Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 20. Juli 2015 - 11 L 2249/15


Gericht
Tenor
Der Antrag wird einschließlich des Prozesskostenhilfegesuchs abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Der am 1. Juli 2015 bei Gericht sinngemäß anhängig gemachte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage 11 K 4642/15 wiederherzustellen, soweit sie sich gegen die in der Ordnungsverfügung der Beklagten vom 18. Juni 2015 enthaltene Nutzungsuntersagung richtet und anzuordnen, soweit sie sich gegen die mit gleicher Verfügung ausgesprochene Androhung unmittelbaren Zwangs richtet,
4hat keinen Erfolg.
5Er ist zulässig, insbesondere fehlt der Antragstellerin nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Dass die Antragsgegnerin über den am 30. Juni 2015 bei ihr gestellten Aussetzungsantrag der Antragstellerin nach § 80 Absatz 4 VwGO – soweit ersichtlich – noch nicht schriftlich entschieden hat, ist unbeachtlich. Besondere Formvorschriften enthält § 80 Absatz 6 VwGO für die behördliche Entscheidung nicht. Die Antragsgegnerin hat aber nach den unbestritten gebliebenen Angaben der Antragstellerin am 30. Juni 2015 jedenfalls mündlich erklärt, dass sie die sofortige Vollziehung nicht aussetzen werde. Ungeachtet dessen ist das Vorliegen einer ablehnenden behördlichen Aussetzungsentscheidung nach § 80 Absatz 6 Satz 1 VwGO ohnehin nur in den Fällen des § 80 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO Zulässigkeitsvoraussetzung des gerichtlichen Aussetzungsantrags, nicht dagegen, wenn die sofortige Vollziehbarkeit der Verfügung ‑ wie vorliegend – auf einer behördlichen Anordnung nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO beruht bzw. kraft Gesetzes eintritt, § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 VwGO i.V.m. § 112 JustG NRW.
6Der Antrag hat aber in der Sache keinen Erfolg.
7Die in der Ordnungsverfügung vom 18. Juni 2015 enthaltene Anordnung der sofortigen Vollziehung der Aufforderung, die Nutzung des Hausgrundstücks T. Str. 102 zu Wohnzwecken innerhalb einer Woche nach Zustellung der Verfügung einzustellen (§ 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 VwGO), entspricht den formellen Anforderungen des § 80 Absatz 3 Satz 1 VwGO. Danach ist das für eine solche Anordnung gemäß § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 VwGO erforderliche besondere öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Diese Begründung darf nicht nur formelhaft sein und sich etwa in der Wiedergabe des Wortlauts der Ermächtigungsnorm für den Verwaltungsakt oder in dem Hinweis auf dessen Rechtmäßigkeit erschöpfen, sondern muss es dem Adressaten ermöglichen, seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten eines etwaigen Rechtsmittels abzuschätzen,
8vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 80 Rn 84 f.
9Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Antragsgegnerin hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung auf Blatt 7 des angegriffenen Bescheides schriftlich begründet und in dieser Begründung in rechtlich nicht zu beanstandender einzelfallbezogener Weise die Unaufschiebbarkeit der Nutzungsuntersagung unter Hinweis auf eine aus der derzeit nicht nachweisbaren Standsicherheit des Gebäudes, insbesondere wegen der vom Ingenieurbüro T1. festgestellten erheblichen Mängel an der hofseitigen Fußpfette sowie am nordöstlichen Giebel folgenden Gefahr für die das Haus bewohnende Antragstellerin, sonstige Nutzer des Gebäudes sowie die Nutzer der unmittelbar am Haus vorbeiführenden T. Straße dargelegt. Ob die Begründung für den vorliegenden Fall im Einzelnen zutreffend ist und auch im Übrigen ausreicht, das überwiegende öffentliche Vollzugsinteresse zu begründen, ist für die Erfüllung der rein formellen Begründungspflicht nach § 80 Absatz 3 Satz 1 VwGO ohne Bedeutung.
10Nach § 80 Absatz 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen – wie vorliegend – die Behörde die sofortige Vollziehung nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 VwGO, § 80 Absatz 3 Satz 1 VwGO formell rechtmäßig angeordnet und begründet hat, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherstellen, wenn das Interesse des Adressaten, von der Vollziehung einer Maßnahme vorläufig verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Dies ist in der Regel der Fall, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig darstellt und ein öffentliches Interesse an seiner Vollziehung daher nicht bestehen kann. Ist der Verwaltungsakt bei summarischer Prüfung hingegen offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes gegeben ist. Lässt sich bei summarischer Prüfung weder die offensichtliche Rechtswidrigkeit noch die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes feststellen, so ist dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung stattzugeben, wenn bei einer allgemeinen Abwägung der beiderseitigen Interessen das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollziehungsinteresse überwiegt.
11Ausgehend von diesen Maßstäben fällt die Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin aus.
12Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach– und Rechtslage erweist sich die angegriffene Nutzungsuntersagung als offensichtlich rechtmäßig.
13In formeller Hinsicht begegnet die Ordnungsverfügung keinen Bedenken. Offen bleiben kann insoweit vorliegend, ob die Antragsgegnerin nach § 28 Absatz 2 Nr. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG.NRW) wegen Gefahr im Verzuge von der Anhörung absehen durfte. Ein etwaiger Anhörungsmangel führt nicht zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, wenn der Fehler – wie vorliegend – durch den Austausch von Schriftsätzen im gerichtlichen Verfahren gemäß § 45 Absatz 2, Absatz 1 Nr. 3 VwVfG.NRW geheilt worden ist oder jedenfalls bis zur Entscheidung des Hauptsacheverfahrens geheilt werden könnte,
14vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 14. Juni 2010 – 10 B 270/10-, juris Rn 7 und vom 29. Oktober 2010 – 7 B 1293/10 -, juris Rn 13.
15Die angegriffene Nutzungsuntersagung ist auch materiell rechtmäßig.
16Sie findet ihre Ermächtigungsgrundlage in § 61 Absatz 1 Satz 1 und 2 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen – Landesbauordnung - (BauO NRW). Danach haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, der Änderung, dem Abbruch, der Nutzung, der Nutzungsänderung sowie der Instandhaltung baulicher Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden. Sie haben in Wahrnehmung dieser Aufgaben nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die Voraussetzungen für ein solches Einschreiten liegen vor.
17Die Nutzung des auf dem Grundstück T. Str. 102 stehenden Gebäudes zu Wohn- und Aufenthaltszwecken ist materiell illegal, da sie gegen materielle Vorgaben des Baurechts, und zwar gegen die in § 15 Absatz 1 BauO NRW enthaltenen Bestimmungen zur Standsicherheit von baulichen Anlagen, verstößt. Das Wohnhaus der Antragstellerin auf dem Grundstück T. Str. 102 ist nicht standsicher im Sinne dieser Vorschrift.
18Nach § 3 Absatz 1 Satz 1 BauO NRW sind bauliche Anlagen so zu unterhalten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben und Gesundheit, nicht gefährdet werden. Bauliche Anlagen müssen funktionsgerecht ohne Missstände nutzbar sein. § 15 Absatz 1 BauO NRW konkretisiert diese elementare bauordnungsrechtliche Sicherungsanforderung dahin, dass jede bauliche Anlage im Ganzen und in ihren Teilen sowie für sich allein während der gesamten Bestandsdauer standsicher sein muss. Der Gesetzgeber hat damit der Erkenntnis Rechnung getragen, dass Mängel einer baulichen Anlage, die die Standsicherheit betreffen, zu einem vollständigen oder jedenfalls teilweisen Einsturz der baulichen Anlage führen können und damit eine erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit darstellen,
19vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Oktober 2000 – 10 A 4113/00 - , juris, Rn 2.
20Hieraus folgt, dass bereits die fehlende Standsicherheit nur eines Gebäudeteils dazu führt, dass die in Rede stehende bauliche Anlage grundsätzlich insgesamt nicht mehr als standsicher angesehen werden kann. Genügt eine bauliche Anlage den Anforderungen des § 15 Absatz 1 BauO NRW nicht, kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob mit der fehlenden Standsicherheit zugleich eine konkrete Gefährdung der in § 3 BauO NRW genannten Rechtsgüter einhergeht. § 15 geht über die Abwehr konkreter Gefahren hinaus, indem er die Erhaltung eines baulichen Zustands vorschreibt, der dem Eintritt einer solchen Gefahr gerade vorbeugt,
21vgl. Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Beschluss vom 22. November 2013 – 6 L 1269/13 -, juris, Rn 17 ff.; Gädtke, Czepuck, Johlen, Plietz, Wenzel, BauO NRW, Kommentar, 12. Auflage 2011, § 15 Rn 1; Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Radeisen, BauO NRW, Kommentar, Stand: Februar 2015, § 3 Rn 1 und § 15 Rn 1 und 3.
22Unter Anlegung dieser Maßstäbe liegen die Voraussetzungen für das Bestehen einer Gefahr im vorstehenden Sinne vor. Das Wohnhaus der Antragstellerin ist nicht mehr standsicher im Sinne von § 15 Absatz 1 BauO NRW.
23Dabei kann – entgegen der Auffassung der Antragstellerin - offen bleiben, ob sich dies schon daraus ergibt, dass nach der gutachterlichen Einschätzung des Ingenieurbüros T1. vom 26. April 2015 für das Fachwerkhaus der Antragstellerin ein Standsicherheitsnachweis nach heutigen Anforderungen nahezu ausgeschlossen ist, weil die tragende Struktur des über 100 Jahre alten Hauses den heutigen DIN-Normen und dem heutigen Stand der Technik nicht entspricht und zudem durch Aufmaß festgestellt wurde, dass abstützende Bauteile zum Teil in den einzelnen Etagen nicht übereinander stehen, so dass die Vertikallasten über die Deckenbalken in die tragenden Wände in den unterhalb liegenden Etagen abgeleitet werden müssen. Denn losgelöst von der Frage, welcher Maßstab für die Feststellung der Standsicherheit einer – unbeschädigten - Konstruktion eines älteren Fachwerkhauses anzulegen ist, ergibt sich die fehlende Standsicherheit des Gebäudes vorliegend jedenfalls aus den vom Gutachter darüber hinaus in seiner Stellungnahme vom 26. April 2015 festgestellten konkreten Schäden am Gebäude.
24Die nordöstliche Giebelwand des Hauses ist derzeit nicht standsicher. Insoweit hat die Antragsgegnerin ihre Feststellungen in der angegriffenen Ordnungsverfügung zu Recht auf das von der Antragstellerin eingeholte Gutachten des Ingenieurbüros T1. vom 26. April 2015 gestützt. Auch wenn der Gutachter nicht ausdrücklich formuliert hat, dass die nordöstliche Giebelwand „nicht mehr standsicher“ ist, ergibt sich dies – entgegen der Auffassung der Antragstellerin - unzweifelhaft aus den von ihm im Gutachten getroffenen nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Feststellungen. Der Gutachter hat seine Einschätzung zum baulichen Zustand der Fachwerkkonstruktion aufgrund mehrerer eigener Ortsbesichtigungen des Hauses (innen und außen) sowie unter Einbeziehung des bereits am 22. Februar 2008 erstellten Gutachtens des Ingenieurbüros P. zu den biotischen Schäden am Gebäude und damit auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage getroffen. Er hat festgestellt, dass in der nordöstlichen Giebelwand mit der freiliegenden Fachwerkkonstruktion in Höhe der Decke zum Kellergeschoss im Mittelbereich erhebliche Substanzverluste (Feuchtigkeit, Pilz, Nager) in der Holzkonstruktion bestehen, die dazu führen, dass die Vertikallasten nicht mehr abgetragen werden. Dies hat – bereits optisch wahrnehmbar – dazu geführt, dass sich die Giebelwand ausbeult. Der Gutachter gelangt zu dem Schluss, dass zugleich auch der Verbund mit Innenwänden und der Geschossdecke zerstört sei (vgl. Ziffer 1 c des Gutachtens). Die Frage, wie lange aus statischer Sicht mit Gegenmaßnahmen gewartet werden kann, hat der Gutachter eindeutig dahin gehend beantwortet, dass die Schäden im nordöstlichen Giebel so schwerwiegend sind, dass unmittelbarer Handlungsbedarf gegeben ist (Ziffer 2 c). Dass der Gutachter insoweit zugleich von einer fehlenden Standsicherheit der nordöstlichen Giebelseite ausgeht, mithin ohne Ergreifung von Gegenmaßnahmen die Gefahr des Einsturzes besteht, ergibt sich schließlich auch aus den Feststellungen zu Ziffer 5 des Gutachtens. Die Fragestellung zu Ziffer 5, ob eine weitere Wohnnutzung des Gebäudes aus statischer Sicht noch zu verantworten sei, hat der Gutachter unmissverständlich dahin gehend beantwortet, dass „zu einer weiteren Wohnnutzung (...) aus statischer Hinsicht zunächst die oben beschriebenen, unmittelbar erforderlichen Sanierungsmaßnahmen durchzuführen“ seien. Insoweit bezieht er sich u.a. auf die in Ziffer 2 Buchstabe c bezeichneten Schäden am nordöstlichen Giebel, für die er einen unmittelbaren Handlungsbedarf festgestellt hat. Erst danach sei eine „weitere, vorübergehende Wohnnutzung im bisherigen, geringfügigen Rahmen möglich“, die allerdings auch eine ständige Überwachung der Tragwerksstruktur erfordere. Dass der Gutachter hinsichtlich der Schäden am nordöstlichen Giebel von einer direkten Auswirkung auf die Standsicherheit ausgeht, ergibt sich im Übrigen auch im Vergleich mit seinen Ausführungen zum südwestlichen Giebel, zu dem er ausdrücklich ausführt, dass die dortigen Schäden bis jetzt noch keine direkte Auswirkung auf die Standsicherheit der Gesamtkonstruktion haben. Hieraus erklärt sich zugleich der längere Reparaturhorizont von 1 bis 2 Jahren für diesen Gebäudebereich (vgl. Ziffer 2 d).
25Aber auch der Dachstuhl ist ausweislich der Feststellungen des Gutachtens (Ziffer 1 e, 2 e und 5) nicht standsicher, da es aufgrund einer jedenfalls auf der Hofseite – die Straßenseite konnte aufgrund eines vorhandenen Gesimses noch nicht überprüft werden - fehlenden aber erforderlichen Verankerung der Fußpfette in der Balkenlage der Decke über dem Erdgeschoss fehle. Das fehlerhafte Sparrenauflager stelle einen erheblichen Mangel der Tragfähigkeit des Dachstuhls dar, der eine unmittelbare Reparatur zwingend erforderlich mache, bevor die Balkenkonstruktion überhaupt wieder betreten, erst recht mit Dachziegeln oder auch nur leichten Wellpappen belastet werden könne. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der Dachstuhl ungeachtet der festgestellten Mängel – sofern er nicht betreten wird – nach Einschätzung des Gutachters derzeit wohl nicht unmittelbar zusammenbrechen wird. Dies beruht allein darauf, dass der Dachstuhl derzeit aufgrund begonnener Dacharbeiten nicht mehr mit Ziegeln eingedeckt und daher schon gar nicht funktionsgemäß genutzt wird. Bereits die fehlende Standsicherheit eines Gebäudeteils als solche berechtigt aber die Bauaufsichtsbehörde nach obigen Ausführungen zum Einschreiten. Eine akute Einsturzgefahr ist für die Annahme der fehlenden Standsicherheit nach § 15 Absatz 1 BauO NRW nicht erforderlich,
26vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 12. September 2014 – 9 K 2342/13 - juris Rn 48 f.; OVG NRW, Urteil vom 2. Februar 1994 – 10 A 1149/91 -, NVwZ-RR 1995, 247; Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW, Kommentar, 12. Auflage 2011, §15 Rn 1, wonach selbst hinreichende Zweifel an der Standsicherheit zur Annahme eines Verstoßes gegen § 15 Absatz 1 BauO NRW führen.
27Soweit die Antragstellerin darauf hinweist, dass der Gutachter für die Beseitigung der schwerwiegenden Mängel keine Frist gesetzt habe, ergibt sich daraus nichts anderes. Die Antragstellerin übersieht insoweit, dass der Gutachter von einer Fristsetzung schon deshalb absehen konnte, weil er für den Mangel der Standsicherheit der nordöstlichen Giebelseite – ebenso wie für die fehlende Tragfähigkeit des Dachstuhls - gerade einen zwingenden, sofortigen Handlungsbedarf festgestellt hat.
28Die Nutzungsuntersagung ist auch im Übrigen rechtmäßig. Die Antragsgegnerin hat das ihr nach § 61 Absatz 1 Satz 2 BauO NRW eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Insbesondere ist die angeordnete Nutzungsuntersagung nicht unverhältnismäßig.
29Gegen die Inanspruchnahme der Antragstellerin als Störerin bestehen keine Bedenken. Die Antragstellerin ist nicht nur Miteigentümerin und damit Zustandsstörerin i.S.v. § 18 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über den Aufbau und die Befugnisse der Ordnungsbehörden - (Ordnungsbehördengesetz (OBG) -, sondern – anders als die beiden weiteren Miteigentümer – zugleich auch alleinige Nutzerin des nicht standsicheren Gebäudes und damit zugleich Verhaltensstörerin i.S.v. § 17 Absatz 1 OBG.
30Die Nutzungsuntersagung ist zur Zweckerreichung – der Abwehr der aufgrund der fehlenden Standsicherheit des Gebäudes bestehenden Gefahren – geeignet und erforderlich. Ein gleich geeignetes und zugleich weniger belastendes Mittel der Gefahrenabwehr ist nicht ersichtlich.
31Insbesondere scheidet das von der Antragstellerin vorgeschlagene Abstützen eines austauschbedürftigen Balkens, der oberhalb des Eingangsbereichs des Podestes liege, aus. Dem Gutachten vom 26. April 2015 lassen sich schon nicht ansatzweise Ausführungen zu einem solchen einzelnen austauschbedürftigen Balken in der genannten Position entnehmen. Der Sanierungsbedarf hinsichtlich der nordöstlichen Giebelwand ist wesentlich weitreichender (vgl. Seite 6 des Gutachtens). Soweit der Gutachter überhaupt eine provisorische Maßnahme anspricht, betrifft diese ebenfalls nicht einen einzelnen Deckenbalken, sondern eine provisorische Dacheindeckung mit leichten Wellplatten, die aber ihrerseits zunächst eine Sicherung der Fußpfette voraussetzt (vgl. Seite 5 des Gutachtens). Von einer Möglichkeit, die weitere Wohnnutzung durch Abstützen eines einzelnen Deckenbalkens zu ermöglichen, ist nicht die Rede. Ungeachtet dessen reicht ein behelfsmäßiges Abstützen – ungeachtet der Frage, ob dies dem Eigentümer nach § 61 Absatz 1 BauO NRW überhaupt aufgegeben werden könnte – nicht aus. Dem gesetzlichen Gebot der Standsicherheit ist auch dann nicht genügt, wenn die Standsicherheit eines Gebäudes nur durch behelfsmäßige Abstützmaßnahmen bewirkt werden kann,
32vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Radeisen, BauO NRW, Kommentar, Stand Februar 2015, § 15 Rn 6; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 20. Dezember 2013 – 6 L 1387/13 - , juris Rn 29.
33Ebenso scheidet die Verpflichtung der Antragstellerin zu konkreten Sanierungs- bzw. Reparaturmaßnahmen aus. Aus Artikel 14 GG folgt, dass ein Eigentümer dann, wenn nicht besondere öffentliche Interessen, wie z.B. der Denkmalschutz, für eine Erhaltung des Objekts sprechen, frei darüber entscheiden kann, ob er ein nicht mehr standsicheres Gebäude saniert oder abreißt, oder - im Sanierungsfalle –, welche von mehreren gleich geeigneten Sanierungsmaßnahmen zur Herstellung der Standsicherheit er ergreift,
34vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 22. Februar 2011 – AN 18 S 11.00079 – juris, Rn 42.
35Selbst wenn es der Antragsgegnerin gelänge, die gutachterlichen Feststellungen überhaupt in dem Bestimmtheitsgebot genügende konkrete Sanierungsvorgaben umzuformulieren, was angesichts der allgemein gehaltenen Aussagen im Gutachten, das den Schwerpunkt auf das Erfordernis und weniger auf die konkrete Art der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen legt, zumindest zweifelhaft erscheint, würde die Antragsgegnerin jedenfalls in das o.g. Bestimmungsrecht der Antragstellerin eingreifen. Dies wiegt vorliegend umso schwerer, als das Gutachten bereits jetzt - über die unmittelbar zu beseitigenden Schäden hinaus – aufzeigt, dass die weiteren vorhandenen Schäden ebenfalls in naher Zukunft Auswirkungen auf die Standsicherheit haben werden und damit einen weiteren erheblichen Sanierungsbedarf verursachen werden. Es muss aber vor diesem Hintergrund der Entscheidungsfreiheit der Antragstellerin und der anderen Miteigentümer überlassen bleiben, ob sie jetzt noch in das Bauwerk investieren und die aktuell aus statischen Gründen erforderlichen Sanierungen vornehmen oder bereits jetzt eine Nutzung des Hauses vollständig aufgeben wollen.
36Ungeachtet dessen steht der Anordnung von konkreten Sanierungsmaßnahmen aber vor allem entgegen, dass es sich nicht um ein gleich geeignetes Mittel der Gefahrenabwehr handeln würde, da bis zum Zeitpunkt der Wiederherstellung der Standsicherheit weitere, u.U. erhebliche Zeit verstreichen würde, in der die aus der fehlenden Standsicherheit resultierende Einsturzgefahr fortbestehen würde und sich jederzeit realisieren könnte. Daraus, dass sich die erstmals durch Gutachten vom 26. April 2015 durch einen Sachverständigen festgestellte fehlende Standsicherheit der nordöstlichen Giebelwand und des Dachstuhls bis heute nicht realisiert hat, kann nicht darauf geschlossen werden, dass dies auch für die Zukunft weiterhin der Fall sein wird. Denn der Einsturz eines Gebäudes oder eines Teils davon ist in aller Regel ein plötzliches Ereignis, das sich im Gegensatz zu anderen Gefahren in wenigen Sekunden ereignen kann. Die Untersagung der Nutzung des Gebäudes ist daher jedenfalls so lange unumgänglich, wie etwaige Arbeiten am Haus noch nicht einen Stand erreicht haben, der eine Einsturzgefahr ausschließt bzw. die Bewohnbarkeit des Objekts garantiert, worauf die Antragsgegnerin in den zu der Ordnungsverfügung erlassenen Hinweisen auch zutreffend hingewiesen hat.
37Die von der Antragstellerin geforderte Anordnung konkreter Sanierungsmaßnahmen, die nach ihrer Auffassung dann im Wege der Ersatzvornahme durch den Bauhof der Antragsgegnerin oder zu beauftragende Handwerksunternehmen durchgeführt werden könnte, zielt – angesichts der nach der Aktenlage und eigenen Angaben fehlenden finanziellen Mittel der Antragstellerin und der übrigen Miteigentümer - zudem letztlich darauf, die (finanzielle) Verantwortung der Antragstellerin für den bauordnungsgemäßen Zustand ihres Eigentums auf die Allgemeinheit abzuwälzen.
38Die Nutzungsuntersagung ist schließlich auch angemessen. Insbesondere begegnet die ‑ wenn auch kurze ‑ Frist zur Einstellung der Wohnnutzung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten keinen Bedenken. Angesichts der vom Gutachter derzeit nicht als verantwortbar bewerteten weiteren Wohnnutzung des Hauses und des hohen Rangs der gefährdeten Schutzgüter Leib und Leben hat der Antragsgegner der Antragstellerin mit der Wochenfrist eine angemessene Frist zur Befolgung der Ordnungsverfügung gesetzt, die zugleich ausreichend berücksichtigt, dass die Antragstellerin aufgrund dieser Verfügung ihren Lebensmittelpunkt – zumindest vorübergehend – verlagern und die hierfür erforderlichen organisatorischen Maßnahmen treffen muss. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Nutzungsuntersagung keine Anordnung darstellt, die für die Antragstellerin vollkommen überraschend erfolgt, sondern vielmehr eine Maßnahme darstellt, die den Schlusspunkt eines mehrere Jahre dauernden Verwaltungsverfahrens zur Klärung der Standsicherheit ihres Hauses bildet, in dem sie auch bereits frühzeitig auf die Möglichkeit einer solchen Nutzungsuntersagung hingewiesen worden ist (vgl. z.B. Anhörungsschreiben vom 9. August 2013). Letztlich hat die Antragstellerin im Herbst 2014 selbst einen Gutachter mit der Prüfung der Standsicherheit ihres Hauses beauftragt. Aufgrund des ihr unmittelbar durch das Ingenieurbüro T1. zugeleiteten Gutachtens vom 26. April 2015 hatte die Antragstellerin auch bereits vor der Antragsgegnerin, die das Gutachten erst am 7. Mai 2015 erhalten hat, Kenntnis von dem für sie ungünstigen Ergebnis der Standsicherheitsprüfung. Dass die Antragsgegnerin für die fachliche Prüfung des Gutachtens anschließend einige Zeit benötigt und die Ordnungsverfügung erst am 18. Juni 2015 erlassen hat, steht der allein an der Eilbedürftigkeit der Nutzungsaufgabe zu messenden Frist ebenfalls nicht entgegen.
39Das hohe Alter der Antragstellerin führt unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten schließlich ebenso wenig weiter wie der Hinweis auf ihr Eigentumsrecht. Bauordnungsrechtliche Anforderungen stellen sich vielmehr als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Grundrechts dar,
40vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Oktober 2010 – 10 A 4113/00 -, juris Rn 4.
41Zudem stehen der Beeinträchtigung des Eigentumsrechts und dem Interesse der Antragstellerin am Verbleib in ihrer bisherigen Wohnung die ungleich bedeutenderen Rechtsgüter Leben und Gesundheit der Antragstellerin selbst sowie sonstiger Personen, die sich vorübergehend zu Besuchszwecken oder aus anderen Gründen in ihrem Haus aufhalten, entgegen. Gleiches gilt für die Nutzer der am Haus der Antragstellerin entlang führenden T. Straße.
42Eine durch die Nutzungsuntersagung eventuell drohende – jedenfalls vorübergehende – Obdachlosigkeit der Antragstellerin führt ebenfalls nicht zur Unangemessenheit der Nutzungsuntersagung. Sie löst gegebenenfalls im Rahmen der Vollstreckung eine weitere Eingriffsverpflichtung der Antragsgegnerin aus. Ausweislich der Verwaltungsvorgänge ist sich die Antragsgegnerin dieser Auswirkung bewusst. Sie hat bereits Kontakt mit den zuständigen Fachämtern aufgenommen und bemüht sich bereits vorbereitend intensiv um eine Beschaffung von eventuell erforderlichem Ersatzwohnraum.
43Soweit die Antragstellerin darüber hinaus beantragt, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die in der Ordnungsverfügung enthaltene Androhung unmittelbaren Zwangs anzuordnen, § 80 Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 JustG NRW, ist dieser zulässige Antrag ebenfalls unbegründet. Bei der gebotenen summarischen Prüfung bestehen auch gegen die Androhung des unmittelbaren Zwangs keine durchgreifenden Bedenken.
44Die Androhung unmittelbaren Zwangs genügt den Voraussetzungen der §§ 55, 57, 62, 63 VwGO. Insbesondere ist die Frist von einer Woche ab Zustellung der Ordnungsverfügung aus den vorstehenden Gründen angemessen, § 63 Absatz 1 Satz 2 VwVG. Das Erfordernis, dem Vollstreckungsschuldner den Zeitpunkt der Zwangsräumung eine angemessene Zeit vorher mitzuteilen, § 62a VwVG, steht dem nicht entgegen. § 62a VwVG ist erst bei der Festsetzung des unmittelbaren Zwangs zu berücksichtigen. Die Einstellung der Wohnnutzung ist schließlich keine vertretbare Handlung, so dass eine Ersatzvornahme - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - nicht in Betracht kommt, § 59 Absatz 1 VwVG. Die Androhung eines Zwangsgeldes verspricht angesichts der finanziellen Situation der Antragstellerin, wie sie sich nicht zuletzt aus ihrem Prozesskostenhilfeantrag ergibt, keinen Erfolg, so dass die Antragsgegnerin mit der Androhung unmittelbaren Zwangs auch das richtige Zwangsmittel ausgewählt hat, § 62 Absatz 1 VwVG. Dass eine Zwangsräumung für die Antragstellerin schließlich aufgrund ihres Alters und Gesundheitszustandes selbst lebensgefährlich wäre, hat sie schon nicht substantiiert dargelegt.
45Selbst wenn – zugunsten der Antragstellerin – entgegen den obigen Ausführungen die Erfolgsaussichten der Klage als offen unterstellt würden, kann der Antrag im Übrigen keinen Erfolg haben. Die vom Gericht zu treffende Ermessensentscheidung fällt vorliegend zu Lasten der Antragstellerin aus. Dabei findet Berücksichtigung, dass die Antragstellerin einerseits – zumindest vorübergehend - ihre Wohnung verlieren und ihr Eigentum nicht mehr nutzen können wird, dass dem andererseits aber die gewichtigen öffentlichen Belange der Gefährdung ihrer Gesundheit und ihres Lebens gegenüber stehen. Diese darf die Behörde auch bei bewusster Selbstgefährdung der Antragstellerin und auch im Hinblick auf eine Gefährdung Dritter, die das Haus zu Besuchszwecken oder aus sonstigen Gründen betreten, nicht unberücksichtigt lassen. Hinzu kommt schließlich, dass der Gutachter seine Feststellungen zwar aufgrund von Begehungen des Gebäudes getroffen hat. Wegen der teilweisen Verkleidung von Gebäudeteilen bzw. der Verdeckung von innen durch Möbel und andere Einrichtungsgegenstände konnte der Gutachter aber noch gar nicht alle kritischen Bauteile untersuchen, so dass über die bereits auf dieser Basis festgestellten Mängel hinaus das Bestehen weiterer die Standsicherheit zusätzlich gefährdender Schäden jedenfalls nicht ausgeschlossen erscheint.
46Da der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes aus den vorstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, war auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt W. aus S. abzulehnen, § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO.
47Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO.
48Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Absatz 2 Nr. 2, 52 Absatz 2 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai /1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen und berücksichtigt die Vorläufigkeit des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes durch eine Reduzierung des Streitwertes des Hauptsacheverfahrens auf 1/2.

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Annotations
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn
- 1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint; - 2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde; - 3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll; - 4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will; - 5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.
(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.
(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn
- 1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird; - 2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird; - 3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird; - 4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird; - 5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.
(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
§§ 169, 171a bis 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Öffentlichkeit, Sitzungspolizei, Gerichtssprache, Beratung und Abstimmung finden entsprechende Anwendung.
(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen sind
- 1.
die nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen, - 2.
die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind.
(2) Betrifft ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs den Gegenstand des Verfahrens, so ist ein geschäftsfähiger Betreuter nur insoweit zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig, als er nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ohne Einwilligung des Betreuers handeln kann oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt ist.
(3) Für Vereinigungen sowie für Behörden handeln ihre gesetzlichen Vertreter und Vorstände.
(4) §§ 53 bis 58 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend.
Beteiligte am Verfahren sind
- 1.
der Kläger, - 2.
der Beklagte, - 3.
der Beigeladene (§ 65), - 4.
der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht oder der Vertreter des öffentlichen Interesses, falls er von seiner Beteiligungsbefugnis Gebrauch macht.
(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.
(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.
(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.
(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.
(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.
(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.