Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 29. Mai 2017 - Au 5 K 17.30936

bei uns veröffentlicht am29.05.2017

Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. hilfsweise die Gewährung subsidiären Schutzstatus bzw. die Feststellung eines Abschiebungsverbotes in den Irak.

Der am ... 1995 in ...(Irak) geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volkszugehörigkeit und christlichem Glauben.

Seinen Angaben zufolge reiste der Kläger am ...2015 erstmalig in die ... ein, wo er unter dem 24. Februar 2015 Asylerstantrag stellte.

Mit Bescheid des Bundesamts für ... (im Folgenden: Bundesamt) vom 29. April 2015 wurde der Asylantrag des Klägers als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Bulgarien angeordnet. Auf die Gründe des vorbezeichneten Bescheides wird verwiesen. Ein gegen die Abschiebungsanordnung zunächst gerichteter Antrag vorläufigen Rechtsschutzes (Au 5 S. 15.50253) wurde nach Antragsrücknahme mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 19. Mai 2015 eingestellt.

Das vom Kläger gegen den Bescheid vom 29. April 2015 angestrengte Klageverfahren (Au 5 K 15.50252) wurde mit Urteil vom 7. Juli 2015 abgewiesen. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird verwiesen.

Nach Ablauf der Überstellungsfrist für den Kläger am 19. November 2015 wurde das vormalige Dublin-Verfahren im nationalen Verfahren fortgeführt.

Am 29. Mai 2016 wurde der Kläger in ... getauft und in die christliche (evangelisch-lutherische) Kirche aufgenommen.

Bei seiner persönlichen Anhörung am 24. Oktober 2016 trug der Kläger unter anderem vor, dass er den Irak aus religiösen Gründen verlassen habe. Außerdem sei er dort entführt worden. Der Kläger habe sich im Irak nicht mit seiner ehemaligen Religion, dem Islam identifizieren können. Er sei gegen den Islam und die damit verbundene Denkweise. Im Irak habe er eine junge Frau kennengelernt, die ihm das Christentum näher gebracht habe. Im Irak sei er ein einziges Mal in einer christlichen Kirche gewesen. Er sei mehrfach von seinem älteren Bruder und seinem Vater aufgrund seines Interesses am Christentum geschlagen worden und habe Angst vor der eigenen Familie gehabt. Das Christentum sei die erste Religion, die er sich habe frei aussuchen können. Am 9. März 2014 sei er von Unbekannten entführt worden. Er habe abends in einem Café Tee getrunken und sei auf dem Rückweg zu seiner Arbeit, die ungefähr 15 Minuten Fußweg entfernt sei, von drei unbekannten Männern in einen Opel gezerrt worden. Es sei sehr dunkel gewesen und er habe die unmaskierten Männer nicht erkennen können. Nach einer Fahrt von ca. 30 Minuten sei er in einen Rohbau gebracht worden. Dort sei er geschlagen worden. Man habe von ihm wissen wollen, für wen er arbeite und ob er etwas mit dem Barasani-Clan zu tun habe. Danach sei er freigelassen worden. Die ganze Entführung habe ungefähr zwei Stunden gedauert. Der Kläger habe die Entführung bei der Polizei angezeigt, diese sei aber zu keinen Erkenntnissen gekommen. Daneben verwies der Kläger auf seine Taufe am 29. Mai 2016 in Deutschland.

Für den weiteren Vortrag des Klägers wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift des Bundesamtes verwiesen.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 7. Februar 2017 wurden die Anträge des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. auf Gewährung subsidiären Schutzstatus abgelehnt (Nrn. 1 und 2 des Bescheides). Nr. 3 des Bescheides bestimmt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Der Kläger wird in Nr. 4 aufgefordert, die ... innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde dem Kläger die Abschiebung in den Irak angedroht. Weiter wurde bestimmt, dass der Kläger auch in einen anderen Staat abgeschoben werden könne, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei. Nr. 5 des Bescheides setzt das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung fest.

In den Gründen des Bescheides ist u.a. ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorliegen. Ein Ausländer sei Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung außerhalb des Landes befinde, dessen Staatsangehörigkeit er besitze. Der Kläger sei kein Flüchtling im Sinne dieser Definition. Er habe seine begründete Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft machen können. Der Kläger stamme aus der Region Kurdistan im Irak. Er habe keine staatliche Verfolgung vorgetragen. Nach Erkenntnissen des Bundesamtes vom 16. November 2016 sei von einer Gruppenverfolgung von Christen nur im Süd- und Zentralirak auszugehen, jedoch nicht in Kurdistan. Ein individuelles Verfolgungsschicksal habe der Kläger nicht vorgetragen. Er habe zwar behauptet, angeblich von seinem Vater und seinem Bruder geschlagen worden zu sein, jedoch könne man seinen Behauptungen weder entnehmen, wie oft das passiert sei, noch was ihm dabei konkret geschehen sei. die Schilderung bleibe detailarm und schlagwortartig. Ebenso blass sei der Vortrag zur angeblichen Konversion geblieben. Der Kläger habe ein einziges Mal im Irak eine christliche Kirche besucht. Eine Frau aus ... habe ihm den christlichen Glauben näher gebracht. Auch die in Deutschland christliche Taufe des Klägers könne nicht zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft führen. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob die Konversion des Klägers aus innerer Überzeugung oder aus asyltaktischen Gründen erfolgt sei. Selbst wenn die in Deutschland erfolgte Taufe des Klägers im Irak bekannt werden sollte, sei daraus nicht zu folgern, dass die Taufe für sich allein genommen, irakische Behörden veranlassen könnten, asylerhebliche Maßnahmen gegen den Kläger zu ergreifen. Das irakische Strafgesetzbuch kenne keine aus dem islamischen Recht übernommenen Straftatbestände wie z.B. den Abfall vom Islam. In der Region Kurdistan-Irak wie auch in weiteren Gebieten, die unter Kontrolle der kurdischen Regionalregierung stünden, seien Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt. Auch lägen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nicht vor. In einigen Provinzen des Irak herrsche derzeit ein innerstaatlicher Konflikt. Laut Erkenntnissen des Bundesamtes gelte dies jedoch nicht für die Region Kurdistan und deren Provinzen. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse könne nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG mit Art. 3 EMRK erfüllen. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak führen nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Klägers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch eine Abschiebung nicht beachtlich. Es drohten dem Kläger auch keine individuellen Gefahren für Leib und Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würden. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 Asylgesetz( AsylG) i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot werde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Diese Befristung sei vorliegend angemessen. Anhaltspunkte für eine kürzere Fristfestsetzung, aufgrund schutzwürdiger Belange, sei weder vorgetragen, noch läge sie nach den Erkenntnissen des Bundesamts vor. Der Kläger verfüge im Bundesgebiet über keine wesentlichen Bindungen, die im Rahmen der Ermessensprüfung zu berücksichtigen gewesen seien.

Auf den weiteren Inhalt des Bescheides des Bundesamts vom 7. Februar 2017 wird ergänzend verwiesen.

Der Kläger hat gegen den vorbezeichneten Bescheid mit Schriftsatz vom 22. Februar 2017 Klage erhoben und beantragt,

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für ... vom 7. Februar 2017, Gz:, verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

2. Hilfsweise wird beantragt, dem Kläger subsidiären Schutz zuzuerkennen.

3. Hilfsweise wird beantragt, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Mit Schriftsatz vom 2. März 2017 wurde eine Stellungnahme der ev.-lutherischen Kirchengemeinde ... in ... dem Gericht übersandt, auf deren Inhalt verwiesen wird.

Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 29. März 2017 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter übertragen.

Am 29. Mai 2017 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung, in der der Kläger informatorisch angehört wurde, wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Über die Klage konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. Mai 2017 entschieden werden, obwohl auf Beklagtenseite niemand erschienen ist, da in der Ladung zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen wurde, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO). Die Beklagte ist form- und fristgerecht geladen worden.

1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes vom 7. Februar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Gewährung internationalen Schutzes, weil die Voraussetzungen der §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen. Auch Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG sind nicht gegeben.

1.1 Soweit der Kläger seine Anerkennung als Flüchtling nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG beantragt, ist die Klage unbegründet.

Rechtsgrundlage für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 1 AsylG. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen vom Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannte Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

Die Tatsache, dass der Ausländer bereits verfolgt oder von Verfolgung unmittelbar bedroht war, ist dabei ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, wenn nicht stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass er neuerlich von derartiger Verfolgung bedroht ist. Hat der Asylbewerber seine Heimat jedoch unverfolgt verlassen, kann sein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm aufgrund von Nachfluchttatbeständen eine Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Dabei ist es Sache des Ausländers, die Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Dabei genügt für diesen Tatsachenvortrag aufgrund der typischerweise schwierigen Beweislage in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.

Soweit der Kläger geltend macht, dass ihm bei einer Rückkehr in seine Heimat aufgrund seiner bereits seit längerem erfolgten Hinwendung zum Christentum Verfolgungshandlungen im Sinne der § 3, § 3a AsylG drohen, ergibt sich hieraus kein Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG.

Wird im Herkunftsland eines Asylbewerbers auf dessen Entschließungsfreiheit, seine Religion in einer bestimmten Weise zu praktizieren, durch die Bedrohungen mit Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit eingewirkt, ist dies als Eingriff in die Religionsfreiheit zu prüfen (BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 21). Eine Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Abs. 1a der Richtlinie 2011/95/EU kann unter Berücksichtigung des Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom 5. September 2012 (Rechtssachen C7 1/11 und C99./11) nicht nur in der schwerwiegenden Verletzung der Freiheit liegen, seine Religion im privaten Rahmen zu praktizieren - Forum Internum -, sondern auch in der Freiheit, den Glauben öffentlich zu leben - Forum Externum - (BVerwG, U.v. 20.2.2013 a.a.O. Rn. 24). Schon das Verbot bestimmter Formen der Religionsausübung zu praktizieren kann eine beachtliche Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Abs. 1a der Richtlinie 2011/95/EU darstellen, und zwar unabhängig davon, ob sich der davon betroffene Glaubensangehörige tatsächlich religiös betätigen wird oder auf die Ausübung aus Furcht vor Verfolgung verzichtet (BVerwG, U.v. 20.2.2013 a.a.O. Rn. 26). Ein solches Verbot hat aber nur dann die für eine Verfolgungshandlung erforderliche objektive Schwere, wenn dem Ausländer durch die Ausübung seiner Religion mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden (BVerwG, U.v. 20.2.2013 a.a.O. Rn. 28).

Die irakische Verfassung erkennt das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an. Das irakische Strafgesetzbuch kennt keine aus dem islamischen Recht übernommenen Straftatbestände, wie z.B. den Abfall vom Islam. Eine systematische staatliche Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt (vgl. Auswärtiges Amt, Berichte über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016, S. 9 und vom 7. Februar 2017, S. 11 f.; UK Home Office, Country Information and Guidance: Iraq: Religious minorities, S. 4 ff.). Namentlich in der Autonomen Region Kurdistan gibt es keine Anzeichen für eine staatliche Diskriminierung oder Verfolgung von Christen. Die kurdische Regionalregierung fördert den Kirchenbau und die Kirche als Institution mit staatlichen Ressourcen, auch wenn die umfangreichen Enteignungen von christlichem Besitz unter dem alten Regime nicht rückgängig gemacht worden sind (Auswärtiges Amt, Lagebericht Republik Irak vom 7. Februar 2017, S. 18).

Eine individuelle Verfolgung aufgrund seiner Hinwendung zum Christentum hat der Kläger nicht glaubhaft machen können. Sein Vortrag erschöpft sich im Wesentlichen darin, dass er sich heftige Diskussionen mit muslimischen Glaubensangehörigen innerhalb und außerhalb seiner Familie wegen der unterschiedlichen Religionsinhalte geliefert habe. Diese habe er nach seinem eigenen Vortrag im Wesentlichen nach einer erfahrenen körperlichen Züchtigung durch seinen Vater bzw. Bruder im Jahr 2012 eingestellt. Das Gericht hat keine Zweifel daran, dass es zu dieser körperlichen Züchtigung bzw. Misshandlung des Klägers im Jahr 2012 gekommen ist. Der Kläger hat jedoch weiter vorgetragen, dass er nach diesem Vorfall bis Ende des Jahres 2014 im Irak verblieben sei und es dort zu keinen nennenswerten weiteren Vorfällen gekommen sei. Der Kläger habe dort auch seinen christlichen Glauben nicht weiter öffentlich praktiziert, sondern lediglich einen Austausch im Internet bzw. via Facebook mit anderen christlichen Glaubensangehörigen gepflegt. Lediglich einmal habe er nachts versucht, eine christliche Kirche aufzusuchen, wobei er jedoch enttäuscht darüber war, den Pfarrer nicht anzutreffen. Gesamtbetrachtend vermag das Gericht aus diesem Vortrag nicht zu erkennen, dass der Kläger sein Heimatland im Jahr 2014 in Folge einer nennenswerten Beeinträchtigung bei Betätigung seines christlichen Glaubens verlassen hat. Hierfür fehlt es an belastbaren Anhaltspunkten.

Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers aufgrund dessen zwischenzeitlich erfolgter Taufe von einer glaubwürdigen Hinwendung zum Christentum aus innerer Überzeugung gelangt, vermag dieser Umstand einen Erfolg der Klage nicht zu begründen.

Zwar ist eine Taufe wegen ihrer Bedeutung für die christlichen Glaubensgemeinschaften häufig ein wesentlicher Gesichtspunkt bei der Prüfung, ob ein Übertritt zum christlichen Glauben die religiöse Identität eines Schutzsuchenden prägt (vgl. OVG NRW, B.v. 24.5.2013 - 5 A 1062/12.A - juris Rn. 10).

Dessen ungeachtet liegt für den Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland weder die für eine individuelle Verfolgung erforderliche beachtliche Wahrscheinlichkeit noch die Voraussetzung einer Gruppenverfolgung der Christen durch nichtstaatliche Akteure vor. Eine solche ist nach der Erkenntnislage für die Herkunftsregion des Klägers nicht anzunehmen. Für die erforderliche Gefahrenprognose ist bei einer nicht landesweiten Gefahrenlage regelmäßig auf die Herkunftsregion des Ausländers abzustellen, in die er typischerweise zurückkehren wird (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris zu § 60 Abs. 7 AufenthG). Zwar besteht in weiten Teilen des Iraks seit Mitte 2014 eine erhebliche Gefährdung von Christen durch die Terrormiliz des Islamischen Staats (IS), deren Gewalttaten insbesondere auch die Angehörigen religiöser Minderheiten zum Opfer gefallen sind. Nach den vorliegenden Erkenntnissen sind Christen jedoch in der Herkunftsregion des Klägers, der Region Kurdistan-Irak, weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt. Hier haben viele Christen Zuflucht gefunden (Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 7. Februar 2017, S. 18). Diese Region ist derzeit von den Kämpfen in den Nachbarprovinzen nicht unmittelbar betroffen, auch wenn die Sicherheitslage nach wie vor angespannt ist. Die Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaimaniyya gehörten nicht zu den umkämpften und von einer Verfolgung durch die Terrormiliz IS betroffenen Gebieten (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 7. Februar 2017, S. 12). Dabei wird nicht verkannt, dass das Zusammenleben der religiösen Minderheiten und der sonstigen Kurden in der Region Kurdistan-Irak nicht spannungsfrei ist. Es gibt Berichte von Diskriminierungen bei Landerwerb oder Hausbau, im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt. Diese erreichen aber nicht die nach § 3a AsylG erforderliche Eingriffsintensität bzw. die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte.

Mit einer politischen Verfolgung von Christen durch nichtstaatliche Akteure ist in der Region Kurdistan Irak auch in Zukunft nicht zu rechnen. Angesichts der zunehmenden Erfolge der Allianz gegen den sogenannten IS kann derzeit nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Terrormiliz ihren Machtbereich ausdehnen und es in den autonomen kurdischen Provinzen in der Zukunft zu einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure kommen wird. Im Gegenteil sind nach den allgemein zugänglichen Erkenntnisquellen auch die Grenzgebiete in den westlich und südwestlich gelegenen Provinzen jenseits von Kurdistan-Irak zurückerobert worden und mittlerweile unter dem Einfluss kurdischer und irakischer Sicherheitskräfte. Auch ist es nach den vorigen Erkenntnissen nicht von vornherein ausgeschlossen, dass staatliche Stellen in Kurdistan-Irak auch zum Schutz religiöser Minderheiten tätig werden.

Diese aus den ins Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln vermittelte Lage deckt sich auch mit den Schilderungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 29. Mai 2017. So hat der Kläger beispielsweise ausgeführt, dass es in der Stadt ... den Stadtteil ... gebe, in dem ca. 40.000 Christen weitgehend unbehelligt lebten. Es käme zwar gelegentlich zu Beleidigungen gegenüber christlichen Glaubensangehörigen; darüber hinausgehende gewalttätige Konflikte hat der Kläger jedoch nicht geschildert bzw. aufgezeigt. Daher ist für den Kläger, der selbst aus der Großstadt ... stammt, eine Rückkehr in diesen Stadtteil gefahrlos möglich.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. Subsidiär schutzberechtigt ist nach dieser Vorschrift, wer stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, ihm drohe in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden. Als ernsthafter Schaden gilt dabei die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Die vorgenannten Gefahren müssen dabei gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c AsylG in der Regel von dem in Rede stehenden Staat oder den ihn beherrschenden Parteien oder Organisationen ausgehen. Die Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure kann hingegen nur dann zu subsidiärem Schutz führen, wenn der betreffende Staat selbst nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu gewähren. Auch subsidiärer Schutz wird nicht zuerkannt, wenn der Ausländer internen Schutz in Anspruch nehmen kann (§ 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylG).

Dem Kläger droht bei einer Rückkehr in den Irak kein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG wegen der von ihm geltend gemachten Hinwendung zum Christentum. Der Kläger ist jedenfalls bei einer Rückkehr in das Kurdische Autonomiegebiet, aus dem er stammt, und in dem seine Familie nach wie vor lebt, nicht gefährdet.

Die Gefahr eines ernsthaften Schadens in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konfliktes nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG kann vorliegend nicht festgestellt werden. Für die Beurteilung der Frage des Bestehens eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist, sofern der Konflikt nicht landesweit besteht, auf die Herkunftsregion des Klägers abzustellen, in die er typischerweise zurückkehren wird. Ist für die maßgebliche Region eine individuelle Bedrohung entweder wegen gefahrerhöhender individueller Umstände oder ausnahmsweise wegen eines besonders hohen Niveaus allgemeiner Gefahren im Rahmen eines bewaffneten Konflikts anzunehmen, ist weiter zu prüfen, ob der Kläger in anderen Teilen des Irak, in denen derartige Gefahren nicht bestehen, internen Schutz finden kann (vgl. BVerwG, U.v. 14.7.2009 - 10 C 9.08 - juris).

Der Kläger stammt aus ... in der Autonomen Region K. Das Gericht geht aufgrund der Auskunftslage davon aus, dass in der Region Kurdistan-Irak zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG stattfindet und auch in naher Zukunft nicht zu erwarten ist. Die Truppen der Terrormiliz IS sind nicht mit Erfolg in diese Region vorgedrungen. Vielmehr suchen viele Binnenflüchtlinge aus den übrigen Landesteilen des Irak in der Autonomen Region Kurdistan Zuflucht (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 7. Februar 2017, S. 6; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Irak: Sicherheitssituation in der KRG-Region vom 28. Oktober 2014 mit Update vom 28. März 2015).

Individuelle gefahrerhöhende Umstände, die zu einer Verdichtung der allgemeinen Gefahren in der Person des Klägers führen könnten, sind bei einer Rückkehr in das Kurdische Autonomiegebiet nicht ersichtlich bzw. zu befürchten.

3. Das Bundesamt hat im angegriffenen Bescheid auch zutreffend ausgeführt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht gegeben sind (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.

Gefahren in diesem Staat, denen die Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt sind, werden dabei nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG bei Entscheidungen nach § 60a AufenthG berücksichtigt. Das Bayerische Staatsministerium des Inneren hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012, Gz.: IA2-2081.13-15, in der Fassung vom 3. März 2014 bekannt gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehöriger grundsätzlich, ausgenommen sind Straftäter aus den Autonomiegebieten, nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiter im Bundesgebiet geduldet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass dieser faktische Abschiebestopp derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich im Irak bestehender allgemeiner Gefahren vermittelt.

Allgemeine Gefahren im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG können im Übrigen bei Vorliegen einer Schutzlücke und nur dann Schutz vor Abschiebung begründen, wenn der Ausländer einer extremen Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt wäre, dass er im Falle seiner Abschiebung dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwerster Verletzung ausgeliefert würde und diese Gefahren alsbald nach seiner Rückkehr und landesweit drohten (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 - 10 C 43.07 - juris; U.v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319; VGH BW, U.v. 14.5.2009 - A 11 S 610/08 - juris).

Sofern man davon ausgeht, dass für kurdische Volkszugehörige, die aus den Kurdischen Autonomiegebieten stammen, eine Rückführung jedenfalls nach Erbil derzeit möglich ist, ist eine solche extreme allgemeine Gefahrenlage für den Kläger jedenfalls nicht ersichtlich. Der Kläger ist in Kurdistan-Irak aufgewachsen und hat dort auch vor der Ausreise seinen Lebensunterhalt bestritten. Der Kläger verfügt über Kenntnisse in der IT-Branche und ist in dieser bereits beruflich tätig gewesen. Der Kläger ist auch nicht in der schwierigen sozio-ökonomischen Lage der übrigen Binnenflüchtlinge in Kurdistan-Irak. Das Gericht geht deshalb davon aus, dass der Kläger als erwerbsfähiger junger gesunder Mann mit entsprechender Berufserfahren in Kurdistan-Irak seinen Lebensunterhalt durchaus sicherstellen kann.

4. Die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamtes genügt den gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG. Der Kläger ist insbesondere nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG).

5. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG ist ebenfalls rechtmäßig. Die im angefochtenen Bescheid hierzu erfolgten Ermessenserwägungen der Beklagten sind nicht zu beanstanden.

6. Die Klage war demnach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


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Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 4 Subsidiärer Schutz


(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der To

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft


(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 59 Androhung der Abschiebung


(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfal

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 102


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34 Abschiebungsandrohung


(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn 1. der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,2. dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wir

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3a Verfolgungshandlungen


(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3e Interner Schutz


(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er 1. in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und2. sicher und legal in diesen Landesteil r

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3c Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann


Die Verfolgung kann ausgehen von 1. dem Staat,2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließl

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Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 29. Mai 2017 - Au 5 K 17.30936 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 29. Mai 2017 - Au 5 K 17.30936 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 31. Jan. 2013 - 10 C 15/12

bei uns veröffentlicht am 31.01.2013

Tatbestand 1 Der Kläger erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm in Afghanistan drohender Gefahren. 2

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 14. Mai 2009 - A 11 S 610/08

bei uns veröffentlicht am 14.05.2009

Tenor Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. September 2007 - A 6 K 4738/07 - wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Berufungsverfahrens.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 29. Mai 2017 - Au 5 K 17.30936.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 20. Nov. 2017 - 4 ZB 17.31502

bei uns veröffentlicht am 20.11.2017

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Der Antrag auf Zulassung der Beruf

Referenzen

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm in Afghanistan drohender Gefahren.

2

Der 1986 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger. Er stammt aus der Provinz Helmand (Afghanistan), ist schiitischen Glaubens und gehört dem Volk der Hazara an. Im Februar 2009 reiste er nach Deutschland ein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - lehnte seinen Asylantrag mit Bescheid vom 17. März 2010 ab. Zugleich stellte es fest, dass weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen, und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Afghanistan an.

3

Nach Rücknahme der Klage auf Asylanerkennung hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG hinsichtlich Afghanistans verpflichtet und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 27. April 2012 die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dem Kläger stehe weder unionsrechtlicher noch nationaler Abschiebungsschutz zu. Hinsichtlich eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung drohe. Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 3 AufenthG sei nicht erkennbar. Die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor. Da in Afghanistan kein landesweiter bewaffneter Konflikt herrsche, komme eine individuelle Bedrohung nur in Betracht, wenn sich der Konflikt auf den tatsächlichen Zielort bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat erstrecke. Dies sei die Herkunftsregion des Ausländers, in der er zuletzt gelebt habe bzw. in die er typischerweise zurückkehren könne und voraussichtlich auch werde. Der Kläger habe glaubhaft vorgetragen, dass er in seiner Heimatregion Helmand keine aufnahmebereiten Bekannten oder Verwandten und keine Existenzgrundlage mehr habe. Zudem habe er Angst vor einer dort lebenden Privatperson, außerdem befürchte er Diskriminierungen, denen seine Volksgruppe in Helmand in besonderem Maße ausgesetzt sei. Wolle bzw. werde der Kläger keinesfalls nach Helmand zurückkehren, sei auf das derzeit einzig mögliche Abschiebungsziel Kabul abzustellen. Dort herrsche kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt mehr. Die Sicherheitslage werde in Kabul, abgesehen von einigen spektakulären Anschlägen, relativ einheitlich als stabil und weiterhin deutlich ruhiger als noch etwa vor zwei Jahren bewertet.

4

Dem Kläger stehe hinsichtlich Afghanistans auch nicht der hilfsweise begehrte nationale Abschiebungsschutz zur Seite. Es sei nicht ersichtlich, welches Menschenrecht der EMRK ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnte. Einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen der allgemein schlechten Lebensverhältnisse in Afghanistan stehe § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG entgegen. Eine extreme Gefahrenlage, bei der aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG ausnahmsweise nicht greife, liege für Kabul nicht (mehr) vor. Vielmehr sei eine gewisse Verbesserung der allgemeinen Versorgungslage in Kabul zu erkennen, die nach den strengen Maßstäben des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen einer wertenden Gesamtschau der Annahme einer alsbald nach der Abschiebung eintretenden Extremgefahr für gesunde ledige afghanische Männer auch ohne Vermögen oder Anbindung an lokale Familien- bzw. Stammesstrukturen entgegenstehe. Der Senat sehe keine hinreichenden Anhaltspunkte mehr dafür, dass bei dieser Personengruppe im Falle der Abschiebung alsbald der Tod oder schwerste gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erwarten wären. Es sei vielmehr zu erwarten, dass Rückkehrer in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Zwar dürfte aufgrund der schlechten Gesamtsituation ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen in der Tat eine Rückkehr nach Kabul selbst für gesunde alleinstehende Männer unter humanitären Gesichtspunkten kaum zumutbar sein. Diese Zumutbarkeit sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch kein zentraler Maßstab für die Bestimmung einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Im Falle des Klägers seien auch keine hinreichenden individuellen Faktoren gegeben, die ausnahmsweise eine extreme Gefahrenlage begründen könnten.

5

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 60 Abs. 2, 5 sowie 7 Satz 1 und 2 AufenthG. Außerdem macht er Verfahrensfehler geltend und regt zur weiteren Klärung des Gehalts der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 und 7 Satz 2 AufenthG eine Vorlage an den EuGH an.

6

Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

7

Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Das Berufungsurteil verletzt hinsichtlich des vom Kläger mit seinem Hauptantrag verfolgten Begehrens auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes Bundesrecht. Das Berufungsgericht hat bei der im Rahmen des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gebotenen Prüfung, ob am tatsächlichen Zielort des Klägers bei einer Rückkehr nach Afghanistan ein bewaffneter Konflikt besteht, nicht auf die Herkunftsregion des Klägers, sondern auf die Verhältnisse in Kabul als dem derzeit einzig möglichen Abschiebungsziel abgestellt. Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil nicht selbst abschließend über die Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes entscheiden kann, ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

9

1. Gegenstand des Verfahrens ist neben dem unionsrechtlichen Abschiebungsschutz weiterhin auch der vom Kläger hilfsweise begehrte nationale Abschiebungsschutz. Dem steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht die Zulassung der Revision allein mit der grundsätzlichen Bedeutung einer auf den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz zugeschnittenen Frage begründet hat. Die Urteilsformel enthält keine Beschränkung der Zulassung auf den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz. Der Umfang der Zulassung ist daher unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Rechtsmittelklarheit durch Auslegung zu ermitteln. Danach ist hier von einer uneingeschränkten Zulassung auszugehen. Die vom Kläger im Berufungsverfahren gestellten (Haupt- und Hilfs-)Anträge betreffen zwar unterschiedliche Streitgegenstände. Diese sind aber eng miteinander verflochten, insbesondere stellt sich die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage des maßgeblichen Anknüpfungsortes nicht nur beim unionsrechtlichen, sondern auch beim nationalen Abschiebungsschutz. Für eine uneingeschränkte Zulassung der Revision spricht im Übrigen auch die dem Berufungsurteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung, die sich lediglich auf das Rechtsmittel der Revision bezieht.

10

2. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens auf Gewährung von Abschiebungsschutz ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 10). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte. Maßgeblich ist daher für das Revisionsverfahren das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 86). Unionsrechtlich finden sowohl die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikations-Richtlinie - vom 29. April 2004 (ABl EU Nr. L 304 vom 30. September 2004 S. 12; berichtigt ABl EU Nr. L 204 vom 5. August 2005 S. 24) Anwendung als auch die - während des Berufungsverfahrens in Kraft getretene - Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 337 vom 20. Dezember 2011 S. 9). Für die in der Neufassung inhaltlich geänderten Bestimmungen wurde den Mitgliedstaaten eine Umsetzungsfrist bis zum 21. Dezember 2013 eingeräumt (Art. 39 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU) und es bleibt bis zum Ablauf dieser Frist bei der Anwendung der Richtlinie 2004/83/EG (vgl. Art. 41 Abs. 2 i.V.m. Art. 40 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU). Hinsichtlich der unverändert übernommenen Bestimmungen gilt die Neufassung hingegen schon jetzt (vgl. Art. 41 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU).

11

3. Das Berufungsurteil verletzt in Bezug auf den vom Kläger primär begehrten unionsrechtlichen Abschiebungsschutz Bundesrecht. Die diesbezüglichen Vorgaben des Art. 15 der Richtlinie 2011/95/EU (früher: Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG) sind in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG - in überschießender Umsetzung - als absolute Abschiebungsverbote ausgestaltet und bilden einen eigenständigen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (Urteile vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 11 und vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 13 und 16).

12

3.1 Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG mit einer Begründung abgelehnt, die revisionsrechtlicher Prüfung nicht standhält. Nach dieser Vorschrift ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.

13

Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieses - die Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95/EU) umsetzenden - Abschiebungsverbots können auch dann erfüllt sein, wenn sich der bewaffnete Konflikt nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstreckt (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 25). In diesem Fall ist Bezugspunkt für die Gefahrenprognose der tatsächliche Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr. Das ist in der Regel die Herkunftsregion des Ausländers, in die er typischerweise zurückkehren wird (Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07, Elgafaji - NVwZ 2009, 705 Rn. 40).

14

Das Berufungsgericht hat dies zutreffend zu Grunde gelegt. Es hat aber nicht geprüft, ob in der Herkunftsregion des Klägers ein bewaffneter Konflikt herrscht, sondern stattdessen auf die Verhältnisse in Kabul als dem derzeit einzig möglichen Abschiebungsziel abgestellt, weil der Kläger keinesfalls nach Helmand zurückkehren wolle bzw. werde. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 14. November 2012 (BVerwG 10 B 22.12 - juris Rn. 7) als geklärt gesehen hat, kommt es für die Frage, welche Region als Zielort der Rückkehr eines Ausländers anzusehen ist, aber weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Ein Abweichen von der Regel kann insbesondere nicht damit begründet werden, dass dem Ausländer in der Herkunftsregion die Gefahren drohen, vor denen ihm § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Schutz gewähren soll. Dies ergibt sich schon aus dem systematischen Zusammenhang der unionsrechtlichen Abschiebungsverbote mit den Bestimmungen über den internen Schutz (Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG; künftig: Art. 8 der Richtlinie 2011/95/EU). Kommt die Herkunftsregion als Zielort wegen der dem Ausländer dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG auf eine andere Region des Landes verwiesen werden. Der Begriff des "tatsächlichen Zielortes der Rückkehr" ist daher kein rein empirischer Begriff, bei dem auf die tatsächlich wahrscheinlichste oder subjektiv gewollte Rückkehrregion abzustellen ist. Da es bei § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG um den Schutz vor den Gefahren eines - nicht notwendig landesweiten - bewaffneten Konflikts im Heimatstaat geht, kommt bei der Bestimmung des Ortes der (voraussichtlichen) tatsächlichen Rückkehr der Herkunft als Ordnungs- und Zuschreibungsmerkmal eine besondere Bedeutung zu. Ein Abweichen von der Herkunftsregion kann daher auch nicht damit begründet werden, dass der Ausländer infolge eines bewaffneten Konflikts den personalen Bezug zu seiner Herkunftsregion verloren hat, etwa weil Familienangehörige getötet worden sind oder diese Gebiete ebenfalls verlassen haben. Auch soweit die nachlassende subjektive Bindung zur Herkunftsregion durch Umstände begründet worden ist, die mittelbare Folgen des bewaffneten Konflikts sind (z.B. Beeinträchtigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, nachhaltige Verschlechterung der Versorgungslage), und es mangels Existenzgrundlage und Zukunftsperspektive eine nachvollziehbare Haltung ist, nicht in die Herkunftsregion zurückkehren zu wollen, behält diese für die schutzrechtliche Betrachtung grundsätzlich ihre Relevanz. Allerdings ist jedenfalls dann nicht (mehr) auf die Herkunftsregion abzustellen, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit dem Ziel niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben. Durch eine solche freiwillige Ablösung verliert die Herkunftsregion ihre Bedeutung als Ordnungs- und Zurechnungsmerkmal und scheidet damit als Anknüpfungspunkt für die Gefahrenprognose bei § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG aus.

15

Diese Ausdeutung des vom Gerichtshof der Europäischen Union - EuGH - (Urteil vom 17. Februar 2009 a.a.O. Rn. 40) verwandten Begriffs des tatsächlichen Zielorts der Rückkehr kann vorgenommen werden, ohne diesem die Rechtssache zur Vorabentscheidung vorzulegen. Der EuGH hat den Begriff in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 zwar nicht abschließend definiert. Die hier entfaltete Auslegung trägt aber dem Zweck der Vorschriften über den internen Schutz Rechnung und folgt damit der Vorgabe des EuGH, die Auslegung nationalen Rechts so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise Art. 249 Abs. 3 EG (inzwischen: Art. 288 AEUV) nachzukommen (EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 a.a.O. Rn. 42).

16

Das Berufungsurteil verstößt nach den vorstehenden Grundsätzen gegen Bundesrecht, weil es für das Bestehen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nicht die Verhältnisse in der Herkunftsregion des Klägers in den Blick genommen, sondern auf die Lage in Kabul als dem voraussichtlichen Zielort einer Abschiebung abgestellt hat. Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist aber nicht zu entnehmen, dass der Kläger sich vor seiner Ausreise dauerhaft in einer anderen Region als Helmand niedergelassen hat. Er ist zwar zunächst mit seiner Lebensgefährtin nach Kabul (und später in den Iran zu seiner Schwester) gegangen. Dies geschah nach seinen Angaben aber allein aus Angst vor dem Vater seiner Lebensgefährtin; zur Dauer und den näheren Umständen des Aufenthalts in Kabul enthält das Berufungsurteil keine Feststellungen. Die vom Berufungsgericht angeführten Erwägungen, warum der Kläger nicht nach Helmand zurückkehren wolle bzw. werde, lassen die Relevanz der Heimatregion für die Gefahrenprognose bei einem bewaffneten Konflikt nicht entfallen.

17

3.2 Das Berufungsurteil beruht auf diesem Fehler. Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine tatsächlichen Feststellungen zur Lage in der Provinz Helmand getroffen. Ob in dieser Region ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht und dem Kläger dort die in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG definierte Gefahr droht, kann daher revisionsgerichtlich weder festgestellt noch ausgeschlossen werden.

18

3.3 Die Entscheidung erweist sich hinsichtlich des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO) oder unrichtig, so dass der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden kann.

19

a) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG scheidet nicht schon deshalb aus, weil der Kläger - einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in seiner Herkunftsregion unterstellt - in Kabul internen Schutz finden könnte. Dies würde nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG voraussetzen, dass für den Kläger in Kabul nicht nur keine Gefahr besteht, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, sondern von ihm auch vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält.

20

Auch hierzu fehlen hinreichende tatrichterliche Feststellungen. Das Berufungsgericht hat in Bezug auf Kabul zwar festgestellt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG nicht vorliegen, weil dort keine extreme Gefahrenlage herrsche und zu erwarten sei, dass Rückkehrer durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Nach Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG muss beim internen Schutz die Existenzgrundlage aber so weit gesichert sein, dass vom Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält. Dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus; weiterhin offenbleiben kann, welche darüber hinausgehenden wirtschaftlichen und sozialen Standards erfüllt sein müssen (vgl. Urteil vom 29. Mai 2008 - BVerwG 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 Rn. 35).

21

b) Umgekehrt kann auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Berufungsurteil hinsichtlich des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes aus anderen Gründen unrichtig ist. Das Berufungsgericht hat vor allem im Ergebnis zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG verneint. Ein solches Abschiebungsverbot ergibt sich - entgegen der Auffassung der Revision - insbesondere nicht aus den allgemeinen humanitären Verhältnissen in Afghanistan.

22

Nach § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Mit diesem Abschiebungsverbot wird Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU) umgesetzt. Die Europäische Kommission hat sich bei der Formulierung dieser Richtlinienbestimmung an Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 685) - EMRK - orientiert und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - Bezug genommen (Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen vom 12. September 2001 KOM <2001> 510 endgültig S. 6, 30). Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK ist bei der Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG auch über Art. 19 Abs. 2 der Grundrechte-Charta (ABl EU 2010 Nr. C 83, 389) - GR-Charta - zu berücksichtigen. Danach darf niemand in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn das ernsthafte Risiko der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht. Dies gilt nach Art. 51 Abs. 1 GR-Charta auch für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Rechts der Union. Nach den gemäß Art. 52 Abs. 7 GR-Charta bei ihrer Auslegung gebührend zu berücksichtigenden Erläuterungen (ABl EU 2007 Nr. C 303 S. 17 = EuGRZ 2008, 92) wird durch die Regelung in Art. 19 Abs. 2 GR-Charta die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK in Auslieferungs-, Ausweisungs- und Abschiebungsfällen übernommen (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 15 und 17).

23

Entgegen der Auffassung der Revision ist der neueren Rechtsprechung des EGMR nicht zu entnehmen, dass sich der Maßstab für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bei Abschiebungen in Staaten mit schwierigen Lebensbedingungen nach den "für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung" bestimmt. Entsprechendes ergibt sich insbesondere nicht aus der Entscheidung des EGMR im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland (Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/06 - NVwZ 2011, 413). Bereits in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2012 (BVerwG 10 B 16.12 - juris Rn. 8 f.) hat der Senat dargelegt, dass der EGMR davon ausgeht, dass die Staaten - unbeschadet ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich derer aus der Konvention selbst - das Recht haben, die Einreise fremder Staatsbürger in ihr Hoheitsgebiet zu regeln (EGMR, Urteile vom 28. Mai 1985 - Nr. 15/1983/71/107-109, Abdulaziz u. a./Vereinigtes Königreich - NJW 1986, 3007 Rn. 67; vom 18. Oktober 2006 - Nr. 46410/99, Üner/Niederlande - NVwZ 2007, 1279 Rn. 54 und vom 28. Juni 2012 - Nr. 14499/09, A.A. u.a. - Rn. 71). Die Abschiebung durch einen Konventionsstaat kann aber dessen Verantwortlichkeit nach der Konvention begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. In einem solchen Fall ergibt sich aus Art. 3 EMRK die Verpflichtung, die Person nicht in dieses Land abzuschieben (stRspr, EGMR, Urteile vom 7. Juli 1989 - Nr. 1/1989/161/217, Soering/Vereinigtes Königreich - NJW 1990, 2183 Rn. 90 f. und vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330 Rn. 125). Allerdings können Ausländer kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht nach dieser Rechtsprechung allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 - Nr. 26565/05, N./Vereinigtes Königreich - NVwZ 2008, 1334 Rn. 42). So hat der EGMR ein Abschiebungsverbot aus Art. 3 EMRK zugunsten eines im fortgeschrittenen, tödlichen und unheilbaren Stadiums an Aids Erkrankten angenommen, weil die Abschiebung seinen Tod beschleunigen würde, er keine angemessene Behandlung erreichen könne und kein Beweis für irgendeine mögliche moralische oder soziale Unterstützung im Zielstaat zu erbringen sei (EGMR, Urteil vom 2. Mai 1997 - Nr. 146/1996/767/964, D./Vereinigtes Königreich - NVwZ 1998, 161 Rn. 52 f.). Zusammenfassend führt der Gerichtshof zur Herleitung eines Abschiebungsverbots aus Art. 3 EMRK aufgrund von Krankheiten aus, dass angesichts der grundlegenden Bedeutung von Art. 3 EMRK im System der Konvention zwar eine gewisse Flexibilität notwendig sei, um eine Ausweisung (expulsion) in besonderen Ausnahmefällen zu verhindern. Doch verpflichte Art. 3 EMRK die Staaten nicht, Fortschritte in der Medizin sowie Unterschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen (EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 a.a.O. Rn. 44).

24

Wie der Senat in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2012 (a.a.O. Rn. 9) ausgeführt hat, ist diese gefestigte Rechtsprechung durch das Urteil der Großen Kammer vom 21. Januar 2011 (a.a.O.) im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland nicht grundsätzlich revidiert worden. Dieses Urteil verhält sich - entgegen der Auffassung der Revision - erkennbar nicht zu den "für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung". Zwar hat der EGMR eine Verletzung von Art. 3 EMRK durch das Königreich Belgien als abschiebenden Staat angenommen, weil der betroffene Asylantragsteller mit seiner Überstellung an Griechenland als Signaturstaat der EMRK einer Situation äußerster materieller Armut ausgeliefert worden sei, was den belgischen Behörden bewusst gewesen sei (Rn. 263 f., 366 f.). Jedoch erstreckt diese Entscheidung den Schutzbereich des Art. 3 EMRK ausdrücklich nicht allgemein auf soziale Leistungsrechte; der EGMR betont vielmehr die Fortgeltung seiner insoweit sehr zurückhaltenden Rechtsprechung (Rn. 249 m.w.N.) und begründet seine Entscheidung mit dem Schutz der Menschenwürde von Personen, die - in einem ihnen völlig fremden Umfeld - vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig sind und behördlicher Gleichgültigkeit gegenüberstehen, obwohl sie sich in ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befinden (Rn. 253). Als eine hiernach in Betracht zu ziehende Personengruppe führt der EGMR die Gruppe der Asylsuchenden an, die er als besonders verletzlich und schutzbedürftig qualifiziert (Rn. 251, 259).

25

Dass damit keine generelle Erstreckung des Schutzes nach Art. 3 EMRK auf zu gewährleistende Standards im Heimatstaat des Betroffenen einhergeht, ergibt sich auch aus nachfolgenden Urteilen des EGMR (vgl. Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 9 m.w.N.). In seinem Urteil vom 28. Juni 2011 im Verfahren Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich (Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681) stellt der EGMR nochmals klar, dass in Abschiebungsfällen nur zu prüfen ist, ob unter Berücksichtigung aller Umstände ernstliche Gründe für die Annahme nachgewiesen worden sind, dass der Betroffene im Fall seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr liefe, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen ist, verletzt die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergibt, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden (Rn. 218). Zugleich weist der EGMR darauf hin, dass die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Bestimmungsland hingegen nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend sind, ob der Betroffene in diesem Gebiet wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention zielt hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK macht nach Auffassung des EGMR aber eine gewisse Flexibilität erforderlich, um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern. In ganz außergewöhnlichen Fällen können daher auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung "zwingend" sind (Rn. 278). Nur soweit die schlechten humanitären Bedingungen - wie in Somalia - nicht nur oder überwiegend auf Armut oder fehlende staatliche Mittel beim Umgang mit Naturereignissen zurückzuführen sind, sondern überwiegend auf direkte und indirekte Aktionen der Konfliktparteien zurückgehen, hält der EGMR das im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland (a.a.O.) entwickelte Kriterium für besser geeignet, nach dem die Fähigkeit des Beschwerdeführers berücksichtigt werden muss, seine elementaren Bedürfnisse zu befriedigen, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, weiter seine Verletzlichkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung der Lage in angemessener Zeit (Rn. 282 f.).

26

Welche Anforderungen sich aus dieser Rechtsprechung des EGMR im Einzelnen für Abschiebungen in den Herkunftsstaat bei schlechten humanitären Bedingungen ergeben, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn selbst der EGMR geht in Bezug auf Afghanistan davon aus, dass die allgemeine Lage dort nicht so ernst ist, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK wäre (EGMR, Urteil vom 13. Oktober 2011 - Nr. 10611/09, Husseini/Schweden - NJOZ 2012, 952 Rn. 84). Auch auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen für eine allein auf die allgemeinen Lebensbedingungen im Herkunftsland gestützte Verletzung des Art. 3 EMRK ersichtlich nicht vor. Maßgeblich ist dabei die Perspektive des abschiebenden Staates, aus dessen Sicht zu prüfen ist, ob der Betroffene durch die Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Bei dieser Prüfung stellt der EGMR grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat ab und prüft zunächst, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet (EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 a.a.O. Rn. 265, 301, 309). Das gilt auch bei der Beurteilung von Umständen, die nicht in die unmittelbare Verantwortung des Abschiebungszielstaates fallen, dem abschiebenden Staat nach Art. 3 EMRK aber dennoch eine Abschiebung des Ausländers verbieten.

27

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass derzeit nur eine Abschiebung nach Kabul möglich ist (UA S. 14). Zugleich hat es sich bezüglich der allgemeinen Lebensbedingungen in Kabul - im Rahmen seiner Ausführungen zu § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG - in tatsächlicher Hinsicht der Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs angeschlossen, dass zu erwarten sei, dass Rückkehrer dort durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten (UA S. 23). Die daran anschließende Bemerkung des Berufungsgerichts, aufgrund der schlechten Gesamtsituation dürfte ohne schützende Familien- und Stammesstrukturen eine Rückkehr nach Kabul selbst für gesunde alleinstehende Männer unter humanitären Gesichtspunkten "kaum zumutbar" sein, führt nicht zu einer anderen Bewertung. Sie umfasst nicht die tatsächliche Feststellung, die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Abschiebezielstaat seien so schlecht, dass nach Art. 3 EMRK von einer Abschiebung zwingend abgesehen werden müsse. Mit dieser Formulierung bringt das Berufungsgericht lediglich seine Haltung zum Ausdruck, dass die rechtlichen "Hürden" des Bundesverwaltungsgerichts für die Annahme eines Abschiebungsverbots in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG seiner Auffassung nach zu hoch sind, und lässt in der Sache sein Bedauern erkennen, dass die oberste Landesbehörde für Afghanistan keinen generellen Abschiebestopp aus humanitären Gründen gemäß § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG angeordnet hat und das Gericht diese politische Entscheidung - unterhalb der hier nicht erreichten Grenze verfassungsrechtlich gebotenen Abschiebungsschutzes - nicht zu ersetzen vermag (Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 5).

28

Damit liegen die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG - ungeachtet des Umstandes, dass bei § 60 Abs. 2 AufenthG und bei § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in rechtlicher Hinsicht unterschiedliche Maßstäbe gelten - ersichtlich nicht vor. Selbst bei Zugrundelegung der - vom EGMR im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland für einen gänzlich anderen Anwendungsfall entwickelten und in den Verfahren Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich auf eine ebenfalls andere Ausgangssituation im Herkunftsstaat übertragenen - abgesenkten und auf die Situation besonderer Verletzlichkeit und Schutzbedürftigkeit bezogenen Maßstäbe ergäbe sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Verhältnissen in Kabul für den Kläger kein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 10).

29

Auch insoweit bedarf es keiner Vorlage an den EuGH. Die Voraussetzungen, unter denen einen abschiebenden Staat aus Art. 3 EMRK ausnahmsweise eine Verantwortung für nicht dem Abschiebezielstaat oder anderen Akteuren zuzurechnende Umstände trifft, ergeben sich aus der Rechtsprechung des EGMR und werfen im vorliegenden Verfahren keine entscheidungserheblichen unionsrechtlichen Zweifelsfragen auf. Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK ist bei der Auslegung des Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU zu beachten. Dass die Richtlinie in Bezug auf Art. 3 EMRK bei Umständen, die weder in die Verantwortung des Abschiebezielstaats noch eines sonstigen Akteurs fallen, keinen über die Rechtsprechung des EGMR hinausgehenden Schutz gewährt, ergibt sich schon aus Art. 6 der Richtlinie 2011/95/EU (früher: Art. 6 der Richtlinie 2004/83/EG). Denn dieser Vorschrift ist zu entnehmen, dass es nach den Vorstellungen des Richtliniengebers auch beim subsidiären Schutz grundsätzlich eines Akteurs bedarf, von dem ein ernsthafter Schaden ausgehen kann.

30

4. Kann der Senat mangels hinreichender tatrichterlicher Feststellungen weder positiv noch negativ abschließend über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes entscheiden, so ist das Berufungsurteil schon aus diesem Grund aufzuheben und das Verfahren an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, ohne dass es auf die von der Revision fristgerecht erhobenen Verfahrensrügen ankommt. Zur Klarstellung weist der Senat allerdings darauf hin, dass die gerügten Verfahrensfehler nicht vorliegen. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen in den Beschlüssen des Senats vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 10 B 16.12 und 10 B 20.12 - zu vergleichbaren Verfahrensrügen des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Das Berufungsgericht hat auch nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, weil es den Rechtsstreit nicht dem EuGH vorgelegt hat. Ein solcher Verstoß scheidet schon deswegen aus, weil es nach Art. 267 Abs. 2 AEUV zwar zur Vorlage berechtigt, nicht aber verpflichtet ist. Unabhängig davon liegen die Voraussetzungen für eine Vorlage an den EuGH aber auch nicht vor. Die entscheidungserheblichen Fragen des Unionsrechts sind in der Rechtsprechung des EuGH geklärt bzw. unterliegen keinen Zweifeln, die eine Vorlage rechtfertigen oder gar gebieten. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.

31

5. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

32

5.1 Das Berufungsgericht wird hinsichtlich des Begehrens auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes vor allem mit Blick auf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG auf aktueller Tatsachengrundlage zu klären haben, ob in der Herkunftsregion des Klägers ein bewaffneter Konflikt herrscht und ihm dort die Gefahren drohen, vor denen § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Schutz gewährt. Ist dies der Fall, hat es weiter zu prüfen, ob der Kläger nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG auf die Möglichkeit internen Schutzes in einem anderen Landesteil - insbesondere Kabul - verwiesen werden kann.

33

5.2 Kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes hat, wird es auf aktueller Erkenntnislage auch erneut über den Hilfsantrag des Klägers auf Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 und 3 AufenthG zu entscheiden haben.

34

a) Dabei kann dahinstehen, wie die Aussage des Berufungsgerichts bei § 60 Abs. 5 AufenthG zu verstehen ist, dass bezüglich Art. 3 EMRK die weitergehende und unionsrechtlich aufgeladene Schutznorm des § 60 Abs. 2 AufenthG "vorrangig, d.h. im vorliegenden Falle nicht zu prüfen" sei. Sollte das Berufungsgericht damit zum Ausdruck bringen wollen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK durch § 60 Abs. 2 AufenthG verdrängt wird, wäre dies allerdings nicht mit Bundesrecht zu vereinbaren.

35

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention unzulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 4 AuslG (Urteil vom 11. November 1997 - BVerwG 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen ("zielstaatsbezogene" Abschiebungshindernisse).

36

Der Verweis auf Abschiebungsverbote, die sich aus der Anwendung der EMRK ergeben, umfasst auch das Verbot der Abschiebung in einen Zielstaat, in dem dem Ausländer unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK droht. Bei § 60 Abs. 5 AufenthG sind alle Verbürgungen der EMRK in den Blick zu nehmen, aus denen sich ein Abschiebungsverbot ergeben kann. Soweit § 60 Abs. 5 AufenthG die völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland wiederholt, bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung zu berücksichtigen (Art. 3 EMRK), ist der sachliche Regelungsbereich zwar weitgehend identisch mit dem unionsrechtlichen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG und geht über diesen, soweit Art. 3 EMRK in Rede steht, jedenfalls nicht hinaus. Denn § 60 Abs. 2 AufenthG knüpft - wie dargelegt - an Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EG an, der seinerseits die Verantwortung des Abschiebestaats nach Art. 3 EMRK übernimmt. Auch wenn bei Anträgen auf internationalen Schutz der unionsrechtliche Abschiebungsschutz - und damit auch das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG - vor dem nationalen Abschiebungsschutz zu prüfen ist, folgt hieraus in Bezug auf eine Verletzung des Art. 3 EMRK keine (verdrängende) Spezialität des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG, die eine Prüfung des § 60 Abs. 5 AufenthG bereits dem Grunde nach ausschließt. Die Gewährleistung nach nationalem Recht tritt vielmehr selbstständig neben die aus Unionsrecht. Eine tatbestandsausschließende Spezialität des § 60 Abs. 2 AufenthG wäre mit dem hohen Rang, den die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechtsgüter haben, unvereinbar. Damit ist hinsichtlich des Vorliegens eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG in jedem Fall materiell zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Art. 3 EMRK erfüllt sind. In Fällen, in denen - wie hier - gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet allerdings bei Verneinung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 AufenthG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, so dass in der Sache divergierende Bewertungen kaum denkbar sind.

37

b) Schließlich soll nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat auch dann abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Allerdings sind Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, grundsätzlich nur nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (Sperrwirkung).

38

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen kann, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (stRspr, vgl. Urteil vom 8. September 2012 - BVerwG 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 - Rn. 22 f. m.w.N.). Auch insoweit sind die Verhältnisse im ganzen Land in den Blick zu nehmen und - wie bei § 60 Abs. 2 und 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK - zunächst die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung zu prüfen.

39

Das Berufungsgericht hat in Anwendung dieser Maßstäbe ein Abschiebungsverbot verneint, weil in tatsächlicher Hinsicht zu erwarten sei, dass Rückkehrer in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Dabei hat es weder die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit, dass es infolge der problematischen Versorgungslage, die neben der Versorgung mit Lebensmitteln auch die medizinische Versorgung und die Versorgung mit Wohnraum umfasst, zur Beeinträchtigung fundamentaler Schutzgüter kommen werde, überspannt noch hat es seine tatrichterliche Überzeugung auf einer zu schmalen Tatsachenbasis gebildet. Soweit die Revision geltend macht, das Berufungsgericht habe im Rahmen der Beurteilung einer extremen Gefahrenlage die medizinische Versorgungslage nicht hinreichend berücksichtigt, verkennt sie, dass diese nur bei akut behandlungsbedürftigen Vorerkrankungen oder in Fällen von Bedeutung ist, in denen aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse mit einer entsprechend hohen Wahrscheinlichkeit eine lebensbedrohliche Erkrankung zu erwarten ist, für die dann faktisch kein Zugang zu medizinischer (Grund-)Versorgung besteht (s.a. Beschluss vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 10 B 20.12 - Rn. 14).

40

Soweit das Berufungsgericht im Übrigen der Auffassung ist, das Bundesverwaltungsgericht stelle an das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung überzogene rechtliche Anforderungen, geben die Ausführungen dem Senat keine Veranlassung zu einer Änderung seiner Rechtsprechung. Das Berufungsgericht begründet seine Kritik damit, dass die Zumutbarkeit einer Rückkehr unter humanitären Gesichtspunkten, die es aufgrund der schlechten Gesamtsituation ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen selbst für gesunde alleinstehende Männer "kaum" für gegeben hält, nach der Rechtsprechung "kein zentraler Maßstab für die Bestimmung einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG" sei. Mit diesen Erwägungen stellt es dem aus dem Verfassungsrecht abgeleiteten Rechtsbegriff der Zumutbarkeit eine eigene - mit außerrechtlichen Erwägungen begründete und enger gefasste - Zumutbarkeit gegenüber und vermischt damit die Grenze zwischen einer dem Betroffenen rechtlich (noch) zumutbaren und einer nicht (mehr) zumutbaren Rückkehr. Dabei vernachlässigt es zudem, dass es bei der verfassungskonformen Auslegung nicht um die Bestimmung eines aus Sicht des jeweiligen Gerichts "sinnvollen" und/oder "menschenrechtsfreundlichen" Abschiebungsschutzregimes geht, sondern um die Festlegung der Voraussetzungen, unter denen im gewaltenteilenden Rechtsstaat die Rechtsprechung befugt ist, über eine verfassungskonforme Auslegung ausnahmsweise die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, allgemeine Gefahren nur im Rahmen einer Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen, unbeachtet zu lassen. Hierbei macht es in der Sache einen erheblichen Unterschied, ob ein Mensch ohne jeden Ausweg in eine Situation gebracht wird, in der er so gut wie keine Überlebensmöglichkeit hat, oder ob er bei allen - auch existenzbedrohenden - Schwierigkeiten nicht chancenlos ist, sondern die Möglichkeit hat, Einfluss auf sein Schicksal zu nehmen.

41

Die weiteren Zweifel des Berufungsgerichts, ob ein Obergericht revisionsrechtlich dazu verpflichtet werden könne, sich mit der abweichenden Einschätzung anderer Obergerichte auseinanderzusetzen, betreffen nicht den materiell-rechtlichen Maßstab für die Beurteilung einer extremen Gefahrenlage selbst. Die damit ausgedrückte Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. Urteil vom 29. Juni 2010 - BVerwG 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226 Rn. 22) vernachlässigt, dass diese Auseinandersetzung nicht als Selbstzweck gefordert wird. Sie zielt auf eine Verbesserung der Entscheidungsqualität durch Verbreiterung der erkennbar in die tatrichterliche Bewertung eingestellten Tatsachen- und Argumentationsbasis. Dies gilt namentlich in Fällen, in denen es - wie hier - im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG um eine "Korrektur" des demokratisch legitimierten Gesetzgebers geht, für die im Rahmen der Tatsachen- und Lagebeurteilung eine umfassende Gesamtwürdigung der voraussichtlichen Lebensbedingungen im Abschiebezielstaat und der damit verbundenen Gefahren erforderlich ist.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. September 2007 - A 6 K 4738/07 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein am 05.02.1986 im Dorf Tschardehi in der Provinz Ghorband/Distrikt Parwan geborener lediger und kinderloser afghanischer Staatsangehöriger sunnitischen Glaubens vom Volk der Tadschiken reiste am 03.10.2003 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 21.10.2003 stellte er einen Asylantrag mit der Begründung, sein Vater und Bruder sowie zwei Vettern seien im Rahmen eines blutigen Familienstreits um die Verheiratung eines Mädchens ums Leben gekommen. Aus Rache werde der Kläger bis heute von seinen Vettern mit dem Tode bedroht. Seine Mutter und ein Onkel lebten zwischenzeitlich im vom Familiendorf etwa 3 ½ Autostunden entfernten Kabul. Die Ausreise Anfang Oktober 2003 über den Flughafen Kabul sei mit Hilfe von Schleppern gegen Bezahlung von 15.000 US-Dollar gelungen.
Die Beklagte lehnte den Asylantrag des Klägers mit Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt -) vom 28.10.2003 als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes - AuslG - offensichtlich nicht vorliegen sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht gegeben sind, und drohte ihm die Abschiebung nach Afghanistan an. Der Bescheid wurde am 11.11.2003 bestandskräftig.
Unter Berufung auf neuere Rechtsprechung zum Vorliegen einer extremen Gefahrenlage in Afghanistan auch für alleinstehende Männer stellte der Kläger am 16.05.2007 einen so genannten Folgeschutzantrag hinsichtlich eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG.
Mit Bescheid vom 16.08.2007 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Änderung des Bescheids vom 28.10.2003 bezüglich der Feststellungen zu § 53 Abs. 1 bis 6 AuslG ab. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens seien nicht erfüllt. Weder führe die Zugehörigkeit des Klägers zur Volksgruppe der Tadschiken in Afghanistan zu einer landesweiten Verfolgungsgefahr noch ergebe sich aus der dortigen allgemeinen Versorgungslage eine extreme Gefahrensituation für den Kläger. Jedenfalls in Kabul könne er sein Existenzminimum sichern.
Am 30.08.2007 hat der Kläger unter Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamts vom 16.08.2007 zu der Feststellung zu verpflichten, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in Bezug auf Afghanistan vorliegen.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 19.09.2007 - A 6 K 4738/07 - hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Feststellung eines Abschiebungsverbot hinsichtlich Afghanistans gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG verpflichtet, insoweit den Bundesamtsbescheid vom 16.08.2007 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung des stattgebenden Teils seines Urteils hat es im Wesentlichen ausgeführt, wegen der in Afghanistan bestehenden unzureichenden Versorgungslage bestehe für den Kläger bei einer Rückkehr dorthin eine extreme Gefahrensituation. Da der Vater des Klägers bereits vor dessen Ausreise aus Afghanistan verstorben sei, müsse davon ausgegangen werden, dass der Kläger in seiner Heimat über keine hinreichenden finanziellen Mittel zur Existenzsicherung verfüge. Bei einer Abschiebung werde er gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert. Zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG äußert sich die übrige Begründung des Urteils nicht.
Der Kläger hat keinen Zulassungsantrag gestellt.
Mit ihrer vom erkennenden Gerichtshof mit Beschluss vom 28.02.2008 - A 8 S 2412/07 - zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend, eine extreme Gefahrensituation könne jedenfalls für alleinstehende, arbeitsfähige, männliche afghanische Rückkehrer nicht angenommen werden. Die Versorgungslage in Kabul sei für diese Personengruppe nicht derart schlecht, dass eine Hungerkatastrophe befürchtet werden müsse. Unterstützung gebe es für Rückkehrer durch internationale Organisationen, auch bei der Unterkunftsbeschaffung. In der Berufungsverhandlung hat die Vertreterin der Beklagten klargestellt, der angegriffene Bescheid vom 16.08.2007 sei so zu verstehen, dass das Bundesamt das Verfahren in Bezug auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG von Amts wegen wiederaufgegriffen und zur Sache entschieden habe.
Die Beklagte beantragt,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. September 2007 - A 6 K 4738/07 - zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
13 
Er trägt im Wesentlichen vor, in Afghanistan heute keinerlei unterstützungsbereite Familienangehörige mehr zu haben; diese seien entweder tot oder geflohen. Aus diesem Grund und wegen der katastrophalen Versorgungssituation in seiner Heimat lägen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
14 
Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung am 14.05.2009 informatorisch angehört. Dabei gab er an, seine Heimat wegen einer Familienfehde verlassen zu haben. Sein Vater habe zwei Brüder gehabt, die mit Ehefrauen und vier Söhnen bzw. einer Tochter ebenfalls im Dorf Tschardehi gelebt hätten. Ein Vetter des Klägers habe die Tochter des anderen, verstorbenen Onkels heiraten wollen, was diese jedoch vehement abgelehnt habe. Hierüber sei es zu einem blutigen Streit gekommen, in dessen Rahmen sowohl der Vater des Klägers als auch dessen Bruder zu Tode gekommen seien. Daraufhin seien der Kläger und seine Mutter zu einem Onkel mütterlicherseits nach Kabul geflüchtet, der dort ein Geschäft betrieben habe. Dieser Onkel habe die Mutter versorgt und dem Kläger die Ausreise nach Deutschland organisiert und bezahlt. Die Mutter habe später den gesamten Familienbesitz im Dorf Tschardehi verkauft. Sowohl mit seiner Mutter als auch mit dem Onkel in Kabul habe er bis 2005 Telefonkontakt gehabt. Seine Mutter habe über ein Mobiltelefon verfügt. Im letzten Telefonat sei ihm mitgeteilt worden, dass insbesondere die wirtschaftliche Lage sehr schlecht sei und man beabsichtige, das Land zu verlassen. Dann sei der Kontakt abgerissen. Wo seine Mutter oder sein Onkel oder sonstige Familienangehörigen heute seien, wisse er nicht. Es sei ihm seit 2005 nicht mehr gelungen, irgendeinen Familienkontakt herzustellen. In Deutschland arbeite er seit etwa neun Monaten; zuerst bei einer Leiharbeitsfirma, seit Januar 2009 in einer Pizzeria. Er verdiene derzeit netto ca. 700 EUR monatlich. Seine Mietkosten beliefen sich auf monatlich ca. 200 EUR. Relevante Ersparnisse habe er nicht.
15 
Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Gerichtsakte sowie den Verfahrensakten des Bundesamts. Dem Senat liegen des Weiteren die Akte des Verwaltungsgerichts Stuttgart im Verfahren A 6 K 4738/07 sowie die Erkenntnisquellen, die den Beteiligten mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung und in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt worden sind, vor. Die beigezogenen Akten und die Erkenntnisquellen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig unter Stellung eines Antrags und unter Bezugnahme auf die ausführliche Begründung des Zulassungsantrags begründete Berufung (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 18.07.2006 - 1 C 15.05 - NVwZ 2006, 1420 m.w.N.) der Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass der Kläger die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (- Aufenthaltsgesetz -) in der Fassung der Änderung durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (- Richtlinienumsetzungsgesetz -, in Kraft seit 28.08.2007, BGBl I 1970) beanspruchen kann. Die Zulässigkeit des so genannten Folgeschutzantrags des Klägers vom 16.05.2007 insbesondere hinsichtlich § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG bedarf keiner Klärung, weil die Beklagte klargestellt hat, dass das Bundesamt das Verfahren im angefochtenen Bescheid - jedenfalls - in Bezug auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG von Amts wegen wiederaufgegriffen und zur Sache entschieden hat.
I.
17 
Das grundsätzlich vorrangige - europarechtlich begründete - Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 c der Qualifikationsrichtlinie 2004/83/EG ist vom Senat im vorliegenden Berufungsverfahren nicht zu prüfen. Zwar ist ein Antrag auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in Bezug auf das Herkunftsland seit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes im Asylprozess sachdienlich dahin auszulegen, dass in erster Linie die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG und hilfsweise die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG begehrt wird (BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 = NVwZ 2008, 1241). Auch war im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in seiner heutigen Fassung bereits in Kraft und der Kläger hatte die Feststellung von Abschiebungsverboten „nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG“ beantragt. Das Verwaltungsgericht hat über das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG jedoch - rechtsirrtümlich - nicht entschieden. Da es nach den Urteilsgründen keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass das Verwaltungsgericht bewusst nur über einen Teil des Streitgegenstandes entscheiden und den Rest einer späteren Entscheidung vorbehalten wollte, liegt kein Teilurteil im Sinne des § 110 VwGO vor. Das Urteil ist vielmehr bezüglich des nicht erwähnten Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG fehlerhaft. Es verstößt gegen § 88 VwGO, weil es über das europarechtliche Abschiebungsverbot rechtsirrtümlich nicht vorrangig entscheidet. Gemäß § 88 VwGO darf das Gericht einerseits nicht über das Klagebegehren hinausgehen, muss dieses andererseits aber erschöpfen. Das Verwaltungsgericht hat die Eigenständigkeit des Streitgegenstands bzw. abtrennbaren Streitgegenstandsteils des § 60 Abs. 7 Satz 2 VwGO, die das Bundesverwaltungsgericht im Übrigen erstmals mit Urteil vom 24.06.2008 (a.a.O.) rechtsgrundsätzlich geklärt hat, nicht erkannt und diesen Streitgegenstandsteil irrtümlich als nicht rechtshängig angesehen. Damit wäre insoweit ein Urteilsergänzungsverfahren nach § 120 VwGO von vorneherein nicht in Betracht gekommen, weil kein „Übergehen“ im Rechtssinne vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.03.1994 - 9 C 529.93 - BVerwGE 95, 269), sondern nur ein Antrag auf Zulassung der Berufung gemäß § 78 Abs. 2 AsylVfG. Der Kläger hat jedoch keinen Zulassungsantrag gestellt und der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung war auf den stattgebenden Teil des angefochtenen Urteils, also das - nationale - Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begrenzt; nur insoweit wurde vom Senat die Berufung zugelassen. Nach dem Verfahrensgrundsatz der Dispositionsmaxime ist der Streitgegenstand des Berufungsverfahrens damit hierauf beschränkt (vgl. §§ 128 Satz 1, 129 VwGO). Mit der rechtskräftigen Abweisung der Klage durch das Verwaltungsgericht im Übrigen ist die Rechtshängigkeit des unbeschieden gebliebenen europarechtlich begründeten Abschiebungsverbots des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG entfallen (ausführlich hierzu: BVerwG, Urteil vom 22.03.1994, a.a.O.). Selbst wenn insoweit von einem Übergehen des Antrags im Sinne des § 120 Abs. 1 VwGO ausgegangen würde, wäre ein Urteilsergänzungsverfahren ausgeschlossen, weil binnen der Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO kein entsprechender Antrag gestellt worden ist.
II.
18 
Im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) besteht zu Gunsten des Klägers ein Abschiebungsverbot hinsichtlich Afghanistans gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Hiernach kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn für ihn dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Das ist beim Kläger aufgrund der in Afghanistan derzeit vorherrschenden katastrophalen Versorgungslage der Fall.
19 
Allerdings sind Gefahren der die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Denn hinsichtlich des Schutzes vor allgemeinen Gefahren im Zielstaat soll Raum sein für ausländerpolitische Entscheidungen, was die Anwendbarkeit von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG insoweit grundsätzlich sperrt und zwar selbst dann, wenn diese Gefahren den einzelnen Ausländer zugleich in konkreter und individualisierbarer Weise betreffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324). Aus diesem Normzweck folgt weiter, dass sich die „Allgemeinheit“ der Gefahr nicht danach bestimmt, ob diese sich auf die Bevölkerung oder bestimmte Bevölkerungsgruppen gleichartig auswirkt, wie das bei Hungersnöten, Seuchen, Bürgerkriegswirren oder Naturkatastrophen der Fall sein kann. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG kann vielmehr auch bei eher diffusen Gefährdungslagen greifen, etwa dann, wenn Gefahren für Leib und Leben aus den allgemein schlechten Lebensverhältnissen (soziale und wirtschaftliche Missstände) im Zielstaat hergeleitet werden. Denn soweit es um den Schutz vor den einer Vielzahl von Personen im Zielstaat drohenden typischen Gefahren solcher Missstände wie etwa Lebensmittelknappheit, Obdachlosigkeit oder gesundheitliche Gefährdungen geht, ist die Notwendigkeit einer politischen Leitentscheidung in gleicher Weise gegeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.07.2001 - 1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1). Für die Personengruppe, der der Kläger angehört, besteht eine solche politische Abschiebestopp-Anordnung gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG in Baden-Württemberg derzeit nicht (mehr), seit mit Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 15.04.2005 (geändert am 01.08.2005, vgl. 21. Fortschreibung vom 23.01.2009, Az.: 4-13-AFG/8) in Umsetzung entsprechender Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder bezüglich der Rückführung afghanischer Staatsangehöriger entschieden wurde, dass „volljährige, allein stehende männliche afghanische Staatsangehörige, die sich zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 24. Juni 2005 noch keine sechs Jahre im Bundesgebiet aufgehalten haben, mit Vorrang zurückzuführen sind“. Im konkreten Einzelfall greift die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG gleichwohl aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht ein.
20 
1. Die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG greift aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht ein, wenn der Ausländer im Zielstaat landesweit einer extrem zugespitzten allgemeinen Gefahr dergestalt ausgesetzt wäre, dass er „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert“ würde (st. Rspr. des BVerwG, s. Urteile vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324 und vom 19.11.1996 - 1 C 6.95 - BVerwGE 102, 249 zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG und Beschluss vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 - juris zu § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Damit sind nicht nur Art und Intensität der drohenden Rechtsgutsverletzungen, sondern auch die Unmittelbarkeit der Gefahr und ihr hoher Wahrscheinlichkeitsgrad angesprochen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.11.1996 - 1 C 9.95 - BVerwGE 102, 249). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau zu ermitteln (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.03.1999 - 9 B 866.98 - juris).
21 
Im Fall einer allgemein schlechten Versorgungslage sind insoweit Besonderheiten zu berücksichtigen. Denn hieraus resultierende Gefährdungen entspringen keinem zielgerichteten Handeln, sondern treffen die Bevölkerung gleichsam schicksalhaft. Sie wirken sich nicht gleichartig und in jeder Hinsicht zwangsläufig aus und setzen sich aus einer Vielzahl verschiedener Risikofaktoren zusammen, denen der Einzelne in ganz unterschiedlicher Weise ausgesetzt ist und denen er gegebenenfalls auch ausweichen kann. Intensität, Konkretheit und zeitliche Nähe der Gefahr können deshalb auch nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände beurteilt werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.11.2002 - A 6 S 967/01 - juris). Um dem Erfordernis des unmittelbaren - zeitlichen - Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung zu entsprechen, kann hinsichtlich einer allgemein schlechten Versorgungslage eine extreme Gefahrensituation zudem nur dann angenommen werden, wenn der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann. Mit dem Begriff „alsbald“ ist dabei einerseits kein nur in unbestimmter zeitlicher Ferne liegender Termin gemeint (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.1998 - 9 C 13.97 - NVwZ 1998, 973). Andererseits setzt die Annahme einer extremen allgemeinen Gefahrenlage nicht voraus, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Ankunft im Abschiebezielstaat, eintreten. Eine extreme Gefahrenlage besteht auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert sein würde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.01.1999 - 9 B 617.98 - InfAuslR 1999, 265).
22 
2. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers gegeben. Denn er gehört zu der Gruppe der beruflich nicht besonders qualifizierten afghanischen Staatsangehörigen, die in ihrer Heimat ohne Rückhalt und Unterstützung durch Familie oder Bekannte sind und dort weder über Grundbesitz noch über nennenswerte Ersparnisse verfügen. Für diese Personengruppe besteht aufgrund der derzeit katastrophalen Versorgungslage bei einer Abschiebung nach Kabul eine extreme Gefahrensituation im dargelegten Sinne (ebenso: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.05.2008 - 6 A 10749/07 - AuAS 2008, 188).
23 
a) Der Kläger wäre bei einer Abschiebung nach Kabul ohne Rückhalt und Unterstützung durch Familie oder Bekannte. In der mündlichen Verhandlung hat er glaubhaft und überzeugend ausgeführt, dass sein Vater und Bruder getötet worden sind, er in seinem Heimatdorf Tschardehi keine Unterstützung erlangen könnte, seine Mutter den Familienbesitz veräußert sowie mit dem Onkel aus Kabul Afghanistan - wohl schon 2005 - verlassen hat und dass seither kein Kontakt mehr zu irgendwelchen Personen in seiner Heimat besteht. Der Senat ist aufgrund des schlüssigen Vortrags des Klägers zudem überzeugt, dass er in Deutschland bisher keine nennenswerten Ersparnisse machen konnte. Der gesamte Vortrag des Klägers ist widerspruchsfrei und fügt sich stimmig in seine dokumentierten Angaben vor dem Bundesamt bei der Erstanhörung am 22.10.2003. Hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Kläger die Unwahrheit sagt, ergeben sich für den Senat nicht.
24 
b) Aufgrund der nachfolgend (aa) bis cc)) im Einzelnen dargelegten Erkenntnisse und Wertungen ist der Senat überzeugt, dass der Kläger ohne Ersparnisse, Grundbesitz und Unterstützung durch Familie oder Bekannte bei einer Abschiebung nach Kabul mangels jeglicher Lebensgrundlage unausweichlich dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert wäre. Im Falle der zur Zeit allenfalls nach Kabul tatsächlich möglichen Abschiebung (vgl. AA, Lagebericht vom 03.02.2009, S. 30) müsste er dort mit hoher Wahrscheinlichkeit zunächst mit einem kriminell motivierten Überfall oder einer Entführung rechnen, weil Rückkehrern aus Europa offenbar häufig der Besitz von finanziellen Mitteln unterstellt wird. Da sich die Sicherheitslage auf den Straßen nach und aus Kabul aufgrund der Bürgerkriegssituation schon seit 2007 deutlich verschlechtert hat, wäre dem Kläger ein Ausweichen in andere Landesteile ohne extreme Gefährdung von Leib und Leben nicht möglich; ohnehin verfügt er dort über keine familiäre, tribale oder soziale Vernetzung. In Kabul würde er ohne finanzielle Mittel keinen Wohnraum finden, weil dieser dort knapp und nur zu hohen Preisen erhältlich ist. Der Kläger, der weder eine Schule noch eine Ausbildung durchlaufen hat und nicht über besondere berufliche Qualifikationen verfügt, hätte in Kabul keine Möglichkeit einer legalen Erwerbstätigkeit. Aufgrund der Nahrungsmittelkrise wäre er darauf verwiesen, sich, wenn überhaupt, dauerhaft ausschließlich von Brot und Tee zu ernähren. Dadurch würde er alsbald und unausweichlich in einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen geraten, weil eine hinreichende medizinische Versorgung in Kabul nicht gegeben ist. Der Kläger würde mithin durch eine Abschiebung nach Kabul mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert. Im Einzelnen:
25 
aa) Zur Einschätzung der Gefahren für Leib und Leben eines afghanischen Staatsangehörigen, der aus Europa ohne Vermögen oder (groß-)familiäre Unterstützung nach Afghanistan zurückkehrt, hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 06.05.2008 - 6 A 10749/07 - (AuAS 2008, 188) unter Auswertung auch vom Senat beigezogener Erkenntnisquellen in einem vergleichbaren Fall ausgeführt:
26 
„aa. Im Falle seiner Abschiebung nach Afghanistan würde der Kläger das zum Leben Notwendige an Nahrungsmitteln nicht aus eigener Kraft sichern können.
27 
(…) Der Kläger würde vielmehr in Kabul mit einem geringen Barbetrag und der „Starthilfe“ des UNHCR, der alle Rückkehrer mit 12 US-Dollar (vgl. Dr. Danesch, Gutachten vom 4. Dezember 2006 an HessVGH und vom 18. Mai 2007 an VG Koblenz; Panhölzl, Humanitäre Lage in Kabul, in: Informationsverbund Asyl e.V., Zur Lage in Afghanistan, 2006, S. 9 ff.) unterstützt, darauf angewiesen sein, sich durch eine kleingewerbliche Tätigkeit oder eine abhängige Beschäftigung den Lebensunterhalt zu verdienen. Das wird ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit weder in Kabul noch in einer Provinz gelingen. Der Sachverständige Rieck, der als Senior Advisor für Arbeitsmarktfragen im Auftrag der International Labour Organisation in Afghanistan tätig war, hat in seinem dem Senat erstatteten Gutachten vom 15. Januar 2008 ausgeführt, auf dem afghanischen Arbeitsmarkt sei die Wahrscheinlichkeit gering, dass an- und ungelernte Arbeitskräfte eine auf Dauer angelegte und den Lebensunterhalt sichernde Erwerbsmöglichkeit finden. Selbst wenn einem Rückkehrer berufliche Bildungsangebote unterbreitet würden, erlange er durch solche in der Regel keine am Arbeitsmarkt verwertbaren beruflichen Kenntnisse. Fachkräfte aus Handwerksberufen könnten jedoch häufig in Arbeit vermittelt werden. Die Rekrutierung von Arbeitskräften sei so stark von persönlichen Beziehungen geprägt, dass private und öffentliche Arbeitgeber Medien oder Arbeitsvermittlungsbüros erst dann einschalteten, wenn das persönliche Beziehungsgeflecht bei der Stellenbesetzung nicht zum Erfolg geführt habe. Bestätigt wird diese Einschätzung durch die gutachterliche Stellungnahme vom 31. Januar 2008, die Dr. Glatzer dem Senat gegenüber abgegeben hat. Danach sind für alleinstehende, arbeitsfähige, männliche Afghanen, die unfreiwillig aus Deutschland nach Kabul zurückkehren und dort nicht mit der Hilfe von Verwandten oder Bekannten bei ihrer Wiedereingliederung rechnen können, legale Erwerbsmöglichkeiten – wenn man die Faktoren Zufall oder Glück außer Acht lässt – kaum gegeben, wenn diese Personen nicht über besondere professionelle Qualifikationen verfügen. Die Arbeitsmarktsituation in den Provinzen sei deutlich ungünstiger als in Kabul. Afghanistan leide unter einer Arbeitslosigkeit von ca. 65 v. H. der arbeitsfähigen Bevölkerung, wobei der Bedarf an ungelernten Arbeitern wegen der sich verschlechternden Sicherheitslage eher zurückgehe. Selbst in Boomzeiten gebe es viel mehr Arbeitswillige als Arbeitsplätze, um die hart und rücksichtslos gekämpft werde. Dr. Danesch (Gutachten vom 18. Mai 2007 an VG Koblenz und vom 24. August 2007) spricht von einer Arbeitslosigkeit im Umfang von 70 bis 80 v. H. der afghanischen Männer. Panhölzl (Humanitäre Lage in Kabul, a.a.O. S. 13) referiert eine Studie der Afghanistan Research and Evaluation Unit (AREU) vom April 2006, derzufolge von den befragten armen und armutsgefährdeten Haushalten ein Viertel der Arbeitskräfte maximal 54 Tage im Jahr Zugang zu Arbeit, die Hälfte 131 Tage oder weniger und nur 25 v. H. für 193 und mehr Tage im Jahr eine Arbeitsmöglichkeit hatten. Als Rückkehrer ohne persönliche Bindungen oder Beziehungen und ohne verwertbare berufliche Qualifikation müsste der Kläger der erstgenannten Gruppe zugerechnet werden, also in jeder Woche durchschnittlich für einen Tag eine Aushilfstätigkeit finden, was ihm einen wöchentlichen Durchschnittsverdienst von ca. einem bis zwei US-Dollar verschaffen würde (Dr. Danesch, Gutachten vom 18. Mai 2007 an VG Koblenz und vom 24. August 2007; Panhölzl, Humanitäre Lage in Kabul, a.a.O.). Ein selbständiges Kleingewerbe als Schuhputzer (vgl. Rieck, Gutachten vom 15. Januar 2008) bzw. Karrenzieher oder Straßenverkäufer verspricht keine gegenüber der abhängigen Beschäftigung besseren Erwerbsmöglichkeiten (Panhölzl, Humanitäre Lage in Kabul, a.a.O. S. 13) (…)
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Unter diesen wirtschaftlichen Verhältnissen würden dem Kläger ausschließlich Tee und Brot als Nahrungsmittel zur Verfügung stehen. Er würde zu der Hälfte der Bevölkerung Kabuls gehören, die sich - wie dem Schriftsatz der Beklagten vom 26. Februar 2008 im Verfahren 6 A 10230/08.OVG entnommen werden kann, der insoweit auf Erkenntnisse der Hilfsorganisation „Action contre la faim“ Bezug nimmt – nur von Tee und Brot ernähren und dafür den größten Teil ihres Einkommens verwenden muss. Auch das Auswärtige Amt erwähnt in seinem Lagebericht vom 7. März 2008, dass fast ein Viertel aller Haushalte in Afghanistan die Grundversorgung an Nahrungsmitteln nicht selbständig sichern kann. Dem Gutachten Dr. Daneschs vom 18. Mai 2007 (an VG Koblenz) zufolge leiden 8,9 v. H. der Kabuler Bevölkerung unter akuter Unterernährung. Auf seiner Homepage (www.auswaertiges-amt.de) bezeichnet das Auswärtige Amt die Nahrungmittelunsicherheit, chronische Mangelernährung, fehlenden Zugang zu sauberem Trinkwasser und Mangel an medizinischer Versorgung als die humanitären Hauptprobleme Afghanistans; der Anstieg der Weizenpreise im Laufe des Jahres 2007 um durchschnittlich 60 Prozent habe die Versorgungslage der besonders bedürftigen Bevölkerungsschichten wie Flüchtlinge und Binnenvertriebene sowie werdender Mütter und Kinder weiter verschlechtert.
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bb. Diese Versorgungssituation wird auch nicht durch Unterstützungsmaßnahmen der afghanischen Regierung oder internationaler Organisationen in wesentlichem Umfang verbessert (vgl. auch HessVGH, 8 UE 1913/06.A., juris; OVG B-B, 12 B 9.05, juris). Staatliche soziale Sicherungssysteme sind nicht vorhanden; vielmehr übernehmen Familien und Stammesverbände die soziale Absicherung (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008). Deshalb stoßen nach diesem Lagebericht Rückkehrer, die außerhalb des Familienverbands oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren, wenn ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die notwendigen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen.
30 
Zwar erwähnt der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008, dass die Vereinten Nationen Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern versorgen und sich die Versorgungslage in Kabul grundsätzlich verbessert habe, schränkt dies aber insoweit ein, als mangels Kaufkraft längst nicht alle Bevölkerungsschichten davon profitierten. Darüber hinaus weist das Auswärtige Amt in diesem Lagebericht auf die Schwierigkeiten humanitärer Nothilfeleistungen infolge schlecht ausgebauter Verkehrswege, widriger Witterungsverhältnisse und wegen Sicherheitsproblemen hin. Dass die Vereinten Nationen Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern (in einem nicht näher bezeichneten Umfang) versorgen, erklärt sich ohne Weiteres aus der eine solche Verantwortlichkeit begründenden Hilfe, die der UNHCR bei der Rückkehr von ca. vier Millionen Afghanen aus Pakistan und dem Iran geleistet hat und die zu einem guten Teil auf den verstärkten „Rückführungsbemühungen“ der pakistanischen und der iranischen Regierung beruhen (vgl. hierzu Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008). Nach der Auskunft, die amnesty international dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof unter dem 17. Januar 2007 erteilt hat, kann die Versorgung der bedürftigen Bevölkerung angesichts der enorm großen Zahl von Rückkehrern und der prekären Sicherheitslage nicht durch Angebote internationaler Hilfsorganisationen aufgefangen werden, zumal viele dieser Organisationen ihre Aktivitäten aufgrund von Sicherheitsbedenken immer stärker einschränken müssten. Dr. Glatzer teilt diese Einschätzung in seinem Gutachten vom 31. Januar 2008. Auch das Auswärtige Amt (Lagebericht vom 7. März 2008) bestätigt, dass sich die Sicherheitslage für Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen durch regelmäßige Anschläge seit dem Jahr 2006 und durch Entführungen verschlechtert und sich das subjektive Unsicherheitsgefühl in den Reihen der internationalen Gemeinschaft seit dem Anschlag vom 24. Januar 2008 auf das Hotel Kabul Serena erheblich verstärkt habe. Dass internationale Hilfsorganisationen nicht einmal eine notdürftige Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung Kabuls sicherstellen, ist den Gutachten Dr. Daneschs vom 18. Mai 2007 (an VG Koblenz) und vom 24. August 2007 zu entnehmen. Danach gibt es keine Grundversorgung der Flüchtlinge durch internationale Hilfsorganisationen in Kabul. Die Lebensbedingungen der Kabuler hätten sich seit dem Jahre 2001 drastisch verschlechtert. Tag für Tag verhungerten in Kabul Menschen, nach denen in Afghanistan "kein Hahn kräht". Konkrete Zahlen über Todesfälle unter der armen Bevölkerung ließen sich in einem Land, in dem es keine Meldepflicht gebe, nicht erlangen, da sie nicht aktenkundig würden. Außerdem sei unter den afghanischen Verhältnissen die Grenze fließend zwischen regelrechtem Verhungern und Erkrankungen, die aufgrund von Mangelernährung, katastrophaler Hygiene, Kälte bzw. fehlender ärztlicher Behandlung tödlich verliefen. Allein in den drei von der „Action contre la faim“ betreuten Krankenhäusern stürben täglich zwischen fünf und sieben Personen allein wegen Unterernährung, obwohl diese zu den „wenigen Glücklichen“ gehörten, die überhaupt in ein Krankenhaus kämen. Menschen, die Mangelernährung und Krankheiten erlägen, würden ohne viel Umstände verscharrt. Die durch das jahrelange Elend abgestumpfte Bevölkerung nehme solche Todesfälle oft fatalistisch hin.
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cc. Auch die Möglichkeiten, eine winterfeste Unterkunft zu erlangen, sind für einen mittellosen Rückkehrer, der nicht auf (groß-)familiäre Hilfe zurückgreifen kann, minimal. Der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008 führt hierzu aus, die Wohnraumversorgung sei unzureichend; Wohnraum sei knapp und die Preise in Kabul seien hoch. Freiwillig zu ihren Angehörigen zurückkehrende Afghanen strapazierten die nur sehr knappen Ressourcen an Wohnraum und Versorgung weiter. Eine zunehmende Zahl von Rückkehrern verfüge zudem nicht mehr über solche Anschlussmöglichkeiten. Bemühungen des Flüchtlingshilfswerks UNHCR und anderer Einrichtungen um die Errichtung von Unterkünften hätten nur geringe Wirkung gehabt. Das afghanische Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer beabsichtige, Rückkehrer in Neubausiedlungen unterzubringen, von denen ein Großteil für eine dauerhafte Ansiedlung ungeeignet sei, so dass von einem „Aussetzen in der Wüste“ gesprochen werden könne. Nichtregierungsorganisationen leisteten hier humanitäre Hilfe. Von dem „Auffangwohnheim“ auf dem Gelände des Flüchtlingsministeriums, das das Auswärtige Amt in seiner Auskunft vom 29. Mai 2007 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof erwähnt und in dem Rückkehrer für eine Übergangszeit Unterkunft finden konnten, ist im Lagebericht vom 7. März 2008 nicht (mehr) die Rede.
32 
Dr. Danesch (Gutachten vom 18. Mai 2007 an VG Koblenz und vom 24. August 2007) berichtet, dass ein einfaches Zimmer bis zu 20 US-Dollar im Monat koste. Dafür erhalte man eine Unterkunft in weitab vom Zentrum gelegenen Außenbezirken, wo es oft nicht die geringste Infrastruktur gebe. Erschwinglicher Wohnraum außerhalb der Flüchtlingslager existiere für Rückkehrer nicht.
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Nach der Auskunft, die amnesty international dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof unter dem 17. Januar 2007 erteilte, hat der enorme Bevölkerungszuwachs in Kabul einen akuten Mangel an Wohnraum verursacht, so dass sich große Slumviertel gebildet hätten. Viele Menschen lebten in Ruinen. Nach Schätzungen der Caritas verfüge etwa eine Million Menschen in Kabul weder über ausreichenden und winterfesten Wohnraum noch über regelmäßiges Trinkwasser. Die hygienischen Verhältnisse in den Armenvierteln seien katastrophal.
34 
Das Rückkehrerprogramm "Return, Reception and Reintegration of Afghan Nationals to Afghanistan (RANA)" ist nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 29. Mai 2007 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof Ende April 2007 ausgelaufen, so dass auf die Darlegungen von Herrn D…, der während einer Beurlaubung als Beamter der Beklagten im Rahmen des RANA-Programms in Kabul bis zum 22. Mai 2006 tätig war und wegen dieser Tätigkeit von dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 24. März 2006 als sachverständiger Zeuge vernommen worden ist, nicht eingegangen werden muss.
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dd. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die medizinische Versorgung selbst in Kabul völlig unzureichend ist (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008). Amnesty international berichtet dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof unter dem 17. Januar 2007, dass viele Menschen wegen der desolaten Verhältnisse im Gesundheitswesen unter Infektionskrankheiten, Tuberkulose etc. litten. Eine Behandlung sei in der Regel nicht möglich, weil die Gesundheitsversorgung in Afghanistan unzulänglich sei. Während es auf dem Land oft überhaupt keine Versorgung gebe, sei es in Kabul, wo einige Krankenhäuser vorhanden seien, meist nur über Beziehungen oder gegen Bestechung möglich, auch tatsächlich behandelt zu werden. Diese Situation erkläre die geringe Lebenserwartung und eine der weltweit höchsten Kindersterblichkeitsraten. Auch Panhölzl (Humanitäre Lage in Kabul, a.a.O.) referiert, dass die Kosten für einen Arztbesuch fast den Tageslohn eines einfachen Arbeiters – Transportkosten nicht inbegriffen – ausmachen; die Mehrheit der Ärzte in öffentlichen Krankenhäusern betrieben nebenbei private Kliniken und verwiesen die Patienten in diese, was sich die Ärmeren aber nicht leisten könnten.
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ee. Ist mithin davon auszugehen, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr nur eine notdürftige und nicht winterfeste Unterkunft finden würde, nahezu ohne medizinische Versorgung unter hygienisch völlig unzureichenden Verhältnissen leben müsste und darauf verwiesen wäre, sich ausschließlich von Brot und Tee zu ernähren, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass er durch seine Abschiebung nach Afghanistan zwangsläufig in einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen geraten würde. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den in sich schlüssigen ernährungsmedizinischen Ausführungen der Sachverständigen Dr. med. T.. Danach führt eine erzwungene Mangelernährung, die aus Brot und Tee besteht, selbst bei ausreichender Kalorienzufuhr, d.h. einer Menge von 1.000g bis 1.500g Weißbrot pro Tag, zu einem verstärkten Abbau von Eiweiß und Fett und insbesondere zu einem Eisenmangel. Die dadurch bedingte Beeinträchtigung der Sauerstoffversorgung habe erhebliche Auswirkungen auf das Gehirn und das Herz und schwäche die Körperimmunabwehr. Dies wiederum könne zu Organschäden am Herzen bis hin zum Herzinfarkt führen. Die Schwächung der Immunabwehr führe in der Regel spätestens nach sechs Monaten zum Ausbruch der Eisenmangelanämie. Die genannten Symptome träten unter den in Afghanistan herrschenden Lebensbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit noch früher ein, zumal bei einem Rückkehrer nach einem fünf Jahre langen Aufenthalt in Deutschland wegen der erheblichen Klimaumstellungen mit schwerwiegenden Infektionen der Atmungs- und Verdauungsorgane bis hin zur Tuberkulose gerechnet werden müsse. Unter den im Winter in Afghanistan gegebenen Klimabedingungen bestehe die Gefahr von Lungeninfekten. Sie könnten insbesondere dann zum Tod führen, wenn der Organismus bereits zuvor durch Eisenmangel und andere Infekte geschwächt sei. Bei einer Rückkehr nach Kabul im Sommer sei mit Darminfektionen zu rechnen. Unter diesen Umständen könnten bis zu zwei Durchfallerkrankungen möglicherweise ohne große Schäden überwunden werden. Ab der dritten entsprechenden Erkrankung müsse dann aber mit lebensbedrohlichen Entwicklungen gerechnet werden. Eine Anpassung des Körpers im Sinne einer zunehmenden Immunität sei in diesen Fällen ausgeschlossen. Insbesondere im Sommer komme es darüber hinaus auch durch das Trinken von nicht abgekochtem Wasser zu gesundheitlichen Schäden.
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Aus diesen sachverständigen Ausführungen ergibt sich, dass vergleichsweise junge Männer, die in gutem Ernährungs- und Gesundheitszustand aus Europa nach Kabul zurückkehren, nicht etwa über körperliche „Reserven“ verfügen, die ihnen ein Überleben auf längere Sicht erleichtern. Vielmehr erweist sich die über mehrere Jahre vollzogene Anpassung an die in Europa herrschenden klimatischen und hygienischen Bedingungen als Nachteil beispielsweise gegenüber afghanischen Rückkehrern aus Pakistan oder dem Iran. Insbesondere die dadurch erhöhte Infektanfälligkeit wird in Verbindung mit dem ernährungsbedingten Eisenmangel zu schwerwiegenden Infektionen der Atmungs- und Verdauungsorgane führen und mit hoher Wahrscheinlichkeit einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen auslösen.
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Diese schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen reichen aus, um eine zwangsweise Rückkehr als unzumutbar erscheinen zu lassen, auch wenn sehr viele Afghanen in der beschriebenen Weise unterhalb des Existenzminimums „dahinvegetieren“ und keine Berichte über eine Hungersnot in Kabul vorliegen, wie das Sächsische Oberverwaltungsgericht (A 1 B 58/06, AuAS 2007, 5, juris) bemerkt. Gerade den bereits zitierten Ausführungen Dr. Daneschs vom 18. Mai 2007 (an VG Koblenz) und vom 24. August 2007 ist zu entnehmen, aus welchen Gründen sich Angaben über diese Zustände einer „weiteren Präzisierung“, die das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (20 A 5164/04.A, juris) vermisst, entziehen und über Hungertote oder an den Folgeerkrankungen der chronischen Mangelernährung Verstorbene nicht im Einzelnen berichtet wird. Im Übrigen beruhen die Entscheidungen des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (A 1 B 58/06, AuAS 2007, 5, juris) und des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (20 A 5164/04.A, juris) wesentlich auf den wegen des inzwischen ausgelaufenen RANA-Programms nicht mehr aktuellen Bekundungen des Herrn D.. Zwar geht auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof (8 UE 1913/06.A, juris) davon aus, dass ein junger, allein stehender Afghane ohne nennenswertes Vermögen und ohne abgeschlossene Berufsausbildung wahrscheinlich in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kümmerliches Einkommen zu erzielen, damit ein Leben am Rande des Existenzminimums zu finanzieren und sich allmählich wieder in die afghanische Gesellschaft zu integrieren; er räumt aber ein, manche von den Gutachtern mitgeteilte Details sprächen auch für die gegenteilige Schlussfolgerung. Soweit das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (12 B 9.05, juris) für männliche Flüchtlinge mittleren Alters im Falle der Rückkehr nach Afghanistan in der Regel keine extremen allgemeinen Gefahren sieht, lagen der Entscheidung tatsächliche Besonderheiten in der Person des Klägers zugrunde, der aus einer wohlhabenden Familie mit einflussreichen Kontakten auch in Kabul stammte (…). Ebenso wenig vergleichbar sind die Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte (OVG S-H, 2 LB 38/07, juris; OVG B-B, 12 B 11.05, juris), deren abweichende Einschätzung der Gefährdungslage darauf beruht, dass die um Abschiebungsschutz nachsuchenden afghanischen Staatsangehörigen in ein (groß-)familiäres Umfeld zurückkehren konnten.“
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Dieser überzeugenden Einschätzung schließt sich der Senat an. Die seit Ergehen dieses Urteils eingegangenen weiteren Erkenntnismittel belegen die Richtigkeit dieser Einschätzung und zeigen zudem eine weitere Verschärfung der Situation auf.
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bb) Seit Mai 2008 hat sich die Versorgungssituation für Rückkehrer aus Europa ohne Vermögen oder (groß-)familiären Rückhalt in Afghanistan weiter verschlechtert. Auch wenn die Lage in einzelnen Provinzen und Distrikten erhebliche Unterschiede aufweist (Wegweiser zur Geschichte - Afghanistan, 2009 S. 9), befindet sich das Land insgesamt gesehen in einer "Abwärtsspirale" (FAZ vom 07.02.2009). US-Geheimdienste zeichnen ein „äußerst düsteres Bild“ (SZ vom 10.10.2008). Versorgungsengpässe sind an der Tagesordnung, und dies nicht nur in abgelegenen Gebieten oder den Elendsvierteln von Kabul. Die Einwohnerzahl Kabuls explodierte auch aufgrund von Landflucht sowie der massenhaften Rückkehr von Flüchtlingen in den letzten Jahren von circa einer auf nunmehr weit über drei Millionen Menschen (Wegweiser zur Geschichte - Afghanistan, 2009 S. 224). Im neuesten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 03.02.2009 heißt es, Afghanistan durchlebe insbesondere eine Nahrungsmittelkrise. Das Land gelte zwischenzeitlich in Asien als das ärmste. Die Lebensbedingungen seien landesweit schlecht. Seit dem Winter 2007/08 habe sich die Lage mit den weltweit steigenden Nahrungsmittelpreisen, verbunden mit Exportbeschränkungen der Nachbarländer für Weizen und einer Dürre in einigen Landesteilen, noch einmal erheblich verschärft. Eine weitere Verschlechterung im Winter 2008/09 und in der folgenden „mageren Jahreszeit“ im ersten Halbjahr 2009 sei wahrscheinlich. Besonders problematisch sei die Lage in den ländlichen Gebieten, deren Versorgung oftmals sehr schwierig, im Winter überhaupt nicht möglich sei. Aber auch in Kabul und zunehmend in anderen großen Städten sei die Lage nicht wesentlich besser. Wegen sinkender oder ganz fehlender Kaufkraft profitiere von einer seit 2001 zwar grundsätzlich verbesserten Versorgungslage derzeit allenfalls eine kleine Bevölkerungsschicht. Angemessener Wohnraum sei knapp und nur zu hohen Preisen erhältlich. Selbst Kabul habe keine geregelte Stromversorgung. Staatliche soziale Sicherungssysteme seien weiterhin praktisch nicht vorhanden; Korruption sei weit verbreitet, der Verwaltungsapparat sei hoch ineffizient. Die medizinische Versorgung sei immer noch unzureichend. Selbst die Ansiedlung organisiert zurückgeführter Flüchtlinge in vorgesehene „townships“ erfolge etwa wegen fehlender Wasserversorgung und abseitiger Lage unter „schwierigen Rahmenbedingungen“ und gleiche, trotz humanitärer Hilfe von Nichtregierungsorganisationen, teilweise weiterhin einem „Aussetzen in der Wüste“. Der Zugang zu Arbeit, Wasser bzw. Grundversorgung sei häufig nur sehr eingeschränkt möglich. Ohne familiäre oder soziale Netzwerke und ohne notwendige Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse würden Rückkehrer „auf größere Schwierigkeiten“ stoßen. Sie könnten zudem auf übersteigerte Erwartungen ihrer finanziellen Möglichkeiten treffen und mit überhöhten Preisen konfrontiert werden. Von den im Land gebliebenen Landsleuten würden Rückkehrer im Übrigen häufig nicht als vollwertige Afghanen akzeptiert. Hinzu komme, dass die Gefährdung des Einzelnen, zu einem Opfer von Gewalt zu werden, im ganzen Land gegeben sei. Die afghanische Nationalpolizei werde ihrer Aufgabe bei der Durchsetzung von Recht und Gesetz nicht gerecht und gelte wegen Korruption und niedrigem Ausbildungsstand an vielen Orten selbst als Unsicherheitsfaktor. Von der sich verschlechternden Sicherheitslage seien inzwischen fast alle Landesteile betroffen. Auch die Gefahr, Opfer der deutlich zugenommenen Entführungen zwecks Erpressung von Lösegeld zu werden, treffe Rückkehrer, wenn ihnen ausreichende finanzielle Mittel für einen Freikauf unterstellt würden. Ob sich eine Person diesen Gefahren entziehen könne, hänge maßgeblich von dem Grad ihrer familiären, tribalen und sozialen Vernetzung ab.
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Weitere aktuelle Erkenntnisquellen geben kein besseres Bild von der in der Gesamtschau für Rückkehrer ohne Vermögen oder (groß-)familiären Rückhalt katastrophalen Lage: Gemeinhin wird davon ausgegangen, dass die Situation 2009 noch schlechter werde; „so viel Pessimismus war nie“ (Der Spiegel vom 13.10.2008). Die Schere zwischen Reich und Arm klafft immer weiter auseinander. Einerseits lassen sich Drogenbarone und Warlords in Kabul „protzige Villen“ bauen. Andererseits leben immer mehr Menschen in nicht winterfesten Unterkünften, oftmals Ruinen (SFH vom 21.08.2008 u. 26.02.2009), und es müssen nach einer repräsentativen Erhebung von ARD, ABC und BBC zwischenzeitlich über die Hälfte aller Haushalte (54 %) mit weniger als umgerechnet 100 Dollar (ca. 78 EUR) im Monat auskommen. Gerade noch rund ein Drittel der afghanischen Bevölkerung (37 %) gibt an, sich notwendige Lebensmittel leisten zu können. Und nur noch 31 % der Bevölkerung ist in der Lage, den Preis für Heizöl zu bezahlen (dpa-News vom 09.02.2009). Alles sei dramatisch teurer geworden, vor allem Lebensmittel, Brennholz, Benzin, Gas und Baumaterialien (SZ vom 24.10.2008); insbesondere die Lebensmittelpreise sind zwischen Februar 2008 und Februar 2009 um bis zu 130 % gestiegen (SFH vom 26.02.2009) Nach UN-Angaben müssen heute 42 % der Afghanen von weniger als einem Dollar am Tag leben (ai-Pressespiegel 2/2009, S. 46). Die Arbeitslosenrate liege zwischen 32 und 60 Prozent; ein Großteil der arbeitenden Bevölkerung versuche, sich als Tagelöhner zu verdingen (SFH vom 26.02.2009). Überall könne man Armut sehen, etwa Leute, die sich „nur von Wasser, Brot und ein bisschen Tomatenpüree oder allenfalls mal von einem Teller Reis“ ernähren (SZ vom 24.10.2008). Für die große Mehrheit der Afghanen würden Armut, Krankheit, Dürreperioden und interne Konflikte noch größere Bedrohungen darstellen als das Risiko, durch kriegerische oder terroristische Attacken verletzt oder getötet zu werden. Die Richtigkeit dieser Einschätzung illustrieren auch Indikatoren zum Gesundheitszustand der Bevölkerung: So stirbt heute in Afghanistan durchschnittlich alle 30 Minuten eine Frau aufgrund von Komplikationen während Schwangerschaft oder Geburt. Die Hälfte der Kinder bis zum Alter von fünf Jahren gelten als chronisch unterernährt. Lediglich zwei von zehn ländlichen Haushalten verfügen über sauberes Trinkwasser, was wiederum dazu führt, dass 85.000 Kinder im Alter unter fünf Jahren jährlich an den Folgen von Magen- und Darmerkrankungen sterben. Jedenfalls für die Mehrheit der auf dem Land lebenden Afghanen gibt es weder eine medizinische Grundversorgung noch Ernährungssicherheit (Wegweiser zur Geschichte - Afghanistan, 2009 S. 105 f.). Die Lebenserwartung der afghanischen Bevölkerung gehört heute mit 42 Jahren zu den geringsten der Welt (SFH vom 26.02.2009). Zudem verläuft der Wiederaufbau offenbar überall schleppend. Die Korruption habe „atemberaubende Ausmaße“ angenommen. Einer der wenigen funktionierenden Erwerbszweige sei die Drogenökonomie. Afghanistan hat zwischenzeitlich beinahe ein weltweites Monopol für Schlafmohn, aus dem Heroin gewonnen wird (dpa-News vom 29.01.2009). Mit den Erlösen aus Schlafmohnanbau und Drogenhandel füllen nicht nur, aber vor allem die Taliban ihre Kriegskasse (dpa-News vom 13.02.2009). Jeder zehnte Afghane baut nach UN-Berichten oftmals notgedrungen Schlafmohn an; das entspricht rund 2,5 Millionen Menschen. Hinzu kommen noch diejenigen, die Drogen schmuggeln, veredeln und weiterverkaufen. Niemand wage, ihre Zahl zu schätzen. Den Wert ihrer Früchte dagegen schon: Allein die 7,7 Tonnen Rohopium, die 2008 in Afghanistan geerntet wurden (93 % der Weltopiumsproduktion), haben einen Marktwert von 3,5 Milliarden Dollar. Ein Kilo Heroin hat derzeit in Afghanistan den Gegenwert von 30 Maschinengewehren. Täglich starten aus Girdi Jungal und Baramcha schwer bewachte Konvois mit mehreren Hundert Kilo Heroin an Bord Richtung Iran. An der Grenze zu Pakistan wurden Labore zur Veredelung des Rohopiums von fabrikartigen Ausmaßen errichtet, in denen mehrere Hundert Menschen arbeiten sollen. Rund 90% der Ernte wird inzwischen in Afghanistan selbst zu Heroin und Morphiumprodukten verarbeitet (Wegweiser zur Geschichte - Afghanistan, 2009 S. 231). Ein US-Militär brachte die Verbindung zwischen Taliban-Renaissance und Drogenschmuggel lakonisch auf den Punkt: "Drogen raus, Waffen rein." Hochrangige Regierungsvertreter und sogar der Bruder von Präsident Karzai sollen sich nach Ansicht des Weißen Hauses an Drogengeschäften beteiligen (ZEIT-online vom 04.02.2009), weshalb die Bevölkerung Drogenbekämpfungsmaßnahmen als Ausdruck von Doppelmoral ansieht. Vernichtungskampagnen würden vor allem jenen verarmten Bevölkerungsteil treffen, der existenziell auf den Schlafmohnanbau angewiesen sei. Die Nato-Truppen haben dennoch beschlossen, nunmehr aktiv die Drogenproduktion zu bekämpfen; ein durchgreifender Erfolg dieser Aktionen erscheint jedoch außerordentlich fraglich (taz vom 13.10.2008). Die Schwierigkeiten Afghanistans dürften zudem kaum trennbar mit denen Pakistans verbunden sein. Die Problemzone Afghanistan besteht gewissermaßen aus einem Rumpfstaat um Kabul, dessen Aufbau nicht vorankommt, während bei seinem atomar bewaffneten Nachbarn „ein beängstigender Staatszerfall“ stattfindet. Die in der Regierung von Präsident Karzai wütende Korruption habe den Zusammenbruch zentraler Autorität ebenso beschleunigt wie die wachsende Gewalt durch Militante aus Zufluchtsorten in Pakistan (netzwerk-afghanistan.info vom 09.10.2008). Die pakistanische Regierung verliere immer mehr den Zugriff auf ihre nordwestliche Grenzregion. Islamabad hat nun verkündet, man werde dort ein System islamischer Gerichtsbarkeit im Gegenzug für einen Waffenstillstand mit den Taliban akzeptieren (Die Zeit vom 19.02.2009).
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cc) Die ohnehin katastrophale Versorgungssituation in Afghanistan wird zudem durch die inzwischen landesweit schwierige Sicherheitslage verschärft. Die Kämpfe zwischen verschiedenen bewaffneten Gruppen haben tausende Familien gezwungen, in größeren Städten Schutz zu suchen. Zehntausende intern Vertriebene leben in Slums rund um Kabul und Herat. UNHCR schätzte im Januar 2009, dass ca. 235.000 Menschen neu vertrieben wurden (SFH vom 11.03.2009). Auch die Versorgung der ländlichen Gebiete mit Hilfsgütern ist aufgrund der schwierigen Sicherheitslage nur noch eingeschränkt möglich. Die Kosten für eine LKW-Fuhre mit Hilfsgütern von Kabul nach Kandahar etwa haben sich wegen der „Gefahrenzulagen“ von 1.800 Dollar im Frühjahr 2008 auf nunmehr fast 18.000 US-Dollar verzehnfacht (Der Spiegel vom 13.10.2008). Afghanistan ist heute eines der am stärksten verminten Länder der Welt (SFH vom 21.08.2008). Für die internationalen Truppen war 2008 das verlustreichste Jahr seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001. Allein in den ersten acht Monaten des Jahres 2008 hat der Konflikt am Hindukusch nach UN-Angaben mehr als 4.000 Menschen das Leben gekostet, über ein Drittel davon Zivilisten; andere Schätzungen gehen von über 2000 getöteten Zivilisten im letzten Jahr aus (FAZ vom 18.02.2009). Deutschen Soldaten ist es in Kabul verboten, sich zu Fuß oder mit ungepanzerten Fahrzeugen zu bewegen; vom Elend der Flüchtlinge bekommen sie kaum etwas mit (SZ vom 02.09.2008). An eine rein militärische Konfliktlösung glaubt inzwischen offenbar niemand mehr. Präsident Karzai hat den Taliban wiederholt Verhandlungen angeboten, die jedoch abgelehnt wurden, solange ausländische Truppen im Land sind (FR vom 27.02.2009). Im Süden, Osten und Westen konnten die Taliban immer näher an Kabul heranrücken. Sie seien bereits auf 72 % des afghanischen Territoriums „dauerhaft präsent“ (dpa-News vom 10.10.2008). US-Präsident Obama’s angekündigte Offensive und Truppenaufstockungen um mindestens 17.000 weitere Soldaten (Die Welt vom 19.02.2009) bedeuteten noch mehr Kämpfe und Gewalt, denn die Aufständischen seien mächtig wie nie (BNN vom 17.12.2008; FAZ vom 22.12.2008). Aber nicht nur die Taliban, auch kriminelle Banden machen das Land und selbst die Hauptstadt Kabul unsicher (dpa-News vom 29.01.2009). Hinzu kommt, dass die Grenzen zwischen organisierter Kriminalität, ehemaligen Warlords, die ihre Einflussbereiche nun als Gouverneure oder Distriktchefs sichern, bis hin zu Gruppierungen der Taliban oder anderen militanten Kräften fließend verlaufen (Wegweiser zur Geschichte - Afghanistan, 2009 S. 10). Kabul, jahrelang als „letzte sichere Insel im von Gewalt zerrütteten Land am Hindukusch“ bezeichnet, erscheint im Frühjahr 2009 „alles andere als sicher“ (Der Spiegel vom 25.01.2009). Die Zahl der registrierten Bombenanschläge (ca. 2.000) und Entführungen (ca. 300) hat sich laut US-Angaben 2008 etwa verdoppelt (taz vom 30.12.2008). Zudem habe sich zwischenzeitlich eine Art „Entführungsindustrie“ entwickelt, die jeden treffen könne (SZ vom 24.10.2008). Auch das Auswärtige Amt warnt deshalb dringend vor Reisen nach Kabul und Afghanistan. Das Risiko, Opfer einer Entführung zu werden, bestehe landesweit. Auch in der Hauptstadt Kabul könnten Überfälle und Entführungen nicht ausgeschlossen werden; im übrigen Land bestünden teilweise noch deutlich höhere Sicherheitsrisiken. Wer sich dennoch nach Afghanistan begebe, müsse sich der Gefährdung durch terroristisch oder kriminell motivierte Gewaltakte bewusst sein. Trotz Präsenz der Internationalen Schutztruppe ISAF komme es überall zu Attentaten. Die Sicherheitskräfte der Regierung seien nicht in der Lage, Ruhe und Ordnung zu gewährleisten. Zudem sei die medizinische Versorgung, insbesondere die stationäre Behandlungsmöglichkeit, völlig unzureichend und in etlichen Landesteilen nahezu nicht existent bzw. nicht nutzbar (www.auswaertiges-amt.de; Zugriff vom 16.03.2009).
43 
In einer Gesamtgefahrenschau muss vor diesem Hintergrund im konkreten Einzelfall des Klägers eine extreme Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bejaht werden.
III.
44 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 83 b AsylVfG. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein gesetzlicher Zulassungsgrund vorliegt (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Gründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig unter Stellung eines Antrags und unter Bezugnahme auf die ausführliche Begründung des Zulassungsantrags begründete Berufung (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 18.07.2006 - 1 C 15.05 - NVwZ 2006, 1420 m.w.N.) der Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass der Kläger die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (- Aufenthaltsgesetz -) in der Fassung der Änderung durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (- Richtlinienumsetzungsgesetz -, in Kraft seit 28.08.2007, BGBl I 1970) beanspruchen kann. Die Zulässigkeit des so genannten Folgeschutzantrags des Klägers vom 16.05.2007 insbesondere hinsichtlich § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG bedarf keiner Klärung, weil die Beklagte klargestellt hat, dass das Bundesamt das Verfahren im angefochtenen Bescheid - jedenfalls - in Bezug auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG von Amts wegen wiederaufgegriffen und zur Sache entschieden hat.
I.
17 
Das grundsätzlich vorrangige - europarechtlich begründete - Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 c der Qualifikationsrichtlinie 2004/83/EG ist vom Senat im vorliegenden Berufungsverfahren nicht zu prüfen. Zwar ist ein Antrag auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in Bezug auf das Herkunftsland seit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes im Asylprozess sachdienlich dahin auszulegen, dass in erster Linie die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG und hilfsweise die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG begehrt wird (BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 = NVwZ 2008, 1241). Auch war im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in seiner heutigen Fassung bereits in Kraft und der Kläger hatte die Feststellung von Abschiebungsverboten „nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG“ beantragt. Das Verwaltungsgericht hat über das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG jedoch - rechtsirrtümlich - nicht entschieden. Da es nach den Urteilsgründen keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass das Verwaltungsgericht bewusst nur über einen Teil des Streitgegenstandes entscheiden und den Rest einer späteren Entscheidung vorbehalten wollte, liegt kein Teilurteil im Sinne des § 110 VwGO vor. Das Urteil ist vielmehr bezüglich des nicht erwähnten Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG fehlerhaft. Es verstößt gegen § 88 VwGO, weil es über das europarechtliche Abschiebungsverbot rechtsirrtümlich nicht vorrangig entscheidet. Gemäß § 88 VwGO darf das Gericht einerseits nicht über das Klagebegehren hinausgehen, muss dieses andererseits aber erschöpfen. Das Verwaltungsgericht hat die Eigenständigkeit des Streitgegenstands bzw. abtrennbaren Streitgegenstandsteils des § 60 Abs. 7 Satz 2 VwGO, die das Bundesverwaltungsgericht im Übrigen erstmals mit Urteil vom 24.06.2008 (a.a.O.) rechtsgrundsätzlich geklärt hat, nicht erkannt und diesen Streitgegenstandsteil irrtümlich als nicht rechtshängig angesehen. Damit wäre insoweit ein Urteilsergänzungsverfahren nach § 120 VwGO von vorneherein nicht in Betracht gekommen, weil kein „Übergehen“ im Rechtssinne vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.03.1994 - 9 C 529.93 - BVerwGE 95, 269), sondern nur ein Antrag auf Zulassung der Berufung gemäß § 78 Abs. 2 AsylVfG. Der Kläger hat jedoch keinen Zulassungsantrag gestellt und der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung war auf den stattgebenden Teil des angefochtenen Urteils, also das - nationale - Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begrenzt; nur insoweit wurde vom Senat die Berufung zugelassen. Nach dem Verfahrensgrundsatz der Dispositionsmaxime ist der Streitgegenstand des Berufungsverfahrens damit hierauf beschränkt (vgl. §§ 128 Satz 1, 129 VwGO). Mit der rechtskräftigen Abweisung der Klage durch das Verwaltungsgericht im Übrigen ist die Rechtshängigkeit des unbeschieden gebliebenen europarechtlich begründeten Abschiebungsverbots des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG entfallen (ausführlich hierzu: BVerwG, Urteil vom 22.03.1994, a.a.O.). Selbst wenn insoweit von einem Übergehen des Antrags im Sinne des § 120 Abs. 1 VwGO ausgegangen würde, wäre ein Urteilsergänzungsverfahren ausgeschlossen, weil binnen der Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO kein entsprechender Antrag gestellt worden ist.
II.
18 
Im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) besteht zu Gunsten des Klägers ein Abschiebungsverbot hinsichtlich Afghanistans gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Hiernach kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn für ihn dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Das ist beim Kläger aufgrund der in Afghanistan derzeit vorherrschenden katastrophalen Versorgungslage der Fall.
19 
Allerdings sind Gefahren der die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Denn hinsichtlich des Schutzes vor allgemeinen Gefahren im Zielstaat soll Raum sein für ausländerpolitische Entscheidungen, was die Anwendbarkeit von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG insoweit grundsätzlich sperrt und zwar selbst dann, wenn diese Gefahren den einzelnen Ausländer zugleich in konkreter und individualisierbarer Weise betreffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324). Aus diesem Normzweck folgt weiter, dass sich die „Allgemeinheit“ der Gefahr nicht danach bestimmt, ob diese sich auf die Bevölkerung oder bestimmte Bevölkerungsgruppen gleichartig auswirkt, wie das bei Hungersnöten, Seuchen, Bürgerkriegswirren oder Naturkatastrophen der Fall sein kann. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG kann vielmehr auch bei eher diffusen Gefährdungslagen greifen, etwa dann, wenn Gefahren für Leib und Leben aus den allgemein schlechten Lebensverhältnissen (soziale und wirtschaftliche Missstände) im Zielstaat hergeleitet werden. Denn soweit es um den Schutz vor den einer Vielzahl von Personen im Zielstaat drohenden typischen Gefahren solcher Missstände wie etwa Lebensmittelknappheit, Obdachlosigkeit oder gesundheitliche Gefährdungen geht, ist die Notwendigkeit einer politischen Leitentscheidung in gleicher Weise gegeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.07.2001 - 1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1). Für die Personengruppe, der der Kläger angehört, besteht eine solche politische Abschiebestopp-Anordnung gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG in Baden-Württemberg derzeit nicht (mehr), seit mit Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 15.04.2005 (geändert am 01.08.2005, vgl. 21. Fortschreibung vom 23.01.2009, Az.: 4-13-AFG/8) in Umsetzung entsprechender Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder bezüglich der Rückführung afghanischer Staatsangehöriger entschieden wurde, dass „volljährige, allein stehende männliche afghanische Staatsangehörige, die sich zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 24. Juni 2005 noch keine sechs Jahre im Bundesgebiet aufgehalten haben, mit Vorrang zurückzuführen sind“. Im konkreten Einzelfall greift die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG gleichwohl aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht ein.
20 
1. Die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG greift aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht ein, wenn der Ausländer im Zielstaat landesweit einer extrem zugespitzten allgemeinen Gefahr dergestalt ausgesetzt wäre, dass er „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert“ würde (st. Rspr. des BVerwG, s. Urteile vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324 und vom 19.11.1996 - 1 C 6.95 - BVerwGE 102, 249 zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG und Beschluss vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 - juris zu § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Damit sind nicht nur Art und Intensität der drohenden Rechtsgutsverletzungen, sondern auch die Unmittelbarkeit der Gefahr und ihr hoher Wahrscheinlichkeitsgrad angesprochen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.11.1996 - 1 C 9.95 - BVerwGE 102, 249). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau zu ermitteln (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.03.1999 - 9 B 866.98 - juris).
21 
Im Fall einer allgemein schlechten Versorgungslage sind insoweit Besonderheiten zu berücksichtigen. Denn hieraus resultierende Gefährdungen entspringen keinem zielgerichteten Handeln, sondern treffen die Bevölkerung gleichsam schicksalhaft. Sie wirken sich nicht gleichartig und in jeder Hinsicht zwangsläufig aus und setzen sich aus einer Vielzahl verschiedener Risikofaktoren zusammen, denen der Einzelne in ganz unterschiedlicher Weise ausgesetzt ist und denen er gegebenenfalls auch ausweichen kann. Intensität, Konkretheit und zeitliche Nähe der Gefahr können deshalb auch nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände beurteilt werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.11.2002 - A 6 S 967/01 - juris). Um dem Erfordernis des unmittelbaren - zeitlichen - Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung zu entsprechen, kann hinsichtlich einer allgemein schlechten Versorgungslage eine extreme Gefahrensituation zudem nur dann angenommen werden, wenn der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann. Mit dem Begriff „alsbald“ ist dabei einerseits kein nur in unbestimmter zeitlicher Ferne liegender Termin gemeint (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.1998 - 9 C 13.97 - NVwZ 1998, 973). Andererseits setzt die Annahme einer extremen allgemeinen Gefahrenlage nicht voraus, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Ankunft im Abschiebezielstaat, eintreten. Eine extreme Gefahrenlage besteht auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert sein würde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.01.1999 - 9 B 617.98 - InfAuslR 1999, 265).
22 
2. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers gegeben. Denn er gehört zu der Gruppe der beruflich nicht besonders qualifizierten afghanischen Staatsangehörigen, die in ihrer Heimat ohne Rückhalt und Unterstützung durch Familie oder Bekannte sind und dort weder über Grundbesitz noch über nennenswerte Ersparnisse verfügen. Für diese Personengruppe besteht aufgrund der derzeit katastrophalen Versorgungslage bei einer Abschiebung nach Kabul eine extreme Gefahrensituation im dargelegten Sinne (ebenso: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.05.2008 - 6 A 10749/07 - AuAS 2008, 188).
23 
a) Der Kläger wäre bei einer Abschiebung nach Kabul ohne Rückhalt und Unterstützung durch Familie oder Bekannte. In der mündlichen Verhandlung hat er glaubhaft und überzeugend ausgeführt, dass sein Vater und Bruder getötet worden sind, er in seinem Heimatdorf Tschardehi keine Unterstützung erlangen könnte, seine Mutter den Familienbesitz veräußert sowie mit dem Onkel aus Kabul Afghanistan - wohl schon 2005 - verlassen hat und dass seither kein Kontakt mehr zu irgendwelchen Personen in seiner Heimat besteht. Der Senat ist aufgrund des schlüssigen Vortrags des Klägers zudem überzeugt, dass er in Deutschland bisher keine nennenswerten Ersparnisse machen konnte. Der gesamte Vortrag des Klägers ist widerspruchsfrei und fügt sich stimmig in seine dokumentierten Angaben vor dem Bundesamt bei der Erstanhörung am 22.10.2003. Hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Kläger die Unwahrheit sagt, ergeben sich für den Senat nicht.
24 
b) Aufgrund der nachfolgend (aa) bis cc)) im Einzelnen dargelegten Erkenntnisse und Wertungen ist der Senat überzeugt, dass der Kläger ohne Ersparnisse, Grundbesitz und Unterstützung durch Familie oder Bekannte bei einer Abschiebung nach Kabul mangels jeglicher Lebensgrundlage unausweichlich dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert wäre. Im Falle der zur Zeit allenfalls nach Kabul tatsächlich möglichen Abschiebung (vgl. AA, Lagebericht vom 03.02.2009, S. 30) müsste er dort mit hoher Wahrscheinlichkeit zunächst mit einem kriminell motivierten Überfall oder einer Entführung rechnen, weil Rückkehrern aus Europa offenbar häufig der Besitz von finanziellen Mitteln unterstellt wird. Da sich die Sicherheitslage auf den Straßen nach und aus Kabul aufgrund der Bürgerkriegssituation schon seit 2007 deutlich verschlechtert hat, wäre dem Kläger ein Ausweichen in andere Landesteile ohne extreme Gefährdung von Leib und Leben nicht möglich; ohnehin verfügt er dort über keine familiäre, tribale oder soziale Vernetzung. In Kabul würde er ohne finanzielle Mittel keinen Wohnraum finden, weil dieser dort knapp und nur zu hohen Preisen erhältlich ist. Der Kläger, der weder eine Schule noch eine Ausbildung durchlaufen hat und nicht über besondere berufliche Qualifikationen verfügt, hätte in Kabul keine Möglichkeit einer legalen Erwerbstätigkeit. Aufgrund der Nahrungsmittelkrise wäre er darauf verwiesen, sich, wenn überhaupt, dauerhaft ausschließlich von Brot und Tee zu ernähren. Dadurch würde er alsbald und unausweichlich in einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen geraten, weil eine hinreichende medizinische Versorgung in Kabul nicht gegeben ist. Der Kläger würde mithin durch eine Abschiebung nach Kabul mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert. Im Einzelnen:
25 
aa) Zur Einschätzung der Gefahren für Leib und Leben eines afghanischen Staatsangehörigen, der aus Europa ohne Vermögen oder (groß-)familiäre Unterstützung nach Afghanistan zurückkehrt, hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 06.05.2008 - 6 A 10749/07 - (AuAS 2008, 188) unter Auswertung auch vom Senat beigezogener Erkenntnisquellen in einem vergleichbaren Fall ausgeführt:
26 
„aa. Im Falle seiner Abschiebung nach Afghanistan würde der Kläger das zum Leben Notwendige an Nahrungsmitteln nicht aus eigener Kraft sichern können.
27 
(…) Der Kläger würde vielmehr in Kabul mit einem geringen Barbetrag und der „Starthilfe“ des UNHCR, der alle Rückkehrer mit 12 US-Dollar (vgl. Dr. Danesch, Gutachten vom 4. Dezember 2006 an HessVGH und vom 18. Mai 2007 an VG Koblenz; Panhölzl, Humanitäre Lage in Kabul, in: Informationsverbund Asyl e.V., Zur Lage in Afghanistan, 2006, S. 9 ff.) unterstützt, darauf angewiesen sein, sich durch eine kleingewerbliche Tätigkeit oder eine abhängige Beschäftigung den Lebensunterhalt zu verdienen. Das wird ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit weder in Kabul noch in einer Provinz gelingen. Der Sachverständige Rieck, der als Senior Advisor für Arbeitsmarktfragen im Auftrag der International Labour Organisation in Afghanistan tätig war, hat in seinem dem Senat erstatteten Gutachten vom 15. Januar 2008 ausgeführt, auf dem afghanischen Arbeitsmarkt sei die Wahrscheinlichkeit gering, dass an- und ungelernte Arbeitskräfte eine auf Dauer angelegte und den Lebensunterhalt sichernde Erwerbsmöglichkeit finden. Selbst wenn einem Rückkehrer berufliche Bildungsangebote unterbreitet würden, erlange er durch solche in der Regel keine am Arbeitsmarkt verwertbaren beruflichen Kenntnisse. Fachkräfte aus Handwerksberufen könnten jedoch häufig in Arbeit vermittelt werden. Die Rekrutierung von Arbeitskräften sei so stark von persönlichen Beziehungen geprägt, dass private und öffentliche Arbeitgeber Medien oder Arbeitsvermittlungsbüros erst dann einschalteten, wenn das persönliche Beziehungsgeflecht bei der Stellenbesetzung nicht zum Erfolg geführt habe. Bestätigt wird diese Einschätzung durch die gutachterliche Stellungnahme vom 31. Januar 2008, die Dr. Glatzer dem Senat gegenüber abgegeben hat. Danach sind für alleinstehende, arbeitsfähige, männliche Afghanen, die unfreiwillig aus Deutschland nach Kabul zurückkehren und dort nicht mit der Hilfe von Verwandten oder Bekannten bei ihrer Wiedereingliederung rechnen können, legale Erwerbsmöglichkeiten – wenn man die Faktoren Zufall oder Glück außer Acht lässt – kaum gegeben, wenn diese Personen nicht über besondere professionelle Qualifikationen verfügen. Die Arbeitsmarktsituation in den Provinzen sei deutlich ungünstiger als in Kabul. Afghanistan leide unter einer Arbeitslosigkeit von ca. 65 v. H. der arbeitsfähigen Bevölkerung, wobei der Bedarf an ungelernten Arbeitern wegen der sich verschlechternden Sicherheitslage eher zurückgehe. Selbst in Boomzeiten gebe es viel mehr Arbeitswillige als Arbeitsplätze, um die hart und rücksichtslos gekämpft werde. Dr. Danesch (Gutachten vom 18. Mai 2007 an VG Koblenz und vom 24. August 2007) spricht von einer Arbeitslosigkeit im Umfang von 70 bis 80 v. H. der afghanischen Männer. Panhölzl (Humanitäre Lage in Kabul, a.a.O. S. 13) referiert eine Studie der Afghanistan Research and Evaluation Unit (AREU) vom April 2006, derzufolge von den befragten armen und armutsgefährdeten Haushalten ein Viertel der Arbeitskräfte maximal 54 Tage im Jahr Zugang zu Arbeit, die Hälfte 131 Tage oder weniger und nur 25 v. H. für 193 und mehr Tage im Jahr eine Arbeitsmöglichkeit hatten. Als Rückkehrer ohne persönliche Bindungen oder Beziehungen und ohne verwertbare berufliche Qualifikation müsste der Kläger der erstgenannten Gruppe zugerechnet werden, also in jeder Woche durchschnittlich für einen Tag eine Aushilfstätigkeit finden, was ihm einen wöchentlichen Durchschnittsverdienst von ca. einem bis zwei US-Dollar verschaffen würde (Dr. Danesch, Gutachten vom 18. Mai 2007 an VG Koblenz und vom 24. August 2007; Panhölzl, Humanitäre Lage in Kabul, a.a.O.). Ein selbständiges Kleingewerbe als Schuhputzer (vgl. Rieck, Gutachten vom 15. Januar 2008) bzw. Karrenzieher oder Straßenverkäufer verspricht keine gegenüber der abhängigen Beschäftigung besseren Erwerbsmöglichkeiten (Panhölzl, Humanitäre Lage in Kabul, a.a.O. S. 13) (…)
28 
Unter diesen wirtschaftlichen Verhältnissen würden dem Kläger ausschließlich Tee und Brot als Nahrungsmittel zur Verfügung stehen. Er würde zu der Hälfte der Bevölkerung Kabuls gehören, die sich - wie dem Schriftsatz der Beklagten vom 26. Februar 2008 im Verfahren 6 A 10230/08.OVG entnommen werden kann, der insoweit auf Erkenntnisse der Hilfsorganisation „Action contre la faim“ Bezug nimmt – nur von Tee und Brot ernähren und dafür den größten Teil ihres Einkommens verwenden muss. Auch das Auswärtige Amt erwähnt in seinem Lagebericht vom 7. März 2008, dass fast ein Viertel aller Haushalte in Afghanistan die Grundversorgung an Nahrungsmitteln nicht selbständig sichern kann. Dem Gutachten Dr. Daneschs vom 18. Mai 2007 (an VG Koblenz) zufolge leiden 8,9 v. H. der Kabuler Bevölkerung unter akuter Unterernährung. Auf seiner Homepage (www.auswaertiges-amt.de) bezeichnet das Auswärtige Amt die Nahrungmittelunsicherheit, chronische Mangelernährung, fehlenden Zugang zu sauberem Trinkwasser und Mangel an medizinischer Versorgung als die humanitären Hauptprobleme Afghanistans; der Anstieg der Weizenpreise im Laufe des Jahres 2007 um durchschnittlich 60 Prozent habe die Versorgungslage der besonders bedürftigen Bevölkerungsschichten wie Flüchtlinge und Binnenvertriebene sowie werdender Mütter und Kinder weiter verschlechtert.
29 
bb. Diese Versorgungssituation wird auch nicht durch Unterstützungsmaßnahmen der afghanischen Regierung oder internationaler Organisationen in wesentlichem Umfang verbessert (vgl. auch HessVGH, 8 UE 1913/06.A., juris; OVG B-B, 12 B 9.05, juris). Staatliche soziale Sicherungssysteme sind nicht vorhanden; vielmehr übernehmen Familien und Stammesverbände die soziale Absicherung (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008). Deshalb stoßen nach diesem Lagebericht Rückkehrer, die außerhalb des Familienverbands oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren, wenn ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die notwendigen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen.
30 
Zwar erwähnt der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008, dass die Vereinten Nationen Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern versorgen und sich die Versorgungslage in Kabul grundsätzlich verbessert habe, schränkt dies aber insoweit ein, als mangels Kaufkraft längst nicht alle Bevölkerungsschichten davon profitierten. Darüber hinaus weist das Auswärtige Amt in diesem Lagebericht auf die Schwierigkeiten humanitärer Nothilfeleistungen infolge schlecht ausgebauter Verkehrswege, widriger Witterungsverhältnisse und wegen Sicherheitsproblemen hin. Dass die Vereinten Nationen Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern (in einem nicht näher bezeichneten Umfang) versorgen, erklärt sich ohne Weiteres aus der eine solche Verantwortlichkeit begründenden Hilfe, die der UNHCR bei der Rückkehr von ca. vier Millionen Afghanen aus Pakistan und dem Iran geleistet hat und die zu einem guten Teil auf den verstärkten „Rückführungsbemühungen“ der pakistanischen und der iranischen Regierung beruhen (vgl. hierzu Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008). Nach der Auskunft, die amnesty international dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof unter dem 17. Januar 2007 erteilt hat, kann die Versorgung der bedürftigen Bevölkerung angesichts der enorm großen Zahl von Rückkehrern und der prekären Sicherheitslage nicht durch Angebote internationaler Hilfsorganisationen aufgefangen werden, zumal viele dieser Organisationen ihre Aktivitäten aufgrund von Sicherheitsbedenken immer stärker einschränken müssten. Dr. Glatzer teilt diese Einschätzung in seinem Gutachten vom 31. Januar 2008. Auch das Auswärtige Amt (Lagebericht vom 7. März 2008) bestätigt, dass sich die Sicherheitslage für Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen durch regelmäßige Anschläge seit dem Jahr 2006 und durch Entführungen verschlechtert und sich das subjektive Unsicherheitsgefühl in den Reihen der internationalen Gemeinschaft seit dem Anschlag vom 24. Januar 2008 auf das Hotel Kabul Serena erheblich verstärkt habe. Dass internationale Hilfsorganisationen nicht einmal eine notdürftige Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung Kabuls sicherstellen, ist den Gutachten Dr. Daneschs vom 18. Mai 2007 (an VG Koblenz) und vom 24. August 2007 zu entnehmen. Danach gibt es keine Grundversorgung der Flüchtlinge durch internationale Hilfsorganisationen in Kabul. Die Lebensbedingungen der Kabuler hätten sich seit dem Jahre 2001 drastisch verschlechtert. Tag für Tag verhungerten in Kabul Menschen, nach denen in Afghanistan "kein Hahn kräht". Konkrete Zahlen über Todesfälle unter der armen Bevölkerung ließen sich in einem Land, in dem es keine Meldepflicht gebe, nicht erlangen, da sie nicht aktenkundig würden. Außerdem sei unter den afghanischen Verhältnissen die Grenze fließend zwischen regelrechtem Verhungern und Erkrankungen, die aufgrund von Mangelernährung, katastrophaler Hygiene, Kälte bzw. fehlender ärztlicher Behandlung tödlich verliefen. Allein in den drei von der „Action contre la faim“ betreuten Krankenhäusern stürben täglich zwischen fünf und sieben Personen allein wegen Unterernährung, obwohl diese zu den „wenigen Glücklichen“ gehörten, die überhaupt in ein Krankenhaus kämen. Menschen, die Mangelernährung und Krankheiten erlägen, würden ohne viel Umstände verscharrt. Die durch das jahrelange Elend abgestumpfte Bevölkerung nehme solche Todesfälle oft fatalistisch hin.
31 
cc. Auch die Möglichkeiten, eine winterfeste Unterkunft zu erlangen, sind für einen mittellosen Rückkehrer, der nicht auf (groß-)familiäre Hilfe zurückgreifen kann, minimal. Der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008 führt hierzu aus, die Wohnraumversorgung sei unzureichend; Wohnraum sei knapp und die Preise in Kabul seien hoch. Freiwillig zu ihren Angehörigen zurückkehrende Afghanen strapazierten die nur sehr knappen Ressourcen an Wohnraum und Versorgung weiter. Eine zunehmende Zahl von Rückkehrern verfüge zudem nicht mehr über solche Anschlussmöglichkeiten. Bemühungen des Flüchtlingshilfswerks UNHCR und anderer Einrichtungen um die Errichtung von Unterkünften hätten nur geringe Wirkung gehabt. Das afghanische Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer beabsichtige, Rückkehrer in Neubausiedlungen unterzubringen, von denen ein Großteil für eine dauerhafte Ansiedlung ungeeignet sei, so dass von einem „Aussetzen in der Wüste“ gesprochen werden könne. Nichtregierungsorganisationen leisteten hier humanitäre Hilfe. Von dem „Auffangwohnheim“ auf dem Gelände des Flüchtlingsministeriums, das das Auswärtige Amt in seiner Auskunft vom 29. Mai 2007 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof erwähnt und in dem Rückkehrer für eine Übergangszeit Unterkunft finden konnten, ist im Lagebericht vom 7. März 2008 nicht (mehr) die Rede.
32 
Dr. Danesch (Gutachten vom 18. Mai 2007 an VG Koblenz und vom 24. August 2007) berichtet, dass ein einfaches Zimmer bis zu 20 US-Dollar im Monat koste. Dafür erhalte man eine Unterkunft in weitab vom Zentrum gelegenen Außenbezirken, wo es oft nicht die geringste Infrastruktur gebe. Erschwinglicher Wohnraum außerhalb der Flüchtlingslager existiere für Rückkehrer nicht.
33 
Nach der Auskunft, die amnesty international dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof unter dem 17. Januar 2007 erteilte, hat der enorme Bevölkerungszuwachs in Kabul einen akuten Mangel an Wohnraum verursacht, so dass sich große Slumviertel gebildet hätten. Viele Menschen lebten in Ruinen. Nach Schätzungen der Caritas verfüge etwa eine Million Menschen in Kabul weder über ausreichenden und winterfesten Wohnraum noch über regelmäßiges Trinkwasser. Die hygienischen Verhältnisse in den Armenvierteln seien katastrophal.
34 
Das Rückkehrerprogramm "Return, Reception and Reintegration of Afghan Nationals to Afghanistan (RANA)" ist nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 29. Mai 2007 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof Ende April 2007 ausgelaufen, so dass auf die Darlegungen von Herrn D…, der während einer Beurlaubung als Beamter der Beklagten im Rahmen des RANA-Programms in Kabul bis zum 22. Mai 2006 tätig war und wegen dieser Tätigkeit von dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 24. März 2006 als sachverständiger Zeuge vernommen worden ist, nicht eingegangen werden muss.
35 
dd. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die medizinische Versorgung selbst in Kabul völlig unzureichend ist (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008). Amnesty international berichtet dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof unter dem 17. Januar 2007, dass viele Menschen wegen der desolaten Verhältnisse im Gesundheitswesen unter Infektionskrankheiten, Tuberkulose etc. litten. Eine Behandlung sei in der Regel nicht möglich, weil die Gesundheitsversorgung in Afghanistan unzulänglich sei. Während es auf dem Land oft überhaupt keine Versorgung gebe, sei es in Kabul, wo einige Krankenhäuser vorhanden seien, meist nur über Beziehungen oder gegen Bestechung möglich, auch tatsächlich behandelt zu werden. Diese Situation erkläre die geringe Lebenserwartung und eine der weltweit höchsten Kindersterblichkeitsraten. Auch Panhölzl (Humanitäre Lage in Kabul, a.a.O.) referiert, dass die Kosten für einen Arztbesuch fast den Tageslohn eines einfachen Arbeiters – Transportkosten nicht inbegriffen – ausmachen; die Mehrheit der Ärzte in öffentlichen Krankenhäusern betrieben nebenbei private Kliniken und verwiesen die Patienten in diese, was sich die Ärmeren aber nicht leisten könnten.
36 
ee. Ist mithin davon auszugehen, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr nur eine notdürftige und nicht winterfeste Unterkunft finden würde, nahezu ohne medizinische Versorgung unter hygienisch völlig unzureichenden Verhältnissen leben müsste und darauf verwiesen wäre, sich ausschließlich von Brot und Tee zu ernähren, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass er durch seine Abschiebung nach Afghanistan zwangsläufig in einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen geraten würde. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den in sich schlüssigen ernährungsmedizinischen Ausführungen der Sachverständigen Dr. med. T.. Danach führt eine erzwungene Mangelernährung, die aus Brot und Tee besteht, selbst bei ausreichender Kalorienzufuhr, d.h. einer Menge von 1.000g bis 1.500g Weißbrot pro Tag, zu einem verstärkten Abbau von Eiweiß und Fett und insbesondere zu einem Eisenmangel. Die dadurch bedingte Beeinträchtigung der Sauerstoffversorgung habe erhebliche Auswirkungen auf das Gehirn und das Herz und schwäche die Körperimmunabwehr. Dies wiederum könne zu Organschäden am Herzen bis hin zum Herzinfarkt führen. Die Schwächung der Immunabwehr führe in der Regel spätestens nach sechs Monaten zum Ausbruch der Eisenmangelanämie. Die genannten Symptome träten unter den in Afghanistan herrschenden Lebensbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit noch früher ein, zumal bei einem Rückkehrer nach einem fünf Jahre langen Aufenthalt in Deutschland wegen der erheblichen Klimaumstellungen mit schwerwiegenden Infektionen der Atmungs- und Verdauungsorgane bis hin zur Tuberkulose gerechnet werden müsse. Unter den im Winter in Afghanistan gegebenen Klimabedingungen bestehe die Gefahr von Lungeninfekten. Sie könnten insbesondere dann zum Tod führen, wenn der Organismus bereits zuvor durch Eisenmangel und andere Infekte geschwächt sei. Bei einer Rückkehr nach Kabul im Sommer sei mit Darminfektionen zu rechnen. Unter diesen Umständen könnten bis zu zwei Durchfallerkrankungen möglicherweise ohne große Schäden überwunden werden. Ab der dritten entsprechenden Erkrankung müsse dann aber mit lebensbedrohlichen Entwicklungen gerechnet werden. Eine Anpassung des Körpers im Sinne einer zunehmenden Immunität sei in diesen Fällen ausgeschlossen. Insbesondere im Sommer komme es darüber hinaus auch durch das Trinken von nicht abgekochtem Wasser zu gesundheitlichen Schäden.
37 
Aus diesen sachverständigen Ausführungen ergibt sich, dass vergleichsweise junge Männer, die in gutem Ernährungs- und Gesundheitszustand aus Europa nach Kabul zurückkehren, nicht etwa über körperliche „Reserven“ verfügen, die ihnen ein Überleben auf längere Sicht erleichtern. Vielmehr erweist sich die über mehrere Jahre vollzogene Anpassung an die in Europa herrschenden klimatischen und hygienischen Bedingungen als Nachteil beispielsweise gegenüber afghanischen Rückkehrern aus Pakistan oder dem Iran. Insbesondere die dadurch erhöhte Infektanfälligkeit wird in Verbindung mit dem ernährungsbedingten Eisenmangel zu schwerwiegenden Infektionen der Atmungs- und Verdauungsorgane führen und mit hoher Wahrscheinlichkeit einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen auslösen.
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Diese schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen reichen aus, um eine zwangsweise Rückkehr als unzumutbar erscheinen zu lassen, auch wenn sehr viele Afghanen in der beschriebenen Weise unterhalb des Existenzminimums „dahinvegetieren“ und keine Berichte über eine Hungersnot in Kabul vorliegen, wie das Sächsische Oberverwaltungsgericht (A 1 B 58/06, AuAS 2007, 5, juris) bemerkt. Gerade den bereits zitierten Ausführungen Dr. Daneschs vom 18. Mai 2007 (an VG Koblenz) und vom 24. August 2007 ist zu entnehmen, aus welchen Gründen sich Angaben über diese Zustände einer „weiteren Präzisierung“, die das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (20 A 5164/04.A, juris) vermisst, entziehen und über Hungertote oder an den Folgeerkrankungen der chronischen Mangelernährung Verstorbene nicht im Einzelnen berichtet wird. Im Übrigen beruhen die Entscheidungen des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (A 1 B 58/06, AuAS 2007, 5, juris) und des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (20 A 5164/04.A, juris) wesentlich auf den wegen des inzwischen ausgelaufenen RANA-Programms nicht mehr aktuellen Bekundungen des Herrn D.. Zwar geht auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof (8 UE 1913/06.A, juris) davon aus, dass ein junger, allein stehender Afghane ohne nennenswertes Vermögen und ohne abgeschlossene Berufsausbildung wahrscheinlich in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kümmerliches Einkommen zu erzielen, damit ein Leben am Rande des Existenzminimums zu finanzieren und sich allmählich wieder in die afghanische Gesellschaft zu integrieren; er räumt aber ein, manche von den Gutachtern mitgeteilte Details sprächen auch für die gegenteilige Schlussfolgerung. Soweit das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (12 B 9.05, juris) für männliche Flüchtlinge mittleren Alters im Falle der Rückkehr nach Afghanistan in der Regel keine extremen allgemeinen Gefahren sieht, lagen der Entscheidung tatsächliche Besonderheiten in der Person des Klägers zugrunde, der aus einer wohlhabenden Familie mit einflussreichen Kontakten auch in Kabul stammte (…). Ebenso wenig vergleichbar sind die Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte (OVG S-H, 2 LB 38/07, juris; OVG B-B, 12 B 11.05, juris), deren abweichende Einschätzung der Gefährdungslage darauf beruht, dass die um Abschiebungsschutz nachsuchenden afghanischen Staatsangehörigen in ein (groß-)familiäres Umfeld zurückkehren konnten.“
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Dieser überzeugenden Einschätzung schließt sich der Senat an. Die seit Ergehen dieses Urteils eingegangenen weiteren Erkenntnismittel belegen die Richtigkeit dieser Einschätzung und zeigen zudem eine weitere Verschärfung der Situation auf.
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bb) Seit Mai 2008 hat sich die Versorgungssituation für Rückkehrer aus Europa ohne Vermögen oder (groß-)familiären Rückhalt in Afghanistan weiter verschlechtert. Auch wenn die Lage in einzelnen Provinzen und Distrikten erhebliche Unterschiede aufweist (Wegweiser zur Geschichte - Afghanistan, 2009 S. 9), befindet sich das Land insgesamt gesehen in einer "Abwärtsspirale" (FAZ vom 07.02.2009). US-Geheimdienste zeichnen ein „äußerst düsteres Bild“ (SZ vom 10.10.2008). Versorgungsengpässe sind an der Tagesordnung, und dies nicht nur in abgelegenen Gebieten oder den Elendsvierteln von Kabul. Die Einwohnerzahl Kabuls explodierte auch aufgrund von Landflucht sowie der massenhaften Rückkehr von Flüchtlingen in den letzten Jahren von circa einer auf nunmehr weit über drei Millionen Menschen (Wegweiser zur Geschichte - Afghanistan, 2009 S. 224). Im neuesten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 03.02.2009 heißt es, Afghanistan durchlebe insbesondere eine Nahrungsmittelkrise. Das Land gelte zwischenzeitlich in Asien als das ärmste. Die Lebensbedingungen seien landesweit schlecht. Seit dem Winter 2007/08 habe sich die Lage mit den weltweit steigenden Nahrungsmittelpreisen, verbunden mit Exportbeschränkungen der Nachbarländer für Weizen und einer Dürre in einigen Landesteilen, noch einmal erheblich verschärft. Eine weitere Verschlechterung im Winter 2008/09 und in der folgenden „mageren Jahreszeit“ im ersten Halbjahr 2009 sei wahrscheinlich. Besonders problematisch sei die Lage in den ländlichen Gebieten, deren Versorgung oftmals sehr schwierig, im Winter überhaupt nicht möglich sei. Aber auch in Kabul und zunehmend in anderen großen Städten sei die Lage nicht wesentlich besser. Wegen sinkender oder ganz fehlender Kaufkraft profitiere von einer seit 2001 zwar grundsätzlich verbesserten Versorgungslage derzeit allenfalls eine kleine Bevölkerungsschicht. Angemessener Wohnraum sei knapp und nur zu hohen Preisen erhältlich. Selbst Kabul habe keine geregelte Stromversorgung. Staatliche soziale Sicherungssysteme seien weiterhin praktisch nicht vorhanden; Korruption sei weit verbreitet, der Verwaltungsapparat sei hoch ineffizient. Die medizinische Versorgung sei immer noch unzureichend. Selbst die Ansiedlung organisiert zurückgeführter Flüchtlinge in vorgesehene „townships“ erfolge etwa wegen fehlender Wasserversorgung und abseitiger Lage unter „schwierigen Rahmenbedingungen“ und gleiche, trotz humanitärer Hilfe von Nichtregierungsorganisationen, teilweise weiterhin einem „Aussetzen in der Wüste“. Der Zugang zu Arbeit, Wasser bzw. Grundversorgung sei häufig nur sehr eingeschränkt möglich. Ohne familiäre oder soziale Netzwerke und ohne notwendige Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse würden Rückkehrer „auf größere Schwierigkeiten“ stoßen. Sie könnten zudem auf übersteigerte Erwartungen ihrer finanziellen Möglichkeiten treffen und mit überhöhten Preisen konfrontiert werden. Von den im Land gebliebenen Landsleuten würden Rückkehrer im Übrigen häufig nicht als vollwertige Afghanen akzeptiert. Hinzu komme, dass die Gefährdung des Einzelnen, zu einem Opfer von Gewalt zu werden, im ganzen Land gegeben sei. Die afghanische Nationalpolizei werde ihrer Aufgabe bei der Durchsetzung von Recht und Gesetz nicht gerecht und gelte wegen Korruption und niedrigem Ausbildungsstand an vielen Orten selbst als Unsicherheitsfaktor. Von der sich verschlechternden Sicherheitslage seien inzwischen fast alle Landesteile betroffen. Auch die Gefahr, Opfer der deutlich zugenommenen Entführungen zwecks Erpressung von Lösegeld zu werden, treffe Rückkehrer, wenn ihnen ausreichende finanzielle Mittel für einen Freikauf unterstellt würden. Ob sich eine Person diesen Gefahren entziehen könne, hänge maßgeblich von dem Grad ihrer familiären, tribalen und sozialen Vernetzung ab.
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Weitere aktuelle Erkenntnisquellen geben kein besseres Bild von der in der Gesamtschau für Rückkehrer ohne Vermögen oder (groß-)familiären Rückhalt katastrophalen Lage: Gemeinhin wird davon ausgegangen, dass die Situation 2009 noch schlechter werde; „so viel Pessimismus war nie“ (Der Spiegel vom 13.10.2008). Die Schere zwischen Reich und Arm klafft immer weiter auseinander. Einerseits lassen sich Drogenbarone und Warlords in Kabul „protzige Villen“ bauen. Andererseits leben immer mehr Menschen in nicht winterfesten Unterkünften, oftmals Ruinen (SFH vom 21.08.2008 u. 26.02.2009), und es müssen nach einer repräsentativen Erhebung von ARD, ABC und BBC zwischenzeitlich über die Hälfte aller Haushalte (54 %) mit weniger als umgerechnet 100 Dollar (ca. 78 EUR) im Monat auskommen. Gerade noch rund ein Drittel der afghanischen Bevölkerung (37 %) gibt an, sich notwendige Lebensmittel leisten zu können. Und nur noch 31 % der Bevölkerung ist in der Lage, den Preis für Heizöl zu bezahlen (dpa-News vom 09.02.2009). Alles sei dramatisch teurer geworden, vor allem Lebensmittel, Brennholz, Benzin, Gas und Baumaterialien (SZ vom 24.10.2008); insbesondere die Lebensmittelpreise sind zwischen Februar 2008 und Februar 2009 um bis zu 130 % gestiegen (SFH vom 26.02.2009) Nach UN-Angaben müssen heute 42 % der Afghanen von weniger als einem Dollar am Tag leben (ai-Pressespiegel 2/2009, S. 46). Die Arbeitslosenrate liege zwischen 32 und 60 Prozent; ein Großteil der arbeitenden Bevölkerung versuche, sich als Tagelöhner zu verdingen (SFH vom 26.02.2009). Überall könne man Armut sehen, etwa Leute, die sich „nur von Wasser, Brot und ein bisschen Tomatenpüree oder allenfalls mal von einem Teller Reis“ ernähren (SZ vom 24.10.2008). Für die große Mehrheit der Afghanen würden Armut, Krankheit, Dürreperioden und interne Konflikte noch größere Bedrohungen darstellen als das Risiko, durch kriegerische oder terroristische Attacken verletzt oder getötet zu werden. Die Richtigkeit dieser Einschätzung illustrieren auch Indikatoren zum Gesundheitszustand der Bevölkerung: So stirbt heute in Afghanistan durchschnittlich alle 30 Minuten eine Frau aufgrund von Komplikationen während Schwangerschaft oder Geburt. Die Hälfte der Kinder bis zum Alter von fünf Jahren gelten als chronisch unterernährt. Lediglich zwei von zehn ländlichen Haushalten verfügen über sauberes Trinkwasser, was wiederum dazu führt, dass 85.000 Kinder im Alter unter fünf Jahren jährlich an den Folgen von Magen- und Darmerkrankungen sterben. Jedenfalls für die Mehrheit der auf dem Land lebenden Afghanen gibt es weder eine medizinische Grundversorgung noch Ernährungssicherheit (Wegweiser zur Geschichte - Afghanistan, 2009 S. 105 f.). Die Lebenserwartung der afghanischen Bevölkerung gehört heute mit 42 Jahren zu den geringsten der Welt (SFH vom 26.02.2009). Zudem verläuft der Wiederaufbau offenbar überall schleppend. Die Korruption habe „atemberaubende Ausmaße“ angenommen. Einer der wenigen funktionierenden Erwerbszweige sei die Drogenökonomie. Afghanistan hat zwischenzeitlich beinahe ein weltweites Monopol für Schlafmohn, aus dem Heroin gewonnen wird (dpa-News vom 29.01.2009). Mit den Erlösen aus Schlafmohnanbau und Drogenhandel füllen nicht nur, aber vor allem die Taliban ihre Kriegskasse (dpa-News vom 13.02.2009). Jeder zehnte Afghane baut nach UN-Berichten oftmals notgedrungen Schlafmohn an; das entspricht rund 2,5 Millionen Menschen. Hinzu kommen noch diejenigen, die Drogen schmuggeln, veredeln und weiterverkaufen. Niemand wage, ihre Zahl zu schätzen. Den Wert ihrer Früchte dagegen schon: Allein die 7,7 Tonnen Rohopium, die 2008 in Afghanistan geerntet wurden (93 % der Weltopiumsproduktion), haben einen Marktwert von 3,5 Milliarden Dollar. Ein Kilo Heroin hat derzeit in Afghanistan den Gegenwert von 30 Maschinengewehren. Täglich starten aus Girdi Jungal und Baramcha schwer bewachte Konvois mit mehreren Hundert Kilo Heroin an Bord Richtung Iran. An der Grenze zu Pakistan wurden Labore zur Veredelung des Rohopiums von fabrikartigen Ausmaßen errichtet, in denen mehrere Hundert Menschen arbeiten sollen. Rund 90% der Ernte wird inzwischen in Afghanistan selbst zu Heroin und Morphiumprodukten verarbeitet (Wegweiser zur Geschichte - Afghanistan, 2009 S. 231). Ein US-Militär brachte die Verbindung zwischen Taliban-Renaissance und Drogenschmuggel lakonisch auf den Punkt: "Drogen raus, Waffen rein." Hochrangige Regierungsvertreter und sogar der Bruder von Präsident Karzai sollen sich nach Ansicht des Weißen Hauses an Drogengeschäften beteiligen (ZEIT-online vom 04.02.2009), weshalb die Bevölkerung Drogenbekämpfungsmaßnahmen als Ausdruck von Doppelmoral ansieht. Vernichtungskampagnen würden vor allem jenen verarmten Bevölkerungsteil treffen, der existenziell auf den Schlafmohnanbau angewiesen sei. Die Nato-Truppen haben dennoch beschlossen, nunmehr aktiv die Drogenproduktion zu bekämpfen; ein durchgreifender Erfolg dieser Aktionen erscheint jedoch außerordentlich fraglich (taz vom 13.10.2008). Die Schwierigkeiten Afghanistans dürften zudem kaum trennbar mit denen Pakistans verbunden sein. Die Problemzone Afghanistan besteht gewissermaßen aus einem Rumpfstaat um Kabul, dessen Aufbau nicht vorankommt, während bei seinem atomar bewaffneten Nachbarn „ein beängstigender Staatszerfall“ stattfindet. Die in der Regierung von Präsident Karzai wütende Korruption habe den Zusammenbruch zentraler Autorität ebenso beschleunigt wie die wachsende Gewalt durch Militante aus Zufluchtsorten in Pakistan (netzwerk-afghanistan.info vom 09.10.2008). Die pakistanische Regierung verliere immer mehr den Zugriff auf ihre nordwestliche Grenzregion. Islamabad hat nun verkündet, man werde dort ein System islamischer Gerichtsbarkeit im Gegenzug für einen Waffenstillstand mit den Taliban akzeptieren (Die Zeit vom 19.02.2009).
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cc) Die ohnehin katastrophale Versorgungssituation in Afghanistan wird zudem durch die inzwischen landesweit schwierige Sicherheitslage verschärft. Die Kämpfe zwischen verschiedenen bewaffneten Gruppen haben tausende Familien gezwungen, in größeren Städten Schutz zu suchen. Zehntausende intern Vertriebene leben in Slums rund um Kabul und Herat. UNHCR schätzte im Januar 2009, dass ca. 235.000 Menschen neu vertrieben wurden (SFH vom 11.03.2009). Auch die Versorgung der ländlichen Gebiete mit Hilfsgütern ist aufgrund der schwierigen Sicherheitslage nur noch eingeschränkt möglich. Die Kosten für eine LKW-Fuhre mit Hilfsgütern von Kabul nach Kandahar etwa haben sich wegen der „Gefahrenzulagen“ von 1.800 Dollar im Frühjahr 2008 auf nunmehr fast 18.000 US-Dollar verzehnfacht (Der Spiegel vom 13.10.2008). Afghanistan ist heute eines der am stärksten verminten Länder der Welt (SFH vom 21.08.2008). Für die internationalen Truppen war 2008 das verlustreichste Jahr seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001. Allein in den ersten acht Monaten des Jahres 2008 hat der Konflikt am Hindukusch nach UN-Angaben mehr als 4.000 Menschen das Leben gekostet, über ein Drittel davon Zivilisten; andere Schätzungen gehen von über 2000 getöteten Zivilisten im letzten Jahr aus (FAZ vom 18.02.2009). Deutschen Soldaten ist es in Kabul verboten, sich zu Fuß oder mit ungepanzerten Fahrzeugen zu bewegen; vom Elend der Flüchtlinge bekommen sie kaum etwas mit (SZ vom 02.09.2008). An eine rein militärische Konfliktlösung glaubt inzwischen offenbar niemand mehr. Präsident Karzai hat den Taliban wiederholt Verhandlungen angeboten, die jedoch abgelehnt wurden, solange ausländische Truppen im Land sind (FR vom 27.02.2009). Im Süden, Osten und Westen konnten die Taliban immer näher an Kabul heranrücken. Sie seien bereits auf 72 % des afghanischen Territoriums „dauerhaft präsent“ (dpa-News vom 10.10.2008). US-Präsident Obama’s angekündigte Offensive und Truppenaufstockungen um mindestens 17.000 weitere Soldaten (Die Welt vom 19.02.2009) bedeuteten noch mehr Kämpfe und Gewalt, denn die Aufständischen seien mächtig wie nie (BNN vom 17.12.2008; FAZ vom 22.12.2008). Aber nicht nur die Taliban, auch kriminelle Banden machen das Land und selbst die Hauptstadt Kabul unsicher (dpa-News vom 29.01.2009). Hinzu kommt, dass die Grenzen zwischen organisierter Kriminalität, ehemaligen Warlords, die ihre Einflussbereiche nun als Gouverneure oder Distriktchefs sichern, bis hin zu Gruppierungen der Taliban oder anderen militanten Kräften fließend verlaufen (Wegweiser zur Geschichte - Afghanistan, 2009 S. 10). Kabul, jahrelang als „letzte sichere Insel im von Gewalt zerrütteten Land am Hindukusch“ bezeichnet, erscheint im Frühjahr 2009 „alles andere als sicher“ (Der Spiegel vom 25.01.2009). Die Zahl der registrierten Bombenanschläge (ca. 2.000) und Entführungen (ca. 300) hat sich laut US-Angaben 2008 etwa verdoppelt (taz vom 30.12.2008). Zudem habe sich zwischenzeitlich eine Art „Entführungsindustrie“ entwickelt, die jeden treffen könne (SZ vom 24.10.2008). Auch das Auswärtige Amt warnt deshalb dringend vor Reisen nach Kabul und Afghanistan. Das Risiko, Opfer einer Entführung zu werden, bestehe landesweit. Auch in der Hauptstadt Kabul könnten Überfälle und Entführungen nicht ausgeschlossen werden; im übrigen Land bestünden teilweise noch deutlich höhere Sicherheitsrisiken. Wer sich dennoch nach Afghanistan begebe, müsse sich der Gefährdung durch terroristisch oder kriminell motivierte Gewaltakte bewusst sein. Trotz Präsenz der Internationalen Schutztruppe ISAF komme es überall zu Attentaten. Die Sicherheitskräfte der Regierung seien nicht in der Lage, Ruhe und Ordnung zu gewährleisten. Zudem sei die medizinische Versorgung, insbesondere die stationäre Behandlungsmöglichkeit, völlig unzureichend und in etlichen Landesteilen nahezu nicht existent bzw. nicht nutzbar (www.auswaertiges-amt.de; Zugriff vom 16.03.2009).
43 
In einer Gesamtgefahrenschau muss vor diesem Hintergrund im konkreten Einzelfall des Klägers eine extreme Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bejaht werden.
III.
44 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 83 b AsylVfG. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein gesetzlicher Zulassungsgrund vorliegt (§ 132 Abs. 2 VwGO).

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.