Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 22. Jan. 2018 - Au 5 K 17.50400

bei uns veröffentlicht am22.01.2018

Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die Ablehnung seines Asylantrages als unzulässig, die Abschiebungsanordnung nach Italien sowie die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen.

Der am ... 1999 in ... (Irak) geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volkszugehörigkeit und islamischem Glauben.

Seinen Angaben zufolge reiste der Kläger am 4. September 2017 erstmalig in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er unter dem 20. September 2017 Asylerstantrag stellte.

Nach den Erkenntnissen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) lagen Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß Verordnung (VO) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) für die Durchführung des Asylverfahrens vor. Für den Kläger liegen EURODAC-Treffer der Kategorie 1 und 2 für die Schweiz bzw. Italien vor. Am 28. September richtete die Beklagte ein Übernahmeersuchen an die Schweiz. Dieses wurde am 3. Oktober 2017 mit der Begründung abgelehnt, dass eine Übernahmeerklärung der Republik Italien vom 30. August 2017 vorliege und die Überstellungsfrist auf 18 Monate verlängert worden sei.

Die Beklagte hat daraufhin am 4. Oktober 2017 ein Übernahmeersuchen an die Republik Italien gerichtet. Dieses blieb im Folgenden unbeantwortet.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 6. November 2017 wurde der in der Bundesrepublik Deutschland gestellte Asylantrag des Klägers als unzulässig abgelehnt (Nr. 1 des Bescheids). Nr. 2 des Bescheids bestimmt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG im Falle des Klägers nicht vorliegen. In Nr. 3 des Bescheids wird die Abschiebung nach Italien angeordnet. Nr. 4 setzt das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung fest.

In den Gründen des Bescheides ist u.a. ausgeführt, dass der Asylantrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 Asylgesetz (AsylG) unzulässig sei, da Italien auf Grund des dort bereits gestellten Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG lägen nach den Erkenntnissen des Bundesamtes nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Italien führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung von Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) vorliege. Die hierfür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Die aktuellen gerichtlichen Entscheidungen gingen davon aus, dass Italien gegenüber Drittstaatsangehörigen, die dort einen Asylantrag stellten, die Mindeststandards erfüllten und keine systemischen Mängel vorlägen. Nach den vorliegenden Erkenntnissen sei davon auszugehen, dass Italien über ein im Wesentlichen und ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfüge, welches trotz nach wir vor bestehender Mängel des Aufnahmeverfahrens prinzipiell funktionsfähig sei.

Auf den weiteren Inhalt des Bescheides des Bundesamtes vom 6. November 2017 wird ergänzend verwiesen.

Der Kläger hat gegen den vorbezeichneten Bescheid am 14. November 2017 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragt,

den Bescheid des Bundesamtes vom 6. November 2017 aufzuheben (Az. Au 5 K 17.50400).

Zur Begründung verwies der Kläger auf seinen Asylantrag vom 20. September 2017.

Ein vom Kläger ebenfalls angestrengtes Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes (Az. Au 5 S. 17.50401) bliebt mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 20. November 2017 ohne Erfolg. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird verwiesen.

Die Beklagte hat dem Gericht die einschlägige Verfahrensakte vorgelegt; ein Antrag wurde nicht gestellt.

Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 4. Dezember 2017 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Am 22. Januar 2018 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung, in der der Kläger informatorisch angehört wurde, wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegte Verfahrensakte verwiesen.

Gründe

Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage des Klägers verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 2018 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO). Die Beklagte ist zur mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 2018 form- und fristgerecht geladen worden.

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Bundesamtes vom 6. November 2017 ist rechtmäßig und nicht geeignet, den Kläger in seinen Rechten zu verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Auch besitzt der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Die unter Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids des Bundesamtes getroffene Ablehnung des Asylantrages des Klägers als unzulässig bleibt rechtlich unbeanstandet.

Ein Asylantrag ist gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, da die Republik Italien gemäß Art. Art. 18 Abs. 1 lit. b. der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) für die Entscheidung über den Asylantrag der Kläger zuständig ist.

(1) Maßgeblich für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats zur Prüfung des Asylantrags ist im gegebenen Fall die Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutzes zuständig ist (Dublin III-VO), die am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist (vgl. Art. 49 Abs. 1 Dublin-III-VO). Gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO findet diese Verordnung auf Anträge auf internationalen Schutz Anwendung, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten (mithin ab 1. Januar 2014) gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt – ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung – für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Klägern (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 17.6.2014 – 10 C 7/13 – juris Rn. 27). Vorliegend sind sowohl der gegenständliche Asylantrag und damit auch der Antrag auf internationalen Schutz i.S.v. Art. 2 lit. b Dublin III-VO (20. September 2017) als auch das Aufnahmegesuch an die Republik Italien (4. Oktober 2017) nach dem vorgenannten Stichtag gestellt worden.

(2) Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO prüfen die Mitgliedstaaten jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist in Fällen, in denen ein Kläger aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze illegal überschreitet, dieser Mitgliedstaat – hier Italien – für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Nach Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag gestellt worden ist, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wird. Nach Art. 7 Abs. 2 Dublin-III-VO wird bei der Bestimmung des nach den Kriterien des Kapitels III zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Kläger seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO ist, wenn sich anhand der Kriterien der Dublin-III-VO der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen lässt, der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Hier hat sich der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen zunächst in Italien aufgehalten und ist erst im Anschluss über die Schweiz nach Deutschland gelangt. Nach den im Verfahren vorgelegten Unterlagen hat der Kläger sich illegal in Italien aufgehalten. Für den Kläger liegt ein EURODAC-Treffer der Kategorie 2 in Bezug auf Italien vor. Auch hat die Republik Italien auf ein Übernahmeersuchen der Schweiz ihre Zuständigkeit zur Wieder-Aufnahme des Klägers erklärt (30. August 2017). Auf dieser Grundlage hat die Beklagte am 4. Oktober 2017 ein Übernahmeersuchen an die Republik Italien gerichtet, welches im Folgenden unbeantwortet geblieben ist. Damit ist nach Art. 25 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Dublin III-VO die Zuständigkeit zur Behandlung des Asylantrages des Klägers auf die Republik Italien übergegangen.

Gründe dafür, dass die Bundesrepublik Deutschland als Beklagte gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO die Prüfung des Asylantrags des Klägers im Wege des Selbsteintrittsrechts übernehmen und das Ermessen der Beklagten insoweit auf Null reduziert sein könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

bb) Die Abschiebungsanordnung nach Italien in Nr. 3 des Bescheides begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

(1) Rechtsgrundlage der Abschiebungsanordnung ist § 34 a Abs. 1 AsylG. Hiernach ordnet das Bundesamt bei – wie hier – beabsichtigter Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 AsylG) die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamts zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.

(2) Die Abschiebung des Klägers in die Republik Italien ist grundsätzlich auch rechtlich möglich.

Nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO kann es sich als unmöglich erweisen, einen Kläger an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, soweit es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Kläger in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 der EU–Grundrechtecharta – GR-Charta – mit sich bringen (vgl. hierzu EuGH vom 21.12.2011, Rs. C-411/10 u.a., juris; vom 14.11.2013, Rs. C-4/11, juris; vom 10.12.2013, Rs. C-394/12, juris). Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen einschlägige EU-Richtlinien genügen somit, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln; nur soweit das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber auch im konkret zu entscheidenden Einzelfall dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht, ist eine Überstellung mit Art. 4 GR-Charta unvereinbar (BVerwG vom 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Leitsatz und Rn. 6).

Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze ist festzustellen, dass im Fall des Klägers eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bei Rücküberstellung in die Republik Italien – bei der es sich als Mitglied der Europäischen Union bereits kraft Gesetzes um einen sicheren Drittstaat i.S.v. Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. § 26 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AsylG handelt – nicht ernsthaft zu befürchten ist. Systemische Mängel im italienischen Asylverfahren hat der Kläger bereits nicht aufzeigt. Solche sind auch für das Gericht nicht erkennbar. In dem für die Entscheidung nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt ist nicht zu erkennen, dass die Verhältnisse in Italien hinter dem unionsrechtlich vorgesehenen Schutz dergestalt zurückbleiben, das der Kläger dort mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein würden.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Gründe des streitgegenständlichen Bescheids verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Das Gericht geht nach den vorliegenden Erkenntnissen davon aus, dass in Italien keine generellen systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen mit der Folge gegeben sind, dass Asylbewerber mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt werden. Grundsätzlich erhalten auch Dublin-Rückkehrer eine Unterkunft, medizinische Behandlung und sonstige Versorgung. Sofern sie einen Asylantrag stellen, wird ein Asylverfahren durchgeführt. Zusätzliche Aufnahmezentren sind geschaffen worden. Aktuelle Erkenntnisse diesbezüglich liegen den neueren Entscheidungen zugrunde (vgl. jeweils m.w.N. VG Osnabrück, B.v. 8.8.2017 – 5 B 212/17 – juris; VG München, B.v. 12.7.2017 – M 9 S. 17.51545 – juris; B.v. 11.7.2017 – M 9 S. 17.51549 – juris; VG Cottbus, B.v. 12.7.2017 – 5 L 442/17.A – juris; OVG NRW, U.v. 18.7.2016 – 13 A 1859/14.A – juris Rn. 41 ff.; U.v. 7.7.2016 – 13 A 2302/15.A – juris Rn. 41; OVG Lüneburg, U.v. 25.6.2015 – 11 LB 248/14 – DÖV 2015, 807). Es mag zwar immer wieder vorkommen, dass Asylsuchende während der Bearbeitung ihres Asylantrages in Italien auf sich alleine gestellt und zum Teil auch obdachlos sind. Dies und auch die zum Teil lange Dauer der Asylverfahren sind darauf zurückzuführen, dass das italienische Asylsystem aufgrund der momentan hohen Asylbewerberzahlen stark ausgelastet und an der Kapazitätsgrenze ist. Die im Bereich der Entwicklung und Versorgung der Asylbewerber weiterhin feststellbaren Mängel und Defizite sind aber weder für sich genommen noch insgesamt als so gravierend zu bewerten, dass ein grundlegendes systemisches Versagen des Mitgliedsstaates vorläge, welches für einen „Dublin-Rückkehrer“ nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Art. 3 EMRK oder Art. 4 GR-Charta mit dem dafür notwendigen Schwergrad nahe lägen (vgl. OVG NRW, U.v. 18.7.2016 – 13 A 1859/14.A – juris Rn. 41 ff.). Probleme bei der Unterbringung in der zweiten Jahreshälfte 2015 rechtfertigen keine andere Einschätzung, da diesbezügliche Schwierigkeiten nicht nur in Italien, sondern in weiten Teilen Europas bestanden. Aus diesen Gründen bestand für die Antragsgegnerin auch keine Veranlassung, das Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben.

Auch die gegenwärtige hohe Zahl von Einwanderern nach Italien stellt keinen Umstand dar, der eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien wird erst dann überschritten, wenn auf die erhöhte Zahl von Einwanderern hin keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung der damit verbundenen Probleme ergriffen würden. Davon kann nicht ausgegangen werden. Speziell für Dublin-Rückkehrer wurden Zentren zur übergangsweisen Unterbringung eingerichtet (vgl. auch VG München, B.v. 2.5.2017 – M 9 S. 17.50821 – juris, sowie BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Italien, v. 16.7.2017, S. 6 ff., 12 ff.). Ein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen lässt sich demnach auch nicht mit Blick auf die Situation des Klägers annehmen. Vielmehr geht das Gericht von einer hinreichenden Unterbringungs- und Versorgungsmöglichkeit in Italien aus.

Konkret sind des Weiteren keine gewichtigen Erkrankungen ersichtlich bzw. vorgebracht. Es ist nicht erforderlich, dass eine eventuell erforderliche medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).

Zudem verfügt Italien über eine umfassende Gesundheitsfürsorge, wobei Asylsuchende sowie international Schutzberechtigte mit italienischen Staatsangehörigen hinsichtlich der gesundheitlichen Versorgung gleichgestellt sind (vgl. VG München, B.v. 2.5.2017 – M 9 S. 17.50821 – juris m.w.N.). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass in Italien allgemein ein hoher medizinischer Standard gewährleistet ist (vgl. zum Ganzen: VG München, B.v. 11.7.2017 – M 9 S. 17.51549 – juris; Gb. v. 4.7.2017 – M 9 K 17.50585 – juris; VG Freiburg, U.v. 4.2.2016 – A 6 K 1356/15 – juris; jeweils m.w.N.).

Die Zuständigkeit Italiens ist auch nicht wegen Ablaufs der sechsmonatigen Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO entfallen und auf die Beklagte übergegangen. Die Überstellungsfrist wird zwar grundsätzlich mit der Erklärung des anderen Mitgliedstaates in Lauf gesetzt, den Schutzsuchenden zur Durchführung des Asylverfahrens aufzunehmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unterbricht jedoch ein vor Ablauf der Überstellungsfrist gestellter, zulässiger Eilantrag gegen die Abschiebungsanordnung den Lauf der Überstellungsfrist, weil dann bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine Überstellung kraft Gesetzes ausgeschlossen ist. Demzufolge hat der vom Antragsteller am 14. November 2017 eingereichte Eilantrag den Lauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist unterbrochen. Die Überstellungsfrist beginnt ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des ablehnenden Eilbeschlusses vollständig neu zu laufen (vgl. BVerwG, B.v. 27.4.2016 - 1 C 22.15 - und U.v. 26.5.2016 - 1 C15.15 - juris; Sächs.OVG, B. 5.10.2015 - 5 B 259/15.A -, juris, Rn. 10, VG Augsburg, U.v. 22.10.2014 – Au 3 K 14.50135 – juris Rn. 31, 33; VG Regensburg, B.v. 21.11.2014 – RN 5 S. 14.50276 – juris Rn. 15).

Auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse, die die Beklagte selbst zu berücksichtigen hätte, sind nicht ersichtlich. Diesbezüglich fehlt jeglicher Vortrag des Klägers.

Somit ist die Abschiebung des Klägers nach Italien rechtlich zulässig und möglich.

Damit war die Klage als unbegründet abzuweisen.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.

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Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 29 Unzulässige Anträge


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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entscheidet ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter. Der Einzelrichter überträgt den Rechtsstreit auf die Kammer, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn er von der Rechtsprechung der Kammer abweichen will.

(5) Ein Richter auf Probe darf in den ersten sechs Monaten nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein Asylbewerber aus Somalia. Er wendet sich gegen die Einstellung seines Asylverfahrens durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

2

Der Kläger stellte Mitte August 2010 einen Asylantrag und gab in einer Niederschrift dazu am 9. September 2010 an, er sei somalischer Staatsangehöriger und am 1. Januar 1981 in Mogadischu geboren. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - nahm ihm Fingerabdrücke zur Identitätsfeststellung ab, die sich später als nicht verwertbar erwiesen. Der damit betraute Mitarbeiter stellte bereits bei der Abnahme fest, dass die Fingerkuppen des Klägers Veränderungen aufwiesen, die voraussichtlich zur Unverwertbarkeit der abgenommenen Fingerabdrücke führen würden. Der Kläger bestritt, seine Fingerkuppen manipuliert zu haben.

3

Mit Schreiben vom 9. September 2010 wies das Bundesamt den Kläger darauf hin, dass die Beschädigung der Fingerkuppen den Verdacht begründe, dass der Kläger nicht bereit sei, an der Überprüfung seiner Identität mitzuwirken. Er werde daher aufgefordert, sein Asylverfahren dadurch zu betreiben, dass er zum einen binnen eines Monats in der Außenstelle des Bundesamts erscheine und sich "auswertbare Fingerabdrücke" abnehmen lasse. Zum anderen solle er schriftlich darlegen, in welchen Staaten er sich nach dem Verlassen seines Herkunftslandes aufgehalten habe, ob er dort bereits einen Asylantrag gestellt habe und dieser ggf. abgelehnt worden sei. Gleichzeitig wurde er unter Bezugnahme auf § 33 AsylVfG (a.F.) darauf hingewiesen, dass sein Asylantrag als zurückgenommen gelte, wenn er das Verfahren länger als einen Monat nicht betreibe und in diesem Fall über das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 7 AufenthG (a.F.) nach Aktenlage zu entscheiden sei. Dem Schreiben war eine Übersetzung in die Sprache Somali beigefügt. Der Kläger hat sich in einem weiteren Termin Fingerabdrücke abnehmen lassen, die wiederum nicht verwertbar waren. Zu seinem Reiseweg und zur Frage weiterer Asylanträge machte er innerhalb der Monatsfrist keine Angaben.

4

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 22. Oktober 2010 fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt und das Asylverfahren eingestellt ist (Nummer 1). Weiter wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) nicht vorliegen (Nummer 2). Schließlich wurde der Kläger unter Androhung der Abschiebung in den "Herkunftsstaat" aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen (Nummer 3). Das Bundesamt hat den Bescheid im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Kläger der Betreibensaufforderung nicht nachgekommen sei. Er habe weder verwertbare Fingerabdrücke abgegeben noch die angeforderten schriftlichen Angaben zum Reiseweg und zu etwaigen früheren Asylverfahren gemacht. Die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) scheitere bereits daran, dass für den Kläger kein Herkunftsland habe festgestellt werden können.

5

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des Bescheids sowie hilfsweise die Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.), weiter hilfsweise die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (n.F.) hinsichtlich Somalia, sowie die Aufhebung der gegen ihn verfügten Abschiebungsandrohung. Mit Schriftsatz vom 2. November 2010 stellte er beim Bundesamt einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, in dem er sich zum Reiseweg äußerte und angab, keine weiteren Asylanträge gestellt zu haben.

6

Während des Klageverfahrens forderte das Bundesamt den Kläger mit einem an seine Verfahrensbevollmächtigten gerichteten Schreiben vom 26. Oktober 2011 erneut auf, das Verfahren dadurch zu betreiben, dass er beim Bundesamt erscheine und sich Fingerabdrücke abnehmen lasse. Die Pflicht zur Duldung erkennungsdienstlicher Maßnahmen umfasse auch die Verpflichtung, im Vorfeld der erneuten Fingerabdrucknahme alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit der Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten. Den vom Bundesamt hierzu für den 15. November 2011 anberaumten Termin nahm der Kläger - nach eigenem Vorbringen wegen Verspätung - nicht wahr, bat das Bundesamt mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 18. November 2011 aber um einen neuen Termin. Ein solcher wurde jedoch nicht anberaumt.

7

Das Verwaltungsgericht hob den Bescheid vom 22. Oktober 2010 auf. Während des Berufungsverfahrens erfuhr das Bundesamt, dass der Kläger im Rahmen einer polizeilichen Fahndungsmaßnahme im Oktober 2012 aufgegriffen und erkennungsdienstlich behandelt worden war. Die erkennungsdienstliche Behandlung ergab, dass sich der Kläger schon im Oktober 2009 unter einer anderen Identität in Deutschland aufgehalten hatte und ihm im Rahmen eines Rückübernahmeersuchens Fingerabdrücke abgenommen worden waren. Zugleich führte ein Abgleich mit der Eurodac-Datenbank zu einem Treffer. Danach hatte der Kläger bereits am 18. April 2009 in Italien und am 23. Oktober 2009 sowie am 22. Februar 2010 in Schweden Asyl beantragt. Das italienische Innenministerium hatte den schwedischen Behörden in einem Schreiben vom 14. Dezember 2010 mitgeteilt, dass dem Kläger in Italien bereits die Flüchtlingseigenschaft ("refugee status") zuerkannt worden und das Dublin-Verfahren abgeschlossen sei.

8

Darauf erklärte der Vertreter des Bundesamtes in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof, er hebe den ersten Satz von Nummer 1 des angefochtenen Bescheides ("Der Asylantrag gilt als zurückgenommen") auf. Weiter hebe er die Androhung der Abschiebung in den Herkunftsstaat in Satz 2 von Nummer 3 des Bescheides auf. Stattdessen werde dem Kläger die Abschiebung nach Italien angedroht. Daraufhin kündigte der Klägervertreter hinsichtlich der Abschiebungsandrohung nach Italien die Erhebung einer Klage an, sobald ein entsprechender Bescheid des Bundesamtes zugestellt worden sei. Gleichzeitig erklärte er den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, soweit das Bundesamt den Bescheid vom 22. Oktober 2010 aufgehoben habe. Der Beklagtenvertreter stimmte der Hauptsacheerledigungserklärung insoweit zu, als Satz 1 von Nummer 1 des angefochtenen Bescheides aufgehoben worden sei.

9

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Erledigung der Hauptsache in Bezug auf die Androhung der Abschiebung in das Herkunftsland (Nummer 3 des Bescheids vom 22. Oktober 2010) festgestellt und im Übrigen die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Er begründet seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt: Die Einstellung des Verfahrens in Nummer 1 des Bescheids sei rechtswidrig. Denn diese Rechtsfolge sehe § 32 Satz 1 AsylVfG nur für den Fall der Asylantragsrücknahme oder des Verzichts nach § 14a Abs. 3 AsylVfG vor. Als geeignete Reaktion auf die Anerkennung als Flüchtling in einem anderen EU-Mitgliedstaat käme etwa die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig nach Art. 25 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/85/EG (Asylverfahrensrichtlinie 2005) in Betracht. Eine Umdeutung der Verfahrenseinstellung in eine andere Form der Verfahrensbeendigung ohne Sachentscheidung nach § 47 VwVfG sei nicht möglich.

10

Die in Nummer 2 des Bescheids getroffene Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) nicht vorlägen, habe nicht aufrechterhalten werden können, da seit Oktober 2012 bekannt sei, dass dem Kläger in Italien Flüchtlingsschutz zuerkannt wurde. Soweit das Bundesamt in Nummer 3 seiner Verfügung die Abschiebungsandrohung in das Herkunftsland des Klägers aufgehoben und durch die Androhung der Abschiebung nach Italien ersetzt hat, habe sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Dem Feststellungsbegehren des Klägers sei zu entsprechen, weil das Bundesamt seinen Bescheid in Nummer 3 durch die Androhung der Abschiebung nach Italien verändert, der Kläger aber diesen neuen Verwaltungsakt nicht im Wege einer objektiven Klageänderung in das Verfahren einbezogen habe. Vielmehr habe der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung erklärt, Klage zu erheben, wenn hinsichtlich der Abschiebungsandrohung nach Italien ein entsprechender Bescheid der Beklagten zugestellt worden sei.

11

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten. Diese begründet sie im Wesentlichen wie folgt: Der Verwaltungsgerichtshof hätte zunächst prüfen müssen, ob das Verfahren schon vor den in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) eingestellt gewesen sei, weil der Kläger einer rechtmäßigen Betreibensaufforderung nicht nachgekommen war. In diesem Fall hätte er die Klage abweisen müssen. Das Bundesamt sei sehr wohl befugt, ein Asylverfahren auch dann ohne Sachentscheidung einzustellen, wenn sich - wie hier - herausstelle, dass der Asylbewerber bereits im Ausland als Flüchtling anerkannt worden sei. § 60 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 2 AufenthG (n.F.) sehe ausdrücklich vor, dass das Bundesamt bei einer ausländischen Anerkennung kein (weiteres) Asylverfahren mehr durchzuführen habe. Das entspreche Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU, wonach die Mitgliedstaaten einen Asylantrag in derartigen Fällen als unzulässig behandeln könnten. Der deutsche Gesetzgeber habe für diese Konstellation zwar keine konkrete Regelung getroffen, die vorhandene Regelungslücke sei aber durch die Möglichkeit einer Verfahrensbeendigung in Anlehnung an § 32 AsylVfG zu schließen. Dann könne Nummer 1 des Bescheids vom 22. Oktober 2010 auch entsprechend umgedeutet werden. Eine Erledigung sei zu Nummer 3 des angefochtenen Bescheids durch die Änderung des Zielstaats der Abschiebung nicht eingetreten. Der Hinweis auf den Herkunftsstaat habe keinen Regelungscharakter, so dass der Kläger hierdurch auch nicht beschwert sei. Selbst bei Bejahung von Abschiebungsverboten bleibe die Abschiebungsandrohung im Übrigen unberührt.

12

Nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 8. Mai 2014 hat die Beklagte durch ergänzenden Bescheid vom 15. Mai 2014 Italien als Zielstaat der angedrohten Abschiebung bestimmt (Nummer 1) und angeordnet, dass der Kläger nicht nach Somalia abgeschoben werden darf (Nummer 2). Der Kläger hat gegen den ergänzenden Bescheid Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Soweit sich die Klage gegen den fehlenden Ausschluss von Somalia als Zielstaat einer Abschiebung in Nummer 3 des streitgegenständlichen Bescheids vom 22. Oktober 2010 gerichtet hat, haben die Parteien den Rechtsstreit im vorliegenden Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt.

Entscheidungsgründe

13

Der Senat kann ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

14

Die Revision der Beklagten ist begründet, soweit der Verwaltungsgerichtshof die Aufhebung der Nummern 1 und 2 des angefochtenen Bescheids vom 22. Oktober 2010 bestätigt hat. Das Berufungsurteil beruht insoweit auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Hingegen hat die Revision überwiegend keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Entscheidung zur Abschiebungsandrohung in Nummer 3 des Bescheids richtet. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht eine Erledigung der Abschiebungsandrohung ohne Zielstaatsbestimmung angenommen. Diese ist vielmehr aufrechtzuerhalten. Allerdings hat er mit Recht entschieden, dass die nachträgliche Bestimmung von Italien als Zielstaat der Abschiebung nicht in das vorliegende Verfahren einbezogen wurde. Soweit die Parteien den Rechtsstreit über die Abschiebungsandrohung für erledigt erklärt haben, beruht dies auf der rechtlich gebotenen nachträglichen Bezeichnung von Somalia als Staat, in den der Kläger nicht abgeschoben werden darf. Insoweit hat die Beklagte dem Anfechtungsbegehren des Klägers entsprochen und war das Verfahren einzustellen.

15

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens ist das Asylverfahrensgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798) und das Aufenthaltsgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), beide Gesetze zuletzt geändert durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl I S. 3474). Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, wenn sie das Berufungsgericht, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (vgl. Urteil vom 11. September 2007 - BVerwG 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 = Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 30, jeweils Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylverfahrensrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylVfG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die neue Rechtslage zugrunde legen, soweit nicht hiervon - wie im vorliegenden Fall - eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist.

16

1. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Aufhebung der angefochtenen Einstellungsverfügung in Nummer 1 des angefochtenen Bescheids durch das Verwaltungsgericht mit einer Begründung bestätigt, die Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 VwGO). Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs ist das Verfahren nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) eingestellt, weil die Voraussetzungen für ein Nichtbetreiben des Verfahrens vorliegen. Der Kläger hat innerhalb der ihm gesetzten Betreibensfrist nicht die von ihm geforderten schriftlichen Angaben zu seinem Reiseweg und zur Frage einer Asylantragstellung im Ausland gemacht.

17

Nach § 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) gilt ein Asylantrag, der nach § 13 Abs. 1 und 2 AsylVfG (a.F.) auch den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erfasst, hingegen noch nicht das Begehren auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG (n.F.), als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Verfahren trotz Aufforderung des Bundesamts länger als einen Monat nicht betreibt (Satz 1). In der Aufforderung ist der Ausländer auf die nach Satz 1 eintretende Folge hinzuweisen (Satz 2). Liegen die Voraussetzungen einer (fiktiven) Antragsrücknahme vor, darf das Bundesamt keine Sachentscheidung mehr über den Asylantrag treffen. Vielmehr hat es nach § 32 AsylVfG in seiner Entscheidung festzustellen, dass das Asylverfahren eingestellt ist und ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 bis 5 oder 7 AufenthG (a.F.) vorliegt (Satz 1). In den Fällen des § 33 AsylVfG (a.F.) ist nach Aktenlage zu entscheiden (Satz 2). Das Bundesamt erlässt ferner eine Abschiebungsandrohung; die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist beträgt nach §§ 34, 38 Abs. 2 AsylVfG (a.F.) eine Woche. Für die Beurteilung des Regelungsinhalts des vorliegenden Bescheids ist auf die Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses abzustellen, da eine nachträgliche Erweiterung seiner Einstellungswirkung auch auf die Zuerkennung unionsrechtlichen subsidiären Schutzes eine echte Rückwirkung der gesetzlichen Neuregelung des § 33 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) bedeuten würde, die mit der Rechtsordnung nicht zu vereinbaren wäre (vgl. Urteil vom 13. Februar 2014 - BVerwG 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487 Rn. 12).

18

1.1 Das Berufungsgericht durfte von der Prüfung der Einstellungsvoraussetzungen nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG nicht wegen der vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen absehen. Zwar hat dieser erklärt, er hebe den ersten Satz von Nummer 1 des Bescheids vom 22. Oktober 2010 auf ("Der Asylantrag gilt als zurückgenommen"). Die erklärte Aufhebung ging jedoch ins Leere. Denn der Ausspruch der Rücknahmefiktion des Asylantrags durch das Bundesamt hat nach der gesetzlichen Ausgestaltung in § 33 und § 32 AsylVfG keinen eigenen Regelungsgehalt. Die Wirksamkeit der Rücknahme bedarf keiner Feststellung durch das Bundesamt; sie ist lediglich Vorfrage für den gemäß § 32 Satz 1 AsylVfG zu treffenden feststellenden Ausspruch, dass das Asylverfahren eingestellt ist. Diesen hat das Bundesamt aufrechterhalten. Im Übrigen konnte das Bundesamt eine bereits kraft Gesetzes eingetretene Einstellungswirkung nicht nachträglich aufheben.

19

1.2 Die Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens nach § 33 Abs. 1 AsylVfG war gerechtfertigt. Sie setzt einen bestimmten Anlass voraus, der geeignet ist, Zweifel an dem Bestehen oder Fortbestehen des Sachentscheidungsinteresses zu wecken. Solche Zweifel können sich aus einer Vernachlässigung verfahrensrechtlicher Mitwirkungspflichten ergeben. Zu diesen gehört die Pflicht des Asylbewerbers, im Vorfeld einer geplanten Fingerabdrucknahme alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit seiner Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten (vgl. Urteil vom 5. September 2013 - BVerwG 10 C 1.13 - BVerwGE 147, 329 Rn. 19). Nach den in diesem Urteil aufgestellten Grundsätzen bestanden hier solche berechtigten Zweifel, weil bereits bei der ersten erkennungsdienstlichen Behandlung Gründe für die voraussichtliche Nichtverwertbarkeit der Fingerabdrücke bemerkt und dokumentiert worden waren, ohne dass der Kläger dazu substantiiert Stellung genommen hatte.

20

1.3 Allerdings führte die Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens nicht zu einer Einstellung des Verfahrens, soweit vom Kläger die Mitwirkung an der Abgabe seiner Fingerabdrücke verlangt wurde. Denn Nummer 1 der Betreibensaufforderung vom 9. September 2010 verlangte von ihm die Abgabe "auswertbarer Fingerabdrücke" und entsprach damit nicht den gesetzlichen Vorgaben nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG (vgl. hierzu Urteil vom 5. September 2013 a.a.O. Rn. 24 und 35). Die Aufforderung vom 26. Oktober 2011 entsprach dann zwar den gesetzlichen Vorgaben, weil sie vom Kläger lediglich verlangte, im Vorfeld der erneuten Fingerabdrucknahme alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit seiner Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten (vgl. Urteil vom 5. September 2013 a.a.O. Rn. 39). Der Kläger kam dieser zweiten Betreibensaufforderung auch nicht nach, denn er erschien zu dem vom Bundesamt anberaumten Termin zur erneuten Fingerabdrucknahme am 15. November 2011 nicht. Ein mangelndes Betreiben des Verfahrens liegt trotz dieser Säumnis aber deshalb nicht vor, weil der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 18. November 2011 um einen neuen Termin zur erkennungsdienstlichen Behandlung gebeten hatte. Die versäumte Mitwirkungshandlung hätte damit noch innerhalb der gesetzten Betreibensfrist nachgeholt werden können. Eine Gelegenheit hierzu hat das Bundesamt dem Kläger aber nicht mehr eingeräumt.

21

1.4 Die Einstellungswirkung des § 32 Satz 1 AsylVfG ist jedoch dadurch eingetreten, dass der Kläger der selbständigen Verpflichtung zur schriftlichen Darlegung des Reisewegs und zu einer eventuell bereits erfolgten Asylantragstellung nicht fristgerecht nachgekommen ist (Nummer 2 der Betreibensaufforderung vom 9. September 2010).

22

Der Kläger war nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG verpflichtet, die vom Bundesamt angeforderten Angaben zu machen. Zu den Angaben, die von einem Asylbewerber verlangt werden können, zählen nach § 25 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG auch solche über Reisewege, Aufenthalte in anderen Staaten und dort eingeleitete oder durchgeführte Asylverfahren (vgl. hierzu Urteil vom 5. September 2013 a.a.O. Rn. 33). Die Aufforderung vom 9. September 2010, das Verfahren durch entsprechende schriftliche Angaben zu betreiben, entspricht hier auch den weiteren Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 AsylVfG.

23

Der Kläger hat die geforderten schriftlichen Angaben nicht innerhalb der Monatsfrist des § 33 Abs. 1 AsylVfG gemacht. Zwar hat der Bevollmächtigte des Klägers dies mit Schreiben vom 2. November 2010 - nach Ablauf der Monatsfrist - nachzuholen versucht. Gründe für eine unverschuldete Fristversäumung ergeben sich aus dem Schreiben jedoch nicht (zur Anwendung des § 32 VwVfG auf die Monatsfrist des § 33 Abs. 1 AsylVfG vgl. BTDrucks 12/2062 S. 33). Danach soll die Versäumung der Frist auf einem beim Kläger hervorgerufenen Irrtum beruhen. Dieser habe geglaubt, seiner Verpflichtung aus der Betreibensaufforderung dadurch nachgekommen zu sein, dass er am 7. Oktober 2010 bei der Außenstelle des Bundesamtes erschienen sei und sich dort erneut habe Fingerabdrücke abnehmen lassen. Er sei davon ausgegangen, dass er nunmehr zeitnah vom Bundesamt zu seinen Asylgründen, zu seinem Reiseweg und zur Asylantragstellung in anderen Ländern befragt werde. Aus diesem Vorbringen ergibt sich jedoch keine unverschuldete Fristversäumnis. Denn die Betreibensaufforderung vom 9. September 2010 bezieht sich auf zwei voneinander unabhängige Handlungen: (1) die Abnahme von Fingerabdrücken und (2) die schriftliche Darlegung zum Reiseweg sowie einer möglichen Asylantragstellung. Der Kläger konnte nicht davon ausgehen, durch eine Mitwirkung an der Abnahme von Fingerabdrücken zugleich seiner Pflicht nachgekommen zu sein, die geforderten schriftlichen Angaben zu machen. Dass auch für die in der Betreibensaufforderung genannten schriftlichen Angaben die Monatsfrist gilt, ergibt sich aus der Belehrung über die Rechtsfolgen eines Nichtbetreibens, in der sich die Monatsfrist erkennbar auf beide Mitwirkungshandlungen bezieht. Einer zusätzlichen Erwähnung der Monatsfrist in der Aufforderung zu schriftlichen Darlegungen - wie sie bei der Aufforderung zur Mitwirkung bei der Abnahme von Fingerabdrücken erfolgt ist - bedurfte es angesichts der Eindeutigkeit der auf beide Mitwirkungshandlungen bezogenen Aussage zu den Rechtsfolgen einer Nichtbeachtung der gesetzten Frist nicht. Der Kläger konnte dies auch verstehen, da ihm der Bescheid am 9. September 2010 nicht nur in deutsch, sondern auch in einer in die Sprache Somali übersetzten Fassung überreicht wurde.

24

1.5 Ist das Asylverfahren nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG eingestellt, bedarf es keiner Entscheidung über die vom Verwaltungsgerichtshof als erheblich angesehene Frage, ob die Einstellung in eine Entscheidung über die Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 60 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG oder in eine Entscheidung über seine Unbeachtlichkeit nach § 29 AsylVfG umgedeutet werden kann.

25

1.6 Die Beklagte war für die erfolgte Einstellung des Verfahrens auch international zuständig. Die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union besteht nicht.

26

Es kann offenbleiben, ob auf den Asylantrag eines Ausländers, der - wie hier - in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bereits als Flüchtling anerkannt ist, die Zuständigkeitsregelungen der Union nach den Verordnungen über das sogenannte Dublin-Verfahren anwendbar sind und das auch für Entscheidungen über die Einstellung des Asylverfahrens nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG gilt. Allerdings neigt der Senat zu der Auffassung, dass auf Ausländer, die in einem anderen Staat als Flüchtling anerkannt sind, die Regelungen zum Dublin-Verfahren nicht anwendbar sind. Doch selbst wenn diese Regelungen anwendbar sein sollten, wäre Deutschland der für die Entscheidung zuständige Mitgliedstaat geworden, ohne dass sich insoweit eine zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union verpflichtende Zweifelsfrage stellt.

27

Nach der in Art. 49 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU Nr. L 180 S. 31 - Dublin III-VO) getroffenen Übergangsregelung ist die Dublin III-VO zwar erst auf Anträge zur Erlangung internationalen Schutzes anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten, also ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Hier war der Antrag bereits im August 2010 und damit vor dem maßgeblichen Stichtag gestellt worden, so dass auf ihn grundsätzlich noch die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18. Februar 2003 (ABl EG Nr. L 50 S. 1 - Dublin II-VO) anwendbar wäre. Allerdings findet die Dublin III-VO darüber hinaus auf die Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern - ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - Anwendung. Im vorliegenden Fall käme eine Zuständigkeit Italiens anstelle Deutschlands in Betracht, weil der Kläger dort bereits im April 2009 einen Asylantrag gestellt hat und ihm dort die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde (vgl. Art. 13 Dublin II-VO und Dublin III-VO). Eine Überstellung des Klägers nach Italien zur Prüfung des danach in Deutschland gestellten weiteren Antrags wäre nur im Wege der Wiederaufnahme (Art. 20 Dublin II-VO, Art. 23 ff. Dublin III-VO) möglich. Für Gesuche auf Wiederaufnahme - sofern sie nicht bereits vor dem 1. Januar 2014 gestellt wurden - ist jedenfalls für das zu beachtende Verfahren die Dublin III-VO maßgeblich. Danach sind derartige Gesuche nunmehr gemäß Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO innerhalb einer Frist von zwei bzw. drei Monaten zu stellen (so auch VGH Mannheim, Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 - juris Rn. 31). Diese Frist ist im vorliegenden Fall verstrichen, ohne dass das Bundesamt ein Übernahmeersuchen an Italien gerichtet hat. Damit ist Deutschland gemäß Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO für die Prüfung des hier gestellten (neuen) Asylantrags zuständig, wenn man von der Anwendbarkeit der Dublin-Regelungen auf den vorliegenden Asylantrag ausgeht.

28

2. Der Kläger kann mit dem hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) nicht durchdringen. Dieser Anspruch wird zwar nicht schon von der Einstellung des Asylverfahrens nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) erfasst (vgl. Urteil vom 13. Februar 2014 - BVerwG 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487). Seine Geltendmachung ist jedoch nach § 60 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in der seit 1. Dezember 2013 geltenden Fassung (BGBl I S. 3474) unzulässig, weil der Kläger bereits außerhalb des Bundesgebiets als Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt worden ist.

29

Die Anerkennung eines Ausländers als Flüchtling oder als subsidiär Schutzberechtigter in einem anderen Staat wirkt zwar völkerrechtlich nicht wie eine Statusentscheidung durch deutsche Behörden und hat in diesem Sinne keine umfassende Bindungswirkung für die Bundesrepublik Deutschland (hierzu auch Marx, InfAuslR 2014, 227 <232>). Die Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 legt einheitliche Kriterien für die Qualifizierung als Flüchtling fest, sieht aber keine völkerrechtliche Bindung eines Vertragsstaats an die Anerkennungsentscheidung eines anderen vor (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. November 1979 - 1 BvR 654/79 - BVerfGE 52, 391 <404>; BVerwG, Urteil vom 29. April 1971 - BVerwG 1 C 42.67 - BVerwGE 38, 87 <89 f.> = Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 2 S. 4 f.). Eine solche Bindungswirkung ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht. Dieses ermächtigt zwar nach Art. 78 Abs. 2 Buchst. a und b AEUV zu Gesetzgebungsmaßnahmen, die einen in der ganzen Union gültigen einheitlichen Asylstatus und einen einheitlichen subsidiären Schutzstatus für Drittstaatsangehörige vorsehen, die maßgebliche Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 sieht eine in der ganzen Union gültige Statusentscheidung jedoch nicht vor. Die Bundesrepublik Deutschland hat aber von der nach Völker- und Unionsrecht fortbestehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch eine nationale Regelung den Anerkennungsentscheidungen anderer Staaten in begrenztem Umfang Rechtswirkungen auch im eigenen Land beizumessen (vgl. etwa die diesbezügliche Empfehlung des UNHCR im Beschluss Nr. 12 seines Exekutivkomitees aus dem Jahr 1978). In Deutschland genießen im Ausland anerkannte Flüchtlinge schon seit Inkrafttreten des Ausländergesetzes von 1990 (dort § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) den gleichen Abschiebungsschutz wie die im Inland anerkannten, ohne dass ein erneutes Anerkennungsverfahren durchgeführt wird. Durch § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (n.F.) ordnet das nationale Recht eine auf den Abschiebungsschutz begrenzte Bindungswirkung der ausländischen Flüchtlingsanerkennung an (ähnlich Treiber, in: GK-AufenthG, Stand: Juli 2011, § 60 Rn. 205.3). Es besteht aber gerade kein Anspruch auf eine neuerliche Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder auf Feststellung subsidiären Schutzes (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 AufenthG n.F.) oder eine hieran anknüpfende Erteilung eines Aufenthaltstitels in Deutschland. Vielmehr ist das Bundesamt bei Vorliegen einer ausländischen Anerkennungsentscheidung zur Feststellung von subsidiärem Schutz oder der (erneuten) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Deutschland weder verpflichtet noch berechtigt. Ein gleichwohl gestellter Antrag ist unzulässig. Das hat der Senat bereits zu der bis 30. November 2013 geltenden Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 2 und 6 AufenthG (a.F.) entschieden (Beschluss vom 26. Oktober 2010 - BVerwG 10 B 28.10 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 43). Dem entspricht die nunmehr geltende Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG. Sie ist jedenfalls bei Zuerkennung internationalen Schutzes durch einen anderen Mitgliedstaat mit Unionsrecht vereinbar. Denn Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU - Asylverfahrensrichtlinie 2013 - eröffnet dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zu behandeln, wenn dem Ausländer bereits ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt, d.h. ihm entweder die Flüchtlingseigenschaft oder unionsrechtlichen subsidiären Schutz zuerkannt hat (vgl. Art. 2 Buchst. i der Richtlinie).

30

Durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl I S. 3474) wurde die Unzulässigkeit eines erneuten Anerkennungsverfahrens nunmehr auch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG (n.F.) erstreckt (§ 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Damit wurde die Konsequenz aus der inhaltlichen Neubestimmung des Asylantrags in § 13 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) gezogen, der - im Einklang mit Unionsrecht - nunmehr neben dem Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch den Antrag auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz umfasst (vgl. BTDrucks 17/13063 S. 25 zu § 60 Abs. 2 AufenthG). Dies hat die verfahrensrechtliche Konsequenz, dass das Begehren auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz unzulässig ist, wenn dem Ausländer bereits im Ausland die Rechtsstellung eines Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne von § 4 AsylVfG (n.F.) zuerkannt worden ist (vgl. hierzu bereits Urteil vom 13. Februar 2014 - BVerwG 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487 Rn. 16). Da dem Kläger im vorliegenden Fall bereits in Italien die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, kann er in Deutschland nicht mehr die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter verlangen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG).

31

Für eine isolierte Aufhebung der negativen Sachentscheidung zum unionsrechtlichen Abschiebungsschutz nach der vor dem 1. Dezember 2013 geltenden Rechtslage in Nummer 2 des angefochtenen Bescheids fehlt dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis, weil ihm diese Aufhebung keinerlei Vorteile bringen kann, nachdem sein Begehren auf Zuerkennung unionsrechtlichen subsidiären Schutzes nach dem nunmehr geltenden Recht unzulässig ist.

32

3. Auch der vom Kläger weiter hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz hinsichtlich Somalias ist unzulässig. Denn ihm steht kraft Gesetzes nationaler Abschiebungsschutz in Bezug auf Somalia bereits aufgrund seiner ausländischen Flüchtlingsanerkennung nach § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG zu (siehe oben Rn. 29). Für die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz nach weiteren Rechtsgrundlagen fehlt dem Kläger hier das Rechtsschutzbedürfnis.

33

Dem Kläger fehlt das Rechtsschutzbedürfnis auch für eine isolierte Aufhebung der negativen Sachentscheidung zum nationalen Abschiebungsschutz in Nummer 2 des angefochtenen Bescheids, da er aufgrund der in Italien ausgesprochenen Anerkennung als Flüchtling bereits - wie oben ausgeführt - den begehrten Abschiebungsschutz in Deutschland genießt.

34

4. Der Streit über die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung in Nummer 3 des angefochtenen Bescheids hat sich durch die in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof abgegebenen Erklärungen nicht erledigt. Die gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs (UA Rn. 29) verletzt Bundesrecht.

35

Zwar hat der Kläger die Ersetzung der Abschiebungsandrohung in den Herkunftsstaat durch eine solche nach Italien, wie sie von dem Vertreter der Beklagten in der Berufungsverhandlung vom 14. Januar 2013 erfolgt ist, nicht im Wege der Klageänderung nach § 91 Abs. 1 VwGO in das vorliegende Verfahren einbezogen. Das unterliegt im Verwaltungsprozess aufgrund der Dispositionsmaxime - anders als nach § 68 FGO und § 86 SGG - allein seiner Entscheidung. Eine Umdeutung nach § 47 Abs. 1 VwVfG scheitert daran, dass es sich beim Austausch des Zielstaats um eine weitgehende inhaltliche Änderung der Abschiebungsandrohung handelt. Das gegen die Abschiebungsandrohung gerichtete Anfechtungsbegehren des Klägers hat sich aber durch die fehlende Einbeziehung der neuen Zielstaatsbestimmung in das Verfahren nicht erledigt. Denn der Klägerbevollmächtigte hat den Rechtsstreit in der Hauptsache nur insoweit für erledigt erklärt, als die Beklagte den Bescheid vom 22. Oktober 2010 aufgehoben hat. Bei der Abschiebungsandrohung hat die Beklagte aber nur die Zielstaatsbezeichnung "in seinen Herkunftsstaat" aufgehoben, nicht die Abschiebungsandrohung als solche. Die Abschiebungsandrohung besitzt auch ohne Zielstaatsbestimmung Verwaltungsaktcharakter (vgl. Urteil vom 13. Februar 2014 a.a.O. Rn. 25). Die Erledigungserklärung geht insoweit ins Leere, denn die nicht konkretisierte Zielstaatsbestimmung "in seinen Herkunftsstaat" stellte - ebenso wie ihre Aufhebung - mangels Regelungswirkung keinen anfechtungsfähigen Verwaltungsakt dar.

36

Die streitgegenständliche Abschiebungsandrohung erfüllt in ihrer durch Nummer 2 des ergänzenden Bescheids vom 15. Mai 2014 erlangten Fassung die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 2 AsylVfG. Allerdings war sie in ihrer ursprünglichen Fassung insoweit rechtswidrig, als sie entgegen § 60 Abs. 10 Satz 2 AufenthG nicht Somalia als den Staat bezeichnet hat, in den der Kläger nicht abgeschoben werden darf. Hierzu war die Beklagte aufgrund der Bindungswirkung der italienischen Flüchtlingsanerkennung, die aufgrund der somalischen Staatsangehörigkeit des Klägers erfolgte, verpflichtet. Diesen rechtlichen Mangel hat die Beklagte durch nachträgliche Bezeichnung von Somalia als Staat, in den der Kläger nicht abgeschoben werden darf, in Nummer 2 des ergänzenden Bescheids vom 15. Mai 2014 ausgeräumt. In der Bestimmung des Staates, in den nicht abgeschoben werden darf, liegt nach dem Gedanken der § 59 Abs. 3, § 60 Abs. 10 Satz 2 AufenthG eine verselbständigungsfähige Teilregelung. Die Parteien haben der veränderten Sachlage durch übereinstimmende Erledigungserklärungen Rechnung getragen. Damit ist der Rechtsstreit in Bezug auf diese Teilregelung der Abschiebungsandrohung in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 141 und § 125 Abs. 1 VwGO einzustellen. Die vorangegangenen Entscheidungen hierzu werden entsprechend § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO für wirkungslos erklärt. Im Übrigen war die Klage gegen die Abschiebungsandrohung abzuweisen.

37

5. Die Kostenentscheidung ergibt sich, soweit streitig entschieden wurde, aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Soweit das Verfahren eingestellt wurde, war gemäß § 161 Abs. 2 VwGO über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Unter Berücksichtigung des Unterliegens des Klägers bei der Einstellung des Asylverfahrens nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG sowie bei dem unionsrechtlichen subsidiären Schutz und nationalen Abschiebungsschutz erschien dem Senat - auch unter Berücksichtigung der von der Beklagten zu tragenden Kosten des eingestellten Verfahrensteils - eine Kostenverteilung sachgerecht, wonach der Kläger zwei Drittel und die Beklagte ein Drittel der Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Rechtsschutz gegen die Überstellung nach Italien im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.

Der Kläger ist (alles nach eigenen Angaben) nigerianischer Staatsangehöriger mit der Volkszugehörigkeit der Edo und geboren am ... 1978. Auf seine Angaben im persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates und die persönliche Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrages am 17. Oktober 2016 (vgl. Bl. 25 - 28 bzw. Bl. 53 - 56 der Bundesamtsakte) wird Bezug genommen. Er habe sein Heimatland erstmalig am 15. Juni 2013 verlassen und sei über den Niger, Libyen, Italien, wo er sich ca. ein Jahr und drei Monate aufgehalten habe, über Österreich (vgl. Bl. 33 der Bundesamtsakten) nach Deutschland gereist, wo er am 11. Mai 2016 angekommen sei und wo er am 17. Oktober 2016 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) - Außenstelle München einen Asylantrag gestellt hat. Er habe in keinem anderen Mitgliedstaat außer Deutschland einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Im April 2016 seien ihm in Italien Fingerabdrücke abgenommen worden. Außerdem wird auf die Angaben im persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens - Zweitbefragung am 18. Oktober 2016 (Bl. 66 - 68 der Bundesamtsakte) Bezug genommen. Auf die Frage, ob es Staaten gebe, in die er nicht überstellt werden wolle, gab der Kläger an: In keinen anderen Staat, nannte jedoch auf Frage keine Gründe dafür. Auf die Frage nach bestehenden Beschwerden und Krankheiten gab der Kläger eine Blutgerinnungsstörung „wegen Knieproblemen“ an. Er sei deswegen in ärztlicher Behandlung und habe darüber auch ärztliche Nachweise. Als Medikation nehme er Novalgin 500, Ibuprofen 600, Pantozol 20 und Clexane.

Ebenfalls am 18. Oktober 2016 fand außerdem noch eine Anhörung gemäß § 25 AsylG statt. Dort gab der Kläger u.a. einen von der Angabe im persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates und die persönliche Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrags abweichenden Einreisezeitpunkt in Deutschland an. Außerdem gab er nun, ebenfalls entgegen den Angaben bei der Erstbefragung an, er habe in Italien einen Asylantrag gestellt, außerdem sogar, dass ihm in Italien Asyl gewährt worden sei. Auf die Frage nach seinem Gesundheitszustand gab der Kläger an, er sei in Deutschland wegen Hörstörungen im Krankenhaus gewesen. „Wegen des Knies“ müsse er in Kürze operiert werden. Ein Arzt habe ihm gesagt, dass er keine Tuberkulose habe. Er leide auch an Blutgerinnungsstörungen. Er fühle sich nicht gesund und ihm sei am Körper heiß. Er habe in der laufenden Woche einen Arzttermin. Im Übrigen wird auf die Niederschrift (Bl. 32 - 36 bzw. Bl. 69 - 73 der Bundesamtsakte) Bezug genommen.

Für den Kläger folgt aus dem von der Beklagte vorgelegten Verwaltungsvorgang ein EURODAC-Treffer für Italien (...; Bl. 64 der Bundesamtsakten).

Auf ein Übernahmeersuchen der Beklagten vom 15. Dezember 2016 an Italien erfolgte keine Reaktion.

Für den 21. Februar 2017 wurde der Kläger erneut zu einer Zweitbefragung geladen (Bl. 92 der Bundesamtsakten), wie sich später herausstellte irrtümlich (Bl. 110 der Bundesamtsakten). Mit Schreiben einer Asylsozialberatung in Ingolstadt vom 20. Februar 2017 wurde mitgeteilt, dass der Kläger wegen Krankheit nicht erscheinen könne. Beigefügt war ein Schreiben eines Facharztes für Chirurgie Handchirurgie und Plastische Chirurgie vom 16. Februar 2017 (Bl. 128 der Bundesamtsakten), auf das Bezug genommen wird.

Mit Bescheid vom 22. Februar 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2) und ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 3). Die Nr. 4 des Bescheids enthält die Befristungsentscheidung hinsichtlich des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG. Auf den Bescheid und seine Begründung wird Bezug genommen.

Mit Begleitschreiben vom 23. Februar 2017 wurde der Bescheid an den Kläger versandt. Der Bescheid wurde dem Kläger laut Postzustellungsurkunde am 24. Februar 2017 zugestellt.

Der Kläger erhob hiergegen zur Niederschrift bei der Rechtsantragsstelle des Verwaltungsgerichts München am 2. März 2017 Klage und beantragte,

den Bescheid vom 22. Februar 2017 aufzuheben.

Außerdem beantragte er, hinsichtlich der Abschiebungsanordnung nach Italien die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen (Az.: M 9 S. 17.50586).

Zur Begründung wurde auf die Angaben gegenüber dem Bundesamt Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 15. März 2017 bestellte sich seine Bevollmächtigte für den Kläger und begründete Klage und Antrag weiter. Der Bescheid sei rechtswidrig, weil der Kläger sehr stark erkrankt sei und ein „Aufenthalt nach Italien“ vermutlich dazu führen werde, dass ihm ein Bein amputiert werden müsse. Der Kläger gebe an, dass er Bluter sei. Er habe vermutlich einen starken Bluterguss am Knie, der dringend behandelt werden müsse. Normalerweise würde man eine solche Erkrankung wohl punktieren, was bei Blutern allerdings nicht möglich sei. Eine Nichtbehandlung des Beines würde nach Angaben des Klägers zur Folge haben, dass das Bein wohl amputiert werden müsse. Die Vorerkrankung als Bluter verlange eine professionelle und umsichtige Vorgehensweise, ansonsten drohe der Verlust des Beins. Auch eine Amputation wäre angesichts der Vorerkrankung lebensbedrohlich. Daher müsse die Beklagte ihr Selbsteintrittsrecht ausüben. Bei einer Überstellung müsse der Kläger damit rechnen, sein Bein zu verlieren. Zwar sei der Verlust eines Beins tatsächlich nicht lebensbedrohlich, jedoch sei ein Flüchtling in Italien mit einem amputierten Bein in einer lebensbedrohlichen Lage, da in diesem Falle in Italien keine Schutzmechanismen für Flüchtlinge greifen würden. Das Asylverfahren einschließlich der Aufnahmebedingungen in Italien wiesen systemische Schwachstellen auf. Im Übrigen wird auf den Schriftsatz Bezug genommen, ebenfalls auf den Schriftsatz vom 16. März 2017, dem ein Schreiben des Klinikums Ingolstadt vom 17. Januar 2017, auf das ebenfalls Bezug genommen wird, beigefügt war, und auf die Schriftsätze vom 27. März 2017, vom 29. März 2017 und vom 5. April 2017. Mit dem zuletzt genannten Schriftsatz wurde ein ärztliches Attest einer onkologischen Gemeinschaftspraxis - Internisten, Hämatologie, Onkologie usw. vom 31. März 2017 vorgelegt, auf das ebenfalls Bezug genommen wird.

Die Beklagte legte die Behördenakten vor, äußerte sich in der Sache aber nicht.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wurde mit Beschluss des Gerichts vom 12. April 2017 (Az.: M 9 S. 17.50586), auf den Bezug genommen wird, abgelehnt.

Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 28. April 2017 wurde im Klageverfahren noch ein ärztliches Schreiben des Hämostasikum (= eine Laborarztpraxis für Blutgerinnungsstörungen) München (Dr. S.) vom 18. April 2017, auf das Bezug genommen wird, vorgelegt.

Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss vom 12. Mai 2017 zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Zum Erlass eines Gerichtsbescheids wurde der Kläger mit Schreiben an seine Bevollmächtigte vom 24. April 2017 angehört; die Beklagte hat hierauf generell verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem und im dazugehörigen Antragsverfahren und der Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Über die Klage kann nach vorheriger Anhörung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO).

Für das Gericht ist hinsichtlich der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG). Insbesondere kommen das AsylG und das AufenthG in den aktuellen Fassungen (AsylG: zuletzt geändert durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017, BGBl I, 872; AufenthG: zuletzt geändert durch das Gesetz zu bereichsspezifischen Regelungen der Gesichtsverhüllung und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom 8.6.2017, BGBl I, 1570) zur Anwendung.

Der Klage ist zwar zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht erhoben, § 74 Abs. 1 Hs. 2 AsylG.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Februar 2017, auf den im Sinne von § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen wird, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Beides ist vorliegend der Fall.

1. Italien ist als Mitgliedstaat, in dem der Kläger ausweislich des Eurodac-Treffers für Italien einen Asylantrag gestellt hat bzw. über dessen Grenze er aus einem Drittstaat illegal eingereist ist, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.

Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich vorliegend nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Klages auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Die Zuständigkeitskriterien der Dublin III-VO finden nach Art. 49 Abs. 2 dieser Verordnung auf Asylanträge, die - wie hier - nach dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind, Anwendung.

Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Bei Anwendung dieser Kriterien ist Italien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist derjenige Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, über dessen Grenze der Asylbewerber aus einem Drittstaat illegal eingereist ist. Das ist auch nach dem eigenen Vortrag des Klägers Italien. Dieser hat dort auch einen Asylantrag gestellt. Der Umstand der Asylantragstellung in Italien wird belegt durch den für den Kläger erzielten Eurodac-Treffer mit der Kennzeichnung „IT1“. Die Ziffer „1“ steht für einen Klage auf internationalen Schutz (Art. 24 Abs. 4 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 vom 26.6.2013 (Neufassung) (EURODAC-VO)). Die Zuständigkeit Italiens ist auch nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO erloschen. Damit ist vorliegend Italien der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Mitgliedstaat.

Da die italienischen Behörden auf das Wiederaufnahmeersuchen der Beklagten nicht reagiert haben, ist gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO davon auszugehen, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen (Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO).

2. Die Abschiebung nach Italien kann gemäß § 34a Abs. 1 AsylG auch durchgeführt werden.

Die Zuständigkeit ist nicht gem. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO auf die Beklagte übergegangen, weil eine Überstellung an Italien als den zuständigen Mitgliedstaat an Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO scheitern würde. Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger im Falle einer Abschiebung nach Italien infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt wäre.

Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v.14.05.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 -, juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v.21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 -, juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für den Kläger führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 Grundrechtscharta ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U.v.21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v.19.03.2014 - 10 B 6.14 -, juris).

Ausgehend von diesen Maßstäben und im Einklang mit der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung ist im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass der Kläger in Italien aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. BayVGH, U.v.28.02.2014 - 13a B 13.30295 -, juris; OVG NRW, B.v. 16.2.2017 - 13 A 316/17.A - juris Rn. 3 - 5; U.v.22.09.2016 - 13 A 2248/15.A -, juris Rn. 72ff.; U.v.18.07.2016 - 13 A 1859/14.A -, juris Rn. 54ff.; U.v.24.04.2015 - 14 A 2356/12.A -, juris; U.v. 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris; VGH BW, U.v.16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; OVG Rh-Pf, U.v.21.02.2014 - 10 A 10656/13.OVG -, juris; OVG LSA, U.v.02.10.2013 - 3 L 645/12 -, juris; OVG Berlin-Bbg, B.v.17.06.2013 - OVG 7 S. 33.13 -, juris; NdsOVG, B.v.30.01.2014 - 4 LA 167/13 -, juris; U.v.25.06.2015 - 11 LB 248/14 -, juris; vgl. auch BVerfG, Kammerb.v.17.09.2014 - 2 BvR 732/14 -, juris). Danach verfügt Italien unter Berücksichtigung der Verwaltungspraxis über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren, welches trotz einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der vor Ort tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss. Obwohl sich in Teilbereichen der tatsächlichen Aufnahmebedingungen durchaus erhebliche Mängel und Defizite feststellen lassen, werden diese, weder für sich genommen noch insgesamt, als so gravierend bewertet, dass ein grundlegendes, systemisches Versagen des Mitgliedstaates vorläge, welches für einen Dublin-Rückkehrer nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Art. 4 EUGRCh bzw. Art. 3 EMRK mit dem dafür notwendigen Schweregrad impliziert (vgl. OVG NRW, U.v.07.03.2014, a.a.O, Rn 132; OVG Rh-Pf, U.v. 21.02.2014, a.a.O, Rn 45 f.).

Das Gericht schließt sich damit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an (vgl. EGMR, B.v.02.04.2013 - Hussein u.a../.Niederlande und Italien, Nr. 27725/10 -, ZAR 2013, 336; B.v.18.06.2013 - Halimi./.Österreich und Italien, Nr. 53852/11 -, ZAR 2013, 338). Unter Berücksichtigung der Berichte von Regierungs- und Nichtregierungsinstitutionen und -organisationen über die Aufnahmeprogramme für Asylbewerber in Italien kam der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die allgemeine Situation und die Lebensbedingungen in Italien für Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge und Ausländer, die aus Gründen des internationalen Schutzes oder zu humanitären Zwecken eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hätten, zwar einige Mängel aufweisen mögen, dass die vorliegenden Materialien jedoch kein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für Asylbewerber als Mitglieder einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe aufzeigen würden. Berichte des UNHCR und des Menschenrechtskommissars wiesen auf jüngste Verbesserungen der Situation hin mit dem Ziel der Mängelbeseitigung; alle Berichte zeigten übereinstimmend und ausführlich die Existenz ausgearbeiteter Strukturen von Einrichtungen und Hilfsmaßnahmen, die auf die Bedürfnisse der Asylbewerber zugeschnitten seien. Diese Rechtsauffassung hat der EGMR, dessen Rechtsprechung für die Auslegung der EMRK auch über den jeweilig entschiedenen Fall hinaus eine Orientierungs- und Leitfunktion hat (BVerfG, U.v.04.05.2011 - 2 BvR 2333/08 -, juris), durch seine Entscheidung vom 10. September 2013 (Nr. 2314/10 - HUDOC) ausdrücklich bestätigt.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des EGMR vom 4. November 2014 im Verfahren Tarakhel ./. Schweiz (Az. 29217/12, NVwZ 2015, 127 ff.). Der EGMR hat hier lediglich entschieden, dass die Schweizer Behörden die Abschiebung einer Familie nach Italien nicht vornehmen dürfen, ohne vorher individuelle Garantien von den italienischen Behörden erhalten zu haben, dass die Kläger in Italien in einer dem Alter der Kinder adäquaten Art und Weise behandelt werden und die Familie zusammen bleiben darf. Das Urteil beinhaltet damit keine Aussage zu eventuellen systemischen Mängeln in Italien, sondern lediglich eine Einschränkung für die Abschiebung von Familien nach Italien. Zudem hat der EGMR in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2015 im Verfahren A.M.E. ./. Niederlande (Az. 51428/10) entschieden, dass die Struktur und die Gesamtsituation des italienischen Flüchtlings- und Asylbewerberaufnahmesystems kein genereller Grund sind, eine Überstellung im Zuge des sog. Dublin-Verfahrens zu verbieten. Unabhängig davon sind die Umstände des streitgegenständlichen Falles des Klägers mit denjenigen in der Entscheidung des EGMR nicht vergleichbar.

Auch aus neueren Erkenntnismitteln können keine Hinweise auf systemische Mängel entnommen werden. In dem vom Europäischen Rat für Flüchtlinge und im Exil lebende Personen (ECRE) für das Projekt AIDA - Asylum Information Database erstellten Länderbericht zu Italien vom Dezember 2015 (abrufbar unter http://www...org/reports/country/italy) wird zwar ausgeführt (vgl. S. 62 ff. des Berichts), dass dort zumindest in der Vergangenheit nicht für alle Asylbewerber adäquate Aufnahmeeinrichtungen zur Verfügung gestanden haben und die Zahl von Unterbringungsplätzen nur unzureichend war. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der italienische Staat hiergegen erfolgsversprechende Gegenmaßnahmen ergreift. Zum einen werden die Kapazitäten der Aufnahmeeinrichtungen dem vorgenannten Bericht zufolge seit 2013 deutlich erhöht. UNHCR und Nichtregierungsorganisationen beraten die staatlichen Stellen bei der Verbesserung der Aufnahmebedingungen. Speziell für Dublin-Rückkehrer wurden zum anderen Zentren zur übergangsweisen Unterbringung eingerichtet (vgl. S. 63f. des Berichts). Ein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen lässt sich dem AIDA-Bericht nicht entnehmen. Ein systemischer Mangel der Aufnahmebedingungen kann daher auch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht angenommen werden.

Auch aus dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe von August 2016 (vgl. Schweizerischen Flüchtlingshilfe (https://www...ch/…/160815-sfh-bericht-italien-aufnahmebedingungen) ergibt sich nichts anderes. Denn erstens handelt es sich hierbei nicht um das einzig richtige bzw. einzig maßgebliche Erkenntnismittel, vielmehr ergibt eine Berücksichtigung dieses Erkenntnismittels in der Zusammenschau mit den zahlreichen anderen vorhandenen Erkenntnismitteln eben im Ergebnis, dass systemische Mängel im italienischen Asylverfahren nicht vorliegen. Zweitens wäre die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien erst dann überschritten, wenn absehbar wäre, dass auf die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung des Problems ergriffen würden. Dafür gibt es auch nach dem aktuellen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe aus dem August 2016 keine Hinweise (vgl. VG Schwerin, U.v.26.09.2016 - 16 A 1757/15 As SN -, juris Rn. 122), auch ansonsten ist das nicht der Fall (vgl. z.B. OVG NRW, U.v.18.07.2016 - 13 A 1859/14.A -, juris Rn. 103ff.).

Die gegenwärtig hohe Zahl von Einwanderern nach Italien stellt keinen Umstand dar, der eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien würde erst dann überschritten, wenn auf die erhöhte Zahl von Einwanderern hin keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung der damit verbundenen Probleme ergriffen würden. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden (vgl. OVG NRW, U.v.24.04.2015 a.a.O.).

Auch der Umstand, dass sich die Situation des Klägers in Italien u.U. deutlich schlechter als im Bundesgebiet darstellt, begründet keinen systemischen Mangel des Asylverfahrens (vgl. EGMR, B.v.02.04.2013 - a.a.O.).

Auch im Hinblick auf medizinische Betreuung und Versorgung ergibt sich keine Verpflichtung der Beklagten, das Asylverfahren durchzuführen (vgl. EGMR, U.v.30.6.2015 - 39350/13 - A.S. gegen Schweiz), da Italien über eine umfassende Gesundheitsfürsorge verfügt, die italienischen Staatsbürgern sowie Flüchtlingen, Asylbewerbern und unter humanitären Schutz stehenden Personen gleichermaßen zugänglich ist. Nach der bestehenden Auskunftslage funktioniert die notfallmedizinische Versorgung und der Zugang zu Hausärzten grundsätzlich ebenso wie das Angebot von psychologischer und psychiatrischer Behandlung (vgl. VG Ansbach, U.v.11.12.2015 - AN 14 K 15.50316 -, juris Rn. 26 m.w.N.). Auch der bereits erwähnte Bericht von AIDA bestätigt die Gleichstellung von Asylsuchenden und international Schutzberechtigten mit italienischen Staatsangehörigen hinsichtlich der gesundheitlichen Versorgung (vgl. dort S. 84). Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21. Januar 2013 an das OVG Sachsen-Anhalt steht eine kostenfreie medizinische Versorgung auch Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind. Eine aktuelle Vereinbarung zwischen der italienischen Zentralregierung und den Regionen garantiert dabei die Not- und Grundversorgung auch von Personen, die sich illegal im Land aufhalten (VG Augsburg, B.v.19.09.2015 - Au 7 S. 15.50412 -, juris). Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei (VG München, B.v.05.11.2014 - M 18 S. 14.50356 - juris m.w.N.). Auch bei Überstellung von kranken Personen, deren Asylverfahren in Italien negativ abgeschlossen ist, besteht damit die Möglichkeit der Behandlung. Es ist daher davon auszugehen, dass der Kläger in Italien Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung hat.

Schließlich begründet auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, keine systemischen Mängel. Dies gilt auch in Ansehung des Umstands, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares, landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (VGH BW, U.v.16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris).

Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO notwendig machen, liegen nicht vor. Zwar kann gemäß Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in der Dublin III-VO festgesetzten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Indes besteht kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO durch die Bundesrepublik Deutschland (vgl. VG Düsseldorf, U.v.25.8.2015 - 13 K 1723/15.A - juris Rn. 42f. m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs; vgl. hierzu auch VG München, B.v. 28.3.2017 - M 9 S. 17.50332). Die Dublin III-Verordnung sieht ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin III-VO begründen - wie die der früheren Dublin II VO - zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet grundsätzlich kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Beklagten.

Unabhängig davon liegen schließlich auch keine inlandsbezogenen oder zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse vor.

Die vorgetragenen Erkrankungen, d.h. insbesondere die Hämophilie Typ A, ändern am Ergebnis nichts. Zwar ist das Bestehen einer Hämophilie beim Kläger hinreichend belegt, sie bedingt - einschließlich möglicher Folgen - jedoch kein Abschiebungshindernis in Bezug auf Italien.

Zunächst folgt daraus kein sog. inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis, weil dadurch keine Reiseunfähigkeit, weder im engeren noch im weiteren Sinne, begründet wird. Bei der Beurteilung ist von dem rechtlichen Rahmen auszugehen, den § 60a Abs. 2c AufenthG absteckt. Aus den vorgelegten ärztlichen Schreiben geht jedoch inhaltlich dasjenige, was ihnen die Bevollmächtigte des Klägers beimisst, nicht hervor. Aus den in Bezug auf die Hämophilie vorgelegten Bescheinigungen (Schreiben des Klinikums Ingolstadt vom 17. Januar 2017, Schreiben Facharzt für Chirurgie Handchirurgie und Plastische Chirurgie vom 16. Februar 2017, ärztliches Attest onkologische Gemeinschaftspraxis vom 31. März 2017 sowie Schreiben des Hämostasikum München vom 18. April 2017) folgt, unabhängig davon, ob diese den Anforderungen gemäß dem seit dem 17. März 2016 (durch Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren v. 11.3.2016 - BGBl I S. 390) neu eingeführten § 60a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG gerecht werden, inhaltlich keine Reiseunfähigkeit; das nehmen die genannten Bescheinigungen für sich selbst auch gar nicht in Anspruch. Es ist nicht ersichtlich, wie bzw. warum auf Grund des Umstands, dass der Kläger Bluter ist, eine Reise- bzw. Transportfähigkeit hinsichtlich Italien mit einem kurzen Rückführungsweg ohne größere Belastungen fehlen sollte. Denn daraus erwachsen zunächst ohne weiteres keine Zweifel an der Transportfähigkeit (Reisefähigkeit im engeren Sinne). Es ist aber auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass sich der Gesundheitszustand als unmittelbare Folge der Abschiebung erheblich verschlechtern wird (Reisefähigkeit im weiteren Sinne). Für diese Befürchtung wäre nur Raum, wenn nicht sichergestellt wäre, dass im Zielstaat eine (Anschluss-) Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung steht; das ist jedoch hinsichtlich Italien sichergestellt. Denn es bestehen insbesondere unter Berücksichtigung des oben auf S. 14 und 15 Gesagten keine Zweifel daran, dass auch in Italien eine Behandlung wegen Hämophilie durchgeführt werden kann, noch insbesondere daran, dass bei einer Verschlimmerung der Erkrankungsfolgen der Kläger in Italien behandelt wird und er beispielsweise - im Bedarfsfall, nach eigenen Angaben erhält er solche Medikamente derzeit nicht bzw. jedenfalls nicht dauernd (vgl. die Angaben des Klägers im Verwaltungsverfahren zu seiner Medikation, Bl. 67 der Bundeamtsakten, vgl. hierzu auch das ärztliche Schreiben des Hämostasikums vom 18. April 2017, dort S. 1 zur derzeitigen Medikation und S. 2: Therapeutische Empfehlung rekombinanter Faktor im akuten Blutungsfall) - Gerinnungsfaktoren bekommt. Es ist im Anschluss an die Erkenntnisse zur Gesundheitsversorgung (siehe S. 14 und 15 dieses Beschlusses) nicht nachvollziehbar, warum dem Kläger bei einem Aufenthalt in Italien „ein Bein amputiert werden müsse“, in Deutschland hingegen nicht. Dass dem Kläger möglicherweise im Heimatland keine Betreuung auf europäischem Niveau geboten wird und mögliche Blutungen dort schwere Folgen haben können, was aus dem ärztlichen Attest vom 31. März 2017, das sich gerade nur im Hinblick auf Nigeria und gerade nicht im Hinblick auf Italien äußert, folgt, ist für das vorliegende Verfahren nicht relevant, da es hier nicht darum geht, ob der Kläger in das Heimatland abgeschoben werden kann.

Nichts anderes gilt für die im Verwaltungsverfahren erwähnten Beschwerden der Gonarthrose (= Kniegelenksarthrose), der Hämarthrose (= Erkrankung eines Gelenkes durch wiederholte und fortbestehende Einblutung, sog. Blutergelenk) und der Mittelohrentzündung (vgl. zu letzterer VG München, B.v. 22.3.2017 - M 9 S. 17.50325 - juris Rn. 38f.).

Schließlich liegen auch keine zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse i.S.v. § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG vor. Es sind keine Umstände ersichtlich, die einen Anhaltspunkt dafür geben könnten, dass eine erforderliche Behandlung gerade nur in der Bundesrepublik Deutschland erfolgen kann und nicht auch in Italien möglich ist. Das Gericht weist in diesem Zusammenhang im Anschluss an die Ausführungen oben S. 14 und 15 darauf hin, dass eine Krankenbehandlung auch in Italien in ausreichendem Umfang gewährleistet ist. Nach der bestehenden Auskunftslage sind Asylbewerber in Fragen der Gesundheitsversorgung den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt. Die Anmeldung beim nationalen Gesundheitsdienst ermöglicht die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Inanspruchnahme medizinischer Leistungen nicht nur im Rahmen der Notfallversorgung, sondern auch hinsichtlich der Behandlung bei Spezialisten, etc. berechtigt. Die Überweisungen an Spezialisten sind zudem für Asylbewerber kostenfrei. Darüber hinaus besteht gerade für Asylbewerber die Möglichkeit, an Projekten von Nichtregierungsorganisationen oder anderen privaten Trägern, teilzunehmen (vgl. zu allem VG Düsseldorf, U.v. 25.8.2015 - 13 K 1723/15.A - juris Rn. 98ff.). Es bestehen vor dem dargestellten Hintergrund keine Zweifel daran, dass der Kläger in Italien im akuten Blutungsfall den beispielsweise nach dem ärztlichen Schreiben des Hämostasikums vom 18. April 2017 erforderlichen rekombinanten Faktor VIIa oder auch andere erforderliche Behandlungen erhalten könnte, unabhängig davon, dass sich die Klagebegründung hierzu gar nicht verhält.

Der Umstand, dass der Kläger im persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens - Zweitbefragung geltend gemacht hat, dass er in keinen anderen Mitgliedstaat wolle, begründet keine systemischen Mängel des italienischen Asylverfahrens, unabhängig davon, dass der Kläger nach eigenen Angaben insgesamt ein Jahr und drei Monate in Italien gelebt hat.

Die Angaben des Klägers im Rahmen der Anhörung nach § 25 AsylG führen ebenfalls nicht zu einem anderen Ergebnis. Hierbei handelt es sich um die Geltendmachung von Umständen, die für die Überstellung des Klägers im Rahmen der Anwendung der Dublin III-Verordnung nicht relevant sind, vielmehr handelt es sich um sog. zielstaatsbezogenes Vorbringen, das zum Asylantrag des Klägers gehört, für den die Beklagte aber gerade nicht zuständig ist.

Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen in den Nummern 2 und 4 des streitgegenständlichen Bescheids bestehen keine Bedenken.

3. Die Klage wird daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abgewiesen. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

Tenor

Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein am … 1968 geborener pakistanischer Staatsangehöriger, beantragte am 09.02.2015 beim Bundesamt seine Anerkennung als Asylberechtigter, nachdem er am 15.11.2014 nach Deutschland eingereist war. Gemäß Eurodac-Recherche war der Kläger zuvor in Italien im Zusammenhang mit dem illegalen Überschreiten der Grenze registriert worden (Eurodac-Nr. IT2 …). Der Kläger gab bei der Belehrung nach Art. 5 Dublin III-VO an, „ca. am 05.11.2014“ nach Italien eingereist zu sein, und sich dort bis zum 14.11.2014 aufgehalten zu haben. Ein Übernahmeersuchen gemäß Art 13 Abs. 1 Dublin III-VO vom 27.02.2015 beantworteten die italienischen Behörden nicht.
Mit Bescheid vom 08.06.2015, zugestellt am 15.06.2015, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Ziff. 1) und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an (Ziff. 2).
Der Kläger hat am 18.06.2015 Klage erhoben und macht geltend, mit seiner schweren Erkrankung (Leberzirrhose Child A bei chronischer Hepatitis C, Thrombopenie 70000 [Mangel an Blutplättchen mit erhöhter Blutungsneigung]) erhalte er in Italien keinen ausreichenden Zugang zu einer Gesundheitsversorgung. Einem zeitgleich mit der Klage gestellten Eilantrag ist mit Beschluss des Einzelrichters vom 31.07.2014 (A 6 K 1357/15) stattgegeben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bundesamtsbescheid angeordnet worden.
Der Kläger, der zunächst auch die Verpflichtung der Beklagten begehrt hat, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen sowie ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hat die Klage in der mündlichen Verhandlung insoweit zurückgenommen und beantragt noch,
den Bescheid des Bundesamts vom 08.06.2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den Akteninhalt (ein Heft des Bundesamts sowie ein Heft Gerichtsakte des Eilverfahrens A 6 K 1357/15) verwiesen. Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört worden; wegen des Inhalts seiner Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
Soweit die Klage hinsichtlich des Verpflichtungsantrags zurückgenommen worden ist, war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
II.
10 
Hinsichtlich der Anfechtungsklage ist in der Sache zu entscheiden. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung im Anschluss an die nunmehr vorgelegte ärztliche Bescheinigung des Universitätsklinikums Freiburg vom 16.02.2016 erachtet das Gericht nicht für geboten. Denn der Kläger hat diese, wie von ihm im Termin vom 04.02.2016 angekündigt, in Erfüllung der vom Gericht bereits unter dem 31.07.2015 erfolgten Anforderung und zwecks Darstellung seines aktuellen Gesundheitszustands vorgelegt und die Beklagte ist auf diesen Gesichtspunkt des Verfahrens – trotz des Hinweises des Gerichts vom 31.07.2015 - nie eingegangen. Von einem bislang nicht erörterten bzw. nicht hervorgetretenen Gesichtspunkt, den das Gericht zur Grundlage seiner Entscheidung macht, ohne die Beteiligten hierzu zuvor gehört zu haben, kann folglich nicht die Rede sein. Auf die hieraus abgeleitete Rechtsauffassung und Würdigung des Prozessstoffs musste das Gericht nicht hinweisen, da die tatsächliche und rechtliche Würdigung sich erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt (BVerwG, Beschl. v. 07.12.2015 – 1 B 66/15 –, Rn. 16, juris).
11 
Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Bescheid des Bundesamts vom 08.06.2015 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
12 
1.) Die Republik Italien ist gemäß § 27a AsylG i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der (gemäß ihrem Art. 49 Unterabs. 2 anzuwendenden) Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) für die weitere Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Gemäß Art. 13 Abs.1 Satz 1 Dublin III-VO ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, dessen Land-, See- oder Luftgrenze der Antragsteller aus einem Drittstaat kommend illegal überschritten hat. Ein solcher Fall liegt hier vor, da der Kläger, wie durch einen Eurodac-Treffer der Kategorie 2 bestätigt, als erstes ohne Aufenthaltstitel und damit illegal die Grenze zum EU-Mitgliedstaat Italien überschritten hat. Auch der Kläger selbst hat eingeräumt, in Italien gewesen zu sein, sich dort 5 bis 6 Tage in einem Asylheim in Sizilien aufgehalten zu haben, ohne aber einen Asylantrag zu stellen.
13 
a.) Ungeachtet dessen, dass sich der Kläger auf eine etwaige Verletzung von Verfahrensvorschriften jedenfalls bei Zustimmung des ersuchten Mitgliedstaates nicht für eine Rechtsverletzung berufen könnte, ist diese für Italien anzunehmende Zuständigkeit auch nicht nachträglich entfallen. Das Bundesamt hat innerhalb der in Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 2 Dublin III-VO genannten Frist bereits am 27.02.2015 ein Aufnahmegesuch an Italien gerichtet. Italien hat hierauf nicht reagiert, sodass gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO seit Ablauf des 27.04.2015 davon auszugehen ist, dass es dem Aufnahmegesuch zugestimmt hat. Damit ist Italien zur Aufnahme des Klägers sowie dazu verpflichtet, angemessene Vorkehrungen für seine Ankunft zu treffen. Von dieser Aufnahmebereitschaft ist im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weiterhin auszugehen, so dass auch keine unzumutbare Verzögerung der Durchführung des Aufnahmeverfahrens (auf die sich der Kläger in Abwehr einer subjektiven Rechtsverletzung berufen könnte) eintreten wird. Denn die mit Eintritt der Zustimmungsfiktion am 28.04.2015 beginnende sechsmonatige Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1, Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO ist aufgrund der mit Eilbeschluss vom 31.07.2015 erfolgten Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gehemmt (zu dieser Wirkung vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.04.2014 – A 11 S 1721/13 –, Rn. 33, juris) und folglich tatsächlich noch nicht abgelaufen (Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 i.V.m. Art. Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO). Von einer überlangen, eine Pflicht zum Selbsteintritt des ersuchenden Mitgliedstaats begründende Verfahrensdauer kann angesichts der etwas mehr als zwei Monate zwischen Asylantragstellung und (fingierter) Erteilung der Zustimmung zur Aufnahme nicht die Rede sein (in diesem Sinne sogar für elf Monate: BVerwG, Urt. v. 27.10.2015 – 1 C 32/14 –, Rn. 21, juris). Die Pflicht Italiens schließlich, nach Aufnahme des Klägers den von diesem gestellten Asylantrag zu prüfen, ergibt sich aus Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO.
14 
b.) Die vom Kläger eingewendeten Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO, die eine Pflicht des BAMF bewirkten zu prüfen, ob statt Italiens ein anderer Mitgliedstatt zuständig ist bzw. - bei Verneinung - die Zuständigkeit Deutschlands begründeten, liegen nicht vor. Es erweist sich nicht als unmöglich, den Kläger nach Italien zu überstellen, da es keine wesentlichen Gründe für die Annahme gibt, dass die (im Fall Italiens allein zu untersuchenden) Aufnahmebedingungen für ihn in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta bzw. Art. 3 EMRK mit sich bringen. Eine solche Rechtsverletzung hätte vorausgesetzt, dass mit Blick auf das Gewicht und Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieser Grundrechte mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit die reale, nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass der Betroffene in dem Mitgliedstaat, in den er als den nach der Dublin III-VO zuständigen Staat überstellt werden soll, während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Gesundheits-/Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbaren Weise befriedigen kann (vgl. m.w.N. OVG Lüneburg, Urt. v. 25.06.2015 – 11 LB 248/14 –, Rn. 46, juris). Dies ist indessen zu verneinen.
15 
Italien hat zwar Probleme bei der lückenlosen Versorgung von Asylwerbern mit im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen. Das Land sah sich im Jahr 2015 mit einer hohen, gegenüber den Vorjahren noch einmal angestiegenen Zahl an Asylbewerbern konfrontiert. Eurostat gibt diesen Zustrom mit 84.085 Asylbewerbern und erstmaligen Asylbewerbern an (Quelle: Europäische Kommission > Eurostat > Statistik nach Themen > Asyl und gesteuerte Migration > Statistiken illustriert > Asylbewerber und erstmalige Asylbewerber [Zahlen dort für 2014: 64.625 und für 2013: 26.620]). Diese Zahl kann angesichts des auch im letzten Quartal 2015 anhaltenden Flüchtlingszustroms als verlässlich zugrundegelegt werden. Die mit 48.307 Asylantragstellern vom UNHCR aufgeführte Zahl (www.unhcr.org > Where We Work > Europe > Northern, Western, Central and Southern Europe > Italy > Statistical Snapshot) widerspricht dem nicht, da sie den Stand (nur von) Juni 2015 abbildet. Entsprechendes gilt für die mit 59.165 Antragstellern genannte Zahl im AIDA-Report vom Dezember 2015 des ECRE (European Council on Refugees and Exiles - Asylum Information Database, Country Report: Italy, Seite 6 [künftig aufgeführt als: AIDA-Report Dezember 2015]), die den Zeitraum (nur) von Januar bis September betrifft.
16 
Von einem systemischen Versagen im Hinblick auf das Aufnahmeverfahren ist indessen nicht auszugehen, da das Land in Reaktion auf diesen Zustrom nicht etwa untätig geblieben ist und bleibt, sondern Maßnahmen zur Problembewältigung ergriffen hat und weiterhin durchführt (vgl. bereits für die Zeitpunkte April und Juni 2015: OVG NRW, Urt. v. 24.04.2015 – 14 A 2356/12.A –, Rn. 41, juris; OVG Lüneburg, Urt. v. 25.06.2015, a.a.O., Rn. 51 ff.). Die Aufnahmekapazitäten sind sukzessive und deutlich erhöht worden. Während Ende Februar 2015 in den Erstaufnahmezentren (CPSA, CARA/CDA) noch 9.504 Unterbringungsplätze vorhanden bzw. belegt waren (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 25.03.2015 an VG Schwerin; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Auskunft vom 23.04.2015 an VG Schwerin), stieg diese Zahl bis Mitte 2015 auf 12.000 Plätze an und soll im Laufe des Jahres 2016 auf zunächst 14.750 und sodann auf 15.550 Plätze ausgeweitet werden (AIDA-Report Dezember 2015, Seite 67). Entsprechendes gilt für die Anschlussunterbringung im SPRAR-System, dessen Kapazität von Ende Februar 2015 (20.596 Plätze - so Auswärtiges Amt und Schweizerische Flüchtlingshilfe, a.a.O.) zunächst bis Ende Mai 2015 auf rund 21.449 Plätze ausgeweitet wurde, zu denen weitere 10.000 ausgeschriebene Plätze hinzukommen, um für das Jahr 2016 eine Anzahl von knapp 32.000 Plätzen zu erreichen (Borderline-Europe, Kurzinformation zur Situation von Geflüchteten in der Region Sizilien, Februar 2016, Seite 4; AIDA-Report Dezember 2015, Seite 68). Was schließlich den Bereich der außerordentlichen Aufnahmezentren (Notfallzentren -CAS) angeht, betrug deren Kapazität Ende Februar 2015 etwa 37.000 Personen (Auswärtiges Amt und Schweizerische Flüchtlingshilfe, a.a.O.) und war bis Ende Juni 2015 auf rund 50.711 Personen angewachsen (AIDA-Report Dezember 2015, Seite 69). Borderline-Europe (a.a.O., Seite 4) berichtet unter Hinweis auf Angaben des italienischen Innenministeriums gar von 70.918 vorhandenen Plätzen in 3.090 Einrichtungen.
17 
Dass diese Verbesserungen nur vorübergehend wären und bei einer Prognose in Zukunft ein Rückschritt bzw. Verschlechterungen eintreten könnten, ist nicht zu erwarten. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass Italien (neben Griechenland) im Zeitraum von 2014 bis 2020 voraussichtlich weiterhin der wichtigste Begünstigte des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) sein wird (vgl. Beschluss (EU) 2015/1601 des Rates vom 22.09.2015 zur Einführung von vorläufigen Maßnahmen im Bereich des internationalen Schutzes zu Gunsten von Italien und Griechenland, Erwägungsgrund 15). In Erfüllung seiner aus dem vorgenannten Beschluss (dort Art. 8 Abs. 1 sowie Erwägungsgrund 18) resultierenden Verpflichtung, als Reaktion auf die Krisensituation einen soliden strategischen Rahmen zu schaffen und den bereits eingeleiteten Reformprozess in diesen Bereichen zu verstärken, um so zu einer strukturellen Lösung für die Bewältigung des außergewöhnlichen Drucks auf sein Asyl- und Migrationssystem zu gelangen, hat Italien am 28.09.2015 einen aktualisierten Fahrplan („Roadmap“) vorgelegt (in englischer Zusammenfassung und Kommentierung abgerufen bei www.statewatch.org). Darin werden die oben genannten Aufnahmekapazitäten auch von staatlicher italienischer Seite aufgeführt und im SPRAR-System mittelfristig für den Zeitraum 2016/2017 eine Aufnahmekapazität von mindestens 40.000 Plätzen ins Auge gefasst. Die Zahl der Ende September 2015 vorhandenen Unterbringungsplätze im CAS-System wird mit 68.093 angegeben.
18 
Angesichts dieser Zahlen sowie der im genannten Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 22.09.2015 und ferner in dessen vorangegangenem Beschluss (EU) 2015/1523 vom 14.09.2015 vorgesehenen Umsiedlung von mehreren Tausend Antragstellern aus Italien in das Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten (mit der dadurch eintretenden Entlastung zugleich des Aufnahmesystems) kann nicht von systemischen Mängeln ausgegangen werden.
19 
Relevant ist mit Blick auf die Situation in Fällen wie den des Klägers ferner die Frage der Aufnahme und Unterbringung von Dublin-Rückkehrern, die erkrankt sind. Bei der Bewertung der in Italien anzutreffenden Umstände der Aufnahme von Flüchtlingen sind diejenigen Umstände heranzuziehen, die auch auf die Situation des Klägers zutreffen. Abzustellen ist demnach auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Lage, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielt. Sie kann allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese Umstände auch auf die Situation des Klägers auswirken können ( OVG NRW, Urt. v. 07.03.2014 – 1 A 21/12.A –, Rn. 130, juris).
20 
Beim Kläger handelt es sich darüber hinaus um eine chronisch erkrankte Person. Gemäß ärztlichen Bescheinigungen des Universitätsklinikums Freiburg (Leberzentrum) vom 12.04.2015 und (aktualisiert) vom 16.02.2016 leidet der Kläger seit 2011 an einer bereits in Pakistan diagnostizierten (und behandelten) chronischen Hepatitis C-Virusinfektion und einer Thrombopenie 70000 und einer (in Deutschland diagnostizierten) Leberzirrhose Child A infolge der Virusinfektion. Die erforderliche Behandlung besteht in einer antiviralen Therapie sowie ferner halbjährlichen Kontrolluntersuchungen (Labor und Ultraschall) zur Früherkennung eines Leberzellkarzinoms. Die im Fall des Klägers indizierte Therapie über 24 Wochen mit interferonfreien Medikamenten besitzt eine Erfolgsaussicht betreffend die endgültige Ausheilung der Hepatitis C zwischen 60-90 % (zu dieser grundlegenden Umwälzung der Hepatitis-C-Therapie aufgrund direkt antiviral wirkender Substanzen mit der daraus resultierenden hocheffektiven Therapie vgl. auch: Robert Koch Institut, Epidemiologisches Bulletin Nr. 30 vom 27.07.2015, 289 [298]). Die Kosten liegen bei 158.000 EUR. Neuere Therapieoptionen werden im Laufe des Jahres 2016 erwartet (12 Wochen Therapiedauer bei 89% Erfolgsaussicht der Virusausheilung) und sind voraussichtlich deutlich günstiger. Wird der Kläger nicht kurzfristig behandelt, sind keine Folgen zu erwarten (1-Jahres-Überlebensrate bei nahezu 100 %). Mittelfristig, im Bereich von Monaten bis wenigen Jahren, ist der Übergang in eine Leberzirrhose Child B-Stadium zu erwarten, was eine deutlich höhere Rate an Komplikationen der Leberzirrhose nach sich zieht (Ausbildung von Krampfadern der Speiseröhre mit eventuell drohender Blutung, Ausbildung von Bauchwasser, Gerinnungsstörungen, Störungen der Gedächtnisleistung). Die 1-Jahres-Überlebensrate liegt hier bei 85 %. Bleibt die Krankheit langfristig unbehandelt, ist mit einem weiteren Fortschreiten der Leberzirrhose in ein Child C-Stadium zu rechnen mit Dekompensation der Leberzirrhose und dem zusätzlichen Risiko eines Leberzellkrebses. Die 1-Jahres-Überlebensrate liegt hier bei 35 %, so dass die langfristigen Überlebenschancen ohne Therapie der Hepatitis C schlecht sind.
21 
Für die anzustellende Prognose ist davon auszugehen, dass der Kläger bei seiner (unterstellten) Ankunft in Italien einen Asylantrag stellt (bzw., da in Deutschland bereits gestellt, dort formal nach italienischen Bestimmungen registrieren lässt und aufrechterhält) und die dort zur Verfügung stehenden Angebote der (medizinischen) Versorgung im Rahmen des Möglichen tatsächlich nutzt (OVG NRW, Urt. v. 07.03.2014, a.a.O.). Systemische Mängel bei der Aufnahme von Dublin-Rückkehrern sowie in der medizinischen Versorgung kranker Asylantragsteller, welche beachtlich wahrscheinlich eine Gefahr für den Kläger begründen könnten, sind danach zu verneinen:
22 
Dublin-Rückkehrer, die - wie der Kläger - während ihres Aufenthalts in bzw. ihrer Durchreise durch Italien kein Asylgesuch gestellt haben, können den Antrag auf internationalen Schutz dort unter regulären Bedingungen stellen (AIDA-Report Dezember 2015, Seite 40). Das Hauptproblem für sie besteht in der Aufnahme bzw. Unterbringung, wenn sich hier Verzögerungszeiten ergeben, während der eine Versorgung mit materiellen Leistungen möglicherweise nicht gewährleistet ist. Gerade hier waren in den letzten Jahren allerdings Aufnahmesysteme eingerichtet worden, um Dublin-Rückkehrer vorübergehend unterzubringen, bis ihre Verfahrenssituation geklärt oder - im Fall vulnerabler Personen - eine alternative Unterbringung gefunden war. Bis Mitte 2015 waren auf diese Art mit finanzieller Hilfe des Europäischen Flüchtlingsfonds (ERF) 11 Zentren für die Aufnahme von Dublin-Rückkehrern tätig, von denen 7 auf vulnerable Person spezialisiert waren. Diese Zentren in Rom (3), der Provinz Mailand (3), Venedig (2), Bologna (2) und Bari (1) konnten 443 Dublin-Rückkehrer vorübergehend unterbringen (AIDA-Report Januar 2015, Seite 31; AIDA-Report Dezember 2015, Seite 63/64). Seit Juni 2015, dem Ende der ERF-Förderung, werden Dublin-Rückkehrer im regulären Aufnahmesystem untergebracht: Allerdings ist vorgesehen, mit Unterstützung des durch die Verordnung (EU) 516/2014 für den Zeitraum 01.01.2014 bis 31.12.2020 eingerichteten (sich an den ERRF anschließenden) Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) erneut für eine spezielle Unterbringung dieses Personenkreises zu sorgen (AIDA-Report Dezember 2015, Seite 67). Das von Italien gemäß Art. 14 der Verordnung (EU) 514/2014 für den Zeitraum 01.01.2014 bis 31.12.2020 vorgeschlagene und von der EU-Kommission noch zu genehmigende nationale Programm (Programma Nazionale FAMI - abrufbar unter https://ec.europa.eu/migrant-integration/news/italy-amif-call-for-proposals-now-published?lang=de) sieht erneut Maßnahmen zur Gewährleistung der Aufnahme von und Unterstützungsleistungen für Personen vor, die in Anwendung der Dublin III-VO überstellt werden (Seite 9: Obiettivo specifico - Asilo, unter f) sowie die Verstärkung der Aufnahmedienste, die Unterstützung und räumliche Orientierung solcher Personen (Seite 10: Obiettivo nazionale - Accoglienza/asilo, unter f).
23 
Auch wenn die Umsetzung des Programms im Fall seiner Genehmigung erst im letzten Quartal 2016 beginnen kann (vgl. Europäische Kommission: Asylum, Migration and Integration Fund (2014-2020) - 2015 Call for Proposal, Timetable [abrufbar unter: http://ec.europa.eu/dgs/home-affairs/financing/fundings/migration-asylum-borders/asylum-migration-integration-fund/calls/2015/inte/index_en.htm] sowie Programma Nationale FAMI, a.a.O., Seite 23 [Calendario Indicativo]), belegt die Existenz spezieller Aufnahmeeinrichtungen für Dublin-Rückkehrer in der Vergangenheit sowie deren Planung für die Zukunft, dass Italien ein besonderes Augenmerk auf diesen Personenkreis gelegt hat bzw. weiterhin legt. Anhaltspunkte dafür, der Kläger werde bei Rücküberstellung nicht sofort Unterbringung in einer Aufnahmeeinrichtung erfahren, gibt es nicht. Von zeitlichen Lücken bei der Unterbringung zwischen Einreichen eines Asylgesuchs und dessen formaler Registrierung wird zwar berichtet (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Auskunft vom 23.04.2015 an VG Schwerin; AIDA-Report Dezember 2015, Seite 62/63). Allerdings gibt es keine verlässlichen Hinweise darauf, dass es sich hierbei um ein weitverbreitetes Phänomen handelt. Dem AIDA-Report Dezember 2015 (Seite 67) ist insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Dublin-Rückkehrer gerade nicht zu entnehmen, dass seit Auslaufen der speziellen vorübergehenden Aufnahme seit Mitte 2015 dieser Personenkreis Schwierigkeiten bei der Unterbringung im regulären Aufnahmesystem hätte. Eine besondere Kennzeichnung wäre indessen im Fall einer problematischen Sachlage zu erwarten gewesen, da der Report (Seite 37) die Zahl der an Italien gerichteten Übernahmeersuchen mit 14.019 angibt. Es muss ferner berücksichtigt werden, dass es sich bei Personen wie dem Kläger bereits um Asylantragsteller handelt, deren im Mitgliedstaat Deutschland gestellter Asylantrag nunmehr gemäß Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO von Italien zu prüfen ist. Hinzu kommt ein weiteres: Beim Kläger handelt sich um eine erkrankte Person. Sowohl in der ersten als auch der zweiten Stufe des italienischen Aufnahmesystems wird diesem Umstand bei der Unterbringung aber Rechnung getragen (AIDA-Report Dezember 2015, Seite 61). Gemäß Art. 31 Dublin III-VO i.V.m. Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 (Dublin-DVO) und dem für die Übermittlung von Daten verwendeten Standardformblatt (Anhang VI der Dublin-DVO) ist sichergestellt, dass Italien vom Gesundheitszustand des Klägers im Zuge der Überstellung erfährt. Die Dublin-Überstellung ist eine staatlich überwachte und organisierte Ausreise des Betroffenen in einen anderen Mitgliedstaat (BVerwG, Urt. v. 17.09.2015 – 1 C 26/14 –, Rn. 18 und 21, juris).
24 
Auch wenn der Kläger, wie er vorgetragen hat, die wenigen Tage seines Aufenthalts in Italien in einem Asylheim in Sizilien verbracht hat, ist schließlich hinreichend sicher auszuschließen, dass er wegen seiner Weiterwanderung nach Deutschland bei der künftigen Aufnahme/Unterbringung Nachteile zu gewärtigen hätte. Denn ein Asylgesuch bzw. einen Asylantrag hatte er zum damaligen Zeitpunkt nicht gestellt, so dass nicht von einem Fall ausgegangen werden kann, der im Sinne von Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie) eine Einschränkung oder den Entzug der im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen nach sich zieht (vgl. zu solchen Fällen AIDA-Report Dezember 2015, Seite 74/75).
25 
Eine medizinische Versorgung des Klägers im Sinne von Art. 19 der Aufnahmerichtlinien ist schließlich in Italien gewährleistet (vgl. bereits für frühere Jahre: OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 02.10.2013 – 3 L 643/12 –, Rn. 107 ff., juris; OVG NRW, Urt. v. 07.03.2014 – 1 A 21/12.A –, Rn. 182 ff., juris). Asylwerber und Personen mit einem Schutzstatus in Italien müssen sich beim italienischen Nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann dieselben Rechte und Pflichten in Bezug auf medizinische Versorgung wie italienische Staatsbürger. Asylbewerber haben dieses Recht ab Registrierung ihres Asylantrags. Im Zuge der Registrierung wird eine Gesundheitskarte (tessera sanitaria) ausgestellt. Die Registrierung berechtigt zu Leistungen wie u.a. freie Wahl eines Hausarztes (kostenlose Arztbesuche, Hausbesuche, Rezepte, usw.) und kostenlose Aufenthalte in öffentlichen Krankenhäusern. In den ersten 6 Monaten ihres Aufenthalts in Italien, in denen Asylbewerber nicht arbeiten dürfen, sind sie arbeitslosen Staatsbürgern gleichgestellt und müssen keine Praxisgebühr bezahlen. Nach Ablauf der ersten 6 Monate müssen sie sich offiziell arbeitslos melden, um diese Befreiung beibehalten zu können (AIDA-Report Dezember 2015, Seite 83). Es steht ferner außer Frage, dass in Italien die Krankheit des Klägers, sollte sich hierzu akuter Bedarf ergeben, auch ausreichend behandelt werden kann. Der Kläger selbst hat nur behauptet, von Asylbewerbern sei ihm gesagt worden, seine Krankheit werde in Italien nicht behandelt. Entsprechendes ist ihm von öffentlichen Stellen nicht gesagt worden und träfe auch nicht zu. Der in der WHO-Reihe Health Systems in Transition (HiT) erschienene Bericht über das italienische Gesundheitssystem (HiT 2014, 16(4):1–168; abrufbar bei WHO: http://www.euro.who.int/en/countries/italy/publications3/italy-hit-2014) hebt den hohen medizinischen Standard (mit einer daraus folgenden, innerhalb der EU zweithöchsten Lebenserwartung) ebenso wie den Umstand hervor, dass die Gesundheitsleistungen in gleicher Weise Bürgern wie legalen/illegalen Einwanderern zur Verfügung stehen (Seiten 1, 10 und 90). Selbst wenn sich in Italien ein weitergehender Therapiebedarf mit – vorbehaltlich allerdings einer dann zur Verfügung stehenden günstigeren Therapie – den vom Universitätsklinikum angegebenen hohen Kosten ergeben sollte, kann nicht erkannt werden, dass dies dem Kläger verweigert würde. Der EuGH hat im Urteil vom 27.09.2012 (C-179/11 [Cimade] –, juris, Rn. 59 ff.) festgestellt, dass die mit der Gewährleistung der Mindestbedingungen nach der Aufnahmerichtlinie verbundenen finanziellen Belastungen durch den Mitgliedstaat zu tragen sind, den diese Verpflichtung mit Blick auf den Aufenthalt des Asylbewerbers trifft. Diese derzeit Deutschland treffende Verpflichtung würde mit der tatsächlichen Überstellung des Klägers enden und dann Italien treffen. Der EuGH hat ferner darauf hingewiesen, dass mit Blick auf mögliche finanzielle Lasten der Europäische Flüchtlingsfond (jetzt: dessen Nachfolger AMIF) aus diesem Grund vorsieht, dass den Mitgliedstaaten u.a. in Bezug auf Aufnahmebedingungen finanzielle Unterstützung angeboten werden kann.
26 
Einer individuellen Zusicherung Italiens, wie vom EGMR in der Entscheidung vom 04.11.2014 – 29217/12 [Tarakhel / Schweiz] –, in deutscher Übersetzung veröffentlicht in NVwZ 2015,127 ff.) gefordert, bedurfte es im Fall des Klägers nach Auffassung des Gerichts schließlich nicht (zu Fragen des Inhalts und des Zeitpunktes einer Zusicherung vgl. m.w.N. die Darstellung bei Hocks, Asylmagazin 2015, 5 [8 ff.]). Allerdings wär eine solche wohl kaum zu erwarten gewesen, da auch nach derzeitigem Kenntnisstand Italien keine solchen Zusicherungen mehr gibt (vgl. etwa VG Düsseldorf, Urt. v. 15.12.2015 – 12 K 7303/15.A –, Rn. 63 und 64, juris, unter Hinweis auf eine Auskunft der Liaison-Beamtin des Bundesamtes in Italien vom 13.04.2015; Hinweise darauf auch bereits bei BVerfG, Beschl. v. 22.07.2015 - 2 BvR 746/15 -, NVwZ 2015, 1286). Das Bundesamt war bereits mit gerichtlicher Aufforderung vom 31.07.2015 mit dieser Frage befasst worden, ohne allerdings - was für die obige Annahme sprechen dürfte – zu reagieren. So unterschied sich zum einen hinsichtlich der Kapazität der Aufnahmeeinrichtungen die Sachlage bei Entscheidung des EGMR von derjenigen dieses Verfahrens. Der EGMR (a.a.O., Rn. 108-110) legte die in den Jahren 2011-2013 - gegenüber den oben unter aufgeführten: deutlich - geringeren Kapazitätszahlen zugrunde. Der Gerichtshof betonte immerhin schon im November 2014, dass die damalige allgemeine Situation von Asylsuchenden in Italien keineswegs mit jener in Griechenland, wie sie im Fall M.S.S./Belgien und Griechenland festgestellt worden sei, zu vergleichen sei. Struktur und allgemeine Lage der Aufnahme in Italien allein verhinderten also nicht jegliches Überstellen von Asylbewerbern in dieses Land. Aufgrund ernstlicher Zweifel an der Kapazität des Systems könne indessen die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass eine erhebliche Zahl von Asylbewerbern keine Unterkunft finde oder in überbelegten Einrichtungen auf engstem Raum oder sogar in gesundheitsschädlichen oder gewalttätigen Verhältnissen untergebracht werde. Der besondere Schutz für Asylbewerber, die eine besonders benachteiligte und verwundbare Bevölkerungsgruppe seien, sei umso wichtiger, wenn die Betroffenen Kinder seien, weil sie besondere Bedürfnisse hätten und extrem verwundbar seien (Rnr. 114-119). Die vom EGMR somit für maßgeblich erachtete extreme Verwundbarkeit eines Kindes (mit Blick auf die Gefahr einer Trennung von seinen Eltern und/oder die Gefahr der Anspannung und Angst mit besonders traumatisierenden Wirkungen für die Psyche) kennzeichnet den Fall des Klägers nicht. Das Gericht verkennt nicht, dass es sich beim Kläger nicht um eine gesunde Person handelt. Er hat in der mündlichen Verhandlung auch darauf hingewiesen, dass er, da er seit 6 bis 7 Monaten keine Medikamente mehr erhalte, ziemlich unerträgliche Schmerzen und Nasenbluten habe. Dass er hierdurch derart geschwächt wäre, dass er bei Rücküberstellung nach Italien dort einer erheblichen, durch materielle Aufnahmeleistungen nicht abwendbaren Gesundheitsverschlechterung unterworfen wäre, kann das Gericht aber nicht sehen. Hierbei muss beachtet werden, dass der Kläger aktuell in Deutschland mangels Kostenzusage nicht behandelt wird, was dafür spricht, dass sein Zustand keine akute Behandlungsbedürftigkeit i.S.v. § 4 AsylbLG (Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände) aufweist. Auch ist von Bedeutung, dass laut Anamnese vom April 2015, als er nach Italien und Deutschland kam, seine Krankheit bereits seit 4 Jahren diagnostiziert und in Pakistan behandelt worden war. Gleichwohl hat der die Reise nach Europa durchführen könne, was auch noch aktuell für eine ausreichende Belastbarkeit im Zuge einer Rücküberstellung spricht.
27 
2.) Auch die auf § 34a AsylG (zu dessen Unionsrechtskonformität vgl. BVerwG, Urt. v. 17.09.2015, a.a.O., Rn. 13 ff.) gestützte Abschiebungsanordnung (Ziff. 2 des Bundesamtsbescheids) ist schließlich rechtlich nicht zu beanstanden. In Fällen eines für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen anderen Staates i.S.v. § 27a AsylG darf die Abschiebung (nur) angeordnet werden, (wenn bzw.) sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Hierbei ist (inzident) auch zu prüfen, ob Abschiebungsverbote oder Duldungsgründe vorliegen (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 31.05.2011 – A 11 S 1523/11 –, Rn. 4, juris). Solche Hinderungsgründe für eine Abschiebung liegen hier nicht vor. Gemäß ärztlicher Bescheinigung vom 16.02.2016 des Universitätsklinikums Freiburg (Leberzentrum) bedarf der Kläger einer antiviralen Therapie sowie halbjährlicher Kontrolluntersuchungen zur Früherkennung eines Leberzellkarzinoms. Eine solche Therapie ist noch nicht begonnen worden, so dass sich die Frage nicht stellt, ob ein bei Rücküberstellung nach Italien eintretender Abbruch bzw. eine Unterbrechung problematisch wäre. Weder unter diesem Gesichtspunkt noch mit Blick auf den aktuellen Zustand des Klägers, wie er ihn in der mündlichen Verhandlung geschildert hat, besteht bei ihm eine Reiseunfähigkeit. Nach dem bereits oben Dargelegten ist ferner davon auszugehen, dass die Erkrankung des Klägers in Italien behandelt werden und somit eine erhebliche Verschlimmerung im Sinne eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG verhindert werden kann.
III.
28 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 2, 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG.

Gründe

 
I.
Soweit die Klage hinsichtlich des Verpflichtungsantrags zurückgenommen worden ist, war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
II.
10 
Hinsichtlich der Anfechtungsklage ist in der Sache zu entscheiden. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung im Anschluss an die nunmehr vorgelegte ärztliche Bescheinigung des Universitätsklinikums Freiburg vom 16.02.2016 erachtet das Gericht nicht für geboten. Denn der Kläger hat diese, wie von ihm im Termin vom 04.02.2016 angekündigt, in Erfüllung der vom Gericht bereits unter dem 31.07.2015 erfolgten Anforderung und zwecks Darstellung seines aktuellen Gesundheitszustands vorgelegt und die Beklagte ist auf diesen Gesichtspunkt des Verfahrens – trotz des Hinweises des Gerichts vom 31.07.2015 - nie eingegangen. Von einem bislang nicht erörterten bzw. nicht hervorgetretenen Gesichtspunkt, den das Gericht zur Grundlage seiner Entscheidung macht, ohne die Beteiligten hierzu zuvor gehört zu haben, kann folglich nicht die Rede sein. Auf die hieraus abgeleitete Rechtsauffassung und Würdigung des Prozessstoffs musste das Gericht nicht hinweisen, da die tatsächliche und rechtliche Würdigung sich erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt (BVerwG, Beschl. v. 07.12.2015 – 1 B 66/15 –, Rn. 16, juris).
11 
Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Bescheid des Bundesamts vom 08.06.2015 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
12 
1.) Die Republik Italien ist gemäß § 27a AsylG i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der (gemäß ihrem Art. 49 Unterabs. 2 anzuwendenden) Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) für die weitere Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Gemäß Art. 13 Abs.1 Satz 1 Dublin III-VO ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, dessen Land-, See- oder Luftgrenze der Antragsteller aus einem Drittstaat kommend illegal überschritten hat. Ein solcher Fall liegt hier vor, da der Kläger, wie durch einen Eurodac-Treffer der Kategorie 2 bestätigt, als erstes ohne Aufenthaltstitel und damit illegal die Grenze zum EU-Mitgliedstaat Italien überschritten hat. Auch der Kläger selbst hat eingeräumt, in Italien gewesen zu sein, sich dort 5 bis 6 Tage in einem Asylheim in Sizilien aufgehalten zu haben, ohne aber einen Asylantrag zu stellen.
13 
a.) Ungeachtet dessen, dass sich der Kläger auf eine etwaige Verletzung von Verfahrensvorschriften jedenfalls bei Zustimmung des ersuchten Mitgliedstaates nicht für eine Rechtsverletzung berufen könnte, ist diese für Italien anzunehmende Zuständigkeit auch nicht nachträglich entfallen. Das Bundesamt hat innerhalb der in Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 2 Dublin III-VO genannten Frist bereits am 27.02.2015 ein Aufnahmegesuch an Italien gerichtet. Italien hat hierauf nicht reagiert, sodass gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO seit Ablauf des 27.04.2015 davon auszugehen ist, dass es dem Aufnahmegesuch zugestimmt hat. Damit ist Italien zur Aufnahme des Klägers sowie dazu verpflichtet, angemessene Vorkehrungen für seine Ankunft zu treffen. Von dieser Aufnahmebereitschaft ist im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weiterhin auszugehen, so dass auch keine unzumutbare Verzögerung der Durchführung des Aufnahmeverfahrens (auf die sich der Kläger in Abwehr einer subjektiven Rechtsverletzung berufen könnte) eintreten wird. Denn die mit Eintritt der Zustimmungsfiktion am 28.04.2015 beginnende sechsmonatige Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1, Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO ist aufgrund der mit Eilbeschluss vom 31.07.2015 erfolgten Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gehemmt (zu dieser Wirkung vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.04.2014 – A 11 S 1721/13 –, Rn. 33, juris) und folglich tatsächlich noch nicht abgelaufen (Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 i.V.m. Art. Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO). Von einer überlangen, eine Pflicht zum Selbsteintritt des ersuchenden Mitgliedstaats begründende Verfahrensdauer kann angesichts der etwas mehr als zwei Monate zwischen Asylantragstellung und (fingierter) Erteilung der Zustimmung zur Aufnahme nicht die Rede sein (in diesem Sinne sogar für elf Monate: BVerwG, Urt. v. 27.10.2015 – 1 C 32/14 –, Rn. 21, juris). Die Pflicht Italiens schließlich, nach Aufnahme des Klägers den von diesem gestellten Asylantrag zu prüfen, ergibt sich aus Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO.
14 
b.) Die vom Kläger eingewendeten Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO, die eine Pflicht des BAMF bewirkten zu prüfen, ob statt Italiens ein anderer Mitgliedstatt zuständig ist bzw. - bei Verneinung - die Zuständigkeit Deutschlands begründeten, liegen nicht vor. Es erweist sich nicht als unmöglich, den Kläger nach Italien zu überstellen, da es keine wesentlichen Gründe für die Annahme gibt, dass die (im Fall Italiens allein zu untersuchenden) Aufnahmebedingungen für ihn in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta bzw. Art. 3 EMRK mit sich bringen. Eine solche Rechtsverletzung hätte vorausgesetzt, dass mit Blick auf das Gewicht und Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieser Grundrechte mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit die reale, nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass der Betroffene in dem Mitgliedstaat, in den er als den nach der Dublin III-VO zuständigen Staat überstellt werden soll, während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Gesundheits-/Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbaren Weise befriedigen kann (vgl. m.w.N. OVG Lüneburg, Urt. v. 25.06.2015 – 11 LB 248/14 –, Rn. 46, juris). Dies ist indessen zu verneinen.
15 
Italien hat zwar Probleme bei der lückenlosen Versorgung von Asylwerbern mit im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen. Das Land sah sich im Jahr 2015 mit einer hohen, gegenüber den Vorjahren noch einmal angestiegenen Zahl an Asylbewerbern konfrontiert. Eurostat gibt diesen Zustrom mit 84.085 Asylbewerbern und erstmaligen Asylbewerbern an (Quelle: Europäische Kommission > Eurostat > Statistik nach Themen > Asyl und gesteuerte Migration > Statistiken illustriert > Asylbewerber und erstmalige Asylbewerber [Zahlen dort für 2014: 64.625 und für 2013: 26.620]). Diese Zahl kann angesichts des auch im letzten Quartal 2015 anhaltenden Flüchtlingszustroms als verlässlich zugrundegelegt werden. Die mit 48.307 Asylantragstellern vom UNHCR aufgeführte Zahl (www.unhcr.org > Where We Work > Europe > Northern, Western, Central and Southern Europe > Italy > Statistical Snapshot) widerspricht dem nicht, da sie den Stand (nur von) Juni 2015 abbildet. Entsprechendes gilt für die mit 59.165 Antragstellern genannte Zahl im AIDA-Report vom Dezember 2015 des ECRE (European Council on Refugees and Exiles - Asylum Information Database, Country Report: Italy, Seite 6 [künftig aufgeführt als: AIDA-Report Dezember 2015]), die den Zeitraum (nur) von Januar bis September betrifft.
16 
Von einem systemischen Versagen im Hinblick auf das Aufnahmeverfahren ist indessen nicht auszugehen, da das Land in Reaktion auf diesen Zustrom nicht etwa untätig geblieben ist und bleibt, sondern Maßnahmen zur Problembewältigung ergriffen hat und weiterhin durchführt (vgl. bereits für die Zeitpunkte April und Juni 2015: OVG NRW, Urt. v. 24.04.2015 – 14 A 2356/12.A –, Rn. 41, juris; OVG Lüneburg, Urt. v. 25.06.2015, a.a.O., Rn. 51 ff.). Die Aufnahmekapazitäten sind sukzessive und deutlich erhöht worden. Während Ende Februar 2015 in den Erstaufnahmezentren (CPSA, CARA/CDA) noch 9.504 Unterbringungsplätze vorhanden bzw. belegt waren (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 25.03.2015 an VG Schwerin; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Auskunft vom 23.04.2015 an VG Schwerin), stieg diese Zahl bis Mitte 2015 auf 12.000 Plätze an und soll im Laufe des Jahres 2016 auf zunächst 14.750 und sodann auf 15.550 Plätze ausgeweitet werden (AIDA-Report Dezember 2015, Seite 67). Entsprechendes gilt für die Anschlussunterbringung im SPRAR-System, dessen Kapazität von Ende Februar 2015 (20.596 Plätze - so Auswärtiges Amt und Schweizerische Flüchtlingshilfe, a.a.O.) zunächst bis Ende Mai 2015 auf rund 21.449 Plätze ausgeweitet wurde, zu denen weitere 10.000 ausgeschriebene Plätze hinzukommen, um für das Jahr 2016 eine Anzahl von knapp 32.000 Plätzen zu erreichen (Borderline-Europe, Kurzinformation zur Situation von Geflüchteten in der Region Sizilien, Februar 2016, Seite 4; AIDA-Report Dezember 2015, Seite 68). Was schließlich den Bereich der außerordentlichen Aufnahmezentren (Notfallzentren -CAS) angeht, betrug deren Kapazität Ende Februar 2015 etwa 37.000 Personen (Auswärtiges Amt und Schweizerische Flüchtlingshilfe, a.a.O.) und war bis Ende Juni 2015 auf rund 50.711 Personen angewachsen (AIDA-Report Dezember 2015, Seite 69). Borderline-Europe (a.a.O., Seite 4) berichtet unter Hinweis auf Angaben des italienischen Innenministeriums gar von 70.918 vorhandenen Plätzen in 3.090 Einrichtungen.
17 
Dass diese Verbesserungen nur vorübergehend wären und bei einer Prognose in Zukunft ein Rückschritt bzw. Verschlechterungen eintreten könnten, ist nicht zu erwarten. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass Italien (neben Griechenland) im Zeitraum von 2014 bis 2020 voraussichtlich weiterhin der wichtigste Begünstigte des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) sein wird (vgl. Beschluss (EU) 2015/1601 des Rates vom 22.09.2015 zur Einführung von vorläufigen Maßnahmen im Bereich des internationalen Schutzes zu Gunsten von Italien und Griechenland, Erwägungsgrund 15). In Erfüllung seiner aus dem vorgenannten Beschluss (dort Art. 8 Abs. 1 sowie Erwägungsgrund 18) resultierenden Verpflichtung, als Reaktion auf die Krisensituation einen soliden strategischen Rahmen zu schaffen und den bereits eingeleiteten Reformprozess in diesen Bereichen zu verstärken, um so zu einer strukturellen Lösung für die Bewältigung des außergewöhnlichen Drucks auf sein Asyl- und Migrationssystem zu gelangen, hat Italien am 28.09.2015 einen aktualisierten Fahrplan („Roadmap“) vorgelegt (in englischer Zusammenfassung und Kommentierung abgerufen bei www.statewatch.org). Darin werden die oben genannten Aufnahmekapazitäten auch von staatlicher italienischer Seite aufgeführt und im SPRAR-System mittelfristig für den Zeitraum 2016/2017 eine Aufnahmekapazität von mindestens 40.000 Plätzen ins Auge gefasst. Die Zahl der Ende September 2015 vorhandenen Unterbringungsplätze im CAS-System wird mit 68.093 angegeben.
18 
Angesichts dieser Zahlen sowie der im genannten Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 22.09.2015 und ferner in dessen vorangegangenem Beschluss (EU) 2015/1523 vom 14.09.2015 vorgesehenen Umsiedlung von mehreren Tausend Antragstellern aus Italien in das Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten (mit der dadurch eintretenden Entlastung zugleich des Aufnahmesystems) kann nicht von systemischen Mängeln ausgegangen werden.
19 
Relevant ist mit Blick auf die Situation in Fällen wie den des Klägers ferner die Frage der Aufnahme und Unterbringung von Dublin-Rückkehrern, die erkrankt sind. Bei der Bewertung der in Italien anzutreffenden Umstände der Aufnahme von Flüchtlingen sind diejenigen Umstände heranzuziehen, die auch auf die Situation des Klägers zutreffen. Abzustellen ist demnach auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Lage, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielt. Sie kann allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese Umstände auch auf die Situation des Klägers auswirken können ( OVG NRW, Urt. v. 07.03.2014 – 1 A 21/12.A –, Rn. 130, juris).
20 
Beim Kläger handelt es sich darüber hinaus um eine chronisch erkrankte Person. Gemäß ärztlichen Bescheinigungen des Universitätsklinikums Freiburg (Leberzentrum) vom 12.04.2015 und (aktualisiert) vom 16.02.2016 leidet der Kläger seit 2011 an einer bereits in Pakistan diagnostizierten (und behandelten) chronischen Hepatitis C-Virusinfektion und einer Thrombopenie 70000 und einer (in Deutschland diagnostizierten) Leberzirrhose Child A infolge der Virusinfektion. Die erforderliche Behandlung besteht in einer antiviralen Therapie sowie ferner halbjährlichen Kontrolluntersuchungen (Labor und Ultraschall) zur Früherkennung eines Leberzellkarzinoms. Die im Fall des Klägers indizierte Therapie über 24 Wochen mit interferonfreien Medikamenten besitzt eine Erfolgsaussicht betreffend die endgültige Ausheilung der Hepatitis C zwischen 60-90 % (zu dieser grundlegenden Umwälzung der Hepatitis-C-Therapie aufgrund direkt antiviral wirkender Substanzen mit der daraus resultierenden hocheffektiven Therapie vgl. auch: Robert Koch Institut, Epidemiologisches Bulletin Nr. 30 vom 27.07.2015, 289 [298]). Die Kosten liegen bei 158.000 EUR. Neuere Therapieoptionen werden im Laufe des Jahres 2016 erwartet (12 Wochen Therapiedauer bei 89% Erfolgsaussicht der Virusausheilung) und sind voraussichtlich deutlich günstiger. Wird der Kläger nicht kurzfristig behandelt, sind keine Folgen zu erwarten (1-Jahres-Überlebensrate bei nahezu 100 %). Mittelfristig, im Bereich von Monaten bis wenigen Jahren, ist der Übergang in eine Leberzirrhose Child B-Stadium zu erwarten, was eine deutlich höhere Rate an Komplikationen der Leberzirrhose nach sich zieht (Ausbildung von Krampfadern der Speiseröhre mit eventuell drohender Blutung, Ausbildung von Bauchwasser, Gerinnungsstörungen, Störungen der Gedächtnisleistung). Die 1-Jahres-Überlebensrate liegt hier bei 85 %. Bleibt die Krankheit langfristig unbehandelt, ist mit einem weiteren Fortschreiten der Leberzirrhose in ein Child C-Stadium zu rechnen mit Dekompensation der Leberzirrhose und dem zusätzlichen Risiko eines Leberzellkrebses. Die 1-Jahres-Überlebensrate liegt hier bei 35 %, so dass die langfristigen Überlebenschancen ohne Therapie der Hepatitis C schlecht sind.
21 
Für die anzustellende Prognose ist davon auszugehen, dass der Kläger bei seiner (unterstellten) Ankunft in Italien einen Asylantrag stellt (bzw., da in Deutschland bereits gestellt, dort formal nach italienischen Bestimmungen registrieren lässt und aufrechterhält) und die dort zur Verfügung stehenden Angebote der (medizinischen) Versorgung im Rahmen des Möglichen tatsächlich nutzt (OVG NRW, Urt. v. 07.03.2014, a.a.O.). Systemische Mängel bei der Aufnahme von Dublin-Rückkehrern sowie in der medizinischen Versorgung kranker Asylantragsteller, welche beachtlich wahrscheinlich eine Gefahr für den Kläger begründen könnten, sind danach zu verneinen:
22 
Dublin-Rückkehrer, die - wie der Kläger - während ihres Aufenthalts in bzw. ihrer Durchreise durch Italien kein Asylgesuch gestellt haben, können den Antrag auf internationalen Schutz dort unter regulären Bedingungen stellen (AIDA-Report Dezember 2015, Seite 40). Das Hauptproblem für sie besteht in der Aufnahme bzw. Unterbringung, wenn sich hier Verzögerungszeiten ergeben, während der eine Versorgung mit materiellen Leistungen möglicherweise nicht gewährleistet ist. Gerade hier waren in den letzten Jahren allerdings Aufnahmesysteme eingerichtet worden, um Dublin-Rückkehrer vorübergehend unterzubringen, bis ihre Verfahrenssituation geklärt oder - im Fall vulnerabler Personen - eine alternative Unterbringung gefunden war. Bis Mitte 2015 waren auf diese Art mit finanzieller Hilfe des Europäischen Flüchtlingsfonds (ERF) 11 Zentren für die Aufnahme von Dublin-Rückkehrern tätig, von denen 7 auf vulnerable Person spezialisiert waren. Diese Zentren in Rom (3), der Provinz Mailand (3), Venedig (2), Bologna (2) und Bari (1) konnten 443 Dublin-Rückkehrer vorübergehend unterbringen (AIDA-Report Januar 2015, Seite 31; AIDA-Report Dezember 2015, Seite 63/64). Seit Juni 2015, dem Ende der ERF-Förderung, werden Dublin-Rückkehrer im regulären Aufnahmesystem untergebracht: Allerdings ist vorgesehen, mit Unterstützung des durch die Verordnung (EU) 516/2014 für den Zeitraum 01.01.2014 bis 31.12.2020 eingerichteten (sich an den ERRF anschließenden) Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) erneut für eine spezielle Unterbringung dieses Personenkreises zu sorgen (AIDA-Report Dezember 2015, Seite 67). Das von Italien gemäß Art. 14 der Verordnung (EU) 514/2014 für den Zeitraum 01.01.2014 bis 31.12.2020 vorgeschlagene und von der EU-Kommission noch zu genehmigende nationale Programm (Programma Nazionale FAMI - abrufbar unter https://ec.europa.eu/migrant-integration/news/italy-amif-call-for-proposals-now-published?lang=de) sieht erneut Maßnahmen zur Gewährleistung der Aufnahme von und Unterstützungsleistungen für Personen vor, die in Anwendung der Dublin III-VO überstellt werden (Seite 9: Obiettivo specifico - Asilo, unter f) sowie die Verstärkung der Aufnahmedienste, die Unterstützung und räumliche Orientierung solcher Personen (Seite 10: Obiettivo nazionale - Accoglienza/asilo, unter f).
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Auch wenn die Umsetzung des Programms im Fall seiner Genehmigung erst im letzten Quartal 2016 beginnen kann (vgl. Europäische Kommission: Asylum, Migration and Integration Fund (2014-2020) - 2015 Call for Proposal, Timetable [abrufbar unter: http://ec.europa.eu/dgs/home-affairs/financing/fundings/migration-asylum-borders/asylum-migration-integration-fund/calls/2015/inte/index_en.htm] sowie Programma Nationale FAMI, a.a.O., Seite 23 [Calendario Indicativo]), belegt die Existenz spezieller Aufnahmeeinrichtungen für Dublin-Rückkehrer in der Vergangenheit sowie deren Planung für die Zukunft, dass Italien ein besonderes Augenmerk auf diesen Personenkreis gelegt hat bzw. weiterhin legt. Anhaltspunkte dafür, der Kläger werde bei Rücküberstellung nicht sofort Unterbringung in einer Aufnahmeeinrichtung erfahren, gibt es nicht. Von zeitlichen Lücken bei der Unterbringung zwischen Einreichen eines Asylgesuchs und dessen formaler Registrierung wird zwar berichtet (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Auskunft vom 23.04.2015 an VG Schwerin; AIDA-Report Dezember 2015, Seite 62/63). Allerdings gibt es keine verlässlichen Hinweise darauf, dass es sich hierbei um ein weitverbreitetes Phänomen handelt. Dem AIDA-Report Dezember 2015 (Seite 67) ist insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Dublin-Rückkehrer gerade nicht zu entnehmen, dass seit Auslaufen der speziellen vorübergehenden Aufnahme seit Mitte 2015 dieser Personenkreis Schwierigkeiten bei der Unterbringung im regulären Aufnahmesystem hätte. Eine besondere Kennzeichnung wäre indessen im Fall einer problematischen Sachlage zu erwarten gewesen, da der Report (Seite 37) die Zahl der an Italien gerichteten Übernahmeersuchen mit 14.019 angibt. Es muss ferner berücksichtigt werden, dass es sich bei Personen wie dem Kläger bereits um Asylantragsteller handelt, deren im Mitgliedstaat Deutschland gestellter Asylantrag nunmehr gemäß Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO von Italien zu prüfen ist. Hinzu kommt ein weiteres: Beim Kläger handelt sich um eine erkrankte Person. Sowohl in der ersten als auch der zweiten Stufe des italienischen Aufnahmesystems wird diesem Umstand bei der Unterbringung aber Rechnung getragen (AIDA-Report Dezember 2015, Seite 61). Gemäß Art. 31 Dublin III-VO i.V.m. Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 (Dublin-DVO) und dem für die Übermittlung von Daten verwendeten Standardformblatt (Anhang VI der Dublin-DVO) ist sichergestellt, dass Italien vom Gesundheitszustand des Klägers im Zuge der Überstellung erfährt. Die Dublin-Überstellung ist eine staatlich überwachte und organisierte Ausreise des Betroffenen in einen anderen Mitgliedstaat (BVerwG, Urt. v. 17.09.2015 – 1 C 26/14 –, Rn. 18 und 21, juris).
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Auch wenn der Kläger, wie er vorgetragen hat, die wenigen Tage seines Aufenthalts in Italien in einem Asylheim in Sizilien verbracht hat, ist schließlich hinreichend sicher auszuschließen, dass er wegen seiner Weiterwanderung nach Deutschland bei der künftigen Aufnahme/Unterbringung Nachteile zu gewärtigen hätte. Denn ein Asylgesuch bzw. einen Asylantrag hatte er zum damaligen Zeitpunkt nicht gestellt, so dass nicht von einem Fall ausgegangen werden kann, der im Sinne von Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie) eine Einschränkung oder den Entzug der im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen nach sich zieht (vgl. zu solchen Fällen AIDA-Report Dezember 2015, Seite 74/75).
25 
Eine medizinische Versorgung des Klägers im Sinne von Art. 19 der Aufnahmerichtlinien ist schließlich in Italien gewährleistet (vgl. bereits für frühere Jahre: OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 02.10.2013 – 3 L 643/12 –, Rn. 107 ff., juris; OVG NRW, Urt. v. 07.03.2014 – 1 A 21/12.A –, Rn. 182 ff., juris). Asylwerber und Personen mit einem Schutzstatus in Italien müssen sich beim italienischen Nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann dieselben Rechte und Pflichten in Bezug auf medizinische Versorgung wie italienische Staatsbürger. Asylbewerber haben dieses Recht ab Registrierung ihres Asylantrags. Im Zuge der Registrierung wird eine Gesundheitskarte (tessera sanitaria) ausgestellt. Die Registrierung berechtigt zu Leistungen wie u.a. freie Wahl eines Hausarztes (kostenlose Arztbesuche, Hausbesuche, Rezepte, usw.) und kostenlose Aufenthalte in öffentlichen Krankenhäusern. In den ersten 6 Monaten ihres Aufenthalts in Italien, in denen Asylbewerber nicht arbeiten dürfen, sind sie arbeitslosen Staatsbürgern gleichgestellt und müssen keine Praxisgebühr bezahlen. Nach Ablauf der ersten 6 Monate müssen sie sich offiziell arbeitslos melden, um diese Befreiung beibehalten zu können (AIDA-Report Dezember 2015, Seite 83). Es steht ferner außer Frage, dass in Italien die Krankheit des Klägers, sollte sich hierzu akuter Bedarf ergeben, auch ausreichend behandelt werden kann. Der Kläger selbst hat nur behauptet, von Asylbewerbern sei ihm gesagt worden, seine Krankheit werde in Italien nicht behandelt. Entsprechendes ist ihm von öffentlichen Stellen nicht gesagt worden und träfe auch nicht zu. Der in der WHO-Reihe Health Systems in Transition (HiT) erschienene Bericht über das italienische Gesundheitssystem (HiT 2014, 16(4):1–168; abrufbar bei WHO: http://www.euro.who.int/en/countries/italy/publications3/italy-hit-2014) hebt den hohen medizinischen Standard (mit einer daraus folgenden, innerhalb der EU zweithöchsten Lebenserwartung) ebenso wie den Umstand hervor, dass die Gesundheitsleistungen in gleicher Weise Bürgern wie legalen/illegalen Einwanderern zur Verfügung stehen (Seiten 1, 10 und 90). Selbst wenn sich in Italien ein weitergehender Therapiebedarf mit – vorbehaltlich allerdings einer dann zur Verfügung stehenden günstigeren Therapie – den vom Universitätsklinikum angegebenen hohen Kosten ergeben sollte, kann nicht erkannt werden, dass dies dem Kläger verweigert würde. Der EuGH hat im Urteil vom 27.09.2012 (C-179/11 [Cimade] –, juris, Rn. 59 ff.) festgestellt, dass die mit der Gewährleistung der Mindestbedingungen nach der Aufnahmerichtlinie verbundenen finanziellen Belastungen durch den Mitgliedstaat zu tragen sind, den diese Verpflichtung mit Blick auf den Aufenthalt des Asylbewerbers trifft. Diese derzeit Deutschland treffende Verpflichtung würde mit der tatsächlichen Überstellung des Klägers enden und dann Italien treffen. Der EuGH hat ferner darauf hingewiesen, dass mit Blick auf mögliche finanzielle Lasten der Europäische Flüchtlingsfond (jetzt: dessen Nachfolger AMIF) aus diesem Grund vorsieht, dass den Mitgliedstaaten u.a. in Bezug auf Aufnahmebedingungen finanzielle Unterstützung angeboten werden kann.
26 
Einer individuellen Zusicherung Italiens, wie vom EGMR in der Entscheidung vom 04.11.2014 – 29217/12 [Tarakhel / Schweiz] –, in deutscher Übersetzung veröffentlicht in NVwZ 2015,127 ff.) gefordert, bedurfte es im Fall des Klägers nach Auffassung des Gerichts schließlich nicht (zu Fragen des Inhalts und des Zeitpunktes einer Zusicherung vgl. m.w.N. die Darstellung bei Hocks, Asylmagazin 2015, 5 [8 ff.]). Allerdings wär eine solche wohl kaum zu erwarten gewesen, da auch nach derzeitigem Kenntnisstand Italien keine solchen Zusicherungen mehr gibt (vgl. etwa VG Düsseldorf, Urt. v. 15.12.2015 – 12 K 7303/15.A –, Rn. 63 und 64, juris, unter Hinweis auf eine Auskunft der Liaison-Beamtin des Bundesamtes in Italien vom 13.04.2015; Hinweise darauf auch bereits bei BVerfG, Beschl. v. 22.07.2015 - 2 BvR 746/15 -, NVwZ 2015, 1286). Das Bundesamt war bereits mit gerichtlicher Aufforderung vom 31.07.2015 mit dieser Frage befasst worden, ohne allerdings - was für die obige Annahme sprechen dürfte – zu reagieren. So unterschied sich zum einen hinsichtlich der Kapazität der Aufnahmeeinrichtungen die Sachlage bei Entscheidung des EGMR von derjenigen dieses Verfahrens. Der EGMR (a.a.O., Rn. 108-110) legte die in den Jahren 2011-2013 - gegenüber den oben unter aufgeführten: deutlich - geringeren Kapazitätszahlen zugrunde. Der Gerichtshof betonte immerhin schon im November 2014, dass die damalige allgemeine Situation von Asylsuchenden in Italien keineswegs mit jener in Griechenland, wie sie im Fall M.S.S./Belgien und Griechenland festgestellt worden sei, zu vergleichen sei. Struktur und allgemeine Lage der Aufnahme in Italien allein verhinderten also nicht jegliches Überstellen von Asylbewerbern in dieses Land. Aufgrund ernstlicher Zweifel an der Kapazität des Systems könne indessen die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass eine erhebliche Zahl von Asylbewerbern keine Unterkunft finde oder in überbelegten Einrichtungen auf engstem Raum oder sogar in gesundheitsschädlichen oder gewalttätigen Verhältnissen untergebracht werde. Der besondere Schutz für Asylbewerber, die eine besonders benachteiligte und verwundbare Bevölkerungsgruppe seien, sei umso wichtiger, wenn die Betroffenen Kinder seien, weil sie besondere Bedürfnisse hätten und extrem verwundbar seien (Rnr. 114-119). Die vom EGMR somit für maßgeblich erachtete extreme Verwundbarkeit eines Kindes (mit Blick auf die Gefahr einer Trennung von seinen Eltern und/oder die Gefahr der Anspannung und Angst mit besonders traumatisierenden Wirkungen für die Psyche) kennzeichnet den Fall des Klägers nicht. Das Gericht verkennt nicht, dass es sich beim Kläger nicht um eine gesunde Person handelt. Er hat in der mündlichen Verhandlung auch darauf hingewiesen, dass er, da er seit 6 bis 7 Monaten keine Medikamente mehr erhalte, ziemlich unerträgliche Schmerzen und Nasenbluten habe. Dass er hierdurch derart geschwächt wäre, dass er bei Rücküberstellung nach Italien dort einer erheblichen, durch materielle Aufnahmeleistungen nicht abwendbaren Gesundheitsverschlechterung unterworfen wäre, kann das Gericht aber nicht sehen. Hierbei muss beachtet werden, dass der Kläger aktuell in Deutschland mangels Kostenzusage nicht behandelt wird, was dafür spricht, dass sein Zustand keine akute Behandlungsbedürftigkeit i.S.v. § 4 AsylbLG (Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände) aufweist. Auch ist von Bedeutung, dass laut Anamnese vom April 2015, als er nach Italien und Deutschland kam, seine Krankheit bereits seit 4 Jahren diagnostiziert und in Pakistan behandelt worden war. Gleichwohl hat der die Reise nach Europa durchführen könne, was auch noch aktuell für eine ausreichende Belastbarkeit im Zuge einer Rücküberstellung spricht.
27 
2.) Auch die auf § 34a AsylG (zu dessen Unionsrechtskonformität vgl. BVerwG, Urt. v. 17.09.2015, a.a.O., Rn. 13 ff.) gestützte Abschiebungsanordnung (Ziff. 2 des Bundesamtsbescheids) ist schließlich rechtlich nicht zu beanstanden. In Fällen eines für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen anderen Staates i.S.v. § 27a AsylG darf die Abschiebung (nur) angeordnet werden, (wenn bzw.) sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Hierbei ist (inzident) auch zu prüfen, ob Abschiebungsverbote oder Duldungsgründe vorliegen (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 31.05.2011 – A 11 S 1523/11 –, Rn. 4, juris). Solche Hinderungsgründe für eine Abschiebung liegen hier nicht vor. Gemäß ärztlicher Bescheinigung vom 16.02.2016 des Universitätsklinikums Freiburg (Leberzentrum) bedarf der Kläger einer antiviralen Therapie sowie halbjährlicher Kontrolluntersuchungen zur Früherkennung eines Leberzellkarzinoms. Eine solche Therapie ist noch nicht begonnen worden, so dass sich die Frage nicht stellt, ob ein bei Rücküberstellung nach Italien eintretender Abbruch bzw. eine Unterbrechung problematisch wäre. Weder unter diesem Gesichtspunkt noch mit Blick auf den aktuellen Zustand des Klägers, wie er ihn in der mündlichen Verhandlung geschildert hat, besteht bei ihm eine Reiseunfähigkeit. Nach dem bereits oben Dargelegten ist ferner davon auszugehen, dass die Erkrankung des Klägers in Italien behandelt werden und somit eine erhebliche Verschlimmerung im Sinne eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG verhindert werden kann.
III.
28 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 2, 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.