Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 18. Nov. 2016 - 4 K 2981/15

bei uns veröffentlicht am18.11.2016

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Kostenerstattung für gewährte Hilfen zur Erziehung in der Zeit vom 24.04.2012 bis zum 03.11.2012 und vom 20.11.2012 bis zum 26.01.2013 in Höhe von 25.530,50 EUR zugunsten von L. J.
Beginnend mit dem 07.09.2009 bewilligte die Klägerin den (gemeinsam) sorgeberechtigten Eltern des am … 1997 geborenen L. J. Hilfe zur Erziehung nach den §§ 27 ff. SGB VIII, die in der Folgezeit (zumindest) bis zu Beginn des Jahres 2013 in unterschiedlichen Formen (u. a. Erziehung in Tagesgruppe, Heimerziehung) und mit gelegentlichen Unterbrechungen bewilligt wurde. Zu Beginn der Leistung (am 07.09.2009) lebte L. im Haushalt seiner Mutter in der Stadt F.; der Vater lebte (damals und zumindest bis zum Ende des Bewilligungszeitraums), von der Mutter getrennt, in L. Am 01.01.2010 zog die Mutter von F. nach K. im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald um, wo sie zumindest bis zum Ende des Bewilligungszeitraums gewohnt hat.
Mit Schreiben vom 21.07.2010 erklärte der Beklagte auf eine zuvor im Schreiben vom 14.01.2010 geäußerte Bitte der Klägerin um „Fallübernahme“ für L. und um Ersatz der Aufwendungen gemäß § 89c SGB X, dass er den Jugendhilfefall ab dem 01.08.2010 übernehme und seine Pflicht zur Erstattung der von der Klägerin aufgewendeten Kosten ab dem 01.01.2010 anerkenne.
Etwa ein Jahr später, mit Schreiben vom 06.07.2011, teilte der Beklagte der Klägerin mit: Auf der Grundlage des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.12.2010 sei die Zuständigkeit im vorliegenden Fall anders zu beurteilen. Er sei doch nicht zuständig geworden, vielmehr sei die Klägerin aufgrund von § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII durchgängig für L. zuständig gewesen. Unter Beachtung von § 111 SGB X nehme er sein zuvor erklärtes Anerkenntnis der Kostentragungspflicht ab dem 06.07.2010 zurück.
Mit E-Mail-Schreiben vom 23.01.2012 erklärte ein Mitarbeiter der Klägerin gegenüber dem Beklagten, dass der Fall von der Klägerin übernommen werde. Mit Schreiben vom 10.07.2012 erklärte die Klägerin in Beantwortung des Schreibens des Beklagten vom 06.07.2011, dass sie die Pflicht zur Erstattung der vom Beklagten aufgewendeten Kosten ab dem 06.07.2010 anerkenne.
In der Folge bewilligte die Klägerin den Eltern von L. weitere Hilfen zur Erziehung, insbesondere in den Zeiten vom 24.04.2012 bis zum 03.11.2012 und vom 20.11.2012 bis zum 26.01.2013 in Form der Heimerziehung/sonstigen betreuten Wohnform gemäß § 34 SGB VIII.
Etwa 19 Monate später, mit Schreiben vom 09.09.2014, teilte die Klägerin dem Beklagten mit: Nach gewandelter neuerer Rechtsprechung bestimme sich die Zuständigkeit im vorliegenden Fall nach § 86 Abs. 2 SGB VIII. Sie (die Klägerin) sei nicht nach § 86 Abs. 5 SGB VIII zuständig gewesen. Sie widerrufe deshalb die von ihr im Schreiben vom 10.07.2012 erklärte Anerkennung der Kostenerstattungspflicht und bitte ihrerseits den Beklagten um Anerkennung seiner Kostenerstattungspflicht für die von ihr bewilligten Leistungen der Heimerziehung/sonstigen betreuten Wohnform in den Zeiten vom 24.04.2012 bis zum 03.11.2012 und vom 20.11.2012 bis 26.01.2013.
Mit Schreiben vom 12.06.2015 erwiderte der Beklagte: Es sei zutreffend, dass nach aktueller Rechtsprechung die Zuständigkeit im vorliegenden Fall anders zu beurteilen sei als nach bisheriger Rechtsauffassung und dass er (der Beklagte) nach § 86 Abs. 2 SGB VIII seit dem 01.01.2010 durchgängig zuständig gewesen sei. Grundsätzlich sei deshalb das Kostenerstattungsbegehren der Klägerin nach § 105 SGB X begründet. Doch stehe der Geltendmachung dieses Anspruchs die Ausschlussfrist des § 111 SGB X entgegen. Die Hilfegewährung der Klägerin für L. habe am 26.01.2013 geendet. Die mit Schreiben vom 09.09.2014 beanspruchte Kostenerstattung sei damit nicht innerhalb von zwölf Monaten nach Beendigung der Jugendhilfeleistung worden und damit verfristet.
Dem hielt die Klägerin im Schreiben vom 10.11.2015 entgegen: Die Ausschlussfrist des § 111 Satz 2 SGB X beginne erst mit objektiver Kenntnis des Kostenerstattungsanspruchs. Die die neue Rechtslage darstellende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (5 C 34/12) stamme vom 14.11.2013. Die Jahresfrist des § 111 SGB X laufe damit erst ab diesem Zeitpunkt mit der Folge, dass sie ihren Anspruch mit Schreiben vom 09.09.2014 noch rechtzeitig geltend gemacht habe.
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Am 23.12.2015 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor: Die Einrede des Beklagten hänge im Wesentlichen davon ab, ob Satz 2 von § 111 SGB X im Bereich der Jugendhilfe Anwendung finde. Die Neufassung von § 111 SGB X (vom 01.01.2001) habe einer gerechteren Lastenverteilung zwischen den Sozialleistungsträgern dienen sollen. Zwar laufe die Vorschrift des § 111 Satz 2 SGB X nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts leer, wenn es keiner Entscheidung des erstattungsberechtigten Trägers gegenüber dem Leistungsberechtigten mehr bedürfe. Doch schließe das die Anwendbarkeit dieser Vorschrift im Licht der Intention des Gesetzgebers nicht aus. Danach sei eine Leistungspflicht des Beklagten erst mit der klarstellenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.11.2013 entstanden. Sie (die Klägerin) habe im streitgegenständlichen Zeitraum auch nicht als unzuständige Behörde gehandelt. Denn sowohl sie als auch der Beklagte seien aufgrund der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.12.2010 von ihrer Zuständigkeit (der Klägerin) auch über dem 01.01.2010 hinaus ausgegangen. Da sie zu diesem Zeitpunkt bereits Leistungen bewilligt habe, sei sie nach § 86c SGB VIII zur fortdauernden Leistung verpflichtet gewesen. Erst die erwähnte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.11.2013 habe zweifelsfrei ergeben, dass im vorliegenden Fall der Beklagte zuständig gewesen wäre, was sie (die Klägerin) jedoch gemäß § 86c SGB VIII nicht von der Leistungsverpflichtung entbunden habe. Auf eine Verfristung des mit Schreiben vom 09.09.2014 geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs könne sich der Beklagte auch deshalb nicht berufen, weil dieser Anspruch bereits mit Schreiben vom 14.01.2010 geltend gemacht worden sei.
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Die Klägerin beantragt (sachdienlich),
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den Beklagten zu verurteilen, die der Klägerin vom 24.04.2012 bis zum 03.11.2012 und vom 20.11.2012 bis zum 26.01.2013 entstandenen Kosten in Höhe von 25.530,50 EUR, die sie für Maßnahmen der Jugendhilfe zugunsten von L. J. aufgewendet hat, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 23.12.2015 zu bezahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung trägt der Beklagte vor: Ein möglicher Kostenerstattungsanspruch der Klägerin sei gemäß § 111 SGB X verfristet. Die Maßnahme, für die Kostenerstattung begehrt werde, habe am 26.01.2013 geendet, so dass ein daraus resultierender Kostenerstattungsanspruch bis spätestens zum 26.01.2014 geltend zu machen gewesen wäre. Tatsächlich habe die Klägerin den Kostenerstattungsanspruch erstmals am 09.09.2014 - und damit verspätet - geltend gemacht. Mit ihrem Schreiben vom 14.01.2010 habe die Klägerin lediglich eine Kostenerstattung für die bis dahin gewährten Leistungen begehrt. Eine Aufforderung zur Erstattung weiterer - nach Fallübernahme möglicherweise in der Zukunft entstehender - Aufwendungen der Klägerin sei darin nicht zu sehen. Der Lauf der zwölfmonatigen Ausschlussfrist des § 111 SGB X beginne auch nicht gemäß § 111 Satz 2 SGB X erst mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.11.2013 zu laufen. Es komme nicht auf die Kenntnis der Rechtslage, sondern auf die Kenntnis der Klägerin von der Entscheidung des Beklagten über seine Leistungspflicht an. Diese Entscheidung habe er bereits im Jahr 2012 getroffen und die Klägerin habe auch bereits damals davon Kenntnis gehabt. Das Bundesverwaltungsgericht schaffe kein Recht, sondern erkenne das Recht nur. Aus dem besagten Urteil vom 14.11.2013 ergebe sich die heute, aber auch schon früher maßgebliche Rechtsansicht, dass er (der Beklagte) im hier streitgegenständlichen Zeitraum zuständiger Jugendhilfeträger gewesen sei. Demgegenüber habe er aufgrund einer nach heutiger Erkenntnis falschen Rechtsansicht mit Schreiben vom 06.07.2011 der Klägerin die Entscheidung über seine Unzuständigkeit mitgeteilt und um Übernahme des Falls durch die Klägerin gebeten. Dass diese Entscheidung nicht der aktuellen Rechtsauslegung entspreche, ändere nichts an der Entscheidung als solcher. Von dieser Entscheidung habe die Klägerin Kenntnis gehabt, diese mitgetragen und dementsprechend in der Folge die hier in Streit stehenden Kosten eigenverantwortlich aufgewandt. Eine weitere Entscheidung über seine Leistungsverpflichtung für den streitgegenständlichen Zeitraum, habe er (der Beklagte) nicht getroffen. Damit bleibe es für den Fristbeginn bei dem letzten Tag, für den die Leistung der Klägerin erbracht worden sei, und damit bei einer Verfristung des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin.
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Der Kammer liegen die Jugendhilfeakten über L. J. der Klägerin und des Beklagten (jew. 2 Hefte) vor. Der Inhalt dieser Akten und der Gerichtsakten war Gegenstand der Kammerberatung und -entscheidung; hierauf wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO durch Urteil ohne mündliche Verhandlung.
18 
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung der Kosten für Leistungen der Hilfe zur Erziehung, die sie in der Zeit vom 24.04.2012 bis zum 03.11.2012 und vom 20.11.2012 bis zum 26.01.2013 in Höhe von 25.530,50 EUR zugunsten von L. J. erbracht hat.
19 
1. Einem etwaigen Kostenerstattungsanspruch der Klägerin steht im vorliegenden Fall die Vorschrift des § 111 Satz 1 SGB X entgegen. Diese Vorschrift gilt über die Erstattungsansprüche nach den §§ 102 ff. SGB X hinaus für alle Erstattungsansprüche zwischen Sozialleistungsträgern, insbesondere auch für die (jugendhilferechtlichen) Erstattungsansprüche nach den §§ 89 ff. SGB VIII (vgl. Böttiger, in: Diering/Timme, Sozialgesetzbuch X, 4. Aufl. 2016, § 111 RdNr. 3, m.w.N.; Roller, in: von Wulffen, SGB X, 7. Auf. 2010, § 111 RdNr. 4, m.w.N.). Aus diesem Grund kann es hier dahingestellt bleiben, ob der Kostenerstattungsanspruch der Klägerin materiell seine Rechtsgrundlage in dem hier möglicherweise in Betracht kommenden § 89c SGB VIII oder in § 105 SGB X hat (zum Verhältnis dieser Vorschriften zueinander siehe Urteil der Kammer vom 13.02.2014 - 4 K 2516/12 -, juris, m.w.N.). Jedenfalls ist die Anwendung von § 111 SGB X nicht deshalb ausgeschlossen, weil der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ein Rückerstattungsanspruch im Sinne von § 112 SGB X wäre, für den § 111 SGB X anerkanntermaßen nicht gilt (Böttiger, a.a.O., § 111 RdNr. 3, m.w.N.). Denn § 112 SGB X setzt einen bereits tatsächlich durchgeführten Erstattungsvorgang voraus (Böttiger, a.a.O., § 112 RdNr. 2, m.w.N.), der zwischen den Beteiligten hier nicht stattgefunden hat.
20 
Nach § 111 Satz 1 SGB X ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der letzte Tag, an dem die Klägerin Leistungen für L. J. (besser: für seine Eltern) erbracht hat, war auch nach ihrem eigenen Vortrag der 26.01.2013. Damit endete gemäß § 26 Abs. 2 SGB X die Frist mit Ablauf des Januar 2014, ohne dass es hier auf ein genaues Datum ankäme, da jedenfalls die erstmalige Geltendmachung mit Schreiben der Klägerin vom 09.09.2014 deutlich mehr als ein Jahr später und damit verspätet erfolgt ist.
21 
Entgegen ihrer Auffassung kann die Klägerin sich nicht auf ihr erstmaliges Erstattungsbegehren im Schreiben an den Beklagten vom 14.01.2010 berufen. Zwar kann ein Erstattungsanspruch grundsätzlich auch schon für erst in der Zukunft entstehende Ansprüche geltend gemacht werden mit der Folge, dass insoweit die Frist des § 111 SGB X gewahrt wird. Doch müssen dieser Anspruch und die für seine Entstehung maßgeblichen Umstände konkret absehbar sein (Böttiger, a.a.O., § 111 RdNr. 5, m.w.N.; Roller, a.a.O., § 111 RdNrn. 13 und 15, m.w.N.), so dass der in Anspruch genommene Leistungsträger die Berechtigung der Forderung sowie den Zeitraum, für den die Erstattung begehrt wird, beurteilen kann (Becker, in: Hauck/Noftz, SGB X, Stand: Dez. 2013, § 111 RdNrn. 39 f., m.w.N.; Mutschler, in: jurisPK-SGB X, Stand: 11.05.2016, § 111 RdNr. 17, m.w.N.). Hiernach kann das Schreiben der Klägerin vom 14.01.2010 nicht als Geltendmachung einer Erstattung für die erst ab dem Jahr 2012 entstehenden Aufwendungen für Hilfen zur Erziehung zugunsten von L. J. in Betracht kommen. Das ergibt sich auch, worauf der Beklagte zu Recht hinweist, aus dem Kontext des Schreibens vom 14.01.2010, mit dem ersichtlich nur eine Kostenerstattung für Aufwendungen begehrt wurde, die bis zur Fallübernahme durch den Beklagten angefallen sind und noch anfallen. Nach der im Schreiben vom 21.07.2010 erklärten Übernahme des Jugendhilfefalls durch den Beklagten mit Wirkung vom 01.08.2010 und Anerkennung der Kostenerstattungspflicht für die Zeit ab 01.01.2010 hatte sich das Begehren im Schreiben der Klägerin vom 14.01.2010 erledigt, da beide Seite zunächst übereinstimmend der Meinung waren, dass fortan der Beklagte für die jugendhilferechtlichen Maßnahmen zugunsten von L. J. zuständig sei. Soweit der Beklagte später (aufgrund einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.12.2010) seine Meinung änderte und dies mit Schreiben vom 06.07.2011 gegenüber der Klägerin kundtat, bestand auch insoweit kein Dissens zwischen den Beteiligten; vielmehr stimmte die Klägerin der Auffassung des Beklagten mit E-Mail-Schreiben vom 23.01.2012 und (normalem) Schreiben vom 10.07.2012 zu und erkannte ihre Kostenerstattungspflicht, wenngleich erst ab dem 06.07.2010, an. Bei der Bestimmung des 06.07.2010 als Datum der rückwirkenden Anerkennung ihrer Kostenerstattungspflicht, die sich nach damaliger Rechtsauffassung beider Beteiligter auf den gesamten Zeitraum nach dem 01.01.2010 erstreckte, kam der Klägerin die Regelung in § 111 Satz 1 SGB X - ebenso wie im Hinblick auf den in diesem Verfahren streitigen Kostenerstattungsanspruch dem Beklagten - zugute.
22 
2. § 111 Satz 2 SGB X führt hier zu keinem anderen Ergebnis. Nach dieser Vorschrift beginnt der Lauf der Frist frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Dieser Bestimmung liegt die Fallkonstellation zugrunde, dass verschiedene miteinander konkurrierende Leistungsträger zu unterschiedlichen Zeitpunkten gegenüber dem Leistungsberechtigten über ihre Leistungspflicht entscheiden (vgl. Entwurf der Bundesregierung des 4. Euro-Einführungsgesetzes, BT-Drs. 14/4375, 60). Diese Fallkonstellation entspricht nicht derjenigen im vorliegenden Fall. Denn hier sind die Leistungen, für die Kostenerstattung begehrt wird, von der Klägerin, also dem erstattungsberechtigten Leistungsträger im Sinne von § 111 Satz 2 SGB X, gewährt worden. Der Beklagte als der erstattungspflichtige Leistungsträger im Sinne von § 111 Satz 2 SGB X hat hier, das heißt im Hinblick auf die in den Zeiten vom 24.04.2012 bis zum 03.11.2012 und vom 20.11.2012 bis zum 26.01.2013 gewährten Leistungen, gerade keine Entscheidung über seine Leistungspflicht getroffen. Das unterscheidet den vorliegenden Fall von dem Fall, der der Neuregelung in § 111 Satz 2 SGB X zugrunde lag und in dem der vorrangig leistungspflichtige (zuständige) Träger eine Leistung, die der nachrangig leistungspflichtige (unzuständige) Träger zuvor gewährt hatte, zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend bewilligt hat (vgl. hierzu BT-Drs. 14/4375, 60; Becker, a.a.O., § 111 RdNr. 48). Mit dem Begriff „Leistungspflicht“ in § 111 Satz 2 SGB X ist die Pflicht im Verhältnis zwischen dem erstattungspflichtigen Leistungsträger (hier dem Beklagten) und der leistungsberechtigten Person (hier den Eltern von L. J.) gemeint (BVerwG, Urteil vom 19.08.2010, NVwZ-RR 2011, 67; Becker, a.a.O., § 111 RdNr. 51; Böttiger, a.a.O.; § 111 RdNr. 25, m.w.N.; Mutschler, a.a.O., § 111 RdNrn. 32 ff., m.w.N.; Roller, a.a.O., § 111 RdNrn. 7 f.; siehe auch - zu einem vergleichbaren Fall, in dem der Kostenerstattungsanspruch materiell-rechtlich auf § 89c Abs.1 Satz 1 SGB VIII beruhte - Bayer. VGH, Urteil vom 21.05.2010 - 12 BV 09.1973 -, juris, m.w.N.). In diesem Sinne hat der Beklagte letztmals zu Beginn des Jahres 2012, vor der Fallübernahme durch die Klägerin am 23.01.2012, eine Entscheidung über seine Leistungspflicht getroffen, von der die Klägerin ebenfalls spätestens zu Beginn des Jahres 2012 Kenntnis erlangt hat.
23 
Eine Auslegung der Vorschrift dahin, dass als Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht auch die Ablehnung der Erstattungspflicht gegenüber dem Erstattungsberechtigten anzusehen ist, stünde nicht im Einklang mit dem Gesetzeswortlaut, demzufolge es einer Entscheidung über die „Leistungspflicht“ bedarf, während es hier um eine Kostenerstattungspflicht geht. Zudem führte eine solche Auslegung zu dem widersinnigen Ergebnis, dass die Ausschlussfrist für die Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs erst nach dessen Geltendmachung zu laufen begänne, weil die Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Pflicht zur Kostenerstattung notwendig voraussetzt, dass ein solcher Anspruch zuvor geltend gemacht wurde (so Bayer. VGH, Urteil vom 21.05.2010, a.a.O., m.w.N.; zur Unanwendbarkeit von § 111 Satz 2 SGB X auf vergleichbare Fälle wie hier siehe auch VG Augsburg, Urteil vom 12.06.2012 - Au 3 K 11.1665 -, juris).
24 
Hiernach verbleibt es bezüglich des Beginns des Fristlaufs allein bei der Regelung in § 111 Satz 1 SGB X (siehe oben zu 1.).
25 
3. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Ausschlussregelung in § 111 SGB X nicht lediglich im Wege der Einrede geltend zu machen, vielmehr führt der Ausschluss nach dieser Vorschrift zu einem materiellen, von Amts wegen zu beachtenden Verlust des Kostenerstattungsanspruchs. Auch eine Wiedereinsetzung in diese Frist kommt somit nach § 27 Abs. 5 SGB X nicht in Betracht. Dem steht dementsprechend auch entgegen, dem Erstattungsverpflichteten, hier dem Beklagten, den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenzuhalten, wenn er sich auf § 111 SGB X beruft (vgl. zum Ganzen u. a. Mutschler, a.a.O., § 111 RdNrn. 41 ff., m.w.N.). Für einen solchen Einwand ist ebenso wie für andere Berufungen auf den Grundsatz von Treu und Glauben gerade im vorliegenden Fall auch deshalb kein Raum, weil der Beklagte im maßgeblichen Zeitraum in gleichem Maße wie die Klägerin (gutgläubig) der Auffassung war, dass die Klägerin der für L. J. zuständige Jugendhilfeträger sei. Dass diese Auffassung (voraussichtlich) auf einem Rechtsirrtum beruhte, ist ohne Bedeutung, da es für die rechtlichen Wirkungen des § 111 SGB X weder auf ein Verschulden noch auf die Frage ankommt, wem die Folgen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.12.2010 - 5 C 17/09 - (NVwZ-RR 2011, 203), das später in einem für die Frage der Zuständigkeit im vorliegenden Jugendhilfefall maßgeblichen Punkt durch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.11.2013 - 5 C 34/12 - (NVwZ-RR 2014, 306) korrigiert wurde, zuzurechnen sind.
26 
Dementsprechend war es rechtlich nicht zu beanstanden und ist vom Beklagten auch nicht beanstandet worden, dass die Klägerin früher, als die bis dahin einvernehmlich angenommene Zuständigkeit des Beklagten für den vorliegenden Jugendhilfefall aufgrund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.12.2010 (a.a.O.) vermeintlich auf die Klägerin übergegangen war, ihrerseits von der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X profitiert hatte und dem Beklagten erst ab dem 06.07.2010 Kostenerstattung leisten musste, obwohl ein solcher Anspruch (nach damaliger Rechtsauffassung beider Beteiligter) materiell-rechtlich bereits ab dem 01.01.2010 gegeben war und es durchaus nicht so klar war wie im vorliegenden Fall, ob damals im Hinblick auf die seinerzeit durchgehend gewährten Leistungen der Jugendhilfe für L. Jungfleisch überhaupt die Voraussetzungen der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X vorgelegen hatten.
27 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 188 Satz 2, Halbsatz 2 VwGO.
28 
Gründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO, aus denen die Berufung vom Verwaltungsgericht zuzulassen wäre, sind nicht gegeben.

Gründe

 
17 
Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO durch Urteil ohne mündliche Verhandlung.
18 
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung der Kosten für Leistungen der Hilfe zur Erziehung, die sie in der Zeit vom 24.04.2012 bis zum 03.11.2012 und vom 20.11.2012 bis zum 26.01.2013 in Höhe von 25.530,50 EUR zugunsten von L. J. erbracht hat.
19 
1. Einem etwaigen Kostenerstattungsanspruch der Klägerin steht im vorliegenden Fall die Vorschrift des § 111 Satz 1 SGB X entgegen. Diese Vorschrift gilt über die Erstattungsansprüche nach den §§ 102 ff. SGB X hinaus für alle Erstattungsansprüche zwischen Sozialleistungsträgern, insbesondere auch für die (jugendhilferechtlichen) Erstattungsansprüche nach den §§ 89 ff. SGB VIII (vgl. Böttiger, in: Diering/Timme, Sozialgesetzbuch X, 4. Aufl. 2016, § 111 RdNr. 3, m.w.N.; Roller, in: von Wulffen, SGB X, 7. Auf. 2010, § 111 RdNr. 4, m.w.N.). Aus diesem Grund kann es hier dahingestellt bleiben, ob der Kostenerstattungsanspruch der Klägerin materiell seine Rechtsgrundlage in dem hier möglicherweise in Betracht kommenden § 89c SGB VIII oder in § 105 SGB X hat (zum Verhältnis dieser Vorschriften zueinander siehe Urteil der Kammer vom 13.02.2014 - 4 K 2516/12 -, juris, m.w.N.). Jedenfalls ist die Anwendung von § 111 SGB X nicht deshalb ausgeschlossen, weil der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ein Rückerstattungsanspruch im Sinne von § 112 SGB X wäre, für den § 111 SGB X anerkanntermaßen nicht gilt (Böttiger, a.a.O., § 111 RdNr. 3, m.w.N.). Denn § 112 SGB X setzt einen bereits tatsächlich durchgeführten Erstattungsvorgang voraus (Böttiger, a.a.O., § 112 RdNr. 2, m.w.N.), der zwischen den Beteiligten hier nicht stattgefunden hat.
20 
Nach § 111 Satz 1 SGB X ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der letzte Tag, an dem die Klägerin Leistungen für L. J. (besser: für seine Eltern) erbracht hat, war auch nach ihrem eigenen Vortrag der 26.01.2013. Damit endete gemäß § 26 Abs. 2 SGB X die Frist mit Ablauf des Januar 2014, ohne dass es hier auf ein genaues Datum ankäme, da jedenfalls die erstmalige Geltendmachung mit Schreiben der Klägerin vom 09.09.2014 deutlich mehr als ein Jahr später und damit verspätet erfolgt ist.
21 
Entgegen ihrer Auffassung kann die Klägerin sich nicht auf ihr erstmaliges Erstattungsbegehren im Schreiben an den Beklagten vom 14.01.2010 berufen. Zwar kann ein Erstattungsanspruch grundsätzlich auch schon für erst in der Zukunft entstehende Ansprüche geltend gemacht werden mit der Folge, dass insoweit die Frist des § 111 SGB X gewahrt wird. Doch müssen dieser Anspruch und die für seine Entstehung maßgeblichen Umstände konkret absehbar sein (Böttiger, a.a.O., § 111 RdNr. 5, m.w.N.; Roller, a.a.O., § 111 RdNrn. 13 und 15, m.w.N.), so dass der in Anspruch genommene Leistungsträger die Berechtigung der Forderung sowie den Zeitraum, für den die Erstattung begehrt wird, beurteilen kann (Becker, in: Hauck/Noftz, SGB X, Stand: Dez. 2013, § 111 RdNrn. 39 f., m.w.N.; Mutschler, in: jurisPK-SGB X, Stand: 11.05.2016, § 111 RdNr. 17, m.w.N.). Hiernach kann das Schreiben der Klägerin vom 14.01.2010 nicht als Geltendmachung einer Erstattung für die erst ab dem Jahr 2012 entstehenden Aufwendungen für Hilfen zur Erziehung zugunsten von L. J. in Betracht kommen. Das ergibt sich auch, worauf der Beklagte zu Recht hinweist, aus dem Kontext des Schreibens vom 14.01.2010, mit dem ersichtlich nur eine Kostenerstattung für Aufwendungen begehrt wurde, die bis zur Fallübernahme durch den Beklagten angefallen sind und noch anfallen. Nach der im Schreiben vom 21.07.2010 erklärten Übernahme des Jugendhilfefalls durch den Beklagten mit Wirkung vom 01.08.2010 und Anerkennung der Kostenerstattungspflicht für die Zeit ab 01.01.2010 hatte sich das Begehren im Schreiben der Klägerin vom 14.01.2010 erledigt, da beide Seite zunächst übereinstimmend der Meinung waren, dass fortan der Beklagte für die jugendhilferechtlichen Maßnahmen zugunsten von L. J. zuständig sei. Soweit der Beklagte später (aufgrund einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.12.2010) seine Meinung änderte und dies mit Schreiben vom 06.07.2011 gegenüber der Klägerin kundtat, bestand auch insoweit kein Dissens zwischen den Beteiligten; vielmehr stimmte die Klägerin der Auffassung des Beklagten mit E-Mail-Schreiben vom 23.01.2012 und (normalem) Schreiben vom 10.07.2012 zu und erkannte ihre Kostenerstattungspflicht, wenngleich erst ab dem 06.07.2010, an. Bei der Bestimmung des 06.07.2010 als Datum der rückwirkenden Anerkennung ihrer Kostenerstattungspflicht, die sich nach damaliger Rechtsauffassung beider Beteiligter auf den gesamten Zeitraum nach dem 01.01.2010 erstreckte, kam der Klägerin die Regelung in § 111 Satz 1 SGB X - ebenso wie im Hinblick auf den in diesem Verfahren streitigen Kostenerstattungsanspruch dem Beklagten - zugute.
22 
2. § 111 Satz 2 SGB X führt hier zu keinem anderen Ergebnis. Nach dieser Vorschrift beginnt der Lauf der Frist frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Dieser Bestimmung liegt die Fallkonstellation zugrunde, dass verschiedene miteinander konkurrierende Leistungsträger zu unterschiedlichen Zeitpunkten gegenüber dem Leistungsberechtigten über ihre Leistungspflicht entscheiden (vgl. Entwurf der Bundesregierung des 4. Euro-Einführungsgesetzes, BT-Drs. 14/4375, 60). Diese Fallkonstellation entspricht nicht derjenigen im vorliegenden Fall. Denn hier sind die Leistungen, für die Kostenerstattung begehrt wird, von der Klägerin, also dem erstattungsberechtigten Leistungsträger im Sinne von § 111 Satz 2 SGB X, gewährt worden. Der Beklagte als der erstattungspflichtige Leistungsträger im Sinne von § 111 Satz 2 SGB X hat hier, das heißt im Hinblick auf die in den Zeiten vom 24.04.2012 bis zum 03.11.2012 und vom 20.11.2012 bis zum 26.01.2013 gewährten Leistungen, gerade keine Entscheidung über seine Leistungspflicht getroffen. Das unterscheidet den vorliegenden Fall von dem Fall, der der Neuregelung in § 111 Satz 2 SGB X zugrunde lag und in dem der vorrangig leistungspflichtige (zuständige) Träger eine Leistung, die der nachrangig leistungspflichtige (unzuständige) Träger zuvor gewährt hatte, zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend bewilligt hat (vgl. hierzu BT-Drs. 14/4375, 60; Becker, a.a.O., § 111 RdNr. 48). Mit dem Begriff „Leistungspflicht“ in § 111 Satz 2 SGB X ist die Pflicht im Verhältnis zwischen dem erstattungspflichtigen Leistungsträger (hier dem Beklagten) und der leistungsberechtigten Person (hier den Eltern von L. J.) gemeint (BVerwG, Urteil vom 19.08.2010, NVwZ-RR 2011, 67; Becker, a.a.O., § 111 RdNr. 51; Böttiger, a.a.O.; § 111 RdNr. 25, m.w.N.; Mutschler, a.a.O., § 111 RdNrn. 32 ff., m.w.N.; Roller, a.a.O., § 111 RdNrn. 7 f.; siehe auch - zu einem vergleichbaren Fall, in dem der Kostenerstattungsanspruch materiell-rechtlich auf § 89c Abs.1 Satz 1 SGB VIII beruhte - Bayer. VGH, Urteil vom 21.05.2010 - 12 BV 09.1973 -, juris, m.w.N.). In diesem Sinne hat der Beklagte letztmals zu Beginn des Jahres 2012, vor der Fallübernahme durch die Klägerin am 23.01.2012, eine Entscheidung über seine Leistungspflicht getroffen, von der die Klägerin ebenfalls spätestens zu Beginn des Jahres 2012 Kenntnis erlangt hat.
23 
Eine Auslegung der Vorschrift dahin, dass als Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht auch die Ablehnung der Erstattungspflicht gegenüber dem Erstattungsberechtigten anzusehen ist, stünde nicht im Einklang mit dem Gesetzeswortlaut, demzufolge es einer Entscheidung über die „Leistungspflicht“ bedarf, während es hier um eine Kostenerstattungspflicht geht. Zudem führte eine solche Auslegung zu dem widersinnigen Ergebnis, dass die Ausschlussfrist für die Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs erst nach dessen Geltendmachung zu laufen begänne, weil die Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Pflicht zur Kostenerstattung notwendig voraussetzt, dass ein solcher Anspruch zuvor geltend gemacht wurde (so Bayer. VGH, Urteil vom 21.05.2010, a.a.O., m.w.N.; zur Unanwendbarkeit von § 111 Satz 2 SGB X auf vergleichbare Fälle wie hier siehe auch VG Augsburg, Urteil vom 12.06.2012 - Au 3 K 11.1665 -, juris).
24 
Hiernach verbleibt es bezüglich des Beginns des Fristlaufs allein bei der Regelung in § 111 Satz 1 SGB X (siehe oben zu 1.).
25 
3. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Ausschlussregelung in § 111 SGB X nicht lediglich im Wege der Einrede geltend zu machen, vielmehr führt der Ausschluss nach dieser Vorschrift zu einem materiellen, von Amts wegen zu beachtenden Verlust des Kostenerstattungsanspruchs. Auch eine Wiedereinsetzung in diese Frist kommt somit nach § 27 Abs. 5 SGB X nicht in Betracht. Dem steht dementsprechend auch entgegen, dem Erstattungsverpflichteten, hier dem Beklagten, den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenzuhalten, wenn er sich auf § 111 SGB X beruft (vgl. zum Ganzen u. a. Mutschler, a.a.O., § 111 RdNrn. 41 ff., m.w.N.). Für einen solchen Einwand ist ebenso wie für andere Berufungen auf den Grundsatz von Treu und Glauben gerade im vorliegenden Fall auch deshalb kein Raum, weil der Beklagte im maßgeblichen Zeitraum in gleichem Maße wie die Klägerin (gutgläubig) der Auffassung war, dass die Klägerin der für L. J. zuständige Jugendhilfeträger sei. Dass diese Auffassung (voraussichtlich) auf einem Rechtsirrtum beruhte, ist ohne Bedeutung, da es für die rechtlichen Wirkungen des § 111 SGB X weder auf ein Verschulden noch auf die Frage ankommt, wem die Folgen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.12.2010 - 5 C 17/09 - (NVwZ-RR 2011, 203), das später in einem für die Frage der Zuständigkeit im vorliegenden Jugendhilfefall maßgeblichen Punkt durch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.11.2013 - 5 C 34/12 - (NVwZ-RR 2014, 306) korrigiert wurde, zuzurechnen sind.
26 
Dementsprechend war es rechtlich nicht zu beanstanden und ist vom Beklagten auch nicht beanstandet worden, dass die Klägerin früher, als die bis dahin einvernehmlich angenommene Zuständigkeit des Beklagten für den vorliegenden Jugendhilfefall aufgrund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.12.2010 (a.a.O.) vermeintlich auf die Klägerin übergegangen war, ihrerseits von der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X profitiert hatte und dem Beklagten erst ab dem 06.07.2010 Kostenerstattung leisten musste, obwohl ein solcher Anspruch (nach damaliger Rechtsauffassung beider Beteiligter) materiell-rechtlich bereits ab dem 01.01.2010 gegeben war und es durchaus nicht so klar war wie im vorliegenden Fall, ob damals im Hinblick auf die seinerzeit durchgehend gewährten Leistungen der Jugendhilfe für L. Jungfleisch überhaupt die Voraussetzungen der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X vorgelegen hatten.
27 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 188 Satz 2, Halbsatz 2 VwGO.
28 
Gründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO, aus denen die Berufung vom Verwaltungsgericht zuzulassen wäre, sind nicht gegeben.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 86 Örtliche Zuständigkeit für Leistungen an Kinder, Jugendliche und ihre Eltern


(1) Für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. An die Stelle der Eltern tritt die Mutter, wenn und solange die Vaterschaft nicht anerkannt ode

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 105 Anspruch des unzuständigen Leistungsträgers


(1) Hat ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 vorliegen, ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleist

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 34 Heimerziehung, sonstige betreute Wohnform


Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) oder in einer sonstigen betreuten Wohnform soll Kinder und Jugendliche durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwi

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 26 Fristen und Termine


(1) Für die Berechnung von Fristen und für die Bestimmung von Terminen gelten die §§ 187 bis 193 des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend, soweit nicht durch die Absätze 2 bis 5 etwas anderes bestimmt ist. (2) Der Lauf einer Frist, die von einer B

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 111 Ausschlussfrist


Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpun

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 27 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen. (2) Der Antrag ist innerhalb von

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 89c Kostenerstattung bei fortdauernder oder vorläufiger Leistungsverpflichtung


(1) Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86c aufgewendet hat, sind von dem örtlichen Träger zu erstatten, der nach dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit zuständig geworden ist. Kosten, die ein örtlicher Träger im R

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 86c Fortdauernde Leistungsverpflichtung und Fallübergabe bei Zuständigkeitswechsel


(1) Wechselt die örtliche Zuständigkeit für eine Leistung, so bleibt der bisher zuständige örtliche Träger so lange zur Gewährung der Leistung verpflichtet, bis der nunmehr zuständige örtliche Träger die Leistung fortsetzt. Dieser hat dafür Sorge zu

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 112 Rückerstattung


Soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist, sind die gezahlten Beträge zurückzuerstatten.

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Tenor Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat und die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben.Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die von diesem in der Zeit vom 01.01.2006 bis zum 31.12.200

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(1) Für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. An die Stelle der Eltern tritt die Mutter, wenn und solange die Vaterschaft nicht anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist. Lebt nur ein Elternteil, so ist dessen gewöhnlicher Aufenthalt maßgebend.

(2) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Steht die Personensorge im Fall des Satzes 1 den Eltern gemeinsam zu, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 zuletzt bei beiden Elternteilen seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen tatsächlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung bei keinem Elternteil einen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte; hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung.

(3) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte und steht die Personensorge keinem Elternteil zu, so gilt Absatz 2 Satz 2 und 4 entsprechend.

(4) Haben die Eltern oder der nach den Absätzen 1 bis 3 maßgebliche Elternteil im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt, oder ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar, oder sind sie verstorben, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung. Hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält.

(5) Begründen die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so wird der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Solange in diesen Fällen die Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam oder keinem Elternteil zusteht, bleibt die bisherige Zuständigkeit bestehen. Absatz 4 gilt entsprechend.

(6) Lebt ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson und ist sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten, so ist oder wird abweichend von den Absätzen 1 bis 5 der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Er hat die Eltern und, falls den Eltern die Personensorge nicht oder nur teilweise zusteht, den Personensorgeberechtigten über den Wechsel der Zuständigkeit zu unterrichten. Endet der Aufenthalt bei der Pflegeperson, so endet die Zuständigkeit nach Satz 1.

(7) Für Leistungen an Kinder oder Jugendliche, die um Asyl nachsuchen oder einen Asylantrag gestellt haben, ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich die Person vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält; geht der Leistungsgewährung eine Inobhutnahme voraus, so bleibt die nach § 87 begründete Zuständigkeit bestehen. Unterliegt die Person einem Verteilungsverfahren, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde; bis zur Zuweisungsentscheidung gilt Satz 1 entsprechend. Die nach Satz 1 oder 2 begründete örtliche Zuständigkeit bleibt auch nach Abschluss des Asylverfahrens so lange bestehen, bis die für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgebliche Person einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich eines anderen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe begründet. Eine Unterbrechung der Leistung von bis zu drei Monaten bleibt außer Betracht.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) oder in einer sonstigen betreuten Wohnform soll Kinder und Jugendliche durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwicklung fördern. Sie soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie

1.
eine Rückkehr in die Familie zu erreichen versuchen oder
2.
die Erziehung in einer anderen Familie vorbereiten oder
3.
eine auf längere Zeit angelegte Lebensform bieten und auf ein selbständiges Leben vorbereiten.
Jugendliche sollen in Fragen der Ausbildung und Beschäftigung sowie der allgemeinen Lebensführung beraten und unterstützt werden.

(1) Für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. An die Stelle der Eltern tritt die Mutter, wenn und solange die Vaterschaft nicht anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist. Lebt nur ein Elternteil, so ist dessen gewöhnlicher Aufenthalt maßgebend.

(2) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Steht die Personensorge im Fall des Satzes 1 den Eltern gemeinsam zu, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 zuletzt bei beiden Elternteilen seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen tatsächlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung bei keinem Elternteil einen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte; hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung.

(3) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte und steht die Personensorge keinem Elternteil zu, so gilt Absatz 2 Satz 2 und 4 entsprechend.

(4) Haben die Eltern oder der nach den Absätzen 1 bis 3 maßgebliche Elternteil im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt, oder ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar, oder sind sie verstorben, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung. Hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält.

(5) Begründen die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so wird der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Solange in diesen Fällen die Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam oder keinem Elternteil zusteht, bleibt die bisherige Zuständigkeit bestehen. Absatz 4 gilt entsprechend.

(6) Lebt ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson und ist sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten, so ist oder wird abweichend von den Absätzen 1 bis 5 der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Er hat die Eltern und, falls den Eltern die Personensorge nicht oder nur teilweise zusteht, den Personensorgeberechtigten über den Wechsel der Zuständigkeit zu unterrichten. Endet der Aufenthalt bei der Pflegeperson, so endet die Zuständigkeit nach Satz 1.

(7) Für Leistungen an Kinder oder Jugendliche, die um Asyl nachsuchen oder einen Asylantrag gestellt haben, ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich die Person vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält; geht der Leistungsgewährung eine Inobhutnahme voraus, so bleibt die nach § 87 begründete Zuständigkeit bestehen. Unterliegt die Person einem Verteilungsverfahren, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde; bis zur Zuweisungsentscheidung gilt Satz 1 entsprechend. Die nach Satz 1 oder 2 begründete örtliche Zuständigkeit bleibt auch nach Abschluss des Asylverfahrens so lange bestehen, bis die für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgebliche Person einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich eines anderen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe begründet. Eine Unterbrechung der Leistung von bis zu drei Monaten bleibt außer Betracht.

(1) Hat ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 vorliegen, ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. § 104 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten gegenüber den Trägern der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe nur von dem Zeitpunkt ab, von dem ihnen bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

(1) Wechselt die örtliche Zuständigkeit für eine Leistung, so bleibt der bisher zuständige örtliche Träger so lange zur Gewährung der Leistung verpflichtet, bis der nunmehr zuständige örtliche Träger die Leistung fortsetzt. Dieser hat dafür Sorge zu tragen, dass der Hilfeprozess und die im Rahmen der Hilfeplanung vereinbarten Hilfeziele durch den Zuständigkeitswechsel nicht gefährdet werden.

(2) Der örtliche Träger, der von den Umständen Kenntnis erhält, die den Wechsel der Zuständigkeit begründen, hat den anderen davon unverzüglich zu unterrichten. Der bisher zuständige örtliche Träger hat dem nunmehr zuständigen örtlichen Träger unverzüglich die für die Hilfegewährung sowie den Zuständigkeitswechsel maßgeblichen Sozialdaten zu übermitteln. Bei der Fortsetzung von Leistungen, die der Hilfeplanung nach § 36 Absatz 2 unterliegen, ist die Fallverantwortung im Rahmen eines Gespräches zu übergeben. Die Personensorgeberechtigten und das Kind oder der Jugendliche sowie der junge Volljährige oder der Leistungsberechtigte nach § 19 sind an der Übergabe angemessen zu beteiligen.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86c aufgewendet hat, sind von dem örtlichen Träger zu erstatten, der nach dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit zuständig geworden ist. Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86d aufgewendet hat, sind von dem örtlichen Träger zu erstatten, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach §§ 86, 86a und 86b begründet wird.

(2) Hat der örtliche Träger die Kosten deshalb aufgewendet, weil der zuständige örtliche Träger pflichtwidrig gehandelt hat, so hat dieser zusätzlich einen Betrag in Höhe eines Drittels der Kosten, mindestens jedoch 50 Euro, zu erstatten.

(3) Ist ein kostenerstattungspflichtiger örtlicher Träger nicht vorhanden, so sind die Kosten vom überörtlichen Träger zu erstatten, zu dessen Bereich der örtliche Träger gehört, der nach Absatz 1 tätig geworden ist.

(1) Hat ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 vorliegen, ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. § 104 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten gegenüber den Trägern der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe nur von dem Zeitpunkt ab, von dem ihnen bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

Soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist, sind die gezahlten Beträge zurückzuerstatten.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

Soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist, sind die gezahlten Beträge zurückzuerstatten.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

(1) Für die Berechnung von Fristen und für die Bestimmung von Terminen gelten die §§ 187 bis 193 des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend, soweit nicht durch die Absätze 2 bis 5 etwas anderes bestimmt ist.

(2) Der Lauf einer Frist, die von einer Behörde gesetzt wird, beginnt mit dem Tag, der auf die Bekanntgabe der Frist folgt, außer wenn dem Betroffenen etwas anderes mitgeteilt wird.

(3) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, endet die Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktages. Dies gilt nicht, wenn dem Betroffenen unter Hinweis auf diese Vorschrift ein bestimmter Tag als Ende der Frist mitgeteilt worden ist.

(4) Hat eine Behörde Leistungen nur für einen bestimmten Zeitraum zu erbringen, endet dieser Zeitraum auch dann mit dem Ablauf seines letzten Tages, wenn dieser auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt.

(5) Der von einer Behörde gesetzte Termin ist auch dann einzuhalten, wenn er auf einen Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder Sonnabend fällt.

(6) Ist eine Frist nach Stunden bestimmt, werden Sonntage, gesetzliche Feiertage oder Sonnabende mitgerechnet.

(7) Fristen, die von einer Behörde gesetzt sind, können verlängert werden. Sind solche Fristen bereits abgelaufen, können sie rückwirkend verlängert werden, insbesondere wenn es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretenen Rechtsfolgen bestehen zu lassen. Die Behörde kann die Verlängerung der Frist nach § 32 mit einer Nebenbestimmung verbinden.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

(2) Der Antrag ist innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrages sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet die Behörde, die über die versäumte Handlung zu befinden hat.

(5) Die Wiedereinsetzung ist unzulässig, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass sie ausgeschlossen ist.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung von Kosten in Höhe von 25 387,40 €, die er vom 1. Dezember 2003 bis zum 30. September 2007 für die Vollzeitpflege einer Hilfeempfängerin in einer in seinem Kreisgebiet lebenden Pflegefamilie aufgewandt hat.

2

Die am 23. Juni 1989 geborene Hilfeempfängerin wohnte bis zum 14. Oktober 1999 bei ihrer nicht sorgeberechtigten Mutter in Frankfurt am Main. Der allein personensorgeberechtigte Vater lebte zu diesem Zeitpunkt im Gebiet der Beklagten. Am 15. Oktober 1999 zog die Hilfeempfängerin aufgrund einer Vereinbarung zwischen ihrem Vater und dessen Halbschwester zu ihrer Tante und ihrem Onkel in die im Gebiet des Klägers gelegene Stadt N.

3

Auf Antrag des Vaters der Hilfeempfängerin gewährte die Beklagte ab dem 5. November 1999 Hilfe zur Erziehung in Form eines monatlichen Tagespflegegeldes und ab dem 19. Juni 2000 Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege.

4

Mit Beschluss vom 5. April 2002 entzog das Amtsgericht R. dem Vater die elterliche Sorge für die Hilfeempfängerin und übertrug sie auf deren Tante und Onkel. Ab dem 1. Dezember 2003 übernahm der Kläger den Jugendhilfefall in seine Zuständigkeit. Am 1. Oktober 2003 war der Vater der Hilfeempfängerin nach der im Gebiet B. gelegenen Stadt M. verzogen und ab 1. Januar 2006 wohnte er in der im Gebiet M. gelegenen Stadt B.

5

Eine gegen die Stadt Frankfurt am Main gerichtete Klage des Klägers auf Erstattung der von ihm seit der Übernahme des Hilfefalls in die eigene Zuständigkeit aufgewandten Kosten wurde vom Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 4. Februar 2008 - 7 E 741/07 - rechtskräftig abgewiesen. Die Stadt Frankfurt am Main sei nicht die zuvor zuständige Trägerin der örtlichen Jugendhilfe im Sinne des § 89a Abs. 1 SGB VIII. Bei Beginn der Leistung - unabhängig davon, ob dieser auf den 5. November 1999 oder den 19. Juni 2000 zu datieren sei - sei die Beklagte gemäß § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII örtlich zuständig gewesen. Diese Zuständigkeit sei auch in der Folgezeit bestehen geblieben. Eine nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII begründete Zuständigkeit müsse sich nur dann verändern, wenn der gewöhnliche Aufenthalt des personensorgeberechtigten Elternteils wechsle oder die Personensorge auf den anderen Elternteil übergehe. Werde hingegen - wie hier - die Personensorge dem allein sorgeberechtigten Elternteil entzogen, berühre dies die Zuständigkeit nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII nicht. Auch die anschließenden Veränderungen des gewöhnlichen Aufenthalts des Vaters der Hilfeempfängerin habe die Zuständigkeit der Beklagten nicht entfallen lassen. Eine räumliche Nähe zu dessen Aufenthaltsort sei entbehrlich, da infolge fehlenden Personensorgerechts kein Bedarf an einer engen Zusammenarbeit des Jugendamtes mit dem Vater bestehe.

6

Unter Hinweis auf dieses Urteil begehrte der Kläger von der Beklagten die Erstattung der von ihm für die Vollzeitpflege der Hilfeempfängerin aufgewandten Kosten. Die Beklagte lehnte eine Erstattung ab. Ihrer Ansicht nach sei die örtliche Zuständigkeit des Klägers nach § 86 Abs. 3 i.V.m. § 86 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII begründet. Es sei nicht erforderlich, dass die Personensorge bereits vor Beginn der Leistung, d.h. der Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege, keinem Elternteil zugestanden habe. Denn § 86 Abs. 3 SGB VIII sehe lediglich eine entsprechende Anwendung des § 86 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII vor.

7

Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und sich der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main angeschlossen, dass § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in der vorliegenden Konstellation als statische Vorschrift aufzufassen sei. Zusätzlich hat es sich auf § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII gestützt, der ebenfalls für einen Verbleib der Zuständigkeit beim Beklagten spreche.

8

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Die Beklagte sei nicht die zuvor zuständige Trägerin der örtlichen Jugendhilfe im Sinne des § 89a Abs. 1 SGB VIII. Die ursprünglich nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII begründete Zuständigkeit der Beklagten sei mit dem Entzug des Sorgerechts und seiner Übertragung auf die Tante und den Onkel der Hilfeempfängerin nachträglich entfallen. Denn für die örtliche Zuständigkeit gelte nunmehr § 86 Abs. 3 i.V.m. § 86 Abs. 2 Satz 2 und 4 SGB VIII entsprechend. Danach werde jedenfalls eine Zuständigkeit der Beklagten nicht begründet. Werde für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit auf den Beginn der Vollzeitpflege abgestellt, sei die Klägerin originär zuständig gewesen, weil die Hilfeempfängerin während der letzten sechs Monate vor der Vollzeitpflege ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht bei einem Elternteil, sondern bei ihrer Tante und ihrem Onkel gehabt habe, die im Gebiet des Klägers wohnten. Werde der Beginn der Tagespflege 1999 zugrunde gelegt, sei eine Zuständigkeit der Stadt Frankfurt am Main gegeben, da sich die Hilfeempfängerin vor der Bewilligung der Tagespflege zuletzt bei ihrer Mutter aufgehalten habe. Der von § 89a SGB VIII bezweckte Schutz der Pflegestellenorte werde damit nicht unterlaufen. Dass der Kläger die Stadt Frankfurt am Main aufgrund des rechtskräftigen Urteils des dortigen Verwaltungsgerichts tatsächlich nicht mehr in Anspruch nehmen könne, ändere daran nichts.

9

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren auf Kostenerstattung weiter. Er rügt eine Verletzung der §§ 86 und 89a SGB VIII.

10

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Klägers ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), weil es zu Unrecht die Erstattungspflicht der Beklagten nach § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII als der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage verneint hat, und ist daher unter Zurückweisung der Berufung aufzuheben (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).

12

1. Nach § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger aufgrund einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der zuvor zuständig war oder gewesen wäre. Grund für diese Erstattungsregelung ist, dass der Gesetzgeber mit § 86 Abs. 6 SGB VIII aus Gründen der Praktikabilität die örtliche Zuständigkeit an den gewöhnlichen Aufenthalt der Pflegeperson binden wollte, dass aber, wie § 89a SGB VIII zeigt, letztlich ein anderer als der nach § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständige Träger verpflichtet sein sollte, die Kosten zu tragen (Urteil vom 30. September 2009 - BVerwG 5 C 18.08 - BVerwGE 135, 58 = Buchholz 436.511 § 86 KJHG/SGB VIII Nr. 9 jeweils Rn. 31 m.w.N.). Dementsprechend ist der Anwendungsbereich des § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ab dem Zeitpunkt eröffnet, zu dem die örtliche Zuständigkeit eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe nach § 86 Abs. 6 SGB VIII begründet wird (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 17. Dezember 2004 - 12 A 11228/04 - FEVS 56, 420; Wiesner, SGB VIII, 3. Aufl. 2006, § 89a Rn. 3; Kunkel, in: LPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2006, § 89a Rn. 2; s.a. BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - BVerwG 5 C 14.09 - juris Rn. 13 m.w.N.). Die Kostenerstattungspflicht bleibt gemäß § 89a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII auch bestehen, wenn die Leistung über die Volljährigkeit hinaus nach § 41 SGB VIII fortgesetzt wird.

13

Wie mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert, gehen diese zu Recht übereinstimmend davon aus, dass die örtliche Zuständigkeit des Klägers am 15. Oktober 2001 nach § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII begründet wurde und der Kläger dementsprechend die Kosten für die Vollzeitpflege der Hilfeempfängerin in dem streitbefangenen Zeitraum vom 1. Dezember 2003 bis zum 30. September 2007 im Sinne des § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII "aufgrund einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 aufgewendet hat". Des Weiteren steht zwischen den Beteiligten zu Recht nicht im Streit, dass die Beklagte im Sinne des § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII "zuvor" nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zuständig war, weil der bei Leistungsbeginn (siehe dazu 2.1) allein personensorgeberechtigte Vater der Hilfeempfängerin bis zum Zuständigkeitswechsel nach § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII seinen gewöhnlichen Aufenthalt in deren Gebiet hatte. Ebenso ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig, dass sich der Eintritt der Volljährigkeit der Hilfeempfängerin am 23. Juni 2007 auf die Kostenerstattungspflicht nicht auswirkt. Auch die Höhe des geltend gemachten Erstattungsanspruchs ist nicht umstritten. Zu entscheiden ist allein, ob die Kostenerstattungspflicht der Beklagten nach § 89a Abs. 3 SGB VIII durch den Entzug des Sorgerechts des Vaters der Hilfeempfängerin oder dessen nachfolgende Aufenthaltsänderungen entfallen ist. Dies ist nicht der Fall.

14

2. Nach § 89a Abs. 3 SGB VIII wird, wenn sich während der Gewährung der Leistung nach Absatz 1 der für die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt ändert, der örtliche Träger kostenerstattungspflichtig, der ohne Anwendung des § 86 Abs. 6 SGB VIII örtlich zuständig geworden wäre. Die Leistung, auf deren Gewährung nach § 89a Abs. 3 i.V.m. § 89a Abs. 1 SGB VIII abzustellen ist, ist die ab dem 5. November 1999 bis zum 30. September 2007 als einheitliche Leistung erbrachte Jugendhilfe zunächst in Form des Tagespflegegeldes, dann in Form der Vollzeitpflege und zuletzt in Form der Hilfe für junge Volljährige (2.1). Es kann hier offenbleiben, ob § 89a Abs. 3 SGB VIII den Wechsel der Kostenerstattungspflicht auf die Fälle beschränkt, in denen sich während der Gewährung dieser Leistung der nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt ändert oder ob § 89a Abs. 3 SGB VIII auch Anwendung findet, wenn sich andere für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche Umstände ändern. Denn in beiden Fällen ist die Kostenerstattungspflicht der Beklagten nicht entfallen (2.2).

15

2.1 Die Leistung im Sinne des § 89a Abs. 3 i.V.m. § 89a Abs. 1 SGB VIII bestimmt sich nach dem zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriff des Kinder- und Jugendhilferechts. Danach sind alle zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlichen Maßnahmen und Hilfen eine einheitliche Leistung, zumal wenn sie im Einzelfall nahtlos aneinander anschließen, also ohne beachtliche (vgl. § 86a Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB VIII) zeitliche Unterbrechung gewährt werden. Dies gilt auch dann, wenn bei dem vielfach auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfeprozess sich die Schwerpunkte innerhalb des Hilfebedarfes verschieben und für die Ausgestaltung der Hilfe Modifikationen, Änderungen oder Ergänzungen bis hin zu einem Wechsel der Hilfeart erforderlich werden, die Hilfegewährung im Verlauf des ununterbrochenen Hilfeprozesses also einer anderen Nummer des § 2 Abs. 2 SGB VIII zuzuordnen oder innerhalb des Sozialgesetzbuches Achtes Buch nach einer anderen Rechtsgrundlage zu gewähren ist (stRspr, grundlegend Urteil vom 29. Januar 2004 - BVerwG 5 C 9.03 - BVerwGE 120, 116 <119> = Buchholz 436.511 § 86 KJHG/SGB VIII Nr. 2; vgl. zuletzt Urteil vom 25. März 2010 - BVerwG 5 C 12.09 - juris Rn. 22).

16

In Anwendung dieses Begriffes sind das ab dem 5. November 1999 gewährte Tagespflegegeld (§ 23 SGB VIII), die im Anschluss daran ohne zeitliche Unterbrechung ab dem 19. Juni 2000 gewährte Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege (§§ 27, 33 SGB VIII), die über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus bis zum 30. September 2007 der Sache nach als Hilfe für junge Volljährige (§ 41 SGB VIII) fortgesetzt wird, als einheitliche Leistung zu werten. Denn sie beruhen - wie die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt haben - auf einem qualitativ unveränderten jugendhilferechtlichen Bedarf.

17

2.2 Der Entzug des Sorgerechts des bis dahin allein personensorgeberechtigten Vaters und die Begründung neuer gewöhnlicher Aufenthalte durch ihn außerhalb des Gebietes der Beklagten in der Folgezeit führen nicht dazu, dass die Kostenerstattungspflicht gemäß § 89a Abs. 3 SGB VIII auf einen anderen örtlichen Träger übergangen ist.

18

a) Ist § 89a Abs. 3 SGB VIII seinem Wortlaut entsprechend dahingehend auszulegen, dass ausschließlich eine Änderung des nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgeblichen gewöhnlichen Aufenthalts zu einem Wechsel der Kostenerstattungspflicht führt (vgl. z.B. Verwaltungsgericht Würzburg, Urteil vom 24. März 2005 - W 6 K 05.173 - juris Rn. 13 f.; etwa auch W. Schellhorn, in: Schellhorn/Fischer/Mann, SGB VIII, 3. Aufl. 2007, § 89a Rn. 9; Wiesner, a.a.O. § 89a Rn. 10 und Kunkel, a.a.O. § 89a Rn. 7), wäre die Erstattungspflicht der Beklagten mit dem Entzug des Sorgerechts des Vaters durch den Beschluss des Amtsgerichts R. vom 5. April 2002 mangels Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 89a Abs. 3 SGB VIII nicht entfallen. Denn der Vater der Hilfeempfängerin hat zu diesem Zeitpunkt nicht seinen gewöhnlichen Aufenthalt geändert. Er hat diesen vielmehr zunächst im Gebiet der Beklagten aufrechterhalten.

19

Die Kostenerstattungspflicht der Beklagten würde bei dieser engen Auslegung auch nicht dadurch enden, dass der Vater der Hilfeempfängerin am 1. Oktober 2003 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in die im Gebiet B. gelegene Stadt M. verlegt und am 1. Januar 2006 in der im Gebiet M. gelegenen Stadt B. einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hat. Durch den vorherigen Entzug des Sorgerechts ist der gewöhnliche Aufenthalt des Vaters der Hilfeempfängerin in der Folgezeit für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit nicht (mehr) maßgeblich gewesen. Etwas anderes würde nur gelten, wenn der Vater der Hilfeempfängerin (erneut) einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII mit der Mutter der Hilfeempfängerin begründet hätte, was hier nicht der Fall ist.

20

b) Im Ergebnis gilt nichts Anderes, wenn § 89a Abs. 3 SGB VIII dahingehend auszulegen ist, dass die Verweisung auf § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII - der generellen Zielsetzung der Kostenerstattungsregelungen folgend, eine gleichmäßige Kostenverteilung zwischen den einzelnen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe zu gewährleisten - als allgemeine und umfassende Verweisung in diese Zuständigkeitsregelungen zu verstehen und demzufolge jede Änderung der für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgeblichen Umstände im Rahmen des § 89a Abs. 3 SGB VIII zu berücksichtigen ist. Bei einem derartigen Normverständnis würde der Entzug des Sorgerechts des Vaters am 5. April 2002 keinen Wechsel des erstattungspflichtigen Trägers nach § 89a Abs. 3 SGB VIII herbeiführen, da die Änderung des Personensorgerechts - wie im Folgenden zu zeigen ist - gemäß § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII gerade bewirkt, dass die bisherige Zuständigkeit der Beklagten nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestehen geblieben ist.

21

Der Fall, dass die Elternteile - wie hier - vor und nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte besitzen und dem allein personensorgeberechtigten Elternteil nach Beginn der Leistung das Sorgerecht entzogen wird, sodass keinem Elternteil (mehr) die Personensorge zusteht, fällt nach der Rechtsprechung des Senats in den Anwendungsbereich des § 86 Abs. 5 SGB VIII. Die Zuständigkeitsregelung des § 86 Abs. 3 SGB VIII ist insoweit nicht anwendbar. Der Senat hat in seinem dem Oberverwaltungsgericht im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung noch nicht bekannten Urteil vom 30. September 2009 entschieden, dass § 86 Abs. 5 SGB VIII alle Fallgestaltungen erfasst, in denen die Eltern nach Leistungsbeginn verschiedene gewöhnliche Aufenthalte besitzen. Satz 1 ist dabei anwendbar, wenn die elterliche Sorge einem Elternteil zusteht, Satz 2 regelt die Fälle gemeinsamer oder - wie hier - fehlender Personensorge. Die zeitliche Abfolge der zuständigkeitsrelevanten Kriterien ("Begründung verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte" oder "gemeinsame oder fehlende Personensorge beider Elternteile") hat auf die Bestimmung der Zuständigkeit nach § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII keinen Einfluss. Mit der "bisherigen Zuständigkeit" im Sinne des § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII ist die Zuständigkeit gemeint, die vor dem Zeitpunkt, zu dem eine Prüfung und gegebenenfalls Neubestimmung der örtlichen Zuständigkeit veranlasst ist, zuletzt bestanden hat (Urteil vom 30. September 2009 a.a.O. jeweils Rn. 22 ff.). Daran hält der Senat fest.

22

Der Anwendungsbereich des § 86 Abs. 5 SGB VIII ist nicht auf die in jener Entscheidung ausdrücklich erwähnten Fallgestaltungen beschränkt, in denen die Eltern erstmals nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte begründen und gegebenenfalls im Anschluss daran ihren Aufenthalt unter Aufrechterhaltung verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte erneut verändern (Urteil vom 30. September 2009 a.a.O. jeweils Rn. 22). Vielmehr greift die Vorschrift entsprechend ihrem Charakter als umfassende Regelung für verschiedene gewöhnliche Aufenthalte der Eltern nach Leistungsbeginn auch ein, wenn die Eltern - wie hier - bereits vor bzw. bei Leistungsbeginn verschiedene gewöhnliche Aufenthalte haben und solche während des Leistungsbezugs beibehalten. § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII greift nur so lange, als sich weder an dem gewöhnlichen Aufenthalt des allein personensorgeberechtigten Elternteils noch an der Zuordnung/Übertragung der Personensorge etwas ändert. Die Anwendbarkeit des § 86 Abs. 5 SGB VIII endet erst mit der Einstellung der Leistung bzw. der Gewährung einer (zuständigkeitsrechtlich) neuen Leistung oder der (erneuten) Begründung eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne von § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII (s. insoweit auch Urteil vom 30. September 2009 a.a.O. jeweils Rn. 24). Daraus ergibt sich zugleich, dass § 86 Abs. 3 SGB VIII nur die Fälle erfasst, in denen die Eltern vor bzw. bei Leistungsbeginn verschiedene gewöhnliche Aufenthalte haben und schon in diesem Zeitpunkt keinem Elternteil die Personensorge zusteht.

23

Aufgrund der zuständigkeitsbestimmenden Wirkung des Personensorgerechts im Falle verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte der Eltern während eines Leistungsbezugs im Sinne des § 86 Abs. 5 SGB VIII ist eine Überprüfung der örtlichen Zuständigkeit und gegebenenfalls ein Wechsel der diesbezüglichen Rechtsgrundlage auch bei einer alleinigen Änderung des Personensorgerechts ohne zeitgleiche Änderung des (zuständigkeitsrelevanten) Aufenthalts veranlasst (offengelassen im Urteil vom 30. September 2009 a.a.O. jeweils Rn. 28).

24

Nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen liegt hier ein Fall des § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII vor, weil nach dem Entzug des Sorgerechts des Vaters kein Elternteil mehr personensorgeberechtigt war. Dies hat zur Folge, dass die bisherige Zuständigkeit der Beklagten nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestehen geblieben ist.

25

Auch die Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts des Vaters der Hilfeempfängerin am 1. Oktober 2003 in der Stadt M. bzw. am 1. Januar 2006 in der Stadt B. würde die Erstattungspflicht der Beklagten nicht nach § 89a Abs. 3 SGB VIII entfallen lassen. Als Folge der Festschreibung der bisherigen Zuständigkeit der Beklagten nach § 86 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zum 5. April 2002 wären die zeitlich nachfolgenden Aufenthaltsänderungen des Vaters der Hilfeempfängerin zuständigkeits- und damit auch kostenerstattungsrechtlich unbeachtlich.

Tatbestand

1

Die beteiligten Landkreise streiten in ihrer Eigenschaft als örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe um die Erstattung von Kosten, die der Kläger ab dem 1. September 2011 für die Gewährung von Jugendhilfeleistungen in dem Fall "T. K." aufgewendet hat.

2

Die Ehe der Eltern des im Januar 1996 geborenen T. wurde im November 2009 rechtskräftig geschieden. Die elterliche Sorge für ihren Sohn steht beiden Eltern gemeinsam zu. T.s Vater wohnte bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht im Kreis E. T. und seine Mutter verzogen zum 1. Oktober 2009 aus dem Kreis E. in den Zuständigkeitsbereich des Klägers. Zum 1. September 2011 zogen beide in das Kreisgebiet des Beklagten um, innerhalb dessen sie zum 1. November 2011 erneut den Wohnort wechselten.

3

Nachdem T. bereits im Jahr 2007 durch einen sehr unregelmäßigen Schulbesuch aufgefallen und es in diesem Jahr wie auch in den Folgejahren immer wieder zu erheblichen Fehlzeiten gekommen war, bewilligte der Kläger der Kindesmutter ab dem 20. Juni 2011 sozialpädagogische Familienhilfe. Ab dem 1. Januar 2012 gewährte er ihr zudem Leistungen in Form des Erziehungsbeistands. Die Hilfeleistung wurde zum 31. März 2013 bzw. 30. Juni 2013 eingestellt, nachdem ein weiterer Hilfebedarf nicht mehr bestand.

4

Ohne Erfolg ersuchte der Kläger den Beklagten aus Anlass der Ummeldung T.s und seiner Mutter zum 1. September 2011, den Fall in die eigene Zuständigkeit zu übernehmen und ein Kostenanerkenntnis ab Zuzug zu erteilen.

5

Auf seine Klage hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verurteilt, dem Kläger die in dem Zeitraum vom 1. September 2011 bis zum 31. Mai 2012 aufgewendeten Jugendhilfeleistungen in Höhe von 4 912,89 € zu erstatten, wobei der Betrag mit fünf Prozent über dem Basiszinssatz ab Klageerhebung aus einem Betrag von 2 392,84 € und ab dem 12. Juli 2009 aus einem Betrag von 4 912,89 € zu verzinsen sei. Zugleich hat es festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet sei, den Fall in die eigene Zuständigkeit zu übernehmen. Wegen weitergehend beantragter Prozesszinsen hat es die Klage abgewiesen.

6

Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 89c Abs. 1 Satz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VIII - nicht zu. Es fehle bereits an dem hiernach erforderlichen Wechsel der örtlichen Zuständigkeit. Der Kläger sei gemäß § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII selbst zuständig geblieben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfasse diese Vorschrift sämtliche Fallgestaltungen, in denen Eltern nach Leistungsbeginn verschiedene gewöhnliche Aufenthalte besäßen. Im Übrigen stehe einem Erstattungsanspruch des Klägers auch § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII entgegen. Die Erfüllung der Aufgaben in dem betreffenden Jugendhilfefall habe nicht den Vorschriften des Achten Buches Sozialgesetzbuch entsprochen. Die Gewährung sozialpädagogischer Familienhilfe habe zumindest das Einverständnis von T.s Vater erfordert. Dieser habe jedoch weder die Bewilligung der Hilfe zur Erziehung beantragt noch deren Gewährung zugestimmt.

7

Im November 2012 hat T.s Vater rückwirkend seine Zustimmung zu den bislang gewährten Jugendhilfeleistungen erklärt und die Fortführung der bewilligten Maßnahmen beantragt.

8

Mit Schriftsätzen vom 28. Oktober 2013 und 4. November 2013 haben die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich des Feststellungsbegehrens übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

9

Im Übrigen verfolgt der Kläger sein Erstattungsbegehren im Revisionsverfahren weiter. Er ist der Auffassung, das Berufungsurteil verletze § 89c Abs. 1 i.V.m. § 86c i.V.m. § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII. In Fällen, in denen der sorgeberechtigte Elternteil in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe verziehe, sei die durch § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII bewirkte Festschreibung der örtlichen Zuständigkeit für eine effektive Aufgabenwahrnehmung der Jugendämter kontraproduktiv, da sie dem Gebot zuwiderlaufe, die räumliche Nähe zwischen dem maßgeblichen sorgeberechtigten Elternteil und dem Kind einerseits und dem Jugendamt andererseits zu wahren. Während die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf Fallgestaltungen gründe, in denen beide Elternteile nicht mehr sorgeberechtigt gewesen seien, werde ihre Erstreckung auf den Fall, dass beide Elternteile weiterhin die Personensorge ausüben würden, dem Zweck der Sicherstellung einer effektiven Aufgabenwahrnehmung durch die Jugendämter nicht gerecht. In einer solchen Konstellation könne das zuständige Jugendamt seiner Verantwortung auf Grund der räumlichen Entfernung zu dem sorgeberechtigten Elternteil und dem Kind im Wege der hierdurch erforderlich werdenden Inanspruchnahme von Amtshilfe nicht mehr in der gebotenen Weise gerecht werden. Eine entsprechende Festschreibung der örtlichen Zuständigkeit stünde zudem in Widerspruch zu § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, der von einer grundsätzlich dynamischen Zuständigkeit ausgehe. § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII widerstreite einer Erstattung nicht. Ungeachtet der zwischenzeitlich abgegebenen Zustimmungserklärung des Kindesvaters sei die Beantragung ambulanter Hilfen nach § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB eine Angelegenheit des täglichen Lebens. Eine Fremdunterbringung habe nicht in Rede gestanden. Durch die Gewährung sozialpädagogischer Familienhilfe in geringem Umfang und die Bewilligung der Erziehungsbeistandschaft seien erhebliche Entscheidungen nicht getroffen worden. Deren Auswirkungen seien zudem ohne Weiteres abänderbar.

10

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

11

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich des Feststellungsbegehrens übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren gemäß § 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 VwGO in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Im Umfang der Teilerledigung sind das erstinstanzliche und das Berufungsurteil wirkungslos geworden (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).

12

Im Übrigen hat die Revision des Klägers Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die Erstattungsklage zu Unrecht abgewiesen. Dem Kläger steht ein Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung der Kosten, die ihm in dem Jugendhilfefall im Zeitraum vom 1. September 2011 bis zum 31. Mai 2012 entstanden sind, aus § 89c Abs. 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (Art. 1 des Gesetzes vom 26. Juni 1990, BGBl I S. 1163) - SGB VIII - i.d.F. der Bekanntmachung vom 11. September 2012 (BGBl I S. 2022) zu. Danach sind Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86c SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der nach dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit zuständig geworden ist.

13

Der Kläger hat als örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe im maßgeblichen Zeitraum vom 1. September 2011 bis zum 31. Mai 2012 der Kindesmutter Hilfe zur Erziehung in Form der sozialpädagogischen Familienhilfe gemäß § 31 SGB VIII gewährt und Leistungen in Form der Erziehungsbeistandschaft gemäß § 30 SGB VIII erbracht und dafür die Kosten getragen, deren Höhe zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht. Er hat die Kosten im Rahmen einer Verpflichtung nach § 86c SGB VIII i.d.F. der Bekanntmachungen vom 14. Dezember 2006 (BGBl I S. 3134) bzw. vom 11. September 2012 (BGBl I S. 2022) aufgewendet. § 86c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII verpflichtet den bisher zuständigen örtlichen Jugendhilfeträger, die Leistung so lange zu gewähren, bis der infolge des Wechsels der örtlichen Zuständigkeit nunmehr zuständige örtliche Jugendhilfeträger die Leistung fortsetzt. Der bei Beginn der Leistung am 20. Juni 2011 (vgl. Urteil vom 19. Oktober 2011 - BVerwG 5 C 25.10 - BVerwGE 141, 77 = Buchholz 436.511 § 86 SGB VIII/KJHG Nr. 15 jeweils Rn. 18 m.w.N.) nach § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII örtlich zuständige Kläger war im maßgeblichen Zeitraum nicht mehr örtlich zuständig.

14

Das Oberverwaltungsgericht hat unter Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) angenommen, dass sich die örtliche Zuständigkeit des Klägers mit dem Umzug der Kindesmutter in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten am 1. September 2011 auf § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII i.d.F. der Bekanntmachungen vom 14. Dezember 2006 (BGBl I S. 3134) bzw. vom 11. September 2012 (BGBl I S. 2022) gründe (1.). Auf diesem Rechtsverstoß beruht das Berufungsurteil, weil der Beklagte zu diesem Zeitpunkt nach § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII örtlich zuständig geworden und bis zum Ende des entscheidungserheblichen Zeitraums geblieben ist (2.).

15

1. Gemäß § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII in der vorstehenden Fassung - die Änderung der Norm durch Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Verwaltungsvereinfachung in der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfevereinfachungsgesetz - KJVVG) vom 29. August 2013 (BGBl I S. 3464) beansprucht Geltung erst mit Wirkung vom 1. Januar 2014 - bleibt die bisherige Zuständigkeit bestehen, solange die Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam oder keinem Elternteil zusteht. Die Regelung knüpft tatbestandlich an § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII an (a). Hinsichtlich der Reichweite dieser Anknüpfung ist zwischen den Fallgestaltungen des Bestehens einer gemeinsamen elterlichen Sorge einerseits und des Nichtzustehens der elterlichen Sorge andererseits zu differenzieren (b).

16

a) Nach § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII wird für den Fall, dass die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte begründen, der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt nach § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 SGB VIII auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind.

17

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Anwendungsbereich des § 86 Abs. 5 SGB VIII weit verstanden worden. Die Zuständigkeitsregelung erfasse sämtliche Fallgestaltungen, in denen Eltern nach Leistungsbeginn verschiedene gewöhnliche Aufenthalte besitzen. Ihr Anwendungsbereich sei nicht auf Fälle beschränkt, in denen die Eltern erstmals nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte begründeten und gegebenenfalls im Anschluss daran ihren Aufenthalt unter Aufrechterhaltung verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte erneut veränderten. Vielmehr greife die Vorschrift entsprechend ihrem Charakter als umfassende Regelung für verschiedene gewöhnliche Aufenthalte der Eltern nach Leistungsbeginn auch ein, wenn die Eltern bereits vor bzw. bei Leistungsbeginn verschiedene gewöhnliche Aufenthalte haben und solche während des Leistungsbezugs beibehielten (Urteile vom 30. September 2009 - BVerwG 5 C 18.08 - BVerwGE 135, 58 = Buchholz 436.511 § 86 SGB VIII/KJHG Nr. 9 jeweils Rn. 22 ff., vom 9. Dezember 2010 - BVerwG 5 C 17.09 - Buchholz 436.511 § 86 SGB VIII/KJHG Nr. 12 Rn. 21, vom 12. Mai 2011 - BVerwG 5 C 4.10 - BVerwGE 139, 378 = Buchholz 436.511 § 88 SGB VIII/KJHG Nr. 1 jeweils Rn. 17 und vom 19. Oktober 2011 - BVerwG 5 C 25.10 - BVerwGE 141, 77 = Buchholz 436.511 § 86 SGB VIII/KJHG Nr. 15 jeweils Rn. 35 ff.).

18

Obgleich diese Entscheidungen allein zu Fallkonstellationen ergangen sind, in denen die Eltern vor und nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte besaßen und keinem Elternteil das Sorgerecht zustand (vgl. § 86 Abs. 3 SGB VIII), sind die genannten Rechtssätze des Senats weiter gefasst worden. Soweit der Anwendungsbereich der zu § 86 Abs. 5 SGB VIII formulierten Rechtssätze auch § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII einschloss, hält der Senat daran nicht fest. § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII bezieht sich vielmehr nur auf solche Fallgestaltungen, in denen Eltern nach Leistungsbeginn erstmals verschiedene gewöhnliche Aufenthalte begründen und in der Folge beibehalten (vgl. Leitsatz 1 des Urteils vom 30. September 2009 a.a.O.).

19

Hierfür spricht grammatikalisch eine Gesamtbetrachtung der Wörter "Begründen", "nach Beginn der Leistung" und "wird" in § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII. Das Wort "Begründen" impliziert nach seinem Wortsinn, dass die Elternteile vor der zuständigkeitsrelevanten Veränderung des gewöhnlichen Aufenthalts eines oder beider Elternteile einen gewöhnlichen Aufenthalt innerhalb des Zuständigkeitsbereichs desselben Trägers der öffentlichen Jugendhilfe hatten, sei es, dass sie zusammenlebten, sei es, dass sie innerhalb des Jugendamtsbezirks getrennt lebten, und nunmehr erstmals nach Beginn der Leistung gewöhnliche Aufenthalte in den Zuständigkeitsbereichen verschiedener Jugendhilfeträger nehmen. Dieser Wortsinn erschließt sich gerade aus dem Vergleich mit demjenigen des § 86 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und 4 Satz 1 SGB VIII ("Haben", "ist").

20

Die Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII auf die Fälle der erstmaligen Begründung verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte von Elternteilen, die sich zuvor innerhalb des Zuständigkeitsbereichs desselben Trägers der öffentlichen Jugendhilfe gewöhnlich aufhielten und damit von § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erfasst waren, trägt auch der Systematik des § 86 SGB VIII Rechnung. Sie wird dadurch gestützt, dass diese erstmalige Begründung verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte in § 86 SGB VIII keine anderweitige Regelung erfahren hat. § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII knüpft die örtliche Zuständigkeit für Leistungen der öffentlichen Jugendhilfe nach diesem Buch an den gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern im Zuständigkeitsbereich eines einzigen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe an. Die Norm ist zuständigkeitsbestimmend in den Fällen sowohl des Innehabens des gewöhnlichen Aufenthalts beider Elternteile im Bezirk eines Jugendhilfeträgers vor und bei Beginn der Leistung als auch der Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts beider Elternteile im Zuständigkeitsbereich eines einzigen (anderen) Jugendhilfeträgers nach Beginn der Leistung. Der zeitliche Geltungsbereich des § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII endet mit der erstmaligen Begründung verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte im Sinne des § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII. Demgegenüber wird die Fallgestaltung, dass beide Eltern bereits bei Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte im Zuständigkeitsbereich verschiedener Träger der öffentlichen Jugendhilfe hatten und diese in der Folge entweder beibehalten oder in die Bezirke anderer Jugendhilfeträger verlagern, grundsätzlich von § 86 Abs. 2 und 3 SGB VIII erfasst. § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII findet in diesen letztgenannten Fällen keine Anwendung, da verschiedene gewöhnliche Aufenthalte nicht erstmals "begründet" werden.

21

Für das vorstehende Verständnis spricht auch die Entstehungsgeschichte der Rechtsnorm. Mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch vom 16. Februar 1993 (BGBl I S. 239) wollte der Gesetzgeber ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung Schwierigkeiten und Rechtsunsicherheiten bei der Auslegung und Anwendung einzelner Bestimmungen des Gesetzes in der Praxis begegnen und Regelungslücken und wenig praktikablen Lösungen bei der Anwendung der verfahrensrechtlichen Bestimmungen, unter anderem auch der Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit, begegnen (BTDrucks 12/2866 S. 15). Zu § 86 Abs. 5 SGB VIII führte die Entwurfsbegründung aus, die Norm solle § 85 Abs. 4 SGB VIII in der Ursprungsfassung des Achten Buches Sozialgesetzbuch vom 26. Juni 1990 (BGBl I S. 1163 - SGB VIII 1990) ersetzen (BTDrucks 12/2866 S. 22). Nach § 85 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII 1990 wurde für den Fall, dass sich die Eltern nach der Einleitung der Maßnahme trennen, das Jugendamt zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder nimmt. Die Norm ging auf § 76 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (- Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts - BTDrucks 11/5948 S. 25) zurück. Zu dessen Begründung führte die seinerzeitige Entwurfsbegründung aus, die Vorschrift solle den Fällen Rechnung tragen, in denen die Eltern sich nach der Einleitung der Maßnahme trennen (BTDrucks 11/5948 S. 103 f.). Dies lässt erkennen, dass § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII nach dem Willen des Gesetzgebers - ebenso wie § 85 Abs. 4 SGB VIII 1990 an § 85 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII 1990 anknüpfte - in unmittelbarem Bezug zu § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII stehen sollte. Anders lassen sich die Hinweise auf die "nachträgliche Begründung verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte durch die beiden Elternteile" und die "Trennung der Eltern" nicht deuten (in diesem Sinne auch Eschelbach, JAmt 2011, 233 <235>).

22

b) § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 SGB VIII, der die Fälle des fehlenden Sorgerechts beider Elternteile nach Leistungsbeginn regelt, findet auch dann Anwendung, wenn die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte besitzen (aa). Anders verhält es sich für die Fälle des gemeinsamen Sorgerechts der Eltern, weil § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 SGB VIII dahin auszulegen ist, dass die Vorschrift auf die Voraussetzungen des § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII in vollem Umfang Bezug nimmt und damit auch ein (erstmaliges) Begründen verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte nach Leistungsbeginn voraussetzt (bb).

23

aa) Das Bundesverwaltungsgericht ist bereits in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass sich § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 SGB VIII allein auf das Merkmal "nach Beginn der Leistung" und nicht auf das Wort "Begründen" im Sinne des § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII bezieht. Die Regelung über das fehlende Sorgerecht beider Elternteile (§ 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 SGB VIII) erfasst mithin alle Fallgestaltungen, in denen die Eltern nach Leistungsbeginn verschiedene gewöhnliche Aufenthalte besitzen (Urteile vom 30. September 2009 a.a.O. jeweils Rn. 22, vom 9. Dezember 2010 a.a.O. Rn. 21, vom 12. Mai 2011 a.a.O. und vom 19. Oktober 2011 a.a.O. jeweils Rn. 35). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.

24

Dem Wortlaut des Satzes 2 des § 86 Abs. 5 SGB VIII ist bei gesonderter Betrachtung nicht zu entnehmen, welche Merkmale des Satzes 1 der Vorschrift in Bezug genommen werden. Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, die Tatbestandsmerkmale des Satzes 1 ganz oder teilweise in Satz 2 zu wiederholen. Zwar spricht die systematische Stellung des Satzes 2 innerhalb des Absatzes 5 in gewichtiger Weise dafür, dass sich dieser nachfolgende Satz 2 auf sämtliche Tatbestandsmerkmale des vorangehenden Satzes 1 bezieht. Allerdings ist dies nicht zwingend. Vielmehr kann etwa der Sinn und Zweck einer Vorschrift mit noch größerem Gewicht eine Auslegung des nachfolgenden Satzes dahin gebieten, dass dieser nur teilweise an die Voraussetzungen des vorangehenden Satzes anknüpft. So liegt es hier.

25

Der § 86 SGB VIII zugrunde liegenden Konzeption liefe es zuwider, den Geltungsbereich des Absatzes 5 Satz 2 Alt. 2 durch eine entsprechende Inbezugnahme nicht nur des Merkmals "nach Beginn der Leistung" im Sinne des Absatzes 5 Satz 1 Halbs. 1, sondern auch der darin vorgesehenen weiteren Anknüpfungstatsache der erstmaligen Begründung verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte der Elternteile auf die zuvor allein von Absatz 1 Satz 1 erfassten Fallgestaltungen zu reduzieren. Die Konzeption des § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 SGB VIII gründet auf dem Umstand, dass die individuellen Jugendhilfeleistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch, die Eltern in Anerkennung ihrer in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG beruhenden Verantwortung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Mai 1986 - 1 BvR 1542/84 - BVerfGE 72, 155 <172> m.w.N.) gewährt werden, darauf ausgerichtet sind, die Erziehungsfähigkeit der Elternteile zu stärken und ihre erzieherische Kompetenz zu fördern, um auf diese Weise eine eigenständige Wahrnehmung der elterlichen Erziehungsverantwortung zu ermöglichen (vgl. § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII). Dieser Situation Rechnung tragend verfolgen die Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit das Ziel, durch eine grundsätzliche Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Erziehungsverantwortlichen eine effektive Aufgabenwahrnehmung sicherzustellen. Die regelmäßig erforderliche enge und kontinuierliche Zusammenarbeit des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe mit den Eltern wird gerade durch dessen räumliche Nähe zu ihrem Aufenthaltsort ermöglicht und begünstigt. Hingegen bedarf es eben dieser räumlichen Nähe im Falle, dass kein Elternteil (mehr) das Sorgerecht hat (§ 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 SGB VIII), regelmäßig nicht. Diese Fallkonstellation ist vielfach dadurch geprägt, dass die betroffenen Kinder und Jugendlichen ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Einrichtungen oder Pflegestellen haben und nicht selten das Jugendamt am Ort der bisherigen Zuständigkeit zum Vormund bestellt wurde (vgl. auch BTDrucks 12/2866 S. 22). Gerade in Fällen, in denen die Erziehungsverantwortung (vgl. § 1626 Abs. 1, § 1631 Abs. 1 BGB) infolge des Entzugs der elterlichen Sorge nicht bei den Eltern liegt und sich das Kind oder der Jugendliche regelmäßig auch nicht bei einem Elternteil aufhält, besteht keine Notwendigkeit mehr, die örtliche Zuständigkeit weiterhin an den (künftigen) gewöhnlichen Aufenthalt eines Elternteils zu binden und sie mit diesem "mitwandern" zu lassen (Urteil vom 19. Oktober 2011 - BVerwG 5 C 25.10 - BVerwGE 141, 77 = Buchholz 436.511 § 86 SGB VIII/KJHG Nr. 15 jeweils Rn. 38).

26

bb) Demgegenüber nimmt die Regelung des § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 SGB VIII, die an das gemeinsame Sorgerecht der Eltern anknüpft, die Tatbestandsvoraussetzungen des Satzes 1 Halbs. 1 umfänglich in Bezug. Soweit aus der bisherigen Rechtsprechung des Senats zu § 86 Abs. 5 SGB VIII etwas anderes gefolgert werden konnte, hält der Senat daran nicht mehr fest.

27

Infolgedessen beschränkt sich der Anwendungsbereich des § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 SGB VIII auf die Fälle der erstmaligen Begründung verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte der Elternteile nach Beginn der Leistung sowie gegebenenfalls auf die Verlagerung dieser verschiedenen gewöhnlichen Aufenthalte in der Folgezeit. Für dieses Verständnis einer umfassenden Inbezugnahme der Voraussetzungen des § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII durch den in seinem Wortlaut neutralen § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 SGB VIII streiten neben der Gesetzessystematik auch der Sinn und Zweck und die Entstehungsgeschichte der Norm.

28

In den Fällen des gemeinsamen Sorgerechts gebietet es der oben näher dargelegte Zweck der Vorschrift, möglichst ein Näheverhältnis des Jugendamtes zu einem sorgeberechtigten Elternteil beizubehalten und zu bewirken, dass im Falle des Umzugs dieses Elternteils, bei dem das Kind regelmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt haben wird, auch die örtliche Zuständigkeit mit diesem "mitwandert" (vgl. Eschelbach, JAmt 2011, 233 <234>; Jung, JAmt 2011, 383 <383, 385>).

29

Auch die historisch-genetische Auslegung des § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 SGB VIII spricht für eine entsprechende umfängliche Inbezugnahme der Voraussetzungen des § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII. Die Rechtsfolge des § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 SGB VIII, also die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit nach der bisherigen Zuständigkeit, ist Ausdruck der Einschätzung des Gesetzgebers, die örtliche Zuständigkeit könne in den Fällen gemeinsam personensorgeberechtigter Eltern, die vor Beginn der Leistung einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten und nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte begründen, nicht verlässlich dynamisch an den gewöhnlichen Aufenthalt eines der beiden Elternteile geknüpft werden, da sich insoweit nicht abstrakt-generell feststellen lasse, welcher Elternteil künftig der Unterstützung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe bei der Wahrnehmung der Erziehungsverantwortung bedürfe (BTDrucks 12/2866 S. 21). Anders als in den von § 86 Abs. 2 und 3 SGB VIII geregelten Fällen, bei denen die Zuständigkeitsbestimmung an vorgefundene Aufenthalte angelehnt werden kann und in denen es dem gesetzgeberischen Regelungskonzept regelmäßig zuwiderliefe, die räumliche Nähe des Jugendhilfeträgers zu dem Elternteil, bei dem das Kind oder der Jugendliche seinen gewöhnlichen Aufenthalt bereits in der Vergangenheit genommen hat, durch eine Anknüpfung an die bisherige Zuständigkeit zu beenden, ist eine solche räumliche Nähe in der Konstellation einer erstmaligen Begründung verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte beider Elternteile nicht abstrakt-generell herzustellen, ohne besorgen zu müssen, dass die betreffende Anknüpfung nur einen Teil der denkbaren Fallgestaltungen sachgerecht erfasst.

30

cc) Gemessen an diesen Maßstäben war die Regelung des § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 SGB VIII hier nicht einschlägig. Zwar stand beiden Elternteilen nach Beginn der Leistung das Sorgerecht gemeinsam zu. Allerdings ist die von § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 SGB VIII in Bezug genommene Voraussetzung des § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII, dass die gewöhnlichen Aufenthalte der Eltern (erstmals) nach Beginn der Leistung "begründet" worden sein müssen, nicht erfüllt. Vielmehr hatten die Eltern bereits vor Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, weil der Kindesvater im Kreis E. verblieben, die Mutter jedoch mit dem Kind in den Zuständigkeitsbereich des Klägers verzogen war. Diese Konstellation wird von § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII erfasst.

31

2. Auf der nach alledem unrichtigen Anwendung des § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 i.V.m. Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII beruht das Berufungsurteil. Der Beklagte war in dem streitgegenständlichen Zeitraum gemäß § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII örtlich zuständiger Jugendhilfeträger (a) und dem Kläger gemäß § 89c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII i.V.m. § 86c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zur Kostenerstattung verpflichtet, ohne dass dem die Regelung des § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII i.d.F. der Bekanntmachung vom 11. September 2012 (BGBl I S. 2022) entgegenstand (b).

32

a) Gemäß § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wenn die Personensorge für den Fall, dass die Elternteile - wie hier - bereits vor und bei Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte haben, jenen gemeinsam zusteht. So verhält es sich hier.

33

Ausweislich der den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) hatte T. seinen gewöhnlichen Aufenthalt vor Beginn der Leistung, mithin dem Zeitpunkt, ab dem die konkrete Hilfeleistung tatsächlich gegenüber dem Hilfeempfänger erbracht worden ist (vgl. Urteil vom 19. Oktober 2011 - BVerwG 5 C 25.10 - BVerwGE 141,77 = Buchholz 436.511 § 86 SGB VIII/KJHG jeweils Rn. 18 m.w.N.), hier am 20. Juni 2011, bei seiner Mutter. Diese hatte im streitgegenständlichen Zeitraum ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten.

34

b) § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII i.d.F. der Bekanntmachungen vom 14. Dezember 2006 (BGBl I S. 3134) bzw. vom 11. September 2012 (BGBl I S. 2022) steht einer Verurteilung des Beklagten zur Kostenerstattung nicht entgegen, da die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften des Achten Buches Sozialgesetzbuch entsprach. Die Hilfegewährung bedurfte des Einvernehmens beider personensorgeberechtigter Elternteile (aa). Von dessen Vorliegen war hier jedenfalls auf der Grundlage der Erklärung des Kindesvaters vom 12. November 2012 auszugehen (bb).

35

aa) Die Gewährung von Hilfe zur Erziehung im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB VIII setzt grundsätzlich das Einverständnis der Personensorgeberechtigten voraus. Damit trägt die Vorschrift dem Umstand Rechnung, dass ein originär öffentliches Erziehungsrecht im Kinder- und Jugendhilferecht abgesehen von den Fällen der §§ 42 und 43 SGB VIII nur in den engen Grenzen des § 1666 BGB besteht (Urteil vom 21. Juni 2001 - BVerwG 5 C 6.00 - Buchholz 436.511 § 39 SGB VIII/KJHG Nr. 2 S. 4 f.). Hier setzte die Hilfegewährung materiellrechtlich neben dem Antrag eines Personensorgeberechtigten, hier der Kindesmutter, auch das Einvernehmen des anderen Personensorgeberechtigten, hier des Kindesvaters, voraus.

36

Personensorgeberechtigter im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII ist, wem allein oder gemeinsam mit einer anderen Person nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Personensorge zusteht. Dementsprechend beurteilt sich die Frage, ob in den Fällen der gemeinsamen Ausübung der elterlichen Sorge die Gewährung von Hilfe zur Erziehung des Einvernehmens beider Elternteile bedarf oder der Alleinentscheidungsbefugnis eines Elternteils unterliegt, nach familienrechtlichen Maßstäben. Leben Eltern, denen - wie hier - die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so ist gemäß § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ihr gegenseitiges Einvernehmen erforderlich. Die Alleinentscheidungsbefugnis des Elternteils, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält, beschränkt sich gemäß § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Angelegenheiten des täglichen Lebens. Maßstab für die Entscheidung, ob ein Elternteil - trotz fortbestehender gemeinsamer Sorge - im Sinne des § 1687 Abs. 1 BGB allein oder nur im gegenseitigen Einvernehmen handeln kann, ist die Qualität der zu treffenden Entscheidung und die Erheblichkeit ihrer Bedeutung für das Kindeswohl. Danach sind Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, im Sinne des § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB regelmäßig solche, die für die künftige Entwicklung und Sozialisation des Kindes, aber auch für sein Sozialisationsumfeld von erheblicher Bedeutung sind (Salgo, in: v. Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 2006, § 1687 Rn. 30). Demgegenüber sind nach der Legaldefinition des § 1687 Abs. 1 Satz 3 BGB Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens in der Regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben.

37

Die Frage, ob die Entscheidung über die Inanspruchnahme von Hilfe zur Erziehung gemäß den §§ 27 ff. SGB VIII zu den Angelegenheiten zählt, deren Regelung für das Kind von grundsätzlicher Bedeutung ist und damit gegenseitiges Einvernehmen erfordert, oder eine Angelegenheit des täglichen Lebens darstellt, bedarf mit Blick auf die unterschiedliche Relevanz der einzelnen Arten der Hilfe zur Erziehung, ihre Dauer und die Intensität der Einflussnahme auf die Lebenssituation des Kindes einer differenzierenden Betrachtung unter Berücksichtigung insbesondere der Qualität der zu treffenden Entscheidung (Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 7 Rn. 11). Zielt die beantragte Hilfe auf eine Unterbringung des Kindes außerhalb der elterlichen Familie, so ist die Antragstellung als Angelegenheit einzustufen, deren Regelung für das Kind von grundsätzlicher Bedeutung ist. Nichts anderes gilt grundsätzlich für den Fall, dass ambulante Hilfen, insbesondere solche therapeutischer Art, längerfristig in Anspruch genommen werden sollen (DIJuF-Rechtsgutachten vom 2. April 2007 - J 8.110 Kü -, JAmt 2007, 351; Schmid-Obkirchner, in: Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 27 Rn. 11). Dieser Form der ambulanten Hilfen unterfallen regelmäßig, so auch hier, sowohl die sozialpädagogische Familienhilfe als auch die Erziehungsbeistandschaft. Beide sind zumeist auf längere Dauer angelegt (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII) und zeitigen unmittelbare Auswirkungen auf das Kind oder den Jugendlichen und dessen Entwicklung (DIJuF-Rechtsgutachten vom 2. April 2007 - J 8.110 Kü -, JAmt 2007, 351; Salgo, in: v. Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 2006, § 1687 Rn. 46).

38

bb) Davon, dass zwischen den Personensorgeberechtigten gegenseitiges Einvernehmen (vgl. § 1627 Satz 1 BGB) über die Beantragung und Gewährung der Hilfe bestand, ist hier auf der Grundlage der Erklärung des Kindesvaters vom 12. November 2012 auszugehen ((1)). Der Senat ist nicht gehindert, diese Erklärung im revisionsgerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen ((2)).

39

(1) Die Willensäußerung der Personensorgeberechtigten unterliegt den allgemeinen Regelungen für Willenserklärungen entsprechend den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Stähr, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand: Juli 2013, § 27 Rn. 66). Danach steht hier die Tatsache, dass der Kindesvater sein Einvernehmen mit der Hilfegewährung erst nachträglich erklärt hat, der Annahme, dass die Hilfe zur Erziehung im gegenseitigen Einvernehmen beider Personensorgeberechtigten beantragt wurde, nicht entgegen. Die Erklärung des Kindesvaters vom 12. November 2012 gibt vielmehr Anlass zu der Annahme, dass zwischen den Personensorgeberechtigten von Anfang an Einvernehmen hinsichtlich der Beantragung und Gewährung der sozialpädagogischen Familienhilfe und der Erziehungsbeistandschaft bestand.

40

Der Kindesvater hat in seiner Erklärung nicht nur die Fortgewährung der bewilligten Hilfe beantragt, sondern ausdrücklich auch rückwirkend seine Zustimmung zu den bislang gewährten Jugendhilfeleistungen erteilt. Diese Erklärung steht im Einklang mit dem Umstand, dass er, obwohl er Kenntnis von der Gewährung der sozialpädagogischen Familienhilfe und der Erziehungsbeistandschaft hatte, der Leistung zu keinem Zeitpunkt widersprochen hat. Zwar erlaubt allein die Tatsache einer entsprechenden Kenntnis nicht, auf das anfängliche Bestehen des erforderlichen Einvernehmens zu schließen. Im Lichte der Erklärung vom 12. November 2012 ist ihr jedoch eine gewisse Indizwirkung nicht abzusprechen.

41

(2) Das Bundesverwaltungsgericht ist auch nicht gehindert, die Erklärung des Einvernehmens im revisionsgerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen.

42

Zwar ist es in seiner Funktion als Revisionsgericht im Einklang mit den Revisionszwecken der Rechtsvereinheitlichung, der Rechtsfortbildung und der Verfahrenskontrolle grundsätzlich auf die Rechtsanwendung, insbesondere die Überprüfung des vorinstanzlichen Urteils auf eine Verletzung revisiblen Rechts beschränkt, weshalb es grundsätzlich weder Tatsachen erheben noch im Revisionsverfahren neu vorgebrachte Tatsachen berücksichtigen darf. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist indes für den Fall anerkannt, dass ein nachträglich eingetretener oder nicht festgestellter einzelner Umstand völlig unstreitig ist, seine Verwertung einer endgültigen Streiterledigung dient und schützenswerte Interessen der Beteiligten dadurch nicht berührt werden (Urteile vom 20. Oktober 1992 - BVerwG 9 C 77.91 - BVerwGE 91, 104 <106 f.> und vom 23. Februar 1993 - BVerwG 1 C 16.87 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 64 S. 22). So liegt es hier.

43

Die neue Tatsache des Einvernehmens von T.s Vater mit der Hilfebeantragung und -gewährung im Revisionsverfahren ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Einer Beweiserhebung bedarf es insoweit nicht. Schützenswerte Interessen des Beklagten werden durch eine Berücksichtigung nicht berührt. Vielmehr hat dieser die Zustimmung durch den Kindesvater in seiner Revisionserwiderungsschrift "begrüßt". Die Berücksichtigung der Erklärung dient auch der endgültigen Streiterledigung, weil sie einen objektiv drohenden weiteren Rechtsstreit in dieser Sache vermeidet. Würde der nachträglich eingetretene Umstand des Einvernehmens des Vaters nicht berücksichtigt und die Revision mit Blick auf § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zurückgewiesen, wäre der Kläger nicht gehindert, unter Hinweis auf das nunmehr vorliegende Einvernehmen einen neuen Prozess anzustrengen. Die Rechtskraft des abgeschlossenen Verfahrens stände der Berücksichtigung der hier in Rede stehenden neuen Tatsache nicht entgegen (vgl. Urteil vom 23. November 1999 - BVerwG 9 C 16.99 - BVerwGE 110, 111 <117> = Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 5 S. 2<5>).

44

c) Der Zinsanspruch des Klägers rechtfertigt sich aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB (Urteil vom 22. November 2001 - BVerwG 5 C 42.01 - BVerwGE 115, 251 <256> = Buchholz 436.511 § 89e SGB VIII/KJHG Nr. 1 S. 5 m.w.N.).

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86c aufgewendet hat, sind von dem örtlichen Träger zu erstatten, der nach dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit zuständig geworden ist. Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86d aufgewendet hat, sind von dem örtlichen Träger zu erstatten, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach §§ 86, 86a und 86b begründet wird.

(2) Hat der örtliche Träger die Kosten deshalb aufgewendet, weil der zuständige örtliche Träger pflichtwidrig gehandelt hat, so hat dieser zusätzlich einen Betrag in Höhe eines Drittels der Kosten, mindestens jedoch 50 Euro, zu erstatten.

(3) Ist ein kostenerstattungspflichtiger örtlicher Träger nicht vorhanden, so sind die Kosten vom überörtlichen Träger zu erstatten, zu dessen Bereich der örtliche Träger gehört, der nach Absatz 1 tätig geworden ist.

(1) Hat ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 vorliegen, ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. § 104 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten gegenüber den Trägern der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe nur von dem Zeitpunkt ab, von dem ihnen bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

Soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist, sind die gezahlten Beträge zurückzuerstatten.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

Soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist, sind die gezahlten Beträge zurückzuerstatten.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

(1) Für die Berechnung von Fristen und für die Bestimmung von Terminen gelten die §§ 187 bis 193 des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend, soweit nicht durch die Absätze 2 bis 5 etwas anderes bestimmt ist.

(2) Der Lauf einer Frist, die von einer Behörde gesetzt wird, beginnt mit dem Tag, der auf die Bekanntgabe der Frist folgt, außer wenn dem Betroffenen etwas anderes mitgeteilt wird.

(3) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, endet die Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktages. Dies gilt nicht, wenn dem Betroffenen unter Hinweis auf diese Vorschrift ein bestimmter Tag als Ende der Frist mitgeteilt worden ist.

(4) Hat eine Behörde Leistungen nur für einen bestimmten Zeitraum zu erbringen, endet dieser Zeitraum auch dann mit dem Ablauf seines letzten Tages, wenn dieser auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt.

(5) Der von einer Behörde gesetzte Termin ist auch dann einzuhalten, wenn er auf einen Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder Sonnabend fällt.

(6) Ist eine Frist nach Stunden bestimmt, werden Sonntage, gesetzliche Feiertage oder Sonnabende mitgerechnet.

(7) Fristen, die von einer Behörde gesetzt sind, können verlängert werden. Sind solche Fristen bereits abgelaufen, können sie rückwirkend verlängert werden, insbesondere wenn es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretenen Rechtsfolgen bestehen zu lassen. Die Behörde kann die Verlängerung der Frist nach § 32 mit einer Nebenbestimmung verbinden.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

(2) Der Antrag ist innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrages sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet die Behörde, die über die versäumte Handlung zu befinden hat.

(5) Die Wiedereinsetzung ist unzulässig, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass sie ausgeschlossen ist.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung von Kosten in Höhe von 25 387,40 €, die er vom 1. Dezember 2003 bis zum 30. September 2007 für die Vollzeitpflege einer Hilfeempfängerin in einer in seinem Kreisgebiet lebenden Pflegefamilie aufgewandt hat.

2

Die am 23. Juni 1989 geborene Hilfeempfängerin wohnte bis zum 14. Oktober 1999 bei ihrer nicht sorgeberechtigten Mutter in Frankfurt am Main. Der allein personensorgeberechtigte Vater lebte zu diesem Zeitpunkt im Gebiet der Beklagten. Am 15. Oktober 1999 zog die Hilfeempfängerin aufgrund einer Vereinbarung zwischen ihrem Vater und dessen Halbschwester zu ihrer Tante und ihrem Onkel in die im Gebiet des Klägers gelegene Stadt N.

3

Auf Antrag des Vaters der Hilfeempfängerin gewährte die Beklagte ab dem 5. November 1999 Hilfe zur Erziehung in Form eines monatlichen Tagespflegegeldes und ab dem 19. Juni 2000 Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege.

4

Mit Beschluss vom 5. April 2002 entzog das Amtsgericht R. dem Vater die elterliche Sorge für die Hilfeempfängerin und übertrug sie auf deren Tante und Onkel. Ab dem 1. Dezember 2003 übernahm der Kläger den Jugendhilfefall in seine Zuständigkeit. Am 1. Oktober 2003 war der Vater der Hilfeempfängerin nach der im Gebiet B. gelegenen Stadt M. verzogen und ab 1. Januar 2006 wohnte er in der im Gebiet M. gelegenen Stadt B.

5

Eine gegen die Stadt Frankfurt am Main gerichtete Klage des Klägers auf Erstattung der von ihm seit der Übernahme des Hilfefalls in die eigene Zuständigkeit aufgewandten Kosten wurde vom Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 4. Februar 2008 - 7 E 741/07 - rechtskräftig abgewiesen. Die Stadt Frankfurt am Main sei nicht die zuvor zuständige Trägerin der örtlichen Jugendhilfe im Sinne des § 89a Abs. 1 SGB VIII. Bei Beginn der Leistung - unabhängig davon, ob dieser auf den 5. November 1999 oder den 19. Juni 2000 zu datieren sei - sei die Beklagte gemäß § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII örtlich zuständig gewesen. Diese Zuständigkeit sei auch in der Folgezeit bestehen geblieben. Eine nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII begründete Zuständigkeit müsse sich nur dann verändern, wenn der gewöhnliche Aufenthalt des personensorgeberechtigten Elternteils wechsle oder die Personensorge auf den anderen Elternteil übergehe. Werde hingegen - wie hier - die Personensorge dem allein sorgeberechtigten Elternteil entzogen, berühre dies die Zuständigkeit nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII nicht. Auch die anschließenden Veränderungen des gewöhnlichen Aufenthalts des Vaters der Hilfeempfängerin habe die Zuständigkeit der Beklagten nicht entfallen lassen. Eine räumliche Nähe zu dessen Aufenthaltsort sei entbehrlich, da infolge fehlenden Personensorgerechts kein Bedarf an einer engen Zusammenarbeit des Jugendamtes mit dem Vater bestehe.

6

Unter Hinweis auf dieses Urteil begehrte der Kläger von der Beklagten die Erstattung der von ihm für die Vollzeitpflege der Hilfeempfängerin aufgewandten Kosten. Die Beklagte lehnte eine Erstattung ab. Ihrer Ansicht nach sei die örtliche Zuständigkeit des Klägers nach § 86 Abs. 3 i.V.m. § 86 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII begründet. Es sei nicht erforderlich, dass die Personensorge bereits vor Beginn der Leistung, d.h. der Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege, keinem Elternteil zugestanden habe. Denn § 86 Abs. 3 SGB VIII sehe lediglich eine entsprechende Anwendung des § 86 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII vor.

7

Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und sich der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main angeschlossen, dass § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in der vorliegenden Konstellation als statische Vorschrift aufzufassen sei. Zusätzlich hat es sich auf § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII gestützt, der ebenfalls für einen Verbleib der Zuständigkeit beim Beklagten spreche.

8

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Die Beklagte sei nicht die zuvor zuständige Trägerin der örtlichen Jugendhilfe im Sinne des § 89a Abs. 1 SGB VIII. Die ursprünglich nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII begründete Zuständigkeit der Beklagten sei mit dem Entzug des Sorgerechts und seiner Übertragung auf die Tante und den Onkel der Hilfeempfängerin nachträglich entfallen. Denn für die örtliche Zuständigkeit gelte nunmehr § 86 Abs. 3 i.V.m. § 86 Abs. 2 Satz 2 und 4 SGB VIII entsprechend. Danach werde jedenfalls eine Zuständigkeit der Beklagten nicht begründet. Werde für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit auf den Beginn der Vollzeitpflege abgestellt, sei die Klägerin originär zuständig gewesen, weil die Hilfeempfängerin während der letzten sechs Monate vor der Vollzeitpflege ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht bei einem Elternteil, sondern bei ihrer Tante und ihrem Onkel gehabt habe, die im Gebiet des Klägers wohnten. Werde der Beginn der Tagespflege 1999 zugrunde gelegt, sei eine Zuständigkeit der Stadt Frankfurt am Main gegeben, da sich die Hilfeempfängerin vor der Bewilligung der Tagespflege zuletzt bei ihrer Mutter aufgehalten habe. Der von § 89a SGB VIII bezweckte Schutz der Pflegestellenorte werde damit nicht unterlaufen. Dass der Kläger die Stadt Frankfurt am Main aufgrund des rechtskräftigen Urteils des dortigen Verwaltungsgerichts tatsächlich nicht mehr in Anspruch nehmen könne, ändere daran nichts.

9

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren auf Kostenerstattung weiter. Er rügt eine Verletzung der §§ 86 und 89a SGB VIII.

10

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Klägers ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), weil es zu Unrecht die Erstattungspflicht der Beklagten nach § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII als der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage verneint hat, und ist daher unter Zurückweisung der Berufung aufzuheben (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).

12

1. Nach § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger aufgrund einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der zuvor zuständig war oder gewesen wäre. Grund für diese Erstattungsregelung ist, dass der Gesetzgeber mit § 86 Abs. 6 SGB VIII aus Gründen der Praktikabilität die örtliche Zuständigkeit an den gewöhnlichen Aufenthalt der Pflegeperson binden wollte, dass aber, wie § 89a SGB VIII zeigt, letztlich ein anderer als der nach § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständige Träger verpflichtet sein sollte, die Kosten zu tragen (Urteil vom 30. September 2009 - BVerwG 5 C 18.08 - BVerwGE 135, 58 = Buchholz 436.511 § 86 KJHG/SGB VIII Nr. 9 jeweils Rn. 31 m.w.N.). Dementsprechend ist der Anwendungsbereich des § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ab dem Zeitpunkt eröffnet, zu dem die örtliche Zuständigkeit eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe nach § 86 Abs. 6 SGB VIII begründet wird (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 17. Dezember 2004 - 12 A 11228/04 - FEVS 56, 420; Wiesner, SGB VIII, 3. Aufl. 2006, § 89a Rn. 3; Kunkel, in: LPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2006, § 89a Rn. 2; s.a. BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - BVerwG 5 C 14.09 - juris Rn. 13 m.w.N.). Die Kostenerstattungspflicht bleibt gemäß § 89a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII auch bestehen, wenn die Leistung über die Volljährigkeit hinaus nach § 41 SGB VIII fortgesetzt wird.

13

Wie mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert, gehen diese zu Recht übereinstimmend davon aus, dass die örtliche Zuständigkeit des Klägers am 15. Oktober 2001 nach § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII begründet wurde und der Kläger dementsprechend die Kosten für die Vollzeitpflege der Hilfeempfängerin in dem streitbefangenen Zeitraum vom 1. Dezember 2003 bis zum 30. September 2007 im Sinne des § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII "aufgrund einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 aufgewendet hat". Des Weiteren steht zwischen den Beteiligten zu Recht nicht im Streit, dass die Beklagte im Sinne des § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII "zuvor" nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zuständig war, weil der bei Leistungsbeginn (siehe dazu 2.1) allein personensorgeberechtigte Vater der Hilfeempfängerin bis zum Zuständigkeitswechsel nach § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII seinen gewöhnlichen Aufenthalt in deren Gebiet hatte. Ebenso ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig, dass sich der Eintritt der Volljährigkeit der Hilfeempfängerin am 23. Juni 2007 auf die Kostenerstattungspflicht nicht auswirkt. Auch die Höhe des geltend gemachten Erstattungsanspruchs ist nicht umstritten. Zu entscheiden ist allein, ob die Kostenerstattungspflicht der Beklagten nach § 89a Abs. 3 SGB VIII durch den Entzug des Sorgerechts des Vaters der Hilfeempfängerin oder dessen nachfolgende Aufenthaltsänderungen entfallen ist. Dies ist nicht der Fall.

14

2. Nach § 89a Abs. 3 SGB VIII wird, wenn sich während der Gewährung der Leistung nach Absatz 1 der für die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt ändert, der örtliche Träger kostenerstattungspflichtig, der ohne Anwendung des § 86 Abs. 6 SGB VIII örtlich zuständig geworden wäre. Die Leistung, auf deren Gewährung nach § 89a Abs. 3 i.V.m. § 89a Abs. 1 SGB VIII abzustellen ist, ist die ab dem 5. November 1999 bis zum 30. September 2007 als einheitliche Leistung erbrachte Jugendhilfe zunächst in Form des Tagespflegegeldes, dann in Form der Vollzeitpflege und zuletzt in Form der Hilfe für junge Volljährige (2.1). Es kann hier offenbleiben, ob § 89a Abs. 3 SGB VIII den Wechsel der Kostenerstattungspflicht auf die Fälle beschränkt, in denen sich während der Gewährung dieser Leistung der nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt ändert oder ob § 89a Abs. 3 SGB VIII auch Anwendung findet, wenn sich andere für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche Umstände ändern. Denn in beiden Fällen ist die Kostenerstattungspflicht der Beklagten nicht entfallen (2.2).

15

2.1 Die Leistung im Sinne des § 89a Abs. 3 i.V.m. § 89a Abs. 1 SGB VIII bestimmt sich nach dem zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriff des Kinder- und Jugendhilferechts. Danach sind alle zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlichen Maßnahmen und Hilfen eine einheitliche Leistung, zumal wenn sie im Einzelfall nahtlos aneinander anschließen, also ohne beachtliche (vgl. § 86a Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB VIII) zeitliche Unterbrechung gewährt werden. Dies gilt auch dann, wenn bei dem vielfach auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfeprozess sich die Schwerpunkte innerhalb des Hilfebedarfes verschieben und für die Ausgestaltung der Hilfe Modifikationen, Änderungen oder Ergänzungen bis hin zu einem Wechsel der Hilfeart erforderlich werden, die Hilfegewährung im Verlauf des ununterbrochenen Hilfeprozesses also einer anderen Nummer des § 2 Abs. 2 SGB VIII zuzuordnen oder innerhalb des Sozialgesetzbuches Achtes Buch nach einer anderen Rechtsgrundlage zu gewähren ist (stRspr, grundlegend Urteil vom 29. Januar 2004 - BVerwG 5 C 9.03 - BVerwGE 120, 116 <119> = Buchholz 436.511 § 86 KJHG/SGB VIII Nr. 2; vgl. zuletzt Urteil vom 25. März 2010 - BVerwG 5 C 12.09 - juris Rn. 22).

16

In Anwendung dieses Begriffes sind das ab dem 5. November 1999 gewährte Tagespflegegeld (§ 23 SGB VIII), die im Anschluss daran ohne zeitliche Unterbrechung ab dem 19. Juni 2000 gewährte Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege (§§ 27, 33 SGB VIII), die über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus bis zum 30. September 2007 der Sache nach als Hilfe für junge Volljährige (§ 41 SGB VIII) fortgesetzt wird, als einheitliche Leistung zu werten. Denn sie beruhen - wie die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt haben - auf einem qualitativ unveränderten jugendhilferechtlichen Bedarf.

17

2.2 Der Entzug des Sorgerechts des bis dahin allein personensorgeberechtigten Vaters und die Begründung neuer gewöhnlicher Aufenthalte durch ihn außerhalb des Gebietes der Beklagten in der Folgezeit führen nicht dazu, dass die Kostenerstattungspflicht gemäß § 89a Abs. 3 SGB VIII auf einen anderen örtlichen Träger übergangen ist.

18

a) Ist § 89a Abs. 3 SGB VIII seinem Wortlaut entsprechend dahingehend auszulegen, dass ausschließlich eine Änderung des nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgeblichen gewöhnlichen Aufenthalts zu einem Wechsel der Kostenerstattungspflicht führt (vgl. z.B. Verwaltungsgericht Würzburg, Urteil vom 24. März 2005 - W 6 K 05.173 - juris Rn. 13 f.; etwa auch W. Schellhorn, in: Schellhorn/Fischer/Mann, SGB VIII, 3. Aufl. 2007, § 89a Rn. 9; Wiesner, a.a.O. § 89a Rn. 10 und Kunkel, a.a.O. § 89a Rn. 7), wäre die Erstattungspflicht der Beklagten mit dem Entzug des Sorgerechts des Vaters durch den Beschluss des Amtsgerichts R. vom 5. April 2002 mangels Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 89a Abs. 3 SGB VIII nicht entfallen. Denn der Vater der Hilfeempfängerin hat zu diesem Zeitpunkt nicht seinen gewöhnlichen Aufenthalt geändert. Er hat diesen vielmehr zunächst im Gebiet der Beklagten aufrechterhalten.

19

Die Kostenerstattungspflicht der Beklagten würde bei dieser engen Auslegung auch nicht dadurch enden, dass der Vater der Hilfeempfängerin am 1. Oktober 2003 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in die im Gebiet B. gelegene Stadt M. verlegt und am 1. Januar 2006 in der im Gebiet M. gelegenen Stadt B. einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hat. Durch den vorherigen Entzug des Sorgerechts ist der gewöhnliche Aufenthalt des Vaters der Hilfeempfängerin in der Folgezeit für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit nicht (mehr) maßgeblich gewesen. Etwas anderes würde nur gelten, wenn der Vater der Hilfeempfängerin (erneut) einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII mit der Mutter der Hilfeempfängerin begründet hätte, was hier nicht der Fall ist.

20

b) Im Ergebnis gilt nichts Anderes, wenn § 89a Abs. 3 SGB VIII dahingehend auszulegen ist, dass die Verweisung auf § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII - der generellen Zielsetzung der Kostenerstattungsregelungen folgend, eine gleichmäßige Kostenverteilung zwischen den einzelnen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe zu gewährleisten - als allgemeine und umfassende Verweisung in diese Zuständigkeitsregelungen zu verstehen und demzufolge jede Änderung der für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgeblichen Umstände im Rahmen des § 89a Abs. 3 SGB VIII zu berücksichtigen ist. Bei einem derartigen Normverständnis würde der Entzug des Sorgerechts des Vaters am 5. April 2002 keinen Wechsel des erstattungspflichtigen Trägers nach § 89a Abs. 3 SGB VIII herbeiführen, da die Änderung des Personensorgerechts - wie im Folgenden zu zeigen ist - gemäß § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII gerade bewirkt, dass die bisherige Zuständigkeit der Beklagten nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestehen geblieben ist.

21

Der Fall, dass die Elternteile - wie hier - vor und nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte besitzen und dem allein personensorgeberechtigten Elternteil nach Beginn der Leistung das Sorgerecht entzogen wird, sodass keinem Elternteil (mehr) die Personensorge zusteht, fällt nach der Rechtsprechung des Senats in den Anwendungsbereich des § 86 Abs. 5 SGB VIII. Die Zuständigkeitsregelung des § 86 Abs. 3 SGB VIII ist insoweit nicht anwendbar. Der Senat hat in seinem dem Oberverwaltungsgericht im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung noch nicht bekannten Urteil vom 30. September 2009 entschieden, dass § 86 Abs. 5 SGB VIII alle Fallgestaltungen erfasst, in denen die Eltern nach Leistungsbeginn verschiedene gewöhnliche Aufenthalte besitzen. Satz 1 ist dabei anwendbar, wenn die elterliche Sorge einem Elternteil zusteht, Satz 2 regelt die Fälle gemeinsamer oder - wie hier - fehlender Personensorge. Die zeitliche Abfolge der zuständigkeitsrelevanten Kriterien ("Begründung verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte" oder "gemeinsame oder fehlende Personensorge beider Elternteile") hat auf die Bestimmung der Zuständigkeit nach § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII keinen Einfluss. Mit der "bisherigen Zuständigkeit" im Sinne des § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII ist die Zuständigkeit gemeint, die vor dem Zeitpunkt, zu dem eine Prüfung und gegebenenfalls Neubestimmung der örtlichen Zuständigkeit veranlasst ist, zuletzt bestanden hat (Urteil vom 30. September 2009 a.a.O. jeweils Rn. 22 ff.). Daran hält der Senat fest.

22

Der Anwendungsbereich des § 86 Abs. 5 SGB VIII ist nicht auf die in jener Entscheidung ausdrücklich erwähnten Fallgestaltungen beschränkt, in denen die Eltern erstmals nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte begründen und gegebenenfalls im Anschluss daran ihren Aufenthalt unter Aufrechterhaltung verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte erneut verändern (Urteil vom 30. September 2009 a.a.O. jeweils Rn. 22). Vielmehr greift die Vorschrift entsprechend ihrem Charakter als umfassende Regelung für verschiedene gewöhnliche Aufenthalte der Eltern nach Leistungsbeginn auch ein, wenn die Eltern - wie hier - bereits vor bzw. bei Leistungsbeginn verschiedene gewöhnliche Aufenthalte haben und solche während des Leistungsbezugs beibehalten. § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII greift nur so lange, als sich weder an dem gewöhnlichen Aufenthalt des allein personensorgeberechtigten Elternteils noch an der Zuordnung/Übertragung der Personensorge etwas ändert. Die Anwendbarkeit des § 86 Abs. 5 SGB VIII endet erst mit der Einstellung der Leistung bzw. der Gewährung einer (zuständigkeitsrechtlich) neuen Leistung oder der (erneuten) Begründung eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne von § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII (s. insoweit auch Urteil vom 30. September 2009 a.a.O. jeweils Rn. 24). Daraus ergibt sich zugleich, dass § 86 Abs. 3 SGB VIII nur die Fälle erfasst, in denen die Eltern vor bzw. bei Leistungsbeginn verschiedene gewöhnliche Aufenthalte haben und schon in diesem Zeitpunkt keinem Elternteil die Personensorge zusteht.

23

Aufgrund der zuständigkeitsbestimmenden Wirkung des Personensorgerechts im Falle verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte der Eltern während eines Leistungsbezugs im Sinne des § 86 Abs. 5 SGB VIII ist eine Überprüfung der örtlichen Zuständigkeit und gegebenenfalls ein Wechsel der diesbezüglichen Rechtsgrundlage auch bei einer alleinigen Änderung des Personensorgerechts ohne zeitgleiche Änderung des (zuständigkeitsrelevanten) Aufenthalts veranlasst (offengelassen im Urteil vom 30. September 2009 a.a.O. jeweils Rn. 28).

24

Nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen liegt hier ein Fall des § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII vor, weil nach dem Entzug des Sorgerechts des Vaters kein Elternteil mehr personensorgeberechtigt war. Dies hat zur Folge, dass die bisherige Zuständigkeit der Beklagten nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestehen geblieben ist.

25

Auch die Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts des Vaters der Hilfeempfängerin am 1. Oktober 2003 in der Stadt M. bzw. am 1. Januar 2006 in der Stadt B. würde die Erstattungspflicht der Beklagten nicht nach § 89a Abs. 3 SGB VIII entfallen lassen. Als Folge der Festschreibung der bisherigen Zuständigkeit der Beklagten nach § 86 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zum 5. April 2002 wären die zeitlich nachfolgenden Aufenthaltsänderungen des Vaters der Hilfeempfängerin zuständigkeits- und damit auch kostenerstattungsrechtlich unbeachtlich.

Tatbestand

1

Die beteiligten Landkreise streiten in ihrer Eigenschaft als örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe um die Erstattung von Kosten, die der Kläger ab dem 1. September 2011 für die Gewährung von Jugendhilfeleistungen in dem Fall "T. K." aufgewendet hat.

2

Die Ehe der Eltern des im Januar 1996 geborenen T. wurde im November 2009 rechtskräftig geschieden. Die elterliche Sorge für ihren Sohn steht beiden Eltern gemeinsam zu. T.s Vater wohnte bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht im Kreis E. T. und seine Mutter verzogen zum 1. Oktober 2009 aus dem Kreis E. in den Zuständigkeitsbereich des Klägers. Zum 1. September 2011 zogen beide in das Kreisgebiet des Beklagten um, innerhalb dessen sie zum 1. November 2011 erneut den Wohnort wechselten.

3

Nachdem T. bereits im Jahr 2007 durch einen sehr unregelmäßigen Schulbesuch aufgefallen und es in diesem Jahr wie auch in den Folgejahren immer wieder zu erheblichen Fehlzeiten gekommen war, bewilligte der Kläger der Kindesmutter ab dem 20. Juni 2011 sozialpädagogische Familienhilfe. Ab dem 1. Januar 2012 gewährte er ihr zudem Leistungen in Form des Erziehungsbeistands. Die Hilfeleistung wurde zum 31. März 2013 bzw. 30. Juni 2013 eingestellt, nachdem ein weiterer Hilfebedarf nicht mehr bestand.

4

Ohne Erfolg ersuchte der Kläger den Beklagten aus Anlass der Ummeldung T.s und seiner Mutter zum 1. September 2011, den Fall in die eigene Zuständigkeit zu übernehmen und ein Kostenanerkenntnis ab Zuzug zu erteilen.

5

Auf seine Klage hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verurteilt, dem Kläger die in dem Zeitraum vom 1. September 2011 bis zum 31. Mai 2012 aufgewendeten Jugendhilfeleistungen in Höhe von 4 912,89 € zu erstatten, wobei der Betrag mit fünf Prozent über dem Basiszinssatz ab Klageerhebung aus einem Betrag von 2 392,84 € und ab dem 12. Juli 2009 aus einem Betrag von 4 912,89 € zu verzinsen sei. Zugleich hat es festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet sei, den Fall in die eigene Zuständigkeit zu übernehmen. Wegen weitergehend beantragter Prozesszinsen hat es die Klage abgewiesen.

6

Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 89c Abs. 1 Satz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VIII - nicht zu. Es fehle bereits an dem hiernach erforderlichen Wechsel der örtlichen Zuständigkeit. Der Kläger sei gemäß § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII selbst zuständig geblieben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfasse diese Vorschrift sämtliche Fallgestaltungen, in denen Eltern nach Leistungsbeginn verschiedene gewöhnliche Aufenthalte besäßen. Im Übrigen stehe einem Erstattungsanspruch des Klägers auch § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII entgegen. Die Erfüllung der Aufgaben in dem betreffenden Jugendhilfefall habe nicht den Vorschriften des Achten Buches Sozialgesetzbuch entsprochen. Die Gewährung sozialpädagogischer Familienhilfe habe zumindest das Einverständnis von T.s Vater erfordert. Dieser habe jedoch weder die Bewilligung der Hilfe zur Erziehung beantragt noch deren Gewährung zugestimmt.

7

Im November 2012 hat T.s Vater rückwirkend seine Zustimmung zu den bislang gewährten Jugendhilfeleistungen erklärt und die Fortführung der bewilligten Maßnahmen beantragt.

8

Mit Schriftsätzen vom 28. Oktober 2013 und 4. November 2013 haben die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich des Feststellungsbegehrens übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

9

Im Übrigen verfolgt der Kläger sein Erstattungsbegehren im Revisionsverfahren weiter. Er ist der Auffassung, das Berufungsurteil verletze § 89c Abs. 1 i.V.m. § 86c i.V.m. § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII. In Fällen, in denen der sorgeberechtigte Elternteil in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe verziehe, sei die durch § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII bewirkte Festschreibung der örtlichen Zuständigkeit für eine effektive Aufgabenwahrnehmung der Jugendämter kontraproduktiv, da sie dem Gebot zuwiderlaufe, die räumliche Nähe zwischen dem maßgeblichen sorgeberechtigten Elternteil und dem Kind einerseits und dem Jugendamt andererseits zu wahren. Während die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf Fallgestaltungen gründe, in denen beide Elternteile nicht mehr sorgeberechtigt gewesen seien, werde ihre Erstreckung auf den Fall, dass beide Elternteile weiterhin die Personensorge ausüben würden, dem Zweck der Sicherstellung einer effektiven Aufgabenwahrnehmung durch die Jugendämter nicht gerecht. In einer solchen Konstellation könne das zuständige Jugendamt seiner Verantwortung auf Grund der räumlichen Entfernung zu dem sorgeberechtigten Elternteil und dem Kind im Wege der hierdurch erforderlich werdenden Inanspruchnahme von Amtshilfe nicht mehr in der gebotenen Weise gerecht werden. Eine entsprechende Festschreibung der örtlichen Zuständigkeit stünde zudem in Widerspruch zu § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, der von einer grundsätzlich dynamischen Zuständigkeit ausgehe. § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII widerstreite einer Erstattung nicht. Ungeachtet der zwischenzeitlich abgegebenen Zustimmungserklärung des Kindesvaters sei die Beantragung ambulanter Hilfen nach § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB eine Angelegenheit des täglichen Lebens. Eine Fremdunterbringung habe nicht in Rede gestanden. Durch die Gewährung sozialpädagogischer Familienhilfe in geringem Umfang und die Bewilligung der Erziehungsbeistandschaft seien erhebliche Entscheidungen nicht getroffen worden. Deren Auswirkungen seien zudem ohne Weiteres abänderbar.

10

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

11

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich des Feststellungsbegehrens übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren gemäß § 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 VwGO in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Im Umfang der Teilerledigung sind das erstinstanzliche und das Berufungsurteil wirkungslos geworden (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).

12

Im Übrigen hat die Revision des Klägers Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die Erstattungsklage zu Unrecht abgewiesen. Dem Kläger steht ein Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung der Kosten, die ihm in dem Jugendhilfefall im Zeitraum vom 1. September 2011 bis zum 31. Mai 2012 entstanden sind, aus § 89c Abs. 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (Art. 1 des Gesetzes vom 26. Juni 1990, BGBl I S. 1163) - SGB VIII - i.d.F. der Bekanntmachung vom 11. September 2012 (BGBl I S. 2022) zu. Danach sind Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86c SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der nach dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit zuständig geworden ist.

13

Der Kläger hat als örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe im maßgeblichen Zeitraum vom 1. September 2011 bis zum 31. Mai 2012 der Kindesmutter Hilfe zur Erziehung in Form der sozialpädagogischen Familienhilfe gemäß § 31 SGB VIII gewährt und Leistungen in Form der Erziehungsbeistandschaft gemäß § 30 SGB VIII erbracht und dafür die Kosten getragen, deren Höhe zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht. Er hat die Kosten im Rahmen einer Verpflichtung nach § 86c SGB VIII i.d.F. der Bekanntmachungen vom 14. Dezember 2006 (BGBl I S. 3134) bzw. vom 11. September 2012 (BGBl I S. 2022) aufgewendet. § 86c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII verpflichtet den bisher zuständigen örtlichen Jugendhilfeträger, die Leistung so lange zu gewähren, bis der infolge des Wechsels der örtlichen Zuständigkeit nunmehr zuständige örtliche Jugendhilfeträger die Leistung fortsetzt. Der bei Beginn der Leistung am 20. Juni 2011 (vgl. Urteil vom 19. Oktober 2011 - BVerwG 5 C 25.10 - BVerwGE 141, 77 = Buchholz 436.511 § 86 SGB VIII/KJHG Nr. 15 jeweils Rn. 18 m.w.N.) nach § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII örtlich zuständige Kläger war im maßgeblichen Zeitraum nicht mehr örtlich zuständig.

14

Das Oberverwaltungsgericht hat unter Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) angenommen, dass sich die örtliche Zuständigkeit des Klägers mit dem Umzug der Kindesmutter in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten am 1. September 2011 auf § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII i.d.F. der Bekanntmachungen vom 14. Dezember 2006 (BGBl I S. 3134) bzw. vom 11. September 2012 (BGBl I S. 2022) gründe (1.). Auf diesem Rechtsverstoß beruht das Berufungsurteil, weil der Beklagte zu diesem Zeitpunkt nach § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII örtlich zuständig geworden und bis zum Ende des entscheidungserheblichen Zeitraums geblieben ist (2.).

15

1. Gemäß § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII in der vorstehenden Fassung - die Änderung der Norm durch Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Verwaltungsvereinfachung in der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfevereinfachungsgesetz - KJVVG) vom 29. August 2013 (BGBl I S. 3464) beansprucht Geltung erst mit Wirkung vom 1. Januar 2014 - bleibt die bisherige Zuständigkeit bestehen, solange die Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam oder keinem Elternteil zusteht. Die Regelung knüpft tatbestandlich an § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII an (a). Hinsichtlich der Reichweite dieser Anknüpfung ist zwischen den Fallgestaltungen des Bestehens einer gemeinsamen elterlichen Sorge einerseits und des Nichtzustehens der elterlichen Sorge andererseits zu differenzieren (b).

16

a) Nach § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII wird für den Fall, dass die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte begründen, der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt nach § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 SGB VIII auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind.

17

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Anwendungsbereich des § 86 Abs. 5 SGB VIII weit verstanden worden. Die Zuständigkeitsregelung erfasse sämtliche Fallgestaltungen, in denen Eltern nach Leistungsbeginn verschiedene gewöhnliche Aufenthalte besitzen. Ihr Anwendungsbereich sei nicht auf Fälle beschränkt, in denen die Eltern erstmals nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte begründeten und gegebenenfalls im Anschluss daran ihren Aufenthalt unter Aufrechterhaltung verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte erneut veränderten. Vielmehr greife die Vorschrift entsprechend ihrem Charakter als umfassende Regelung für verschiedene gewöhnliche Aufenthalte der Eltern nach Leistungsbeginn auch ein, wenn die Eltern bereits vor bzw. bei Leistungsbeginn verschiedene gewöhnliche Aufenthalte haben und solche während des Leistungsbezugs beibehielten (Urteile vom 30. September 2009 - BVerwG 5 C 18.08 - BVerwGE 135, 58 = Buchholz 436.511 § 86 SGB VIII/KJHG Nr. 9 jeweils Rn. 22 ff., vom 9. Dezember 2010 - BVerwG 5 C 17.09 - Buchholz 436.511 § 86 SGB VIII/KJHG Nr. 12 Rn. 21, vom 12. Mai 2011 - BVerwG 5 C 4.10 - BVerwGE 139, 378 = Buchholz 436.511 § 88 SGB VIII/KJHG Nr. 1 jeweils Rn. 17 und vom 19. Oktober 2011 - BVerwG 5 C 25.10 - BVerwGE 141, 77 = Buchholz 436.511 § 86 SGB VIII/KJHG Nr. 15 jeweils Rn. 35 ff.).

18

Obgleich diese Entscheidungen allein zu Fallkonstellationen ergangen sind, in denen die Eltern vor und nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte besaßen und keinem Elternteil das Sorgerecht zustand (vgl. § 86 Abs. 3 SGB VIII), sind die genannten Rechtssätze des Senats weiter gefasst worden. Soweit der Anwendungsbereich der zu § 86 Abs. 5 SGB VIII formulierten Rechtssätze auch § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII einschloss, hält der Senat daran nicht fest. § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII bezieht sich vielmehr nur auf solche Fallgestaltungen, in denen Eltern nach Leistungsbeginn erstmals verschiedene gewöhnliche Aufenthalte begründen und in der Folge beibehalten (vgl. Leitsatz 1 des Urteils vom 30. September 2009 a.a.O.).

19

Hierfür spricht grammatikalisch eine Gesamtbetrachtung der Wörter "Begründen", "nach Beginn der Leistung" und "wird" in § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII. Das Wort "Begründen" impliziert nach seinem Wortsinn, dass die Elternteile vor der zuständigkeitsrelevanten Veränderung des gewöhnlichen Aufenthalts eines oder beider Elternteile einen gewöhnlichen Aufenthalt innerhalb des Zuständigkeitsbereichs desselben Trägers der öffentlichen Jugendhilfe hatten, sei es, dass sie zusammenlebten, sei es, dass sie innerhalb des Jugendamtsbezirks getrennt lebten, und nunmehr erstmals nach Beginn der Leistung gewöhnliche Aufenthalte in den Zuständigkeitsbereichen verschiedener Jugendhilfeträger nehmen. Dieser Wortsinn erschließt sich gerade aus dem Vergleich mit demjenigen des § 86 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und 4 Satz 1 SGB VIII ("Haben", "ist").

20

Die Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII auf die Fälle der erstmaligen Begründung verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte von Elternteilen, die sich zuvor innerhalb des Zuständigkeitsbereichs desselben Trägers der öffentlichen Jugendhilfe gewöhnlich aufhielten und damit von § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erfasst waren, trägt auch der Systematik des § 86 SGB VIII Rechnung. Sie wird dadurch gestützt, dass diese erstmalige Begründung verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte in § 86 SGB VIII keine anderweitige Regelung erfahren hat. § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII knüpft die örtliche Zuständigkeit für Leistungen der öffentlichen Jugendhilfe nach diesem Buch an den gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern im Zuständigkeitsbereich eines einzigen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe an. Die Norm ist zuständigkeitsbestimmend in den Fällen sowohl des Innehabens des gewöhnlichen Aufenthalts beider Elternteile im Bezirk eines Jugendhilfeträgers vor und bei Beginn der Leistung als auch der Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts beider Elternteile im Zuständigkeitsbereich eines einzigen (anderen) Jugendhilfeträgers nach Beginn der Leistung. Der zeitliche Geltungsbereich des § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII endet mit der erstmaligen Begründung verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte im Sinne des § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII. Demgegenüber wird die Fallgestaltung, dass beide Eltern bereits bei Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte im Zuständigkeitsbereich verschiedener Träger der öffentlichen Jugendhilfe hatten und diese in der Folge entweder beibehalten oder in die Bezirke anderer Jugendhilfeträger verlagern, grundsätzlich von § 86 Abs. 2 und 3 SGB VIII erfasst. § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII findet in diesen letztgenannten Fällen keine Anwendung, da verschiedene gewöhnliche Aufenthalte nicht erstmals "begründet" werden.

21

Für das vorstehende Verständnis spricht auch die Entstehungsgeschichte der Rechtsnorm. Mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch vom 16. Februar 1993 (BGBl I S. 239) wollte der Gesetzgeber ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung Schwierigkeiten und Rechtsunsicherheiten bei der Auslegung und Anwendung einzelner Bestimmungen des Gesetzes in der Praxis begegnen und Regelungslücken und wenig praktikablen Lösungen bei der Anwendung der verfahrensrechtlichen Bestimmungen, unter anderem auch der Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit, begegnen (BTDrucks 12/2866 S. 15). Zu § 86 Abs. 5 SGB VIII führte die Entwurfsbegründung aus, die Norm solle § 85 Abs. 4 SGB VIII in der Ursprungsfassung des Achten Buches Sozialgesetzbuch vom 26. Juni 1990 (BGBl I S. 1163 - SGB VIII 1990) ersetzen (BTDrucks 12/2866 S. 22). Nach § 85 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII 1990 wurde für den Fall, dass sich die Eltern nach der Einleitung der Maßnahme trennen, das Jugendamt zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder nimmt. Die Norm ging auf § 76 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (- Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts - BTDrucks 11/5948 S. 25) zurück. Zu dessen Begründung führte die seinerzeitige Entwurfsbegründung aus, die Vorschrift solle den Fällen Rechnung tragen, in denen die Eltern sich nach der Einleitung der Maßnahme trennen (BTDrucks 11/5948 S. 103 f.). Dies lässt erkennen, dass § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII nach dem Willen des Gesetzgebers - ebenso wie § 85 Abs. 4 SGB VIII 1990 an § 85 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII 1990 anknüpfte - in unmittelbarem Bezug zu § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII stehen sollte. Anders lassen sich die Hinweise auf die "nachträgliche Begründung verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte durch die beiden Elternteile" und die "Trennung der Eltern" nicht deuten (in diesem Sinne auch Eschelbach, JAmt 2011, 233 <235>).

22

b) § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 SGB VIII, der die Fälle des fehlenden Sorgerechts beider Elternteile nach Leistungsbeginn regelt, findet auch dann Anwendung, wenn die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte besitzen (aa). Anders verhält es sich für die Fälle des gemeinsamen Sorgerechts der Eltern, weil § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 SGB VIII dahin auszulegen ist, dass die Vorschrift auf die Voraussetzungen des § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII in vollem Umfang Bezug nimmt und damit auch ein (erstmaliges) Begründen verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte nach Leistungsbeginn voraussetzt (bb).

23

aa) Das Bundesverwaltungsgericht ist bereits in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass sich § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 SGB VIII allein auf das Merkmal "nach Beginn der Leistung" und nicht auf das Wort "Begründen" im Sinne des § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII bezieht. Die Regelung über das fehlende Sorgerecht beider Elternteile (§ 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 SGB VIII) erfasst mithin alle Fallgestaltungen, in denen die Eltern nach Leistungsbeginn verschiedene gewöhnliche Aufenthalte besitzen (Urteile vom 30. September 2009 a.a.O. jeweils Rn. 22, vom 9. Dezember 2010 a.a.O. Rn. 21, vom 12. Mai 2011 a.a.O. und vom 19. Oktober 2011 a.a.O. jeweils Rn. 35). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.

24

Dem Wortlaut des Satzes 2 des § 86 Abs. 5 SGB VIII ist bei gesonderter Betrachtung nicht zu entnehmen, welche Merkmale des Satzes 1 der Vorschrift in Bezug genommen werden. Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, die Tatbestandsmerkmale des Satzes 1 ganz oder teilweise in Satz 2 zu wiederholen. Zwar spricht die systematische Stellung des Satzes 2 innerhalb des Absatzes 5 in gewichtiger Weise dafür, dass sich dieser nachfolgende Satz 2 auf sämtliche Tatbestandsmerkmale des vorangehenden Satzes 1 bezieht. Allerdings ist dies nicht zwingend. Vielmehr kann etwa der Sinn und Zweck einer Vorschrift mit noch größerem Gewicht eine Auslegung des nachfolgenden Satzes dahin gebieten, dass dieser nur teilweise an die Voraussetzungen des vorangehenden Satzes anknüpft. So liegt es hier.

25

Der § 86 SGB VIII zugrunde liegenden Konzeption liefe es zuwider, den Geltungsbereich des Absatzes 5 Satz 2 Alt. 2 durch eine entsprechende Inbezugnahme nicht nur des Merkmals "nach Beginn der Leistung" im Sinne des Absatzes 5 Satz 1 Halbs. 1, sondern auch der darin vorgesehenen weiteren Anknüpfungstatsache der erstmaligen Begründung verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte der Elternteile auf die zuvor allein von Absatz 1 Satz 1 erfassten Fallgestaltungen zu reduzieren. Die Konzeption des § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 SGB VIII gründet auf dem Umstand, dass die individuellen Jugendhilfeleistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch, die Eltern in Anerkennung ihrer in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG beruhenden Verantwortung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Mai 1986 - 1 BvR 1542/84 - BVerfGE 72, 155 <172> m.w.N.) gewährt werden, darauf ausgerichtet sind, die Erziehungsfähigkeit der Elternteile zu stärken und ihre erzieherische Kompetenz zu fördern, um auf diese Weise eine eigenständige Wahrnehmung der elterlichen Erziehungsverantwortung zu ermöglichen (vgl. § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII). Dieser Situation Rechnung tragend verfolgen die Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit das Ziel, durch eine grundsätzliche Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Erziehungsverantwortlichen eine effektive Aufgabenwahrnehmung sicherzustellen. Die regelmäßig erforderliche enge und kontinuierliche Zusammenarbeit des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe mit den Eltern wird gerade durch dessen räumliche Nähe zu ihrem Aufenthaltsort ermöglicht und begünstigt. Hingegen bedarf es eben dieser räumlichen Nähe im Falle, dass kein Elternteil (mehr) das Sorgerecht hat (§ 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 SGB VIII), regelmäßig nicht. Diese Fallkonstellation ist vielfach dadurch geprägt, dass die betroffenen Kinder und Jugendlichen ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Einrichtungen oder Pflegestellen haben und nicht selten das Jugendamt am Ort der bisherigen Zuständigkeit zum Vormund bestellt wurde (vgl. auch BTDrucks 12/2866 S. 22). Gerade in Fällen, in denen die Erziehungsverantwortung (vgl. § 1626 Abs. 1, § 1631 Abs. 1 BGB) infolge des Entzugs der elterlichen Sorge nicht bei den Eltern liegt und sich das Kind oder der Jugendliche regelmäßig auch nicht bei einem Elternteil aufhält, besteht keine Notwendigkeit mehr, die örtliche Zuständigkeit weiterhin an den (künftigen) gewöhnlichen Aufenthalt eines Elternteils zu binden und sie mit diesem "mitwandern" zu lassen (Urteil vom 19. Oktober 2011 - BVerwG 5 C 25.10 - BVerwGE 141, 77 = Buchholz 436.511 § 86 SGB VIII/KJHG Nr. 15 jeweils Rn. 38).

26

bb) Demgegenüber nimmt die Regelung des § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 SGB VIII, die an das gemeinsame Sorgerecht der Eltern anknüpft, die Tatbestandsvoraussetzungen des Satzes 1 Halbs. 1 umfänglich in Bezug. Soweit aus der bisherigen Rechtsprechung des Senats zu § 86 Abs. 5 SGB VIII etwas anderes gefolgert werden konnte, hält der Senat daran nicht mehr fest.

27

Infolgedessen beschränkt sich der Anwendungsbereich des § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 SGB VIII auf die Fälle der erstmaligen Begründung verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte der Elternteile nach Beginn der Leistung sowie gegebenenfalls auf die Verlagerung dieser verschiedenen gewöhnlichen Aufenthalte in der Folgezeit. Für dieses Verständnis einer umfassenden Inbezugnahme der Voraussetzungen des § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII durch den in seinem Wortlaut neutralen § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 SGB VIII streiten neben der Gesetzessystematik auch der Sinn und Zweck und die Entstehungsgeschichte der Norm.

28

In den Fällen des gemeinsamen Sorgerechts gebietet es der oben näher dargelegte Zweck der Vorschrift, möglichst ein Näheverhältnis des Jugendamtes zu einem sorgeberechtigten Elternteil beizubehalten und zu bewirken, dass im Falle des Umzugs dieses Elternteils, bei dem das Kind regelmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt haben wird, auch die örtliche Zuständigkeit mit diesem "mitwandert" (vgl. Eschelbach, JAmt 2011, 233 <234>; Jung, JAmt 2011, 383 <383, 385>).

29

Auch die historisch-genetische Auslegung des § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 SGB VIII spricht für eine entsprechende umfängliche Inbezugnahme der Voraussetzungen des § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII. Die Rechtsfolge des § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 SGB VIII, also die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit nach der bisherigen Zuständigkeit, ist Ausdruck der Einschätzung des Gesetzgebers, die örtliche Zuständigkeit könne in den Fällen gemeinsam personensorgeberechtigter Eltern, die vor Beginn der Leistung einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten und nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte begründen, nicht verlässlich dynamisch an den gewöhnlichen Aufenthalt eines der beiden Elternteile geknüpft werden, da sich insoweit nicht abstrakt-generell feststellen lasse, welcher Elternteil künftig der Unterstützung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe bei der Wahrnehmung der Erziehungsverantwortung bedürfe (BTDrucks 12/2866 S. 21). Anders als in den von § 86 Abs. 2 und 3 SGB VIII geregelten Fällen, bei denen die Zuständigkeitsbestimmung an vorgefundene Aufenthalte angelehnt werden kann und in denen es dem gesetzgeberischen Regelungskonzept regelmäßig zuwiderliefe, die räumliche Nähe des Jugendhilfeträgers zu dem Elternteil, bei dem das Kind oder der Jugendliche seinen gewöhnlichen Aufenthalt bereits in der Vergangenheit genommen hat, durch eine Anknüpfung an die bisherige Zuständigkeit zu beenden, ist eine solche räumliche Nähe in der Konstellation einer erstmaligen Begründung verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte beider Elternteile nicht abstrakt-generell herzustellen, ohne besorgen zu müssen, dass die betreffende Anknüpfung nur einen Teil der denkbaren Fallgestaltungen sachgerecht erfasst.

30

cc) Gemessen an diesen Maßstäben war die Regelung des § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 SGB VIII hier nicht einschlägig. Zwar stand beiden Elternteilen nach Beginn der Leistung das Sorgerecht gemeinsam zu. Allerdings ist die von § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 SGB VIII in Bezug genommene Voraussetzung des § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII, dass die gewöhnlichen Aufenthalte der Eltern (erstmals) nach Beginn der Leistung "begründet" worden sein müssen, nicht erfüllt. Vielmehr hatten die Eltern bereits vor Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, weil der Kindesvater im Kreis E. verblieben, die Mutter jedoch mit dem Kind in den Zuständigkeitsbereich des Klägers verzogen war. Diese Konstellation wird von § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII erfasst.

31

2. Auf der nach alledem unrichtigen Anwendung des § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 i.V.m. Satz 1 Halbs. 1 SGB VIII beruht das Berufungsurteil. Der Beklagte war in dem streitgegenständlichen Zeitraum gemäß § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII örtlich zuständiger Jugendhilfeträger (a) und dem Kläger gemäß § 89c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII i.V.m. § 86c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zur Kostenerstattung verpflichtet, ohne dass dem die Regelung des § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII i.d.F. der Bekanntmachung vom 11. September 2012 (BGBl I S. 2022) entgegenstand (b).

32

a) Gemäß § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wenn die Personensorge für den Fall, dass die Elternteile - wie hier - bereits vor und bei Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte haben, jenen gemeinsam zusteht. So verhält es sich hier.

33

Ausweislich der den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) hatte T. seinen gewöhnlichen Aufenthalt vor Beginn der Leistung, mithin dem Zeitpunkt, ab dem die konkrete Hilfeleistung tatsächlich gegenüber dem Hilfeempfänger erbracht worden ist (vgl. Urteil vom 19. Oktober 2011 - BVerwG 5 C 25.10 - BVerwGE 141,77 = Buchholz 436.511 § 86 SGB VIII/KJHG jeweils Rn. 18 m.w.N.), hier am 20. Juni 2011, bei seiner Mutter. Diese hatte im streitgegenständlichen Zeitraum ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten.

34

b) § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII i.d.F. der Bekanntmachungen vom 14. Dezember 2006 (BGBl I S. 3134) bzw. vom 11. September 2012 (BGBl I S. 2022) steht einer Verurteilung des Beklagten zur Kostenerstattung nicht entgegen, da die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften des Achten Buches Sozialgesetzbuch entsprach. Die Hilfegewährung bedurfte des Einvernehmens beider personensorgeberechtigter Elternteile (aa). Von dessen Vorliegen war hier jedenfalls auf der Grundlage der Erklärung des Kindesvaters vom 12. November 2012 auszugehen (bb).

35

aa) Die Gewährung von Hilfe zur Erziehung im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB VIII setzt grundsätzlich das Einverständnis der Personensorgeberechtigten voraus. Damit trägt die Vorschrift dem Umstand Rechnung, dass ein originär öffentliches Erziehungsrecht im Kinder- und Jugendhilferecht abgesehen von den Fällen der §§ 42 und 43 SGB VIII nur in den engen Grenzen des § 1666 BGB besteht (Urteil vom 21. Juni 2001 - BVerwG 5 C 6.00 - Buchholz 436.511 § 39 SGB VIII/KJHG Nr. 2 S. 4 f.). Hier setzte die Hilfegewährung materiellrechtlich neben dem Antrag eines Personensorgeberechtigten, hier der Kindesmutter, auch das Einvernehmen des anderen Personensorgeberechtigten, hier des Kindesvaters, voraus.

36

Personensorgeberechtigter im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII ist, wem allein oder gemeinsam mit einer anderen Person nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Personensorge zusteht. Dementsprechend beurteilt sich die Frage, ob in den Fällen der gemeinsamen Ausübung der elterlichen Sorge die Gewährung von Hilfe zur Erziehung des Einvernehmens beider Elternteile bedarf oder der Alleinentscheidungsbefugnis eines Elternteils unterliegt, nach familienrechtlichen Maßstäben. Leben Eltern, denen - wie hier - die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so ist gemäß § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ihr gegenseitiges Einvernehmen erforderlich. Die Alleinentscheidungsbefugnis des Elternteils, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält, beschränkt sich gemäß § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Angelegenheiten des täglichen Lebens. Maßstab für die Entscheidung, ob ein Elternteil - trotz fortbestehender gemeinsamer Sorge - im Sinne des § 1687 Abs. 1 BGB allein oder nur im gegenseitigen Einvernehmen handeln kann, ist die Qualität der zu treffenden Entscheidung und die Erheblichkeit ihrer Bedeutung für das Kindeswohl. Danach sind Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, im Sinne des § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB regelmäßig solche, die für die künftige Entwicklung und Sozialisation des Kindes, aber auch für sein Sozialisationsumfeld von erheblicher Bedeutung sind (Salgo, in: v. Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 2006, § 1687 Rn. 30). Demgegenüber sind nach der Legaldefinition des § 1687 Abs. 1 Satz 3 BGB Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens in der Regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben.

37

Die Frage, ob die Entscheidung über die Inanspruchnahme von Hilfe zur Erziehung gemäß den §§ 27 ff. SGB VIII zu den Angelegenheiten zählt, deren Regelung für das Kind von grundsätzlicher Bedeutung ist und damit gegenseitiges Einvernehmen erfordert, oder eine Angelegenheit des täglichen Lebens darstellt, bedarf mit Blick auf die unterschiedliche Relevanz der einzelnen Arten der Hilfe zur Erziehung, ihre Dauer und die Intensität der Einflussnahme auf die Lebenssituation des Kindes einer differenzierenden Betrachtung unter Berücksichtigung insbesondere der Qualität der zu treffenden Entscheidung (Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 7 Rn. 11). Zielt die beantragte Hilfe auf eine Unterbringung des Kindes außerhalb der elterlichen Familie, so ist die Antragstellung als Angelegenheit einzustufen, deren Regelung für das Kind von grundsätzlicher Bedeutung ist. Nichts anderes gilt grundsätzlich für den Fall, dass ambulante Hilfen, insbesondere solche therapeutischer Art, längerfristig in Anspruch genommen werden sollen (DIJuF-Rechtsgutachten vom 2. April 2007 - J 8.110 Kü -, JAmt 2007, 351; Schmid-Obkirchner, in: Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 27 Rn. 11). Dieser Form der ambulanten Hilfen unterfallen regelmäßig, so auch hier, sowohl die sozialpädagogische Familienhilfe als auch die Erziehungsbeistandschaft. Beide sind zumeist auf längere Dauer angelegt (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII) und zeitigen unmittelbare Auswirkungen auf das Kind oder den Jugendlichen und dessen Entwicklung (DIJuF-Rechtsgutachten vom 2. April 2007 - J 8.110 Kü -, JAmt 2007, 351; Salgo, in: v. Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 2006, § 1687 Rn. 46).

38

bb) Davon, dass zwischen den Personensorgeberechtigten gegenseitiges Einvernehmen (vgl. § 1627 Satz 1 BGB) über die Beantragung und Gewährung der Hilfe bestand, ist hier auf der Grundlage der Erklärung des Kindesvaters vom 12. November 2012 auszugehen ((1)). Der Senat ist nicht gehindert, diese Erklärung im revisionsgerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen ((2)).

39

(1) Die Willensäußerung der Personensorgeberechtigten unterliegt den allgemeinen Regelungen für Willenserklärungen entsprechend den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Stähr, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand: Juli 2013, § 27 Rn. 66). Danach steht hier die Tatsache, dass der Kindesvater sein Einvernehmen mit der Hilfegewährung erst nachträglich erklärt hat, der Annahme, dass die Hilfe zur Erziehung im gegenseitigen Einvernehmen beider Personensorgeberechtigten beantragt wurde, nicht entgegen. Die Erklärung des Kindesvaters vom 12. November 2012 gibt vielmehr Anlass zu der Annahme, dass zwischen den Personensorgeberechtigten von Anfang an Einvernehmen hinsichtlich der Beantragung und Gewährung der sozialpädagogischen Familienhilfe und der Erziehungsbeistandschaft bestand.

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Der Kindesvater hat in seiner Erklärung nicht nur die Fortgewährung der bewilligten Hilfe beantragt, sondern ausdrücklich auch rückwirkend seine Zustimmung zu den bislang gewährten Jugendhilfeleistungen erteilt. Diese Erklärung steht im Einklang mit dem Umstand, dass er, obwohl er Kenntnis von der Gewährung der sozialpädagogischen Familienhilfe und der Erziehungsbeistandschaft hatte, der Leistung zu keinem Zeitpunkt widersprochen hat. Zwar erlaubt allein die Tatsache einer entsprechenden Kenntnis nicht, auf das anfängliche Bestehen des erforderlichen Einvernehmens zu schließen. Im Lichte der Erklärung vom 12. November 2012 ist ihr jedoch eine gewisse Indizwirkung nicht abzusprechen.

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(2) Das Bundesverwaltungsgericht ist auch nicht gehindert, die Erklärung des Einvernehmens im revisionsgerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen.

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Zwar ist es in seiner Funktion als Revisionsgericht im Einklang mit den Revisionszwecken der Rechtsvereinheitlichung, der Rechtsfortbildung und der Verfahrenskontrolle grundsätzlich auf die Rechtsanwendung, insbesondere die Überprüfung des vorinstanzlichen Urteils auf eine Verletzung revisiblen Rechts beschränkt, weshalb es grundsätzlich weder Tatsachen erheben noch im Revisionsverfahren neu vorgebrachte Tatsachen berücksichtigen darf. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist indes für den Fall anerkannt, dass ein nachträglich eingetretener oder nicht festgestellter einzelner Umstand völlig unstreitig ist, seine Verwertung einer endgültigen Streiterledigung dient und schützenswerte Interessen der Beteiligten dadurch nicht berührt werden (Urteile vom 20. Oktober 1992 - BVerwG 9 C 77.91 - BVerwGE 91, 104 <106 f.> und vom 23. Februar 1993 - BVerwG 1 C 16.87 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 64 S. 22). So liegt es hier.

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Die neue Tatsache des Einvernehmens von T.s Vater mit der Hilfebeantragung und -gewährung im Revisionsverfahren ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Einer Beweiserhebung bedarf es insoweit nicht. Schützenswerte Interessen des Beklagten werden durch eine Berücksichtigung nicht berührt. Vielmehr hat dieser die Zustimmung durch den Kindesvater in seiner Revisionserwiderungsschrift "begrüßt". Die Berücksichtigung der Erklärung dient auch der endgültigen Streiterledigung, weil sie einen objektiv drohenden weiteren Rechtsstreit in dieser Sache vermeidet. Würde der nachträglich eingetretene Umstand des Einvernehmens des Vaters nicht berücksichtigt und die Revision mit Blick auf § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zurückgewiesen, wäre der Kläger nicht gehindert, unter Hinweis auf das nunmehr vorliegende Einvernehmen einen neuen Prozess anzustrengen. Die Rechtskraft des abgeschlossenen Verfahrens stände der Berücksichtigung der hier in Rede stehenden neuen Tatsache nicht entgegen (vgl. Urteil vom 23. November 1999 - BVerwG 9 C 16.99 - BVerwGE 110, 111 <117> = Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 5 S. 2<5>).

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c) Der Zinsanspruch des Klägers rechtfertigt sich aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB (Urteil vom 22. November 2001 - BVerwG 5 C 42.01 - BVerwGE 115, 251 <256> = Buchholz 436.511 § 89e SGB VIII/KJHG Nr. 1 S. 5 m.w.N.).

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.