Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 22. April 2014 gegen den Erschließungsbeitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 24. März 2014 wird angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Der Streitwert wird auf 40.075,06 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist Eigentümer des 44.881 qm großen mit einem Schulgebäudekomplex (Berufsschule/Berufsoberschule/Fachoberschule) bebauten Grundstücks Fl.Nr. ... Gemarkung ... (...-straße ...), das mit seiner Ostseite an der Erschließungsanlage „...-straße“ anliegt. Das Abrechnungsgebiet liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, sondern ist dem Innenbereich (§ 34 BauGB) zuzurechnen.

Auf die mit Schreiben der Bauverwaltung der Antragsgegnerin vom 21. Januar 2014 an die Stadtplanung/Herrn ... erbetene Prüfung und Mitteilung, ob die ...-straße den Kriterien des § 125 Abs. 2 BauGB entsprechend hergestellt sei, wurde ein undatierter, den Ersteller nicht erkennen lassender Vermerk gefertigt, der im Ergebnis feststellt, dass die Errichtung der Erschließungsanlagen in der...-straße den in § 1 Abs. 4 bis Abs. 7 BauGB bezeichneten Anforderungen entspricht (Bl. 83 bis Bl. 85 des Behördenakts).

Bei der ...-straße handelt es sich um eine als Ortsstraße gewidmete Straße, die im im Norden in die ... Straße mündet und die im Süden an die ... Straße bzw. an die ...gasse angebunden ist.

Die Antragsgegnerin veranlagte den Antragsteller als Eigentümer des genannten Grundstücks mit Bescheid vom 24. März 2014 zu einem Erschließungsbeitrag für die erstmalige endgültige Herstellung der Erschließungsanlage „...-straße“ in Höhe von 160.300,23 EUR.

Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 22. April 2014 hiergegen Widerspruch erhoben. Über den Widerspruch ist noch nicht entschieden.

Die vom Antragsteller mit Schreiben vom 27. April 2014 beantragte Aussetzung der Vollziehung des Beitragsbescheids wurde von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 16. Mai 2014 abgelehnt.

Mit Schriftsatz vom 10. Juni 2014 begehrt der Antragsteller die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem Antrag,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Erschließungsbeitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 24. März 2014 anzuordnen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die ...-straße ausweislich der „Örtlichen Aufnahme vom 1.12.1967“ bereits zu dieser Zeit auf ihrer Ostseite nahezu durchgängig mit einem 1,50 m breiten Gehweg versehen war. Offenbar nur dort, wo im Nordteil der Straße die Fahrbahnbreite weniger als 5 m betragen habe, habe der Gehweg gefehlt. Demgegenüber habe es entlang der Westseite der ...-straße überhaupt keinen Gehweg gegeben.

Mit Kaufvertrag vom 14. August 1969 habe die Antragsgegnerin von der damaligen Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. ... eine Teilfläche von letztlich 145 qm zum Zwecke des Straßenbaus erworben. Die dem ehemaligen Vorgarten des Grundstücks entsprechende Erwerbsfläche habe nicht geradlinig zugeschnitten werden können, weil das Gebäude ...-straße ... auf einer Länge von ca. 10 m und einer Tiefe von ca. 0,75 m von Westen her in sie hineingeragt habe.

Nach mehreren Verkäufen sei ein Bauträger mit Auflassung am 11. September 2009 Eigentümer des Grundstücks geworden. Dieser habe das Gebäude ...-straße ... im September 2010 abreißen und auf dem Grundstück zurückgesetzt von der Straße drei Reihenhäuser (...-straße ..., ... und ...) errichten lassen.

Mit Kaufvertrag vom 19. November 2012 habe die Antragsgegnerin von der Käuferin des Grundstücks Fl.Nr. ... (...-straße ...) 8 qm, nämlich genau die Fläche, mit der das (im September 2010 abgerissene) Gebäude ...-straße ... in den Straßenraum hineingeragt hatte und deswegen der westliche Gehsteig auf Höhe dieses Gebäudes 1980 nicht entsprechend seiner sonstigen Breite ausgebaut werden konnte, erworben.

Die ...-straße sei bereits im Jahr 1980 ausgebaut worden. Während der westliche Gehweg ansonsten eine Breite von ca. 1,50 m aufweise, habe er auf Höhe des damals noch vorhandenen Gebäudes ...-straße ... wegen dessen Hineinragens in die Straßenfluchtlinie auf einer Länge von ca. 10 m nur eine Breite von 0,70 bis 0,80 m aufgewiesen. Der Gehweg sei bis an die Hauswand asphaltiert gewesen. Der Ausbau der ...-straße im Jahr 1980 sei hinsichtlich des Südteils, nämlich von der Einmündung in die ...-straße bis zum Haus ...-straße ... auf der Grundlage des Ausbauplans der Ingenieurgemeinschaft ... /... vom 30. September 1980 erfolgt. Mit diesem Ausbauplan sei der Plan für den „Teilausbau der ...-straße“ vom 27. März 1972 fortgeschrieben worden. Für den Nordteil der ...-straße habe es kein entsprechendes Bauprogramm gegeben.

Im Jahr 2013 sei der westlich der ...-straße verlaufende Gehsteig um die im Jahr 2012 erworbene 8 qm große Fläche erweitert worden. Bis auf diesen neu geteerten Gehwegbereich habe sich die ...-straße in dem seit 1980 bestehenden Zustand befunden.

Der verfahrensgegenständliche Erschließungsbeitragsbescheid sei offensichtlich rechtswidrig, da die Veranlagung zum Erschließungsbeitrag für die im Jahr 1980 (bis auf 8 qm Gehwegfläche) fertig gestellte ...-straße gegen die vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 5. März 2013 aufgestellten, sodann vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 14. November 2013 konkretisierten Grundsätze, welche schließlich im Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 11. März 2014 ihren Niederschlag gefunden hätten, verstoße. Art. 19 Abs. 2 KAG n. F. sehe vor, dass für Beiträge, die vor dem 1. April 2014 durch nicht bestandskräftigen Bescheid festgesetzt sind, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst.bb KAG mit der Maßgabe gelte, dass die Frist einheitlich 30 Jahre betrage. Diese Übergangsvorschrift erfasse auch den vorliegenden Fall, da die Beitragsveranlagung mit nicht bestandskräftigem Bescheid vom 24. März 2014 erfolgt sei. Die Vorteilslage sei dadurch charakterisiert, dass auf das Erschlossensein eines Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung abgestellt werden müsse. Bei der Anwendung der kommunalabgabengesetzlichen Grundsätze und der Umsetzung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung sei zunächst festzustellen, dass es für den Ausbau des fraglichen Nordteils der ...-straße weder einen Bebauungsplan noch ein Bauprogramm gegeben habe. Lediglich der Ausbau des südlichen Teils der Straße sei auf der Grundlage der Ausbauplanung der Ingenieurgemeinschaft .../... vom 30. September 1980 erfolgt, welche wiederum auf der städtischen Planung zum „Teilausbau der ...-straße“ vom 27. März 1972 beruht habe. Für den Nordteil der Straße habe es derartiges nicht gegeben. Der von der Antragsgegnerin vorgelegte Flurkartenausschnitt weise zwar für seinen Abbildungsbereich entlang der ...-straße gestrichelt eingezeichnete Gehwege auf, dies könne jedoch nicht mit einem Bauprogramm gleichgesetzt werden. Im Übrigen sei der maßgebliche Teil der Straße, nämlich der Bereich um das Gebäude ...-straße ... nicht abgebildet.

Die für das Jahr 1980 geltende Satzung über die Erhebung des Erschließungsbeitrags in der Stadt ... vom 21. Dezember 1970 in der Fassung der Änderungssatzung vom 22. Oktober 1974 führe in § 6 Abs. 1 Gehwege nicht als Merkmal der endgültigen Herstellung einer Erschließungsanlage auf, so dass sie zur endgültigen Herstellung der Straße nicht zwingend vorhanden sein mussten. In § 6 Abs. 2 werde festgelegt: „Bürgersteige und Radfahrwege sind endgültig hergestellt, wenn sie eine Abgrenzung gegen die Fahrbahn und gegeneinander sowie eine Befestigung mit Platten, Pflaster, Asphaltbelag oder eine ähnliche Decke neuzeitlicher Bauweise auf frostsicherem Unterbau aufweisen, soweit die Stadt nicht beschließt, dass bei einfachen Wohnwegen und Siedlungsstraßen auf die Anlegung erhöhter Bürgersteige verzichtet wird und Gehwege in einfacher Form angelegt werden.“ Bürgersteige und Radfahrwege seien also nur fakultativ den Erschließungsanlagen zuzurechnen. Sie müssten jedoch, wenn sie hergestellt werden, den in der Satzung genannten Anforderungen entsprechen und eine Abgrenzung gegenüber der Fahrbahn und beispielsweise einen Asphaltbelag aufweisen. Diesen satzungsrechtlichen Vorgaben hätten die im Jahr 1980 hergestellten Gehwege beidseits der ...-straße entsprochen.

Fraglich könne allenfalls sein, ob der Gehweg an der Westseite der ...-straße im Jahr 1980 auch bereits funktionstüchtig gewesen sei, also den an die Funktion eines Gehwegs zu stellenden Anforderungen genügt habe. Hierzu sei vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung vom 11. Juni 2002 für einen zwischen der Fahrbahn und den Einfriedungen der angrenzenden Grundstücke liegenden Streifen, der auf der „gesamten Länge von mehr als 50 m zwischen zwei einmündenden Straßen eine Breite zwischen 0,49 m und 0,53 m aufwies“, festgestellt worden, dass dieser „nicht als Gehweg gewertet werden kann, weil er nicht geeignet ist, seine Funktion zu erfüllen“. Ganz unabhängig davon, dass die dortige Gemeinde über ein Bauprogramm zur Herstellung beidseitiger Gehwege verfügt habe, sei die Situation mit den in der ...-straße vorliegenden Gegebenheiten nicht vergleichbar. Zum einen weise der Gehweg auf der westlichen Seite der ...-straße nicht auf seiner Gesamtlänge, sondern nur auf einer Länge von ca. 10 m eine verminderte Breite auf. Der Gehweg auf Höhe des Gebäudes ...-straße ... habe nicht nur 0,50 m, sondern unstreitig eine Breite zwischen 0,70 m und 0,80 m aufgewiesen. Die durch den Baubestand verminderte Breite des Gehwegs habe möglicherweise nicht den Maßen entsprochen, welche der Verwaltungsgerichtshof den „Empfehlungen für die Anlage von Erschließungsstraßen“ (EAE 85/95) entnommen hatte, doch folge hieraus nicht, dass sich auf Höhe des Hauses ...-straße ... nur ein als Gehweg untauglicher „Schrammbord“ befunden habe. Der Fall sei vielmehr mit den Konstellationen vergleichbar, die Driehaus (in Berliner Kommentar zum BauGB, § 133 Rn. 20) beschreibe: „Etwas anderes kann jedoch gelten, d. h. das Fehlen einer untergeordneten Teilstrecke etwa eines Geh- oder Radwegs steht der endgültigen Herstellung der Gesamtanlage nicht entgegen, wenn ein Bebauungsplan dies (etwa mit Blick auf einen vorhandenen Baumbestand bzw. erhaltenswerte Bäume) festsetzt oder durch die Festsetzung des „beengten“ Querschnitts vorzeichnet und die betreffende Teileinrichtung dadurch nicht ihre Funktion verliert (vgl. dazu OVG Lüneburg, U. v. 14.2.1989 - 9 A 124/87).“ Was danach für einen an bestimmten Stellen eines Geh- oder Radwegs „im Wege stehenden“ schützenswerten Baumbestand gelte, könne für ein auf einer Teilstrecke von lediglich 10 m den Gehsteig einengendes Haus nicht anders beurteilt werden, solange dadurch der Gehweg nicht seine Funktion verliere.

Als Merkmal für eine insgesamt betriebsfertige Erschließungsanlage gelte der Eindruck der Abrechenbarkeit nach Maßgabe der Erwartungen eines objektiven Betrachters. Auch dieses Merkmal sei hier erfüllt, da die Einschränkung des gleichwohl noch funktionstüchtigen Gehwegs für jeden Betrachter gleichsam auf ewige Zeiten zementiert schien. Niemand habe erwarten können, dass das Gebäude ...-straße ... einmal weichen würde, was es ja über 30 Jahre lang nicht getan habe. Selbst die Antragsgegnerin sei zu keiner Zeit davon ausgegangen, dass sie den für den Ausbau des Gehwegs auf voller Breite erforderlichen Teil des Grundstücks bzw. Hauses jemals werde erwerben können. Andernfalls hätte es nahegelegen, dass sich die Antragsgegnerin im Kaufvertrag vom 14. August 1969 zumindest ein Ankaufsrecht für den Fall der späteren Beseitigung des Gebäudes hätte einräumen lassen. Auch alle anderen nachfolgenden Veräußerungsvorgänge habe sie ungenutzt verstreichen lassen.

Als die Antragsgegnerin mit Kaufvertrag vom 19. November 2012 die zur Verbreiterung des Gehwegs verwendete Teilfläche erworben habe, sei dies zwar vorteilhaft im Sinne einer einheitlichen Ausbaubreite des westlichen Gehwegs gewesen, jedoch nicht geeignet, diesen im erschließungsbeitragsrechtlichen Sinne nachträglich wieder in den Zustand der technischen Unfertigkeit zu versetzen, ganz abgesehen davon, dass zu diesem Zeitpunkt längst die Ausschlussfrist von 30 Jahren verstrichen gewesen sei. Damit sei der Gehweg auf der westlichen Seite der ...-straße nicht erst durch den Hinzuerwerb der 8 qm Fläche und deren Asphaltierung erstmalig endgültig hergestellt worden.

Die Antragsgegnerin wandte sich mit Schreiben vom 24. Juni 2014 gegen das Antragsbegehren. Für sie ist beantragt,

den Antrag kostenpflichtig abzulehnen.

Die Ausschlussfrist in Art. 19 Abs. 2 KAG stehe der Erhebung des Beitrags nicht entgegen. Die Rechtsprechung halte im Erschließungsbeitragsrecht bei den Verjährungsfristen die endgültige technische Fertigstellung der Erschließungsanlage entsprechend der in der Erschließungsbeitragssatzung hierfür zu erfüllenden Merkmale für maßgeblich. Für die Ermittlung der Vorteilslage, die durch die qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit der Straße entstehe, stelle der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auf die endgültige technische Fertigstellung ab. Gleiches gehe auch aus der Gesetzesbegründung zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes hervor. Das frühere Haus ...-straße ... habe massiv in die Gehwegfluchtlinie hineingeragt und eine optische Sperrwirkung im bisherigen Gehwegverlauf bewirkt. Auf Höhe dieses Gebäudes sei der Gehweg so schmal gewesen, dass ein Passieren von Fußgängern und Kinderwagen nicht ohne weiteres möglich gewesen sei. Der Durchgang sei auch durch die beiden an der Straßenseite des Hauses verlaufenden Fallrohre aus den Dachrinnen erschwert worden. Bei einer angenommenen Gehwegbreite von dort 0,70 m müssten an diesen Stellen noch etwa 0,10 bis 0,15 m für die Breite der Fallrohre und deren Abstand zur Hauswand abgezogen werden. Hieraus würde sich eine nutzbare Gehwegbreite von nur noch 0,55 bis 0,60 m ergeben, mithin nahezu der Wert, den der Bayerische Verwaltungsgerichtshof für nicht ausreichend erachtet habe. Ein Fußgänger würde zudem den Gehweg nicht ohne Abstand zur Hauswand bzw. zum Fallrohr einerseits und zum Schrammbord andererseits benutzen, so dass sich die effektiv zur Verfügung stehende Gehwegbreite weiter reduziere.

Im Übrigen sei die Frage, ob ein Gehweg seine Funktion erfülle, von vielen Faktoren abhängig, z. B. von der Erschließungsfunktion der Straße oder der Kraftfahrzeug- bzw. Fußgängerfrequenz. Die ...-straße weise einen erhöhten Ziel- und Quellverkehr auf. Sie sei Durchfahrtsstraße zur Insel und Erschließungsstraße im Sinne einer Zubringerstraße zum Schulkomplex und müsse den dadurch entstehenden Fußgängerverkehr abzuwickeln in der Lage sein. Sie sei bereits Mitte der 1970er Jahre als Ausweichstrecke zur Insel genutzt worden und stelle auch heute noch eine Durchfahrtsstraße und wichtige Verkehrsverbindung im Lindauer Straßennetz dar. Darüber hinaus liege die Berufs- und Fachoberschule an der ...-straße, welche nicht nur durch Autos, sondern auch durch Schüler als Fußgänger einen erhöhten Ziel- und Quellverkehr auslöse. Eine Gehwegbreite von letztlich nur knapp 0,55 bis 0,60 m sei daher nicht ausreichend gewesen, um einen verkehrssicheren Schulweg einschließlich Gegenverkehr zu gewährleisten. Damit habe der vorhandene Gehweg seine Funktion nicht ausreichend erfüllen können.

Die Lagepläne von 1972 hätten im südlichen und nördlichen Bereich jeweils eine Straßenbreite von 6 m zuzüglich Gehwegen von je 1,5 m, also insgesamt 9 m Breite vorgesehen. Für den südlichen Bauabschnitt liege eine noch genauere Planung aus dem Jahr 1980 vor, die auf den Vorgängerplänen aufbaue und ebenfalls eine Straßenbreite von 9 m einschließlich zwei Gehwegen mit je 1,5 m Breite festlege. Hierdurch werde dokumentiert, dass für die Straße auf ihrer gesamten Länge, also auch auf Höhe des früheren Anwesens ...-straße ..., diese Breiten geplant gewesen seien. Dies insbesondere auch im Hinblick auf die im südlichen Bereich noch nicht vorhandene Bebauung und das damals erst im Planungsstadium befindliche, aber noch nicht gebaute Schulzentrum, für dessen Bereich es 1976 auch einen Aufstellungsbeschluss zu einem Bebauungsplan gegeben habe. Zwar mag es kein Bauprogramm heutigen Standards für die ...-straße gegeben haben; es sei jedoch für jeden objektiven Beobachter eine klare Bauabsicht und der Wille der Antragsgegnerin erkennbar gewesen, die ...-straße (ursprünglich sogar auf ganzer Länge) mit 9 m Breite und 1,50 m Gehweg auszubauen. Aufgrund der Lage der ...-straße, d. h. deren gradlinigem Verlauf ohne Kreuzungen zwischen der ... Straße und der ...gasse, sei kein anderer Ausbauzustand zu erwarten gewesen, als in der Planung von 1980 für den südlichen Bauabschnitt dargestellt. Die Tatsache, dass die Straße bisher nicht abgerechnet worden sei, lasse zudem durchaus den Rückschluss zu, dass man bereits in früheren Jahren der Ansicht gewesen sei, die endgültige Fertigstellung sei erst erreicht, wenn die gesamten Gehwege entlang der Bebauung mit der vorgesehenen und bis dahin - lediglich mit einer Ausnahme beim Anwesen ...-straße ... - umgesetzten 1,50 m Breite hergestellt seien.

Es seien zwar in der Vergangenheit mehrere Verkäufe des Grundstücks ...-straße ... erfolgt. Die Antragsgegnerin habe jedoch kein Ankaufsrecht für den Grundstücksstreifen mit dem teilweise darauf stehenden Gebäude geltend machen können. Hierfür habe es keine Rechtsgrundlage gegeben. Ein Erwerb des gesamten Grundstücks mit Gebäude wäre im Übrigen unverhältnismäßig und mit dem zu beachtenden Grundsatz der wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung nicht vereinbar gewesen.

Einem objektiven Beobachter habe es sich nicht so dargestellt, dass der funktionsuntüchtige Gehweg bei dem Anwesen ...-straße ... auf ewige Zeit zementiert sei. Die bauliche Entwicklung im Stadtbereich habe sich meist so dargestellt, dass Grundstücke mit einem alten Gebäudebestand aufgekauft, die Gebäude abgebrochen und die Grundstücke nachfolgend verdichtet bebaut worden seien. Aufgrund dessen schlechten baulichen Zustands sei es daher absehbar gewesen, dass das Gebäude nicht auf Dauer Bestand haben werde. Dies habe sich dann letztendlich auch bestätigt. Bei Abbruch des Hauses habe die Antragsgegnerin die Gelegenheit genutzt und die für den Gehwegausbau fehlende Fläche in ihr Eigentum gebracht. Dies zeige, dass der Antragsgegnerin auch noch im Jahr 2012 bewusst gewesen sei, dass es bei einem Teilstück des Gehwegs in der ...-straße an einer ausreichenden Breite mangele und dieser Fehler nunmehr behoben werden könne. Erst damit seien die Planungen aus den 1970er Jahren vollständig umgesetzt worden.

Ein Gehweg sei zwar nach dem Wortlaut der Erschließungsbeitragssatzung nicht als Merkmal für die erstmalige technische Herstellung aufgeführt. Es komme jedoch darauf an, ob die Planungen für die ...-straße bereits im Jahr 1980 und davor die Anlegung eines Gehweges vorgesehen hätten, da Gehwege nach dem Bayerischen Straßen- und Wegegesetz schon immer Bestandteil der Straße gewesen seien. Eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung, wie sie in der Gesetzesbegründung zur aktuellen Änderung des Kommunalabgabengesetzes beschrieben werde, könne in der ...-straße erst mit der vollständigen Gehwegherstellung 2012/2013 angenommen werden. Erst ab diesem Zeitpunkt sei sie insgesamt so hergestellt gewesen, wie es für eine Straße mit dieser Erschließungsfunktion und Bedeutung für den Verkehr erforderlich gewesen sei. Einem objektiven Beobachter sei klar gewesen, dass eine Straße, deren Gehweg sich auf einer 10 m langen Teilstrecke bis auf etwas mehr als einen halben Meter verenge und sonst durchgehend eine Breite von 1,50 m aufweise, nicht endgültig technisch hergestellt gewesen sein könne. Die Vorteilslage sei somit erst mit Herstellung des vollständigen Gehwegs auf einer durchgehenden Breite von 1,50 m eingetreten.

Mit Schriftsatz vom 1. Juli 2014 ergänzte der Antragsteller sein Vorbringen und wies darauf hin, dass hinsichtlich des an der Westseite der ...-straße in den Gehweg hineinragenden Gebäudeteils nicht von einer optischen Sperrwirkung die Rede sein könne. In einem Schreiben vom 20. Mai 2014 an einen anderen Beitragspflichtigen führe die Antragsgegnerin aus, dass der Abstand zwischen Hauswand und Gehwegkante, also die Breite des Gehwegs, an dieser Stelle nur 0,70 m bis 0,80 m und dies auf einer Länge von mehr als 10 m betragen habe. Dass Fallrohre die Gehwegbreite verkürzten, gelte nur für den unmittelbaren Bereich dort und sei für Altstädte weit verbreitet. Es könne zwar sein, dass die ...-straße von ortskundigen Fahrzeugführern bisweilen als Ausweichstrecke zur Insel genutzt werde. Daraus folge jedoch nicht, dass es sich um eine Durchfahrtsstraße und wichtige Verkehrsverbindung im Lindauer Straßennetz handeln würde. Die ...-straße selbst verlaufe zwar einigermaßen geradlinig, sei jedoch schmaler als die ... Straße und finde vor allen Dingen ihre Verlängerung in schmaleren, kurvigen und durch Wohngebiete verlaufenden Folgestraßen. Dies gelte für die ...-straße, die ...gasse und selbst für den ...weg als Verbindung zur ... Straße.

Es sei auch nicht so, als komme den Gehwegen entlang der ...-straße eine Bedeutung als fußläufige Verbindung zu dem auf dem veranlagten Grundstück befindlichen Schulzentrum zu. Die Zubringerstraße zum Schulzentrum sei seit jeher die ... Straße. Einen nennenswerten Fußgängerverkehr zum Schulzentrum (Berufsschule, Fachoberschule, Berufsoberschule) gebe es nicht, da sämtliche Schüler entweder mit dem ÖPNV oder mit eigenen Verkehrsmitteln zur Schule kommen würden. Die Schüler seien in der Regel zwischen 16 und 20 Jahren alt. Über die ...-straße würden allenfalls Schüler mit ihren Mopeds und Rollern zu dem dort vor einigen Jahren angelegten Zweiradparkplatz kommen. Der Pkw-Parkplatz an der ...-straße werde von Lehrern, aber auch von einigen Schülern genutzt.

Es gebe keinen Plan der Antragsgegnerin, der für den hier interessierenden Nordteil der ...-straße auch nur ansatzweise einem Bauprogramm mit der Vorgabe einer Fahrbahnbreite von 6 m zuzüglich beidseitiger Gehwege von je 1,50 m entsprochen hätte. Selbst nach dem eigenen Vortrag der Antragsgegnerin habe es eine entsprechende Planung nicht gegeben. Auch aus der Tatsache, dass die Antragsgegnerin im Jahre 1980 die Straße so ausgebaut habe, wie geschehen, anstatt unter geringfügiger Verengung der Fahrbahn den Gehweg um das Gebäude ...-straße ... herumzuführen, belege indirekt, dass der Gehweg als funktionsgerecht angesehen worden sei. Andernfalls hätte es nahegelegen, eine Einschnürung der Fahrbahn mit einer heute vielfach üblichen Grünfläche vorzunehmen, um die Fußgänger davor zu bewahren, auf die Straßenfläche treten zu müssen. Dass die ...-straße bisher nicht abgerechnet worden sei, lasse insbesondere bei der Antragsgegnerin keinerlei Rückschlüsse zu, wie sich aus diversen Pressemitteilungen ersehen lasse. Dass straßenrechtlich Geh- und Radwege unter den in Art. 2 Nr. 1 Buchst. b BayStrWG genannten Voraussetzungen Bestandteile der öffentlichen Straße sind, sei im vorliegenden Zusammenhang unerheblich. Maßgeblich sei allein, ob und aufgrund welchen Bauprogramms ein Gehweg zum Bestandteil einer öffentlichen Straße oder richtiger einer Erschließungsstraße werde.

Schließlich sei noch darauf hinzuweisen, dass selbst ein tatsächlich vorhandenes Bauprogramm kaum mit dem vom Bundesverfassungsgericht in den Vordergrund gestellten und vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof konkretisierten Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit vereinbar sein dürfte, solange es nicht entsprechend den Festsetzungen eines Bebauungsplans öffentlich bekannt gemacht worden sei. Für den betroffenen Bürger könne das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer beitragsrechtlich relevanten Vorteilslage ebenso wenig von „Schubladenplänen“ wie von für niemand erkennbaren Rechtsbedingungen abhängig sein.

Mit Schreiben vom 15. Juli 2014 entgegnete die Antragsgegnerin, dass die Situation in der ...-straße nicht mit Altstadtbereichen vergleichbar sei. Die Verkehrsbedeutung der Straße sei maßgeblich dafür, ob eine Gehwegbreite ausreichend sei. In einer kurzen Anliegerstraße seien andere Anforderungen an den Gehweg zu stellen wie in der ...-straße, die von der Hauptverkehrsstraße ... Straße abzweige und deren Verkehr in ihrer Fortsetzung durch den ...weg letztlich wieder in eine Hauptverkehrsstraße, nämlich der ... Straße, einmünde. Die ...-straße mit beidseitiger Wohnbebauung und einem großflächigen Schulkomplex sei daher hinsichtlich der erforderlichen Gehwegbreiten anders zu bewerten als eine reine Anliegerstraße. Der Charakter der ...-straße als Durchgangsstraße habe die geplante Gehwegbreite erfordert. Der Schulkomplex habe dieses Erfordernis sogar noch verstärkt. Die vorgelegten Planungen zu den Straßen- und Gehwegbreiten im Bereich der ...-straße seien hinreichend aussagekräftig. Bei dem Grunderwerb im Jahr 1969 habe die Antragsgegnerin so viel Grund erworben, dass an dieser Stelle die Straße in einer Breite von 9 m habe hergestellt werden können. Wenn nicht die Absicht bestanden hätte, die Straße auch an dieser Stelle in dieser Breitenausführung auszubauen, wäre auch ein reduzierter Grunderwerb möglich gewesen. Dies gelte auch für den weiteren Verlauf der Straße nach Norden, wo der Grunderwerb für die vorgesehene Breite von 9 m bereits abgeschlossen gewesen sei. Sonst wäre bereits zuvor die Straßenführung wohl anders geplant und dementsprechend auch der Grunderwerb in geänderter Form durchgeführt worden. Die von Antragstellerseite angeführte Gehwegführung um das Haus herum habe zwar eine Handlungsmöglichkeit dargestellt. Aus städtebaulicher Sicht sei es jedoch nicht angebracht gewesen, die vorhandene Straßenfluchtlinie in dieser Form zu verändern und von der bisherigen Planung abzuweichen. Der nach dem Abriss des Hauses hergestellte Gehweg zeige nun eine in sich homogene Straßengestaltung von der ... Straße bis zum Ende der Bebauung, wie es jede verantwortungsvolle Straßenplanung bei einer solchen Straße befürwortet hätte.

Die Abrechenbarkeit von Erschließungsanlagen könne oftmals von vergleichsweise wenig bedeutsamen baulichen Straßenbestandteilen abhängen. Diese seien anhand der tiefbautechnischen Planunterlangen nachzuvollziehen. Diese Detailpläne des Bauprogramms würden in der Regel nicht öffentlich bekannt gemacht. Sei ein Bebauungsplan vorhanden, lasse dieser für den Anlieger auch lediglich den Rückschluss zu, ob die Anlage rechtmäßig hergestellt worden, nicht jedoch, ob die endgültige Herstellung erfolgt sei. Die Beitragspflicht müsse in nicht mehr veränderbarer Höhe entstanden sein. Dies sei regelmäßig mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung der Fall. Diese letzte Rechnung könne aber nur eingehen, wenn die Anlage entsprechend den Satzungsmerkmalen hergestellt sei und die Arbeiten hierfür abgeschlossen sind. Das Verwaltungsgericht Augsburg habe einen Grunderwerb von 3 qm noch nicht als zu geringfügig angesehen, so dass die Voraussetzungen nach § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB erst mit Abschluss dieses Grunderwerbs als erfüllt betrachtet worden seien. Im Zusammenhang mit der Anlegung von einigen Parkbuchten sei entschieden worden, dass es nicht zu beanstanden sei, ein kurzes Teilstück von 40 m Länge ohne nennenswerte Erschließungsfunktion zusammen mit der übrigen Erschließungsanlage abzurechnen. Auch hier sei - wie oben - auf die endgültige Herstellung und die letzte nach Abschluss der Bauarbeiten erteilte Unternehmerrechnung abgestellt worden, die es der Gemeinde erst ermöglicht habe, den Herstellungsaufwand abschließend zu beziffern. Die Beendigung der Bauarbeiten an den Parkbuchten habe dabei die endgültige Herstellung der Straße im technischen Sinne dargestellt, obwohl die übrigen Straßenbaumaßnahmen schon fünf Jahre zurückgelegen hätten. Die endgültige Herstellung des Gehwegs auf durchgehend 1,5 m Breite, wie dies bereits vor 40 Jahren vorgesehen gewesen sei, sei geeignet, den objektiven Zeitpunkt des Eintritts der Vorteilslage zu bestimmen.

Der Antragsteller ergänzte sein bisheriges Vorbringen mit Schriftsatz vom 24. Juli 2014 und legte dar, dass die von der Antragsgegnerin zitierten Entscheidungen für den vorliegenden Fall keine Geltung beanspruchen könnten, da sie für die jetzt geltende Rechtslage keine Aussagen enthielten. Es sei nach wie vor zu konstatieren, dass für die erst im Jahr 2013 vorgenommenen Baumaßnahmen an der Erschließungsanlage keine planungsrechtlichen Festsetzungen oder ein Bauprogramm gegolten hätten. Der nicht mit Maßangaben versehene Ausschnitt aus dem Liegenschaftskataster, der das fragliche Grundstück noch nicht einmal enthalte, reiche hierfür umso weniger aus, als es für den von der Beitragsveranlagung nicht erfassten Südteil der Straße detaillierte Ausbaupläne aus dem Jahr 1972 und 1980 gebe. Allein nach dem logischen Gedanken, dass eine Straße vernünftigerweise an einem Ende genauso ausgebaut werde wie am anderen, lasse sich ein Bauprogramm nicht ersetzen.

Dass der Gehweg den an ihn zu stellenden verkehrlichen Anforderungen entsprochen habe, werde auch durch das Verhalten der Antragsgegnerin belegt. Wenn diese keinerlei Möglichkeit gesehen habe, das im Wege stehende Wohnhaus zu beseitigen und gleichwohl die Fahrbahn gradlinig auf einer Breite von 9,00 m ausgebaut habe, müsse sie den Gehweg trotz des unbestreitbar vorhandenen Engpasses wohl für funktionstauglich gehalten haben. Dem stehe auch nicht die Tatsache entgegen, dass auf Höhe dieses Engpasses ein Begegnungsverkehr von Fußgängern eingeschränkt und von Fußgängern mit Kinderwagen wohl unmöglich gewesen sei. Denn andernfalls müsse man jede Straße, auf der gezielt in die Fahrbahn hineinragende Verengungen die Fahrzeuge daran hinderten, aneinander vorbeizufahren, für funktionsuntauglich halten. Auch wenn die Hindernisse verschiedener Natur seien, habe man in einem wie im anderen Fall auf Sicht kurz zu warten, bis der Gegenverkehr passiert habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag ist begründet.

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder der Anfechtungsklage anordnen, wenn sie gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO kraft Gesetzes oder durch behördliche Anordnung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ausgeschlossen ist. Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO kommt dem vom Antragsteller eingelegten Widerspruch kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zu, weil mit dem angefochtenen Bescheid der Antragsgegnerin ein Erschließungsbeitrag, also eine öffentliche Abgabe, gefordert wird (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 80 Rn. 57).

In entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO (vgl. Kopp/Schenke a. a. O. Rn. 157 m. w. N.) soll die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dann erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Gründe dafür, dass die Vollziehung des Erschließungsbeitrags eine unbillige Härte zur Folge hätte, sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Die gerichtliche Überprüfung, die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes lediglich summarisch vorgenommen werden kann, beschränkt sich daher auf die Frage, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts sind dann anzunehmen, wenn die Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheids derart überwiegen, dass ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 4.4.2007 - 19 CS 07.400 - juris Rn. 30 m. w. N). Im vorliegenden Fall bestehen derartige ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Erschließungsbeitragsbescheids.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Erschließungsbeitrag sind Art. 5a KAG, §§ 127 ff. BauGB i. V. m. der Erschließungsbeitragssatzung der Antragsgegnerin vom 29. Oktober 1981 i. d. F. der Änderungssatzung vom 31. Juli 1991 (EBS).

Diese Bestimmungen ermächtigen die Antragsgegnerin grundsätzlich zur Erhebung eines Erschließungsbeitrags zur Deckung ihres nicht anderweitig refinanzierbaren Aufwands für Erschließungsanlagen. Die Geltendmachung eines Erschließungsbeitrags ist jedoch nicht zeitlich unbegrenzt möglich.

Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu mit Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (BayVBl 2013, 465) entschieden, dass das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit gesetzliche Regelungen verlangt, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc Spiegelstrich 2 KAG für unvereinbar mit Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG erklärt; denn durch diese Bestimmung wird im Fall der Ungültigkeit einer Abgabensatzung der Verjährungsbeginn ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festgelegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, was den Interessenkonflikt einseitig zulasten der Beitragsschuldner löst. Diesen Erwägungen hat der Landesgesetzgeber durch die Schaffung von Ausschlussfristen im Kommunalabgabengesetz Rechnung getragen.

Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 11. März 2014 (GVBl. 70) ist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG § 169 AO in der jeweils geltenden Fassung nunmehr mit der Maßgabe anwendbar, dass über Abs. 1 Satz 1 hinaus die Festsetzung eines Beitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig ist; liegt ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht nach Art. 5 Abs. 2a KAG vor, und kann der Beitrag deswegen nicht festgesetzt werden, beträgt die Frist 25 Jahre. Für Beiträge, die - wie hier - vor dem 1. April 2014 durch nicht bestandskräftigen Bescheid festgesetzt sind, gilt Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG mit der Maßgabe, dass die Frist einheitlich 30 Jahre beträgt (Art. 19 Abs. 2 KAG).

Der für den Lauf der Ausschlussfristen maßgebliche Zeitpunkt des Eintritts der Vorteilslage muss für den Bürger erkennbar sein, so dass er auch selbst feststellen kann, bis zu welchem Zeitpunkt er damit rechnen muss, noch zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Der Begriff der Vorteilslage knüpft damit an für Bürger ohne weiteres bestimmbare, rein tatsächliche Gegebenheiten an und lässt rechtliche Entstehensvoraussetzungen für die Beitragsschuld wie etwa den vollständigen Grunderwerb, die formelle Widmung oder auch die Wirksamkeit der Beitragssatzung außen vor (BVerfG, B. v. 5.3.2013 - 1 BvR 2457/08 - NVwZ 2013, 1004).

(Auch) im Bereich der Straßen kann dann vom Entstehen der Vorteilslage ausgegangen werden, wenn ein Grundstück durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung erschlossen ist. Abzustellen ist dabei darauf, ob dem Grundstück eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit vermittelt wird, für die jede sinnvolle und zulässige Nutzungsmöglichkeit ausreicht (BayVGH, B. v. 8.3.2013 - 6 B 12.2220 - juris Rn. 12). Die Vorteilslage tritt nach diesen Maßgaben ein, wenn die Einrichtung bzw. Straße insgesamt betriebsfertig, d. h. technisch endgültig fertig gestellt ist (U. v. 14.11.2013 - 6 B 12.704 - BayVBl 2014, 241). Im Erschließungsbeitragsrecht kommt es damit auf die technische Herstellung der Anlage an, die von der Gemeinde erkennbar dem öffentlichen Verkehr zur Verfügung gestellt wird. Die formellen Anforderungen an eine Widmung nach dem BayStrWG sollen jedoch mangels Erkennbarkeit für den Bürger bei der Bestimmung des Eintritts der Vorteilslage irrelevant sein (vgl. Kolbe, KommP BY 2014, 166/168). Für das Vorliegen einer insgesamt betriebsfertigen Einrichtung im Bereich des Erschließungs- und Ausbaubeitragsrechts könne nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bayerischen Staatsregierung zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes von der endgültigen technischen Fertigstellung ausgegangen werden. Dieser Zeitpunkt sei deutlich später anzusetzen, als der etwa in § 133 Abs. 3 Satz 3 BauGB als maßgeblich bezeichnete Zeitpunkt der Benutzbarkeit. Die Anlage müsse vielmehr unter Berücksichtigung der Vorgaben des konkreten Bauprogramms, der in einer (gültigen oder nichtigen) Satzung benannten baulichen Merkmale der endgültigen Herstellung sowie der Erwartungen eines objektiven Beobachters den Eindruck der Abrechenbarkeit erwecken (LT-Drucks. 17/370 S. 14).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund wäre im vorliegenden Fall die Festsetzung und Erhebung eines Erschließungsbeitrags - ohne Rücksicht auf das Entstehen der Beitragsschuld und unbeschadet der Verjährungsregelung - ausgeschlossen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage durch die endgültige technische Fertigstellung der Erschließungsanlage mehr als 30 Jahre vergangen sind (siehe auch BayVGH, U. v. 14.11.2013 - 6 B 12.704 - BayVBl 2014, 241).

Die 30jährige Ausschlussfrist war hier bei Erlass des streitgegenständlichen Erschließungsbeitragsbescheids vom 24. März 2014 bereits abgelaufen, da die bis 2013 baulich unverändert gebliebene Erschließungsanlage „...-straße“ bereits 1980 endgültig technisch hergestellt und damit die als Anknüpfungspunkt für die Ausschlussfrist maßgebliche Vorteilslage eingetreten war. Die Festsetzung und Erhebung eines Erschließungsbeitrags für die erstmalige endgültige Herstellung der Erschließungsanlage „...-straße“ war nach Maßgabe von Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1, Art. 19 Abs. 2 KAG folglich mit Ablauf des Jahres 2010 ausgeschlossen.

Das Entstehen der Vorteilslage und der rechtlich zur Unzulässigkeit der Erhebung eines Erschließungsbeitrags führende Ablauf der Ausschlussfrist waren nicht dadurch ausgeschlossen, dass der westliche Gehweg der ...-straße im Gegensatz zu den restlichen Gehwegen der Erschließungsanlage, die durchgängig eine Breite von 1,50 m aufweisen, bis zum Jahr 2013 auf einer Länge von ca. 10 m lediglich mit einer durchschnittlichen Breite von 0,70 m bis 0,80 m hergestellt war, da die Erschließungsanlage insgesamt auch ohne einen durchgängig in 1,50 m Breite ausgebauten Gehweg als technisch endgültig hergestellt anzusehen war.

Der Herstellung der ...-straße liegt weder ein Bebauungsplan, noch örtliche Richtlinien oder ein förmliches Bauprogramm zugrunde, aus denen sich eine verbindliche Festlegung der Gehwegbreite auf durchgängig 1,50 m ableiten lässt und die es einem Abgabenschuldner ermöglicht hätten, zu erkennen, dass die ...-straße bis zur 2013 erfolgten Verbreiterung des Gehwegs vor dem Anwesen ...-straße ... noch nicht endgültig hergestellt war.

Der tatsächliche Umstand, dass die restlichen Gehsteige der ...-straße eine Breite von 1,50 m aufweisen, lässt nicht zwingend den Schluss zu, dass auch im Bereich vor dem früheren Grundstück ...-straße ... noch über 30 Jahre n... der Herstellung der Straße in ihren übrigen Teilen eine Verbreiterung des Gehwegs erfolgen werde. Das Vorhandensein von Ausbauplanungen für andere Bereiche der ...-straße, die dort Gehwegbreiten von 1,50 m vorsehen, ist in im vorliegenden Fall auch unter Berücksichtigung der in der ...-straße gegebenen Verkehrsbedürfnisse nicht in der Lage, ein Bauprogramm zu ersetzen, da nicht erkennbar ist, dass und in welcher Weise ein diesbezüglicher Planungswille des entscheidungszuständigen Organs der Antragsgegnerin besteht.

Ein bloßer Rückschluss vom Inhalt bestehender Ausbauplanungen auf einen voraussichtlich in gleicher Weise ausgeübten Planungswillen vermag - auch wenn aus heutiger Sicht viel für ein Beibehalten des bereits für wesentliche Teile der ...-straße festgelegten Ausbaustandards spricht und an das Vorhandensein eines Bauprogramms keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind - insoweit ebenfalls keine planungssubstituierende Bedeutung zu entfalten (s. hierzu z. B. BVerwG, U. v. 25.2.1981 - 8 C 7.81 - BauR 1982, 480; Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 132 Rn. 20).

Auch den in der EBS einschließlich der Vorgängerregelungen festgelegten Merkmalen der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen kann keine Vorgabe für eine Mindestbreite bei Gehwegen entnommen werden. Nach § 7 Abs. 2 EBS sind Bürgersteige endgültig hergestellt, wenn sie eine Abgrenzung gegen die Fahrbahn sowie eine Befestigung mit Platten, Pflaster, Asphaltbelag oder eine ähnliche Decke in neuzeitlicher Bauweise mit dem technisch notwendigen Unterbau aufweisen. Diesen Anforderungen hat selbst der bautechnisch nur verschmälert ausgeführte Gehweg im Bereich vor dem Anwesen ...-straße ... genügt.

Aufgrund der straßenbautechnischen Herstellung der ...-straße im Jahr 1980 und angesichts der Tatsache, dass der Grund für die auf eine Stelle beschränkte verschmälerte Errichtung des Gehwegs das Hineinragen eines als Wohnhaus genutzten Gebäudes in den Straßenbereich war, das sich nicht im Eigentum der Antragsgegnerin befand und bei dem keine Anhaltspunkte für einen in absehbarer Zeit erfolgenden - von der Antragsgegnerin selbst als unverhältnismäßig angesehenen - Erwerb zum Abbruch vorlagen, konnte und durfte ein objektiver Beobachter den Eindruck gewinnen, dass die Straße in diesem Zustand verbleiben wird und deshalb endgültig technisch hergestellt ist und die Antragsgegnerin nicht mehr beabsichtigt, den Gehsteig in dem Bereich vor dem Anwesen ...-straße ... auf 1,50 m zu verbreitern um dann Erschließungsbeiträge zu erheben.

Dieses Ergebnis wird auch nicht durch die nur eingeschränkte Benutzbarkeit des Gehsteigs für den Fußgängerverkehr in diesem Teilstück in Frage gestellt, da die Teileinrichtung „Gehweg“ einschließlich des ca. 10 m langen Gehwegbereichs vor dem Anwesen ...-straße ... trotz dessen reduzierter Breite von lediglich 0,70 m bis 0,80 m und den die nutzbare Gehwegfläche punktuell zusätzlich beengenden beiden Fallrohren der Dachrinne im Herstellungszeitpunkt noch den Mindestanforderungen genügte, die an die Funktionsfähigkeit einer Verkehrseinrichtung „Gehweg“ - auch an einer Straße mit erhöhter Verkehrsbedeutung - zu stellen waren.

Für die Beurteilung der Funktionsfähigkeit eines Gehwegs ist die gesamte Teileinrichtung „Gehweg“ und nicht nur einzelne Abschnitte der Verkehrsanlage in den Blick zu nehmen. Bei dieser Betrachtungsweise stellen etwaige einzelne Engstellen die Funktionsfähigkeit des Gehwegs nicht durchgreifend in Frage, sondern können ausgeblendet werden (BayVGH, B. v. 14.7.2006 - 6 ZB 04.222 - juris Rn. 6; OVG NW, B. v. 1.9.2009 - 15 A 1102/09 - NVwZ-RR 2009, 939; U. v. 1.6.1992 - 2 A 660/91 - juris Rn. 24).

Gehwege dienen nach ihrer Zweckbestimmung primär der Sicherheit von Fußgängern, weil sie den langsamsten und schutzbedürftigsten Verkehrsteilnehmern einen eigenen, von den übrigen Verkehrsarten abgegrenzten Verkehrsraum überlassen. In welcher Breite Gehwege jeweils hergestellt werden, kann die Gemeinde als Trägerin der Straßenbaulast bei Festlegung des individuellen Ausbauprogramms für die jeweilige Straße entscheiden. Innerhalb des ihr dabei eingeräumten Planungsspielraums (BVerwG, U. v. 23.6.1972 - IV C 15.71 - BVerwGE 40, 177/181) hat die Gemeinde die Aufgabe der einzelnen (Teil)Anlage und die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen (BVerwG, U. v. 18.1.1991 - 8 C 14.89 - BVerwGE 87, 288/298 f.). Die Grenzen dieses Spielraums werden daher nach unten hin dadurch bestimmt, dass die jeweilige Teilanlage in verkehrstechnischer Hinsicht funktionsfähig sein muss. Bei Gehwegen bedeutet das, dass sie eine Mindestbreite aufweisen müssen, die ein sicheres Begehen - getrennt vom Autoverkehr auf der Fahrbahn - ermöglicht (BayVGH, U. v. 11.6.2002 - 6 B 97.2355 - juris Rn. 21).

Konkrete Aussagen zur Bemessung von Gehwegen sind den „Empfehlungen für die Anlage von Erschließungsstraßen“ - EAE 85/95 -, die das Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau in Zusammenarbeit mit der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen erstellt hat bzw. den diese ersetzenden „Richtlinien für die Anlegung von Stadtstraßen“ - RASt 06 -, die das Bayerische Staatsministerium des Innern mit Schreiben vom 11. Februar 2009 zur Anwendung empfiehlt, zu entnehmen (vgl. BayVGH, U. v. 31.5.2011 - 8 B 10.1653 - juris Rn. 29). Es handelt sich bei diesem Regelwerk um die sachverständige Konkretisierung moderner Grundsätze des Straßenbaus (BVerwGE, U. v. 26.5.1989 - 8 C 6.88 - BVerwGE 82, 102/111). Die Sachverständigenaussagen enthalten auf der Grundlage standardisierter Vorgaben Maßstäbe dafür, wie Verkehrsanlagen im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs entsprechend ihrer Funktion auszuführen und zu gestalten sind. Den in den Richtlinien enthaltenen Maßangaben kommt keine verbindliche Wirkung im Sinne einer Norm zu. Die darin empfohlenen Breiten für die einzelnen Entwurfselemente stellen im Kern Orientierungswerte dar, die als Hilfe bei Planung und Entwurf nicht starr angewandt zu werden brauchen. Die Gemeinden können bei der Entwurfsplanung anhand der konkreten örtlichen Situation im notwendigen Umfang hiervon abweichen (BayVGH, U. v. 11.6.2002 - 6 B 97.2355 - juris Rn. 22 f.).

Bei Ermittlung der funktionsgerechten Breite eines Gehwegs ist zu beachten, dass Gehwege, die unmittelbar an Fahrbahnen angrenzen, eine Fläche benötigen, die sich aus dem Verkehrs- oder Bewegungsraum für Fußgänger (sog. Gehraum) und dem zugehörigen Sicherheitsraum zum angrenzenden Verkehrsraum zusammensetzt. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, die auf der Grundlage der EAE 85/95 basiert, soll die (idealtypische) Mindestbreite des Gehraums 1,50 m betragen, wobei zusätzlich der seitliche Sicherheitsraum berücksichtigt werden müsse, für den 50 cm zur Fahrbahn zu veranschlagen seien. Daraus folge, dass fahrbahnbegleitende Gehwege nach Möglichkeit nicht schmaler als 2,00 m sein sollen (BayVGH, U. v. 11.6.2002 a. a. O.).

Allerdings erscheint auch nach den heutigen Richtlinienvorgaben das Unterschreiten der Gehwegbreite von 2,00 m im Einzelfall vertretbar, wenn bei beengten Verhältnissen andernfalls auf Gehwegflächen verzichtet werden müsste. Die Verschmälerung darf jedoch zur Wahrung der Funktionsfähigkeit nicht so weit gehen, dass bei einer Gesamtbetrachtung der Teilanlage (siehe hierzu BayVGH, U. v. 26.3.2002 - 6 B 96.3901 - juris Rn. 37), also - wie oben ausgeführt - trotz Ausblendens etwaiger einzelner Engstellen, ein sicheres Begehen der Fußgänger nicht mehr gewährleistet ist (BayVGH, U. v. 11.6.2002 a. a. O. Rn. 22 ff.).

Bei der im vorliegenden Fall gegebenen Konstellation, die durch eine Verschmälerung des Gehwegs von 1,50 m auf 0,70 m bis 0,80 auf eine Länge von ca. 10 m und durch ein Hineinragen von Regenrinnenfallrohren in den Gehwegbereich an zwei Stellen gekennzeichnet ist, lag jedenfalls gemessen an den Verhältnissen zum Herstellungszeitpunkt noch eine funktionsfähige Teilanlage vor. Die vorhandene Breite von 0,70 m bis 0,80 m entspricht dem für einen Fußgänger erforderlichen „Gehraum“ in der Breite von 75 cm. Da es sich lediglich um eine Strecke von etwa 10 m handelt, die die geringere Gehwegbreite aufweist, stellte dies die Funktionsfähigkeit der gesamten Teilanlage auch unter Berücksichtigung einer erhöhten Verkehrsbedeutung der ...-straße nicht in Frage und dürfte wohl auch aus heutiger Sicht noch als hinnehmbar anzusehen sein (siehe auch BayVGH, U. v. 11.6.2002 a. a. O.; OVG NW, B. v. 1.9.2009 - 15 A 1102/09 - NVwZ-RR 2009, 939; U. v. 1.6.1992 - 2 A 660/91 - juris Rn. 16 ff.).

Dabei kann dahinstehen inwieweit der von der Antragsgegnerin hervorgehobene Aspekt der besonderen Bedeutung der ...-straße für das städtische Verkehrswegenetz mit hohem Ziel- und Quellverkehr angesichts der langen Zeit von über 30 Jahren, in der trotzdem von einer baulichen oder sonstigen Verbesserung der Engstellensituation für den Fußgängerverkehr abgesehen wurde, aus der Sicht eines objektiven Beobachters in seiner Bedeutung für den Eintritt der Vorteilslage relativiert wird.

Es liegen im Übrigen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Antragsgegnerin in der Zeit zwischen der technischen Herstellung der ...-straße im Jahr 1980 und dem Erwerb der Grundstücksteilfläche von 8 qm im Bereich des Anwesens ...-straße ... im Jahr 2012 in einer für die Beitragsschuldner transparenten Weise zu erkennen gegeben hat, dass sie die Herstellung der ...-straße als noch nicht abgeschlossen und die Erhebung von Beiträgen in der Zukunft für möglich erachte.

Dem Umstand, dass für die ...-straße bislang keine Erschließungsbeiträge erhoben wurden und auch kein Stadtrats- oder Ausschussbeschluss bzw. eine sonstige Entscheidung der Antragsgegnerin vorliegt, die erkennen lässt, dass die Herstellung der ...-straße als endgültig abgeschlossen und die Anlage als abrechenbar betrachtet wird, kann hingegen angesichts des vom Antragsteller unter Hinweis auf entsprechende Presseveröffentlichungen vorgetragenen offenbar jahrzehntelang üblichen Verzichts auf die Erhebung von Erschließungs- und Straßenausbaubeiträgen kein besonderes Gewicht zukommen.

Da bereits der Ablauf der in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1, Art. 19 Abs. 2 KAG geregelten Ausschlussfrist der Erhebung eines Erschließungsbeitrags für die...-straße entgegensteht, kam es auf die Frage, ob die (vermutlich) von der Verwaltung der Antragsgegnerin festgestellte Beachtung der Vorgaben von § 125 Abs. 2 BauGB den gesetzlichen Anforderungen genügt, nicht mehr an (s. hierzu z. B. BayVGH, B. v. 27.3.2007 - 6 ZB 05.2456 - juris Rn. 8; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 7 Rn. 22).

Aufgrund der dargestellten ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Erschließungsbeitragsbescheids war die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragsstellers gegen den Erschließungsbeitragsbescheid vom 24. März 2014 anzuordnen (§ 80 Abs. 4 Satz 3, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 3 GKG. Bei auf bezifferte Geldleistungen gerichteten Verwaltungsakten ist der Streitwert im Eilverfahren auf ein Viertel der für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerthöhe anzusetzen (so z. B. BayVGH vom 12.6.2014 - 6 CS 14.1077 - juris Rn. 15; VG Augsburg, B. v.18.7.2014 - Au 2 S 14.1006 - juris Rn. 24; s. auch Ziff. II.1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i. d. F. der am 31.5./1.6.2012 und 18.7.2013 beschlossenen Änderungen).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 04. Aug. 2014 - 2 S 14.894

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Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 04. Aug. 2014 - 2 S 14.894 zitiert 15 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 53 Einstweiliger Rechtsschutz und Verfahren nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes


(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas

Baugesetzbuch - BBauG | § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und di

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Baugesetzbuch - BBauG | § 1 Aufgabe, Begriff und Grundsätze der Bauleitplanung


(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten. (2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und d

Abgabenordnung - AO 1977 | § 169 Festsetzungsfrist


(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf d

Baugesetzbuch - BBauG | § 133 Gegenstand und Entstehung der Beitragspflicht


(1) Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen. Erschlossene Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht f

Baugesetzbuch - BBauG | § 125 Bindung an den Bebauungsplan


(1) Die Herstellung der Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Absatz 2 setzt einen Bebauungsplan voraus. (2) Liegt ein Bebauungsplan nicht vor, so dürfen diese Anlagen nur hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Absatz 4 bis 7 bezeichneten Anfo

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 12. Juni 2014 - 6 CS 14.1077

bei uns veröffentlicht am 12.06.2014

Tenor I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 25. April 2014 - M 2 S 14.371 - wird zurückgewiesen. II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu trage

Bundesverfassungsgericht Beschluss, 05. März 2013 - 1 BvR 2457/08

bei uns veröffentlicht am 05.03.2013

Tenor 1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom

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(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die Herstellung der Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Absatz 2 setzt einen Bebauungsplan voraus.

(2) Liegt ein Bebauungsplan nicht vor, so dürfen diese Anlagen nur hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Absatz 4 bis 7 bezeichneten Anforderungen entsprechen.

(3) Die Rechtmäßigkeit der Herstellung von Erschließungsanlagen wird durch Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht berührt, wenn die Abweichungen mit den Grundzügen der Planung vereinbar sind und

1.
die Erschließungsanlagen hinter den Festsetzungen zurückbleiben oder
2.
die Erschließungsbeitragspflichtigen nicht mehr als bei einer plangemäßen Herstellung belastet werden und die Abweichungen die Nutzung der betroffenen Grundstücke nicht wesentlich beeinträchtigen.

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(1) Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen. Erschlossene Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, unterliegen der Beitragspflicht, wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung der Gemeinde zur Bebauung anstehen. Die Gemeinde gibt bekannt, welche Grundstücke nach Satz 2 der Beitragspflicht unterliegen; die Bekanntmachung hat keine rechtsbegründende Wirkung.

(2) Die Beitragspflicht entsteht mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen, für Teilbeträge, sobald die Maßnahmen, deren Aufwand durch die Teilbeträge gedeckt werden soll, abgeschlossen sind. Im Falle des § 128 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 entsteht die Beitragspflicht mit der Übernahme durch die Gemeinde.

(3) Für ein Grundstück, für das eine Beitragspflicht noch nicht oder nicht in vollem Umfang entstanden ist, können Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag bis zur Höhe des voraussichtlichen endgültigen Erschließungsbeitrags verlangt werden, wenn ein Bauvorhaben auf dem Grundstück genehmigt wird oder wenn mit der Herstellung der Erschließungsanlagen begonnen worden ist und die endgültige Herstellung der Erschließungsanlagen innerhalb von vier Jahren zu erwarten ist. Die Vorausleistung ist mit der endgültigen Beitragsschuld zu verrechnen, auch wenn der Vorausleistende nicht beitragspflichtig ist. Ist die Beitragspflicht sechs Jahre nach Erlass des Vorausleistungsbescheids noch nicht entstanden, kann die Vorausleistung zurückverlangt werden, wenn die Erschließungsanlage bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht benutzbar ist. Der Rückzahlungsanspruch ist ab Erhebung der Vorausleistung mit 2 vom Hundert über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs jährlich zu verzinsen. Die Gemeinde kann Bestimmungen über die Ablösung des Erschließungsbeitrags im Ganzen vor Entstehung der Beitragspflicht treffen.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen. Erschlossene Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, unterliegen der Beitragspflicht, wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung der Gemeinde zur Bebauung anstehen. Die Gemeinde gibt bekannt, welche Grundstücke nach Satz 2 der Beitragspflicht unterliegen; die Bekanntmachung hat keine rechtsbegründende Wirkung.

(2) Die Beitragspflicht entsteht mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen, für Teilbeträge, sobald die Maßnahmen, deren Aufwand durch die Teilbeträge gedeckt werden soll, abgeschlossen sind. Im Falle des § 128 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 entsteht die Beitragspflicht mit der Übernahme durch die Gemeinde.

(3) Für ein Grundstück, für das eine Beitragspflicht noch nicht oder nicht in vollem Umfang entstanden ist, können Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag bis zur Höhe des voraussichtlichen endgültigen Erschließungsbeitrags verlangt werden, wenn ein Bauvorhaben auf dem Grundstück genehmigt wird oder wenn mit der Herstellung der Erschließungsanlagen begonnen worden ist und die endgültige Herstellung der Erschließungsanlagen innerhalb von vier Jahren zu erwarten ist. Die Vorausleistung ist mit der endgültigen Beitragsschuld zu verrechnen, auch wenn der Vorausleistende nicht beitragspflichtig ist. Ist die Beitragspflicht sechs Jahre nach Erlass des Vorausleistungsbescheids noch nicht entstanden, kann die Vorausleistung zurückverlangt werden, wenn die Erschließungsanlage bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht benutzbar ist. Der Rückzahlungsanspruch ist ab Erhebung der Vorausleistung mit 2 vom Hundert über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs jährlich zu verzinsen. Die Gemeinde kann Bestimmungen über die Ablösung des Erschließungsbeitrags im Ganzen vor Entstehung der Beitragspflicht treffen.

(1) Die Herstellung der Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Absatz 2 setzt einen Bebauungsplan voraus.

(2) Liegt ein Bebauungsplan nicht vor, so dürfen diese Anlagen nur hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Absatz 4 bis 7 bezeichneten Anforderungen entsprechen.

(3) Die Rechtmäßigkeit der Herstellung von Erschließungsanlagen wird durch Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht berührt, wenn die Abweichungen mit den Grundzügen der Planung vereinbar sind und

1.
die Erschließungsanlagen hinter den Festsetzungen zurückbleiben oder
2.
die Erschließungsbeitragspflichtigen nicht mehr als bei einer plangemäßen Herstellung belastet werden und die Abweichungen die Nutzung der betroffenen Grundstücke nicht wesentlich beeinträchtigen.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

Tenor

I.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 25. April 2014 - M 2 S 14.371 - wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 11.141,86 € festgesetzt.

Gründe

I.

Mit Bescheid vom 2. Oktober 2013 zog die Antragsgegnerin, eine Gemeinde, den Antragsteller als Eigentümer eines Anliegergrundstücks für die Erschließungsanlage Am O. zu einer Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag in Höhe von 44.567,45 € heran. Der Antragsteller erhob Widerspruch, über den bislang nicht entschieden ist, und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Letzteres lehnte die Antragsgegnerin ab.

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Vorausleistungsbescheid vom 2. Oktober 2013 anzuordnen, mit Beschluss vom 25. April 2014 ab.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, auf deren Begründung Bezug genommen wird.

Die Antragsgegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angezeigten summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Vorausleistungsbescheides. Die seitens des Antragstellers hiergegen innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgebrachten Einwände, die den Prüfungsrahmen im Beschwerdeverfahren bilden (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führen zu keiner anderen Beurteilung.

Das Verwaltungsgericht hat mit überzeugender Begründung dargelegt, dass die Antragsgegnerin eine Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag und nicht lediglich eine Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag erheben könne, weil es sich bei der Straße Am O. weder um eine sog. historische Straße im Sinn des § 242 Abs. 1 BauGB noch um eine nach Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes am 30. Juni 1961 erstmals endgültig hergestellte Erschließungsanlage handele.

Den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Nichtvorliegen einer historischen Straße hält die Beschwerde nichts Stichhaltiges entgegen. Insbesondere setzt sie sich nicht mit der im Einzelnen begründeten Feststellung des Verwaltungsgerichts auseinander, dass zwischen der Jahrhundertwende und dem Jahr 1961 entlang der Straße Am O. keine gehäufte Bebauung bestanden habe und die damals lediglich mit einer Kiesdecke versehene Straße nach den seinerzeit geltenden landesrechtlichen und örtlichen Bauvorschriften nicht als vorhandene Erschließungsanlage habe angesehen werden können (BA S. 8 bis 10).

Auch die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Straße Am O. nach 1961 bis heute noch nicht endgültig hergestellt sei, zieht die Beschwerde nicht substantiiert in Zweifel. Der Verweis auf erstinstanzliche Darlegungen und dort vorgelegte Anlagen genügt nicht dem Darlegungsgebot (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 146 Rn. 22).

Eine Anbaustraße ist endgültig hergestellt im Sinn des § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB, wenn sie erstmals die nach dem satzungsmäßigen Teileinrichtungsprogramm und dem dieses bezüglich der flächenmäßigen Teileinrichtungen ergänzenden (formlos möglichen) Bauprogramm erforderlichen Teileinrichtungen aufweist und diese dem jeweils für sie aufgestellten technischen Standard entsprechen (BVerwG, U. v. vom 10.10.1995 - 8 C 13.94 - BVerwGE 99, 308). Den zeitlichen Schlusspunkt geben die Herstellungsmerkmale vor. Nach § 132 Nr. 4 BauGB haben die Gemeinden die Merkmale der endgültigen Herstellung einer Erschließungsanlage durch Satzung zu regeln. Mit dieser Vorschrift soll der häufig auftretende Streitpunkt bereinigt werden, ob Baumaßnahmen an einer Erschließungsanlage noch zu deren erstmaliger Herstellung oder bereits zu Verbesserungs- oder Erneuerungsmaßnahmen zählen. Die Gemeinde soll sich auf ein technisches Profil festlegen, das eine Anbaustraße erreicht haben muss, um in der jeweiligen Gemeinde als endgültig hergestellte Erschließungsanlage zu gelten. Hierzu sind allgemeine Merkmale zu entwickeln, die es dem Bürger ermöglichen, sich ein eigenes Urteil über die Herstellung der Straße zu bilden (BayVGH, B. v. 2.3.2007 - 6 CS 06.2983 - juris Rn. 8).

Dem ist die Antragsgegnerin mit § 7 ihrer Erschließungsbeitragssatzung (EBS) vom 5. Juli 1978 und § 8 der Erschließungsbeitragssatzung vom 25. Juli 1990 nachgekommen. Nach diesen Satzungsbestimmungen sind die zum Anbau bestimmten Straßen endgültig hergestellt, wenn sie unter anderem eine Pflasterung, eine Asphalt-, Teer-, Beton- oder ähnliche Decke neuzeitlicher Bauweise mit dem technisch notwendigen Unterbau sowie eine (dem technischen Standard entsprechende) Straßenentwässerung aufweisen. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts erfüllt die etwa 400 m lange Straße Am O. diese Anforderungen im westlichen Bereich (auf einer Länge von knapp 200 m) bis heute noch nicht und im östlichen Teil erst seit den Baumaßnahmen im Jahr 2012. In ihrem Westteil verfügt die Straße auch aktuell nur über eine sog. Spritzdecke und damit keine Decke neuzeitlicher Bauweise im Sinn des § 8 EBS 1990. Außerdem weist sie dort keine ordnungsgemäße Straßenentwässerung auf. Im überwiegenden Teil der Westhälfte der Straße sind Entwässerungseinrichtungen und eine hinreichende Zahl von Straßeneinläufen bis heute nicht vorhanden; eine gezielte Ableitung des Straßenoberflächenwassers findet nicht statt, vielmehr läuft dieses in die anliegenden Grundstücke. Diese Art der Entwässerung erfüllt nicht den technischen Standard (vgl. hierzu u. a. BayVGH, B. v. 6.3.2006 - 6 ZB 03.2961 - juris Rn. 9).

Die Beschwerde stellt die Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht substantiiert in Frage. Der Vortrag, dass die Straße den „Mindestbedingungen für den Verkehr und die Anlieger schon seit Jahrzehnten, mindestens seit 1987“ genüge und dass eine erstmalige endgültige Herstellung spätestens 1987 erfolgt sei, führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des im Streit stehenden Vorausleistungsbescheides. Die hierzu in erster Instanz vorgelegte Rechnung der Firma G. vom 30. November 1987 betraf „Straßenrohbau, Wasserleitungs- und Kanalbauarbeiten“. Schon aus dem Wort „Rohbau“ ergibt sich, dass hieraus keinesfalls auf eine endgültige Herstellung der Straße im Sinn der Satzungsbestimmungen geschlossen werden kann. Das gleiche gilt für die Rechnung der R.-AG vom 27. April 1990 für „Straßenverbreiterung und Straßenrohbau“. Dass die Straße vor den abgerechneten Baumaßnahmen schon - vereinzelt - Gullys aufwies, erfüllt noch nicht die Anforderungen an eine endgültige Herstellung der Erschließungsanlage im Sinn des § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB, zumal das Oberflächenwasser im Westteil auch heute noch in die anliegenden Grundstücke läuft. Mit dem Bescheid vom 19. Januar 1987 war die Mutter des Antragstellers im Wege der Kostenspaltung ausschließlich zu Kosten für den Erwerb des Straßengrundes für die Straße Am O. herangezogen worden; der Vorausleistungsbescheid vom 2. Oktober 2013 enthält dementsprechend keine Grunderwerbskosten.

Die Ausführungen der Beschwerde zu den Erfordernissen von Erschließungsanlagen im Sinne des § 123 Abs. 2 BauGB verfehlen den rechtlichen Maßstab. Die zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (B. v. 6.5.2008 - 9 B 18.08 - NVwZ 2008, 905) betrifft die erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage, die ein anderer Hoheitsträger als die Gemeinde in Erfüllung seiner Erschließungslast durchführt (§ 123 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Halbs. 2 BauGB). Für derartige Anlagen sind die in § 123 Abs. 2 BauGB genannten Herstellungserfordernisse ausreichend; auch bei derartigen Anlagen muss aber beispielsweise eine ordnungsgemäße Straßenoberflächenentwässerung vorhanden sein, die verhindert, dass das anfallende Regenwasser auf anliegende Grundstücke abfließt (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 5 Rn. 18). Bei der Straße Am O. hingegen handelt es sich um eine nach § 127 Abs. 1 BauGB der Beitragspflicht unterliegende, öffentliche zum Anbau bestimmte Straße im Sinn des § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB, die die Gemeinde in Erfüllung ihrer Erschließungslast herstellt und die, um endgültig hergestellt zu sein und sachliche Beitragspflichten entstehen zu lassen, nach ständiger Rechtsprechung den von der Gemeinde in ihrer Erschließungsbeitragssatzung festgelegten Merkmalen der endgültigen Herstellung im Sinn von § 132 Nr. 4, § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB entsprechen muss (BVerwG, B. v. 6.5.2008 - 9 B 18.08 - a. a. O.; BayVGH, B. v. 2.3.2007 - 6 CS 06.2983 - juris Rn. 8).

Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, ist keine Festsetzungsverjährung (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb KAG i. V. m. § 169 AO) eingetreten, weil die Straße Am O. noch nicht endgültig hergestellt und damit noch keine Beitragsforderung entstanden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG, wobei der Senat in Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO in ständiger Rechtsprechung ein Viertel des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts ansetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).