Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 10. März 2016 - 5 K 1049/15.A
Gericht
Tenor
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13. Mai 2015 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist nach eigenen Angaben irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und yezidischen Glaubens. Er beantragte am 10. März 2015 seine Anerkennung als Asylberechtigter. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gab er u.a. an, er habe sein Heimatland am 10. Februar 2015 verlassen und sei auf dem Landweg über die Türkei am 17. Februar 2015 in das Bundesgebiet eingereist.
3Nachdem das Bundesamt einen Eurodac-Treffer der Kategorie 2 für Ungarn ermittelt hatte, richtete es am 18. März 2015 ein Übernahmeersuchen nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) an Ungarn. Die ungarischen Behörden bestätigten am gleichen Tag den Eingang des Gesuchs und erklärten unter dem 24. April 2015 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags ("take back"). Der Kläger habe am 12. Februar 2012 einen Asylantrag in Ungarn gestellt, sei aber kurze Zeit später verschwunden.
4Durch Bescheid vom 13. Mai 2015, zugestellt am 9. Juni 2015, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab (Ziffer 1.) und ordnete seine Abschiebung nach Ungarn an (Ziffer 2.). Der Asylantrag sei gemäß § 27 a des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG; seit 24. Oktober 2015 Asylgesetz - AsylG) unzulässig, da Ungarn aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III‑VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.
5Der Kläger hat am 9. Juni 2015 Klage erhoben und einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt. Er trägt im Wesentlichen vor, dass ihm im Falle einer Abschiebung nach Ungarn eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Europäische Grundrechtecharta) drohe.
6Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
7den Bescheid des Bundesamtes vom 13. Mai 2015 aufzuheben.
8Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
9die Klage abzuweisen.
10Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides.
11Die Kammer hat die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die streitgegenständliche Abschiebungsanordnung mit Beschluss vom 29. September 2015 - 5 L 507/15.A - angeordnet. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens und des Verfahrens 5 L 507/15.A sowie den Verwaltungsvorgang des Bundesamtes Bezug genommen.
12Entscheidungsgründe:
13Die Kammer konnte im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).
14Die erhobene Anfechtungsklage ist statthaft (I.). Die Klage ist auch begründet. Die Entscheidung der Beklagten, den Asylantrag als unzulässig abzulehnen (Ziffer 1 des angegriffenen Bescheides; II.) sowie die Abschiebungsanordnung nach Ungarn (Ziffer 2 des angegriffenen Bescheides; III.) sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15Nach § 77 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) ist regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Gerichts abzustellen, soweit nicht aus Gründen des materiellen Rechts eine Abweichung geboten ist. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens ist daher grundsätzlich das Asylgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Registrierung und des Datenaustausches zu aufenthalts- und asylrechtlichen Zwecken (Datenaustauschverbesserungsgesetz) vom 2. Februar 2016 (BGBl. I S. 130) sowie die am 19. Juli 2013 in Kraft getretene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO, ABl. L 180 vom 29. Juni 2013, S. 31). Diese findet gemäß Art. 49 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO auf alle in Deutschland ab dem 1. Januar 2014 gestellten Anträge auf internationalen Schutz Anwendung, mithin auch auf den im März 2015 gestellten Asylantrag des Klägers.
16I. Die hier erhobene Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) ist nicht nur hinsichtlich der Abschiebungsanordnung (Ziffer 2 des angegriffenen Bescheides), sondern auch für das Begehren auf Aufhebung der Entscheidung über die Unzulässigkeit des Asylantrages wegen der Unzuständigkeit Deutschlands für die Prüfung des Asylantrags (Ziffer 1 des Bescheides) die allein statthafte Klageart.
17Vgl. grundlegend: BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32/14 -, juris, Rn. 13ff; OVG NRW, Urteile vom 4. Februar 2016 - 13 A 59/15.A -, juris, Rn. 22 f. und vom 7. März 2014 - 1 A 21/12 -, juris, Rn. 28 ff, jeweils mit weiteren Nachweisen.
18Die Klage ist auch zulässig; sie wurde insbesondere innerhalb der zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch geltenden Frist des § 74 Abs. 1, 1. Halbsatz AsylVfG von zwei Wochen nach Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides erhoben.
19II. Die auf § 27a AsylVfG i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylVfG (jetzt: AsylG) gestützte Ablehnung des Asylantrags als unzulässig (Ziffer 1 des Bescheides) ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Nach § 27a AsylG ist ein Asylantrag zwar unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft - hier der Dublin III-VO - oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Der Antragsteller ist dann in den zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, damit dort sein Asylverfahren durchgeführt werden kann. Gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO ist eine Überstellung aber unmöglich, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren (1.) und (bzw. genauer: oder) die Aufnahmebedingungen (2.) für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta (EUGRCh; ABl. C 83 vom 30. März 2010, S. 389) mit sich bringen. Artikel 4 EUGRCh, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden darf, hat gemäß Art. 52 Abs. 3 EUGRCh die gleiche Bedeutung und Tragweite wie Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, BGBl. 2010 II, S. 1198).
20Vgl. grundlegend zum Begriff der systemischen Mängel: BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - BVerwG 10 B 6.14 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014 - A 11 S 1778/14 -, juris.
21In diesem Fall kann der Antrag nicht als unzulässig abgelehnt werden, sondern der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat hat weiter zu prüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann oder er wird selbst der zuständige Mitgliedstaat (Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 1 und 2 Dublin III-VO).
22Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat für die zu treffende Gefahrenprognose anknüpfend an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und insbesondere des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 3 EMRK Folgendes ausgeführt:
23"Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht."
24Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. April 2014 - 10 B 17/14 -, juris, Rn. 3 a.E.
25Nach diesen Maßstäben erweist sich die von der Beklagten nach der Dublin III-VO vorgenommene Bestimmung von Ungarn als zuständiger Mitgliedstaat jedenfalls deshalb als rechtswidrig, weil es sich gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer als unmöglich erweist, den Kläger nach Ungarn zu überstellen. Nach Auswertung der aktuellen Erkenntnislage ist die Kammer der Überzeugung, dass dem Kläger infolge der angeordneten Abschiebung nach Ungarn dort aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens (1.) und der Aufnahmebedingungen (2.) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
26Vgl. VG Dresden, Urteil vom 8. Januar 2016 - 7 K 746/15.A -; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 4. Dezember 2015 - 7a K 4457/15.A -; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 2. Dezember 2015 - 22 K 3263/15.A -; VG Münster, Urteil vom 19. November 2015 - 2 K 2131/15.A -; VG Freiburg, Urteil vom 13. Oktober 2015 - A 5 K2328/13 -; sämtlich juris; alle Entscheidung bejahen im Ergebnis ebenfalls systemische Mängel des ungarischen Asylverfahrens; a.A. VG Ansbach, Urteil vom 21. Dezember 2015 - AN 3 K 15.50498 -, juris.
27(1.) Systemische Mängel des Asylverfahrens liegen vor, wenn der grundsätzliche Zugang zum Verfahren zur Prüfung eines Antrages auf internationalen Schutz nicht gewährleistet ist oder das Asylverfahren selbst so ausgestaltet ist, dass eine inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens nicht gewährleistet ist und diese Mängel den Kläger im Falle einer Überstellung nach Ungarn auch selbst treffen könnten.
28Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014 - A 11 S 1778/14 -, juris, Rn. 33 ff, 39; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 87ff; Filzwieser, Art. 3 Dublin III-VO, K16.
29Systemische Mängel des Asylverfahrens setzen nicht voraus, dass in jedem Falle das gesamte Asylsystem schlechthin als gescheitert einzustufen ist, jedoch müssen die in jenem System festzustellenden Mängel so gravierend sein, dass sie sich nicht lediglich singulär oder zufällig, sondern objektiv voraussehbar auswirken. Ein systemischer Mangel kann daneben auch daraus folgen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - mit Blick auf seine empirisch feststellbare Umsetzung in der Praxis - faktisch in weiten Teilen funktionslos wird.
30Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 89ff.
31Maßgeblich sind insoweit einerseits die aktuellen für das ungarische Asylverfahren geltenden Regelungen, die insbesondere durch die Asylrechtsnovelle im August 2015 erhebliche Änderungen erfahren haben, die nicht den europäischen Vorgaben entsprechen (a) sowie andererseits die tatsächliche Praxis der ungarischen Behörden (b). Sowohl die asylrechtlichen Regelungen als auch ihre Anwendung in der Praxis führen dazu, dass Schutzsuchende mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt werden, weil zur Überzeugung der Kammer nach den vorliegenden Erkenntnissen die für eine Verletzung von Art. 4 EUGRCh sprechenden Umstände ein deutlich größeres Gewicht haben als die dagegen sprechenden Informationen.
32Zum Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 104.
33(a) Hinsichtlich des durch das Grenzzaun- und Asyländerungsgesetz vom 13. Juli 2015 (in Kraft getreten zum 1. August 2015) geänderten ungarischen Asylrechts, das ergänzend in Durchführungsverordnungen, häufig Regierungsverordnungen, geregelt ist,
34vgl. Prof. Dr. Küpper, Rechtsgutachten über ungarisches Asylrecht vom 2. Oktober 2015, Institut für Ostrecht München, VG Düsseldorf - 22 K 3263/15.A - (im Folgenden: Rechtsgutachten über ungarisches Asylrecht vom 2. Oktober 2015), S. 3f.,
35ist die Kammer zur Überzeugung gelangt, dass das Asylverfahren so ausgestaltet ist, dass eine inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens nicht gewährleistet ist und diese Mängel den Kläger im Falle einer Überstellung nach Ungarn auch selbst treffen könnten.
36Der Europäische Kommissar für Menschenrechte, der gemäß Art. 36 Abs. 3 i.V.m. Art. 44 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (VerfO EGMR) unter dem 17. Dezember 2015 eine schriftliche Stellungnahme in den Beschwerdeverfahren Nr. 44825/15 (S.O. v. Austria) und Nr. 44944/15 (A.A. v. Austria) - beide Verfahren betreffen die Rücküberstellung von Asylantragstellern nach der Dublin III-VO von Österreich nach Ungarn - abgegeben hat, bewertet zusammenfassend die aufgrund der geänderten asylrechtlichen Regelungen in Ungarn entstandene Rechtslage so, dass es nahezu unmöglich geworden sei, einen Schutzstatus zu erhalten. Seine Erkenntnisse beruhen auf einem Besuch Ungarns vom 24. bis 27. November 2015, dem ein Besuch vom 1. bis 4. Juli 2014 vorausgegangen war.
37Vgl. Commissioner for Human Rights, Third Party Intervention by the Council of Europe Commissioner for Human Rights under Article 36 of the European Convention on Human Rights, Applications No. 44825/15 and No. 44944/15 S.O. v. Austria and A.A. v. Austria vom 17. Dezember 2015 (im Folgenden: Commissioner for Human Rights, Third Party Intervention), Nr. 12.
38Dieser Bewertung schließt sich die Kammer an, insbesondere mit Blick auf das - oben bereits zitierte - Rechtsgutachten über das ungarische Asylrecht vom 2. Oktober 2015 sowie auf den Country Report: Hungary, November 2015, Asylum Information Database (aida), (im Folgenden: Country Report aida 2015). Der Country Report aida 2015 benennt im Anhang (Bl. 71ff) allein neun Regelungen der Aufnahmerichtlinie, siebzehn Regelungen der Asylverfahrensrichtlinie sowie zwei Regelungen der Dublin III-VO, die sämtlich überhaupt nicht oder nicht in entsprechender Weise im ungarischen Asylrecht umgesetzt sind. Die Kammer verweist auf die dort im Einzelnen zu findenden detaillierten Begründungen zu den einzelnen Verstößen, die in ihrer Gesamtheit dazu führen, dass das ungarische Asylrecht keinen Schutz (mehr) bietet.
39(aa) Besonders schwerwiegend für die hier allein in den Blick zu nehmenden Dublin-Rückkehrer ist die mangelhafte Umsetzung des Art. 18 Abs. 2 Dublin III-VO. Nach dem aktuellen ungarischen Asylrecht wird ein rücküberstellter Antragsteller nach Ablauf einer Frist von neun Monaten nach Einstellung seines Verfahrens (in der Regel stellt Ungarn das Asylverfahren ein, wenn der Antragsteller Ungarn verlassen und sich in einen anderen Mitgliedstaat begeben hat) als Folgeantragsteller behandelt, ohne dass sein Asylantrag jemals vollumfänglich geprüft worden wäre.
40Vgl. die Übersetzung von § 66 des ungarischen Asylgesetzes im Rechtsgutachten über ungarisches Asylrecht vom 2. Oktober 2015, S. 22f. u. S. 29; nach der dort erläuterten Terminologie des ungarischen Rechts ist der Antragsteller nach Fristablauf gezwungen, mit einem neuen Antrag ein "wiederholtes Verfahren" einzuleiten. Dieser Antrag wird gemäß § 51 Abs. 2 des ungarischen Asylgesetzes durch eine verfahrensleitende Verfügung und nicht durch einen in der Sache entscheidenden Beschluss abgelehnt, wenn nach Auffassung der Asylbehörde keine neuen Tatsachen oder Beweise präsentiert werden.
41Dies verstößt gegen Art. 18 Abs. 2 Dublin III-VO, der europarechtliche Vorgaben enthält, die gerade sicherstellen sollen, dass ein Asylgesuch jedenfallseiner materiellen Prüfung zugeführt wird, unabhängig davon, in welchem Verfahrensstadium sich das Asylverfahren im zuständigen Mitgliedstaat befindet bzw. befunden hat, im Zeitpunkt der Weiterreise des Antragstellers in einen anderen Mitgliedstaat. Auch das Auswärtiges Amt,
42Auskunft vom 27. Januar 2016 an VG Regensburg, asylfact, Dokument Nr. 45 407, Antwort zu Fragen 1 bis 4 sowie 7,
43hat diesen Mangel des ungarischen Asylrechts offensichtlich erkannt, verweist in diesem Zusammenhang aber auf eine weitere, beabsichtigte Änderung des ungarischen Asylgesetzes, die neben anderen Modifikationen dem Inhalt des Art. 18 Abs. 2 Dublin III-VO speziell Rechnung tragen solle. Abgesehen davon, dass das Auswärtige Amt keine Angaben dazu macht, wann diese Änderungen in Kraft treten sollen, hält die Kammer es nach dem Stand der übrigen, frei zugänglichen aktuellen Nachrichten betreffend die ungarische Flüchtlingspolitik für mehr als unwahrscheinlich, dass der ungarische Staat seine seit vergangenen Sommer trotz der Intervention des Europäischen Kommissars für Menschenrechte,
44vgl. Commissioner's declaration made on 3 July 2015 bzw. 29. April 2015,
45immer restriktiver gefassten und angewandten asylrechtlichen Regelungen dem geltenden EU-Recht anpassen wird.
46(bb) Weiter besteht gerade auch für Dublin-Rückkehrer die Gefahr einer Rückschiebung nach Serbien, die gegen das in Artikel 33 der Genfer Flüchtlingskonvention (GK, BGBl. 1953 II, S. 560) völkerrechtlich kodifizierte Prinzip des non-refoulement verstößt. Art. 33 Nr. 1 GK enthält das Verbot, einen Flüchtling i.S. des Art. 1 der Konvention "auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten auszuweisen oder zurückzuweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde". Im Kontext des Zurückweisungsverbots des Art. 33 GK umfasst der Flüchtlingsbegriff nicht nur diejenigen, die bereits als Flüchtling anerkannt worden sind, sondern auch diejenigen, die die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Flüchtling erfüllen.
47Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Verica Trstenjak vom 22. September 2011, Rechtssache C-411/50 -, S. 42, Fn. 48.
48Die durch die ungarische Asylrechtsnovelle im August 2015 bewirkte (Wieder-) Einführung des Konzepts sicherer Drittstaaten unter Einbeziehung Serbiens als sicherer Drittstaat - von Januar 2013 bis 31. Juli 2015 hatte Ungarn die Drittstaatenregelung für Serbien ausgesetzt - begründet die ernsthafte Besorgnis, dass einem Schutzsuchenden in Ungarn, ohne ihm Zugang zu einem Verfahren auf Zuerkennung internationalen Schutzes zu gewähren, in dem seine Fluchtgründe inhaltlich geprüft werden, die Abschiebung in das Drittland Serbien droht, in dem eine inhaltliche Prüfung seiner Fluchtgründe vor der Zurückweisung in sein Heimatland nicht sichergestellt ist.
49Vgl. im Einzelnen ausführlich zu § 2 der ungarischen Regierungsverordnung 191/2015. (VII.21) Korm., in Kraft getreten am 22. Juli 2015: VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 2. Dezember 2015 - 22 K 3263/15.A -, juris, Rn. 52ff, insb. 63ff.
50Die Kammer schließt sich insoweit der zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf an, das u.a. ausführt:
51"Die Einreise aus einem Land, das in § 2 der eingangs genannten ungarischen Regierungsverordnung als sicherer Drittstaat eingeordnet wird, begründet nach dem ungarischen Asylgesetz in seiner derzeit gültigen Fassung eine gesetzliche Vermutung, dass der Schutzsuchende dort bereits hätte Asyl beantragen und Schutz erhalten können. Diese gesetzliche Vermutung kann der Schutzsuchende widerlegen, indem er nachweist, dass in seinem konkreten Fall der Drittstaat nicht sicher war, weil er dort keinen dem ungarischen Asyl adäquaten Schutz hat erhalten können.
52vgl. Rechtsgutachten über das ungarische Asylrecht des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. h.c. Herbert Küpper vom 2. Oktober 2015, S. 11 ff unter Verweis auf §§ 33 Buchst. c), 45 Abs. 1, 51 Abs. 1 Buchst. e), Abs. 4 und 5 des ungarischen AsylG; European Council on Refugees and Exiles (ecre), Country Report Hungary, 4th update, Stand 1. November 2015, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hu_update.iv_.pdf, S. 43, abgerufen am 27. November 2015.
53Gelingt dem Schutzsuchenden dieser Nachweis nicht, so ist das Schutzgesuch (soweit nicht die Dublin-Verordnungen Anwendung finden) gemäß § 51 des ungarischen Asylgesetzes in einem beschleunigten Verfahren als unzulässig abzuweisen,
54vgl. § 51 des ungarischen AsylG in deutscher Übersetzung, Rechtsgutachten über das ungarische Asylrecht des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. h.c. Herbert Küpper vom 2. Oktober 2015, S. 16.
55Die aus diesen Regelungen abzuleitenden Rechtsfolgen unterwerfen einen hiervon betroffenen Schutzsuchenden der ernsthaften Gefahr, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung i.S.d. Art. 4 EU-GR-Charta unterworfen zu werden, indem ihm - ohne Gewährung eines Zugangs zu einem Verfahren auf Zuerkennung internationalen Schutzes, in dem seine Fluchtgründe inhaltlich geprüft werden - die Abschiebung in ein Drittland droht, in dem eine inhaltliche Prüfung seiner Fluchtgründe ebenfalls nicht gewährleistet ist. Es droht damit zugleich ein indirekter Verstoß gegen den in Art. 33 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) verankerten Grundsatz der Nichtzurückweisung (Refoulement-Verbot).
56Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich zur Vermeidung einer Verletzung der in der EU-GR-Charta gewährleisteten Rechte auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der GFK und die Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist,
57vgl. EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et. al. -, Rdn. 75, juris und vom 5. September 2012 - C-71/11 et. al. -, Rdn. 47, juris.
58Dementsprechend verpflichtet Art. 21 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 (Qualifikationsrichtlinie) die Mitgliedstaaten, den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen zu achten. In Übereinstimmung hiermit sieht das in Art. 39 der Richtlinie 2013/32/EU vom 26. Juni 2013 (Asylverfahrensrichtlinie) niedergelegte europäische Konzept der sicheren Drittstaaten vor, dass ein Drittstaat nur dann als "sicherer Drittstaat" betrachtet werden kann, wenn dieser die GFK und die EMRK nicht nur ratifiziert hat, sondern ihre Bestimmungen auch einhält,
59vgl. zur Vorgängervorschrift des Art. 36 der Richtlinie 2005/85/EU: EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et. al.-, Rdn. 102, juris,
60also seinerseits auch den in Art. 33 Abs. 1 GFK verankerten Grundsatz der Nichtzurückweisung beachtet.
61Die Einordnung Serbiens als sicherer Drittstaat mit den hieraus erwachsenden Rechtsfolgen nach dem ungarischen Asylgesetz entspricht diesen Anforderungen nicht. Vielmehr besteht die ernsthafte Gefahr, dass ein von den gesetzlichen Regelungen betroffener Schutzsuchender ohne Zugang zu einem Asylverfahren zu erhalten, in dem seine Fluchtgründe geprüft werden, in einen Staat abgeschoben wird, der seinerseits die GFK tatsächlich nicht einhält.
62Es bestehen durchgreifende Zweifel daran, dass Serbien die aus der GFK folgenden Verpflichtungen tatsächlich einhält. Der Kommissar für Menschenrechte des Europarates wandte sich mit einem Schreiben vom 27. November 2013 an den serbischen Premierminister und Innenminister Ivica Dacic, in dem er seine während eines Aufenthalts in Serbien erlangten Erkenntnisse über das serbische Asylsystem und die dortigen Aufnahmebedingungen schildert (überfüllte Aufnahmezentren, in denen unmenschliche Lebensbedingungen herrschen, die große Mehrheit der Asylsuchenden hat praktisch keinen Zugang zum Asylverfahren, kaum Aussicht auf Flüchtlingsanerkennung angesichts nur drei anerkannter Flüchtlinge seit 2008),
63vgl. Commissioner for Human Rights, Council of Europe, https://wcd.coe.int/com.instranet.InstraServlet?comand=com.instranet.CmdBlobGet&InstranetImage=2444713&SecMode=1&DocId=2108062&Usage=2, abgerufen am 6. August 2015.
64Der UNHCR empfiehlt, Serbien nicht als sicheren Drittstaat einzustufen und fordert nachdrücklich dazu auf, Asylsuchende nicht auf der Grundlage eines Konzepts sicherer Drittstaaten nach Serbien zu überstellen,
65Serbia as a country of asylum. Observations on the situation of asylum-seekers and beneficiaries of international protection in Serbia http://www.refworld.org/docid/50471f7e2.html, Stand August 2012, S. 3, abgerufen am 27. November 2015.
66Soweit erkennbar, hält der UNHCR bis heute an dieser Einschätzung fest,
67European Council on Refugees and Exiles (ecre) in Zusammenarbeit mit Asylum Information Database (aida): Crossing Boundaries, The new asylum procedure at the border and restrictions to accessing protection in Hungary, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/resources/crossing_boundaries_october_2015.pdf (Stand: 1. Oktober 2015), S. 18, abgerufen am 17. November 2015; .; European Council on Refugees and Exiles (ecre), Country Report Hungary, 4th update, Stand 1. November 2015, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hu_update.iv_.pdf, S. 44, abgerufen am 27. November 2015.
68Die Einstufung Serbiens als sicherer Drittstaat widerspricht ferner den Erkenntnissen des ungarischen Helsinki Komitees,
69vgl. An update of the Hungarian Helsinki Committee"s 2011 report based on a field mission to Serbia, Stand Juni 2012, http://helsinki.hu/wp-content/uploads/Serbia-report-final.pdf, abgerufen am 27. November 2015,
70von amnesty international,
71vgl. Europe"s Borderlands, Juli 2015, S. 35 ff., https://www.amnesty.org/en/documents/eur70/1579/2015/en/, abgerufen am 27. November 2015,
72und der Organisation Human Rights Watch,
73vgl. Pressemitteilung vom 15. April 2015, Serbien: Polizei misshandelt Migranten und Asylsuchende, https://www.hrw.org/de/news/2015/04/15/serbien-polizei-misshandelt-migranten-und-asylsuchende, abgerufen am 30. November 2015.
74Die ernsthafte Gefahr, ohne Zugang zu einem Asylverfahren zu erhalten, in dem die Fluchtgründe geprüft werden, von Ungarn nach Serbien abgeschoben zu werden und die hiermit verbundene ernsthafte Gefahr, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung i.S.d. Art. 4 EU-GR-Charta unterworfen zu werden, droht auch dem Kläger in seiner spezifischen Situation, falls er aufgrund der Dublin III-VO nach Ungarn überstellt wird.
75Bei der Bewertung der in Ungarn anzutreffenden Verhältnisse sind diejenigen Umstände heranzuziehen, die auf die Situation des Klägers zutreffen. Abzustellen ist demnach auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen oder tatsächlichen Lage, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielt. Sie kann allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese Umstände auch auf die Situation des Klägers auswirken (können),
76vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rdn. 130.
77Damit ist vorliegend in erster Linie die Situation von Dublin-Rückkehrern zu betrachten, die - wie der Kläger - nach dem vom Bundesamt gemäß Art. 8 ff der Durchführungsverordnung zur Dublin III-VO,
78Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013,
79einzuhaltenden Verfahren nach Ungarn überstellt werden.
80Auch für diese Personen besteht nach Überzeugung der Kammer die beachtliche, d.h. überwiegende Wahrscheinlichkeit, im Falle einer Rücküberstellung nach Ungarn einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im oben beschriebenen Sinne ausgesetzt zu werden, indem sie ohne Zugang zu einer inhaltlichen Prüfung ihrer Asylgründe in einen nicht sicheren Drittstaat abgeschoben werden. Denn es spricht alles dafür, dass das ungarische Asylgesetz in seiner derzeitigen Fassung auch auf solche Asylsuchende angewandt wird, die vor Inkrafttreten der Drittstaatenregelungen einschließlich der Bestimmung Serbiens zum sicheren Drittstaat nach Ungarn eingereist sind und dort einen Asylantrag gestellt haben. Weder die gesetzlichen Grundlagen noch die betreffende Rechtsverordnung enthalten eine Übergangsregelung,
81vgl. Rechtsgutachten über das ungarische Asylrecht des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. h.c. Herbert Küpper vom 2. Oktober 2015, S. 21.
82Auf eine Anwendung dieser Bestimmungen auf alle laufenden Verfahren deutet zudem der Umstand hin, dass in der konsolidierten Fassung des ungarischen Asylgesetzes der Hinweis auf die Handreichung der Kurie entfallen ist, die den Gerichten zur eigenständigen Beurteilung dienen sollte, welche Länder sichere Herkunfts- oder Drittländer sind,
83vgl. Rechtsgutachten über das ungarische Asylrecht des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. h.c. Herbert Küpper vom 2. Oktober 2015, S. 21.
84Dieses Ergebnis wird bestätigt durch die Erkenntnisse des European Council on Refugees and Exiles (ecre),
85Bericht in Zusammenarbeit mit Asylum Information Database (aida): Crossing Boundaries, The new asylum procedure at the border and restrictions to accessing protection in Hungary, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/resources/crossing_boundaries_october_2015.pdf (Stand: 1. Oktober 2015), S. 35 f., abgerufen am 17. November 2015.
86Daraus geht hervor, dass nach Auffassung eines hochrangigen Vertreters der ungarischen Asylbehörde OIN die nunmehr geltende Drittstaatenregelung auch auf Altfälle anwendbar sei. Ferner wird in diesem Bericht der Fall eines afghanischen Asylsuchenden geschildert, der in Ungarn im April 2015 einen Asylantrag gestellt hatte und aufgrund der Dublin-VO am 17. September 2015 aus der Schweiz nach Ungarn überstellt wurde. Dessen Asylantrag sei in Ungarn auf der Grundlage der Drittstaatenregelung abgelehnt und seine Abschiebung (verbunden mit einer Einreisesperre) angeordnet worden,
87Bericht in Zusammenarbeit mit Asylum Information Database (aida): Crossing Boundaries, The new asylum procedure at the border and restrictions to accessing protection in Hungary, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/resources/crossing_boundaries_october_2015.pdf (Stand: 1. Oktober 2015), S. 35, abgerufen am 17. November 2015."
88Die Kammer sieht diese Bewertung auch nicht durch die Auskunft des Auswärtigen Amtes,
89Auskunft vom 27. Januar 2016 an VG Regensburg, asylfact, Dokument Nr. 45 407, Antwort zu Fragen 1 bis 4 sowie 7,
90in Frage gestellt. Das Auswärtige Amt führt zwar aus, dass Serbien die Übernahme von Drittstaatsangehörigen aus Ungarn im Wege einer Einzelfallprüfung ablehne, wenn nicht nachgewiesen werden könne, dass die Antragsteller tatsächlich über Serbien eingereist seien. Dieser Nachweis könne in der Regel nicht erbracht werden. Der Botschaft Budapest seien Fälle bekannt, in denen nach Ablehnung der Übernahme durch Serbien der Antragsteller in Ungarn einen Schutzstatus erhalten habe. Eine Übernahme durch Serbien sei ohnehin ausgeschlossen, wenn zwischen dem Grenzübertritt zwischen Serbien und Ungarn und dem Antrag auf Rückübernahme mehr als ein Jahr verstrichen sei. Diese Ausführungen stehen im Widerspruch zu den Erkenntnissen des Europäischen Kommissars für Menschenrechte, der das Risiko einer Rückschiebung nach Serbien ausdrücklich auch für Dublin Rückkehrer als sehr hoch einschätzt.
91vgl. Commissioner for Human Rights, Third Party Intervention, Nr. 42 und Nr. 40: "entails a real risk of refoulement of persons with international protection needs (including Dublin returnees) to Serbia, and of onward chain refoulement.
92Er führt u.a. aus, dass er während seines Besuches darüber informiert worden sei, dass Schutzsuchende bereits nach Serbien zurückgeschoben worden seien. Zwischen dem 15. September und dem 27. November 2015 sei die überwiegende Mehrheit der Asylgesuche (372 von 399) für unzulässig erklärt worden und zwar 311 wegen der Einreise über einen sicheren Drittstaat. Nahezu alle Schutzsuchenden gelangten aber über Serbien nach Ungarn, was zur Folge habe, dass nach der Ablehnung des Asylgesuchs unmittelbar die Rückschiebung nach Serbien eingeleitet werde.
93Vgl. Commissioner for Human Rights, Third Party Intervention, Nr. 40.
94Der Country Report aida 2015 sieht ebenfalls die Gefahr einer Rückschiebung - ausdrücklich auch für Dublin Rückkehrer - als gegeben.
95Vgl. Country Report aida 2015, S. 24.
96(cc) Schließlich hat die Europäische Kommission unter dem 10. Dezember 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn wegen der aktuellen Änderungen der asylrechtlichen Vorschriften eingeleitet, insbesondere mit Blick auf Verstöße gegen die Asylverfahrensrichtlinie und gegen Art. 47 EuGRCh, der sich auf Art. 13 EMRK stützt, aber dennoch einen umfassenderen Schutz gewährt, da ein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf bei einem Gericht garantiert wird.
97Vgl. Europäische Kommission - Pressemitteilung vom 10. Dezember 2015: Kommission leitet gegen Ungarn Vertragsverletzungsverfahren wegen asyrechtlicher Verstöße ein, abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/press-release.
98(b) Selbst wenn die asylrechtlichen Regelungen in Ungarn nicht bzw. nur in unmaßgeblichem Umfang zu beanstanden wären, steht mit Blick auf die empirisch feststellbare Umsetzung der Regelungen in der Praxis zur Überzeugung der Kammer fest, dass das ungarische Asylverfahren derzeit faktisch in weiten Teilen funktionslos ist.
99Vgl. zu diesem Aspekt: OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 89ff.
100Die Gesetzgebung wird in der Praxis so angewandt, dass die Chance einer ernsthaften Behandlung von Asylanträgen sehr gering ist. Der Europäische Kommissar für Menschenrechte führt insoweit zusammenfassend aus, dass im Moment nahezu niemand internationalen Schutz in Ungarn erlangen könne.
101Commissioner for Human Rights, Third Party Intervention, Nr. 44: "At the moment, virtually nobody can access international protection in Hungary."
102Das Asylverfahren ist geprägt von kurzen Fristen, insbesondere sehr kurzen Rechtsbehelfsfristen, der Einschränkung von Verfahrensrechten sowie unzureichenden Informationen über das Asylverfahren,
103vgl. Commissioner for Human Rights, Third Party Intervention, Nr. 15,
104und es fallen nahezu alle Entscheidungen negativ aus.
105Vgl. zu diesem Aspekt: EGMR, Beschwerdesache M.S.S. gegen Belgien und Griechenland, Urteil vom 21. Januar 2011, Bsw. 30696/09, Mängel des griechischen Asylverfahrens u.a. mit Blick auf die extrem niedrige Rate an zuerkanntem Asyl und subsidiärem Schutz verglichen mit anderen EU-Staaten.
106Der Europäische Kommissar für Menschenrechte führt insoweit Folgendes aus: Ungarn habe im Vergleich zu anderen EU-Ländern eine niedrigere Anerkennungsquote (2014: 9 % gegenüber 45 % in der gesamten Europäischen Union). Diese Quote, die in 2015 zunächst auf 17 % gestiegen sei, sei seit Mitte September drastisch gesunken, seit die von ihm im Einzelnen gerügten verschärften Maßnahmen in Kraft getreten seien. Er sei vom OIN (Office of Immigration and Nationality) während seines Besuchs darüber informiert worden, dass vom 15. September bis zum 27. November 2015 5.081 Asylgesuche registriert worden seien (davon 2.000 von Afghanen, 1.362 von Syrern); 1.189 Verfahren seien beendet worden, weil der Asylsuchende das Land verlassen habe, 372 Anträge seien für unzulässig erklärt worden (sicherer Drittstaat, Serbien), 23 seien abgelehnt worden; vier Personen hätten subsidiären Schutz erhalten, niemand sei als Flüchtling anerkannt worden.
107Vgl. Commissioner for Human Rights, Third Party Intervention, Nr. 11.
108Aufgrund dieser Erkenntnislage zum ungarischen Asylverfahren ist mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass eine inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens des Klägers durch die ungarischen Behörden nicht gewährleistet ist und dass ihm die hiermit verbundene ernsthafte Gefahr droht, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung i.S.d. Art. 4 EUGRCh unterworfen zu werden, falls er nach Ungarn überstellt wird. Da - wie oben ausgeführt - unter mehreren selbstständig tragenden Gesichtspunkten systemische Mängel des ungarischen Asylverfahrens vorliegen, kommt es im Ergebnis nicht darauf an, ob der Kläger tatsächlich über Serbien eingereist ist - wofür allerdings allein aufgrund der Statistik, wonach bis Ende September 2015 99 % der Schutzsuchenden über die ungarisch-serbische Grenze nach Ungarn einreisten, vieles spricht - und ob ihm mit Blick auf die möglicherweise abgelaufene Neunmonatsfrist tatsächlich die Rückschiebung nach Serbien droht. Jedenfalls betreffen die übrigen festgestellten Mängel des ungarischen Asylverfahrens den Kläger persönlich mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit im Falle seiner Abschiebung nach Ungarn.
109(2.) Systemische Mängel der Aufnahmebedingungen liegen vor, wenn die Haft- und Existenzbedingungen im betreffenden Mitgliedstaat während des Verfahrens auf internationalen Schutz eine erniedrigende Behandlung darstellen.
110Filzwieser, Dublin III-VO, Art. 3, K16.
111Ungarn verstößt auch mit Blick auf die willkürliche und systematische Inhaftierung von Asylantragstellern sowie mit Blick auf die Haftbedingungen, die den Kläger in Ungarn erwarten, gegen Art. 3 EMRK.
112Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist davon auszugehen, dass die willkürliche Inhaftierung von Asylsuchenden in Ungarn weitverbreitete Praxis ist und dass dies insbesondere auch Dublin-Rückkehrer trifft. Soweit das Auswärtige Amt,
113vgl. Auskunft vom 27. Januar 2016 an VG Regensburg, asylfact, Dokument Nr. 45 407, Antwort zu Fragen 4 und 5,
114mitteilt, es lägen keine offiziellen statistischen Informationen vor, ob Dublin-Rückkehrer regelmäßig oder ausnahmsweise inhaftiert werden und es seien keine Fälle von willkürlicher Behandlung bekannt, steht dies im Widerspruch zum Country Report aida 2015 und zum oben zitierten Bericht des Europäischen Kommissars für Menschenrechte. Der Country Report aida 2015 beschreibt detailliert, basierend auf Statistiken des OIN die Entwicklung der Inhaftierung von Asylbewerbern. Zur - für die gerichtliche Entscheidung maßgeblichen - aktuellen Situation wird ausgeführt, dass die Inhaftierung zwischenzeitlich zur üblichen Maßnahme geworden sei,
115vgl. Country Report aida 2015, S. 60,
116und zwar sowohl für Asylsuchende, die an der Grenze aufgegriffen werden als auch für diejenigen die sich im Land befinden und für diejenigen, die sich in einem Dublin-Verfahren befinden.
117Vgl. Country Report aida 2015, S. 60.
118Auch der Europäische Kommissar für Menschenrechte weist ausdrücklich darauf hin, dass ein erheblicher Anteil derjenigen, die unter der Dublin III-VO zurückgeschickt werden, derzeit inhaftiert wird.
119Vgl. Commissioner for Human Rights, Third Party Intervention, Nr. 44, zweiter Spiegelstrich und Nr. 41: "Dublin returnees run first of all the risk of being placed in asylum detention, where the conditions give rise to a number of concerns als mentioned above.
120Entscheidend für die nach Auffassung der Kammer durch die Inhaftierungspraxis und die Haftbedingungen vorliegende Verletzung von Art. 3 EMRK sind insoweit nicht primär die absoluten Zahlen von Inhaftierungen - im Zeitpunkt des Besuchs des Europäischen Kommissars für Menschenrechte waren 412 Asylsuchende in Haft, 525 befanden sich in offenen Aufnahmeeinrichtungen. Das Unionsrecht gestattet die Inhaftierung eines Asylbewerbers, wenn dies aus Gründen der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung erforderlich ist und grundsätzlich kann diese Voraussetzung auch bei einer Vielzahl von Asylbewerbern vorliegen.
121Vgl. zur Inhaftierung von Asylbewerbern und zur Interpretation der Richtlinie 2013/33 (sog. Aufnahmerichtlinie): EuGH, Urteil vom 15. Februar 2016 - C-601/15 PPU, Pressemitteilung Nr. 13/16, www.curia.europa.eu.
122Ausschlaggebend für die hier vorliegende Verletzung von Art. 3 EMRK ist vielmehr der Umstand, dass nach den vorliegenden Erkenntnissen die Inhaftierungen in Ungarn völlig willkürlich und unverhältnismäßig erfolgen und zwar so, dass grundsätzlich jeder Asylbewerber betroffen sein kann.
123Vgl. Commissioner for Human Rights, Third Party Intervention, Nr. 22: Der Kommissar rügt, dass es keine klare Erklärung dafür gebe, warum einige Asylbewerber inhaftiert würden, andere in offenen Aufnahmeeinrichtungen untergebracht würden und anderen die Weiterreise in Mitgliedstaaten erlaubt werde. Vgl. auch EGMR, Urteil vom 22. September 2015 - 62116/12 (Nabi u.a. ./. Ungarn) - Verletzung von Art. 5 EMRK durch willkürliche Haftentscheidung.
124Selbst sogenannte vulnerable Personen werden inhaftiert, da nicht geprüft wird, ob es sich um besonders schutzbedürftige Antragsteller handelt, mildere Maßnahmen werden in der Regel nicht in Erwägung gezogen.
125Vgl. Country Report aida 2015, S. 67 oben.
126Die Betroffenen werden in keiner nachvollziehbaren Weise über die Gründe der Inhaftierung informiert. Eine einzelfallbezogene Begründung der Haftanordnung fehlt regelmäßig.
127Vgl. Commissioner for Human Rights, Third Party Intervention, Nr.16.
128Da Ungarn bereits den illegalen Grenzübertritt kriminalisiert, stellt ein Asylbewerber - nach ungarischer Interpretation - faktisch immer eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar.
129Vgl. Country Report aida 2015, S. 61 oben.
130Hinsichtlich der - im Ergebnis völlig ineffektiven - Rechtsschutzmöglichkeiten gegen eine Inhaftierung verweist der Country Report aida 2015 auf die bereits 2014 vom Ungarischen Helsinki Komitee gerügten Mängel, an denen sich nichts geändert habe.
131Vgl. Country Report aida 2015, S. 68; ebenso Commissioner for Human Rights, Third Party Intervention, Nr. 16 a.E.
132Im Übrigen verweist der Country Report aida 2015 darauf, dass die Inhaftierung von Dublin-Rückkehrern auch als Druckmittel benutzt werde, um eine schriftliche Rücknahme des Asylantrags zu erreichen, was einerseits zwar die Entlassung aus der Haft zur Folge habe, die Antragsteller aber andererseits künftig auf einen Folgeantrag beschränke.
133Vgl. Country Report aida 2015, S. 24, Buchstabe (c).
134Hinzu kommen die Haftbedingungen, die der Europäische Kommissar für Menschenrechte als teilweise besorgniserregend umschreibt. Er berichtet, dass er während seines Besuches inhaftierte Asylantragsteller beobachtet habe, die gefesselt und angeleint zu Terminen außerhalb der Haftanstalt gebracht worden seien.
135Vgl. Commissioner for Human Rights, Third Party Intervention, Nr. 21; ebenso: Country Report aida 2015, S. 65.
136Weiter wird von aggressivem Verhalten der Polizisten berichtet, die in den Haftanstalten für Sicherheit sorgen sollen, von mangelhaften Wohnbedingungen wie fehlende Toilettentüren, nicht funktionierende Wasserhähne, schlechtes, stinkendes Wasser, das zu Hautausschlägen führt, unterkühlten Räumen usw.
137Vgl. Country Report aida 2015, S. 65.
138Im Dezember 2015 wurde aus der Asylhaftanstalt Nyirbátor gemeldet, dass die Gebäude von Bettwanzen befallen seien und die Insassen trotz Kälte nur in Bettlaken gehüllt seien.
139Vgl. Commissioner for Human Rights, Third Party Intervention, Nr. 19.
140Diese Haftbedingungen stellen eine erniedrigende Behandlung dar, die mangelnden Respekt für die menschliche Würde zeigt.
141Im Übrigen ist nach dem Bericht des Europäischen Kommissars für Menschenrechte von einer weiteren Verschlechterung der Inhaftierungspraxis und der -bedingungen auszugehen, denn der Kommissar wurde anlässlich seines jüngsten Besuches darüber informiert, dass die Haftkapazitäten erweitert worden sind, während die offene Unterbringungseinrichtung in Debrecen geschlossen wurde. Zudem wurden die bislang zwingenden Anforderungen an die pro Person vorzuhaltenden Quadratmeter für die Unterbringung in den Zellen sowie für ihre Bewegungsfreiheit umgewandelt in nicht bindende Empfehlungen.
142Vgl. Commissioner for Human Rights, Third Party Intervention, Nr. 25 und 26 m.w.N.
143Nach allem steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die von Willkür gezeichnete Inhaftierungspraxis sowie die gegen die Menschenwürde verstoßenden Haftbedingungen zusammen betrachtet, eine erniedrigende Behandlung für die betreffende Person darstellen, die das für eine Verletzung von Art. 3 EMRK geforderte Maß übersteigen und dass auch der Kläger von der damit vorliegenden Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle der Überstellung nach Ungarn konkret bedroht ist.
144Die Kammer sieht sich an dieser Bewertung der Inhaftierungspraxis und der Haftbedingungen nicht durch die Rechtsprechung des EGMR gehindert, dessen Rechtsprechung zwar grundsätzlich über den jeweils entschiedenen Einzelfall hinaus eine Orientierungs- und Leitfunktion zukommt und der mit Urteil vom 3. Juli 2014 - 71932/12 - im Ergebnis festgestellt hat, dass systemische Mängel hinsichtlich der - damaligen - Inhaftierungspraxis Ungarns nicht vorliegen und ein tatsächliches Risiko einer schwerwiegenden Beeinträchtigung im Sinne des Art 3 EMRK bei einer Rückkehr nach Ungarn nicht besteht. Wie bereits oben ausgeführt, haben sich jedoch sowohl die rechtlichen Grundlagen als auch die Praxis in Ungarn zwischenzeitlich verändert. Auf diese veränderte Sach- und Rechtslage weist auch die Europäische Kommission in einer Antwort vom 30. Oktober 2015 hin, wonach die zuständige Generaldirektion der Europäischen Kommission wiederholt Erfahrungsberichte verschiedener, vor Ort tätiger Einrichtungen erhalte, die Anlass zur Sorge in Bezug auf das Funktionieren des ungarischen Asylverfahrens gebe. Auch wenn sich die Kommission zum damaligen Zeitpunkt mit Blick auf die sich vor Ort ständig ändernde Situation nicht in der Lage sah, objektive, gleichermaßen zuverlässige wie gültige Informationen über das tatsächliche Funktionieren des ungarischen Asylsystems zu geben, verwies sie auf die - nach wie vor aktuelle - Rechtsprechung des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs, der zumindest vorläufig zu Recht erkannt habe, dass im Rahmen von Eilverfahren die Sicherheitsvermutung für Ungarn aufgrund notorischer Lageveränderung in Verbindung mit der im Verfahren vorgebrachten substantiierten Kritik an den dortigen Verhältnissen als widerlegt zu erachten sei. Weiter wird darauf hingewiesen, dass die Kommission die Vereinbarkeit der aktuellen ungarischen Rechtslage u.a. im Bereich des Asylrechts prüfe.
145Vgl. zur aktuellen österreichischen Rechtsprechung z.B.: Bundesverwaltungsgericht, Erkenntnis vom 13. Januar 2016 - W185 2114757-1, abrufbar unter: www.ris.bka.gv.at; vgl. auch zur schweizerischen Rechtsprechung: Neue Zürcher Zeitung, "Marschhalt bei Dublin-Fällen - Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts" vom 26. Februar 2016, wonach das Plenum der zuständigen Richter beim Bundesverwaltungsgericht am 23. Februar 2016 entschieden habe, dass bis auf Weiteres keine Abweisungen in Dublin-Verfahren betreffend Ungarn gemacht werden und ein Entscheid des Staatssekretariats für Migration abgewartet werde.
146Überdies hat der EGMR im Verfahren 44181/15 unter dem 9. September 2015 von der "Rule 39" Gebrauch gemacht und eine Dublin-Überstellung von Österreich nach Ungarn ausgesetzt. Art. 39 der Verfahrensordnung (VerfO) des EGMR (Rule 39 der Rules of the Court) regelt vorläufige Maßnahmen, die nach der ständigen Praxis des Gerichtshofs nur dann ergehen, wenn eine unmittelbare Gefahr nicht wiedergutzumachenden Schadens droht. Der EGMR hat zur Vorgängerregelung des Art. 36 VerfO u.a. ausgeführt, dass im Falle einer drohenden Abschiebung eine Eilanordnung nur dann ergehe, wenn der Beschwerdeführer behaupte, im Empfangsstaat möglicherweise einer Behandlung unter Verletzung von Art. 2 und/oder 4 EMRK ausgesetzt zu sein und wenn ein bestimmtes Maß an Wahrscheinlichkeit für diese Behauptung bestehe. Der Kommission müssten Beweise vorgelegt werden, die das Bestehen einer solchen Gefahr belegten.
147Vgl. Markard, Die "Rule 39" des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Asylmagazin 1-2/2012, S. 3, 4.
148Offensichtlich ist der EGMR nunmehr im Falle Ungarns vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ausgegangen.
149III. Die in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids verfügte Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ebenfalls rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens nach § 27a AsylG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Da aus den oben genannten Gründen Ungarn für die Durchführung des Asylverfahrens nicht zuständig ist, lässt sich auch die Abschiebungsanordnung nach Ungarn nicht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG stützen.
150Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.
(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.
(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.