangs- oder Notunterkunft in einer kommunalen oder karitativen Einrichtung zu besorgen; sollte dies nicht umgehend möglich sein, müssen Dublin-Rückkehrer unter Umständen einige Tage am Flughafen verbleiben und dort, zwar ohne besondere Schlafplätze, offenbar aber geduldet, übernachten (SFH, Aufnahmebedingungen, 10/2013; UNHCR, Empfehlungen 2013; AA, Auskunft an OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.09.2013). Nicht ausgeschlossen ist in diesem Zusammenhang indes, dass die Nichtregierungsorganisationen nicht rechtzeitig von der Ankunft von Dublin-Rückkehrern informiert werden und diese daher keine besondere Betreuung am Flughafen erfahren (SFH, a.a.O.).
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2.2.2.2.3 Der Umstand, dass der Zugang zu Unterkünften in der Praxis italienischer Behörden von der Ausstellung der Verbalizzazione abhängt und deren Ausstellung zeitlich jedenfalls in der Behördenpraxis (noch) nicht an das Asylgesuch geknüpft ist, ist sicherlich ein gravierender Mangel, der auch im System angelegt ist und grundsätzlich - wenn infolge der intensiveren Betreuung am Flughafen in möglicherweise geringerem Maße - auch Dublin-Rückkehrer wie den Kläger betrifft. Allerdings hat die italienische Regierung dieses Problem erkannt und sich dessen angenommen. So hat im Februar 2013 das italienische Innenministerium eine Weisung an die Questure herausgegeben, wonach die Verbalizzazione zeitlich mit der Asylgesuchsstellung zusammenfallen soll, und versucht, durch ein neues Onlinesystem (VESTANET) die Bearbeitung der Asylgesuche zu beschleunigen, die Bearbeitung von Einzelfällen im gesamten Verfahren zu verbessern, die Zeit zwischen dem erstmaligen Asylgesuch und der formalen Registrierung des Antrags zu überwachen und Verzögerungen umgehend entgegenzuwirken (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013; CIR/ecre, National Country Report Italy). Im Report von CIR/ecre (a.a.O.) heißt es, die italienischen Behörden hätten insoweit wichtige Anstrengungen unternommen, um den förmlichen Zugang zum Asylverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Auch der UNHCR (a.a.O.) spricht insoweit von „positiven Entwicklungen“. Seinen jüngsten Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien (07/2013) lässt sich zwar entnehmen, dass es immer wieder zu wochen- oder auch monatelangen Verzögerungen bis zur Erstellung der Verbalizzazione kommt; wenn der UNHCR insoweit jedoch von „einigen Fällen“ oder auch Schwierigkeiten „in einigen regionalen Polizeidirektionen“ spricht, so handelt es sich gegenwärtig nicht mehr um größere Funktionsstörungen oder regelhafte Defizite, die das Asylverfahren in ihrer Gesamtheit prägen, sondern um - freilich in ihren Auswirkungen zulasten der Betroffenen keinesfalls zu unterschätzende - partielle Überlastungen oder verwaltungstechnische Missstände. Und auch insoweit ist davon auszugehen, dass sich die Situation, wenn die neuen Anweisungen und Verwaltungsvereinfachungen landesweit implementiert sind, weiter verbessern wird (so auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 20 A 10656/13 -, juris; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris). Insbesondere für Dublin-Rückkehrer und ihre im Vergleich zu anderweitig ins Land kommende Asylbewerber regelmäßig intensivere Betreuung durch Nichtregierungsorganisationen bereits am Flughafen lässt sich im Hinblick auf die Verzögerungen im Asylverfahren daher nicht (mehr) von einem systemischen Mangel sprechen.
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2.2.3 Weitere in vielen der vorliegenden Erkenntnismitteln beklagte Missstände sind die nach wie vor bestehende - und auch Dublin-Rückkehrer betreffende - Überlastung des Aufnahmesystems und die damit verbundenen Lebensbedingungen der Asylbewerber. Aber auch im Hinblick auf die Aufnahmebedingungen ist auf Grundlage der aktuellen Erkenntnismittel nicht (mehr) von strukturellen Mängeln auszugehen.
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2.2.3.1 Immer wieder in der Kritik steht die Zahl der Unterkünfte, die Asylsuchenden zur Verfügung gestellt werden.
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Die italienische Regierung hat in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen, um die Zahl verfügbarer Unterkünfte zu erhöhen. So gab es im Zusammenhang mit den sprunghaft angestiegenen Asylbewerberzahlen im Jahr 2011 ein Notstandskonzept „Nordafrika“, in dessen Rahmen Aufnahmestrukturen durch den Zivilschutz in der Größenordnung von 26.000 Plätzen bereitgestellt wurden (SFH, Aufnahmebedingungen; AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013 spricht sogar von 50.000 Plätzen). Daneben wurde insbesondere die Zahl der regulär verfügbaren Plätze in den vergangenen Jahren massiv erhöht. Noch im Juli 2012 war das Auswärtige Amt (Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; vgl. auch Auskunft an VG Darmstadt vom 29.11.2012) von (nur) je 3.000 Plätzen in CARA und SPRAR ausgegangen, während es im August 2013 bereits von insgesamt über 16.000 Plätzen in CARA, CIE, CDA und SPRAR ausging (Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013). Die Entwicklung der verfügbaren Unterkünfte spiegelt sich auch in den von CIR/ecre erhobenen Zahlen wider: Während im Länderreport Stand Mai 2013 von insgesamt 4.007 Plätzen in CDA und CARA die Rede war, waren es ein halbes Jahr später bereits 6.866 Plätze; statt 151 SPRAR standen ausweislich CIR/ecre nun bereits 175 Einrichtungen zur Verfügung. Aufgrund eines im September 2013 erlassenen Dekrets des Innenministeriums soll die SPRAR-Kapazität bis 2016 zudem auf 16.000 Plätze erhöht werden (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen; CIR/ecre, National Country Report Italy). Auch durch die Praxis, insbesondere die CARA entgegen ihrer Zweckbestimmung auch für den längerfristigen Aufenthalt zu nutzen, konnte der Überlastungssituation Rechnung getragen werden, und auch wenn das Notstandsprogramm „Nordafrika“ zwischenzeitlich ausgelaufen ist und (Stand September 2013) nur noch etwa 1.000 Personen („vulnerable Cases“ und Asylbewerber, die Widerspruch eingelegt haben, vgl. AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 11.09.2013) dort lebten, zeigt es doch, dass Italien in der Lage ist, Unterbringungsplätze in erheblichem Umfang zusätzlich zur Verfügung zu stellen, wenn dies durch den Zustrom von Flüchtlingen erneut erforderlich werden sollte. Um bestehende Lücken und Fehlentwicklungen aufzudecken, wurde ferner Ende 2012 im Rahmen des Präsidium-Projekts testweise ein Überwachungssystem in staatlichen Einrichtungen eingeführt (UNHCR, Empfehlungen 2013). Laut Auswärtigem Amt bestanden im öffentlichen System im August 2013 rund 8.000 Plätze in CARA-Aufnahmelagern, die in der Praxis dem längerfristigen Aufenthalt von Asylbewerbern dienen, nahezu 3.000 Plätze in CIE und CDA und über 5.000 Plätze in SPRAR (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013). Laut CIR/ecre, Stand November 2013, bestanden zu diesem Zeitpunkt in CARA, CIE und CPSA insgesamt deutlich weniger, nämlich nur gut 7.500 Plätze, dafür in SPRAR 3.000 reguläre sowie 9.500 zusätzliche Plätze.
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Finden Asylsuchende keinen Platz in einer öffentlichen Aufnahmeeinrichtung - sei es, weil die Kapazitäten erschöpft sind, sei es, dass sie etwa als Dublin-Rückkehrer, die bereits vor ihrer Ausreise aus Italien einen Platz in einer Aufnahmeeinrichtung beansprucht hatten, keinen erneuten Zugang zu öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen haben -, bekommen sie in der Praxis keine staatliche (finanzielle) Unterstützung, um sich selbst um eine Unterkunft kümmern zu können; die gesetzliche Regelung, wonach der Asylbewerber im Falle fehlender Unterbringungsmöglichkeiten eine finanzielle Unterstützung erhält, um sich selbst eine Unterkunft zu suchen, ist in der Praxis nicht umgesetzt worden (CIR/ecre, National Country Report Italy; AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Für diesen Personenkreis gibt es kommunale, kirchliche und karitative Einrichtungen etwa der CARITAS, die die Asylantragsteller versorgen, ihnen Unterkunftsplätze besorgen und ihnen medizinischen, rechtlichen und psychologischen Beistand zur Verfügung stellen (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Diese nicht-staatlichen Unterkünfte werden teilweise von der öffentlichen Hand finanziert und sind im Auftrag des Staates tätig. Sie sind bei der Frage, ob die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines Verstoßes gegen Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK aufgrund fehlender Unterbringungsmöglichkeiten besteht, mit einzubeziehen. Denn aus Sicht des Unionsrechts ist lediglich entscheidend, dass tatsächlich eine hinreichende Zahl an Unterkünften besteht; dies aber ist auch dann der Fall, wenn der Staat mit nichtstaatlichen Trägern zusammenarbeitet, die zuverlässig einen Teil der erforderlichen Plätze zur Verfügung stellen.
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Darüber, ob das verfügbare - im Übrigen je nach Auskunft deutlich differierende - Zahlenmaterial den tatsächlichen Bestand an Unterkünften widerspiegelt und wenn ja, ob die vorhandenen Unterkünfte ausreichend sind, um den Bedarf zu decken, gehen die Ansichten in den aktuellen Erkenntnismitteln auseinander. Das Auswärtige Amt stellt fest, dass - Stand August 2013 - alle Asylbewerber / Flüchtlinge in öffentlichen Zentren untergebracht werden könnten. Lokalen oder regionalen Überbelegungen stünden freie Kapazitäten in anderen Regionen, etwa in Norditalien, gegenüber, und landesweit seien genügend Plätze vorhanden (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.08.2013; mit dem gleichen Tenor auch bereits AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Auch nach Auffassung des UNHCR ist Italien in der Lage, den Aufnahmebedarf jedenfalls einer erheblichen Zahl an Asylsuchenden zu decken (Empfehlungen 2013; ähnlich auch bereits im Gutachten an VG Braunschweig vom 24.04.2012). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe zeichnet ein etwas düstereres Bild und berichtet - Stand Oktober 2013 - davon, zurzeit seien die Kapazitäten der Erstaufnahmezentren CARA ausgeschöpft und neu ankommende Flüchtlinge könnten dort nicht untergebracht werden (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013). Auch anderen Auskünften lässt sich entnehmen, dass die verfügbaren Plätze immer noch nicht ausreichten und die bestehenden Einrichtungen daher oft deutlich überbelegt seien (CIR/ecre, National Country Report Italy), bzw. dass nicht alle Asylbewerber einen Platz in einer Aufnahmeeinrichtung finden (borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012) oder mitunter aufgrund fehlender Kapazitäten erst nach Wochen oder Monaten Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen bekommen können (UNHCR, Auskunft an VG Freiburg, 12/2013). Viele Auskünfte berichten davon, dass Asylbewerber unter schlechten Bedingungen in überfüllten Privatunterkünften, die teilweise in besetzten Häusern eingerichtet worden seien, unterkommen müssten (CIR/ecre, National Country Report Italy) oder obdachlos seien (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, 10/2013; borderline-europe e.v., Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012).
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Tatsächlich dürfte eine genaue Ermittlung, ob die vorhandenen Plätze rechnerisch gesehen landesweit ausreichend sind, um den Bedarf an Wohnraum zu decken, nur sehr schwer seriös möglich sein. Insoweit ist nicht nur von Bedeutung, dass die vorhandenen Einrichtungen mitunter deutlich mehr Flüchtlinge aufnehmen als die Anzahl, für die sie ausgelegt sind; so sollen etwa im November 2013 9.771 Asylsuchende in CDA/CARA untergebracht gewesen sein, die nur 6.866 reguläre Plätze boten (CIR/ecre, National Country Report Italy). Auch bedürfte es für die Frage, ob die Anzahl an Plätzen ausreichend ist, belastbarem statistischem Material nicht nur zu der Frage, wie lang die durchschnittliche Belegungszeit eines Platzes in einer Unterkunft ist, sondern auch dazu, wie viele Asylbewerber aus eigenem Antrieb keinen Platz in Anspruch nehmen, sondern entweder untertauchen oder in ein anderes europäisches Land weiterreisen. Belastbare Zahlen gibt es jedoch insoweit nicht (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris). Ferner fehlt es auch an methodisch korrekten statistischen Erhebungen zu der Frage, welcher Prozentsatz an Asylsuchenden tatsächlich Interesse an der Zuweisung einer öffentlichen Unterkunft hätte. Vor diesem Hintergrund haben insbesondere die Prozentzahlen der in öffentlichen Unterkünften untergebrachten Dublin-Rückgeführten, die borderline-europe e.V. (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; hierzu ausführlich OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris) nennt, eine nur sehr begrenzte Aussagekraft. Denn diesen Zahlen lässt sich weder entnehmen, wie viele der Rückgeführten bereits über einen Aufenthaltstitel etwa aufgrund der Zuerkennung subsidiären Schutzes in Italien verfügen (und daher keinen Anspruch mehr auf Aufnahme in eine der Unterkünfte haben), noch, wie viele von ihnen überhaupt Interesse an einem Platz in einer öffentlichen Aufnahmeeinrichtung gehabt hätten. Insoweit wäre im Hinblick auf fehlendes Interesse an einer öffentlichen Unterkunft nicht nur an Rückkehrer zu denken, die auf die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens von vornherein verzichten, sondern auch an solche, die bei ihrem letzten Aufenthalt in Italien bereits ein soziales Netzwerk aufgebaut haben, das sie von öffentlichen Unterkünften unabhängig macht, oder solche, die ein Leben in Rom oder Mailand, wo die Wohnraumkapazitäten bekanntermaßen erschöpft sind, auch um den Preis schlechterer Unterbringungsverhältnisse bewusst einem Aufenthalt in einem anderen Landesteil, in dem ihnen eine Unterkunft zugewiesen werden könnte, vorziehen.
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Aber auch wenn unter Zugrundelegung der aktuellen Erkenntnismittel davon auszugehen ist, dass insbesondere in Großstädten wie Rom oder Mailand die vorhandenen Aufnahmekapazitäten in staatlichen wie privat betriebenen Einrichtungen erschöpft und die Unterkünfte überfüllt sind und es daher Asylsuchende gibt, die keinen Platz in einer Unterkunft finden und daher ohne Obdach sind oder unter völlig unzureichenden Wohn- und Lebensverhältnissen leben, lässt sich doch den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht entnehmen, dass dieses Schicksal für Asylbewerber gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachte; vielmehr handelt es sich hierbei um drastische Einzelschicksale, die keiner Verallgemeinerung zugänglich sind (darauf hinweisend auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris, sowie nunmehr VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris). Auf Grundlage der genannten Zahlen von mutmaßlich deutlich mehr als 16.000 Plätzen allein in den öffentlichen Unterkünften ist jedenfalls gegenwärtig nicht (mehr) davon auszugehen, dass im Hinblick auf die Unterbringungssituation dauerhafte erhebliche Missstände vorlägen, aufgrund dessen Asylbewerber quasi typischerweise und in signifikanter Zahl der Obdachlosigkeit überlassen würden (so i.Erg. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/10 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58/13 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo, geht davon aus, alle Asylbewerber fänden Platz in den öffentlichen Aufnahmeeinrichtungen).
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2.2.3.2 Es lässt sich nach den vorliegenden Auskünften auch nicht davon ausgehen, dass systematische Mängel im Hinblick auf die Schwierigkeiten derjenigen Asylsuchenden, die keinen Platz in einer staatlichen Unterkunft gefunden haben, bestünden bei der Zustellung offizieller Schreiben, etwa ablehnender Asylbescheide. Denn auch wenn für Flüchtlinge außerhalb staatlicher Unterkünfte, insbesondere für Obdachlose, der Zugang offizieller Schreiben typischerweise größeren Schwierigkeiten begegnet als für Flüchtlinge in staatlichen Unterkünften, haben sich auch insoweit Strukturen gebildet, die die Situation der Betroffenen erleichtern. Inzwischen bieten Hilfsorganisationen wie die CARITAS Sammeladressen für Personen ohne festen Wohnsitz an, die gegenüber öffentlichen Stellen verwendet werden und an die Poststücke zugestellt werden können (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012; borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012). Derartige Möglichkeiten „virtueller Wohnsitznahme“ gibt es zwar nur in wenigen Städten Italiens, insbesondere in Rom; da es hier aber auch die größten Engpässe in der Wohnraumversorgung gibt, dürfte Dank des den Behörden bekannten und von ihnen akzeptierten Konzepts der virtuellen Wohnsitznahme jedenfalls im Regelfall die Zustellung von Schreiben an den Empfänger gewährleistet sein.
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2.2.3.3 Die vorliegenden Erkenntnismittel lassen auch nicht den Rückschluss darauf zu, dass Asylbewerber infolge unzureichender und unzumutbarer Verhältnisse in den staatlichen bzw. privaten Unterkünften, namentlich etwa aufgrund unhygienischer Zustände oder Gewalttätigkeiten, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind. Dabei wird nicht verkannt, dass es in Unterkünften mit einer Vielzahl von Flüchtlingen unterschiedlicher Nationalität, Religion und kultureller Prägung häufiger als in anderen Bereichen der Gesellschaft zu Konflikten und gelegentlich auch gewaltsamen Übergriffen kommen dürfte, zumal in einer Situation, die oftmals von überstandenen Leiden und ungewisser Zukunft geprägt ist. Es dürfte sich dabei allerdings um ein allgemeines Phänomen in Gemeinschaftseinrichtungen handeln, dem die staatlichen Stellen nur bedingt wirksam entgegenwirken können. Auch ist der Kammer bewusst, dass die Aufnahme-, Unterbringungs- und Lebensbedingungen von Asylbewerbern in Italien regelmäßig nicht mit dem hiesigen Standard vergleichbar sein dürften. Andererseits gibt es keine greifbaren Anhaltspunkte, dass die Zustände in den Unterkünften nicht nur in Einzelfällen, sondern regelhaft unzumutbar und unhaltbar sind, so dass schon unter diesem Gesichtspunkt die Feststellung einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung der Asylbewerber gerechtfertigt erschiene. So wird nach Auskunft des Auswärtigen Amtes von den staatlichen Aufnahmezentren und Einrichtungen Kleidung gestellt, ebenso Wäsche und Hygieneartikel zum persönlichen Gebrauch (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013). Die Verhältnisse im Einzelnen unterscheiden sich und hängen von den jeweiligen Trägern der Unterkünfte ab (CIR/ecre, National Country Report Italy). Laut Auswärtigem Amt stellen sich die hygienischen Verhältnisse aber nicht regelmäßig oder überwiegend in der Weise dar, dass man ernstlich Gefahr läuft zu erkranken. Es seien durchgehend kleinere Schlafräume in Wohnhäusern oder Containern vorhanden, die auch einer ausreichenden Zahl an Toiletten- und Waschräumen sowie zumeist mit Klimaanlagen und Zentralheizung versehen seien. Die Verpflegung werde vielfach in einem gemeinsamen Speisesaal bereitgestellt. Ferner seien in den Einrichtungen Sozialräume sowie getrennte Räumlichkeiten für medizinische Dienste und Sonderfälle vorhanden. Zur Aufrechterhaltung der Sauberkeit der allgemeinen Räumlichkeiten würden spezielle Reinigungsdienste beschäftigt. Es gebe zwar mitunter gewaltsame Überfälle, hierbei handelt es sich aber um Einzelfälle. Darüber hinaus würden die Aufnahmeeinrichtungen zumindest durch die Polizei oder Carabinieri überwacht und geschützt; wegen auftretender Spannungen zwischen verschiedenen Ethnien seien in manchen Einrichtungen zudem zusätzliche Polizeikräfte postiert worden (vgl. dazu auch OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, milo).
75 
2.2.3.4 Ist nach den vorliegenden Erkenntnismitteln, wie gesehen, davon auszugehen, dass jedenfalls die meisten Flüchtlinge Platz in einer staatlichen Unterkunft erhalten, so ist dort ihr Lebensunterhalt - wenn auch auf niedrigem Niveau - gesichert. Es lässt sich den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht entnehmen, dass den Flüchtlingen dort entgegen der Gesetzeslage keine Kleidung, Nahrung oder Hygieneartikel zur Verfügung gestellt würden.
76 
Nach Auskunft des Auswärtigen Amts (AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012) werden auch diejenigen Flüchtlinge, die außerhalb staatlicher Einrichtungen, etwa in karitativen oder kirchlichen Unterkünften, leben, teilweise unter Einbeziehung privater Dienstleister, mit Nahrung und Kleidung versorgt. Dagegen berichtet etwa borderline-europe (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012), Asylsuchende, die in keinem Zentrum untergebracht seien, erhielten weder Sach- noch Geldleistungen zur Abdeckung ihrer Grundbedürfnisse wie Nahrung oder Kleidung. Geklärt sein dürfte jedoch, dass für diese Gruppe der Flüchtlinge Hilfsorganisationen die notwendige grundlegende Versorgung der bei ihnen lebenden Flüchtlinge übernehmen. Auch für diesen Personenkreis dürfte daher nicht festzustellen sein, dass dieser regelhaft in einem menschenrechtlichen Mindeststandards widersprechenden Zustand leben müsse. Dies schließt es nicht aus, dass einzelne Asylbewerber in prekären Verhältnissen extremer Armut und Obdachlosigkeit leben; dieser Umstand ist aber für die Annahme, der Kläger werde im Falle seiner Überstellung nach Italien ernstlich der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK ausgesetzt sein (vgl. dazu auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, juris), nicht ausreichend.
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2.2.3.5 Schließlich ist nach aktueller Auskunftslage auch nicht davon auszugehen sein, dass Flüchtlinge regelhaft von medizinischen Leistungen ausgeschlossen sind.
78 
Zwar mag es im Einzelfall auch bei Bewohnern öffentlicher Unterkünfte - sei es durch fehlende Informationen, sei es durch fehlerhaft arbeitende oder überlastete Verwaltungen - zu Schwierigkeiten kommen, in den Besitz einer Gesundheitskarte zu gelangen. Dies ist aber offenbar der Ausnahmefall.
79 
Für Asylbewerber, auch Dublin-Rückkehrer, die keinen festen Wohnsitz vorweisen können, hat dieser Umstand allerdings Konsequenzen. Der Erhalt der Gesundheitskarte ist an das Erfordernis eines festen Wohnsitzes geknüpft. Während das Auswärtige Amt davon ausgeht, es genüge insoweit die Angabe des Asylbewerbers, berichtet borderline-europe (Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012), die Anmeldung eines Wohnsitzes werde durch die Behörde überprüft. Die Associazione per gli Studi Giuridici sull’Immigrazione (Asylbewerber in Italien, Bericht vom 20.11.2012) berichtet darüber hinaus davon, viele Flüchtlinge würden aufgrund von bürokratischen und restriktiven Interpretationen seitens der Gemeinden nicht im Einwohnermelderegister eingetragen. Selbst wenn dies so wäre, führte dieser Umstand jedoch nicht dazu, dass diese Flüchtlinge vom Erhalt der Gesundheitskarte ausgeschlossen würden. Denn vor allem in Rom - wo die Wohnungsnot, wie gesehen, und daher auch der Anteil der nicht in öffentlichen Unterkünften untergebrachten Flüchtlinge vermutlich am größten ist - besteht, wie bereits erwähnt, die Möglichkeit einer von den Behörden anerkannten, durch Hilfsorganisationen wie die CARITAS zur Verfügung gestellten „virtuellen Wohnsitznahme“ (borderline-europe, Gutachten an VG Braunschweig, 12/2012; vgl. dazu auch AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Davon abgesehen ist jedenfalls die medizinische Notfallversorgung in Italien auch ohne Gesundheitskarte gewährleistet.
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2.2.3.6 Vor diesem Hintergrund lässt sich trotz nach wie vor bestehender Defizite in den Aufnahmebedingungen und auch unter Berücksichtigung der gravierenden Folgen, die das Fehlen einer zumutbaren Unterkunft für den hiervon Betroffenen im Einzelfall hat, nicht feststellen, dass die bestehenden Engpässe und Mängel die Funktionsfähigkeit des Aufnahmesystems insgesamt in Frage stellen und so gravierend sind, dass sie das Asylverfahren regelhaft seiner Funktion berauben.
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2.3 Im Ergebnis lässt sich daher auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnismittel feststellen, dass Asylsuchende, die nach den Regelungen der Dublin-II-Verordnung nach Italien überstellt werden sollen, derzeit jedenfalls dann, wenn in ihrer Person keine besonderen (etwa gesundheitlichen) Gründe gegeben sind, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer durch das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen verursachten unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh rechnen müssen. Dies scheint der Auffassung des UNHCR zu entsprechen, der sich - anders als seinerzeit im Falle Griechenlands - trotz deutlicher Worte in Bezug auf bestehende Defizite und Mängel im italienischen Asyl- und Aufnahmesystem nicht veranlasst gesehen hat, sich gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien auszusprechen.
82 
Vorliegend aber sind keine besonderen Umstände des Einzelfalles ersichtlich, die befürchten ließen, dass gerade dem Kläger in Italien entgegen der allgemeinen Lageeinschätzung eine mit Art. 4 GRCh / Art. 3 EMRK nicht vereinbare Behandlung drohte. Der Kläger hat nach seiner Ankunft in Italien die Möglichkeit, einen Asylfolgeantrag zu stellen. Bis zum Abschluss dieses Verfahrens hat er, da er nach eigenen Angaben während des Asylerstverfahrens nie einen Platz in einer Unterkunft zugewiesen bekommen hat, die Möglichkeit, in einer öffentlichen Einrichtung unterzukommen, wo neben der Unterkunft auch Essen, Bekleidung und sonstige persönliche Bedürfnisse sichergestellt sind. Sollte sich der Kläger dagegen dafür entscheiden, nach seiner Rückkehr keinen erneuten Asylantrag zu stellen, bestünden zu seinen Gunsten - nachdem das Asylerstverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist - keine Verfahrensgarantien nach der Genfer Flüchtlingskonvention, und auch die Aufnahmerichtlinie (RL 2003/9/EG) fände auf ihn gemäß Art. 3 Abs. 1 keine Anwendung (mehr). Er wäre vielmehr, wenn sein Aufenthalt nicht behördlicherseits legalisiert wird, verpflichtet, Italien zu verlassen, und hätte keinen Anspruch auf Unterstützung mehr (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.07.2012). Kommt er seiner Ausreisepflicht nicht nach, kann er kein Mehr an Unterstützung verlangen, als dies italienischen Staatsangehörigen zuteil wird. Ein staatliches Sozialhilfesystem aber existiert in Italien nur sehr eingeschränkt; vielmehr sind auch italienische Staatsangehörige grundsätzlich verpflichtet, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen, was naturgemäß mit Schwierigkeiten verbunden, für einen gesunden, arbeitsfähigen Mann wie den Kläger aber, wie er bereits bei seinem ersten Aufenthalt in Italien bewiesen hat, nicht unmöglich ist. Der Umstand, dass es in Italien anders als in Deutschland kein System staatlicher Unterstützung auch für ausreisepflichtige, jedoch tatsächlich noch nicht abgeschobene Ausländer gibt, reicht, nachdem, wie bereits gesehen, aus Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh nicht die Verpflichtung erwächst, jemandem finanzielle Unterstützung zu gewähren, um ihm einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen, nicht für die Annahme aus, der Kläger werde im Falle seiner Überstellung nach Italien ernstlich der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK / Art. 4 GRCh ausgesetzt sein.
III.
83 
Die Abschiebungsanordnung in Ziff. 2 des angefochtenen Bescheides ist hiernach ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen nach § 27a AsylVfG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies ist der Fall, nachdem Italien keine Einwände gegen seine Zuständigkeit erhoben hat und der Abschiebung keine relevanten Hindernisgründe entgegenstehen.
84 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Das Gericht sieht von einem Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach Ermessen ab.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Gründe

I.

1

Der Kläger, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben im Jahr 2009 über den Seeweg nach Italien ein. Er lebte etwa einen Monat in einer Aufnahmeeinrichtung in Sizilien, wurde dort erkennungsdienstlich behandelt und reiste im Herbst 2009 nach Deutschland weiter, ohne in Italien Asyl beantragt zu haben. Im Oktober 2009 stellte er in Deutschland einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - im Hinblick auf die Zuständigkeit Italiens nach der Dublin-II-Verordnung als unzulässig ablehnte. Der Kläger wurde daraufhin im Dezember 2009 auf dem Luftweg über den Flughafen Rom-Fiumicino nach Italien überstellt. Im Januar 2011 wurde er erneut in Deutschland angetroffen und stellte wieder einen Asylantrag. Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 27. April 2011 die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

II.

2

Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend macht, hat keinen Erfolg.

3

Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,

"inwieweit bei der Prognoseentscheidung über beachtliche Wahrscheinlichkeit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung bei Rückführung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat individuelle Erfahrungen des Betroffenen im dortigen Mitgliedstaat in erheblichem Maße zu berücksichtigen sind."

4

Damit in Zusammenhang stehe die Frage,

"ob es der Feststellung systemischer Mängel bedarf, wenn einem Betroffenen schon einmal oder ggf. auch mehrmals erniedrigende und unmenschliche Behandlung widerfahren ist, insbesondere nach einer schon einmal erfolgten Überstellung."

5

Die aufgeworfenen Fragen rechtfertigen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lassen sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt sind, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten. Der beschließende Senat hat dazu in seinem Beschluss vom 19. März 2014 - BVerwG 10 B 6.14 - (juris Rn. 5 ff.) ausgeführt:

"Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).

Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).

Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den 'zuständigen Mitgliedstaat' im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ('systemic failure') abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).

Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus."

6

Aus der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass ein Asylbewerber der Überstellung in den nach der Dublin-II-Verordnung für ihn zuständigen Mitgliedstaat mit Blick auf unzureichende Aufnahmebedingungen für Asylbewerber nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten kann und es nicht darauf ankommt, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war. Das Berufungsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, dass derartige individuelle Erfahrungen vielmehr in die Gesamtwürdigung einzubeziehen sind, ob systemische Mängel im Zielland der Abschiebung des Antragstellers (hier: Italien) vorliegen (UA S. 26). In diesem begrenzten Umfang sind individuelle Erfahrungen des Betroffenen zu berücksichtigen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass persönliche Erlebnisse Betroffener, die - wie hier - einige Jahre zurückliegen, durch neuere Entwicklungen im betreffenden Staat überholt sein können. Individuelle Erfahrungen einer gegen Art. 4 GR-Charta verstoßenden Behandlung führen hingegen nicht zu einer Beweislastumkehr für die Frage des Vorliegens systemischer Mängel (so auch das Berufungsgericht UA S. 26 f.). Weiteren Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es zur Beantwortung der von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen nicht.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der 1985 geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Pakistan und gehört zu den Punjabi. Er verließ nach seinen Angaben Pakistan am 25.02.2012 und kam am 26.03.2012 nach Italien, wo er erkennungsdienstlich behandelt wurde. Am 03.06.2012 reiste er nach seinen Angaben auf dem Landweg über die Schweiz oder Frankreich nach Deutschland.
Am 18.06.2012 stellte er einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellte daraufhin am 18.10.2012 ein auf Art. 16 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien. Am 30.11.2012 erfolgte die Zustimmung Italiens zur Rücküberstellung des Klägers.
Mit Bescheid vom 03.12.2012 erklärte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag für unzulässig und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Ein Zustellungsnachweis befindet sich nicht bei den Akten; jedenfalls wurde der Bescheid mit einem Begleitschreiben vom 15.01.2013 zur Post gegeben. Die für den 31.01.2013 vorgesehene Überstellung nach Italien konnte nicht durchgeführt werden, da der Kläger nicht angetroffen wurde.
Am 28.01.2013 erhob der Kläger Klage und machte geltend, eine Abschiebung nach Italien sei nicht zulässig. Er habe in Italien gar keinen Asylantrag gestellt. Auch bestehe die Gefahr der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung in Italien. Die Beklagte hätte von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen.
Mit Beschluss vom 14.03.2013 (A 12 K 332/13) ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 03.12.2012 enthaltene Abschiebungsanordnung an und gab der Beklagten auf, dem Regierungspräsidium Karlsruhe die Anordnung der aufschiebenden Wirkung mitzuteilen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vom 17.06.2013 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 03.12.2012 auf und verpflichtete die Bundesrepublik Deutschland auf den ausdrücklichen Antrag des Klägers, sein Asylverfahren fortzuführen. Zur Begründung führte es aus: Zwar sei Italien der zuständige Mitgliedstaat. Allerdings leide das Asylsystem Italiens unter sog. systemischen Mängeln im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, sodass die Bundesrepublik von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müsse.
Auf den rechtzeitig gestellten Antrag der Beklagten ließ der Senat durch Beschluss vom 14.08.2013 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.
Am 05.09.2013 hat der Beklagte unter Stellung eines Antrags die Berufung begründet: Zunächst sei davon auszugehen, dass das Zuständigkeitsregime der Dublin-Verordnung keine subjektiven Rechte der Asylbewerber begründe. Im Übrigen gelte nach der Rechtsprechung des EuGH eine generelle Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention erfolge. Dass in Bezug auf Italien ernsthaft und erwiesenermaßen zu befürchten sei, dass systemische Mängel zwangsläufig mit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung der überstellten Asylbewerber einhergingen, könne nicht eingewandt werden. Nach den vorliegenden Quellen, insbesondere von UNHCR, seien derartige Befürchtungen nicht gerechtfertigt.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.06.2013 - A 12 K 331/13 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten verweist der Senat auf die gewechselten Schriftsätze. Dem Senat liegen die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

Gründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.