Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz Urteil, 13. Mai 2014 - VGH B 35/12

ECLI:ECLI:DE:VERFGRP:2014:0513.VGHB35.12.0A
bei uns veröffentlicht am13.05.2014

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Tatbestand

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich unmittelbar gegen Vorschriften des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags, der als Art. 1 des Fünfzehnten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 17. Dezember 2010 mit dem Landesgesetz zu dem Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 23. November 2011 (GVBl. 385) gemäß Art. 101 Satz 2 der Verfassung für Rheinland-Pfalz – LV – in das Landesrecht übernommen wurde.

I.

2

Durch den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag wurde die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zum 1. Januar 2013 grundlegend geändert. Kern der Neugestaltung ist die Ablösung des bisherigen geräteabhängigen Finanzierungssystems durch ein geräteunabhängiges Wohnungs-/Betriebsstättenbeitragsmodell.

3

1. Der bis zum 31. Dezember 2012 geltende Rundfunkgebührenstaatsvertrag begründete eine Gebührenpflicht für jedes zum Empfang bereitgehaltene Rundfunkempfangsgerät. Die Grundgebühr betrug zuletzt für jedes Empfangsgerät 5,76 € und für jedes Fernsehgerät zusätzlich 12,22 €. Für weitere Rundfunkempfangsgeräte (Zweitgeräte), die von einer natürlichen Person in ihrer Wohnung oder ihrem Kraftfahrzeug zum Empfang bereitgehalten wurden, war keine Rundfunkgebühr zu leisten, sofern diese nicht zu anderen als privaten Zwecken genutzt wurden. Für von juristischen Personen sowie in nicht ausschließlich privat genutzten Räumen oder Kraftfahrzeugen bereitgehaltene Empfangsgeräte bestand hingegen eine uneingeschränkte Gebührenpflicht.

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2. In Folge der Etablierung des Internets sowie der zunehmenden technischen Gerätekonvergenz, d. h. der zunächst nur den Rundfunk-, später auch den Fernsehempfang einschließenden Multimedialität von Kommunikationsgeräten, erfuhr die an „klassischen“ Radio- und Fernsehgeräten ausgerichtete Gebührenregelung eine zunehmend kritische Betrachtung. Hinzu traten Kontroll- und Vollzugsschwierigkeiten. Insbesondere der sogenannte Beauftragtendienst der Rundfunkanstalten geriet vermehrt in die Kritik. Die Rundfunkanstalten verzeichneten darüber hinaus einen starken Rückgang von Geräteanmeldungen und schlossen hieraus auf eine schwindende gesellschaftliche Akzeptanz – und Befolgung – der bisherigen Rundfunkgebührenpflicht (vgl. 17. KEF-Bericht vom Dezember 2009, Tz. 460). Das Bundesverwaltungsgericht befürchtete vor diesem Hintergrund zunehmende Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der Gebührenpflichtigkeit und damit der Gewährleistung der Abgabengerechtigkeit; der Gesetzgeber müsse deshalb die Entwicklung genau beobachten (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2010 – 6 C 12.09 –, NJW 2011, 946 [952]). Das Bundesverfassungsgericht hingegen verneinte ein gleichheitswidriges Erhebungsdefizit aufgrund struktureller Erhebungsmängel, da die Nichtanzeige anzeigepflichtiger Rundfunkempfangsgeräte mit einem angemessenen Entdeckungsrisiko verbunden sei (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 17. Februar 2011 – 1 BvR 2480/08 –, NVwZ-RR 2011, 466, vom 17. März 2011 – 1 BvR 3255/08 –, NVwZ-RR 2011, 465 [466], und vom 22. August 2012 – 1 BvR 199/11 –, NJW 2012, 3423 [3424]).

5

3. Aufgrund der Überzeugung, das geräteabhängige Finanzierungssystem sei auf Dauer nicht zukunftsfähig, beauftragte die Ministerpräsidentenkonferenz vom 19./20. Oktober 2006 die Rundfunkkommission der Länder, alternative Lösungen zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu erarbeiten. Auf der Grundlage deren Vorüberlegungen beschlossen die Ministerpräsidenten im Jahr 2007 die Ausarbeitung einer geräteunabhängigen Haushalts- und Unternehmensabgabe. Mit dem Fünfzehnten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom Dezember 2010 wurden sodann ein neuer Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV – beschlossen, der bisherige Rundfunkgebührenstaatsvertrag aufgehoben und die geräteabhängige Gebühr durch ein geräteunabhängiges Wohnungs-/Betriebsstättenbeitragsmodell abgelöst. Danach ist nunmehr vorgesehen, dass im privaten Bereich für jede Wohnung sowie im nicht privaten Bereich für jede Betriebsstätte von deren Inhabern ein Rundfunkbeitrag zu entrichten ist. Dieser beträgt gemäß § 8 Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag – RFinStV – in der Fassung des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags monatlich 17,98 €. Während für Wohnungen ein voller Beitrag zu entrichten ist, hängt die Beitragshöhe für Betriebsstätten von der Zahl der dort im Jahresdurchschnitt Beschäftigten ab. Sie liegt zwischen einem Drittel des Beitrags und 180 Beiträgen für Betriebsstätten mit 20.000 oder mehr Beschäftigten. Darüber hinaus ist für jedes Kraftfahrzeug, das zu gewerblichen Zwecken, einer anderen selbständigen Erwerbstätigkeit oder zu gemeinnützigen oder öffentlichen Zwecken genutzt wird, jeweils ein Drittel des Rundfunkbeitrags zu entrichten, wobei jeweils ein Fahrzeug für jede beitragspflichtige Betriebsstätte beitragsfrei ist. Zudem werden die Landesrundfunkanstalten zur Datenerhebung ermächtigt und die Meldebehörden verpflichtet, der jeweils zuständigen Landesrundfunkanstalt einmalig zu einem bestimmten Stichtag den Namen, Familienstand und Geburtstag sowie die Anschrift und den Tag des Wohnungseinzugs aller volljährigen Personen zu übermitteln (§ 14 Abs. 9 RBStV). Des Weiteren begründet der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag Anzeige- und Auskunftspflichten für Inhaber von Wohnungen, Betriebsstätten und Kraftfahrzeugen (§§ 8, 14 Abs. 2 RBStV) sowie von Beitragsschuldnern und Personen oder Rechtsträgern, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie Beitragsschuldner sind und dies nicht oder nicht umfassend angezeigt haben (§ 9 Abs. 1 RBStV). Verstöße gegen Anzeigepflichten werden als Ordnungswidrigkeit geahndet (§ 12 RBStV).

6

4. Der Landtag Rheinland-Pfalz stimmte dem Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag mit § 1 des Landesgesetzes zu dem Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 23. November 2011, veröffentlicht im Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 19 vom 30. November 2011, zu.

II.

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Mit ihrer am 29. November 2012 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2, 4a Abs. 1 und 2, Art. 6 Abs. 3, Art. 10 Abs. 1 Satz 1, Art. 17 Abs. 1 und 2, Art. 52 Abs. 1 und 2 sowie Art. 60 Abs. 1 LV.

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Sie beschäftigt an ihrem Hauptsitz … Mitarbeiter sowie insgesamt … Mitarbeiter in drei weiteren Niederlassungen. Auf sie sind … Kraftfahrzeuge zugelassen. Danach beläuft sich ihre Beitragspflicht auf … € monatlich bzw. … € im Jahr. Zur Begründung ihrer Verfassungsbeschwerde führt sie aus:

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1. Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig. Insbesondere bedürfe es keiner vorherigen Rechtswegerschöpfung. Die angegriffenen Vorschriften wirkten ohne Dazwischentreten eines weiteren Vollzugsakts in ihren Rechtskreis ein. Es sei ihr nicht möglich und auch nicht zumutbar, hiergegen zunächst Rechtsschutz vor den Fachgerichten zu suchen, da sie von der Datenerhebung bei Dritten nach § 9 Abs. 1, § 11 Abs. 3, 4 RStV keine Kenntnis erhalte und weil die Nichterfüllung der Anzeige- und Beitragspflichten mit einer Geldbuße bewehrt sei.

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2. Die Beitragspflicht gemäß §§ 5 bis 7 RBStV greife in ihre Informationsfreiheit, ihre Wirtschafts- und Gewerbefreiheit, ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie in den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes ein und verletze zudem mit der Differenzierung nach der Zahl der beschäftigten Mitarbeiter sowie der zugelassenen Kraftfahrzeuge den Grundsatz der Gleichbehandlung.

11

Diese Grundrechtseingriffe seien bereits deshalb nicht gerechtfertigt, weil die Beitragsregelungen nicht dem Bestimmtheitsgebot genügten. Der Begriff der „(nicht) privaten Zwecke“ sei uferlos. Die Festlegung der Beitragsfälligkeit auf die Mitte „eines“ Dreimonatszeitraums lasse zudem nicht erkennen, welcher Zeitraum für welchen Beitrag gelte.

12

Die Beitragspflicht sei darüber hinaus unverhältnismäßig. Die Differenzierung der Beitragshöhe zwischen privatem und nicht privatem Bereich, die Privilegierung gemeinnütziger und bestimmter öffentlicher Einrichtungen, die doppelte Berücksichtigung von Beschäftigten und Fahrzeugen sowie die Degression der Beitragshöhe je nach Zahl der Beschäftigten führten zu einer unzumutbaren Belastung.

13

Der nicht private Bereich werde durch die Anknüpfung an die Zahl der Beschäftigten sowie durch die Beitragspflicht für jedes Firmenfahrzeug erheblich stärker belastet als der private, ohne dass einer der anerkannten finanzverfassungsrechtlichen Rechtfertigungsgründe hierfür vorliege. Gleiches gelte für die Beitragsermäßigung für öffentliche Einrichtungen. Auch die Gemeinnützigkeit von Einrichtungen sei für eine Typisierung unterschiedlicher beitragsrechtlicher Vorteile ungeeignet. Eine weitere Ungleichbehandlung liege in der Befreiung von Rundfunkveranstaltern von der Rundfunkbeitragspflicht gemäß § 5 Abs. 6 Nr. 1 RBStV. Die Herausnahme einzelner Betriebsstätteninhaber von der Beitragspflicht könne insbesondere nicht mit der Verhinderung einer „Zahlungspflicht an sich selbst“ sowie mit der bezweckten Finanzierung der „Gesamtveranstaltung Rundfunk“ gerechtfertigt werden. Schließlich sei auch die Differenzierung nach Mitarbeiterzahl und zugelassenen Fahrzeugen unverhältnismäßig. Die gewählte Beitragsdegression führe zu einer Begünstigung kleiner und großer gegenüber mittleren Unternehmen mit 50 bis 250 Mitarbeitern. Der zusätzliche Kfz-Beitrag lasse zudem unberücksichtigt, dass die Mitarbeiterbenutzung bereits über die Betriebsstätte abgegolten werde, ohne dass ein Firmenfahrzeug zu einer größeren Nutzungsintensität führe.

14

Die vorgenannten Rechtsverletzungen erstreckten sich auch auf die Bußgeldbewehrung in § 12 Abs. 1 Nr. 3 RBStV. Wegen der Unbestimmtheit der Fälligkeitsregelung in § 7 Abs. 3 RBStV verstoße die Bußgeldandrohung zudem gegen das Rückwirkungsverbot.

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3. Die Anzeige-, Auskunfts- und Nachweispflichten nach §§ 8, 9 Abs. 1, § 14 Abs. 2 RStV griffen in den Schutzbereich des Art. 2 LV, des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, der Meinungsfreiheit sowie der Wirtschafts- und Gewerbefreiheit ein und verletzen den Gleichbehandlungsgrundsatz sowie das Willkürverbot.

16

Die Anzeigepflicht nach § 8 Abs. 1 und 4 RBStV sei unverhältnismäßig, weil nicht alle mitzuteilenden Daten erforderlich seien. Die Pflicht zur Vorlage von Nachweisen und Tatsachenangaben nach § 8 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Satz 5, § 14 Abs. 2 RBStV lasse nicht erkennen, ob darunter (nur) eine verbindliche Aufforderung durch rechtsmittelfähigen Bescheid oder auch ein formloses Aufforderungsschreiben falle. Zudem fehle es an einer hinreichenden Bestimmung der vorzulegenden Nachweise. Darüber hinaus könnten nach § 9 Abs. 1 Satz 4 und 5 RBStV ohne tatbestandliche Eingrenzung weitere Daten erhoben und entsprechende Nachweise verlangt werden. Schließlich sei auch die Ungleichbehandlung privater und nicht privater Teilnehmer in § 41 Abs. 1 und 2 RBStV nicht gerechtfertigt.

17

Diese verfassungsrechtlichen Bedenken erfassten auch die an die Verletzung der vorgenannten Pflichten anknüpfende Bußgeldandrohung in § 12 Abs. 1 Nr. 1 und 2 RBStV. Im Falle des § 12 Abs. 1 Nr. 2 RBStV komme hinzu, dass § 12 erst am 1. Januar 2013 in Kraft trete, jedoch hinsichtlich § 14 Abs. 2 RBStV an bereits abgeschlossene Sachverhalte anknüpfe und damit eine unzulässige echte Rückwirkung entfalte.

18

4. Die weitere Verarbeitung erhobener Daten und die sonstige Datenerhebung nach §§ 11, 14 Abs. 9 verletzten das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Ermöglicht werde eine nahezu schrankenlose Datenerhebung bei öffentlichen und nicht-öffentlichen Stellen ohne Kenntnis des Betroffenen. Schließlich greife die in § 14 Abs. 6 Satz 2 RBStV geregelte Fortgeltung von Lastschrift- und Einzugsermächtigungen in Art. 2 LV sowie in die Wirtschafts- und Gewerbefreiheit ein. Der Eingriff sei schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil dem Landesgesetzgeber hierfür die Gesetzgebungskompetenz fehle.

III.

19

Zu der Verfassungsbeschwerde haben der Landtag und die Landesregierung Stellung genommen.

20

1. Der Landtag erachtet die Verfassungsbeschwerde als zulässig, aber unbegründet.

21

a) Insbesondere verletzten die Beitragspflichten für Betriebsstätten und Kraftfahrzeuge nicht die allgemeine Handlungsfreiheit.

22

Das Land habe die Gesetzgebungskompetenz für die Regelung des Rundfunkbeitrags. Hierbei handele es sich nicht um eine Steuer im Sinne des Art. 105 Grundgesetz – GG –. Der Rundfunkbeitrag werde nicht unabhängig von einem erhaltenen Vorteil erhoben. Er knüpfe vielmehr an das Innehaben einer Wohnung, einer Betriebsstätte oder eines Kraftfahrzeuges an, weil der Gesetzgeber unter Zugrundelegung einer typisierenden Betrachtungsweise davon ausgehe, dass in diesen Raumeinheiten die Möglichkeit der Rundfunknutzung bestehe, welche durch den Beitrag abgegolten werde. Aufgrund dieser Beschränkung des Kreises der Zahlungspflichtigen auf Personen, die einen individualisierten Vorteil angeboten erhalten, handele es sich nicht um eine Zwecksteuer.

23

Die Regelung der Rundfunkbeiträge sei auch materiell verfassungsgemäß. Insbesondere seien die Beitragspflichten angemessen. Vorzugslasten seien finanzverfassungsrechtlich regelmäßig gerechtfertigt, wenn mit ihnen ein besonderer, staatlich übertragener Vorteil ausgeglichen werde. Hierbei dürfe der Gesetzgeber eine typisierende Betrachtungsweise zugrunde legen. Aufgrund des technologischen Fortschritts bestehe heutzutage ausweislich statistischer Erhebungen in nahezu allen Wohnungen und Betriebsstätten die Möglichkeit zum Rundfunkempfang. Für den nicht privaten Bereich stünden zwar keine entsprechenden Daten zur Verfügung, der Gesetzgeber dürfe jedoch, gestützt auf allgemeine Erfahrungswerte, auch insoweit von einer nahezu 100-prozentigen Ausstattungsquote ausgehen.

24

Auszugleichender Vorteil sei nicht die erstmalige Rundfunkempfangsmöglichkeit, sondern eine wohnungsunabhängige Empfangsmöglichkeit in einer zusätzlichen Empfangssituation. Im Betrieb wie auch im Kraftfahrzeug werde gegenüber der Nutzung im Privathaushalt eine neue Nutzungssituation geschaffen. Hierbei differenziere der Gesetzgeber nach der Intensität der Rundfunknutzung. Insoweit habe er dem Umstand, dass es bei Betrieben nicht zu einer linearen Steigerung des Nutzens mit der Zahl der Beschäftigten komme, durch eine Degression innerhalb der Staffelung Rechnung getragen, die zugleich vor einer übermäßigen Abgabenbelastung schütze. Auch für Kraftfahrzeuge gelte mit einem Drittelbeitrag eine niedrigere Beitragsbelastung, welche durch die steuerliche Absetzungsmöglichkeit weiter verringert werde.

25

b) Die Anzeige-, Auskunfts- und Nachweispflichten verstießen nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Es könne dahingestellt bleiben, ob sich auch juristische Personen auf Art. 4a LV berufen könnten. Jedenfalls seien die Eingriffe gerechtfertigt. Der Regelung des § 12 Abs. 1 Nr. 2 RBStV komme zudem keine Rückwirkung zu. Hierbei handele es sich vielmehr offenkundig um ein gesetzgeberisches Versehen.

26

c) Die Ausgestaltung der Beitragspflicht verletze des Weiteren nicht den Gleichbehandlungsgrundsatz.

27

Bei Massenverfahren wie dem Rundfunkbeitragseinzug müsse der Gesetzgeber nicht jedem konkreten Einzelfall gerecht werden, sondern lediglich Typengerechtigkeit herstellen. Rundfunkbeiträge dienten nicht allein der Einnahmeerzielung, sondern darüber hinaus dem Vorteilsausgleich. Maßgeblich für die Höhe der Beiträge sei nach dem Willen des Gesetzgebers der mögliche kommunikative Nutzen, wofür wiederum die Anzahl der Personen herangezogen werde. Im Rahmen einer typisierenden Betrachtungsweise habe er daran anknüpfen können, dass auch innerhalb von Betriebsstätten insbesondere Radiogeräte der Information, Unterhaltung und Musikuntermalung dienten und dass zudem regelmäßig eine PC-Ausstattung vorhanden sei. Der Inhaber der Betriebsstätte biete seinen Beschäftigten daher auch im Betrieb Unterhaltung und Information. Allenfalls in zahlenmäßig geringen, atypischen Fällen bestehe keine tatsächliche Möglichkeit eines Rundfunkempfangs.

28

Der Berücksichtigung der Personenzahl allein im nicht privaten Bereich liege zugrunde, dass im privaten Bereich regelmäßig weniger Personen über die Möglichkeit der Rundfunknutzung verfügten und sich die Gruppen zudem in der finanziellen Leistungsstärke unterschieden. Die unterschiedliche Nutzungsintensität wiederum werde dadurch berücksichtigt, dass für jeden Mitarbeiter nur der Bruchteil eines Beitrags zu entrichten sei. Auch die unterschiedliche Beitragspflicht für Kraftfahrzeuge sei gerechtfertigt. Sie entspreche dem einheitlichen systematischen Grundsatz des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags, bestimmte Raumeinheiten zu erfassen, in denen üblicherweise eine Rundfunknutzung stattfinde. Ob eine neue Nutzungssituation geschaffen werde, unterfalle dem gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum. Im privaten Bereich würden deutlich weniger Fahrzeuge benutzt, wohingegen Firmen häufig größere Fahrzeugflotten einsetzten, die der Gewinnerzielung dienten. Zudem finde hier teilweise eine überdurchschnittlich intensive Rundfunknutzung statt. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass für das erste Fahrzeug kein und für weitere Fahrzeuge nur ein Drittelbeitrag gezahlt werden müsse.

29

Auch die Ungleichbehandlungen innerhalb des nicht privaten Bereichs seien gerechtfertigt. Bei der Befreiung von der Rundfunkfinanzierung habe der Gesetzgeber einen besonders weiten Ermessensspielraum. Die Freistellung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten von der Beitragspflicht diene der Vermeidung eines Insichgeschäfts mit zusätzlichem Verwaltungsaufwand. Die Befreiung privater Rundfunkanbieter wiederum solle verhindern, dass diese ihre öffentlich-rechtliche Konkurrenz mitfinanzieren müssten. Die Staffelung der Beitragshöhe nach der Mitarbeiterzahl sei ein Korrektiv, um kleine Betriebe weniger zu belasten als größere. Durch die Degression wiederum werde eine übermäßige Belastung größerer Betriebe verhindert. Nicht zuletzt die sehr enge Definition des Beschäftigtenbegriffs führe dazu, dass 90 v.H. aller Betriebsstätten unter die ersten beiden Staffelstufen fielen, wovon 70 v.H. sogar nur gemäß der ersten Staffelstufe einen Drittelbeitrag schuldeten.

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2. Die Landesregierung erachtet bereits die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde als zweifelhaft. Die Beschwerdeführerin sei lediglich insoweit beschwerdebefugt, als sie eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sowie der allgemeinen Handlungsfreiheit rüge. Auch insoweit habe es jedoch eventuell der vorherigen Erschöpfung des Rechtswegs bedurft. Dessen ungeachtet, sei die Verfassungsbeschwerde jedenfalls unbegründet.

31

a) Die überkommene Rundfunkfinanzierung durch eine geräteabhängige, nach Hörfunk und Fernsehen differenzierende Gebühr habe durch die mit der Digitalisierung einhergehende Konvergenz der Übertragungswege, Endgeräte und Märkte derart an Durchsetzungskraft verloren, dass eine grundsätzliche Neuordnung der Rundfunkfinanzierung zur Sicherstellung der verfassungsrechtlich geforderten Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unausweichlich geworden sei. Insbesondere die zunehmende Portabilität vieler Geräte habe vor allem im nicht privaten Bereich die notwendige Erhebung ihrer Anzahl aussichtslos gemacht. Hinzu gekommen sei eine abnehmende Bereitschaft der Bevölkerung, Geräte anzumelden, mit der Folge, dass in Großstädten annähernd jeder Vierte seiner Abgabenpflicht nicht nachgekommen sei. Das Ziel der Belastungsgleichheit sei daher gefährdet gewesen.

32

Vor diesem Hintergrund seien seit dem Jahr 2000 mehrere Reformmodelle diskutiert worden, unter denen sich das geräteunabhängige Beitragsmodell durchgesetzt habe. Eine Steuerfinanzierung hätte eine Verfassungsänderung erfordert, die zu erreichen jedoch als unwahrscheinlich erachtet worden sei. Zudem sei eine solche steuerrechtliche Lösung mit weiteren kompetenz- und ertragsrechtlichen Problemen verbunden. Hinzu komme, dass die Staatsferne des Rundfunks erfordere, dass der auf die Rundfunkfinanzierung entfallende Teil des Steueraufkommens durch die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten – KEF – hätte festgesetzt und weiteren haushaltsrechtlichen Debatten entzogen werden müssen; dies wiederum sei jedoch mit der Budgethoheit des Parlaments nicht zu vereinbaren. Eine bloße Modifizierung der Rundfunkgebühr durch eine widerlegbare Vermutung, dass in Wohnungen und Betriebsstätten Rundfunkgeräte vorhanden sind, hätte die strukturellen Erhebungs- und Vollzugsdefizite nicht beseitigen können; ein solches Modell wäre weiterhin auf eine intensive Kontrolle angewiesen gewesen und hätte die grundrechtlich geschützten Sphären der Rundfunkteilnehmer erheblich stärker belastet als das nunmehr gewählte Beitragsmodell.

33

b) Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag sei formell verfassungsgemäß. Insbesondere hätten die Länder die Gesetzgebungskompetenz. Diese folge als Annexkompetenz aus Art. 70 ff. GG, da es sich bei dem Rundfunkbeitrag um einen Beitrag im abgabenrechtlichen Sinne und nicht um eine Steuer handele. Der Rundfunkbeitrag entgelte wie zuvor die Rundfunkgebühr den Vorteil, der in dem möglichen Empfang von Rundfunksendungen liege. Zur Bestimmung dieses Vorteils habe der Gesetzgeber, gestützt auf statistische Erhebungen und die allgemeine Lebenserfahrung, aufgrund einer generalisierenden, typisierenden und pauschalierenden Betrachtung auf die Räumlichkeiten abgestellt, in welchen Rundfunkempfang möglich sei und typischerweise stattfinde. Dem entsprechend sehe § 4 Abs. 6 RBStV eine Härtefallregelung für Wohnungen vor, in denen ein Rundfunkempfang objektiv ausgeschlossen sei. Dass sich der Rundfunkbeitrag „gefühlt“ von anderen gängigen Beitragskonstellationen unterscheide, sei durch die Besonderheit der Rundfunkfinanzierung als staatsfern ausgestaltete Finanzierung einer Leistung bedingt, welche von so vielen Personen in Anspruch genommen werden könne, dass sich die Abgabenerhebung als Massenphänomen darstelle. Die große Zahl potenzieller Abgabenpflichtiger sei jedoch kein Alleinstellungsmerkmal der Steuer.

34

c) Die typisierende Anknüpfung an Wohnungen, Betriebsstätten und Kraftfahrzeuge verstoße darüber hinaus nicht gegen den Gleichheitssatz nach Art. 17 Abs. 1 und 2 LV, da für die in § 5 RBStV vorgenommenen Differenzierungen sachliche Gründe von hinreichendem Gewicht bestünden.

35

Die Unterschiede in der Beitragshöhe zwischen privatem und nicht privatem Bereich beruhten auf der unterschiedlichen Nutzungsintensität. Innerhalb des nicht privaten Bereichs sei die Anknüpfung an die Beschäftigtenzahl ein geeigneter Maßstab, der steigenden Intensität des potenziellen Rundfunkempfangs Rechnung zu tragen. Einer Differenzierung bedürfe es, da bei einem identischen Beitrag für alle Betriebsstätten ein Bankenhochhaus in Frankfurt mit dem gleichen Beitrag belastet würde wie die „Würstchenbude um die Ecke“. Gerade bei der Ordnung von Massenerscheinungen bleibe dem Gesetzgeber im Rahmen sachgerechter Abwägung aus Gründen der Praktikabilität und Rechtssicherheit ein Spielraum für vereinfachende Typisierungen und Pauschalierungen. So scheide etwa eine Unterscheidung nach Branchen aus, weil zum einen auch innerhalb einer Branche erhebliche Unterschiede in der Betriebsgröße bestehen könnten und es zum anderen schwierig oder gar unmöglich sei, ein Raster zu entwickeln, in das sich sämtliche denkbaren, auch teilweise „hybriden“ Formen von Betriebsstätten einordnen ließen. Die Staffelregelung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages enthalte eine Degression, da zwar mit der Anzahl der Beschäftigten die potenzielle Inanspruchnahme des Rundfunks steige, aber nicht linear zunehme. Die Kappungsgrenze wiederum diene der Verhinderung einer übermäßigen Abgabenbelastung. Friktionen seien daher nur insofern denkbar, als der Inhaber mehrerer Betriebsstätten bei identischer Beschäftigtenzahl mehr zahlen müsse als ein Inhaber, dessen Beschäftigte in einer einzigen Betriebsstätte arbeiteten. Auch hierin liege keine unbillige Härte, da einerseits Filialbetriebe den allen Betriebsstätten zukommenden Vorteil der Zuordnung je eines Kraftfahrzeugs zur Betriebsstätte unter Wegfall der Beitragspflicht genössen und zum anderen eine etwaige Rabattregelung für Filialbetriebe eine Bevorzugung gegenüber Inhabern singulärer oder weniger Betriebsstätten bedeutete.

36

Die unterschiedlichen Beitragspflichten für Kraftfahrzeuge im privaten und im nicht privaten Bereich seien schließlich gleichfalls gerechtfertigt. Angesichts der Tatsache, dass in Kraftfahrzeugen von der Möglichkeit des Rundfunkempfangs in besonderer Weise Gebrauch gemacht werde, bedeute ein Verzicht auf eine Beitragserhebung hierfür eine Privilegierung. Diese habe der Gesetzgeber dem privaten Bereich vorbehalten dürfen, weil dort große Fahrzeugflotten undenkbar und zudem Kraftfahrzeuge nur im nicht privaten Bereich steuerlich abzugsfähig seien.

Entscheidungsgründe

B.

37

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, soweit sich die Beschwerdeführerin gegen ihre Rundfunkbeitragspflicht mit der Begründung wendet, diese verletze sie in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 1 Abs. 1 LV sowie in ihren Gleichheitsrechten aus Art. 17 Abs. 1 und 2 LV. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig.

I.

38

Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung geltend macht, kann sie sich zwar grundsätzlich auf Art. 4a LV berufen (1.); dessen Schutzbereich ist jedoch durch die angegriffenen Vorschriften nicht berührt (2.).

39

1. Der durch die rheinland-pfälzische Landesverfassung gewährleistete Datenschutz ist nicht auf natürliche Personen beschränkt. Auch juristische Personen und Personengesellschaften können sich vielmehr hierauf berufen, soweit die staatliche informationelle Maßnahme ihre spezifische Freiheitsausübung, d. h. insbesondere ihre wirtschaftliche Tätigkeit, gefährdet.

40

a) Mit der ausdrücklichen Aufnahme des Datenschutzes in Art. 4a LV hat der verfassungsändernde Gesetzgeber dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung besondere Geltung verschafft. Dessen Grundlage ist – auch nach seiner gesonderten Regelung – das in Art. 1 Abs. 1 LV enthaltene allgemeine Persönlichkeitsrecht. Dieses prägt daher weiterhin den Schutzbereich des Art. 4a LV und ist bei dessen Auslegung ergänzend heranzuziehen (vgl. VerfGH RP, Urteile vom 22. Juni 2004 – VGH B 2/04 –, AS 31, 348 [352], und vom 28. Mai 2009 – VGH B 45/08 –, AS 37, 292 [305]).

41

b) Allerdings verfügen sowohl Art. 4a als auch Art. 1 Abs. 1 LV über einen stark anthropozentrischen Charakter (Gusy, in: Grimm/Caesar, Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2001, Art. 1 Rn. 12). Anders als Art. 2 Abs. 1 GG erfasst ihr Schutzbereich zumindest ihrem Wortlaut nach zunächst natürliche Personen (Rudolf, in: Grimm/Caesar, Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2001, Art. 4a Rn. 15). Gleichwohl steht dies der diesbezüglichen Grundrechtsfähigkeit von juristischen Personen und Personengesellschaften nicht von vornherein entgegen. Zwar unterscheidet die Verfassung den Kreis der (Grundrechts-)Begünstigten u. a. nach „Menschen“, „Deutschen“, „Staatsbürger[n]“, „jedermann“, „niemand“ und „alle“. Auch weisen fast alle übrigen Verfassungsbestimmungen, deren Wortlaut auf den Menschen rekurriert, einen auf natürliche Personen beschränkten Kontext auf. Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos. So ist der in Art. 67 Abs. 1 LV ausgesprochene Appell an „[a]lle in der Wirtschaft tätigen Menschen“, in gemeinschaftlicher Verantwortung an der Lösung der wirtschafts- und sozialpolitischen Aufgaben zur Überbrückung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gegensätze mitzuwirken, nicht auf natürliche Personen beschränkt. Vielmehr sind es nicht nur diese, einschließlich der zu einer Personengesellschaft zusammengeschlossenen Gesellschafter und der für eine juristische Person Tätigen, sondern gerade auch die Unternehmen – unabhängig von ihrer Rechtsform – selbst, die als Arbeitgeber wie auch als Marktteilnehmer „in der Wirtschaft tätig“ sind und folglich von Art. 67 Abs. 1 LV erfasst werden.

42

c) Aus dem Willen des Verfassungsgebers lässt sich gleichfalls kein Ausschluss von juristischen Personen und Personenvereinigungen aus dem Schutzbereich des verfassungsrechtlichen Datenschutzes nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Art. 4a LV herleiten.

43

aa) Der verfassungsändernde Gesetzgeber folgte mit der Einfügung des Art. 4a LV einer Empfehlung der Enquete-Kommission „Verfassungsreform“ (LT-Drucks. 13/5066, S. 11). In dieser hatte die Kommissionsmehrheit zwar entgegen eines auch hinsichtlich des Bezeichnung der Grundrechtsberechtigten („jeder“, „Betroffener“) abweichenden Vorschlags die (engere) Formulierung „Mensch“ gewählt. Der Annahme einer damit einhergehenden Beschränkung des persönlichen Schutzbereichs auf natürliche Personen steht indes entgegen, dass Art. 4a LV an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum informationellen Selbstbestimmungsrecht anknüpft (LT-Drucks. 13/5066, S. 11; 12/5555, S. 39), welches bundesrechtlich in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG verankert und dessen Schutz nicht auf natürliche Personen beschränkt ist, sondern grundsätzlich auch juristische Personen und sonstige Korporationen umfasst (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2007 – 1 BvR 1550/03 u.a. –, BVerfGE 118, 168 [203 ff.]; Urteil vom 17. Juli 1984 – 2 BvE 11/83 u.a. –, BVerfGE 67, 100 [142 f.]). Auch wenn die Enquetekommissionsmehrheit eine Herleitung des Datenschutzes aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht lediglich als Hilfskonstruktion bewertete und eine eigenständige Regelung für notwendig erachtete (LT-Drucks. 12/5555, S. 40), mithin in Art. 4a LV eine hiervon unabhängige Regelung treffen wollte, sollte damit doch keine Verringerung, sondern eine Verstärkung des Grundrechtsschutzes bewirkt werden. Ein Zurückfallen hinter den vom Bundesverfassungsgericht schon vor Einfügung von Art. 4a LV bundesverfassungsrechtlich aus Art. 2 Abs. 1 GG hergeleiteten Standard ist mit dieser Absicht des verfassungsändernden Gesetzgebers unvereinbar.

44

bb) Die grundsätzliche Erstreckung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung auf juristische Personen und Personengesellschaften auch nach der Landesverfassung ergibt sich daneben gleichfalls aus den Erwägungen, welche generell zu der Aufnahme des – in Art. 4a LV nur für einen Teilbereich gesondert geregelten – allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Art. 1 Abs. 1 LV geführt haben.

45

Allerdings wollte der Verfassungsgeber mit Art. 1 Abs. 1 LV die Stellung des Menschen als Zentrum der staatlichen Ordnung hervorheben. Als „Antithese zum Nationalsozialismus“ (Gusy, in: Grimm/Caesar, Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2001, Art. 1 vor Rn. 1) steht das Recht auf Freiheit dem Menschen kraft seiner selbst zu; es folgt unmittelbar aus dem Menschenbild und beruht nicht erst auf staatlicher Verleihung. Dieser Rückbezug der Freiheit auf den Menschen bezweckt jedoch nicht die Abgrenzung natürlicher von juristischen Personen und damit den Ausschluss der Letztgenannten aus dem Schutzbereich. Das anthropozentrische Freiheitskonzept hebt vielmehr die Einzelperson als Träger der Freiheit von dem Staat sowie der Gemeinschaft bzw. dem Kollektiv ab und verdeutlicht damit auch insoweit als Abkehr von jeder totalitären Herrschaft die grundsätzliche Unabhängigkeit individueller Freiheit hiervon. Das Recht des Einzelnen leitet sich nicht vom Staat oder von einer sog. „Volksgemeinschaft“ ab oder ist durch deren Einschränkungen und Bedürfnisse bedingt. „Der Staat ist um des Menschen willen und nicht der Mensch um des Staates Willen da“ (Abg. Dr. Wuermeling, zit. bei Klaas, Die Entstehung der Verfassung für Rheinland-Pfalz, 1978, S. 224). Die freie Entfaltung des Menschen soll letztlich der Allgemeinheit zugute kommen, und zwar in geistiger wie auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Die wissenschaftliche Forschung beispielsweise, so der Abgeordnete Neumayer in den Beratungen der Verfassungskommission, könne nur dann, wenn sie frei sei, Ergebnisse erzielen, welche für die gesamte Menschheit von Bedeutung seien (zit. bei Klaas, Die Entstehung der Verfassung für Rheinland-Pfalz, 1978, S. 262).

46

In diesem Bild eines Dualismus Individuum – Staat stehen die juristischen Personen und sonstige privatrechtliche Korporationen auf der Seite des Individuums. Die Betonung des Menschen ist insbesondere der auch naturrechtlichen Herleitung individueller Freiheit geschuldet; eine generelle Beschränkung des grundrechtlichen Persönlichkeitsschutzes lässt sich hieraus jedoch nicht herleiten. Vielmehr zeigen gerade die Bezugnahme auf die – nicht auf natürliche Personen beschränkte, sondern insbesondere auch von Unternehmen betriebene – wissenschaftliche Forschung wie auch der Hinweis auf die Bedeutung der Freiheit in wirtschaftlicher Hinsicht, dass mit der Hervorhebung des Menschen in Art. 1 Abs. 1 LV keine dahingehende Beschränkung des persönlichen Schutzbereichs verbunden sein sollte. Lediglich insoweit, als das Freiheitskonzept der Landesverfassung Bezüge zur Menschenwürde aufweist sowie dort, wo das allgemeine Persönlichkeitsrecht gerade den Kernbereich der Entscheidungsfreiheit des Menschen schützt, scheidet eine Anwendung auf juristische Personen und auf Personengesellschaften aus.

47

d) Letztlich beantwortet sich die Frage nach der persönlichen Reichweite des verfassungsrechtlichen Datenschutzes daher danach, ob das Grundrecht seinem Wesen nach auf juristische Personen und Personengesellschaften anwendbar ist. Maßgeblich ist, ob der Grundrechtsschutz an Eigenschaften, Äußerungsformen oder Beziehungen anknüpft, welche nur natürlichen Personen wesenseigen sind, oder ob das Grundrecht auch korporativ – und folglich ebenso durch ein „bloßes Zweckgebilde der Rechtsordnung“ – betätigt werden kann. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn juristische Personen und Personengesellschaften einer dem Bürger vergleichbaren grundrechtstypischen Gefährdungslage ausgesetzt sind.

48

Art. 1 Abs. 1 LV speist sich nicht allein aus dem der Verfassung vorausliegenden naturrechtlich begründeten Menschenbild, sondern gleichermaßen aus der Überzeugung, dass die Freiheit des Einzelnen – und damit die ungehinderte Entfaltung dessen Persönlichkeit – im demokratisch-rechtsstaatlichen Verfassungsstaat Grundlage individueller und staatlicher Existenz ist. Die bereits in den Beratungen zur Landesverfassung hervorgehobene Bedeutung auch der geistigen und wirtschaftlichen Freiheit ist nicht auf natürliche Personen beschränkt, sondern ebenso einer unternehmerischen Betätigung in einer gesonderten Rechtsform zu eigen. Staatliche informationelle Maßnahmen können daher auch hinsichtlich juristischer Personen und Personengesellschaften Gefährdungen oder Verletzungen der grundrechtlich geschützten Freiheit herbeiführen und einschüchternd auf die Ausübung von Grundrechten wirken. In dieser Hinsicht besteht ein Schutzbedürfnis, welches demjenigen natürlicher Personen grundsätzlich entspricht. Allerdings ergibt sich insoweit ein Unterschied hierzu, als der Tätigkeitskreis juristischer Personen regelmäßig durch eine bestimmte Zwecksetzung begrenzt wird (BVerfG Beschluss vom 13. Juni 2007 – 1 BvR 1550/03 u.a. –, BVerfGE 118, 168 [203 f.]).

49

2. Der insoweit eröffnete Schutzbereich wird jedoch durch die im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag vorgesehenen Datenerhebungen nicht berührt.

50

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet der Beschwerdeführerin als Personengesellschaft einen Grundrechtsschutz vor Gefährdungen, die von staatlichen informationellen Maßnahmen ausgehen können. Eine grundrechtlich erhebliche Gefährdungslage besteht jedoch nicht stets bereits deshalb, weil eine staatliche Stelle Kenntnisse erlangt, die einen Bezug zu einer bestimmten juristischen Person oder Personengesellschaft und ihrer Tätigkeit aufweisen. Die informationelle Maßnahme muss diese vielmehr einer Gefährdung hinsichtlich ihrer spezifischen Freiheitsausübung aussetzen. Maßgeblich kommt es insoweit insbesondere auf die Bedeutung der betroffenen Informationen für den grundrechtlich geschützten Tätigkeitskreis – im Fall der Beschwerdeführerin also für ihre wirtschaftliche Tätigkeit – sowie auf den Zweck und die möglichen Folgen der Maßnahme an. Insofern bleibt das Schutzbedürfnis von juristischen Personen und von Personengesellschaften hinter demjenigen natürlicher Personen zurück (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2007 – 1 BvR 1550/03 u.a. –, BVerfGE 118, 168 [204]).

51

Die im Rundfunkstaatsvertrag vorgesehenen Datenerhebungen wie auch der Zweck, dem sie dienen, wirken sich nicht auf die wirtschaftliche Betätigung der Beschwerdeführerin aus. Auch wenn der Schutz des Art. 4a i.V.m. Art. 1 Abs. 1 LV insoweit nicht auf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse beschränkt ist, muss die Datenerhebung und -verarbeitung doch grundsätzlich geeignet sein, die wirtschaftliche Verhaltensfreiheit zu beeinträchtigen oder zu gefährden. Die von der Beschwerdeführerin mitzuteilenden Angaben lassen dahingehende Wirkungen allerdings nicht erwarten. Sie betreffen allein die Betriebsinhaberschaft sowie die Zahl der Betriebsstätten, der Beschäftigten und der beitragspflichtigen Kraftfahrzeuge. Diese Angaben muss die Beschwerdeführerin zu anderen Zwecken als denen der Berechnung der Rundfunkbeiträge ohnehin öffentlichen Stellen mitteilen. Auch aus ihrer Zusammenführung bei einer Behörde erwachsen keine Gefahren für die Tätigkeit der Beschwerdeführerin. Dies gilt auch insoweit, als die Landesrundfunkanstalten ermächtigt werden, personenbezogene Daten ohne Kenntnis des Betroffenen bei öffentlichen und nicht öffentlichen Stellen zu erheben. Diese sind gemäß § 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 RBStV auf Angaben beschränkt, welche der Anzeigepflicht nach § 8 RBStV unterliegen; es darf darüber hinaus kein erkennbarer Grund zu der Annahme bestehen, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung der Daten hat.

52

Auswirkungen auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin ergeben sich des Weiteren nicht daraus, dass mit der vorgeschriebenen Mitteilung der Angaben unzumutbare, ihre unternehmerische Betätigung beeinträchtigende Auswirkungen verbunden wären. Die Pflicht zur Benennung der Zahl der im Jahresdurchschnitt sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist in § 4 Abs. 2 der Satzung des Südwestrundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge vom 3. Dezember 2012 (GVBl. S. 418) – Rundfunkbeitragssatzung – dahingehend konkretisiert, dass der zwölfte Teil der Summe aus den Zahlen der am jeweiligen Monatsende des vorangegangenen Kalenderjahres Beschäftigten (mit Ausnahme der Auszubildenden) anzuzeigen ist. Im Hinblick darauf, dass etwaige Änderungen gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 RBStV erst bis zum 31. März des Folgejahres mitzuteilen sind, verbleibt hierfür ausreichend Zeit. Welche Nachweise die Rundfunkanstalten hinsichtlich der Zahl der Beschäftigten sowie der beitragsrelevanten Kraftfahrzeuge verlangen kann, ist im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag sowie der Satzung des Südwestrundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge nicht geregelt. Dies ist vielmehr eine Frage des – gegebenenfalls zunächst fachgerichtlich zu überprüfenden – Vollzugs.

II.

53

Gleichfalls nicht berührt werden die Schutzbereiche der Berufs- (Art. 58 LV), der Gewerbe- (Art. 52), der Eigentums- (Art. 60 LV) und der Informationsfreiheit (Art. 10 Abs. 1 LV).

54

Die angefochtenen Bestimmungen beziehen sich weder gerade auf die berufliche bzw. gewerbliche Betätigung und haben diese unmittelbar zum Gegenstand noch stehen sie in einem engen Zusammenhang mit deren Ausübung und lassen eine berufs- bzw. gewerberegelnde Tendenz deutlich erkennen. Darüber hinaus haben die Rundfunkbeiträge keine übermäßig belastende und erdrosselnde Wirkung; auch knüpft die Abgabenpflicht nicht an den Hinzuerwerb von Eigentum oder den Bestand des Hinzuerworbenen an. Des Weiteren stellen weder ihre Erhebung als solche noch deren Höhe oder die Verpflichtung zur Mitteilung bestimmter Daten betriebsbezogene Eingriffe dar, sodass hier dahingestellt bleiben kann, ob der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb als solcher dem Schutzbereich des Art. 60 LV unterfällt und ob Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch Art. 60 LV geschützt sind.

55

Schließlich ist ein Grundrechtsverstoß auch insoweit offenkundig ausgeschlossen, als die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 10 Abs. 1 LV rügt. Allerdings sind sowohl der Rundfunk als auch das Internet allgemein zugängliche Quellen, aus denen sich der Bürger mittels entsprechender technischer Geräte – Radio, Fernseher, Computer etc. – unterrichtet. Der Zugang hierzu wird jedoch durch die Rundfunkbeitragspflicht nicht eingeschränkt. Mit dem neuen Rundfunkstaatsvertrag ist die Beitragspflicht vom Bereithalten oder von der Nutzung eines Empfangsgeräts unabhängig. Anknüpfungspunkt der Beiträge ist allein die Verfügungsgewalt über Raumeinheiten, in denen eine Rundfunknutzung möglich ist. Die Beitragspflicht beeinflusst daher nicht die Anschaffung bzw. Verwendung der für den Informationszugang erforderlichen Geräte und schränkt damit die Zugänglichkeit von Informationen nicht ein.

III.

56

Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Anordnung der Fortgeltung der Lastschrift- und Einzugsermächtigung in § 14 Abs. 6 Satz 2 RBStV richtet, hat die Beschwerdeführerin bereits keine hieraus für sie folgende Belastung aufgezeigt; eine solche ist auch sonst nicht erkennbar. Darüber hinaus kann die Beschwerdeführerin durch einen Widerruf der bislang erteilten Ermächtigung deren Fortgeltung unter dem neuen Beitragsrecht verhindern. Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag enthält weiterhin keine Verpflichtung der Beitragsschuldner, Lastschrift- oder Einzugsermächtigungen zu erteilen.

IV.

57

Die Sachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof scheitert darüber hinaus insoweit am Erfordernis einer gegenwärtigen und unmittelbaren Betroffenheit, als sich die Beschwerdeführerin gegen die Bußgeldbewehrung in § 12 Abs. 1 Nr. 2 RBStV, die ihr auferlegten Auskunftspflichten sowie die den Rundfunkanstalten eingeräumten Möglichkeiten der Datenerhebung und -verarbeitung wendet und die unzureichende Bestimmtheit einzelner Vorschriften rügt.

58

1. Die Betroffenheit ist gegenwärtig, wenn die angegriffene Vorschrift auf die Rechtsstellung des Beschwerdeführers aktuell einwirkt. Die bloße Möglichkeit, irgendwann einmal in Zukunft von der Gesetzesbestimmung betroffen werden zu können, reicht hingegen nicht aus. Andernfalls würde sich die Verfassungsbeschwerde im Ergebnis zu einer – nach Art. 130a LV, § 44 Abs. 1 VerfGHG nicht vorgesehenen – Popularklage ausweiten. Die Tatbestände der angegriffenen Vorschriften müssen daher in der Person des Beschwerdeführers zumindest in absehbarer Zukunft verwirklicht werden können (VerfGH RP, Urteil vom 22. Juni 2004 – VGH B 2/04 –, AS 31, 348 [350]).

59

Danach fehlt es an einer gegenwärtigen Betroffenheit hinsichtlich § 12 Abs. 1 Nr. 2 RBStV. Nach dieser zum 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Vorschrift handelt ordnungswidrig, wer seiner Anzeigepflicht aus § 14 Abs. 2 RBStV nicht nachgekommen ist. Die letztgenannte Regelung trat schon am 1. Januar 2012 in Kraft. Sie dient der Umstellung der Datengrundlagen im Übergangszeitraum vom bisherigen Rundfunkgebühren- zum Rundfunkbeitragsmodell (LT-Drucks. 16/188, S. 32) und ermöglicht es, bereits vor Inkrafttreten der beitragsrechtlichen Vorschriften die für die Überleitung der schon erfassten Zahlungspflichtigen erforderlichen Daten zu erheben. Ihre Geltung beschränkt sich daher jedenfalls faktisch auf den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2012, da zum 1. Januar 2013 das allgemeine Auskunftsrecht der Rundfunkanstalten nach § 9 Abs. 1 RBStV in Kraft getreten ist. Soweit die Beschwerdeführerin rügt, § 12 Abs. 1 Nr. 2 RBStV verstoße gegen Art. 6 Abs. 3 LV, weil damit ein Verhalten sanktioniert werde, welches zwar rechtswidrig, aber nicht strafbewehrt gewesen sei, hat sie bereits nicht dargelegt, ihre Auskunftspflichten nach § 14 Abs. 2 RBStV verletzt zu haben. Dies wäre jedoch schon deshalb erforderlich gewesen, weil der Südwestrundfunk in seiner Stellungnahme ausgeführt hat, bei dem zeitlichen Auseinanderfallen des Inkrafttretens des § 12 Abs. 1 Nr. 2 und des § 14c Abs. 2 RBStV handele es sich um ein Redaktionsversehen, Bußgelder seien nicht verhängt worden.

60

2. Die Beschwerdeführerin ist unmittelbar in ihren Rechten betroffen, soweit sich ihre Verfassungsbeschwerde gegen ihre Beitragspflicht nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag richtet. Im Übrigen fehlt es an einer unmittelbaren Betroffenheit.

61

a) Unmittelbare Betroffenheit verlangt, dass die Rechtsstellung des Beschwerdeführers bereits durch die angegriffene Rechtsnorm und nicht erst durch ihren Vollzug berührt wird. Ein solcher unmittelbarer Eingriff in die Rechtsstellung des Beschwerdeführers liegt auch dann vor, wenn das angegriffene Gebot bußgeldbewehrt ist (VerfGH RP, Urteil vom 30. September 2008 – VGH B 31/07 u.a. –, AS 36, 323 [330]). Bedarf ein Gesetz hingegen rechtsnotwendig oder nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis der Umsetzung durch einen besonderen Vollzugsakt, muss der Beschwerdeführer grundsätzlich zunächst diesen Akt angreifen und den gegen ihn eröffneten Rechtsweg erschöpfen, bevor er die Verfassungsbeschwerde erhebt (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 13. Oktober 1995 – VGH N 4/93 –, AS 25, 194 [195]).

62

b) Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag sieht sowohl zur Durchsetzung der Beitrags- als auch der Auskunftspflichten gesonderte Vollzugsakte vor.

63

Zwar ist hinsichtlich der sich dem Grunde und der Höhe nach unmittelbar aus dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ergebenden Beitragspflicht keine gesonderte Festsetzung durch einen rechtsmittelfähigen Bescheid erforderlich (StGH BW, Beschluss vom 19. August 2013 – 1 VB 65/13 –, juris Rn. 8; Gall/Schneider, in: Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 3. Aufl. 2012, § 7 RBStV Rn. 26; Tucholke, ebd., § 10 RBStV Rn. 34). Gemäß § 5 Satz 1 Rundfunkbeitragssatzung erhält der Beitragsschuldner deshalb lediglich eine Anmeldebestätigung mit den für die Beitragserhebung erforderlichen Daten. Jedoch werden rückständige Rundfunkbeiträge gemäß § 5 Abs. 1 bis 3, § 10 Abs. 5 RBStV von der Landesrundfunkanstalt durch einen Bescheid festgesetzt, der nach § 10 Abs. 6 RBStV im Verwaltungsvollstreckungsverfahren vollstreckt wird. Dieser Bescheid wiederum kann mit Widerspruch und Klage sowie im Wege des Eilrechtsschutzes vor den Verwaltungsgerichten angefochten und so einer fachgerichtlichen Überprüfung zugänglich gemacht werden, welche – gegebenenfalls mit der Folge einer Vorlage nach Art. 130 Abs. 3 LV – die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitragsrechts einschließt.

64

Auch hinsichtlich der Anzeigepflicht nicht privater Rundfunkteilnehmer ab dem 1. Dezember 2012, der Auskunftspflicht nach § 8 Abs. 4 RBStV, der Auskunftspflicht (möglicher) Beitragsschuldner nach § 9 Abs. 1 RBStV sowie beizubringender Nachweise über beitragsrelevante Daten sieht der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag vor, dass die Landesrundfunkanstalt den Betroffenen zunächst hierzu auffordert.

65

c) Dennoch steht dies der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nur teilweise entgegen.

66

Mit dem Erfordernis unmittelbarer Betroffenheit wird dem in § 44 Abs. 3 VerfGHG zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde Rechnung getragen. Die damit bezweckte vorrangige Anrufung der Fachgerichte soll eine umfassende Vorprüfung des Beschwerdevorbringens gewährleisten. Dem Verfassungsgerichtshof soll vor seiner Entscheidung ein regelmäßig in mehreren Instanzen geprüftes Tatsachenmaterial unterbreitet und die Fallanschauung der Gerichte vermittelt werden. Zugleich entspricht es der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsverteilung und Aufgabenzuweisung, dass vorrangig die Fachgerichte Rechtsschutz gegen Verfassungsverletzungen selbst gewähren. Diese Gesichtspunkte fallen vor allem dann ins Gewicht, wenn das Gesetz der Verwaltung einen Entscheidungsspielraum lässt, gelten grundsätzlich aber auch dann, wenn ein solcher Spielraum fehlt (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – VGH B 23/13 –, KommJur 2014, 96).

67

Deshalb ist die unmittelbare Betroffenheit trotz Vollzugsbedürftigkeit eines Gesetzes nur, aber grundsätzlich auch dann zu bejahen, wenn die vorherige Klärung der tatsächlichen und (einfach)rechtlichen Grundlagen des Normvollzugs entbehrlich ist – insbesondere die angegriffene Norm keine Auslegungsspielräume beinhaltet und sie auf andere Rechtsgebiete keine Auswirkungen hat, welche die Verfassungsmäßigkeit beeinflussen könnten – und eine Vorabentscheidung über die verfassungsrechtlichen Fragen entsprechend § 44 Abs. 3 Satz 2 VerfGHG geboten bzw. sachgerecht ist (VerfGH RP, Urteile vom 22. Juni 2004 – VGH B 2/04 –, AS 31, 348 [351], und vom 29. November 2011 – VGH B 11/10 –, AS 39, 7 [11]; Beschluss vom 12. Juli 2010 – VGH B 74/09 –, AS 39, 1 [2]). Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verfassungsbeschwerde wegen der großen Zahl der von der angefochtenen Vorschrift Betroffenen sowie öffentlicher Kontroversen über die Berechtigung der gesetzlichen Regelung allgemeine Bedeutung zukommt (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 4. Juli 2001 – VGH B 12/00 u.a. – AS 29, 23 [26]; Beschluss vom 13. Dezember 2004 – VGH B 16/04 –, AS 32, 74 [78]; Urteil vom 29. November 2011 – VGH B 11/10 –, AS 39, 7 [12]).

68

aa) Danach ist die Verfassungsbeschwerde zulässig, soweit die Beschwerdeführerin die Verfassungswidrigkeit ihrer Beitragspflicht rügt.

69

Insofern ergeben sich Grund und Umfang der Belastung der Beschwerdeführerin unmittelbar aus dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, ohne dass es weiterer tatsächlicher oder rechtlicher Klärungen bedarf. Auslegungs- oder Anwendungsspielräume der Rundfunkanstalten bestehen diesbezüglich ebenfalls nicht. Auch die im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag vorgesehenen Befreiungstatbestände liegen im Falle der Beschwerdeführerin offenkundig in keinerlei Hinsicht vor. Die Anwendbarkeit der die Beitragspflicht regelnden angegriffenen Normen hängt damit allein von der Berechtigung der zulässigerweise geltend gemachten verfassungsrechtlichen Zweifel ab. Eine Vorabentscheidung dieser verfassungsrechtlichen Fragen ist darüber hinaus entsprechend § 44 Abs. 3 Satz 2 VerfGHG geboten. Sie betreffen alle in Rheinland-Pfalz ansässigen Betriebsstätteninhaber. Über die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung des Rundfunkbeitragsrechts nicht nur im privaten, sondern gerade auch im nicht privaten Bereich ist darüber hinaus bundesweit eine öffentliche Kontroverse entstanden, die sich bereits in mehreren Verfahren vor den Verfassungs- und den Verwaltungsgerichten widerspiegelt (19. KEF-Bericht, Tz. 274). Aufgrund der damit entstandenen Rechtsunsicherheit hinsichtlich der vorrangigen Finanzierungsgrundlage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist eine umgehende Entscheidung der verfassungsrechtlichen Fragen auch durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geboten.

70

bb) Anders verhält es sich hingegen hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Auslegungsfragen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages, insbesondere bezüglich des Begriffs der „nicht privaten Zwecke“ sowie der Fälligkeitsberechnung des Beitrags. Diese sind zunächst – sofern hierüber in der Praxis überhaupt Streit entsteht – von den Fachgerichten zu klären. Ebenfalls unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde, soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die ihr auferlegten Auskunfts- und Anzeigepflichten sowie gegen die den Rundfunkanstalten eingeräumten Möglichkeiten der Datenerhebung und -verarbeitung wendet. Die diesbezüglich allein in Betracht kommende verfassungsgerichtliche Prüfung anhand der allgemeinen Handlungsfreiheit sowie des Gleichbehandlungsgrundsatzes hängt zunächst davon ab, wie die Rundfunkanstalten den Vollzug der Mitteilungs- und Nachweispflichten handhaben, sowie davon, wie die Verwaltungsgerichte deren Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages bewerten. Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag wie auch die Satzung des Südwestrundfunks enthalten insoweit keine abschließenden Regelungen.

V.

71

Der Verfassungsbeschwerde fehlt, soweit sie danach zulässig ist, schließlich nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.

72

Bedenken ergeben sich insoweit insbesondere nicht aus dem Umstand, dass mit dem angegriffenen Zustimmungsgesetz ein zwischen den Ländern der Bundesrepublik Deutschland geschlossener Staatsvertrag in Landesrecht umgesetzt wird, die begehrte Nichtigerklärung mithin im Widerspruch zu den vertraglichen Zusagen des Landes Rheinland-Pfalz stehen und die Geltung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages bundesweit in Frage stellen könnte.

73

Zwar erzwingt der bundesverfassungsrechtliche Grundsatz der Bundestreue bis zu einer für alle Vertragspartner verbindlichen gerichtlichen Klärung im bundesrechtlichen Bereich die Fortgeltung eines Staatsvertrages auch dann, wenn das diesbezügliche Zustimmungsgesetz von dem Verfassungsgericht eines Landes für nichtig erklärt worden ist (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 1976 – VII A 1.76 –, BVerwGE 50, 137 [144 ff.]). Allerdings entzieht der Grundsatz der Bundestreue weder Landesgesetze zur Umsetzung von Staatsverträgen der landesverfassungsgerichtlichen Kontrolle noch bewirkt er die Folgenlosigkeit oder Unbeachtlichkeit einer der Verfassungsbeschwerde stattgebenden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs. Diese verpflichtet vielmehr die Landesregierung, Verhandlungen mit den anderen Ländern darüber aufzunehmen, wie einem vom Landesverfassungsgericht festgestellten Verfassungsverstoß Rechnung getragen werden kann, und – sofern eine Einigung nicht zustande kommt – den Staatsvertrag zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu kündigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 1976 – VII A 1.76 –, BVerwGE 50, 137 [152]).

C.

74

Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.

I.

75

Die Regelung des § 1 des Landesgesetzes vom 23. Februar 2011 zu dem 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag i.V.m. dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 1 Abs. 1 LV. Das Land Rheinland-Pfalz war für die angefochtene Neuregelung der Rundfunkfinanzierung zuständig. Es handelt sich bei dem Rundfunkbeitrag nicht um eine Steuer.

76

1. Die Befugnis des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz erstreckt sich auf die Prüfung der Gesetzgebungszuständigkeit des Landes.

77

Greift die mit der Verfassungsbeschwerde angefochtene Maßnahme – wie vorliegend, da die Beschwerdeführerin Adressatin belastender staatlicher Maßnahmen ist, jedenfalls bezüglich ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 1 Abs. 1 LV – in den Schutzbereich eines Grundrechts ein, so kann die Behauptung deren Verfassungswidrigkeit auch darauf gestützt werden, sie verstoße formell oder materiell gegen einzelne objektivrechtliche Verfassungsbestimmungen oder allgemeine Verfassungsgrundsätze (vgl. VerfGH RP, Urteile vom 4. Juli 2001 – VGH B 12/00 u.a. –, AS 29, 23 [27], vom 22. Juni 2004 – VGH B 2/04 –, AS 31, 348 [352], und vom 30. September 2008 – VGH B 31/07 u.a. –, AS 36, 323 [342]). Dies schließt, wenn der Eingriff – wie hier – auf einer Rechtsnorm beruht, die verfassungsgerichtliche Prüfung ein, ob das Landesrecht die bundesstaatliche Abgrenzung der Legislativkompetenzen wahrt.

78

a) Die Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten ist im Grundgesetz in den Art. 70 ff. GG geregelt, wohingegen Prüfungsmaßstab des Verfassungsgerichtshofs gemäß Art. 130, 130a, 135 LV die Landesverfassung ist. Die legislativen Kompetenzen sind jedoch nicht nur Bestandteil des Bundes-, sondern auch des Landesverfassungsrechts. Da sich Rheinland-Pfalz ausweislich Art. 74 Abs. 1 LV ausdrücklich als „Gliedstaat Deutschlands“ begreift, bildet die bundesrechtliche Kompetenzverteilung zugleich die Grenze der nach der Landesverfassung grundsätzlich unbegrenzten Gesetzgebungsbefugnis der Landesstaatsgewalt. Deshalb schließt die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Vereinbarkeit eines Gesetzes mit der Landesverfassung die Prüfung der Frage ein, ob das Land für die betreffende Materie gesetzgebungsbefugt ist (VerfGH RP, Urteile vom 20. November 2000 – VGH N 2/00 –, AS 28, 440 [443 f.], und vom 22. Juni 2004 – VGH B 2/04 –, AS 31, 348 [352]; Beschluss vom 13. Dezember 2004 – VGH B 16/04 –, AS 32, 74 [79]).

79

b) Hieran hält der Verfassungsgerichtshof auch in Ansehung anderslautender verfassungsgerichtlicher Entscheidungen (BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2001 – 2 BvK 1/00 –, BVerfGE 103, 332 [356 ff.]; StGH Bremen, Urteil vom 12. April 2013 – St 1/12 –, NordÖR 2013, 357 [358 ff.]; HessStGH, Urteil vom 4. Mai 2004 – P. St. 1714 –, DVBl. 2004, 1022 [1030 f.]) fest.

80

Zwar führt die Erstreckung der landesverfassungsgerichtlichen Prüfungskompetenz auf die Einhaltung der Zuständigkeitsgrenzen im Verhältnis des Bundes und der Länder dazu, dass der Verfassungsgerichtshof letztlich das Grundgesetz auslegt und – da es keine parallelen Gesetzgebungskompetenzen gibt – mit der Frage der Zuständigkeit des Landes- zugleich über diejenige des Bundesgesetzgebers entscheidet. Dies rechtfertigt jedoch keine Einschränkungen des Prüfungsumfangs des Verfassungsgerichtshofs (einschränkend – Verfassungswidrigkeit nur bei offensichtlichem kompetenzrechtlichem Verstoß – hingegen BayVerfGH, Entscheidungen vom 28. Juni 1988 – Vf. 12-VII-85 –, VerfGHE BY 41, 59 [64 f.]; vom 27. März 1992 – Vf. 8-VII-89 –, VerfGHE BY 45, 33 [40 f.]; vom 30. Juni 1998 – Vf. 9-VII-94 –, VerfGHE BY 51, 94 [99 f.], und vom 21. Dezember 2011 – Vf. 3-VII-11 –, BayVBl 2012, 268). Ein Eingriff in bundesrechtliche Zuständigkeiten findet schon deshalb nicht statt, weil die landesverfassungsgerichtliche Festlegung der Gesetzgebungskompetenzen für den Bundesgesetzgeber nicht verbindlich ist und daher auch für den Landtag diesem gegenüber keine Rechte begründet. Bindend ist eine Auslegung des Grundgesetzes vielmehr – und auch dies unter dem Vorbehalt einer anderweitigen Festlegung der Zuständigkeitsgrenzen durch dass Bundesverfassungsgericht (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 30. September 2008 – VGH B 31/07 –, AS 36, 323 [332]) – nur innerhalb des Landes. Darüber hinaus geht das Grundgesetz selbst in Art. 100 Abs. 3 von seiner Auslegung durch die Verfassungsgerichte der Länder aus und schränkt diese nur dahingehend ein, dass sie im Falle eines Abweichens von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dessen Entscheidung einholen müssen.

81

Schließlich steht auch die Befürchtung, eine Überprüfung anhand der grundgesetzlichen Aufteilung der Legislativkompetenzen könne in der Praxis zu einer möglicherweise vom Grundgesetz – zumindest in dessen Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht – nicht geforderten und daher zu weitgehenden Einschränkung des Landesgesetzgebers führen, ohne dass dieser die Möglichkeit habe, das Bundesverfassungsgericht zur Klärung dieser Frage anzurufen (StGH Bremen, Urteil vom 12. April 2013 – St 1/12 –, NordÖR 2013, 357 [361]), einer Auslegung der Gesetzgebungszuständigkeiten des Grundgesetzes durch den Verfassungsgerichtshof nicht entgegen. Dieser Gesichtspunkt wirkt sich nicht auf die Prüfungs-, sondern allenfalls auf die Frage der Verwerfungskompetenz des Verfassungsgerichtshofs aus (vgl. E. Klein, in: Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 2012, § 2 Rn. 54).

82

2. Das Land hat dem Grunde nach die Gesetzgebungskompetenz für die Erhebung von Abgaben zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

83

Die Gesetzgebungskompetenzen für Steuern begründet Art. 105 GG als spezielle finanzverfassungsrechtliche Norm. Die Zuständigkeit des Gesetzgebers zur Einführung außersteuerlicher Abgaben sowie zur Regelung ihrer Verwendung hingegen richtet sich nach den allgemeinen Sachzuständigkeiten gemäß Art. 70 ff. GG (BVerfG, Urteile vom 6. November 1984 – 2 BvL 19/83 u.a. –, BVerfGE 67, 256 [274], sowie vom 19. März 2003 – 2 BvL 9/98 u.a. –, BVerfGE 108, 1 [13]; Beschluss vom 17. Juli 2003 – 2 BvL 1/99 u.a. – BVerfGE 108, 186 [212]). Insoweit entspricht es einhelliger Ansicht, dass die Erhebung einer Steuer zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks jedenfalls nicht in die Zuständigkeit der Länder fällt, diese jedoch kompetenziell eine nichtsteuerliche Rundfunkfinanzierung regeln können: Die gemäß Art. 70 Abs. 1 GG bei den Ländern liegende Gesetzgebungskompetenz für den Rundfunk schließt insoweit die Zuständigkeit zur Regelung von dessen Finanzierung ein (BVerfG, Urteil vom 22. Februar 1994 – 1 BvL 30/88 –, BVerfGE 90, 60 [105]).

84

a) Der Finanzverfassung des Grundgesetzes liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Finanzierung allgemeiner staatlicher Aufgaben – sog. Gemeinlasten – in erster Linie durch Steuern erfolgt (BVerfG, Beschlüsse vom 24. Januar 1995 – 1 BvL 18/93 u.a. –, BVerfGE 92, 91 [113], und vom 7. November 1995 – 2 BvR 413/88 u.a. –, BVerfGE 93, 319 [342]). Seine sachliche Rechtfertigung findet dieses Prinzip des Steuerstaats insbesondere darin, dass einerseits der demokratische Rechts- und Sozialstaat zur Gewährleistung einer gleichmäßigen Aufgabenerfüllung auf eine von einem Leistungsaustausch unabhängige Finanzausstattung wie auch im Interesse demokratischer Gleichheit auf eine vom Abgabenschuldner und insbesondere dessen Steuerhöhe – und einer daraus möglicherweise resultierenden Erwartungshaltung – unbeeinflusste Mittelverwendung angewiesen ist, andererseits Steuern dem Grundsatz der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen verstärkt Rechnung tragen, indem sie die Leistungsfähigkeit berücksichtigen müssen. Darüber hinaus ist die sorgfältig ausgewogene grundgesetzliche Regelung des Finanzausgleichs ein Kernstück der bundesstaatlichen Ordnung, welche unterlaufen würde, finanzierten sich Bund und Länder statt durch Steuern durch andere Einnahmen (BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 1988 – 2 BvL 9/85 u.a. –, BVerfGE 78, 249 [266 f.]). Schließlich gewährleistet eine steuerbasierte Staatsfinanzierung, dass das Parlament den vollen Überblick über das dem Staat verfügbare Finanzvolumen und damit auch über die den Bürgern auferlegte Abgabenlast behält (BVerfG, Beschlüsse vom 31. Mai 1990 – 2 BvL 12/88 u.a. –, BVerfGE 82, 159 [178], und vom 7. November 1995 – 2 BvR 413/88 u.a. –, BVerfGE 93, 319 [343]).

85

Die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben wird hierdurch nicht ausgeschlossen. Sie ist jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Die Bewahrung der bundesstaatlichen Ordnungs- und Ausgleichsfunktion der Art. 104a bis 108 GG macht es deshalb unabdingbar, Steuern und außersteuerliche Abgaben eindeutig voneinander abzugrenzen. Andernfalls ließe es sich nicht vermeiden, dass der Gesetzgeber unter Inanspruchnahme seiner Gesetzgebungskompetenzen aus Art. 73 ff. GG Abgaben einführt, die in Wahrheit Steuercharakter haben und für die deshalb nach dem Willen des Grundgesetzes die andersartigen Regelungs-, Ertrags- und Verwaltungszuständigkeiten der Finanzverfassung gelten (BVerfG, Urteil vom 10. Dezember 1980 – 2 BvF 3/77 –, BVerfGE 55, 274 [304]). Letztere dient nicht allein der Verteilung innerstaatlicher Zuständigkeiten. Der Finanzverfassung kommt vielmehr, nicht zuletzt im Hinblick auf den Individualschutz des Abgabepflichtigen, eine Begrenzungs- und Schutzfunktion zu, anhand derer sich nicht nur die Rechtmäßigkeit staatlicher Abgaben, sondern auch deren Abgrenzung bemisst (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 1988 – 2 BvL 9/85 u.a. –, BVerfGE 78, 249 [269]; Urteile vom 6. November 1984 – 2 BvL 19/83 u.a. –, BVerfGE 67, 256 [275], und vom 23. Januar 1990 – 1 BvL 44/86 u.a. –, BVerfGE 81, 156 [188]; Beschluss vom 7. November 1995 – 2 BvR 413/88 u.a. –, BVerfGE 93, 319 [342 f.]).

86

b) Bei dem Rundfunkbeitrag im Sinne des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages handelt es sich nicht um eine Steuer.

87

Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag bezeichnet die Abgabe zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durchgängig als Beitrag. Für die Rechtsnatur einer Abgabe kommt es jedoch nicht darauf an, wie das Gesetz selbst sie seinem Wortlaut nach klassifiziert. Maßgeblich ist vielmehr deren – anhand der normativen Ausgestaltung zu bestimmender – materieller Gehalt (BVerfG, Beschlüsse vom 26. Mai 1976 – 2 BvR 995/75 –, BVerfGE 42, 223 [227 f.], und vom 18. Mai 2004 – 2 BvR 2374/99 –, BVerfGE 110, 370 [384]; Urteil vom 19. März 2003 – 2 BvL 9/98 u.a. –, BVerfGE 108, 1 [13]; Beschluss vom 17. Juli 2003 – 2 BvL 1/99 u.a. –, BVerfGE 108, 186 [212]; Urteil vom 6. Juli 2005 – 2 BvR 2335/95 u.a. –, BVerfGE 113, 128 [145 f.]). Es steht nicht in der Macht des Bundes- oder Landesgesetzgebers, die verfassungsrechtlich vorgegebene Kompetenzverteilung dadurch zu unterlaufen, dass er eine Abgabe, die materiell unter den Begriff der Steuer fällt, durch eine ausdrückliche gegenteilige Bezeichnung einer anderen Abgabenkategorie zuweist.

88

aa) Steuern im Sinne des Grundgesetzes sind vielmehr alle einmaligen oder laufenden Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere staatliche Leistung darstellen, sondern die von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen – obschon gegebenenfalls zweckgebunden – zur Erzielung von Einkünften zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 1978 – 2 BvR 154/74 –, BVerfGE 49, 343 [353]). Hingegen sind Gebühren das Entgelt für die tatsächliche Inanspruchnahme besonderer Leistungen der öffentlichen Hand durch den Einzelnen und Beiträge dessen Beteiligung an den Kosten einer öffentlichen Einrichtung, die ihm besondere Vorteile gewährt, ohne dass es darauf ankommt, ob er diese auch tatsächlich wahrnimmt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 18. Mai 2004 – 2 BvR 2374/99 –, BVerfGE 110, 370 [388], und vom 10. März 1998 – 1 BvR 178/97 –, BVerfGE 92, 91 [115]; Urteil vom 6. Juli 2005 – 2 BvR 2335/95 u.a. –, BVerfGE 113, 128 [148]). Gebühren und Beiträge dienen damit dem Ausgleich besonderer staatlich gewährter Vorteile, die es rechtfertigen, diese zumindest teilweise abzuschöpfen oder den Empfänger zur Tragung von deren Kosten heranzuziehen.

89

Maßgebliches Abgrenzungskriterium der Steuer insbesondere von den sog. Vorzugslasten (Gebühren und Beiträge) ist danach, ob das Ziel der Abgabenfinanzierung und der Belastungsgrund im Verhältnis von Leistung – in Gestalt der Gewährung eines zumindest potenziellen Vorteils für den Abgabenpflichtigen – und Gegenleistung stehen oder ob die Geldleistungspflicht „voraussetzungslos“, d. h. ohne Rücksicht auf eine korrespondierende Maßnahme der öffentlichen Hand, auferlegt wird (vgl. BVerfG, Urteile vom 6. November 1984 – 2 BvL 19/83 u.a. –, BVerfGE 67, 256 [274 f.], vom 23. Januar 1990 – 1 BvL 44/86 u.a. –, BVerfGE 81, 156 [186 f.], und vom 19. März 2003 – 2 BvL 9/98 u.a. –, BVerfGE 108, 1 [13]). Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass letztlich jedes staatliche Handeln im Interesse der Bürger erfolgen muss, diese daher durch die Verwendung staatlicher Mittel stets einen zumindest potenziellen Vorteil erlangen. Angesichts dessen wie auch der Mehrschichtigkeit der Gesichtspunkte, welche dem grundsätzlichen Vorrang der Steuerfinanzierung zugrunde liegen, entzieht sich der Begriff der Voraussetzungslosigkeit – und damit die Abgrenzung von Steuern und nichtsteuerlichen Abgaben – daher einer einheitlichen, alle Fallgestaltungen erfassenden Definition. Ob eine Wechselbezüglichkeit von staatlichen Leistungen und Abgabenlast besteht, bestimmt sich vielmehr unter Berücksichtigung der die Abgrenzung notwendig machenden Kriterien anhand einer wertenden Betrachtung.

90

bb) Danach ergibt sich eine Konnexität des Rundfunkbeitrags im Sinne des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages und der Veranstaltung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus mehreren Umständen, die jedenfalls in ihrer Gesamtschau dazu führen, den Rundfunkbeitrag im Sinne des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags nicht als Steuer zu qualifizieren.

91

Das hierfür maßgebliche Wechselseitigkeitsverhältnis wird durch die normative Ausgestaltung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages, der zufolge der Beitrag die Möglichkeit des Empfangs öffentlich-rechtlichen Rundfunks abdeckt (1), sowie dadurch begründet, dass die Abgabenbelastung wie auch die Verwendung der Einkünfte nach Grund und Höhe durch ihre Funktion zur Finanzierung (allein) des Rundfunks bedingt sind (2), ohne dass hierdurch die bundesstaatliche Finanzverfassung gefährdet wird oder deren Verteilungsregeln umgangen werden (3). Die große Anzahl der Beitragspflichtigen wie auch die fehlende Möglichkeit, sich der Beitragspflicht zu entziehen, begründen hingegen keine Steuereigenschaft der Abgabe (4).

92

(1) Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag knüpft die Abgabenpflicht gemäß § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 1 RBStV an das Innehaben einer Wohnung im privaten sowie einer Betriebsstätte im nicht privaten Bereich an. Ausweislich der Gesetzesmaterialien soll hierdurch die Möglichkeit, öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu empfangen, abgegolten werden. Insoweit hat der Gesetzgeber der Regelung unter Rückgriff auf statistische Angaben die Annahme zugrunde gelegt, dass die Bürger heutzutage nahezu ausnahmslos über empfangsfähige Geräte verfügen und diese daher – zumal angesichts des andernfalls notwendigen Kontrollaufwands – kein für eine Abgabenpflicht geeignetes Abgrenzungsmerkmal (mehr) darstellen. Auch wenn danach ein Rundfunkempfang oftmals ortsunabhängig ist, beruht die Maßgeblichkeit der Wohnung oder Betriebsstätte auf der Annahme, dort liege der Schwerpunkt der Rundfunknutzung, wie auch auf dem Umstand, dass dies eine den gesellschaftlichen Gegebenheiten entsprechende Zusammenfassung mehrerer Rundfunknutzer zu einer Empfangs- und damit Beitragsgemeinschaft ermöglicht. Der Rundfunkbeitrag wiederum dient § 1 RBStV zufolge der funktionsgerechten Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Sinne des § 12 Abs. 1 RStV sowie der Finanzierung der Aufgaben nach § 40 RStV.

93

Damit steht nach der normativen Ausgestaltung des Rundfunkbeitrags die Abgabenpflicht in einem Wechselseitigkeitsverhältnis zur Einräumung der Möglichkeit der Rundfunknutzung als Vorteil. Seine Entsprechung findet dies darin, dass taubblinde Menschen – denen eine Rundfunknutzung objektiv unmöglich ist – gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 10 RBStV von der Beitragspflicht befreit sind; Bürger, die das Rundfunkangebot nur eingeschränkt nutzen können – blinde und hörgeschädigte Menschen, § 4 Abs. 2 RBStV –, zahlen nur einen verringerten Beitrag. Darüber hinaus sieht § 4 Abs. 6 RBStV eine Beitragsbefreiung in einem besonderen Härtefall vor, welcher u. a. dann vorliegt, wenn es einem Rundfunkbeitragsschuldner objektiv unmöglich ist, Rundfunk zu empfangen (LT-Drucks. 16/188, S. 23).

94

Ob hingegen die Annahme des Gesetzgebers, sowohl in privaten als auch in nicht privaten Räumlichkeiten finde gewöhnlich eine Rundfunknutzung statt (LT-Drucks. 16/188, S. 24), tatsächlich ausnahmslos zutrifft und ob es – sofern dies nicht der Fall ist – dennoch gerechtfertigt ist, die Bürger zur Abgabenzahlung zu verpflichten, hat auf die Frage der Bestimmung der Abgabenart – und damit der grundsätzlichen Gesetzgebungskompetenz – keine Auswirkungen. Ist eine Abgabe wegen der rechtlichen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung dem Grunde nach als nichtsteuerlich zu qualifizieren, so bleibt es bei ihrer formalen Zuordnung zu den allgemeinen Sachgesetzgebungskompetenzen der Art. 70 ff. GG unabhängig davon, ob ihre Erhebung als solche sachlich gerechtfertigt ist. Es liefe der auf Formenklarheit und Formenbindung angelegten und angewiesenen Finanzverfassung zuwider, wenn Vorzugslasten begrifflich ganz oder teilweise zu Steuern würden, sofern sie beispielsweise unzulässig bemessen sind (BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 – 2 BvL 9/98 u.a. –, BVerfGE 108, 1 [13 f.]).

95

(2) Die Konnexität von Abgabenlast und besonderer staatlicher Leistung und damit die Qualifizierung als nichtsteuerliche Abgabe folgt zudem daraus, dass die Abgabenbelastung wie auch die Verwendung der Einkünfte nach Grund und Höhe durch ihre Funktion zur Finanzierung (allein) des Rundfunks bedingt, d. h. unauflösbar miteinander verbunden sind.

96

Ein zur Qualifizierung als nichtsteuerliche Abgabe führendes Gegenseitigkeitsverhältnis kann auch dadurch hergestellt werden, dass der Umfang der Abgabenbelastung durch die Höhe der staatlichen Aufwendungen für den abgabenfinanzierten Zweck bzw. durch diesen selbst rechtlich begrenzt sind. Denn den Steuern ist, da sie voraussetzungslos sind und der Gewinnung der Mittel für den allgemeinen Finanzbedarf dienen, gerade zu Eigen, dass ihre Höhe (verfassungs-)rechtlich nicht durch die mit ihnen finanzierten staatlichen Aufgaben, sondern durch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Bürger begrenzt ist (BVerfG, Beschluss vom 23. November 1976 – 1 BvR 150/75 –, BVerfGE 43, 108 [118 ff.]; Urteil vom 3. November 1982 – 1 BvR 620/78 u.a. –, BVerfGE 61, 319 [344 ff.]; Beschlüsse vom 22. Februar 1984 – 1 BvL 10/80 –, BVerfGE 66, 214 [222 ff.], und vom 29. Mai 1990 – 1 BvL 20/84 u.a. –, BVerfGE 82, 60 [86]). Rechtmäßigkeitskriterium für Gebühren und Beiträge hingegen, die für die tatsächliche oder die potenzielle Inanspruchnahme staatlicher Einrichtungen erhoben werden, sind die mit ihnen verfolgten legitimen Abgabenzwecke, wobei dem Kostendeckungs- und dem Äquivalenzprinzip kein Verfassungsrang zukommen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 6. Februar 1979 – 2 BvL 5/76 –, BVerfGE 50, 217 [227]; vom 9. Mai 1989 – 1 BvL 35/86 –, BVerfGE 80, 103 [107]; vom 12. Februar 1992 – 1 BvL 1/89 –, BVerfGE 85, 337 [346], und vom 10. März 1998 – 1 BvR 178/97 –, BVerfGE 97, 332 [344 f.]; Urteil vom 5. November 2002 – 2 BvL 9/98 u.a. –, BVerfGE 108, 1 [18]). Eine Abgabenerhebung grundsätzlich ohne Rücksicht auf die allgemeine steuerliche Leistungsfähigkeit steht daher einer materiell-rechtlichen Einordnung als Steuer ebenso entgegen wie die tatbestandliche Verknüpfung des Grundes und der Höhe der Abgabenpflicht mit der Erledigung einer speziellen Aufgabe (BVerfG, Beschlüsse vom 24. Januar 1995 – 1 BvL 18/93 u.a. –, BVerfGE 92, 91 [114], und vom 18. Mai 2004 – 2 BvR 2374/99 –, BVerfGE 110, 370 [384]).

97

Eine solche Verknüpfung von Abgabenlast und Abgabenzweck folgt vorliegend daraus, dass unter Zugrundelegung des derzeitigen Rundfunksystems die Höhe der Rundfunkabgabe von Verfassungs wegen durch den Finanzbedarf der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht nur bestimmt, sondern zugleich auch begrenzt ist. Vertraut der Gesetzgeber im Interesse der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung die Rundfunkveranstaltung ganz oder zum Teil öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten an, so folgt aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG seine Pflicht zu einer funktionsgerechten Finanzierung dieser Anstalten. Deren Funktion begründet jedoch nicht nur, sondern begrenzt zugleich zum Schutz der Abgabenpflichtigen die finanzielle Gewährleistungspflicht. Der Gesetzgeber ist daher nicht nur nicht verpflichtet, jede Programmentscheidung, welche die Rundfunkanstalten in Wahrnehmung ihrer Programmfreiheit treffen, finanziell zu honorieren; er ist vielmehr daran gehindert, soweit die daraus folgende Geldleistungspflicht der Abgabenschuldner das zur Funktionserfüllung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gebotene Maß überschreitet. Er muss, darf aber auch nur die Finanzierung der zur Wahrnehmung der spezifischen Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erforderlichen Programme ermöglichen (BVerfG, Urteil vom 4. November 1986 – 1 BvF 1/84 –, BVerfGE 73, 118 [158]; Beschlüsse vom 24. März 1987 – 1 BvR 147/86 u.a. –, BVerfGE 74, 297 [342], und vom 6. Oktober 1992 – 1 BvR 1586/89 u.a. –, BVerfGE 87, 181 [198, 200 ff.]; Urteile vom 22. Februar 1994 – 1 BvL 30/88 –, BVerfGE 90, 60 [90, 92 f., 102 ff.], und vom 11. September 2007 – 1 BvR 2270/05 u.a. –, BVerfGE 119, 181 [219]). Ungeachtet des Umstands, dass der Umfang der Finanzierungspflicht seitens der Verfassung nicht betragsmäßig, sondern nur verfahrenstechnisch durch Einbindung einer unabhängigen Institution bestimmbar ist, handelt es sich hierbei um keine politische oder um eine Ermessens-, sondern innerhalb der rundfunkverfassungsrechtlichen Grenzen um eine gebundene fachliche Entscheidung (BVerfG, Urteile vom 22. Februar 1994 – 1 BvL 30/88 –, BVerfGE 90, 60 [95, 103 f.], und vom 11. September 2007 – 1 BvR 2270/05 u.a. –, BVerfGE 119, 181 [219]).

98

Diese in der Natur der Rundfunkfinanzierung wurzelnde verfassungsrechtliche Begrenzung des Tatbestands der Abgabenlast durch den Abgabenzweck bei gleichzeitiger entsprechender Verwendungsbindung begründet deren Konnexität. Hierin unterscheidet sie sich insbesondere von der (Finanzierungs-)Zwecksteuer, bei welcher lediglich die Verwendung der Mittel, nicht jedoch zugleich deren Erhebung rechtlich beschränkt bzw. bedingt ist (§ 8 Satz 2 Bundeshaushaltsordnung; § 8 Satz 2 Landeshaushaltsordnung). Zwar dürfen etwaige Überschüsse aus Zwecksteuern nicht für die Finanzierung anderer Aufgaben verwendet werden, sondern unterliegen, sofern sie am Ende der Haushaltsperiode nicht verausgabt wurden, weiter ihrem beschränkten Verwendungszweck. Die Bindung erfasst jedoch nur die Verwendung der Einnahmen; sie steht zudem – innerhalb der (verfassungs-)rechtlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer solchen Zweckbindung – im politischen Ermessen des Gesetzgebers, der sich hiervon folglich auch wieder lösen kann. Zudem ist bei der Zwecksteuer der Kreis der Abgabepflichtigen nicht streng mit dem Kreis der Vorteilsempfänger identisch (Waldhoff, StuW 2002, 285 [298, 303]). Schließlich spricht für den Charakter als nichtsteuerliche Abgabe nicht nur der Umstand, dass der Beitrag einem speziellen – nicht dem allgemeinen – Finanzbedarf gewidmet ist, sondern zusätzlich hierzu, dass das Abgabenaufkommen nicht in den allgemeinen Landeshaushalt einfließt, sondern der eigenständigen Verwaltung der Rundfunkanstalten unterliegt (vgl. BVerfG, Urteil vom 06. Juli 2005 – 2 BvR 2335/95 u.a. –, BVerfGE 113, 128 [146]).

99

(3) Mit der Qualifizierung des Rundfunkbeitrags als nichtsteuerliche Abgabe wird weder die bundesstaatliche Finanzverfassung gefährdet noch werden deren Verteilungsregeln umgangen. Dies ist bereits deshalb ausgeschlossen, weil der Rundfunkbeitrag nahezu ausschließlich nicht den Ländern, sondern den Landesrundfunkanstalten, dem ZDF sowie dem Deutschlandradio zufließt. Die Landesmedienanstalten erhalten aufgrund § 10 Abs. 1 Satz 1 RFinStV lediglich 1,8989 v.H. des Rundfunkbeitragsaufkommens. Dessen Abhängigkeit vom Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wie auch die tatsächliche und rechtliche Trennung von den allgemeinen Staatsfinanzen schließen seinen Einsatz zur Befriedigung des allgemeinen Finanzbedarfs des Staates aus.

100

Der – erforderliche – Schutz der Beitragspflichtigen wird zudem dadurch gewahrt, dass die KEF den von den Rundfunkanstalten angemeldeten Finanzbedarf gemäß § 3 Abs. 1 RFinStV fachlich überprüft und ermittelt sowie gemäß § 7 Abs. 2 RFinStV einen – gleichermaßen den Bedarf wie auch die Belastung der Bürger berücksichtigenden – Beitragsvorschlag unterbreitet, der Grundlage für eine Entscheidung der Landesregierungen und der Länderparlamente ist und von dem diese nur unter Angabe einer Begründung abweichen können, welche im Wesentlichen auf Gesichtspunkte des Informationszugangs und der angemessenen Belastung der Rundfunkteilnehmer begrenzt ist. Die Länderparlamente haben sich damit ihrer Aufgabe, die Rechte der Abgabenpflichtigen zu wahren, nicht entledigt, sondern sie lediglich – dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks Rechnung tragend – unter Aufrechterhaltung der Letztentscheidungsbefugnis gemäß § 7 Abs. 2 RFinStV und damit dem Verbleib der politischen Verantwortung beim Parlament teilweise auf die KEF übertragen (vgl. BVerfG, Urteil vom 11. September 2007 – 1 BvR 2270/05 u.a. –, BVerfGE 119, 181 [223 f., 226 f.]).

101

(4) Der Einordnung als nichtsteuerliche Abgabe widerspricht schließlich auch nicht die Zahl der Rundfunkbeitragspflichtigen.

102

Im nicht privaten Bereich sind alle Inhaber von Betriebsstätten sowie im privaten Bereich grundsätzlich alle volljährigen Personen Beitragsschuldner, die nicht obdachlos oder in einer der in § 3 Abs. 2 RBStV genannten Einrichtungen untergebracht sind und die keine Sozialleistungen im Sinne des § 4 Abs. 1 RBStV beziehen. Zwar liegt umso eher eine Vorzugslast vor, je konkreter das Finanzierungsziel und je abgegrenzter bzw. abgrenzbarer der Kreis der Abgabenpflichtigen aufgrund der Vorteilsgewährung ist. Bei der Bereitstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks handelt es sich aber dennoch um eine besondere, vorteilsbegründende – und damit im Wege nichtsteuerlicher Abgaben finanzierbare bzw. zu entgeltende – öffentliche Leistung.

103

Soweit hinsichtlich der staatlichen Leistungen, deren Finanzierung die Abgabe bezweckt, ein „besonderer“ Vorteil erforderlich ist, ist Bezugsrahmen für die Feststellung einer derartigen Besonderheit nicht die Stellung des Abgabepflichtigen im Vergleich zur restlichen Bevölkerung, sondern die Abgrenzung der zu finanzierenden Aufgabe gegenüber den Gemeinlasten, d. h. den allgemeinen staatlichen Aufgaben. Von diesen unterscheidet sich die Veranstaltung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks ungeachtet der Pflicht des Staates zu dessen funktionsgerechter Finanzierung jedoch grundlegend. Im Übrigen übersteigt die Zahl der durch den Rundfunkbeitrag tatsächlich Beitragsbelasteten aufgrund des Umstands, dass der Beitrag je Wohnung nur einmal anfällt, nicht erheblich diejenige nach dem bisherigen Rundfunkgebührenstaatsvertrag. Hierzu jedoch hat das Bundesverfassungsgericht, welches – obschon ohne konkrete Zuweisung zu einer bestimmten Art der Vorzugslasten – die Rundfunkgebühr stets als nichtsteuerliche Abgabe gesehen hat, wiederholt festgestellt, es handele sich um die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gemäße Art der Finanzierung (BVerfG, Urteil vom 4. November 1986 – 1 BvF 1/84 –, BVerfGE 73, 118 [158]; Beschluss vom 6. Oktober 1992 – 1 BvR 1586/89 u.a. –, BVerfGE 87, 181 [199]; Urteil vom 22. Februar 1994 – 1 BvL 30/88 –, BVerfGE 90, 60 [90]).

104

3. Das Land hat auch die Grenzen seiner Gesetzgebungskompetenzen nicht überschritten. Die Neuregelung des Rundfunkbeitragsrechts verletzt daher nicht Art. 70 Abs. 1 i.V.m. Art. 105, 106 GG.

105

a) Kompetenznormen des Grundgesetzes bestimmen nicht nur, ob der Bund oder die Länder zum Erlass einer Regelung zuständig sind. Sie legen vielmehr zugleich auch den Umfang der Regelungsbefugnis fest. Aus der Begrenzungs- und Schutzfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung ergeben sich über die Abgrenzung der Abgabenarten und damit die Festlegung der grundsätzlichen Gesetzgebungskompetenzen hinaus Grenzen für alle Abgaben, die der Gesetzgeber in Wahrnehmung einer ihm zustehenden Sachkompetenz den Bürgern auferlegt.

106

Die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben ist daher auch dann, wenn der Normgeber grundsätzlich für deren Regelung zuständig ist, nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995 – 2 BvR 413/88 u.a. –, BVerfGE 93, 319 [342]; Urteil vom 19. März 2003 – 2 BvL 9/98 u.a. –, BVerfGE 108, 1 [15]; Beschlüsse vom 17. Juli 2003 – 2 BvL 1/99 u.a. –, BVerfGE 108, 186 [215], und vom 18. Mai 2004 – 2 BvR 2374/99 –, BVerfGE 110, 370 [387]; Urteil vom 6. Juli 2005 – 2 BvR 2335/95 u.a. –, BVerfGE 113, 128 [146 f.]). Insbesondere bedürfen sie – über die Einnahmeerzielung hinaus oder an deren Stelle – einer besonderen sachlichen Rechtfertigung. Zwar bestehen danach gegen die Erhebung von Vorzugslasten, die zu den „klassischen“ Abgabenarten und zum tradierten Bestand staatlicher Tätigkeit gehören, keine grundsätzlichen Bedenken. Sie sind dem Grunde nach bereits durch ihre Ausgleichsfunktion sachlich besonders gerechtfertigt (BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995 – 2 BvR 413/88 u.a. –, BVerfGE 93, 319 [343 f.]). Jedoch kann ihre konkrete gesetzliche Ausgestaltung mit der Begrenzungs- und Schutzfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung kollidieren. Ihre Erhebung bedarf daher nicht nur dem Grunde nach, sondern auch hinsichtlich ihrer konkreten Ausgestaltung einer im Verhältnis zur Steuer besonderen, unterscheidungskräftigen Legitimation (BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 – 2 BvL 9/98 u.a. –, BVerfGE 108, 1 [17]).

107

Kommt es hinsichtlich der grundsätzlichen Gesetzgebungskompetenz für die Abgrenzung zwischen Steuern und nichtsteuerlichen Abgaben zunächst allein auf die materielle Konzeption des Gesetzgebers an, wahrt dieser die Grenzen seiner Legislativzuständigkeiten deshalb nur, soweit die von ihm zugrunde gelegten Kriterien auch wirklichkeitsgerecht sind. Der Gesetzgeber kann die verfassungsrechtlich vorgegebene Kompetenzordnung nicht dadurch umgehen, dass er die Abgrenzungsmerkmale lediglich konstruiert, indem er etwa einen ausgleichsbedürftigen bzw. -fähigen Vorteil nur behauptet. Ob eine Konnexität oder eine besondere vorteilsbedingte Sachnähe besteht, bestimmt sich vielmehr anhand der vorgegebenen Strukturen der Lebenswirklichkeit unter Berücksichtigung der Rechts- und Sozialordnung. Insoweit entscheidet die der normativen Ausgestaltung der Abgabenregelung zugrunde liegende gesetzgeberische Konzeption nicht nur über die (Verteilung der) Gesetzgebungszuständigkeit, sondern zugleich über deren Grenze (vgl. BVerfG, Urteile vom 10. Dezember 1980 – 2 BvF 3/77 –, BVerfGE 55, 274 [300, 307]; vom 19. März 2003 – 2 BvL 9/98 u.a. –, BVerfGE 108, 1, und vom 6. Juli 2005 – 2 BvR 2335/95 u.a. –, BVerfGE 113, 128). Schafft der Gesetzgeber eine beitragsrechtliche Regelung, so überschreitet er diese, soweit seine Annahme eines ausgleichsfähigen bzw. -bedürftigen Vorteils und damit die Begründung für die Heranziehung der Abgabenschuldner offenkundig nicht der Lebenswirklichkeit entspricht.

108

b) Diesen Anforderungen genügt die Regelung der Beitragspflicht im nicht privaten Bereich.

109

Der Rundfunkbeitrag im Sinne des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags ist ein Beitrag im abgabenrechtlichen Sinne, welcher der Abgeltung der grundsätzlichen Möglichkeit des Empfangs von Rundfunk – nicht hingegen dessen tatsächlicher Nutzung – dient (aa). Einen – typisierten und pauschalierten – tatsächlichen Rundfunkempfang hat der Gesetzgeber nicht dem Belastungsgrund, sondern der Ausgestaltung der Beitragshöhe zugrunde gelegt (bb). Deren Verfassungsgemäßheit ist jedoch keine Frage der Grenzen der Gesetzgebungskompetenzen, sondern der Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 17 Abs. 1, 2 LV (cc).

110

aa) Der Rundfunkbeitrag wird als Beitrag im abgabenrechtlichen Sinn für die (bloße) Möglichkeit des Rundfunkempfangs erhoben.

111

(1) Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag selbst verhält sich seinem Wortlaut nach nicht zum Abgabengrund. Dieser ergibt sich jedoch aus dem Kontext der Regelungen.

112

Gemäß § 1 RBStV dient der Rundfunkbeitrag der funktionsgerechten Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Aus der Ausgestaltung der Abgabe als Vorzugslast wiederum folgt, dass die Belastung des Abgabenschuldners nicht voraussetzungslos erhoben wird, sondern hiermit die Monetarisierung eines Vorteils seitens der Inhaber einer Wohnung oder einer Betriebsstätte erfolgt. Das Anknüpfen an die Wohnung und den Betrieb in Abkehr vom bisherigen Rundfunkgebührenrecht zeigt, dass die Abgabenpflicht nicht mehr davon abhängt, ob der Abgabenschuldner ein Empfangsgerät bereithält, es mithin auf die individuelle Nutzungswahrscheinlichkeit nicht ankommt. Dementsprechend sieht der Staatsvertrag grundsätzlich keine Möglichkeit für eine Befreiung von der Beitragspflicht mit der Begründung vor, tatsächlich werde kein Rundfunk rezipiert bzw. könne dieser aufgrund individueller Umstände nicht empfangen werden. Eine Ausnahme besteht nur im privaten Bereich, wenn eine Rundfunknutzung bzw. ein Rundfunkempfang objektiv aus außerhalb der Einflusssphäre des Abgabenschuldners liegenden – gesundheitlichen (§ 4 Abs. 1 Nr. 10 RBStV) oder technischen (§ 4 Abs. 6 RBStV) – Gründen vollständig ausgeschlossen sind. Ansonsten kommt es nicht darauf an, ob und in welchem Maße er das Rundfunkangebot nutzt. Mithin ist Abgabengrund allein die grundsätzliche Möglichkeit des Rundfunkempfangs.

113

Der Rundfunkbeitrag ist damit keine (pauschalierte) Gebühr für eine (unwiderlegbar vermutete) tatsächliche Rundfunknutzung. Mit ihm soll nach dem Willen des Gesetzgebers im privaten wie im nicht privaten Bereich vielmehr der aus der Bereitstellung eines öffentlich-rechtlichen Vorteils resultierende Vorteil – unabhängig von dessen tatsächlicher Nutzung sowie von deren Umfang – abgegolten werden. Die Abgabenschuldner werden hierdurch an den Kosten einer öffentlichen Einrichtung, welche ihnen besondere Vorteile gewährt, beteiligt, ohne dass es darauf ankommt, ob sie diese tatsächlich wahrnehmen. Der Rundfunkbeitrag erfüllt somit die Tatbestandsvoraussetzungen eines Beitrags im abgabenrechtlichen Sinn.

114

(2) Die Ausgestaltung als Beitrag für die Möglichkeit der Rundfunknutzung im betrieblichen Bereich unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme entspricht zudem dem Willen des Gesetzgebers. Die Gesetzesbegründung verweist ausdrücklich darauf, der abgabenrechtliche Anknüpfungspunkt der Betriebsstätte beschreibe den „Ort der potenziellen Mediennutzung“. Auch der nicht private Bereich profitiere davon, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in besonderem Maße die Grundlagen der Informationsgesellschaft fördere und einen wichtigen Beitrag zur Integration und Teilhabe an demokratischen, kulturellen und wirtschaftlichen Prozessen leiste (LT-Drucks. 16/188, S. 1, 17, 26). Das der Neukonzeptionierung der Rundfunkfinanzierung zugrunde liegende Gutachten benennt ebenfalls als Abgabengrund das Programmangebot, nicht dessen tatsächlichen Empfang. Rechtfertigender Grund ist danach die vom Rundfunk eröffnete allgemein zugängliche Quelle (P. Kirchhof, Gutachten über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, 2010, S. 9, 48, 50).

115

bb) Dem steht nicht entgegen, dass in der Gesetzesbegründung zugleich ausgeführt wird, Anknüpfungspunkt der Beitragspflicht sei „das Existieren einer Raumeinheit, in der üblicherweise eine Rundfunknutzung stattfindet (typisierende Betrachtungsweise)“, ohne dass es auf den Umfang der Nutzung ankomme (LT-Drucks. 16/188, S. 24). Gleiches gilt für die Darstellung in dem zugrunde liegenden Gutachten, der zufolge „die Nutzung der Programmangebote in den Pausen, bei der humanen Gestaltung von Massenfertigungen, bei der Ausstattung der Firmenfahrzeuge, bei Nutzung der Multifunktion von Handys und PC, bei der Beschaffung betrieblichen Wissens […] zu den typischen Betriebsabläufen und Organisationsstrukturen eines Gewerbebetriebes [gehört], […] [d]er Erwerbsbetrieb […] typischerweise eigene Vorkehrungen für den Rundfunkempfang während der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit [trifft und] für einen wesentlichen Teil des Tagesablaufes diesen Empfang [ermöglicht]“ (P. Kirchhof, Gutachten über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, 2010, S. 10 f., 65 f.).

116

Vielmehr hat der Gesetzgeber zwei Abgabengründe – das zu finanzierende Rundfunkangebot (anstaltsbezogene Kosten) einerseits sowie die (vermutete) individuelle Nutzung des Rundfunks (nutzungsbedingte Vorteile) andererseits – miteinander auf unterschiedlichen Ebenen kombiniert. Abgabengrund ist danach allein die Möglichkeit des Rundfunkempfangs. Die Beitragshöhe hingegen hat der Gesetzgeber anhand einer (typisierten) tatsächlichen Nutzung des Rundfunkangebots bemessen, indem er nicht an die – insbesondere mit Aufgabe des Gerätebezugs individuell nicht mehr berechenbare – Rundfunknutzung des Einzelnen bzw. deren Umfang anknüpft und damit von jedem Bürger bzw. für jeden Beschäftigten einen Beitrag einfordert, sondern die potenziellen Rundfunknutzer unter Zugrundelegung deren (angenommenen) üblichen Rundfunkkonsums zu Gruppen („Raumeinheiten“) zusammengefasst und den Wert der Bereitstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks anhand einer die individuell unterschiedlichen Nutzungsgewohnheiten ausgleichenden „durchschnittlichen“ Nutzung der Gruppenmitglieder – Bewohner bzw. Beschäftigte – bewertet hat (vgl. LT-Drucks. 16/188, S. 19; P. Kirchhof, Gutachten über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, 2010, S. 63). Für den nicht privaten Bereich gleicht der Gesetzgeber die Unterschiede in Gewicht und Intensität des Rundfunkempfangs dadurch aus, dass er die konkrete Abgabenhöhe anhand der Betriebsgröße differenziert und zudem einen im Vergleich zu privaten Haushalten niedrigeren Beitrag ansetzt: Während private Haushalte ganz überwiegend von ein bis vier Personen bewohnt werden und hierfür ein Rundfunkbeitrag zu zahlen ist, wird für Betriebe mit bis zu acht Beschäftigten nur ein Drittel des Beitrags in Ansatz gebracht; ein voller Beitrag hingegen fällt erst ab einer Betriebsgröße von neun Beschäftigten an. Für Betriebe mit 20.000 Beschäftigten beispielsweise sind 180 Rundfunkbeiträge zu zahlen, d. h. ein voller Beitrag entfällt hier auf mindestens 111 Beschäftigte; insoweit geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Intensität der Rundfunknutzung gegenüber einem privaten Haushalt deutlich geringer ist.

117

cc) Ist Abgabengrund mithin die Bereitstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, so entspricht die Annahme, dass die Möglichkeit zu dessen Nutzung auch in allen Betriebsstätten besteht, angesichts der nahezu vollständigen Abdeckung des Bundesgebiets der Lebenswirklichkeit. Die Annahme eines daraus resultierenden Vorteils auch im nicht privaten Bereich ist darüber hinaus auch nicht lediglich theoretischer Natur.

118

(1) Die Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erschöpft sich in einer demokratischen Gesellschaft nicht in der Unterhaltung und Zerstreuung der Zuschauer und Zuhörer. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist vielmehr dem Prinzip gesellschaftlicher, von politischer und wirtschaftlicher Einflussnahme unabhängiger Freiheit und Vielfalt verpflichtet. Er dient der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung. Damit obliegt ihm die Sicherung der Meinungsvielfalt, d. h. das – durch das Gebot der Staatsferne zusätzlich konturierte – Zurgeltungbringen der verschiedenen Perspektiven des Gemeinwesens insgesamt (BVerfG, Urteil vom 25. März 2014 – 1 BvF 1/11 u.a. –, juris Rn. 34 ff.). Es ist Aufgabe insbesondere der Medien, Informationen, Meinungen und Ideen zu politischen und anderen Themen von öffentlichem Interesse zu vermitteln. Als deren Übermittler wie auch als Plattform für ihren Austausch und Wettstreit kommt den Medien daher eine herausragende Bedeutung für das Funktionieren der demokratischen Gesellschaft zu. Denn es gibt keine Demokratie ohne Pluralismus; die Freiheit der Meinungsäußerung wie auch die Freiheit der Information sind wesentliche Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft und gehören damit zu den wichtigsten Voraussetzungen für ihre Fortentwicklung (EGMR, Urteile vom 17. Dezember 2009 – Nr. 13936/02, Manole u.a./Moldawien –, §§ 95 ff., und vom 7. Juni 2012 – Nr. 38433/09, Centro Europa 7 S.r.l. u. a./Italien –, NVwZ-RR 2014, 48 [52]).

119

Die besondere staatliche Verantwortung für die Sicherung der Vielfalt in diesem Bereich hat ihren Grund in der herausgehobenen Bedeutung, welche dem Rundfunk – zumal dem Fernsehen – wegen seiner Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft zukommt, und die sich insbesondere daraus ergibt, dass Inhalte schnell, sogar zeitgleich, übertragen und dabei Ton, Text und bewegte Bilder miteinander kombiniert werden können. Hierdurch haben sie häufig einen weit unmittelbareren und mächtigeren Einfluss als gedruckte Medien. Im Rahmen der dualen Rundfunkordnung kommt dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und der von ihm sicherzustellenden Erfüllung des klassischen Funktionsauftrags der Rundfunkberichterstattung insoweit besondere Bedeutung zu. Seine Aufgabe ist es, ein Leistungsangebot hervorzubringen, welches nicht marktwirtschaftlichen Anreizen folgt und damit eigene Möglichkeiten der Programmgestaltung eröffnet. Er hat so zu inhaltlicher Vielfalt beizutragen, wie sie allein über den freien Markt nicht gewährleistet werden kann. Diese für die Funktionserfüllung unabdingbare Freiheit von merkantilen Zwängen gewährleistet die öffentliche Finanzierung. Erst sie befähigt die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, durch eigene Impulse und Perspektiven zur Angebotsvielfalt beizutragen und unabhängig von Einschaltquoten und Werbeaufträgen ein Programm anzubieten, welches den verfassungsrechtlichen Anforderungen gegenständlicher und meinungsmäßiger Vielfalt entspricht. Um die Erfüllung des Funktionsauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu ermöglichen, muss daher der Gesetzgeber vorsorgen, dass die dafür erforderlichen technischen, organisatorischen, personellen und finanziellen Vorbedingungen bestehen (BVerfG, Urteil vom 11. September 2007 – 1 BvR 2270/05 u.a. –, BVerfGE 119, 181 [215 ff.]; Urteil vom 25. März 2014 – 1 BvF 1/11 u.a. –, juris Rn. 34 ff.).

120

(2) Von einer funktionierenden, auf einer von politischen und finanziellen Interessen unbeeinflussten Meinungs- und Informationsfreiheit aufbauenden Demokratie profitieren nicht nur die Bürger. Eine freie wirtschaftliche Betätigung ist allein in einem demokratischen Umfeld möglich. Nur in einer funktionierenden demokratischen Gesellschaft sind die Wahrung rechtsstaatlicher Maßstäbe sowie die friedliche Lösung gesellschaftlicher Konflikte und damit die Aufrechterhaltung der für eine unternehmerische Betätigung unabdingbaren Rahmenbedingungen garantiert. Instrumente, die – wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk – der Gewährleistung der für eine demokratische Grundordnung unabdingbaren Voraussetzungen dienen, kommen damit auch einer unternehmerischen Tätigkeit zugute. Allein eine ungehinderte, d. h. insbesondere von politischen und wirtschaftlichen Interessen unbeeinflusste Meinungs- und Informationsvielfalt vermag zudem zu verhindern, dass politische oder wirtschaftliche Macht beispielsweise zur Verfolgung einseitiger – und damit Mitbewerber beeinträchtigender – Interessen eingesetzt wird.

121

Dem kann nicht entgegen gehalten werden, die Bedeutung des Rundfunks beschränke sich auf die Meinungsbildung der Bürger, mithin den privaten Bereich im Sinne von § 2 RBStV (so aber Wiemers, GewArch 2013, 110 [113]). An der gesellschaftlichen und damit insbesondere auch der politischen Meinungsbildung wirken Unternehmen und ihre Verbände gleichermaßen – passiv wie auch aktiv – mit. Dies gilt gerade für wirtschaftspolitische, aber auch für gesamtgesellschaftliche Themen, insbesondere mit Bezügen zu unternehmerischen Rahmenbedingungen. Oftmals können sie sich sogar hier in viel stärkerem Maße Gehör verschaffen als der einzelne Bürger.

122

Das Bild eines außerhalb der Gesellschaft stehenden, von dieser lediglich – als bloßem „Absatzmarkt“ – profitierenden Unternehmertums widerspricht nicht nur der gesellschaftlichen Wirklichkeit, sondern entspricht auch nicht der Landesverfassung. Diese betont vielmehr mehrfach die Verantwortung auch der Wirtschaft für die – und damit ihre Einbindung in die – Gesellschaft. So wird bereits im Vorspruch der Wille zur Förderung des wirtschaftlichen Fortschritts aller hervorgehoben und werden in Art. 67 Abs. 1 LV alle in der Wirtschaft Tätigen verpflichtet, in gemeinschaftlicher Verantwortung an der Lösung der wirtschafts- und sozialpolitischen Aufgaben mitzuwirken. Das Bild, dass juristische Personen und Personengesellschaften im Dualismus Staat – Bürger auf Seiten des Bürgers stehen, findet hierin seine konsequente Fortsetzung. Die „kulturelle Infrastruktur“, zu deren konstitutiven Elementen auch der Rundfunk, insbesondere der öffentlich-rechtliche, zählt, kommt daher in vielfältiger Weise auch der Wirtschaft zugute (Degenhart, ZUM 2009, 374 [382]).

123

Ein weiterer ausgleichsfähiger potenzieller Vorteil für den nicht privaten Bereich ergibt sich zudem daraus, dass der Rundfunk eine wichtige Informationsquelle wirtschafts- und erwerbsrelevanter Informationen ist (P. Kirchhof, Gutachten über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, 2010, S. 65). Diese steht dem Inhaber einer Betriebsstätte unabhängig davon zur Verfügung, ob er sich hieraus tatsächlich informiert oder ob er sich insoweit gedruckter Medien oder anderweitiger Fachinformationen bedient. Schließlich kann der Inhaber einer Betriebsstätte die Bereitstellung des Rundfunks dafür nutzen, durch die Ermöglichung von dessen Empfang auch während der Arbeitszeit oder in den Pausen die individuellen Arbeitsbedingungen der Beschäftigten gegebenenfalls zu verbessern.

124

(3) Ob sich hingegen die vorgenannten Vorteile angemessen in den Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages widerspiegeln, insbesondere ob etwaigen Unterschieden der einzelnen Betriebsstätten stärker hätte Rechnung getragen werden müssen, ist keine Frage der Wahrung der Gesetzgebungsbefugnisse, sondern der Ausgestaltung der – grundsätzlich gerechtfertigten – Beitragspflicht und damit des Gleichbehandlungsgrundsatzes gemäß Art. 17 Abs. 1, 2 LV.

125

c) Schließlich hat der Gesetzgeber die Grenzen seiner Gesetzgebungsbefugnisse auch nicht hinsichtlich der Beitragspflicht im privaten Bereich sowie für Kraftfahrzeuge überschritten. Sowohl im Haushalt als auch im Fahrzeug ist ein Rundfunkempfang möglich und damit ein Vorteil gegeben, dessen Ausgleich durch eine Heranziehung zu dessen Finanzierung sachlich gerechtfertigt ist.

II.

126

Die Ausgestaltung der Beitragserhebung nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 17 Abs. 1 und 2 LV.

127

1. Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag differenziert einerseits die Beitragserhebung in vielfältiger Weise insbesondere zwischen dem privaten und dem nicht privaten Bereich, jedoch auch innerhalb des letztgenannten Bereichs; andererseits knüpft er zugleich innerhalb beider Bereiche an unterschiedliche Tatbestände dieselben Rechtsfolgen.

128

Im privaten Bereich ist zwar jeder Wohnungsinhaber Beitragsschuldner, der einheitliche Beitrag in Höhe von 17,98 € wird jedoch je Wohnung unabhängig von der Zahl der Bewohner nur einmal geschuldet. Im nicht privaten Bereich hingegen sind für jede Betriebsstätte Rundfunkbeiträge zu zahlen, deren Höhe sich nach der Zahl der dort Beschäftigten bestimmt. Darüber hinaus ist im nicht privaten Bereich ab dem zweiten Kraftfahrzeug ein Monatsbeitrag von 5,99 € je Fahrzeug zu entrichten, wohingegen im privaten Bereich Fahrzeuge unabhängig von ihrer Anzahl beitragsfrei sind. Des Weiteren sind im privaten Bereich nicht nur Empfänger von Sozialleistungen, sondern auch solche Personen von der Beitragspflicht zu befreien, denen ein Rundfunkempfang aus gesundheitlichen oder sonstigen außerhalb ihres Einflusses liegenden Umständen objektiv unmöglich ist. Im nicht privaten Bereich hingegen begründet die objektive Unmöglichkeit des Rundfunkempfangs mit Ausnahme der in § 5 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Nr. 2 RBStV geregelten Fälle grundsätzlich keinen Befreiungsanspruch. Von der Beitragspflicht befreit sind vielmehr lediglich Rundfunkanstalten/-veranstalter und -anbieter sowie diplomatische Vertretungen; daneben ist für bestimmte staatliche und gemeinnützige Einrichtungen die Höhe des Beitrags auf 17,98 € beschränkt.

129

Innerhalb des nicht privaten Bereichs ergeben sich weitere Unterschiede in der Beitragsbelastung dadurch, dass der Beitrag nicht linear mit der Zahl der Beschäftigten ansteigt, sondern degressiv verläuft und die Betriebsstätten einzelnen, an die Zahl der Beschäftigten anknüpfenden Beitragsgruppen zugewiesen sind. Hierdurch liegt der Beitrag monatlich zwischen 5,99 € für Betriebsstätten mit bis zu acht Beschäftigten und 3.236,40 € für Betriebsstätten mit über 20.000 Beschäftigten und beträgt der Beitrag je Beschäftigtem zwischen 5,99 und weniger als 0,11 €. Aufgrund der Anknüpfung der Beitragshöhe an die Betriebsstätte statt an die Person des Betriebsstätteninhabers ergeben sich weitere Unterschiede dahingehend, dass beispielsweise ein Unternehmen mit 4.800 Beschäftigten, die gleichmäßig auf vier Betriebsstätten verteilt sind, den vierfachen Beitrag desjenigen Unternehmens zahlen muss, dessen 4.800 Beschäftigte ausnahmslos in der selben Betriebsstätte tätig sind. Hingegen werden Unternehmen mit unterschiedlicher Beschäftigtenzahl in gleicher Höhe zur Finanzierung des Rundfunks herangezogen, so lange sie in die gleiche Beitragsgruppe fallen.

130

2. Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf seine Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste und gerechteste Lösung gefunden, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 16. Oktober 1979 – 1 BvL 51/79 –, BVerfGE 52, 277 [260 f.], vom 28. November 1984 – 1 BvR 1157/82 –, BVerfGE 68, 287 [301], und vom 29. November 1989 – 1 BvR 1402/87 u.a. –, BVerfGE 81, 108 [117 f.]).

131

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 17 Abs. 1 und 2 LV gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln sowie wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Dabei verwehrt er dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Diese bedarf jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, welche dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Danach ergeben sich aus Art. 17 Abs. 1und 2 LV je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Für die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen kommt es wesentlich darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall das Willkürverbot oder das Gebot verhältnismäßiger Gleichbehandlung durch den Gesetzgeber verletzt ist, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen. Sofern sich nicht aus etwaig betroffenen Freiheitsrechten oder einer Annäherung der Differenzierungsmerkmale an diejenigen des Art. 3 Abs. 3 GG strengere Bindungen des Gesetzgebers ergeben, ist der Gleichheitssatz jedenfalls dann verletzt, wenn sich – bezogen auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs – ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder sonst wie einleuchtender Grund für die betreffende Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 8. März 2010 – VGH B 60/09 u.a. –, LKRZ 2010, 216 [218]; Beschluss vom 12. Juli 2010 – VGH B 74/09 –, AS 39, 1 [3]; Urteil vom 29. November 2010 – VGH B 11/10 –, AS 39, 7 [14]; BVerfG, Beschlüsse vom 12. Oktober 2010 – 1 BvL 14/09 –, BVerfGE 127, 263 [280], vom 21. Juni 2011 – 1 BvR 2035/07 –, BVerfGE 129, 49 [68 f.], vom 7. Februar 2012 – 1 BvL 14/07 –, BVerfGE 130, 240 [254], und vom 7. Mai 2013 – 2 BvR 909/06 u.a. –, BVerfGE 133, 377 [407 f.]).

132

3. Dies zugrunde gelegt, rechtfertigen die mit dem Ziel der Neugestaltung der Rundfunkfinanzierung (a) notwendig verbundene Typisierung und Pauschalierung (b) die damit einhergehenden (Un-)Gleichbehandlungen.

133

a) Mit dem 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag verfolgt der Gesetzgeber das Ziel einer umfassenden Neugestaltung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

134

Eckpunkte dieses neuen Modells sind eine – im Vergleich zum bisherigen Rundfunkgebührenrecht – Aufkommensneutralität und -stabilität, die Beteiligung des privaten und des nicht privaten Bereichs an der Finanzierung, die Abkehr vom Bereithalten eines Gerätes als Anknüpfungspunkt der Abgabenpflicht, die soziale Gerechtigkeit, die Wahrung der Staatsferne der Rundfunkfinanzierung, ein geringer Verwaltungsaufwand sowie die Beachtung der rundfunkverfassungs-, finanzverfassungs-, datenschutz- und europarechtlichen Vorgaben (LT-Drucks. 16/188, S. 1, 17). Im Vordergrund steht dabei insbesondere eine deutliche Vereinfachung des Erhebungsverfahrens sowie die Festlegung eines Abgabentatbestandes, der unabhängig von der – und damit offen für die – künftige(n) technische(n) Entwicklung(en) ist; letzteres erachtet der Gesetzgeber für das geräteorientierte bisherige Gebührenmodell angesichts der zunehmenden Konvergenz der Empfangsgeräte nicht mehr als gewährleistet. Zugleich sollen mit der Abkehr vom Gerätebezug der Kontrollaufwand verringert und hierdurch insbesondere Nachforschungen des sog. Beauftragtendienstes in den Wohnräumen der Bürger hinfällig werden.

135

Gerade die Kontrollen stießen in weiten Teilen der Bevölkerung auf Ablehnung und wirkten sich nachteilig auf die Akzeptanz der Rundfunkfinanzierung aus. Dies sowie die Unübersichtlichkeit der Ausnahmetatbestände führten dazu, dass die Zahl derjenigen Rundfunknutzer zunahm, die zu Unrecht keine Rundfunkgebühr zahlten. Im Interesse der Finanzierungssicherung, zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit der Rundfunkfinanzierung insgesamt aufgrund eines drohenden strukturellen Kontroll- und Vollzugsdefizits sowie im Interesse eines besseren Schutzes der Privatsphäre der Bürger war eine möglichst weitgehende Vereinfachung der Abgabentatbestände ein herausragendes Anliegen des Gesetzgebers (LT-Drucks. 16/188, S. 1, 17, 19; 16/556, S. 1; Ministerpräsident Beck, PlenProt. 16/7, S. 259 f., und PlenProt. 16/13, S. 745 f.; Abg. Haller, PlenProt. 16/7, S. 264; Abg. Dr. Weiland, PlenProt. 16/13, S. 743 f.).

136

Die vorgenannten Beweggründe beschränken sich nicht auf den privaten, sondern erfassen auch den nicht privaten Bereich. Mit der Anknüpfung der Beitragspflicht an die Betriebsstätte sowie der Staffelung der Beitragshöhe anhand der Zahl der Beschäftigten hat der Gesetzgeber insbesondere seine Zielvorgaben einer Abkehr von der Geräteabhängigkeit der Rundfunkabgaben sowie einer Vereinfachung des Verwaltungsaufwands – seitens der Rundfunkanstalten wie auch der Abgabenschuldner – im nicht privaten Bereich umgesetzt.

137

b) Zur Umsetzung dieser Ziele war der Gesetzgeber berechtigt, die danach beitragsrechtlich bedeutsamen Gesichtspunkte unter generalisierender Vernachlässigung tatsächlicher Besonderheiten typisierend in einem Gesamtbild normativ zusammenzufassen (aa). Soweit er sich hiervon in Einzelfällen teilweise gelöst und abweichende Umstände berücksichtigt hat, steht dies nicht im Widerspruch zur Gesamtkonzeption und lässt folglich die rechtfertigende Wirkung der Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis nicht entfallen (bb). Eine Rücksichtnahme auf weitere atypische Fälle hingegen ist zumindest derzeit verfassungsrechtlich nicht geboten; der Gesetzgeber muss jedoch die Entwicklung des Rundfunkbeitragsrechts einschließlich der hierzu wechselbezüglichen technischen Veränderungen fortlaufend beobachten und ihnen gegebenenfalls durch eine Anpassung der beitragsrechtlichen Vorschriften Rechnung tragen (cc).

138

aa) Der Gesetzgeber durfte das Rundfunkbeitragsrecht unter Hintanstellung tatsächlicher Besonderheiten typisierend und pauschalierend regeln.

139

(1) Die Vielgestaltigkeit der rechtlichen und tatsächlichen Anforderungen an eine zeitgemäße Rundfunkfinanzierung, die nicht zuletzt in dem Umfang und der mehrjährigen Dauer der Beratungen der Umgestaltung des Rundfunkabgabenrechts zum Ausdruck kommen, die Erfahrungen mit dem bisherigen Rundfunkgebührenrecht wie auch das mit einer solchen Umgestaltung zwangsläufig verbundene prognostische Element können bei einer verfassungsrechtlichen Bewertung des neuen Beitragsrechts anhand des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht unbeachtet bleiben.

140

Insbesondere darf sich eine gleichheitsrechtliche Bewertung nicht in einer Einzelbetrachtung aller denkbaren abgabenrechtlichen Konstellationen erschöpfen. Jede gesetzliche Regelung muss generalisieren. Dies gilt insbesondere bei der Ordnung von Massenerscheinungen, wie sie gerade im Abgabenrecht auftreten. Der Gesetzgeber ist daher gezwungen, aber auch – obschon nicht unbegrenzt – berechtigt, seinen Entscheidungen ein Gesamtbild zugrunde zu legen und dieses in generalisierenden, typisierenden und pauschalierenden Regelungen umzusetzen. Damit unvermeidlich verbundene Härten allein verstoßen nicht schon gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Der Gesetzgeber hat vielmehr einfache, für den Betroffenen verständliche Regelungen zu wählen, die verlässlich und effizient vollzogen werden können. Etwaige Gleichheitsverstöße sind daher unbeachtlich, solange sie nicht sehr intensiv sind und nur eine verhältnismäßig kleine Gruppe betreffen. Wesentlich ist ferner, ob die Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären; hierfür sind auch praktische Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht. Allerdings darf eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren. Hierfür bedarf es einer gründlichen gesetzgeberischen Befassung mit den tatsächlichen Grundlagen und einer situationsgerechten Ausschöpfung der dem Gesetzgeber zugänglichen Erkenntnisquellen. Gerade im Abgabenrecht fordert der Gleichheitssatz daher nicht eine immer mehr individualisierende und spezialisierende Gesetzgebung, welche letztlich die Gleichmäßigkeit des Gesetzesvollzugs gefährdet, sondern die Regelung eines allgemein verständlichen und möglichst unausweichlichen Belastungsgrundes. Der Gesetzgeber darf deshalb einen abgabenerheblichen Vorgang um der materiellen Gleichheit willen unter Außerachtlassen individuell gestaltbarer Besonderheiten im typischen Lebensvorgang erfassen sowie unter Berücksichtigung der für den Staat verfügbaren personellen und finanziellen Mittel die Verwirklichung des Abgabenanspruchs verfahrensrechtlich erleichtern. Auch kann eine Tatbestandstypisierung dazu dienen, komplizierte Lebenssachverhalte übersichtlicher und verständlicher zu machen, um so den abgabenrechtlichen Belastungsgrund zu verdeutlichen und in das Bewusstsein zu rücken (BVerfG, Urteil vom 26. Mai 1981 – 1 BvL 56/78 u.a. –, BVerfGE 57, 139 [159 f.]; Beschlüsse vom 31. Mai 1988 – 1 BvR 520/83 –, BVerfGE 78, 214 [227 f.], vom 30. Mai 1990 – 1 BvL 2/83 u.a. –, BVerfGE 82, 126 [151 f.], vom 8. Oktober 1991 – 1 BvL 50/86 –, BVerfGE 84, 348 [359 f.], vom 10. April 1997 – 2 BvL 77/92 –, BVerfGE 96, 1 [6], und vom 11. November 1998 – 2 BvL 10/95 –, BVerfGE 99, 280 [290]; Urteile vom 7. Dezember 1999 – 2 BvR 301/98 –, BVerfGE 101, 297 [309 f.], und vom 9. Oktober 2001 – 2 BvL 17/99 –, BVerfGE 105, 73 [127]; Beschlüsse vom 16. März 2005 – 2 BvL 7/00 –, BVerfGE 112, 268 [280 f.], und vom 7. Mai 2013 – 2 BvR 909/06 u.a. –, BVerfGE 133, 377 [412 f.]).

141

(2) Unter Zugrundelegung der vorgenannten Maßstäbe begegnet die Neugestaltung der Rundfunkfinanzierung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

142

Mit ihr hat der Gesetzgeber den veränderten technischen Rahmenbedingungen ebenso wie den Unzulänglichkeiten der bisherigen Rundfunkfinanzierung Rechnung getragen und ein Abgabenmodell geschaffen, welches die Beitragslast ohne unverhältnismäßigen Vollzugsaufwand anhand einfach zu bestimmender Kriterien festlegt und dem Auftrag des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG entsprechend eine funktionsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sichert.

143

(a) Die unterschiedliche Ausgestaltung der Rundfunkbeitragspflicht im privaten und im nicht privaten Bereich beruht auf einem vernünftigen, einleuchtenden Grund.

144

Sie folgt aus der – im Ermessen des Gesetzgebers liegenden – Entscheidung, die Beitragspflicht nicht mehr von dem Vorhalten eines Rundfunkempfangsgeräts abhängig zu machen, sondern an die grundsätzlich unbeschränkte Möglichkeit des Rundfunkempfangs anzuknüpfen und deren Wert für den Abgabenschuldner – und damit die Beitragshöhe – anhand einer typisierten, insbesondere auf die jeweils übliche bzw. mögliche Nutzungsintensität sowie den zu erwartenden Vorteil abstellenden Rundfunknutzung zu bestimmen.

145

(aa) Insoweit verstößt es nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, dass der Gesetzgeber die vorgenannten Kriterien im privaten sowie im nicht privaten Bereich unterschiedlich bewertet hat. Diese unterscheiden sich so grundlegend voneinander, dass eine einheitliche Maßstabsbildung ausgeschlossen, zumindest jedoch nicht zwingend ist. Nicht zuletzt aufgrund der statistisch belegten nahezu ausnahmslosen Verbreitung von Radio- und Fernsehgeräten in privaten Haushalten begegnet die Annahme, dort liege trotz eines auch innerhalb von Familien zunehmend individualisierten Rundfunkkonsums ein Schwerpunkt der Rundfunknutzung, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gesetzgeber ist hierbei nicht davon ausgegangen, die gesamte Familie nutze Radio und Fernsehen typischerweise gemeinschaftlich. Vielmehr berücksichtigt das neue Beitragsmodell ebenso, dass heutzutage eine individuelle und höchst unterschiedliche Rundfunkrezeption auch innerhalb eines Haushalts erfolgt; es geht jedoch insofern davon aus, dass sich diese unterschiedlichen Nutzungsarten und -gewohnheiten in einem Maße ausgleichen, dass sich die Rundfunknutzung der verschiedenen Haushalte letztlich doch einem Durchschnittsbild annähert (LT-Drucks. 16/188, S. 19).

146

Der Gesetzgeber durfte der Bemessung der Rundfunkbeiträge für den nicht privaten Bereich die Annahme einer hiervon abweichenden Bedeutung der Rundfunknutzung zugrunde legen. Insbesondere die Aufmerksamkeit, mit welcher der Rundfunk dort verfolgt wird, ist mit derjenigen im nicht privaten Bereich, in welchem die berufliche Tätigkeit im Vordergrund steht und Rundfunk daher lediglich am Rande bzw. im Hintergrund oder in den Arbeitspausen genutzt wird, nicht zu vergleichen. Auch besteht ein Haushalt regelmäßig aus höchstens vier bis fünf, meistens sogar weniger Personen, wohingegen in Betriebsstätten häufig deutlich mehr Personen beschäftigt sind. Von daher leuchtet es ein, dass der Gesetzgeber hierfür keinen größenunabhängigen Einheitsbeitrag vorgesehen, sondern die Beitragshöhe von der – sich (auch) in der Zahl der Mitarbeiter widerspiegelnden – Größe der Betriebsstätte abhängig gemacht hat.

147

(bb) Dass im nicht privaten Bereich lediglich ein Kraftfahrzeug pro Betriebsstätte beitragsfrei ist, im privaten Bereich hingegen Fahrzeuge unabhängig von ihrer Zahl je Haushalt bei der Beitragsbemessung nicht berücksichtigt werden, entspricht zunächst dem schon vor Inkrafttreten des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags geltenden Recht. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV war für sog. Zweitgeräte, welche in der Wohnung oder im Kraftfahrzeug zum Empfang bereitgehalten wurden, unabhängig von ihrer Anzahl keine Rundfunkgebühr zu leisten. Diese Gebührenfreiheit galt nach § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV nicht für Zweitgeräte in solchen Kraftfahrzeugen, die zu anderen als privaten Zwecken genutzt wurden, ohne dass es auf den Umfang der Nutzung der Empfangsgeräte oder der Kraftfahrzeuge für diese Zwecke ankam. Damit war für jedes, d. h. auch schon für das erste Fahrzeug im nicht privaten Bereich, sofern darin ein Autoradio eingebaut war, die Grundgebühr in Höhe von zuletzt 5,76 € zu zahlen; dies entsprach in etwa dem nunmehr gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RBStV zu zahlenden Drittelbeitrag (5,99 €).

148

Angesichts des Umstands, dass für Bürger, welche überhaupt kein Empfangsgerät oder nur ein Radio besitzen, die Reform der Rundfunkfinanzierung bereits mit einer Abgabenerhöhung verbunden ist, da sie nunmehr den (vollen) Beitrag von 17,98 € zahlen müssen, wäre eine Ausweitung der Beitragspflicht auf Zweitwagen im privaten Bereich dem Anliegen zuwidergelaufen, eine größere Akzeptanz der Rundfunkabgaben zu bewirken. Auch hätte die Begründung einer Beitragspflicht für privat genutzte Pkw unter Umständen weitere Nachforschungen im Rahmen des Vollzugs erforderlich gemacht, obschon der Kontrollumfang mit der Reform gerade verringert werden sollte. Darüber hinaus verfügen 76,2 v.H. der Haushalte in Deutschland über keinen oder nur einen Pkw; lediglich 20,2 v.H. besitzen zwei und nur 3,6 v.H. der Haushalte drei oder mehr Pkw (Statistisches Bundesamt, Fachserie 15 Heft 1: Wirtschaftsrechnungen – Einkommens- und Verbrauchsstichprobe – Ausstattung privater Haushalte mit ausgewählten Gebrauchsgütern 2013, S. 13 ff.). Damit fallen mehr als Dreiviertel der Haushalte in die Kategorie, in der auch im nicht privaten Bereich kein gesonderter Beitrag geschuldet wird.

149

Die Entscheidung, Kraftfahrzeuge unabhängig von deren Zahl nicht auch im gewerblichen Bereich beitragsfrei zu lassen, begegnet ebenfalls keinen gleichheitsrechtlichen Bedenken. Insofern durfte der Gesetzgeber berücksichtigen, dass Fahrzeuge im nicht privaten Bereich – anders als im privaten – Erwerbszwecken dienen und steuerlich als Betriebsvermögen angesetzt werden können (BVerwG, Beschluss vom 6. Februar 1996 – 6 B 72.95 –, NJW 1996, 1163 [1164]; BayVerfGH, Entscheidung vom 6. Juli 1978 – Vf. 10-VII-76 –, VerfGHE BY 31, 158 [165 f.]). Zudem ist das Anliegen des Gesetzgebers sachgerecht, mit der Regelung auch diejenigen zu erfassen, die keine Betriebsstätten unterhalten oder benötigen, weil sie sich zur Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit – wie etwa ein Taxiunternehmer ohne beitragspflichtiges Büro – allein eines Kraftfahrzeugs bedienen (LT-Drucks. 16/188, S. 24). Zugleich übersteigt die Anzahl der je Betriebsstätte eingesetzten Kraftfahrzeuge oftmals diejenige selbst solcher Wohnungen, zu denen mehrere Pkw gehören, um ein Vielfaches. Von daher lässt die Entscheidung, im nicht privaten Bereich auch Fahrzeuge bei der Bestimmung des Wertes der Möglichkeit der Rundfunknutzung zu berücksichtigen, keine sachwidrigen Gesichtspunkte erkennen. Sie beruht vielmehr auf dem systemgerechten und deshalb einleuchtenden Grund, den Wert der ermöglichten Rundfunknutzung anhand deren Ausmaßes zu bestimmen und hierfür auf die Zahl potenzieller Rezipienten und Empfangsräumlichkeiten abzustellen. Dass Rundfunk im Fahrzeug intensiver als während sonstiger beruflicher Tätigkeiten genutzt wird, entspricht allgemeiner Lebenserfahrung; auch wenn im Autoradio beispielsweise CDs abgespielt werden, bleibt hierbei der Rundfunk – insbesondere für Nachrichten und Verkehrsinformationen – eine regelmäßig auch tatsächlich genutzte Informationsquelle.

150

(cc) Demgemäß bestehen des Weiteren keine Bedenken, anders als im privaten Bereich nicht allein auf die Raumeinheit (Wohnung bzw. Betriebsstätte) abzustellen, sondern im nicht privaten Bereich zugleich die Zahl der Beschäftigten bei der Bemessung der Beitragshöhe zu berücksichtigen. Ein für alle Betriebsstätten ungeachtet deren Größe sowie des Potentials der Rundfunknutzung, wie sie in der Zahl der Beschäftigten zum Ausdruck kommen, einheitlicher Beitrag hätte zudem zu gleichheitsrechtlichen Bedenken innerhalb des nicht privaten Bereichs geführt, da dann ein Einzelhändler ebenso viel gezahlt hätte wie ein Großunternehmen. Um ein insgesamt gleich hohes Gesamtaufkommen und damit die Sicherheit der Rundfunkfinanzierung gewährleisten zu können, hätte der Beitrag darüber hinaus für kleine Betriebe erheblich über dem, für Großbetriebe erheblich unter dem nunmehr festgesetzten liegen müssen.

151

(b) Die Ausgestaltung des Rundfunkbeitragsrechts innerhalb des nicht privaten Bereichs begegnet auch insoweit keinen gleichheitsrechtlichen Bedenken, als die Bestimmung der Beitragshöhe anhand eines typisierenden, ausnahmslos auf die Zahl der Beschäftigten, der Betriebsstätten und der nicht ausschließlich privat genutzten Kraftfahrzeuge abstellenden Maßstabes erfolgt.

152

(aa) Die Einbeziehung nicht privater Bereiche in die Rundfunkfinanzierung beruht auf drei Gesichtspunkten: Dem Umstand, dass ein die Meinungs- und Informationsfreiheit sowie -vielfalt gewährleistendes Rundfunksystem notwendige Bedingung einer demokratischen Gesellschaft – deren Teil Unternehmen und gemeinnützige Einrichtungen sind – ist, sowie der möglichen Nutzung des Rundfunks zur Gewinnung erwerbsdienlicher Informationen und zur Ausgestaltung des Arbeitsplatzes bzw. zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Zur Bestimmung des Wertes dieser Vorteile im abgabenrechtlichen Sinn hat der Gesetzgeber potenzielle Rundfunknutzer typisierend und pauschalierend unter Zugrundelegung deren (angenommenen) üblichen Rundfunkkonsums zu Gruppen („Raumeinheiten“) zusammengefasst. Für den nicht privaten Bereich wird danach auf die Zahl der Beschäftigten einer Betriebsstätte als potenzielle Rundfunknutzer abgestellt, wobei dem die gesetzgeberische Annahme zugrunde liegt, dass grundsätzlich in allen Betriebsstätten in gleichem, obschon nicht genau bestimmbarem Maß – allerdings nicht in einer dem privaten Bereich vergleichbaren Intensität – Rundfunk tatsächlich empfangen wird; wo dies verstärkt zu erwarten ist, nämlich im Auto, ist ein zusätzlicher Beitrag fällig.

153

Ist folglich Grundlage der Bemessung der Beitragshöhe die Annahme, dass eine Rundfunknutzung tatsächlich stattfindet, bedeutet eine Beitragsbelastung auch solcher Betriebsstätten, für die diese Vermutung nicht greift, eine Ungleichbehandlung. Zwar hängt die Rechtmäßigkeit einer Beitragserhebung nicht davon ab, ob der Abgabenschuldner von der Möglichkeit der Nutzung staatlich bereitgestellter Vorteile tatsächlich Gebrauch macht. Auch sind die eine Heranziehung des nicht privaten Bereichs grundsätzlich rechtfertigenden Gesichtspunkte der Bedeutung der objektiven Rundfunkfreiheit sowie der möglichen Gewinnung erwerbsdienlicher Informationen von der Frage der Verbreitung der Rundfunknutzung in Betrieben unabhängig. Der Gesetzgeber hat jedoch vorliegend die Annahme einer grundsätzlich überall auch tatsächlich erfolgenden Rundfunknutzung zum Maßstab für die Berechnung der Beitragshöhe gemacht (LT-Drucks. 16/188, S. 24; P. Kirchhof, Gutachten über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, 2010, S. 10 f., 65 f.; s. a. Wagner, Abkehr von der geräteabhängigen Rundfunkgebühr, 2011, S. 200 f.). Dem widerspricht nicht die Angabe in der Gesetzesbegründung, auf den Umfang der Nutzung komme es nicht an; hieraus folgt lediglich, dass die Beitragshöhe unabhängig davon ist, ob der Rundfunk ständig oder nur sporadisch genutzt wird. Hieran muss sich der Gesetzgeber festhalten lassen, ohne dass der Verfassungsgerichtshof dieses Kriterium durch einen anderen, möglicherweise zum gleichen Ergebnis führenden Maßstab ersetzen kann.

154

(bb) Ob diese Annahme zutrifft, wurde bislang nicht festgestellt. Dahingehende statistische Erhebungen liegen nicht vor (Stellungnahme des Landtags vom 26. April 2013, S. 34; Wagner, Abkehr von der geräteabhängigen Rundfunkgebühr, 2011, S. 97, 199 f.). Sie wird jedoch mit Nachdruck bestritten (Degenhart, K&R Beihefter 1/2013 zu Heft 3, S. 16; ders., ZUM 2011, 193 [196]; Wiemers, GewArch 2011, 110 [112 f.]; Koblenzer, Abgabenrechtliche Qualifizierung des neuen Rundfunkbeitrags und finanzverfassungsrechtliche Konsequenzen, 2013, S. 16 f.; Sächsischer Handwerkstag, Offener Brief an Ministerpräsident Tillich, http://www.deutsche-handwerks-zeitung.de/fehler-im-runkbeitrag-beheben/150/3091/219737/).

155

Die Ungewissheit darüber, ob das der Beitragsbemessung zugrunde liegende Konzept realitätsgerecht ist, ist nicht schon allein wegen der gesetzgeberischen Befugnis zur Typisierung und Pauschalierung unbeachtlich. Zwar ist der Gesetzgeber befugt, zur Bewältigung von Massenverfahren typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen. Voraussetzung hierfür ist jedoch grundsätzlich, dass er sich hierbei auf vorliegende Erfahrungen und Beobachtungen, insbesondere entsprechende statistische Daten, stützen kann (BVerfG, Beschlüsse vom 28. Juni 1960 – 2 BvL 19/59 –, BVerfGE 11, 245 [254]; vom 31. Mai 1988 – 1 BvR 520/83 –, BVerfGE 78, 214 [227]; vom 30. Mai 1990 – 1 BvL 2/83 u.a. –, BVerfGE 82, 126 [151 f.]; vom 8. Oktober 1991 – 1 BvL 50/86 –, BVerfGE 84, 348 [359]; vom 10. April 1997 – 2 BvL 77/92 –, BVerfGE 96, 1 [6], und vom 11. November 1998 – 2 BvL 10/95 –, BVerfGE 99, 280 [290]; Urteile vom 7. Dezember 1999 – 2 BvR 301/98 –, BVerfGE 101, 297 [309], und vom 9. Oktober 2001 – 2 BvL 17/99 –, BVerfGE 105, 73 [127]; Beschluss vom 16. März 2005 – 2 BvL 7/00 –, BVerfGE 112, 268 [280]).

156

Die vorgenannten Bedenken werden jedoch dadurch ausgeräumt, dass nach statistischen Erhebungen voraussichtlich rund 70 v.H. der Betriebsstätten lediglich den ermäßigten Beitrag von einem Drittel und weitere 20 v.H. nur einen vollen Rundfunkbeitrag zahlen, mithin 90 v.H. der Betriebsstätten den ersten beiden Beitragskategorien unterfallen (LT-Drucks. 16/188, S. 23 f.). Danach geht mit dem neuen Rundfunkbeitragsrecht für einen Großteil der Betriebsstätten keine bzw. nur eine geringe finanzielle Mehrbelastung einher. Dem entsprechend wird nach Einschätzung der KEF in den Jahren 2013 bis 2016 der Anteil des nicht privaten Bereichs an der Rundfunkfinanzierung – ungeachtet des Umstands, dass auf den nicht privaten Bereich 478,2 Mio. € und damit 41,7 v.H. der prognostizierten Mehreinnahmen von mehr als 1,1 Mrd. € entfallen – mit 9,5 v.H. gegenüber der Gebührenperiode 2009 bis 2012 nahezu unverändert bleiben (KEF, Zusatzinformation 1 zum 19. Bericht vom Februar 2014, http://www.kef-online.de/inhalte/presse/Zusatzinformation1-Rundfunkbeitraege.pdf). Zudem verfügen mehr als 87 v.H. der Unternehmen – ab einer Zahl von zehn Beschäftigten sogar mehr als 98 v.H. – über Computer sowie einen Internetzugang und nutzen 55 v.H. der Beschäftigten mindestens einmal pro Woche einen Computer mit Internetzugang (Statistisches Bundesamt, Unternehmen und Arbeitsstätten – Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien in Unternehmen, 2013, S. 10, 13). Dies lässt die Annahme einer auch tatsächlichen Rundfunknutzung ebenfalls als nachvollziehbar erscheinen.

157

Eine Typisierung und Pauschalierung darf zudem ausnahmsweise auch ohne hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte erfolgen, wenn sich aufgrund der Eigenarten der zu regelnden Lebenssachverhalte ein Regelfall nicht feststellen lässt, deren Ausgestaltung vielmehr durch eine Vielzahl individueller Determinanten und/oder allgemeiner Variablen geprägt ist und die Berücksichtigung individueller Besonderheiten – etwa durch eine Ausnahme- oder Härteklausel – dem Ziel der Gesetzgebung zuwider liefe. In diesen Fällen darf der Gesetzgeber insbesondere dann, wenn hiermit letztlich nur eher geringfügige Belastungen einhergehen, von einer sich aufdrängenden, zumindest jedoch realitätsnahen Annahme ausgehend eine letztlich freie, d. h. statistisch nicht unterlegte Pauschalierung treffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 2010 – 1 Bvl 12/07 –, BVerfGE 127, 224 [255 ff.]). Die Voraussetzungen hierfür sind vorliegend insofern gegeben, als die Belastung durch die Rundfunkbeiträge äußerst gering ist. Pro Beschäftigtem belaufen sie sich auf zwischen 5,99 € und weniger als 0,11 €. Hierbei handelt es sich um Bruchteile der Personalkosten, gegenüber welchen die Beiträge nicht ins Gewicht fallen. Auch der auf betrieblich genutzte Kraftfahrzeuge entfallende Beitrag von 5,99 € wirkt sich gegenüber den sonstigen Betriebskosten nicht aus.

158

(cc) Gleichheitsrechtlich unbedenklich ist des Weiteren die Entscheidung, der Zuteilung zu den einzelnen Beitragsgruppen nicht die Zahl der bei einem Betriebsstätteninhaber insgesamt, sondern der in den jeweiligen Betriebsstätten Beschäftigten zugrunde zu legen.

159

Zwar kann dies zu einer unterschiedlichen Beitragsbelastung von Betriebsstätteninhabern trotz gleicher Gesamtbeschäftigtenzahl führen, wenn die Beschäftigten auf eine unterschiedliche Zahl von Betriebsstätten aufgeteilt sind. Eine solche Ungleichbehandlung begegnet jedoch deshalb keinen gleichheitsrechtlichen Bedenken, weil damit eine unterschiedliche Belastung von Filialbetrieben und den mit ihnen vor Ort im Wettbewerb stehenden Einzelbetrieben verhindert werden soll. Insoweit ist eine Regelung ohne Ungleichbehandlung ausgeschlossen, da entweder der Mitbewerber vor Ort oder das Unternehmen mit einer größeren Zahl von Betriebsstätten benachteiligt wird. Angesichts dessen obliegt es dem Ermessen des Gesetzgebers, ob er einer Gleichbehandlung der Wettbewerber vor Ort oder einer Gleichbehandlung aller Unternehmen den Vorzug einräumt. Eine weitere Unterscheidung der Beitragspflicht danach, ob Betriebsstätten tatsächlich in einem solchen Konkurrenzverhältnis stehen, scheidet angesichts des damit verbundenen Vollzugsaufwands sowie des Fehlens trennscharfer Abgrenzungskriterien aus.

160

bb) Mit der Berücksichtigung einzelner abweichender Umstände trotz der vorgenannten Typisierung und Pauschalierung hat sich der Gesetzgeber auch nicht in Widerspruch zu seiner Gesamtkonzeption gesetzt.

161

(1) Insbesondere bestehen keine gleichheitsrechtlichen Bedenken, soweit der Gesetzgeber die Höhe der Abgabenpflicht für bestimmte gemeinnützige Einrichtungen (§ 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 4 RBStV), für Schulen und Hochschulen (§ 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 RBStV) sowie für Einrichtungen der Feuerwehr, Polizei, Bundeswehr und des Zivil- und Katastrophenschutzes (§ 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 RBStV) auf höchstens einen Rundfunkbeitrag begrenzt sowie öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, Landesmedienanstalten, nach Landesrecht zugelassene private Rundfunkveranstalter und -anbieter (§ 5 Abs. 6 Nr. 1 RBStV) sowie diplomatische Vertretungen eines ausländischen Staates (§ 5 Abs. 6 Nr. 2 RBStV) von der Beitragspflicht befreit hat.

162

Hinsichtlich der durch § 5 Abs. 3 Satz 1 RBStV privilegierten Einrichtungen fehlt es bereits an der Vergleichbarkeit mit gewerblichen Betriebsstätten wie beispielsweise denjenigen der Beschwerdeführerin. Ihnen ist gemeinsam, dass sie in hohem Maße dem Gemeinnutz dienen, sie ihre Betriebsstätten mithin nicht zum Zwecke der Gewinnerzielung betreiben. Dies rechtfertigt, auch ihren wirtschaftlichen Vorteil einer potenziellen Rundfunknutzung geringer zu bewerten als denjenigen erwerbs- bzw. gewinnorientierter Einheiten. Daher waren die in § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 RBStV genannten Einrichtungen bereits im bisherigen Recht dahingehend privilegiert, dass sie gemäß § 5 Abs. 7 Satz 1 RGebStV auf Antrag von der Rundfunkgebührenpflicht zu befreien waren. Hiermit sollen auch die vom jeweiligen Träger verfolgten gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecke gefördert werden. Hinzu kommt, dass sich der in diesen Einrichtungen befindliche Personenkreis dort regelmäßig und über einen längeren zusammenhängenden Zeitraum aufhält und während dieser Zeit von der Teilnahme am öffentlichen sozialen und kulturellen Leben ausgeschlossen ist; in diesen Fällen soll die Begrenzung der Beitragshöhe dem Anliegen Rechnung tragen, die Betroffenen vor einer "kulturellen Verödung" zu bewahren (vgl. BayVGH, Urteile vom 11. Juli 2001 – 7 B 00.2866 –, VGHE 54, 166 [170]; vom 18. April 2002 – 7 B 01.2383 –, juris Rn. 15; VGH BW, Urteil vom 15. November 1991 – 14 S 1921/89 –, juris Rn. 21; Göhmann/Schneider/Siekmann, in: Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 3. Aufl. 2012, § 5 RGebStV Rn. 91).

163

Die Befreiung öffentlich-rechtlicher Rundfunk- und Landesmedienanstalten sowie privater Rundfunkveranstalter und -anbieter ist gleichfalls durch vernünftige, einleuchtende Gründe gerechtfertigt, nämlich die Vermeidung einer Zahlungspflicht zum einen der öffentlich-rechtlichen Anstalten an sich selbst (LT-Drucks. 16/188, S. 26) und zum anderen der privaten Anbieter an ihre Konkurrenten. Dementsprechend enthielt bereits § 5 Abs. 5 RGebStV eine entsprechende Befreiungsregelung. Botschaften und Konsulate schließlich genießen schon aufgrund internationaler Regelungen Vorrechte, welchen der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag Rechnung trägt (vgl. Göhmann/Schneider/Siekmann, in: Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 3. Aufl. 2012, § 5 RGebStV Rn. 89).

164

(2) Die Entscheidung, für im öffentlichen Personennahverkehr eingesetzte Omnibusse gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RBStV keine Rundfunkbeiträge zu erheben, ist dem Umstand geschuldet, dass es dem im Fahrdienst eingesetzten Betriebspersonal gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 und 4 der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr untersagt ist, während des Fahrbetriebs Rundfunkempfänger zu benutzen. Mit der Annahme einer die Einbeziehung in die Beitragspflicht rechtfertigenden besonders intensiven Rundfunknutzung auch in diesen Kraftfahrzeugen hätte sich der Gesetzgeber daher in Widerspruch zu bundesrechtliche Vorgaben gesetzt. Die danach dort allein während der Pausen mögliche Rundfunknutzung rechtfertigt es, diese nur über den Betriebsstättenbeitrag zu berücksichtigen.

165

(3) Gleichheitsrechtlich ebenfalls keinen Bedenken begegnet die Entscheidung des Gesetzgebers, die Abgabenlast im nicht privaten Bereich nicht linear anhand der Zahl der Beschäftigten, sondern dadurch degressiv auszugestalten, dass diese zu Gruppen zusammengefasst werden und der auf den einzelnen Mitarbeiter entfallende Beitrag mit zunehmender Zahl der Beschäftigten abnimmt. Insbesondere widerspricht dies nicht dem der Neuregelung zugrunde liegenden Prinzip, die Beitragspflicht statt an das Empfangsgerät an die (potenziellen) Rundfunknutzer anzuknüpfen. Letzteres ist auch dann gewahrt, wenn sich die Zahl möglicher Rezipienten nicht in dem auf den einzelnen Mitarbeiter entfallenden Beitrag, wohl aber in der Gesamthöhe der geschuldeten Beiträge widerspiegelt.

166

cc) Eine Rücksichtnahme auf weitere atypische Fälle ist derzeit verfassungsrechtlich nicht geboten; der Gesetzgeber muss jedoch die Entwicklung des Rundfunkbeitragsrechts einschließlich der hierzu wechselbezüglichen technischen Veränderungen fortlaufend beobachten und ihnen gegebenenfalls durch eine Anpassung der beitragsrechtlichen Vorschriften – etwa durch die Aufnahme einer allgemeinen Härtefallregelung auch für den nicht privaten Bereich – Rechnung tragen.

167

Insoweit bedarf es keiner abschließenden verfassungsrechtlichen Bewertung, ob der Vollzug des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Härten erwarten lässt. Solche hat die Beschwerdeführerin für sich nicht darlegen können. Zu deren Begründung kann jedenfalls nicht allein geltend gemacht werden, trotz bestehender Möglichkeit hierzu werde tatsächlich kein Rundfunk empfangen. Auch eine etwaige Mehrbelastung gegenüber dem bisherigen Rundfunkgebührenrecht ist insoweit unbeachtlich. Hinsichtlich der Zahl derjenigen Betriebsstätten, die so isoliert angesiedelt sind, dass dort von vornherein keinerlei Rundfunkempfang möglich ist, mithin keine Funk-, Satelliten- oder Internetverbindung besteht, durfte der Gesetzgeber angesichts der grundsätzlichen Angewiesenheit gewerblicher Betriebe auf eine Kommunikationsinfrastruktur davon ausgehen, dass sie – wenn überhaupt derlei Fälle existieren – so gering ist, dass sie keine Einschränkung der Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis bewirkt. Für längerfristig stillgelegte sowie für Betriebsstätten, in denen kein Arbeitsplatz eingerichtet ist, besteht schon jetzt gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Nr. 2 RBStV keine Beitragspflicht.

168

Erscheint danach – auch angesichts der gemessen an den Personal- und Betriebskosten geringen Beitragshöhe – der Eintritt einer mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz schlechthin unvereinbaren Situation derzeit nahezu ausgeschlossen, so ist dieser dennoch nicht – zumal nicht für die Zukunft – von vornherein gänzlich auszuschließen. Dem Ziel des Gesetzgebers, die Ausgestaltung des Beitragsrechts von künftigen, insbesondere technischen Entwicklungen unabhängig zu machen, entspricht daher seine Pflicht, im Rahmen regelmäßiger Evaluationen die Gesetzesfolgen zu berücksichtigen. Ihm – wie auch den Verwaltungsgerichten – obliegt daher die fortlaufende Prüfung, ob extreme Härtefälle, denen auch im Wege einer verfassungskonformen Auslegung oder (entsprechenden) Anwendung von § 5 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Nr. 2 RBStV keine Rechnung getragen werden kann, eine abweichende verfassungsrechtliche Bewertung verlangen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 2010 - 1 BvL 12/07 -, BVerfGE 127, 224 [263]).

III.

169

Die Ausgestaltung des Rundfunkbeitrags wahrt schließlich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

170

Der Rundfunkbeitrag beläuft sich auf einen nur geringen Prozentsatz der Personal- und Betriebskosten.

171

Auch die von der KEF prognostizierten Mehreinnahmen ziehen die Verhältnismäßigkeit der Neufestlegung der Rundfunkfinanzierung nicht in Zweifel. Die vollständige Neugestaltung der Rundfunkfinanzierung erforderte eine prognostische Entscheidung des Gesetzgebers, mit der Ungenauigkeiten und Abweichungen zwangsläufig verbunden waren. Eine von Anbeginn bestehende Aufkommensneutralität ist deshalb nicht Voraussetzung der Verfassungsmäßigkeit des gesetzgeberischen Handelns. Die Mehreinnahmen belaufen sich zudem zwar auf mehr als 1,1 Mrd. €, weichen hiermit jedoch nur um 3,7 v.H. von dem von der KEF festgestellten Finanzbedarf ab. Darüber hinaus gewährleistet das Rundfunkfinanzierungsrecht, dass sich etwaige Mehreinnahmen letztlich nicht zu Lasten der Beitragspflichtigen auswirken. Die Rundfunkanstalten müssen etwaige Überschüsse, d. h. die Gesamtaufwendungen übersteigende Gesamterträge, gemäß § 1 Abs. 4 RFinStV verzinslich anlegen und ab einer bestimmten Höhe als Rücklage bilden; die Anlage, Verzinsung und zweckbestimmte Verwendung der Überschüsse ist sodann gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 5 RStV bei der Ermittlung und Prüfung des künftigen Finanzbedarfs zugrunde zu legen. Überschüsse am Ende der Beitragsperiode werden gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 RFinStV vom Finanzbedarf für die folgende Beitragsperiode abgezogen. Obschon aufgrund des prognostischen Charakters der Bedarfsermittlung die Möglichkeit von Überschüssen nicht vollständig ausgeschlossen werden kann, erhöhen diese damit insgesamt nicht die finanzielle Ausstattung der Rundfunkanstalten, sondern vermindern den Bedarf nachfolgender Prognosezeiträume und verringern so die Abgabenlast. Vorliegend haben zudem die Ministerpräsidenten den Feststellungen der KEF umgehend mit einer Absenkung des monatlichen Rundfunkbeitrags Rechnung getragen.

172

Schließlich verstößt die Rundfunkbeitragspflicht nicht gegen das Äquivalenzprinzip. Zwar kommt diesem als solchem kein Verfassungsrang zu; als abgabenrechtliche Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit besagt es jedoch, dass Gebühren nicht außer Verhältnis zu der von der öffentlichen Gewalt gebotenen Leistung stehen dürfen. Auch insoweit verfügt der Gesetzgeber allerdings über einen weiten Gestaltungsspielraum, welcher u.a. die Berücksichtigung weiterer legitimer Abgabenzwecke einschließt. Das Äquivalenzprinzip verletzte der Rundfunkbeitrag daher allenfalls dann, wenn er in einem groben Missverhältnis zu der gebotenen Leistung stünde (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. Oktober 1966 – 2 BvR 179/64 u.a. –, BVerfGE 20, 257 (270), und vom 7. Februar 1991 – 2 BvL 24/84 –, BVerfGE 83, 363 [392]; Urteil vom 19. März 2003 – 2 BvL 9/98 u.a. –, BVerfGE 108, 1 [19]; BayVerfGH, Entscheidung vom 6. Juli 1978 – Vf. 10-VII-76 –, VerfGHE BY 31, 158 [167]). Anhaltspunkte hierfür sind nicht erkennbar.

IV.

173

Darauf, ob das Beitragsaufkommen aus dem Kraftfahrzeug- und/oder dem Betriebsstättenbeitrag kleiner ist als die erwarteten Mehreinnahmen, kommt es nach alledem nicht an. Bereits deshalb war hierüber daher kein Beweis zu erheben.

D.

174

Das Verfahren ist gemäß § 21 Abs. 1 VerfGHG kostenfrei. Eine Auslagenerstattung findet nicht statt (§ 21a Abs. 1 VerfGHG).

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Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Erhebung von Rundfunkgebühren und betrifft die Frage, ob deren Rechtsgrundlage den Beschwerdeführer aufgrund eines normativen Vollzugsdefizits in seinen Rechten aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.

2

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, da die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Sie hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der von dem Beschwerdeführer als verletzt gerügten Rechte angezeigt, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.

3

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 14 GG rügt, ist die Verfassungsbeschwerde mangels einer den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechenden Begründung bereits unzulässig.

4

Im Übrigen ist sie unbegründet, da die angegriffenen Bescheide und Gerichtsentscheidungen nicht auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruhen. Bei entsprechender Anwendung der Maßstäbe zur Beurteilung der Gleichheitswidrigkeit einer Steuererhebung (vgl. BVerfGE 84, 239 <268 ff.>; 110, 94 <112 ff.>) auf die Erhebung von Rundfunkgebühren ist ein gleichheitswidriges, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßendes Erhebungsdefizit aufgrund struktureller, im Rundfunkgebührenstaatsvertrag angelegter Erhebungsmängel nicht erkennbar. Die im Grundsatz auf einer Anzeige durch die Rundfunkteilnehmer beruhende Erhebung der Rundfunkgebühren ist im Rahmen der Erhebungspraxis auf Gleichheit im Belastungserfolg angelegt. Denn die Nichtanzeige anzeigepflichtiger Rundfunkempfangsgeräte ist aufgrund der im Rundfunkgebührenstaatsvertrag vorgesehenen Kontrollinstrumente mit einem angemessenen Entdeckungsrisiko verbunden.

5

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

6

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Gründe

1

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Erhebung von Rundfunkgebühren, insbesondere gegen die Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 1 Rundfunkgebührenstaatsvertrag, wonach der Zulassungsinhaber eines Kraftfahrzeuges als Rundfunkteilnehmer für das dort eingebaute Rundfunkempfangsgerät gilt, sowie gegen ein normatives Vollzugsdefizit bei der Erhebung von Rundfunkgebühren und sieht sich dadurch in ihren Rechten aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt.

2

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, da die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Sie hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der von der Beschwerdeführerin als verletzt gerügten Rechte angezeigt, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.

3

Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG rügt, ist die Verfassungsbeschwerde mangels einer den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechenden Begründung bereits unzulässig.

4

Im Übrigen ist sie unbegründet, weil die angegriffenen Gerichtsentscheidungen weder auf einer gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Regelung des Rundfunkgebührenstaatsvertrages beruhen, noch bei deren Anwendung dieses Grundrecht verletzt haben.

5

Zunächst verstößt es nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, die Rundfunkteilnehmereigenschaft und damit die Gebührenpflicht für in Kraftfahrzeuge eingebaute Rundfunkempfangsgeräte dem Zulassungsinhaber der entsprechenden Kraftfahrzeuge auch dann zuzuordnen, wenn dieser keine Nutzungsmöglichkeit hieran hat. Damit verbundene Ungleichbehandlungen sind durch sachliche Gründe gerechtfertigt, ohne dass die Nutzungsmöglichkeit, welche die innere Rechtfertigung der Gebührenfinanzierung darstellt, das einzige zulässige Kriterium einer Differenzierung zwischen Schuldnern und Nichtschuldnern der Rundfunkgebühren bildete, neben dem jede andere Differenzierung willkürlich wäre. Art. 3 Abs. 1 GG lässt gerade bei Massenerscheinungen, wie sie die Erhebung von Rundfunkgebühren darstellt, grundsätzlich auch generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfGE 100, 138 <174>; 103, 310 <319>; 112, 268 <280>). Die Bestimmung des Zulassungsinhabers als Rundfunkteilnehmer unabhängig von der, im Einzelfall bestehenden, Nutzungsmöglichkeit stellt eine zulässige Typisierung dar. Die mit ihr verbundenen Härten wären nur unter Schwierigkeiten vermeidbar, können nicht durch einfachere, die Betroffenen weniger belastende Regelungen behoben werden und betreffen im Verhältnis zur Zahl der Zulassungsinhaber insgesamt eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen. Zudem ist die Belastung der Beschwerdeführerin aufgrund von Ausweichmöglichkeiten durch vertragliche Weitergabe an die Leasingnehmer nicht sehr intensiv.

6

Darüber hinaus wäre auch bei entsprechender Anwendung der Maßstäbe zur Beurteilung der Gleichheitswidrigkeit einer Steuererhebung (vgl. BVerfGE 84, 239 <268 ff.>; 110, 94 <112 ff.>) auf die Erhebung von Rundfunkgebühren ein gleichheitswidriges, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßendes Erhebungsdefizit aufgrund struktureller, im Rundfunkgebührenstaatsvertrag angelegter Erhebungsmängel nicht erkennbar. Ob die genannten Maßstäbe auf die Erhebung von Rundfunkgebühren anwendbar sind, kann hier offenbleiben. Sie sind jedenfalls nicht verletzt. Die im Grundsatz auf einer Anzeige durch die Rundfunkteilnehmer beruhende Erhebung der Rundfunkgebühren ist im Rahmen der Erhebungspraxis auf Gleichheit im Belastungserfolg angelegt. Denn die Nichtanzeige anzeigepflichtiger Rundfunkempfangsgeräte ist aufgrund der im Rundfunkgebührenstaatsvertrag vorgesehenen Kontrollinstrumente mit einem angemessenen Entdeckungsrisiko verbunden.

7

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

8

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Erhebung von Rundfunkgebühren für internetfähige PCs.

2

1. a) Der Beschwerdeführer hat in seiner Rechtsanwaltskanzlei einen PC, den er unter anderem für Internetanwendungen verwendet. Er empfängt damit keine Rundfunksendungen und verfügt nicht über herkömmliche Rundfunkempfangsgeräte. Die Rundfunkanstalt setzte für den internetfähigen PC Rundfunkgebühren fest und wies Widersprüche des Beschwerdeführers gegen die zugrundeliegenden Bescheide zurück.

3

b) Die mit der Klage des Beschwerdeführers angegriffenen Bescheide wurden vom Verwaltungsgericht aufgehoben, weil er seinen internetfähigen PC nicht "zum Empfang" von Rundfunksendungen bereithalte. Auf die hiergegen eingelegte Berufung hob das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts auf und wies die Klage des Beschwerdeführers ab, weil der in seiner Kanzlei eingesetzte PC mit Internetzugang ein Rundfunkempfangsgerät sei, das zum Empfang bereitgehalten werde, und die Rundfunkgebührenpflicht für Rechner mit Internetzugang keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegne.

4

c) Die vom Beschwerdeführer gegen die Berufungsentscheidung eingelegte Revision wurde vom Bundesverwaltungsgericht durch das angegriffene Urteil zurückgewiesen. Der vom Beschwerdeführer eingesetzte internetfähige PC sei ein Rundfunkempfangsgerät, das im Rechtssinne bereitgehalten werde.

5

Die Rundfunkgebührenbescheide verstießen außerdem nicht gegen Verfassungsrecht. Ein Eingriff in die Informationsfreiheit sei gerechtfertigt, weil die Regelungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrages ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG darstellten und die Erstreckung der Rundfunkgebührenpflicht auf internetfähige PCs nicht unverhältnismäßig sei. Sie sei ein geeignetes Mittel zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, weil die Anknüpfung an das Bereithalten eines internetfähigen PCs die Finanzierungsgrundlage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verbreitere und zugleich eine drohende "Flucht aus der Rundfunkgebühr" verhindere. Ein Registrierungsmodell und ein Modell der Selbstanzeige der Rundfunknutzung stellten angesichts der kaum abschätzbaren Umgehungsrisiken keine gleich wirksamen Mittel dar. Die Erhebung einer generellen Rundfunkgebührenpflicht für internetfähige PCs sei zudem angesichts des gewichtigen Ziels einer Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf der einen Seite und ihrer nur geringen Höhe auf der anderen Seite nicht unverhältnismäßig im engeren Sinne. Dass die Rundfunkanstalten ihr Angebot "aufdrängten", wirke sich angesichts der Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht entscheidend aus.

6

Eine Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes liege nicht vor. Die Gleichbehandlung von Besitzern multifunktionaler internetfähiger PCs und Besitzern monofunktionaler Rundfunkempfangsgeräte sei gerechtfertigt, weil für die Gebührenerhebung die gleiche Möglichkeit zum Empfang maßgeblich sei. Die Differenzierung zwischen Personen, die ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereithielten, und solchen, die dies nicht täten, beruhe mit dem Zweck der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf sachlichen Gründen. Die in der Zugangsbeschränkung zu einem berufswesentlichen Arbeitsmittel liegende mittelbare Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit sei aus den im Rahmen der Informationsfreiheit genannten Gründen gerechtfertigt. Art. 14 Abs. 1 GG sei nicht verletzt, weil er nicht vor der Auferlegung von Geldleistungspflichten schütze, und eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit liege nicht vor, weil diese nur im Rahmen der allgemeinen Gesetze gewährleistet sei, wozu auch die mit der Verfassung im Einklang stehenden Regelungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrages zählten.

7

2. Der Beschwerdeführer hat gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügt eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG.

8

Die Rundfunkgebühr greife als Zugangsschranke zu Informationsquellen außerhalb des Rundfunks in die Informationsfreiheit ein, was nicht durch verfassungsrechtliche Gründe gerechtfertigt sei. Zunächst habe den Ländern die Gesetzgebungskompetenz gefehlt, weil es sich bei der Rundfunkgebühr um eine Zwecksteuer handele und sie dem Telekommunikationsrecht zuzuordnen sei. Die Regelungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrages seien außerdem mangels Erkennbarkeit der Abgabenpflicht für den Betroffenen nicht hinreichend bestimmt. Zudem sei die undifferenzierte Unterwerfung neuartiger Empfangsgeräte unter die Gebührenpflicht nicht erforderlich, um das gesetzgeberische Ziel der Verhinderung einer "Flucht aus der Rundfunkgebühr" zu erreichen, da dies durch geeignete Zugangsschranken zum Rundfunk im Internet gesichert werden könne und eine solche Flucht auch dann nicht zu erwarten sei, wenn man die Rundfunkgebühr für internetfähige PCs auf Privatpersonen beschränke.

9

Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG liege sowohl in der Gleichbehandlung der Besitzer neuartiger multifunktionaler Rundfunkempfangsgeräte mit den Besitzern herkömmlicher monofunktionaler Geräte als auch in der Ungleichbehandlung gegenüber Personen, die über kein Rundfunkempfangsgerät verfügten. Eine Rechtfertigung der Gleichbehandlung liege nicht darin, dass derjenige zur Finanzierung von Rundfunkveranstaltungen herangezogen werde, der sich durch das Bereithalten eines Empfangsgerätes die Möglichkeit zur Nutzung verschafft habe, weil diese Annahme mangels Kongruenz zwischen Gerätebesitzer und Rundfunkkonsument heute nicht mehr aufrechterhalten werden könne. Die Ungleichbehandlung sei ebenfalls nicht gerechtfertigt, weil zwischen den Gruppen derjenigen, die kein eigenes Rundfunkempfangsgerät besäßen, und jener, die nur über ein eigenes neuartiges Rundfunkempfangsgerät verfügten, keine tragfähigen sachlichen Unterschiede mehr bestünden. Die Mitglieder beider Gruppen könnten sich Zugang zum Rundfunkempfang verschaffen, bei beiden sei dies jedoch nicht wahrscheinlich. Eine Rechtfertigung ergebe sich ebenfalls nicht aus einer typisierenden Betrachtung, da sich die Gebührennorm nicht am Regelfall orientiere. Der Gleichheitssatz sei außerdem durch ein strukturelles Erhebungsdefizit verletzt.

10

Darüber hinaus werde die Berufsausübungsfreiheit des Beschwerdeführers verletzt, weil die Gebührenpflicht den Zugang zu einem berufswesentlichen Arbeitsmittel erschwere, ohne dass dieser Eingriff gerechtfertigt sei. Schließlich liege eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit vor.

II.

11

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, da die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.

12

1. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG), weil die durch die Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen bereits durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt sind.

13

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Grundrechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.

14

a) Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten aus Art. 5 Abs. 1 GG. Allerdings liegt ein Eingriff in die von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG geschützte Informationsfreiheit darin, dass der Beschwerdeführer durch die Rundfunkgebühr für seinen internetfähigen PC in der Beschaffung und Entgegennahme von Informationen aus dem Internet behindert wird. Eine Zugangsbeschränkung muss sich zwar nicht an Art. 5 Abs. 2 GG messen lassen, wenn sie vom Recht zur Bestimmung des Zugangs zu einer im staatlichen Verantwortungsbereich liegenden Informationsquelle gedeckt ist (vgl. BVerfGE 103, 44 <61>). Dies ist beim Rundfunkgesetzgeber jedoch jedenfalls im Hinblick auf die sonstigen Informationsangebote des Internets nicht der Fall.

15

Dieser Eingriff ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Bei § 2 Abs. 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und 2 RGebStV handelt es sich um ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG. Bei dessen Anwendung ist zu klären, ob die Güterabwägung zu einem Vorrang des Schutzes des Rechtsguts führt, dem das allgemeine Gesetz dient (vgl. BVerfGE 117, 244 <260>). Es muss deshalb seinerseits im Lichte des beschränkten Grundrechts ausgelegt (vgl. BVerfGE 7, 198 <208>; 82, 43 <50>; stRspr) und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angewendet werden (vgl. BVerfGE 71, 162 <181>; 74, 297 <337>). Diesen Anforderungen wird die Auslegung und Anwendung des § 2 Abs. 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und 2 RGebStV durch das Bundesverwaltungsgericht gerecht.

16

Die Rundfunkgebühren für internetfähige PCs werden auf einer formell verfassungsmäßigen Grundlage erhoben. Zunächst hatten die Länder gemäß Art. 70 Abs. 1 GG die Gesetzgebungskompetenz für die Erhebung der Rundfunkgebühr. Bei der Rundfunkgebühr handelt es sich nicht um eine voraussetzungslose Steuer zur Finanzierung des Gemeinwesens, sondern um eine Vorzugslast. Denn sie ist für eine Begünstigung durch eine Leistung der Rundfunkanstalten zu zahlen, indem sie an den durch das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgerätes begründeten Status als Rundfunkteilnehmer geknüpft wird (vgl. BVerfGE 90, 60 <91>; 119, 181 <219>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 6. September 1999 - 1 BvR 1013/99 -, NJW 2000, S. 649). Die Rundfunkgebühr ist außerdem dem der Gesetzgebungskompetenz der Länder unterliegenden Bereich des Rundfunks (vgl. Art. 23 Abs. 6 Satz 1 GG, BVerfGE 90, 60 <105>; 92, 203 <238>; 121, 30 <46>) zuzuordnen.

17

§ 1 Abs. 1 und § 5 Abs. 3 RGebStV verstoßen nicht gegen das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Bestimmtheitsgebot. Internetfähige PCs lassen sich zwanglos unter die Definition des Rundfunkempfangsgerätes in § 1 Abs. 1 Satz 1 RGebStV subsumieren. Für die Betroffenen ist außerdem sowohl in technischer Hinsicht als auch im Hinblick auf den Übertragungsweg Internet erkennbar, dass sie ihre internetfähigen PCs zum Empfang von Rundfunk im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 RGebStV bereithalten, während die Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe, deren Verwendung dem Gesetzgeber auch im Abgabenrecht nicht schlechthin verwehrt ist (vgl. BVerfGE 80, 103 <108>), Teil der gewöhnlichen Gesetzesauslegung und -anwendung ist.

18

Die Erhebung von Rundfunkgebühren für den internetfähigen PC des Beschwerdeführers ist, wie das Bundesverwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung zutreffend begründet hat, außerdem nicht unverhältnismäßig. Sie ist zunächst ein geeignetes Mittel zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, da sie mit der Verbreiterung der Gebührenbasis und der Verhinderung einer drohenden "Flucht aus der Rundfunkgebühr" die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherstellt. Die gebührenrechtliche Heranziehung von Personen, die mittels internetfähiger PCs Rundfunksendungen empfangen können, ist zur Erreichung des Ziels mangels eines milderen, gleich wirksamen Mittels auch erforderlich. Zugangssperren stellen schon deshalb kein gleich wirksames Mittel dar, weil in technischer Hinsicht Zweifel an einer umgehungssicheren Ausgestaltung bestehen. Zudem wäre eine Zugangsbeschränkung in rechtlicher Hinsicht problematisch, weil sie mit dem Grundversorgungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kollidieren würde (vgl. VG Regensburg, Urteil vom 24. März 2009 - RO 3 K 8.01829 -, juris). Mag inzwischen auch mit dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag eine Neuordnung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erfolgt sein, war der Rundfunkgesetzgeber angesichts des ihm zukommenden politischen Gestaltungsspielraumes dennoch nicht verpflichtet, bereits zuvor ein völlig neuartiges Finanzierungskonzept nur zur Vermeidung eines Eingriffs in die Informationsfreiheit der Internetnutzer zu entwickeln. Die generelle Rundfunkgebührenpflicht für internetfähige PCs ist außerdem nicht unangemessen. Die Beeinträchtigung der Informationsfreiheit ist nur gering, weil der Beschwerdeführer nicht unmittelbar daran gehindert wird, sich aus dem sonstigen Angebot des Internets zu informieren, sondern hierfür lediglich mit einer verhältnismäßig niedrigen Zahlungsverpflichtung in Höhe der Grundgebühr belastet wird. Dieser nur geringen Beeinträchtigung steht mit der Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (vgl. BVerfGE 119, 181 <214> m.w.N.) in einer effektiven und am Gleichheitsgrundsatz orientierten Weise ein Zweck von einigem Gewicht gegenüber.

19

b) Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer ebenfalls nicht in seinen Rechten aus Art. 12 Abs. 1 GG, weil die Abgabenpflicht für den als Arbeitsmittel verwendeten internetfähigen PC mangels unmittelbaren Bezugs zur beruflichen Tätigkeit oder einer objektiv berufsregelnden Tendenz schon kein Eingriff in die Berufsfreiheit darstellt.

20

c) Zudem liegt keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes vor. Die Gleichbehandlung von Besitzern herkömmlicher und neuartiger Rundfunkempfangsgeräte beruht auf dem vernünftigen, einleuchtenden Grund (vgl. BVerfGE 76, 256 <329>; 90, 226 <239>; 123, 1 <19>), einer drohenden "Flucht aus der Rundfunkgebühr" zu begegnen und dadurch eine funktionsadäquate Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen. Die Ungleichbehandlung der Inhaber internetfähiger PCs gegenüber Personen, die nicht über Rundfunkempfangsgeräte verfügen, ist ebenfalls gerechtfertigt, weil der in der Bereithaltung eines Empfangsgeräts liegende Nutzungsvorteil wie bisher (vgl. dazu etwa BVerfGE 90, 60 <106>) auch bei internetfähigen PCs ein sachliches Differenzierungskriterium darstellt.

21

Darüber hinaus ist ein gleichheitswidriges, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßendes Erhebungsdefizit aufgrund struktureller, im Rundfunkgebührenstaatsvertrag angelegter Erhebungsmängel auch bei entsprechender Anwendung der Maßstäbe zur Beurteilung der Gleichheitswidrigkeit einer Steuererhebung (vgl. BVerfGE 84, 239 <268 ff.>; 110, 94 <112 ff.>) auf die Erhebung von Rundfunkgebühren nicht erkennbar. Denn die Nichtanzeige anzeigepflichtiger Rundfunkempfangsgeräte ist aufgrund der im Rundfunkgebührenstaatsvertrag vorgesehenen Kontrollinstrumente mit einem angemessenen Entdeckungsrisiko verbunden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. März 2011 - 1 BvR 3255/08 -, NVwZ-RR 2011, S. 465 <466>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. Februar 2011 - 1 BvR 2480/08 -, NVwZ-RR 2011, S. 466).

22

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

23

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole.

(2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Grundsteuer. Er hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen.

(2a) Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Sie haben die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer.

(3) Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht.

(2) Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern bemißt sich nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes über die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebung.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Alle Einnahmen dienen als Deckungsmittel für alle Ausgaben. Auf die Verwendung für bestimmte Zwecke dürfen Einnahmen beschränkt werden, soweit dies durch Gesetz vorgeschrieben oder im Haushaltsplan zugelassen ist.

(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole.

(2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Grundsteuer. Er hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen.

(2a) Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Sie haben die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer.

(3) Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Der Ertrag der Finanzmonopole und das Aufkommen der folgenden Steuern stehen dem Bund zu:

1.
die Zölle,
2.
die Verbrauchsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 2 den Ländern, nach Absatz 3 Bund und Ländern gemeinsam oder nach Absatz 6 den Gemeinden zustehen,
3.
die Straßengüterverkehrsteuer, die Kraftfahrzeugsteuer und sonstige auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene Verkehrsteuern,
4.
die Kapitalverkehrsteuern, die Versicherungsteuer und die Wechselsteuer,
5.
die einmaligen Vermögensabgaben und die zur Durchführung des Lastenausgleichs erhobenen Ausgleichsabgaben,
6.
die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer,
7.
Abgaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften.

(2) Das Aufkommen der folgenden Steuern steht den Ländern zu:

1.
die Vermögensteuer,
2.
die Erbschaftsteuer,
3.
die Verkehrsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 1 dem Bund oder nach Absatz 3 Bund und Ländern gemeinsam zustehen,
4.
die Biersteuer,
5.
die Abgabe von Spielbanken.

(3) Das Aufkommen der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer steht dem Bund und den Ländern gemeinsam zu (Gemeinschaftsteuern), soweit das Aufkommen der Einkommensteuer nicht nach Absatz 5 und das Aufkommen der Umsatzsteuer nicht nach Absatz 5a den Gemeinden zugewiesen wird. Am Aufkommen der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer sind der Bund und die Länder je zur Hälfte beteiligt. Die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer werden durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, festgesetzt. Bei der Festsetzung ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:

1.
Im Rahmen der laufenden Einnahmen haben der Bund und die Länder gleichmäßig Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben. Dabei ist der Umfang der Ausgaben unter Berücksichtigung einer mehrjährigen Finanzplanung zu ermitteln.
2.
Die Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder sind so aufeinander abzustimmen, daß ein billiger Ausgleich erzielt, eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt wird.
Zusätzlich werden in die Festsetzung der Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer Steuermindereinnahmen einbezogen, die den Ländern ab 1. Januar 1996 aus der Berücksichtigung von Kindern im Einkommensteuerrecht entstehen. Das Nähere bestimmt das Bundesgesetz nach Satz 3.

(4) Die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer sind neu festzusetzen, wenn sich das Verhältnis zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder wesentlich anders entwickelt; Steuermindereinnahmen, die nach Absatz 3 Satz 5 in die Festsetzung der Umsatzsteueranteile zusätzlich einbezogen werden, bleiben hierbei unberücksichtigt. Werden den Ländern durch Bundesgesetz zusätzliche Ausgaben auferlegt oder Einnahmen entzogen, so kann die Mehrbelastung durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, auch mit Finanzzuweisungen des Bundes ausgeglichen werden, wenn sie auf einen kurzen Zeitraum begrenzt ist. In dem Gesetz sind die Grundsätze für die Bemessung dieser Finanzzuweisungen und für ihre Verteilung auf die Länder zu bestimmen.

(5) Die Gemeinden erhalten einen Anteil an dem Aufkommen der Einkommensteuer, der von den Ländern an ihre Gemeinden auf der Grundlage der Einkommensteuerleistungen ihrer Einwohner weiterzuleiten ist. Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Es kann bestimmen, daß die Gemeinden Hebesätze für den Gemeindeanteil festsetzen.

(5a) Die Gemeinden erhalten ab dem 1. Januar 1998 einen Anteil an dem Aufkommen der Umsatzsteuer. Er wird von den Ländern auf der Grundlage eines orts- und wirtschaftsbezogenen Schlüssels an ihre Gemeinden weitergeleitet. Das Nähere wird durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt.

(6) Das Aufkommen der Grundsteuer und Gewerbesteuer steht den Gemeinden, das Aufkommen der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern steht den Gemeinden oder nach Maßgabe der Landesgesetzgebung den Gemeindeverbänden zu. Den Gemeinden ist das Recht einzuräumen, die Hebesätze der Grundsteuer und Gewerbesteuer im Rahmen der Gesetze festzusetzen. Bestehen in einem Land keine Gemeinden, so steht das Aufkommen der Grundsteuer und Gewerbesteuer sowie der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern dem Land zu. Bund und Länder können durch eine Umlage an dem Aufkommen der Gewerbesteuer beteiligt werden. Das Nähere über die Umlage bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Nach Maßgabe der Landesgesetzgebung können die Grundsteuer und Gewerbesteuer sowie der Gemeindeanteil vom Aufkommen der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer als Bemessungsgrundlagen für Umlagen zugrunde gelegt werden.

(7) Von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftsteuern fließt den Gemeinden und Gemeindeverbänden insgesamt ein von der Landesgesetzgebung zu bestimmender Hundertsatz zu. Im übrigen bestimmt die Landesgesetzgebung, ob und inwieweit das Aufkommen der Landessteuern den Gemeinden (Gemeindeverbänden) zufließt.

(8) Veranlaßt der Bund in einzelnen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) besondere Einrichtungen, die diesen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) unmittelbar Mehrausgaben oder Mindereinnahmen (Sonderbelastungen) verursachen, gewährt der Bund den erforderlichen Ausgleich, wenn und soweit den Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) nicht zugemutet werden kann, die Sonderbelastungen zu tragen. Entschädigungsleistungen Dritter und finanzielle Vorteile, die diesen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) als Folge der Einrichtungen erwachsen, werden bei dem Ausgleich berücksichtigt.

(9) Als Einnahmen und Ausgaben der Länder im Sinne dieses Artikels gelten auch die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden (Gemeindeverbände).

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

1. § 116 Absatz 6 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch vom 18. Januar 2001 (Bundesgesetzblatt I Seite 130) ist mit dem Grundgesetz auch insoweit vereinbar, als nach dieser Vorschrift nicht ausgeschlossen ist, dass bei nicht vorsätzlicher Schädigung durch einen zum Unterhalt verpflichteten Elternteil, der im Zeitpunkt des Schadensereignisses mit seinem geschädigten Kind nicht in häuslicher Gemeinschaft lebt, Ansprüche nach Absatz 1 auf den Sozialhilfeträger übergehen.

2. § 116 Absatz 6 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch ist im Lichte von Artikel 6 Absatz 1 und Absatz 2 des Grundgesetzes dahingehend auszulegen, dass auch derjenige Elternteil die Tatbestandsvoraussetzung eines Lebens in häuslicher Gemeinschaft erfüllt, der zwar getrennt von seinem Kind lebt, jedoch seiner Verantwortung für das Kind in dem ihm rechtlich möglichen Maße nachkommt und regelmäßigen wie längeren Umgang mit dem Kind pflegt, sodass dieses zeitweise auch in seinen Haushalt integriert ist.

Gründe

A.

1

Die Vorlage betrifft die Frage, ob § 116 Abs. 6 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als er bei Schädigungen durch einen Familienangehörigen, der mit dem Geschädigten in häuslicher Gemeinschaft lebt, einen Anspruchsübergang auf den Sozialhilfeträger ausschließt, nicht dagegen bei Schädigungen eines Kindes durch seinen nicht mit ihm zusammenlebenden, aber Unterhalt zahlenden und regelmäßigen Umgang auch in seinem Haushalt pflegenden Elternteil.

I.

2

§ 116 SGB X wurde mit dem am 1. Juli 1983 in Kraft getretenen Sozialgesetzbuch (SGB) - Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten - vom 4. November 1982 (BGBl I S. 1450) eingeführt.

3

Die Vorschrift bestimmt, dass ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens auf den Sozialversicherungsträger oder den Träger der Sozialhilfe übergeht, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Der vorliegend maßgebliche Satz 1 des Absatzes 6 der Norm nimmt von diesem Übergang Ansprüche wegen nicht vorsätzlicher Schädigung gegen Familienangehörige aus, die mit dem Geschädigten in einer häuslichen Gemeinschaft leben. Die Regelung des seit seinem Inkrafttreten unveränderten § 116 Abs. 6 SGB X lautet:

4

Ein Übergang nach Absatz 1 ist bei nicht vorsätzlichen Schädigungen durch Familienangehörige, die im Zeitpunkt des Schadensereignisses mit dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen in häuslicher Gemeinschaft leben, ausgeschlossen. Ein Ersatzanspruch nach Absatz 1 kann dann nicht geltend gemacht werden, wenn der Schädiger mit dem Geschädigten oder einem Hinterbliebenen nach Eintritt des Schadensereignisses die Ehe geschlossen hat und in häuslicher Gemeinschaft lebt.

5

1. a) Das in § 116 Abs. 6 SGB X enthaltene sogenannte "Familien- oder Angehörigenprivileg" geht auf die bereits im Jahre 1910 in Kraft getretene Vorschrift des § 67 Abs. 2 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG) a.F. zurück, die eine vergleichbare Regelung für den Bereich der Privatversicherung vorsah. Zur Begründung verwies der Gesetzgeber damals auf den in der Regel bestehenden engen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Versicherungsnehmer und dem mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen, der dazu führe, dass durch den Rückgriff des Versicherers gegen den Angehörigen meist der Versicherungsnehmer selbst in Mitleidenschaft gezogen werde (BRDrucks 1904/130, S. 120; im Entwurf noch § 65 Abs. 2 VVG). Mit der Neufassung des Versicherungsvertragsgesetzes im Jahre 2007 wurde diese Regelung in § 86 Abs. 3 VVG überführt. Dabei hat der Gesetzgeber die Beschränkung des Regressausschlusses auf Familienangehörige gestrichen, weil sie nicht mehr den heutigen gesellschaftlichen Verhältnissen entspreche (BTDrucks 16/3945, S. 82). Alleinige Voraussetzung für den Ausschluss der Rückgriffsmöglichkeit ist - im Unterschied zu dem unverändert gebliebenen § 116 Abs. 6 SGB X - nurmehr das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft zwischen Versicherungsnehmer und Schädiger.

6

b) Der durch die Einführung des SGB X im Jahre 1983 aufgehobene § 1542 Reichsversicherungsordnung (RVO), der den gesetzlichen Forderungsübergang in der Sozialversicherung regelte, wies keine dem § 116 Abs. 6 SGB X vergleichbare Regelung auf. Jedoch ging der Bundesgerichtshof seit seinem Urteil vom 11. Februar 1964 (BGHZ 41, 79) in ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BGHZ 54, 256 <257 f.>; BGH, Urteil vom 9. Januar 1968 - VI ZR 44/66 -, NJW 1968, S. 649 f.; Urteil vom 21. September 1976 - VI ZR 210/75 -, NJW 1977, S. 108; Urteil vom 15. Januar 1980 - VI ZR 270/78 -, VersR 1980, S. 644; Urteil vom 8. Oktober 1985 - VI ZR 138/84 -, VersR 1986, S. 233) davon aus, dass der Forderungsübergang bei Schädigungen durch Familienangehörige, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem geschädigten Sozialversicherten leben, aufgrund des Schutzzwecks der Versicherungsleistung entsprechend § 67 Abs. 2 VVG a.F. ausgeschlossen sei. Anderenfalls führe die Anwendung des § 1542 RVO in diesen Fällen zu einer Schmälerung des Familienunterhalts, sodass die Leistung ihren Versicherungszweck nicht erfülle. § 67 Abs. 2 VVG a.F. wolle einerseits im Interesse der Erhaltung des häuslichen Familienfriedens verhindern, dass gegen Familienangehörige Streitigkeiten über die Verantwortung von Schadenszufügungen ausgetragen werden. Andererseits solle vermieden werden, dass der geschädigte Versicherte durch den Rückgriff auf den Schädiger selbst in Mitleidenschaft gezogen werde. Denn in häuslicher Gemeinschaft zusammenlebende Familienangehörige bildeten zumeist eine gewisse wirtschaftliche Einheit. Die Durchführung eines Rückgriffs führe hier im Praktischen dazu, dass der Versicherte das, was er mit der einen Hand erhalten habe, mit der anderen wieder herausgeben müsse. Daher müssten, um in solchen Fällen ein Leerlaufen der Sozialversicherung zu vermeiden und ihrem Schutzzweck gerecht zu werden, auch für den Rückgriffsanspruch des Sozialversicherungsträgers aus § 1542 RVO die Schranken gelten, die der spätere Gesetzgeber des Versicherungsvertragsgesetzes für den privaten Schadensversicherer ausdrücklich ausgesprochen habe (vgl. BGHZ 41, 79 <82 ff.>).

7

c) Eine analoge Anwendung des § 67 Abs. 2 VVG a.F. verneinte der Bundesgerichtshof allerdings für den Bereich der Sozialhilfe. Eine Forderungsüberleitung war hier nach § 90 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) möglich (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1983 - VI ZR 184/81 -, NJW 1984, S. 2580 <2581 f.>).

8

d) Zur Begründung des nunmehr in § 116 Abs. 6 SGB X sowohl im Sozialversicherungs- als auch im Sozialhilfebereich ausdrücklich eingeschränkten Anspruchsübergangs verwies die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf auf die zu § 1542 RVO ergangene Rechtsprechung. Sowohl im Interesse der Erhaltung des häuslichen Familienfriedens und damit zum Schutze der Familiengemeinschaft als auch angesichts des Zwecks von Sozialleistungen sei nach § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X der Anspruchsübergang ausgeschlossen, wenn ein Familienmitglied, das mit dem Geschädigten oder seinem Hinterbliebenen in häuslicher Gemeinschaft lebt, die Schädigung fahrlässig herbeigeführt habe (vgl. BTDrucks 9/95, S. 28).

9

2. Von diesen zwei Zwecksetzungen der Vermeidung mittelbarer wirtschaftlicher Beeinträchtigung des Geschädigten einerseits und des Schutzes des häuslichen Familienfriedens andererseits lässt sich auch die Rechtsprechung bei Auslegung des Familienprivilegs leiten (vgl. zu § 67 Abs. 2 VVG a.F.: BGHZ 41, 79 <83>; 180, 272 <275>; BGH, Urteil vom 9. Mai 1972 - VI ZR 40/71 -, NJW 1972, S. 1372; Urteil vom 29. Januar 1985 - VI ZR 88/83 -, NJW 1985, S. 1958 f.; Urteil vom 12. November 1985 - VI ZR 223/84 -, VersR 1986, S. 333 <334>; und zu § 116 Abs. 6 SGB X: BGHZ 102, 257<259 f.>; 106, 284 <288>). Dabei wird das Tatbestandsmerkmal der "häuslichen Gemeinschaft" insbesondere bei Eltern-Kind-Verhältnissen nicht eng ausgelegt. So wird das Vorliegen einer häuslichen Gemeinschaft auch dann angenommen, wenn sich das schädigende oder geschädigte Familienmitglied zwar nicht überwiegend in der Familienwohnung aufhält, aber die Abwesenheit äußere Gründe hat, die nicht für eine willkürliche Lockerung des Familienverbandes sprechen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 1971 - VI ZR 150/69 -, VersR 1971, S. 478 <479>).

10

So hat der Bundesgerichtshof eine häusliche Gemeinschaft zwischen Vater und Sohn bejaht, obwohl der geschädigte Vater in der Regel in einem angemieteten möblierten Zimmer nächtigte, weil er in die der Familie nach der Flucht zugeteilte Wohnung infolge der räumlichen Beengtheit nicht mit der übrigen Familie einziehen konnte (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 1961 - II ZR 237/59 -, NJW 1962, S. 41 f.). Ebenso hat er in einem Fall entschieden, in dem das geschädigte Familienmitglied werktags auswärts arbeitete und an seinem Arbeitsort eine Schlafstelle hatte (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 1971 - IV ZR 189/69 -, VersR 1971, S. 901 f.). Des Weiteren hat der Bundesgerichtshof auch eine häusliche Gemeinschaft zwischen dem geschädigten Vater und seinem 22-jährigen ledigen Sohn angenommen, der auswärts eine seemännische Ausbildung absolvierte, während der Ferien regelmäßig in den Haushalt seiner Eltern zurückkehrte und dort noch ein Zimmer hatte (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 1971 - VI ZR 150/69 -, VersR 1971, S. 478 <479 f.>). Schließlich hat er eine häusliche Gemeinschaft zwischen Eltern und ihrem im ausgebauten Dachgeschoss desselben Hauses mit seiner Ehefrau wohnenden, erwachsenen Sohn für gegeben erachtet, da zwischen beiden Ehepaaren eine gewisse, auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit bestanden habe, die als typisches Merkmal eines Familienverbandes anzusehen sei. Eine Einheit in sämtlichen Wirtschaftsangelegenheiten sei nicht erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1985 - VI ZR 223/84 -, VersR 1986, S. 333 ff.).

II.

11

1. Der Beklagte zu 3) des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Beklagter) ist Vater eines im Januar 2000 nichtehelich geborenen Sohnes, für den beide Elternteile die Personensorge gemeinsam ausübten. Der Junge lebte bei der Kindesmutter. Der Beklagte war kindesunterhaltspflichtig und kam dieser Verpflichtung uneingeschränkt nach. Zwischen ihm und dem Kind fand regelmäßig Umgang statt. Jedes zweite Wochenende von Freitagnachmittag bis Sonntagabend besuchte das Kind seinen Vater, der gemeinsam mit seinen Eltern, den Beklagten zu 1) und 2) des Ausgangsverfahrens und Großeltern des Kindes, in deren Hausanwesen wohnte.

12

Während eines solchen Besuchswochenendes Anfang August 2001 fiel das einige Minuten unbeaufsichtigte Kind in eine auf dem Grundstück der Großeltern stehende, ungesicherte Regentonne. Der Junge befand sich etwa zehn Minuten unter Wasser. Er konnte zwar reanimiert werden, erlitt jedoch schwerste Schäden, die voraussichtlich auf Lebensdauer zu einem Betreuungs- und Beaufsichtigungsbedarf führen werden. Seit dem 2. August 2002 erbringt der Bezirk S. als zuständiger Träger der überörtlichen Sozialhilfe für das Kind Leistungen der Sozialhilfe in Form der Eingliederungshilfe. Er ist Kläger des Ausgangsverfahrens.

13

2. Mit seiner Klage hat dieser aus gemäß § 116 Abs. 1 SGB X übergegangenem Recht einen Zahlungsanspruch in Höhe von 108.638,41 € zuzüglich Zinsen gegen die Beklagten geltend gemacht und die Feststellung ihrer Verpflichtung zum Ersatz der ab dem 1. Dezember 2005 erbrachten sowie der künftigen durch das Unfallereignis verursachten Nettosozialhilfeaufwendungen für das geschädigte Kind begehrt. Mit Teil-Endurteil vom 29. Mai 2007 hat das Landgericht die gegen die Großeltern gerichtete Klage abgewiesen; die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers blieb erfolglos.

14

3. Mit Beschluss vom 27. April 2009 hat das Landgericht das Verfahren gegen den Vater des Kindes als nunmehr einzigen Beklagten ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als er eine Haftungsprivilegierung des nicht in häuslicher Gemeinschaft lebenden, zum Unterhalt verpflichteten Kindesvaters im Gegensatz zu in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen nicht vorsieht.

15

Das Landgericht geht unter Würdigung des Sachverhalts davon aus, dass der Beklagte seine Aufsichtspflicht zum Unfallzeitpunkt grob fahrlässig verletzt hat. Er habe erkennen können, dass die ungesicherte Regentonne eine Gefahrenquelle für sein Kind sein könne. Insofern hätte er das Kind ständig im Auge behalten müssen. Dem sei der Beklagte nicht nachgekommen, denn das Kind sei in die Tonne gefallen, ohne dass dies jemand zunächst bemerkt hätte. Ihm sei grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, weil ein aufgrund seines Alters von etwa 18 Monaten in seinem Verhalten nur schwer zu berechnendes Kind ständig unter Aufsicht gehalten werden müsse. Wegen des grob fahrlässigen Verhaltens sei gemäß § 277 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Haftung des Beklagten nicht nach § 1664 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Daher habe das Kind gegen den Beklagten aufgrund seiner Schädigung einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB. Der Übergang dieses Anspruchs auf den Kläger sei auch nicht nach § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X ausgeschlossen.

16

Zum Unfallzeitpunkt habe keine häusliche Gemeinschaft zwischen dem Kind und dem Beklagten bestanden, da das Kind nur alle zwei Wochen von Freitag bis Sonntag zusammen mit dem Beklagten im Haushalt von dessen Eltern gelebt habe. Eine Auslegung von § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X dahingehend, das Haftungsprivileg auf den Beklagten zu erstrecken, sei angesichts der klaren Auslegung des Begriffs "in häuslicher Gemeinschaft lebend" durch die einschlägige Literatur nicht möglich. Demnach sei der Klage stattzugeben.

17

Das Landgericht hält jedoch § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X insoweit wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG für verfassungswidrig, als die Norm einen Forderungsübergang gegen einen mit dem geschädigten Kind nicht in häuslicher Gemeinschaft lebenden, das Personensorgerecht oder auch nur ein Umgangsrecht besitzenden und zu Unterhalt verpflichteten Elternteil nicht ausschließt. Das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft mit dem geschädigten Kind sei in solchen Fällen kein sachgerechter Differenzierungsmaßstab. Die im Bürgerlichen Gesetzbuch enthaltenen grundlegenden Bestimmungen des Familienrechts unterschieden bei den Pflichten eines Elternteils, wie etwa der Unterhaltspflicht, nicht danach, ob zwischen Eltern und Kind eine häusliche Gemeinschaft bestehe oder nicht. Bereits diese Gesetzessystematik zeige, dass die in § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X vorgenommene Anknüpfung des Rückgriffsausschlusses an das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft nicht sachgerecht sein könne.

18

Weiter spreche der Gesetzeszweck, den Familienfrieden zu erhalten, gegen die im Gesetz vorgenommene Beschränkung. Für den Familienfrieden mache es keinen wesentlichen Unterschied, wenn die Belastungen (nur) den nicht mit dem Kind zusammenlebenden Vater träfen. Denn auch dessen Beziehung zu seinem Kind, die gerade im Interesse des Kindes von Konflikten frei gehalten werden solle, sei sowohl durch seine im Regresswege erfolgende Inanspruchnahme als auch durch deren finanzielle Folgen belastet. Ein so betroffener Kindesvater komme leicht dazu, eine vergleichende Betrachtung zur Kindesmutter anzustellen, der bei demselben Versagen im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht ein Regress erspart bliebe, und werde seine Behandlung als ungerecht empfinden. Es liege nahe, dass eine solche Einschätzung für seine Beziehung zum Kind nicht förderlich sei.

19

Auch die Betrachtung der wirtschaftlichen Situation ergebe die Verfassungswidrigkeit von § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X. Nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB würden bei der Erfüllung der Unterhaltspflichten gegenüber einem Kind finanzielle Leistungen einerseits und Erziehungsleistungen andererseits als gleichwertig erachtet. Gerade bei nicht miteinander verheirateten Eltern komme es häufig vor, dass die Eltern nicht zusammenlebten und damit ein Elternteil die für das Kind notwendigen finanziellen Mittel erwirtschafte, während der andere das Kind erziehe. Dann aber würde durch § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X das Aufsichtspflichtversagen des unterhaltzahlenden Elternteils mit einem "Regress bestraft". Dagegen bliebe es beim anderen Elternteil, bei dem das Kind lebt, ohne Folgen. Zwar sei richtig, dass der dem Kind und gegebenenfalls auch der Kindesmutter zu erbringende Mindestunterhalt durch Pfändungsfreigrenzen auch im Falle eines Regresses geschützt sei. Dies gelte aber ebenso für die in häuslicher Gemeinschaft lebende Familie.

20

Das Bundesverfassungsgericht habe entschieden, dass der Schutz von Ehe und Familie und insbesondere das Interesse der jeweils betroffenen Kinder keine unterschiedliche Behandlung von verheirateten und unverheirateten Eltern zulasse. Dieser Gedanke sei hier zu übertragen. Ein Abstellen auf die häusliche Gemeinschaft für den Regressverzicht führe zu einer Bevorzugung der "traditionellen" Familie ob mit oder ohne Trauschein. Ein solcher Maßstab sei angesichts der sonstigen rechtlichen Gleichbehandlung nicht zusammenlebender Elternteile und im Hinblick auf den Schutz der Interessen der in erster Linie betroffenen nichtehelichen Kinder alleinerziehender Elternteile nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.

III.

21

Zu der Vorlage haben das Bundesministerium für Arbeit und Soziales namens der Bundesregierung, die Bayerische Staatsregierung, der Bundesgerichtshof, das Bundessozialgericht, der Deutsche Landkreistag, der Sozialverband VdK Deutschland, der Deutsche Sozialgerichtstag, der Deutsche Juristinnenbund und das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht Stellung genommen.

22

1. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X mit dem Grundgesetz in Einklang steht. Die Ungleichbehandlung von Eltern, die nicht mit ihren Kindern in einer häuslichen Gemeinschaft leben, gegenüber Eltern, bei denen das der Fall ist, sei durch gewichtige Gründe gerechtfertigt. Es sei von einer weit weniger schweren Belastung des Familienfriedens auszugehen, wenn der vom Rest der Familie getrennt lebende Angehörige den Geschädigten selten oder nur an einigen Tagen im Monat sehe. Störungen seien unter solchen Umständen weit weniger wahrscheinlich als im Falle einer täglichen Begegnung. Zudem werde der mit dem Geschädigten zusammenlebende Angehörige die Folgen der Schädigung, die er selbst verursacht habe, nicht nur täglich, gegebenenfalls lebenslang vor Augen haben, sondern etwa durch Pflege des Kindes und Änderung der eigenen beruflichen oder familiären Lebensplanung auch tragen müssen. Es sei dem Zusammenleben abträglich, müsste er zusätzlich noch Regressansprüche des Sozialhilfeträgers befriedigen.

23

Auch der Schutz der Familienkasse rechtfertige es, das Familienprivileg auf die häusliche Gemeinschaft zu beschränken. Sei aus der Familienkasse Schadensersatz durch das schädigende Familienmitglied zu leisten, so mindere dies unmittelbar den Lebensstandard der Gesamtfamilie und damit auch den des Geschädigten. Ein Zuwachs an Geld in Form von Schadensersatz finde bei ihm faktisch nicht statt. Das sei bei Familienangehörigen, die nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebten, grundsätzlich anders, da ein Rückgriff auf eine gemeinsame Familienkasse zu Lasten des Geschädigten nicht gegeben sei. Die von § 116 Abs. 6 SGB X vermiedene Situation, dass der Geschädigte den Schadensersatz mitfinanziere, könne hier nicht entstehen. Insbesondere sei im Falle einer Eltern-Kind-Beziehung der gesetzliche Unterhalt des Geschädigten gesichert, weil diese Ansprüche vorrangig vor Schadensersatzansprüchen zu befriedigen seien.

24

Zwar stehe der nicht mit dem geschädigten Kind lebende Elternteil schlechter als der mit ihm in einem Haushalt lebende. Der Regress durch den Sozialleistungsträger sei jedoch keine Strafe, sondern solle eine Schadensverschiebung auf einen an der schuldhaften Schädigung nicht beteiligten Dritten vermeiden, der kraft Gesetzes zur Leistung verpflichtet sei. Zudem gelte im Eltern-Kind-Verhältnis der eingeschränkte Haftungsmaßstab des § 1664 Abs. 1 BGB, weshalb den Schädiger ein erheblicher Verschuldensvorwurf treffen müsse. Dann bedürfe es erst recht besonderer Gründe, die Schadensregulierung dennoch einem Dritten aufzuerlegen.

25

2. Die Bayerische Staatsregierung teilt die im Vorlagebeschluss genannten Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X.

26

Vor dem Hintergrund, dass auch eine Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft die elterlichen Pflichten nach Art. 6 Abs. 2 GG unberührt lasse, könnten die zu § 116 Abs. 6 SGB X genannten Differenzierungsmotive nicht überzeugen. Sei gerade der Kontakt mit dem Kind auch nach einer Trennung wesentlicher Teil der elterlichen Pflichten, liege für eine differenzierte Haftungsregelung bei Schadensereignissen im Rahmen des Umgangs kein sachlicher Grund vor.

27

3. Der Bundesgerichtshof verweist auf seine Rechtsprechung und teilt mit, er habe sich mit der Frage der Erstreckung des familiären Haftungsprivilegs auf den unterhaltspflichtigen, mit dem geschädigten Kind nicht in häuslicher Gemeinschaft lebenden Elternteil bislang nicht befasst.

28

4. Das Bundessozialgericht bezweifelt die Grundrechtskonformität von § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X. Die Gleichstellungspflicht von Kindern unverheirateter mit denen verheirateter Eltern impliziere, dass die typischen unterschiedlichen Lebensformen zu berücksichtigen seien. Typisch für unverheiratete Eltern sei, dass sie nicht zusammenlebten, sich aber beide an der Betreuung des Kindes beteiligten und dafür die finanzielle und erzieherische Fürsorge untereinander aufgeteilt hätten. Dazu sei auch die Konstellation zu rechnen, in der die Mutter vorwiegend die erzieherische und der Vater die finanzielle Fürsorge leiste, sich aber trotz seines getrennten Wohnsitzes mit um das Kind kümmere. In einer solchen Situation könne ein Regress gegen den Vater zu Beeinträchtigungen nicht nur der finanziellen, sondern auch der emotionalen Beziehung zwischen Vater und Kind führen.

29

Zu berücksichtigen sei weiter, dass die Gleichstellung nicht nur auf das Kind ausgerichtet sei, sondern ebenso die Gleichbehandlung von Eltern gebiete. Diesem Gebot entspreche der Haftungsausschluss des § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X nicht. Von ihm würden zwar unverheiratete Eltern mit erfasst, aber nur diejenigen Elternteile, die mit dem Geschädigten zusammenlebten. Diejenigen, die nicht mit ihm zusammenlebten, seien nicht einbezogen, und zwar auch dann nicht, wenn sie sich sowohl für das finanzielle als auch das persönliche Wohlergehen des Kindes verantwortlich fühlten. Dies sei mit Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 und 5 GG unvereinbar.

30

5. Der Deutsche Landkreistag erachtet die Differenzierung nach dem Vorliegen einer häuslichen Gemeinschaft für sachgerecht.

31

6. Der Sozialverband VdK Deutschland meint, der Begriff der häuslichen Gemeinschaft müsse den Realitäten der Gegenwart im Sinne unterschiedlicher Formen menschlichen Zusammenlebens angepasst werden. Der unterhaltspflichtige Vater eines nichtehelichen Kindes, der zum Regress herangezogen werde, werde durch diese Zahlungen in seiner wirtschaftlichen Potenz so geschädigt, dass der Unterhalt nicht mehr leistbar sei. Dadurch werde das zu schützende Kind selbst in Mitleidenschaft gezogen. Auch dürfe die Beziehung zwischen dem unterhaltsverpflichteten Elternteil und dem unterhaltsberechtigten Kind nicht gestört werden. Ein schuldenbeladener Vater werde eine andere Beziehung zu seinem die Schulden verursachenden Kind entwickeln als ohne eine derartige finanzielle Belastung.

32

7. Der Deutsche Sozialgerichtstag ist der Auffassung, §116 Abs. 6 Satz 1 SGB X verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Situation des umgangsberechtigten Vaters und die der Mutter, die mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebe, unterschieden sich gerade im Lichte der wirtschaftlichen Interessen derart voneinander, dass die Anwendung des Privilegs auf beide Fälle gleichermaßen nicht geboten sei. Auch könne nicht unterstellt werden, dass ein Vater sein Kind schlechter behandle, weil er sich im Falle grob fahrlässiger Aufsichtspflichtverletzung einem Regressanspruch des Sozialhilfeträgers ausgesetzt sehe. Allerdings sei zu erwägen, eine häusliche Gemeinschaft dann zu bejahen, wenn ein Elternteil in Ausübung der elterlichen Sorge sein Kind regelmäßig in seinen Haushalt aufnehme.

33

8. Der Deutsche Juristinnenbund teilt die grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken der Vorlage nicht, sieht aber Anlass für eine verfassungskonforme Auslegung der Norm. Das Kriterium des Zusammenlebens in häuslicher Gemeinschaft in § 116 Abs. 6 SGB X sei einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich, nach der Bindungen zwischen Elternteil und Kind von einer Intensität, die über sporadische Besuchskontakte bei gemeinsamem Sorgerecht hinausgingen, der häuslichen Gemeinschaft im Einzelfall gleichgestellt werden könnten.

34

Der Schutzbedarf des geschädigten Kindes begründe keine Notwendigkeit, den Regress des Sozialleistungsträgers gegenüber getrennt lebenden Elternteilen generell auszuschließen. Da es an der gemeinsamen Mittelaufbringung und Mittelverwendung fehle, könne der nicht im gleichen Haushalt lebende Angehörige über den Regress nicht wirtschaftlich in Mitleidenschaft gezogen werden. Der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den getrennt lebenden Unterhaltsverpflichteten bleibe von der Regressnahme unberührt.

35

9. Das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht ist der Auffassung, dass die Haftungsprivilegierung gemäß § 116 Abs. 6 SGB X zumindest für den Fall verfassungswidrig sei, dass der Schädiger ein Elternteil sei, der für sein Kind durch regelmäßigen Umgang und Unterhaltszahlungen Verantwortung über-nehme. Die hinter der Regelung stehenden, grundsätzlich berechtigten Gründe rechtfertigten in der vorliegenden Konstellation eine Ungleichbehandlung nicht. Ein "Wirtschaften aus einem Topf" könne auch vorliegen, wenn der Geschädigte mit dem Schädiger nicht in häuslicher Gemeinschaft lebe. Sei der Schädiger dem Geschädigten gegenüber zum Unterhalt verpflichtet, beziehe der Geschädigte zumindest teilweise seine Mittel zum Leben von ihm.

36

Auch im Hinblick auf den Schutzzweck der Wahrung des Familienfriedens be-stünden keine so gewichtigen Unterschiede, dass eine ungleiche Behandlung gerechtfertigt sei. Bei regelmäßigem Umgang sei das Kind auch in die Lebenswelt dieses Elternteils einbezogen. Auch dieses Verhältnis könne nachhaltig gestört werden, wenn der Elternteil von dem Sozialleistungsträger in Anspruch genommen werde. Nicht die Quantität der in einem Haushalt gemeinsam verbrachten Zeit sichere eine funktionierende Familie, sondern die Qualität des Miteinanders.

B.

37

§ 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Es verstößt weder gegen Art. 6 Abs. 1 und Abs. 5 GG noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Vorschrift den Übergang eines Schadensersatzanspruchs gegenüber einem Familienangehörigen auf den Sozialversicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe nur für den Fall ausschließt, dass der Familienangehörige, der die Schädigung nicht vorsätzlich verursacht hat, im Zeitpunkt des Schadensereignisses mit dem Geschädigten in häuslicher Gemeinschaft lebt. Die durch den Ausschluss des Anspruchsübergangs erfolgende Privilegierung von Familienangehörigen, die in häuslicher Gemeinschaft leben, gegenüber Familienangehörigen, die getrennt leben, ist sachlich gerechtfertigt. Dies gilt grundsätzlich auch für Elternteile und ihre Kinder. Allerdings ist bei ihnen die für den Ausschluss des Anspruchsübergangs maßgebliche Voraussetzung eines Lebens in häuslicher Gemeinschaft unter hinreichender Berücksichtigung des Schutzes der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG und des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG auszulegen. Von einem Leben in häuslicher Gemeinschaft ist insofern auch dann auszugehen, wenn bei Getrenntleben von Eltern ein Elternteil mit seinem Kind zwar nicht ständig zusammenlebt, aber seiner Elternverantwortung in dem ihm rechtlich möglichen Maße tatsächlich nachkommt und regelmäßig längeren Umgang mit seinem Kind pflegt, sodass das Kind zeitweise auch in seinen Haushalt integriert ist und damit bei ihm ein Zuhause hat.

I.

38

1. § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X verstößt nicht gegen den nach Art. 6 Abs. 1 GG zu gewährleistenden Schutz der Familie. Dem Gesetzgeber steht bei der Entscheidung darüber, auf welche Weise er diesem Schutzauftrag nachkommt, ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 82, 60 <81>). So ergibt sich zwar aus Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich (vgl. BVerfGE 107, 205 <213>). Konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen lassen sich aus dem Förderungsgebot des Art. 6 Abs. 1 GG aber nicht herleiten (vgl. BVerfGE 110, 412 <436>). Der Staat ist nicht gehalten, jegliche die Familie betreffende Belastung auszugleichen (vgl. BVerfGE 82, 60 <81>).

39

Bei der Inanspruchnahme eines gegenüber einem Familienangehörigen schadensersatzpflichtigen anderen Familienangehörigen infolge eines Anspruchsübergangs handelt es sich schon nicht um eine familienbedingte finanzielle Belastung, sondern um eine, die die Familie zwar trifft, aber aus einer Schadensersatz begründenden Handlung eines Familienmitglieds herrührt. Zur Kompensation einer solchen, dem einzelnen Familienangehörigen aus einer von ihm zu verantwortenden Verletzungshandlung, wie zum Beispiel der Verletzung seiner elterlichen Pflichten, entstehenden finanziellen Belastung ist der Staat durch Art. 6 Abs. 1 GG nicht verpflichtet.

40

Bewahrt der Gesetzgeber Familienangehörige dennoch unter bestimmten Voraussetzungen vor einem Rückgriff aus übergeleiteten Schadensersatzansprüchen, muss er für die hierdurch erfolgende Differenzierung bei der Entlastung von Familien Gründe haben, die vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand haben (siehe B. I. 3.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG familiären Konstellationen, die vergleichbar sind, in gleicher Weise gebührt (siehe B. I. 4.).

41

2. Art. 6 Abs. 5 GG, der die Schlechterstellung nichtehelicher Kinder gegenüber ehelichen Kindern verbietet, wird durch § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X nicht verletzt. Die Norm differenziert nicht danach, ob es sich bei dem schädigenden oder geschädigten Familienangehörigen um ein eheliches oder nichteheliches Kind handelt, vielmehr danach, ob der schädigende mit dem geschädigten Familienangehörigen in häuslicher Gemeinschaft lebt. Mit dieser Unterscheidung werden nichteheliche Kinder auch nicht mittelbar ungleich behandelt und gegenüber ehelichen Kindern benachteiligt. Denn heutzutage kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass es in aller Regel nichteheliche Kinder sind, die nur mit einem Elternteil leben, und eheliche Kinder fast immer in häuslicher Gemeinschaft mit beiden Elternteilen aufwachsen.

42

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts lebten im Jahre 2008 maximal 76,8 % und damit der größte Teil aller Kinder mit ihren verheirateten Eltern zusammen, während mindestens 7,1 % der Kinder mit ihren Eltern zusammenlebten, die eine nichteheliche Lebensgemeinschaft führen. Demgegenüber betrug der Anteil der Kinder, die bei einem alleinerziehenden Elternteil aufwuchsen, mindestens 16,1 % (vgl. Statistisches Jahrbuch 2009, Tab. 2.17). Die Zahlen belegen, dass die meisten Kinder mit zwei Elternteilen zusammenleben, die ganz überwiegend ehelich verbunden sind. Dies lässt zwar den Schluss zu, dass es zumeist eheliche Kinder sind, die mit beiden Eltern zusammenleben. Andererseits kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass es vornehmlich nichteheliche Kinder sind, die mit einem alleinerziehenden Elternteil und damit von dem anderen Elternteil getrennt leben. Zwar liegen keine Zahlen vor, die über den tatsächlichen Anteil nichtehelicher Kinder in Haushalten mit nur einem Elternteil Auskunft geben könnten. Doch hat eine Erhebung im Rahmen des Mikrozensus 2009 ergeben, dass nur 35 % der Alleinerziehenden ledig sind, während 65 %, also fast zwei Drittel, schon einmal verheiratet waren oder es noch sind, jedoch vom Ehepartner getrennt leben (vgl. Statistisches Bundesamt, Alleinerziehende in Deutschland - Ergebnisse des Mikrozensus 2009, S. 12). Auch wenn nicht alle Kinder dieser geschiedenen, verwitweten oder getrennt lebenden Alleinerziehenden ehelich geboren sein müssen, spricht angesichts des hohen Anteils dieser Gruppe von Alleinerziehenden jedenfalls nichts dafür, dass typischerweise nichteheliche Kinder nur mit einem Elternteil zusammenleben und deshalb im Hinblick auf den getrennt lebenden Elternteil von dem Ausschluss des Anspruchsübergangs nach § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X vornehmlich betroffen sind, der das Leben mit einem Familienangehörigen in häuslicher Gemeinschaft voraussetzt. Vielmehr sind eheliche Kinder, deren Eltern sich getrennt haben, davon ebenso ausgenommen.

43

3. Es verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG, dass § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X den Übergang eines Schadensersatzanspruchs auf den Sozialversicherungs- oder Sozialhilfeträger dann ausschließt, wenn ein Schadensverursacher mit seinem Familienangehörigen, dem er Schaden zugefügt hat, in häuslicher Gemeinschaft lebt, nicht dagegen, wenn die beiden getrennt leben. Hierin liegt eine Ungleichbehandlung, die durch hinreichende Gründe gerechtfertigt ist.

44

a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 1, 14 <52>; 98, 365 <385>; stRspr). Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem einem Personenkreis eine Begünstigung gewährt wird, die einem anderen Personenkreis vorenthalten bleibt (vgl. BVerfGE 110, 412 <431>; 116, 164 <180>).

45

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfGE 117, 1 <30>; stRspr). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft. Bei verhaltensbezogenen Unterscheidungen hängt das Maß der Bindung wiederum insbesondere auch davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Kriterien zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juli 2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 -, juris Rn. 82 f.).

46

b) Danach ist hier ein über die bloße Willkürkontrolle hinausgehender Maßstab anzulegen. Indem der Gesetzgeber den Ausschluss des Forderungsübergangs vom Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft mit dem geschädigten Familienmitglied abhängig macht, knüpft er zwar an einem Verhalten an und nimmt diejenigen, die als Familienangehörige nicht mit dem Geschädigten in häuslicher Gemeinschaft leben, vom Anwendungsbereich dieses Privilegs aus. Im Falle getrennt lebender Eltern kann aber der einzelne Elternteil nicht allein darauf Einfluss nehmen, ob er mit seinem Kind in häuslicher Gemeinschaft lebt und insoweit das Kriterium erfüllt, nach dem § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X differenziert. Über den Aufenthalt des Kindes entscheidet im Streitfall der Eltern letztlich das Familiengericht. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Ungleichbehandlung familiäre Beziehungen trifft, die gleichermaßen den Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG genießen. Darüber hinaus kann sie die Ausübung des von Art. 6 Abs. 2 GG geschützten Elternrechts tangieren. Insofern muss die in § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X vorgenommene Ungleichbehandlung von Familienangehörigen, die in häuslicher Gemeinschaft leben, und solchen, die dies nicht tun, von Gründen solcher Art und solchen Gewichts getragen sein, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können.

47

c) Der Gesetzgeber hat mit dem Schutzbedürfnis des Geschädigten vor wirtschaftlichen Nachteilen, die diesem drohen, wenn ein mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebender Familienangehöriger zur Schadenshaftung herangezogen wird, und mit der Wahrung des häuslichen Friedens im Interesse des Geschädigten hinreichend gewichtige Gründe angeführt, die die durch den Ausschluss des Forderungsübergangs in § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X erfolgende Privilegierung von Familienangehörigen, die in häuslicher Gemeinschaft leben, und damit die Benachteiligung von Familienangehörigen, die voneinander getrennt leben, rechtfertigen. Denn die Gefahr einer Beeinträchtigung des geschädigten Familienangehörigen durch einen Rückgriff des Sozialleistungsträgers auf den Schädiger ist größer und wird im Faktischen in aller Regel vor allem dann eintreten, wenn dieser mit dem Geschädigten in häuslicher Gemeinschaft lebt.

48

aa) (1) Es ist mit dem Gesetzgeber davon auszugehen, dass Familienmitglieder, die in häuslicher Gemeinschaft leben, regelmäßig auch einen gemeinsamen Haushalt führen und deshalb zumeist eine wirtschaftliche Einheit bilden (vgl. BTDrucks 9/95, S. 28), bei der die Einkünfte aller Haushaltsmitglieder zusammenfließen und für die Ausgaben aller zur Verfügung stehen, bei der also aus "einem Topf" gewirtschaftet wird. Werden einem in einer solchen familiären Gemeinschaft Lebenden Sozialleistungen wegen einer Schädigung erbracht, die ihm ein mit ihm zusammenlebender Angehöriger zugefügt hat, und könnte der Leistungsträger den auf ihn übergeleiteten Schadensersatzanspruch des Geschädigten beim Schädiger zugleich wieder einfordern, minderte dies die gemeinsame Familienkasse und träfe damit auch den Geschädigten. Denn für alle Familienmitglieder stünden aufgrund dessen weniger Mittel zur gemeinsamen Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung. Durch einen Rückgriff auf den Schädiger würde dem Geschädigten insofern letztlich wieder genommen, was ihm eigentlich an Schadensersatz zusteht. Um dies zu verhindern, hat der Gesetzgeber davon abgesehen, den Schädiger in Regress zu nehmen.

49

Bei getrennt lebenden Familienangehörigen findet hingegen ein gemeinsames Wirtschaften in der Regel nicht statt. Sie haushalten jeweils für sich selbst und verfügen über ihre Einkünfte allein. Fordert hier ein Leistungsträger beim schädigenden Familienangehörigen Schadensersatz ein, verschlechtert sich zwar dessen finanzielle Situation. Dies hat jedoch typischerweise keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Haushaltslage des von ihm getrennt lebenden geschädigten Familienangehörigen. Dieser kann ungeschmälert über die ihm gewährten Sozialleistungen verfügen und bedarf insofern keines besonderen Schutzes durch eine Haftungsprivilegierung des Schädigers. Dies rechtfertigt, dass der Gesetzgeber bei getrennt lebenden Familienangehörigen anders als bei solchen, die in häuslicher Gemeinschaft zusammenleben, nicht auf einen Forderungsübergang verzichtet hat. Denn nur, wenn einem Geschädigten durch Rückgriff auf den Schädiger Nachteile entstehen können, besteht Anlass, einen Schädiger zu Lasten der Allgemeinheit zu verschonen und Schadensersatzansprüche des Geschädigten gegen ihn nicht auf den staatlichen Leistungsträger übergehen zu lassen, der wegen des eingetretenen Schadens Leistungen erbracht hat.

50

(2) Die Ungleichbehandlung von getrennt lebenden und in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen durch § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X ist grundsätzlich auch dann gerechtfertigt, wenn der Geschädigte ein Kind und der Schädiger dessen unterhaltspflichtiger Elternteil ist. Denn dem Kind drohen bei einem Übergang seines Schadensersatzanspruchs gegen den Elternteil auf den Sozialleistungsträger im Falle, dass es mit diesem Elternteil zusammenlebt, ebenfalls erhebliche Nachteile, die seinen Lebensunterhalt betreffen, während solche Nachteile für das Kind bei einem Rückgriff auf einen getrennt von ihm lebenden Elternteil nicht oder nur in geringerem Umfang zu gewärtigen sind.

51

(aa) Werden gegen einen vom geschädigten Kind getrennt lebenden, zu Bar-unterhaltsleistungen verpflichteten Elternteil übergeleitete Schadensersatzansprüche vom Sozialleistungsträger geltend gemacht, verringern sich zwar die finanziellen Mittel des Elternteils zur Bestreitung seines eigenen Lebensunterhalts. Der Regress hat jedoch in der Regel keine Auswirkungen auf die Höhe des dem Kind geschuldeten Unterhalts. Bei der Ermittlung des unterhaltserheblichen Einkommens eines Unterhaltsverpflichteten können nämlich nur solche Verbindlichkeiten abgezogen werden, die nach ihrem Zweck, dem Zeitpunkt und der Art ihrer Entstehung oder anderen Umständen berücksichtigungsfähig sind (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 1995 - XII ZR 247/94 -, FamRZ 1996, S. 160 <161>). Diese Voraussetzung liegt bei einer Rückgriffsforderung des Sozialleistungsträgers nach § 116 SGB X, die einen Schadensersatzanspruch des unterhaltsberechtigten Kindes gegen seinen Elternteil aufgrund gesetzlicher Überleitung realisiert, nicht vor. Der Unterhaltsschuldner kann hiergegen keine eigenen berechtigten Interessen in Abwägung mit dem Interesse des Kindes bringen, das darin liegt, neben dem erlittenen Schaden nicht auch noch eine Unterhaltsminderung in Kauf nehmen zu müssen, die dem Grunde nach aus dem ihm zugefügten Schaden herrührt. Zudem steht dem Vorrang der Unterhaltsansprüche von Kindern wegen der mit den §§ 304 ff. Insolvenzordnung (InsO) geschaffenen Möglichkeit einer Verbraucherinsolvenz mit Restschuldbefreiung die Gefahr einer Überschuldung des Unterhaltsschuldners regelmäßig nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 2007 - XII ZR 112/05 -, NJW 2008, S. 227 <228>). Da die Verbindlichkeit demnach unterhaltsrechtlich nicht berücksichtigungsfähig ist, bleibt dem geschädigten Kind sein Unterhaltsanspruch ungeschmälert erhalten, der vorrangig vor der Regressforderung des Sozialleistungsträgers zu bedienen (vgl. BGHZ 162, 234 <241>; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 10. Aufl. 2008, Rn. 1047) und auch vollstreckungsrechtlich durch § 850d Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) privilegiert ist.

52

Sofern der unterhaltspflichtige Elternteil allerdings über seine Zahlungsverpflichtungen hinaus dem Kind Zuwendungen hat zukommen lassen, wird ihm dies, wenn er in Regress genommen wird, schwerer oder gar nicht mehr möglich sein. Insoweit kann sich der Anspruchsübergang beim Kind doch in gewissem Umfang nachteilig auswirken. Andererseits scheidet eine Beeinträchtigung des geschädigten Kindes durch die Inanspruchnahme des schädigenden Elternteils ohnehin aus, wenn dieser schon bisher keinen Kindesunterhalt gezahlt hat, weil er aufgrund seines Leistungsvermögens hierzu nicht verpflichtet oder der Verpflichtung nicht nachgekommen ist. Nach einer in den Jahren 2001 und 2002 im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend durchgeführten Repräsentativumfrage zahlten nach Angaben der mit dem Kind zusammenlebenden Alleinerziehenden immerhin 31 % der vom Kind getrennt lebenden Elternteile den festgelegten Kindesunterhalt nicht in voller Höhe, unregelmäßig oder gar nicht. Dabei gaben 19 % der befragten Barunterhaltspflichtigen selbst an, es sei schon einmal oder häufiger vorgekommen, dass sie den Kindesunterhalt nicht gezahlt hätten (BMFSFJ , Unterhaltszahlungen für minderjährige Kinder in Deutschland, 2002, S. 102 ff.). Es ist insofern davon auszugehen, dass sich die Überleitung und Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gegen einen barunterhaltspflichtigen, vom Kind getrennt lebenden Elternteil durch den Sozialleistungsträger nur in begrenzten Fällen und in geringfügigem Maße nachteilig auf die finanzielle Situation des geschädigten Kindes auswirkt.

53

(bb) Würde hingegen der Elternteil, bei dem das geschädigte Kind lebt, als Schädiger in Regress genommen, minderte sich das Einkommen, das dem gemeinsamen Eltern-Kind-Haushalt zur Verfügung steht, wovon auch das Kind betroffen wäre. Denn die Höhe der Ausgaben für Kinder hängt wesentlich von der Höhe des Haushaltseinkommens der sie betreuenden Elternteile ab (vgl. BVerfGE 103, 89 <109>). Über je mehr Einkommen Eltern verfügen, desto mehr Geld geben sie für ihre Kinder aus. Je weniger Geld ein alleinerziehender Elternteil dagegen hat, desto weniger bleibt auch für das Kind übrig und desto mehr muss es auf Dinge verzichten, die seinem gedeihlichen Aufwachsen förderlich sind (vgl. Münnich/Krebs, Wirtschaft und Statistik 2002, S. 1080 <1092 f.>). Auch wenn Eltern bei den Ausgaben für den privaten Konsum in der Regel zuerst an ihrer eigenen Lebenshaltung Abstriche vornehmen, ehe sie Einschränkungen bei den Ausgaben für ihre Kinder ins Auge fassen (vgl. Münnich/Krebs, a.a.O., S. 1096), lässt sich diese Folge im Falle der Geltendmachung eines übergeleiteten Anspruchs schwerlich vermeiden. Hierdurch minderte sich nicht nur das Einkommen des mit dem Kind zusammenlebenden Elternteils. Vielmehr würden auch dem geschädigten Kind Mittel für seinen Unterhalt entzogen, wodurch seine Lebensqualität beeinträchtigt würde. Das Kind davor zu schützen, rechtfertigt die Privilegierung eines mit dem geschädigten Kind in häuslicher Gemeinschaft lebenden Elternteils, der den Schaden verursacht hat, gegenüber einem getrennt von dem Kind lebenden Elternteil.

54

bb) Auch die mit einem Übergang der Schadensersatzforderung des Geschädigten auf den Sozialleistungsträger verbundene Gefahr einer Störung des häuslichen Friedens zwischen dem schädigenden und geschädigten Familienangehörigen mit negativen Auswirkungen auf den Geschädigten ist deutlich größer, wenn beide in häuslicher Gemeinschaft leben, als wenn sie getrennt voneinander leben. Dies trägt ebenfalls zur Rechtfertigung bei, den Übergang des Anspruchs im Interesse des Geschädigten nur bei Familienangehörigen auszuschließen, die in häuslicher Gemeinschaft leben.

55

(1) Schon allein das Schadensereignis lässt ein Konfliktpotential zwischen Schädiger und Geschädigtem entstehen, das ihr Verhältnis zueinander schwer belasten kann. Leben die beiden zudem in häuslicher Gemeinschaft und entstehen Streitigkeiten über die Verantwortlichkeit der Schadenszufügung, wird hiervon insbesondere der Geschädigte in weit stärkerem Maße in Mitleidenschaft gezogen als bei räumlicher Distanz zwischen ihm und dem Schädiger, bei der die Möglichkeit besteht, sich aus dem Wege zu gehen. Diese Möglichkeit ist bei einem Zusammenleben nicht gegeben, bei dem man sich zwangsläufig begegnet. Hier bekommt derjenige, der den Schaden verursacht hat, die Auswirkungen der Schädigung beim anderen täglich vor Augen geführt. Der Geschädigte wiederum wird dauernd mit seinem Schädiger konfrontiert, wobei beide die Folgen, die aus der Verletzung des Familienangehörigen herrühren, gemeinsam zu tragen haben und damit umgehen müssen. Würde die finanzielle Belastung durch einen Regress des Sozialleistungsträgers noch hinzukommen, könnte dies die häuslichen Spannungen erheblich steigern, denen beide, anders als bei einem Getrenntleben von Schädiger und Geschädigtem, permanent und zwangsläufig ausgesetzt wären.

56

(2) Dies träfe ein von einem Elternteil geschädigtes Kind in besonderer Weise. Es muss schon damit fertig werden, dass ihm eine für ihn sehr wichtige Bezugsperson, ein mit ihm lebender Elternteil, Schaden zugefügt hat. Eine womöglich ständige Atmosphäre der Spannung und des Streits in seinem Zuhause, das ihm doch Rückzugs- und Entfaltungsraum bieten soll, dazu noch geschürt durch einen Regress des Sozialleistungsträgers, der die finanzielle Situation der Familie verschlechtert, könnte nicht nur den häuslichen Frieden zerstören, sondern sich auch negativ auf die Entwicklung des ohnehin schon geschädigten Kindes auswirken.

57

Lebt das geschädigte Kind dagegen vom Elternteil, das ihm Schaden zugefügt hat, getrennt und besteht kein oder nur wenig persönlicher Kontakt zwischen beiden, können sich die Schädigung und die Inanspruchnahme des Elternteils durch den Sozialleistungsträger zwar auch auf das Eltern-Kind-Verhältnis belastend auswirken. Das Kind ist aber daraus erwachsenden Spannungen nicht unmittelbar und dauernd ausgesetzt, sondern wird damit gar nicht oder nur während zeitlich begrenzter Zusammentreffen mit dem Elternteil konfrontiert.

58

4. Die für den Ausschluss des Anspruchsübergangs nach § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X maßgebliche Tatbestandsvoraussetzung, dass der schädigende mit dem geschädigten Familienangehörigen in häuslicher Gemeinschaft lebt, ist allerdings bei Kindern und ihren von ihnen getrennt lebenden Elternteilen im Lichte des Schutzes der auch zwischen ihnen bestehenden Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG sowie des Elternrechts des getrennt lebenden Elternteils aus Art. 6 Abs. 2 GG auszulegen. Von einer häuslichen Gemeinschaft zwischen einem Kind und seinem von ihm getrennt lebenden Elternteil ist aufgrund dessen auch dann auszugehen, wenn der Elternteil seiner Verantwortung für das Kind in dem ihm rechtlich möglichen Maße tatsächlich nachkommt und regelmäßig längeren Umgang mit seinem Kind pflegt, sodass das Kind zeitweise auch in seinen Haushalt integriert ist und damit bei ihm ein Zuhause hat.

59

a) Art. 6 Abs. 1 GG schützt die Familie als tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft von Kindern und Eltern. Lebt ein Kind nicht mit beiden Eltern zusammen, weil diese sich getrennt haben, hat das Kind zwei Familien, wenn beide Elternteile trotz ihres Getrenntlebens tatsächlich für das Kind Verantwortung tragen: die mit der Mutter und die mit dem Vater (vgl. BVerfGE 45, 104 <123>; 108, 82 <112>). Das Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, jede dieser familiären Gemeinschaften aus Kind und einem Elternteil sowohl im Hinblick auf deren persönliche Beziehung als auch im wirtschaftlichen Bereich zu respektieren und ihren Zusammenhalt zu fördern (vgl. BVerfGE 112, 50 <65>; 112, 332 <352>). Dabei kann der Gesetzgeber den zu gewährenden Schutz zwar je nach den besonderen Bedürfnissen von Familien unterschiedlich ausgestalten. Dass er durch den Ausschluss des Anspruchsübergangs nach § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X nur Familien schützt, die in häuslicher Gemeinschaft leben, weil diese von einer Geltendmachung des Schadensanspruchs anders als Familien, bei denen Elternteil und Kind getrennt leben und keinen oder nur geringen Kontakt haben, in besonderer Weise betroffen sind, verletzt deshalb nicht Art. 6 Abs. 1 GG.

60

Übernimmt ein Elternteil aber, auch wenn das Kind nicht ständig bei ihm lebt, im Rahmen des ihm rechtlich möglichen Maßes tatsächlich Verantwortung für sein Kind und hat häufigen Umgang mit diesem, der ein regelmäßiges Verweilen und Übernachten im Haushalt des Elternteils umfasst, entsteht bei dieser Art familiären Zusammenlebens von Elternteil und Kind, die allein durch die Trennung der Eltern bedingt ist, auch eine häusliche Gemeinschaft im Sinne des § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X, die nicht minder schützenswert als diejenige ist, bei der Elternteil und Kind täglich zusammenleben. Ihr gebührt in gleicher Weise der Schutz aus Art. 6 Abs. 1 GG.

61

b) Das durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützte Elternrecht ist ein Recht, das jedem Elternteil zusteht, aber mit dem gleichwertigen Recht des anderen Elternteils korrespondiert und sich auf das Kind bezieht, zu dessen Wohl es auszuüben ist (vgl. BVerfGE 108, 82 <101>). Deshalb bedarf es der gesetzlichen Ausgestaltung (vgl. BVerfGE 92, 158 <178 f.>). Eine die besondere familiäre Situation, die Interessen der Eltern sowie das Kindeswohl berücksichtigende Ausgestaltung des Elternrechts ist vor allem auch dann erforderlich, wenn Eltern getrennt leben. So können die Eltern bei Getrenntleben ihre Elternverantwortung für das Kind nicht in gleicher Art und Weise wahrnehmen. Vielmehr ist zu klären und notfalls gerichtlich festzulegen, bei welchem Elternteil sich das Kind vorrangig aufhält. Dieser ist dann in erster Linie für die tatsächliche Betreuung des Kindes verantwortlich, während der vom Kind getrennt lebende Elternteil nach seiner Leistungsfähigkeit zu Unterhaltszahlungen für das Kind herangezogen wird. Selbst wenn beiden Elternteilen die gemeinsame Sorge für das Kind zusteht, ist es wegen des Getrenntlebens im Interesse des Kindeswohls zudem angezeigt, dem Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, das alleinige elterliche Entscheidungsrecht über Angelegenheiten des alltäglichen Lebens zu überlassen, wie es § 1687 Abs. 1 BGB vorsieht. Schließlich ist bei Trennung von Eltern demjenigen Elternteil, bei dem sich das Kind nicht oder nicht vornehmlich aufhält, ein Umgangsrecht mit seinem Kind einzuräumen. Denn der Umgang mit dem Kind ist wesentlicher Bestandteil des von Art. 6 Abs. 2 GG geschützten Elternrechts und maßgebliche Voraussetzung dafür, dass ein vom Kind getrennter Elternteil eine nähere persönliche Beziehung zu seinem Kind aufbauen oder aufrechterhalten kann (vgl. BVerfGE 121, 69 <94>). Auch kommt es grundsätzlich dem Wohl des Kindes zugute, wenn es durch Umgang mit seinem von ihm getrennt lebenden Elternteil die Möglichkeit erhält, zu diesem eine persönliche Beziehung aufzubauen, zu erhalten und zu vertiefen (vgl. BVerfGE 121, 69 <95>).

62

c) Trägt ein Elternteil mit dem anderen Elternteil, bei dem sich sein Kind vorrangig aufhält, gemeinsam die Sorge für das Kind oder ist allein aus Kindeswohlgründen nicht ihm, sondern dem anderen Elternteil die Alleinsorge eingeräumt, zahlt er regelmäßig den vereinbarten oder gerichtlich festgesetzten Kindesunterhalt und praktiziert den verabredeten oder ihm eingeräumten regelmäßigen Umgang mit dem Kind, der auch ein Verweilen des Kindes in seinem Haushalt umfasst, kommt dieser Elternteil in vollem, ihm rechtlich möglichen Umfang seiner elterlichen Verantwortung seinem Kind gegenüber nach. Einer solchermaßen gelebten familiären Beziehung zwischen dem Kind und seinem Elternteil kann nicht allein aufgrund dessen, dass beide nicht ständig zusammenleben, ein Leben in häuslicher Gemeinschaft abgesprochen werden. Das gilt nicht nur für den Fall, dass sich das Kind im Wechsel gleichlange Zeit bei jedem Elternteil aufhält, sondern auch dann, wenn das Kind in regelmäßigen Abständen einige Tage bei dem Elternteil verbringt und währenddessen bei ihm übernachtet, dort zumindest einen festen Schlafplatz hat, von ihm verköstigt wird und insofern bei ihm ein zweites Zuhause hat. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist von einer häuslichen Gemeinschaft zwischen dem Elternteil und dem Kind auszugehen, die von ausgeübter Verantwortung für das Kind und einem zumindest zeitweisen Zusammenleben und Haushalten mit dem Kind getragen ist.

63

Ein solches Leben in häuslicher Gemeinschaft unter dem Vorzeichen getrennt lebender Eltern ist im Hinblick auf den mit § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X verfolgten Schutzzweck mit einer häuslichen Gemeinschaft gleichzusetzen, in der ein Elternteil mit seinem Kind tagtäglich zusammenlebt. Auch diese Art des Zusammenlebens bedarf des Schutzes vor einem Rückgriff des Sozialleistungsträgers durch den Ausschluss des Anspruchsübergangs nach § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X, wenn es zu einer Schädigung des Kindes durch den Elternteil gekommen ist. Denn aufgrund eines regelmäßig und nicht nur stundenweise stattfindenden, mit Übernachtungen verbundenen Umgangs mit häuslicher Betreuung des Kindes entsteht eine feste Beziehung zwischen dem Kind und seinem Elternteil, die nicht minder vor Beeinträchtigungen zu bewahren ist. In einem solchen Eltern-Kind-Verhältnis wird regelmäßig auch der barunterhaltspflichtige Elternteil aus seiner Haushaltskasse Leistungen für das Kind erbringen, die dessen Verpflegung und Unterhaltung betreffen sowie Fahrtkosten umfassen und damit über seine Verpflichtung zur Unterhaltszahlung hinausgehen. Die Tätigung solcher Ausgaben für das Kind wäre ihm aber nicht mehr wie bisher möglich, wenn der Sozialleistungsträger wegen eines übergegangenen Schadensersatzanspruchs des Kindes auf ihn Rückgriff nehmen würde. Hierdurch wäre der auch für das Kind wichtige Umgang mit seinem Elternteil gefährdet oder müsste zumindest eingeschränkt werden, womit das bestehende persönliche Verhältnis zwischen dem Kind und seinem Elternteil durch den Regress einer starken Belastung ausgesetzt würde. Eine gute und intensive Beziehung des Kindes auch zu seinem nicht vornehmlich mit ihm zusammenlebenden Elternteil wirkt sich aber positiv auf die Entwicklung für das Kind aus (vgl. Offe, in: Fabian/Nowara, Neue Wege und Konzepte in der Rechtspsychologie, 2006, S. 105 <111 ff.>). Die Vermeidung von Spannungen und Streitigkeiten aufgrund einer Geltendmachung übergeleiteter Schadensansprüche ist insofern bei einer häuslichen Gemeinschaft mit teilweisem Zusammenleben von Kind und Elternteil ebenso vonnöten wie bei einer häuslichen Gemeinschaft, in der Elternteil und Kind stetig zusammenleben.

64

d) Eine solche verfassungskonforme Auslegung des Lebens in häuslicher Gemeinschaft als Voraussetzung für den Ausschluss des Anspruchsübergangs in § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X, die auch eine Eltern-Kind-Familie einbezieht, bei der Kind und Elternteil zwar nicht dauerhaft, aber zeitweise im Rahmen von regelmäßig stattfindendem und längerem Umgang zusammenleben und der Elternteil seiner Verantwortung für das Kind in vollem, ihm rechtlich möglichen Umfang nachkommt, fügt sich im Übrigen auch in den Gehalt ein, den Rechtsprechung und Literatur der Tatbestandsvoraussetzung "Leben in häuslicher Gemeinschaft" im Kontext von gesetzlichen Regressausschlüssen gegeben haben. So hat der Bundesgerichtshof mehrfach entschieden, dass eine häusliche Gemeinschaft nicht an einen überwiegenden Aufenthalt der Familienangehörigen in der Familienwohnung geknüpft sei, sofern die Abwesenheit eines Angehörigen Gründe habe, die nicht für eine Lockerung des Familienbandes sprächen (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 1961 - II ZR 237/59 -, NJW 1962, S. 41 f.; Urteil vom 16. Februar 1971 - VI ZR 150/69 -, VersR 1971, S. 478 <479>; Urteil vom 30. Juni 1971 - IV ZR 189/69 -, VersR 1971, S. 901). Auch die Literatur geht davon aus, dass eine häusliche Gemeinschaft dann vorliegt, wenn ein gemeinsamer Haushalt besteht beziehungsweise ein Familienangehöriger vom Haushalt eines anderen finanziell abhängig ist (vgl. Grüner/Dalichau, SGB X - Verwaltungsverfahren, § 116, S. 93 f. <1. März 2009>; Kater, in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 116 SGB X, Rn. 247 <1. Januar 2010>; Quast, Der Ausschluss der Regressnahme von Privatversicherern und Sozialversicherungsträgern bei Schadenszufügungen unter Familienangehörigen, 1975, S. 110). Dabei wird angenommen, dass eine solche häusliche Gemeinschaft auch bei länger andauerndem Getrenntleben nur beendet wird, wenn zur Trennung die Willensbekundung hinzutrete, die Gemeinschaft nicht mehr fortsetzen zu wollen (vgl. Krauskopf/Marburger, Die Ersatzansprüche nach § 116 SGB X, Bd. I, 6. Aufl. 2006, S. 46; Marschner, in: Pickel/Marschner, SGB X, § 116, Rn. 73 ). Da ein Elternteil, der zwar nicht dauernd mit seinem Kind zusammenlebt, aber regelmäßig mit seinem Kind auch in seinem eigenen Haushalt zusammenfindet und für sein Kind im Rahmen des ihm Möglichen tatsächlich Verantwortung trägt, damit zum Ausdruck bringt, eine familiäre Gemeinschaft mit dem Kind pflegen und aufrechterhalten zu wollen, erfüllt er die von Rechtsprechung und Literatur für die Annahme eines Lebens in häuslicher Gemeinschaft genannten Voraussetzungen.

II.

65

Unter Berücksichtigung dessen hat das vorlegende Gericht zu prüfen, ob bei dem Beklagten des Ausgangsverfahrens und seinem von ihm zu Schaden gekommenen Kind die angeführten Voraussetzungen für eine Annahme vorgelegen haben, dass beide trotz eines nicht ständigen Aufenthalts des Kindes bei dem Beklagten zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses ein Leben in häuslicher Gemeinschaft geführt haben. Sofern dies der Fall gewesen ist, wäre der Übergang des Schadensersatzanspruchs des Kindes auf den Sozialhilfeträger nach § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X ausgeschlossen, sodass der Beklagte nicht in Regress genommen werden könnte.

66

Darauf kommt es allerdings nur dann an, wenn das vorlegende Gericht weiterhin an seiner Auffassung festhalten sollte, dass der Beklagte seiner Aufsichtspflicht gegenüber seinem Kind nicht in einer Weise nachgekommen sei, die ihm das Haftungsprivileg des § 1664 Abs. 1 BGB eröffnet. In diesem Zusammenhang wird darauf verwiesen, dass auch bei Kleinkindern nicht in jedem Fall eine permanente Beobachtung "auf Schritt und Tritt" zu verlangen ist. Der Umfang der Aufsichtspflicht kann je nach Sachlage, insbesondere erkennbarer Gefährlichkeit der örtlichen Verhältnisse variieren (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 1997 - VI ZR 91/96 -, NJW 1997, S. 2047 <2048>; Wagner, in: Münchener Kommentar, BGB, Bd. 5, 5. Aufl. 2009, § 832, Rn. 27; Rakete-Dombek, in: Kaiser/Schnitzler/ Friederici, BGB Familienrecht, Bd. 4, 2. Aufl. 2010, § 1664, Rn. 7). Dem vom vorlegenden Gericht geschilderten Sachverhalt ist nicht zu entnehmen, inwiefern sich dem Beklagten die Gefahr hätte aufdrängen müssen, dass das unbeaufsichtigte Kleinkind innerhalb weniger Minuten die Regentonne erklimmen und hineinfallen könnte.

Tenor

1. Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 des Gesetzes zur Gewährung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. November 1995 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 818), Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom 26. März 2001 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 76), Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. April 2004 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 133) und Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 des Gesetzes zur Neuordnung des Bayerischen Landeserziehungsgeldes vom 9. Juli 2007 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 442) sind mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar.

2. Ersetzt der Gesetzgeber die verfassungswidrigen Regelungen nicht bis zum 31. August 2012 durch eine Neuregelung, tritt Nichtigkeit der beanstandeten Vorschriften ein.

Gründe

A.

1

Die Vorlage betrifft die Frage, ob es mit Art. 3 Abs. 1 GG und mit Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar ist, dass Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Gewährung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz - BayLErzGG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. November 1995 (GVBl S. 818) die Gewährung von Landeserziehungsgeld auf Deutsche und andere Personen beschränkt, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen.

I.

2

Der Freistaat Bayern erließ 1989 ein Landeserziehungsgeldgesetz. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollten Leistungen nach diesem Gesetz zeitlich an den Bezug von Leistungen nach dem Gesetz über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG) anschließen und es Eltern so ermöglichen, über einen längeren Zeitraum Elternzeit zu nehmen und ihre Kinder selbst zu betreuen. Erziehungsgeld wurde gemäß Art. 3 Abs. 1 BayLErzGG in der Fassung des Jahres 1995 ab dem Ende des Bezugs von Bundeserziehungsgeld für weitere zwölf Lebensmonate des Kindes, längstens bis zur Vollendung seines dritten Lebensjahres, gezahlt. Die Höhe des Landeserziehungsgeldes betrug nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 BayLErzGG 500 DM monatlich. Die Bezugsberechtigung war in Art. 1 Abs. 1 BayLErzGG geregelt. Berechtigt war nach der hier allein zur Prüfung gestellten Regelung des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nur, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besaß.

3

Art. 1 Abs. 1 BayLErzGG hatte in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. November 1995 folgenden Wortlaut:

4

(1) 1 Anspruch auf Landeserziehungsgeld hat, wer

5

1. seine Hauptwohnung oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt seit der Geburt des Kindes, mindestens jedoch fünfzehn Monate in Bayern hat,

6

2. mit einem nach dem 30. Juni 1989 geborenen Kind, für das ihm die Personensorge zusteht, in einem Haushalt lebt,

7

3. dieses Kind selbst betreut und erzieht,

8

4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt und

9

5. die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

10

2 Der Anspruch auf Landeserziehungsgeld setzt nicht voraus, dass der Berechtigte zuvor Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz bezogen hat.

II.

11

In der Begründung des Gesetzentwurfs vom 11. April 1989 heißt es zur Einführung des Landeserziehungsgeldes, die Ergebnisse der Forschung und Praxis hätten in den letzten Jahren zu der allgemeinen Überzeugung geführt, dass die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung in den ersten drei Lebensjahren die Grundlage für die Entwicklung einer stabilen Persönlichkeit bilde, die Sicherheit und Lebenstüchtigkeit mit emotionaler Bindungsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein und ausgeprägtem Gemeinschaftssinn verbinde. Die frühe soziale Prägung durch die Familie sei deshalb für Gesellschaft und Staat von besonderer Bedeutung. Die Einführung des Erziehungsgeldes und Erziehungsurlaubs für die ersten zwölf Lebensmonate durch das Bundeserziehungsgeldgesetz auf Bundesebene ab dem 1. Januar 1986 habe diese Erkenntnisse politisch umgesetzt. Der Landesgesetzgeber sei von der Richtigkeit des Erziehungsgeldgedankens zutiefst überzeugt. Angesichts einer anstehenden Verlängerung der Bezugsdauer des Bundeserziehungsgeldes habe sich die Bayerische Staatsregierung entschlossen, Landesleistungen der Familienförderung neu zu ordnen und ein Landeserziehungsgeld einzuführen. Das Landeserziehungsgeld verstehe sich als Anerkennung für die intensive Erziehungsleistung von Müttern und Vätern und solle zugleich die finanzielle Lage junger Familien verbessern (BayLTDrucks 11/11033, S. 4).

12

Um "Mitnahmeeffekte" zu verhindern, müsse der Antragsteller seit der Geburt, mindestens aber seit 15 Monaten in Bayern seinen Hauptwohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Damit werde eine gezielte Förderung von "Landeskindern" gewährleistet (BayLTDrucks 11/11033, S. 5).

III.

13

1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist polnische Staatsangehörige und begehrt Landeserziehungsgeld für die Betreuung ihres im Februar 2000, und damit vor dem Beitritt Polens zur Europäischen Union zum 1. Mai 2004 geborenen Kindes. Sie wohnt seit 1984 in M. und besitzt eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Seit 1988 hat sie wiederholt gearbeitet. So war sie längere Zeit als Fotolaborantin und kurzfristig in einem Textillager tätig. Seit 2002 arbeitete sie mit circa sieben Wochenstunden in der Gastronomie. Für das erste und zweite Lebensjahr ihres Kindes hatte sie Bundeserziehungsgeld in voller Höhe erhalten. Ihr Antrag auf Landeserziehungsgeld wurde zurückgewiesen, weil ihr aufgrund ihrer polnischen Staatsangehörigkeit Landeserziehungsgeld nicht zustehe. Nachdem auch ihr gegen die Ablehnung gerichteter Widerspruch erfolglos blieb, erhob sie Klage vor dem Sozialgericht München und begehrte die Gewährung von Landeserziehungsgeld unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids in der Fassung des Widerspruchsbescheids. Das Sozialgericht München setzte das Verfahren aus und legte zunächst dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof die Frage vor, ob Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz der Verfassung des Freistaats Bayern verstoße. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof entschied, die vorgelegte Regelung des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes sei mit der bayerischen Verfassung vereinbar (BayVerfGH, Entscheidung vom 19. Juli 2007 - Vf. 6-V-06 -, juris).

14

2. Das Sozialgericht München hat das Verfahren sodann gemäß Art. 100 Abs. 1 GG, § 13 Nr. 11, § 80 Abs. 1 BVerfGG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG verstößt und nichtig ist.

15

Das vorlegende Gericht hält die zur Prüfung gestellte Norm für verfassungswidrig. Art. 3 Abs. 1 GG verlange eine umso strengere Kontrolle, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken könne. Der hier zu berücksichtigende Schutz von Ehe und Familie sei nicht nur gegenüber Deutschen gewährleistet. Aufgrund von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG erhielten Eltern bestimmter Staatsangehörigkeit unabhängig von der familiären Erziehungssituation und der Verfestigung ihres Aufenthalts in Bayern kein Landeserziehungsgeld. Es gebe keine Gründe, die diese Ungleichbehandlung nach Art und Gewicht rechtfertigen könnten.

16

Die sachliche Differenzierung müsse von den Zielen des Erziehungsgeldgesetzes im Lichte des Ehe- und Familienschutzes ausgehen. Im Vordergrund stehe dabei, Eltern die eigene Betreuung ihrer Kinder durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder durch deren Einschränkung zu ermöglichen. Der Gesetzgeber handle im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG, wenn er diejenigen Antragsteller ausschließe, die aus Rechtsgründen einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen könnten. Diese könnten das Hauptziel des Erziehungsgeldes, Kinderbetreuung unter Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder unter deren Einschränkung zu leisten, nicht erreichen. Diesem Ziel diene die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit jedoch nicht, sie stehe dazu in keinem sachlichen Zusammenhang.

17

Verfassungsrechtlich sei auch legitim, wenn der Gesetzgeber nur denjenigen Erziehungsgeld zukommen lasse, von denen erwartet werden könne, dass sie dauerhaft in Bayern blieben. Bei Sukzessivleistungen wie dem Erziehungsgeld werde die Zielerreichung durch eine Aufenthaltskontinuität des Empfängers wesentlich befördert. Diese Voraussetzung werde aber für alle Leistungsempfänger - nicht nur für ausländische Staatsangehörige - bereits durch die Voraussetzung der Vorwohnzeit des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG erfüllt.

18

Die gewählte Unterscheidung diene lediglich Fiskalinteressen. Die Verhinderung fiskalischer Mehrbelastungen könne die vorgenommene Differenzierung jedoch nicht begründen. Zwar könne der Gesetzgeber ohne Verfassungsverstoß von der Gewährung "freiwilliger familienpolitischer Zusatzleistungen", die nicht zum Familienlastenausgleich beziehungsweise nicht zum Existenzminimum des Kindes beitragen, absehen. Verzichtete der Gesetzgeber generell auf die Gewährung von Landeserziehungsgeld, würde dies auch die problematischen Differenzierungen zwischen verschiedenen Personengruppen beenden. Entscheide er sich jedoch dafür, eine derartige Leistung zu gewähren, dürften trotz der Freiwilligkeit der Leistung die Differenzierungsregeln des Art. 3 Abs. 1 GG nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben. Fiskalischen Interessen könne der Freistaat Bayern auch im Wege von Leistungskürzungen Rechnung tragen, ohne ausländische Staatsangehörige vom Leistungsbezug auszuschließen.

19

Die Staatsangehörigkeit komme als Unterscheidungskriterium nicht in Betracht. Zwar könne sie nicht grundsätzlich als Differenzierungskriterium ausgeschlossen werden. Die Eignung als Differenzierungskriterium müsse jedoch konkret bezogen auf das zu regelnde Sachgebiet bestimmt werden. Sei durch die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit ein Grundrecht beeinträchtigt, bedürfe es einer an der Schwere der Beeinträchtigung ausgerichteten Rechtfertigung. Eine solche Rechtfertigung sei nicht ersichtlich. Keinesfalls dürfe die Staatsangehörigkeit zu einem isolierten Differenzierungskriterium degenerieren. In eine solche Richtung weise jedoch der Beschluss des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, der das "Motiv einer gezielten Förderung der Landeskinder" in diese Richtung aufwerte.

IV.

20

Zu der Vorlage haben die Bayerische Staatsregierung, der 10. Senat des Bundessozialgerichts, der Deutsche Landkreistag, der Deutsche Familiengerichtstag sowie der Deutsche Juristinnenbund Stellung genommen.

21

1. Die Bayerische Staatsregierung hält die vorgelegte Regelung für verfassungsgemäß. Der Gleichheitssatz verlange keine schematische Gleichbehandlung, sondern lasse Differenzierungen zu, die durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt seien. Bei einer rechtsgewährenden Regelung komme dem Gesetzgeber für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise eine besonders weitreichende Gestaltungsfreiheit zu. Der Gestaltungsspielraum im Bereich der Leistungsverwaltung ende erst dort, wo eine ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise vereinbar sei und mangels einleuchtender Gründe als willkürlich beurteilt werden müsse.

22

Der Gesetzgeber habe diese Grenze nicht überschritten. Die Regelung differenziere nach der Staatsangehörigkeit und nicht - wie die vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 176) für mit der Verfassung unvereinbar erklärte Regelung über die Gewährung von Bundeserziehungsgeld - nach dem ausländerrechtlichen Aufenthaltsstatus. Das Kriterium der Staatsangehörigkeit ziele gerade nicht auf die Erwartung, dass der Ausländer dauerhaft in Bayern bleibe. Dieses Ziel werde durch die Vorwohndauer in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG erreicht und gelte für Antragsteller aller Herkunftsländer. Das Gesetz bezwecke auch keine Förderung der Integration von Ausländern. Zu einer solchen Förderung sei der Gesetzgeber nicht verpflichtet.

23

Vielmehr könnten bereits bloße finanzpolitische Überlegungen sachliche Gründe für die vorgelegte Norm darstellen. Das gelte jedenfalls für Leistungen, zu deren Gewährung keine Verpflichtung bestehe. Der Gesetzgeber müsse allerdings den Kreis der Betroffenen sachgerecht abgrenzen. Das Ermessen des Gesetzgebers sei jedoch nicht durch die Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 160) zur Gewährung von Kindergeld eingeschränkt. Die dortige Argumentation stehe in engem Zusammenhang mit dem Charakter des Kindergeldes als Komponente des dualen Systems des Familienlastenausgleichs. Die wirtschaftliche Belastung der Eltern solle teilweise ausgeglichen werden und diene damit der Einhaltung der in Art. 6 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG vorgegebenen Mindestvoraussetzungen, das Existenzminimum von Kindern steuerlich frei zu halten. Zur Zahlung des Erziehungsgeldes sei der Staat demgegenüber nicht verpflichtet. Das Landeserziehungsgeld könne ersatzlos wegfallen.

24

Außerdem sei die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit auch unter dem Gesichtspunkt der Gegenseitigkeit gerechtfertigt. Die Gegenseitigkeitsverbürgung sei eine Erscheinungsform des völkerrechtlichen Gegenseitigkeitsprinzips, das der Wahrnehmung eigener staatlicher Belange gegenüber anderen Staaten und der Verbesserung der Rechtsstellung deutscher Staatsbürger im Ausland diene. Die Bevorzugung von Deutschen bei der Erteilung von Leistungen im Vergleich zu ausländischen Staatsangehörigen, in deren Heimatländern Deutschen entsprechende Leistungen verwehrt blieben, sei gerechtfertigt. Andernfalls bestehe kein Anreiz für andere Staaten, Gegenseitigkeitsabkommen abzuschließen. Die Orientierung am Gegenseitigkeitsprinzip zeige sich auch darin, dass neben deutschen Staatsangehörigen auch Angehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum privilegiert würden. Denn gegenüber diesen Ländern bestünden völkerrechtliche Differenzierungsverbote.

25

2. Der 10. Senat des Bundessozialgerichts teilt mit, er habe die Vorschrift noch nicht angewandt. Das Sozialgericht München habe beachtliche verfassungsrechtliche Argumente vorgebracht. Das Grundgesetz verbiete zwar nicht generell Ungleichbehandlungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Diese gehöre auch nicht zu den in Art. 3 Abs. 3 GG verbotenen Differenzierungskriterien. Prüfungsmaßstab sei daher allein der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Rechtsprechung stets betont, dass Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehre und ihm insbesondere im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise ein weiter Gestaltungsspielraum zukomme. Für den Gesetzgeber ergäben sich allerdings aus dem allgemeinen Gleichheitssatz umso engere Grenzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken könne. Der im vorliegenden Fall zu berücksichtigende Schutz von Ehe und Familie durch Art. 6 Abs. 1 GG enthalte keine Beschränkung auf Deutsche. Da es sich bei dem Differenzierungskriterium der Staatsangehörigkeit um ein personenbezogenes Merkmal handele, sei eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung angezeigt.

26

Nach der Rechtsprechung des 10. Senats des Bundessozialgerichts gebe es zwischen dem Bundeserziehungsgeldgesetz und dem Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetz nach Voraussetzungen und Zweck keine Unterschiede von Gewicht. Es stelle sich deshalb vor allem die Frage, ob die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit ein geeignetes Kriterium sei, um den mit dem Bundeserziehungsgeld und dem zeitlich nachfolgenden Landeserziehungsgeld verfolgten Zweck zu erreichen, Eltern die eigene Betreuung ihrer Kinder durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder durch deren Einschränkung zu ermöglichen. Auf diesen Punkt bezögen sich in erster Linie die verfassungsrechtlichen Bedenken des vorlegenden Gerichts.

27

3. Der Deutsche Landkreistag hält die Argumentation des Sozialgerichts München für überzeugend. Fiskalische Ziele könnten die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen.

28

4. Auch der Deutsche Familiengerichtstag teilt die Bedenken des vorlegenden Gerichts. Zwar sei dem Gesetzgeber im Rahmen der gewährenden Staatstätigkeit ein weitreichender Gestaltungsspielraum zuzuerkennen. Staatlichem Handeln seien aber umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich eine Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken könne. Der gemäß Art. 6 GG gewährleistete Schutz von Ehe und Familie sei unabhängig von der Staatsangehörigkeit.

29

Die Staatsangehörigkeit sei ein gleichheitswidriger Gegenstand der Differenzierung. Das Kriterium diene nicht der Verfolgung des Ziels des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes, Eltern im Anschluss an die Förderung durch das Bundeserziehungsgeldgesetz ein weiteres Jahr die eigene Betreuung ihrer Kinder zu ermöglichen, ohne einer Berufstätigkeit nachgehen zu müssen. Das legitime Interesse des dauerhaften Aufenthalts werde durch die Vorwohnzeit sichergestellt. Für eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit bestehe kein sachlicher Grund. Das Merkmal sei damit ausgrenzend und diskriminierend.

30

Bei freiwilligen Leistungen wie dem Erziehungsgeld dürften fiskalische Interessen berücksichtigt werden. Trotzdem dürften Berechtigte nicht durch sachfremde Erwägungen von der Leistung ausgeschlossen werden. Könne der Gesetzgeber nur beschränkte Mittel einsetzen, stehe es ihm frei, die Leistung einzustellen, das Leistungsniveau abzusenken oder nicht diskriminierende Kriterien einzuführen.

31

Die Staatsangehörigkeit stelle sich als ein familienfeindliches und Kinder ungleich behandelndes Abgrenzungskriterium dar. Das Ziel der Regelung, eine Betreuung kleiner Kinder in der gemäß Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Familie sicherzustellen beziehungsweise die ökonomische Grundlage für die Entscheidung zugunsten einer Betreuung in der Familie zu schaffen, würde vielmehr durch die Voraussetzung der privilegierten Staatsangehörigkeit konterkariert. Eltern mit nicht privilegierter Staatsangehörigkeit müssten einer Erwerbstätigkeit nachgehen und könnten sich im Gegensatz zu anderen Eltern nicht der Familienarbeit widmen, obwohl ihre Familien ebenso unter dem Schutz des Art. 6 GG ständen. Auch die Kinder von Eltern mit und ohne privilegierte Staatsangehörigkeit würden entgegen Art. 3 GG durch das Bayerische Landeserziehungsgeldgesetz ungleich behandelt.

32

5. Der Deutsche Juristinnenbund schließt sich in seiner Stellungnahme der Auffassung des vorlegenden Gerichts an. Das Bayerische Landeserziehungsgeldgesetz sei eine Leistung zur Förderung von Familien. Dabei komme dem Gesetzgeber ein weiter Ermessensspielraum zu. Bei der Abgrenzung der Leistungsberechtigten dürfe aber nicht sachwidrig differenziert werden. Dies müsse nach dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG beurteilt werden. Prüfungsmaßstab bei Familienförderleistungen sei nicht das Willkürverbot, sondern das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Es sei zu prüfen, ob Gründe von solcher Art und solchem Gewicht vorlägen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten.

33

Der Deutsche Juristinnenbund erklärt, beim Landeserziehungsgeld handele es sich um eine unter dem Aspekt der Gestaltungsfreiheit von Familien und der Förderung von Gleichberechtigung insgesamt verfassungsrechtlich und rechtspolitisch fragwürdige Leistung. Der Gesetzgeber habe sich allerdings noch im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen gehalten. Mit der Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit habe der Freistaat Bayern diese Grenze jedoch überschritten. Eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit sei zwar nicht generell unzulässig. In Bezug auf die Einhaltung des Gleichheitssatzes im Rahmen der Gewährung von Erziehungsgeld sei jedoch der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 176) zu beachten. Das Gericht habe zum Bundeserziehungsgeldgesetz Grundsätze formuliert, die bezogen auf die familienpolitischen Zwecke des Erziehungsgeldes auch beim Landeserziehungsgeld eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit sachwidrig erscheinen ließen. Die Förderung der Entscheidung für Kinder, die Abmilderung finanzieller Nachteile und die Anerkennung der Betreuungsleistung betreffe Eltern unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits entschieden, dass die Zwecke des Erziehungsgeldes bei Ausländern mit Aufenthaltserlaubnis und Aufenthaltsberechtigung nicht weniger zur Geltung kommen als bei Deutschen oder Ausländern mit anderen Aufenthaltstiteln. Wenn das Bundesverfassungsgericht schon einen Ausschluss von Personen mit bestimmten Aufenthaltstiteln für unzulässig erachtet habe, müsse eine an der Staatsangehörigkeit orientierte Differenzierung erst recht unzulässig sein. Eine Bezugsberechtigung ausländischer Eltern sei sinnvoll und der Integration dienlich. Fiskalische Argumente könnten nicht überzeugen.

B.

34

Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG verstößt nicht gegen Art. 6 GG, ist jedoch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unvereinbar, weil er Personen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen, generell vom Anspruch auf Landeserziehungsgeld ausschließt.

I.

35

Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG verstößt nicht gegen Art. 6 GG.

36

Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG statuiert eine gesetzliche Bedingung des Anspruchs auf Landeserziehungsgeld. Die Vorschrift regelt damit die Voraussetzungen staatlicher Leistungsgewährung im Bereich der Familienförderung, greift jedoch nicht in die abwehrrechtlichen Verbürgungen des Familiengrundrechts, insbesondere des durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG speziell (vgl. BVerfGE 24, 119 <135>; 31, 194 <204>) geschützten Elternrechts ein.

37

Ob das durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG gewährleistete Recht der Eltern, ihr familiäres Leben nach ihren Vorstellungen zu planen und zu verwirklichen und insbesondere in ihrer Erziehungsverantwortung zu entscheiden, ob und in welchem Entwicklungsstadium das Kind überwiegend von einem Elternteil allein, von beiden Eltern in wechselseitiger Ergänzung oder von einem Dritten betreut werden soll (vgl. BVerfGE 99, 216 <231>), dadurch beeinträchtigt ist, dass eine finanzielle Förderung nur für den Fall der eigenen Betreuung durch ein Elternteil, nicht aber für andere von den Eltern gewählte Formen der Kinderbetreuung vorgesehen ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Dass Anspruch auf Landeserziehungsgeld nur hat, wer sein Kind selbst betreut und erzieht, ist in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayLErzGG geregelt und folgt nicht aus dem hier allein zur Prüfung gestellten Staatsangehörigkeitserfordernis des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG.

38

Die Regelung verletzt keine aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG abzuleitende Schutz- und Förderpflicht des Staats zugunsten der Familie. Ein Verstoß gegen Schutz- und Förderpflichten aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG käme nur in Betracht, wenn eine verfassungsrechtliche Pflicht des Freistaats Bayern bestünde, Familien durch die Gewährung von Erziehungsgeld zu fördern. Zwar umfasst der besondere Gewährleistungsgehalt der ausdrücklichen Schutzverpflichtung des Art. 6 Abs. 1 GG eine über die allgemeine grundrechtliche Schutzpflicht noch hinausgehende Förder- und Schutzpflicht des Staats für die Familie (vgl. auch BVerfGE 43, 108 <121>; 110, 412 <436>; 111, 160 <172>; Burgi, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz , Art. 6 Rn. 51). Die Art. 6 Abs. 1 GG als Generalnorm des Familienschutzes eigene, nicht auf Deutsche beschränkte (vgl. BVerfGE 111, 176 <184>) Schutz- und Förderdimension erstreckt sich auf das speziellere elterliche Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG). Aus dieser Schutz- und Förderpflicht ergibt sich die Aufgabe des Staats, die Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern durch geeignete wirtschaftliche Maßnahmen zu unterstützen und zu fördern (vgl. Jestaedt, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz , Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 21). Konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen lassen sich aus dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Gebot, die Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern zu unterstützen, jedoch nicht herleiten (vgl. BVerfGE 82, 60 <81 f.>; 87, 1 <36>; 107, 205 <213>; 110, 412 <445>). Insbesondere ist der Landesgesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, eine familienfördernde Leistung in Form eines Erziehungsgeldes zu gewähren.

II.

39

Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

40

1. a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 98, 365 <385>). Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 79, 1 <17>; 126, 400 <416> m.w.N.; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 76). Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerfGE 124, 199 <220>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77). Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72 <88>; 88, 87 <97>; 93, 386 <397>; 99, 367 <389>; 105, 73 <110>; 107, 27 <46>; 110, 412 <432>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77).

41

Diesen allgemeinen Grundsätzen folgt auch die verfassungsrechtliche Beurteilung einer Norm, die Ausländer im Vergleich zu Deutschen anders behandelt. Der allgemeine Gleichheitssatz garantiert "allen Menschen" die Gleichbehandlung vor dem Gesetz und steht damit auch Ausländern zu (BVerfGE 30, 409 <412>). Gleiches gilt für den hier angesichts des familienpolitischen Charakters des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes zu berücksichtigenden Schutz der Familie (vgl. BVerfGE 111, 160 <169>; 111, 176 <184> m.w.N.). Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber indessen nicht jede Ungleichbehandlung von Deutschen und Ausländern. Es ist dem Gesetzgeber nicht generell untersagt, nach der Staatsangehörigkeit zu differenzieren (vgl. BVerfGE 116, 243 <259>). Nach dem allgemeinen Gleichheitssatz bedarf es für die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit als Unterscheidungsmerkmal jedoch eines hinreichenden Sachgrundes. Dass die Staatsangehörigkeit kein generell unzulässiges Differenzierungsmerkmal ist, bedeutet nicht umgekehrt, dass eine grundlose Ungleichbehandlung von Ausländern und Deutschen vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand haben könnte (vgl. Gundel, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 198 Rn. 86; Rüfner, in: Bonner Kommentar zum GG, Bd. I , Art. 3 Abs. 1 Rn. 136; vgl. auch EGMR, Urteil vom 16. September 1996 - 17371/90 -, Rn. 42, Gaygusuz v. Österreich; Urteil vom 30. September 2003 - 40892/98 -, Rn. 46, Poirrez v. Frankreich). Die Entscheidung des Verfassungsgebers, den allgemeinen Gleichheitssatz als Menschenrecht auszugestalten, das nicht auf Deutsche beschränkt ist, liefe ansonsten ins Leere und verlöre damit ihren Sinn.

42

Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfGE 117, 1 <30>; 122, 1 <23>; 126, 400 <416> m.w.N.; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77). Dem Gesetzgeber kommt im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 99, 165 <178>; 106, 166 <175 f.>; 111, 176 <184>). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich allerdings aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 111, 176 <184>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 78). Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 78) oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 124, 199 <220>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 78).

43

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen reichen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die vorgelegte Regelung über das bloße Willkürverbot hinaus.

44

aa) Die verfassungsrechtlichen Anforderungen erschöpfen sich hier schon deshalb nicht im bloßen Willkürverbot, weil die Verwehrung von Erziehungsgeld das durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützte und nicht auf Deutsche beschränkte Elternrecht berührt (vgl. BVerfGE 111, 160 <169>; 111, 176 <184>). Auch wenn Art. 6 GG für sich genommen nicht verletzt ist (oben B. I.), ist das verfassungsrechtliche Elternrecht doch in seiner Schutz- und Förderdimension betroffen. Das Landeserziehungsgeld fördert eine bestimmte Form der Ausübung des Elternrechts, indem es die persönliche Betreuung des Kindes durch die Eltern unter Einschränkung ihrer Erwerbstätigkeit finanziell unterstützt. Mit der Verwehrung von Landeserziehungsgeld bleibt den Betroffenen dieses Element staatlicher Förderung des Elternrechts versagt. Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Ungleichbehandlung ist dies zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 111, 160 <169>; 111, 176 <184>), auch wenn sich daraus angesichts des freiwilligen Charakters der staatlichen Leistung noch keine besonders strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. November 2011 - 1 BvR 1853/11 -, juris Rn. 11).

45

bb) Eine Verschärfung der verfassungsrechtlichen Anforderungen gegenüber dem bloßen Willkürverbot folgt auch daraus, dass Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG mit der Staatsangehörigkeit an ein Merkmal anknüpft, das den antragstellenden Personen kaum verfügbar ist. Die Staatsangehörigkeit einer Person hängt grundsätzlich von der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern oder dem Ort ihrer Geburt und damit von Umständen ab, die sie nicht beeinflussen kann. Eine Änderung der Staatsangehörigkeit ist nur unter Voraussetzungen möglich, die wiederum nicht allein im Belieben der Betroffenen stehen (vgl. BVerfGE 111, 160 <169 f.>).

46

cc) Die Staatsangehörigkeit wird in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG trotz Ähnlichkeiten und Überschneidungen mit den dort genannten Merkmalen nicht als unzulässiges Differenzierungsmerkmal aufgeführt. Eine Unterscheidung anhand der Staatsangehörigkeit unterliegt darum nicht dem strengen Differenzierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 90, 27 <37>). Das schließt nicht aus, dass die Ungleichbehandlung ausländischer Staatsangehöriger in bestimmten Konstellationen hinsichtlich ihrer nachteiligen Auswirkungen auf die Betroffenen einer Unterscheidung nach den in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG genannten Merkmalen nahe kommt, so dass strenge verfassungsrechtliche Anforderungen an die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung zu stellen sind (vgl. Osterloh, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 3 Rn. 297; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl. 2011, Art. 3 Rn. 127; Gundel, a.a.O. Rn. 86; König/Peters, in: Grote/Marauhn, EMRK/GG, 2006, Kap. 21 Rn. 138; vgl. auch EGMR, a.a.O.). Wie weit dies der Fall ist, bedarf keiner Entscheidung, da die vorgelegte Regelung bereits weniger strenge verfassungsrechtliche Anforderungen verfehlt.

47

2. Die durch Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG bewirkte Ungleichbehandlung von Personen, die nicht eine der dort genannten Staatsangehörigkeiten besitzen, ist nach den vorgenannten Grundsätzen mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar, weil es der Regelung auch in Anerkennung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers an einem legitimen Zweck fehlt, der die Benachteiligung von ausländischen Staatsangehörigen tragen könnte und dem zu dienen die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG getroffene Unterscheidung geeignet wäre.

48

a) Der Ausschluss von Personen, die nicht über eine der in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG genannten Staatsangehörigkeiten verfügen, ist nicht durch die Zwecke des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes gerechtfertigt.

49

Die Gewährung von Erziehungsgeld zielt vor allem darauf, Eltern die eigene Betreuung ihres Kindes durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder durch deren Einschränkung zu ermöglichen und damit die frühkindliche Entwicklung zu fördern (BayLTDrucks 11/11033, S. 4). Zwar ist die wirtschaftliche Unterstützung der Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern angesichts des verfassungsrechtlichen Schutz- und Förderauftrags (Art. 6 Abs. 2 GG) ein legitimer Gesetzeszweck (oben B. I.), jedoch deckt dieser Zweck den in der vorgelegten Norm geregelten Leistungsausschluss nicht. Das Anliegen des Gesetzgebers, Eltern die persönliche Betreuung ihres Kindes zu ermöglichen und dadurch die frühkindliche Entwicklung zu fördern, kommt bei Ausländern und ihren Kindern auf gleiche Weise zum Tragen wie bei Deutschen. Der verfassungsrechtliche Schutz der Familie (Art. 6 GG) ist nicht auf Deutsche beschränkt.

50

Die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG vorgesehene Differenzierung dient auch nicht mittelbar der Verwirklichung des Gesetzeszwecks. Angesichts des Gesetzeszwecks wäre es verfassungsrechtlich zulässig, wenn der Leistungsbezug auf Personen beschränkt würde, die in Deutschland rechtmäßig erwerbstätig sein können. Der Gesetzgeber handelte im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG, wenn er jene Ausländer vom Erziehungsgeldbezug ausschlösse, die aus Rechtsgründen einer Erwerbstätigkeit ohnehin nicht nachgehen dürften. Die Gewährung einer Sozialleistung, die Eltern einen Anreiz zum Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit geben will, verfehlt ihr Ziel, wenn eine solche Erwerbstätigkeit demjenigen Elternteil, der zur Betreuung des Kindes bereit ist, rechtlich nicht erlaubt ist (vgl. BVerfGE 111, 176 <185 f.>). Die vorgelegte Regelung ist jedoch zur Erreichung dieses Ziels nicht geeignet. Die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit lässt noch weniger als die vom Bundesverfassungsgericht in den Beschlüssen vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 160 <174 f.>; 111, 176 <185 ff.>) beanstandete Anknüpfung an den Aufenthaltstitel Rückschlüsse darauf zu, ob eine Arbeitserlaubnis besteht oder nicht. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens war in Bayern rechtmäßig berufstätig, so dass ihr der Bezug von Landeserziehungsgeld einen Anreiz zur Einschränkung ihrer Berufstätigkeit zugunsten der Kinderbetreuung hätte bieten können.

51

b) Der Ausschluss von Personen, die weder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union noch die eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen, kann nicht mit dem Ziel gerechtfertigt werden, eine Förderung auf Personen zu begrenzen, die dauerhaft in Bayern leben werden. In bestimmten Konstellationen mag die voraussehbare Dauer des Aufenthalts von ausländischen Staatsangehörigen in Deutschland eine ungleiche Behandlung rechtfertigen (vgl. BVerfGE 111, 160 <174>; 111, 176 <184>), ohne dass allerdings das Fehlen eines dauerhaften Aufenthalts automatisch jede Differenzierung hinsichtlich der Gewährung von Sozialleistungen legitimieren könnte (vgl. BVerfGE 116, 229 <239 f.>). Das Kriterium der Staatsangehörigkeit ist hier jedoch weder darauf gerichtet noch ist es geeignet, den Personenkreis zu erfassen, der voraussichtlich dauerhaft in Bayern ansässig sein wird. Die Staatsangehörigkeit gibt noch weniger als die - vom Bundesverfassungsgericht auch insofern bereits für unzureichend erklärte (vgl. BVerfGE 111, 160 <174>; 111, 176 <185>) - Art des Aufenthaltstitels verlässlich Aufschluss darüber, ob eine Person dauerhaft in Bayern ansässig sein wird.

52

c) Der Ausschluss von Personen, die weder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union noch die eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen, kann nicht mit dem Ziel der Begünstigung sogenannter "Landeskinder" (vgl. BayVerfGH, a.a.O. Rn. 33) gerechtfertigt werden. Inwiefern eine Begünstigung von "Landeskindern" nach dem Grundgesetz zulässig ist, bedarf hier keiner Erörterung, da die vorgelegte Regelung nicht nach der Herkunft aus anderen Bundesländern, sondern nach der Staatsangehörigkeit unterscheidet und darum von vornherein nicht unter dem Gesichtspunkt der Förderung von "Landeskindern" gerechtfertigt werden kann. Anderes mag für die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG getroffene Regelung zur Vorwohnzeit in Bayern gelten (vgl. BayLTDrucks 11/11033, S. 5), die jedoch nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist.

53

d) Sofern der Landesgesetzgeber "Mitnahmeeffekte" verhindern wollte, die daraus resultieren könnten, dass sich Personen kurzfristig in Bayern niederlassen, um in den Genuss der bayerischen Erziehungsgeldregelung zu gelangen, wird dieses Ziel ebenfalls mit der Regelung zur Vorwohndauer (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG) erreicht (vgl. BayLTDrucks 11/11033, S. 5). Davon abgesehen wäre die Staatsangehörigkeit kein geeignetes Mittel zur Erreichung dieses Ziels, da sie, wie dargelegt, weder über die der Geburt vorausgegangene Aufenthaltszeit noch über die künftige Aufenthaltszeit in Bayern zuverlässig Aufschluss gibt.

54

e) Fiskalische Interessen können die Schlechterstellung durch Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nicht rechtfertigen. Soweit der Gesetzgeber eine Leistung freiwillig gewährt, darf er zwar durchaus berücksichtigen, welche finanziellen Mittel er angesichts der sonstigen Staatsaufgaben einsetzen kann (vgl. BVerfGE 102, 254 <303>). Finanzpolitische Belange dürfen aber nur dergestalt zur Geltung kommen, dass Berechtigte, die die Voraussetzungen eines Leistungsbezugs gleichermaßen erfüllen wie andere, nicht aufgrund sachfremder Differenzierung von der Leistung ausgeschlossen werden. Die bloße Absicht, das Leistungsvolumen zum Zwecke der Reduzierung staatlicher Ausgaben zu verringern, genügt für sich genommen nicht, um eine differenzierende Behandlung verschiedener Personengruppen zu rechtfertigen (vgl. BVerfGE 87, 1 <46> m.w.N. sowie BVerfGE 19, 76 <84 f.>; 76, 256 <311>; 93, 386 <402>; 107, 218 <253>; 122, 210 <233>). Ansonsten liefe das allgemeine Gleichbehandlungsgebot im Bereich staatlicher Geldleistungen leer, da sich der Gesetzgeber zur Begründung von Ungleichheiten stets auf die Absicht berufen könnte, staatliche Ausgaben durch Teileinsparungen verringern zu wollen (vgl. BVerfGE 121, 241 <258>). Staatliche Ausgaben zu vermeiden, ist ein legitimer Zweck, der jedoch eine Ungleichbehandlung von Personengruppen nicht zu rechtfertigen vermag. Ist ein darüber hinausgehender sachlicher Differenzierungsgrund nicht vorhanden, muss der Gesetzgeber finanzpolitischen Belangen durch eine Beschränkung der Leistungshöhe oder der Bezugsdauer für alle Berechtigten Rechnung tragen.

55

f) Schließlich kann die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit nicht mit dem völkerrechtlichen Prinzip der Gegenseitigkeit gerechtfertigt werden. Danach müssen ausländischen Staatsangehörigen in einem Staat bestimmte Vorteile nur dann eingeräumt werden, wenn die Staatsangehörigen des Gaststaats im jeweiligen Heimatstaat ebensolche Vorteile beanspruchen könnten. Dass ausländischen Staatsangehörigen Leistungen vorenthalten werden, die den eigenen Staatsangehörigen gewährt werden, kann etwa dem Ziel dienen, andere Staaten zu beeinflussen, internationalen Verträgen beizutreten oder Gegenseitigkeitsabkommen abzuschließen, welche Deutschen im Ausland einen erhöhten Schutz gewähren. Die im Falle fehlender Gegenseitigkeit gezielt herbeigeführte Benachteiligung Angehöriger der betroffenen Staaten kann unter Umständen verfassungsrechtlich hinzunehmen sein (vgl. BVerfGE 51, 1 <24>; 81, 208 <224>). Näherer Überprüfung bedürfte allerdings die Frage, inwiefern sich angesichts der Bundeskompetenz für die auswärtigen Beziehungen nach Art. 32 Abs. 1 GG auch ein Landesgesetzgeber im Verhältnis zu anderen Staaten auf den Gesichtspunkt der Gegenseitigkeit berufen kann.

56

Die vorgelegte Regelung kann jedoch schon deshalb nicht mit dem Prinzip der Gegenseitigkeit gerechtfertigt werden, weil Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nicht anhand der gegenseitigen Verbürgung entsprechender Leistungen unterscheidet (vgl. BayVerfGH, a.a.O. Rn. 36). Die vorgelegte Regelung stellt nicht auf die konkrete Gegenseitigkeit ab, sondern verlangt die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. Möglicherweise bestehende Abkommen mit anderen Ländern werden ebenso wenig berücksichtigt wie die von einem Abkommen unabhängige Gewährung entsprechender Leistungen durch andere Staaten. Damit ist eine Prüfung der konkreten Gegenseitigkeitsvoraussetzungen im jeweiligen Leistungsfall nicht möglich. Selbst für den Fall, dass zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen vor deren Beitritt zur Europäischen Union ein Gegenseitigkeitsabkommen bestanden oder Polen davon unabhängig entsprechende Leistungen an Deutsche gewährt haben sollte, hätte dies bei der Vergabe von Landeserziehungsgeld nicht berücksichtigt werden können. Lässt eine Regelung keinen Raum zur Prüfung der konkreten Gegenseitigkeitsvoraussetzungen, schließt dies aber von vornherein aus, dass sie unter dem Gesichtspunkt völkerrechtlicher Gegenseitigkeit vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand haben könnte (vgl. BVerfGE 51, 1 <25>; 81, 208 <224>).

57

g) Sonstige Zwecke, die die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG getroffene Unterscheidung tragen könnten, sind nicht ersichtlich.

C.

I.

58

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 82 Abs. 1 i.V.m. § 78 Satz 1 BVerfGG). Da dem Gesetzgeber hier aber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen, kommt nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht (vgl. BVerfGE 84, 168 <186 f.>; 92, 158 <186>). So könnte der Gesetzgeber auf die Voraussetzung der Staatsangehörigkeit ersatzlos verzichten. Er könnte aber auch eine Regelung schaffen, die an die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit anknüpft (vgl. BVerfGE 111, 176 <189>). Der Gesetzgeber kann sich zudem dafür entscheiden, künftig gar kein oder allgemein ein geringeres Landeserziehungsgeld zu gewähren. Hinsichtlich der vor Inkrafttreten einer solchen Neuregelung anhängig gemachten Verfahren ist ihm dieser Weg indes versperrt, da jene Eltern, die die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG erfüllen, Elterngeld bereits aufgrund bestands- beziehungsweise rechtskräftig abgeschlossener Verfahren erhalten haben oder haben werden, das ihnen nicht rückwirkend genommen werden kann. Die nachträgliche Abschaffung des Landeserziehungsgeldes benachteiligte damit erneut in gleichheitswidriger Weise diejenigen, die die mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nicht erfüllen.

II.

59

Entsprechend § 78 Satz 2 BVerfGG sind im Interesse der Rechtsklarheit auch die Nachfolgevorschriften in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom 26. März 2001 (GVBl S. 76), in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. April 2004 (GVBl S. 133) und in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Neuordnung des Bayerischen Landeserziehungsgeldes vom 9. Juli 2007 (GVBl S. 442), die keine inhaltliche Änderung gegenüber Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG 1995 aufweisen, für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar zu erklären (vgl. BVerfGE 92, 53 <73>; 94, 241 <265 f.>, jeweils m.w.N.).

III.

60

Bescheide, die im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung bereits bestandskräftig sind, bleiben von ihr unberührt. Dies entspricht dem Grundgedanken des § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, der auch zur Anwendung kommt, wenn das Bundesverfassungsgericht eine Vorschrift für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt (vgl. BVerfGE 81, 363 <384>). Es bleibt dem Gesetzgeber unbenommen, im Zusammenhang mit dem Gegenstand der vorliegenden Entscheidung eine andere Regelung zu treffen (vgl. BVerfGE 94, 241 <266 f.>; 111, 115 <146>).

IV.

61

Für den Erlass einer Neuregelung bleibt dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31. August 2012. Kommt es bis zu diesem Zeitpunkt zu keiner verfassungsgemäßen Neuregelung, tritt Nichtigkeit der beanstandeten Vorschriften ein (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>).

V.

62

Noch nicht rechts- oder bestandskräftig abgeschlossene Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen der Gewährung von Landeserziehungsgeld lediglich die Staatsangehörigkeit der Antragstellenden entgegensteht, bleiben ausgesetzt oder sind auszusetzen (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>; 116, 96 <135>) bis der Gesetzgeber die verfassungswidrige Norm durch eine Neuregelung ersetzt hat (vgl. BVerfGE 28, 324 <363>; 111, 160 <176>), oder entsprechend C. IV. Nichtigkeit eintritt (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>).

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Das Betriebspersonal, das im Fahrdienst oder zur Bedienung von Fahrgästen eingesetzt ist, hat sich rücksichtsvoll und besonnen zu verhalten.

(2) Im Obusverkehr sowie im Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen nach § 42 PBefG ist die nächste Haltestelle rechtzeitig anzukündigen.

(2a) Im Verkehr mit Kraftomnibussen hat der Fahrzeugführer dafür zu sorgen, daß den Fahrgästen durch Informationseinrichtungen (§ 21 Abs. 2) angezeigt wird, wann Sicherheitsgurte anzulegen sind. Vor Fahrtantritt hat der Fahrzeugführer die Fahrgäste auf die Pflicht zum Anlegen von Sicherheitsgurten hinzuweisen, soweit eine solche Pflicht besteht.

(3) Im Obusverkehr sowie im Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen ist dem im Fahrdienst eingesetzten Betriebspersonal untersagt,

1.
während des Dienstes und der Dienstbereitschaft alkoholische Getränke oder andere die dienstliche Tätigkeit beeinträchtigende Mittel zu sich zu nehmen oder die Fahrt anzutreten, obwohl es unter der Wirkung solcher Getränke oder Mittel steht,
2.
(weggefallen)
3.
beim Lenken des Fahrzeugs Fernsehrundfunkempfänger zu benutzen,
4.
während der Beförderung von Fahrgästen Übertragungsanlagen, Tonrundfunkempfänger oder Tonwiedergabegeräte zu anderen als betrieblichen oder Verkehrsfunk-Hinweisen zu benutzen,
5.
sich beim Lenken des Fahrzeugs zu unterhalten.

(4) Im Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen finden die Vorschriften des Absatzes 3 Nr. 1, 3 und 5 entsprechende Anwendung.

(5) Im Taxen- und Mietwagenverkehr sowie im sonstigen Gelegenheitsverkehr mit Personenkraftwagen finden die Vorschriften des Absatzes 3 Nr. 1 und 3 entsprechende Anwendung.

Tenor

§ 8b Absatz 3 Satz 1 und Absatz 5 Satz 1 des Körperschaft-steuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 2003 (Bundesgesetzblatt I Seite 2840) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

Gründe

A.

1

Die Vorlage betrifft die Frage, ob die seit dem Jahr 2004 in § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) vorgesehene feste Hinzurechnung von 5% des Veräußerungsgewinns und der Bezüge aus Unternehmensbeteiligungen zu den Einkünften einer Körperschaft wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig ist.

I.

2

§ 8b KStG regelt die steuerliche Behandlung der Erträge von Körperschaften aus Beteiligungen an anderen Körperschaften (Bezüge und Veräußerungsgewinne) und der mit diesen Erträgen zusammenhängenden Aufwendungen und Gewinnminderungen. Nach § 8b Abs. 1 und 2 KStG sind die Erträge aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften grundsätzlich bei der Einkommensermittlung der empfangenden Gesellschaft "außer Ansatz" zu lassen. Hierdurch wird zur Vermeidung von wirtschaftlichen Doppelbelastungen die Steuerfreiheit von Gewinnausschüttungen und Veräußerungsgewinnen sichergestellt, solange die Erträge im Bereich von Kapitalgesellschaften verbleiben. § 8b Abs. 1 KStG stellt zu diesem Zweck sämtliche Bezüge bei der empfangenden Kapitalgesellschaft steuerfrei, die diese von einer anderen Kapitalgesellschaft erhalten hat. Ein Abzug der mit der Beteiligung zusammenhängenden Betriebsausgaben bleibt möglich. Von den steuerfreien Beteiligungserträgen werden allerdings 5% fiktiv als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben behandelt (§ 8b Abs. 5 Satz 1 KStG). Dies geschieht in der Weise, dass 5% der in der Bilanz erfassten steuerfreien Bezüge außerhalb der Bilanz dem zu versteuernden Einkommen steuererhöhend hinzugerechnet werden. Neben Bezügen stellt § 8b Abs. 2 KStG auch Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften steuerfrei. Ein Abzug der mit der Veräußerung zusammenhängenden Veräußerungskosten bleibt ebenfalls möglich. Auch hier erfolgt eine pauschale Hinzurechnung von 5% des jeweiligen Veräußerungsgewinns als nicht abziehbare Betriebsausgaben (§ 8b Abs. 3 Satz 1 KStG). Auf die Höhe der tatsächlich entstandenen Betriebsausgaben, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, kommt es für die Hinzurechnung der 5% des Veräußerungsgewinns und der Bezüge nicht an. Eine außerbilanzielle Zurechnung ist nach § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG auch dann vorzunehmen, wenn für die Beteiligung keine oder nur geringere Betriebsausgaben angefallen sind.

3

§ 8b KStG in der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 2003 (BGBl I S. 2840) lautet wie folgt:

4

§ 8b

5

Beteiligung an anderen Körperschaften und Personenvereinigungen

6

(1) 1 Bezüge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes bleiben bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz. 2 Bezüge im Sinne des Satzes 1 sind auch Einnahmen aus der Veräußerung von Dividendenscheinen und sonstigen Ansprüchen im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes sowie Einnahmen aus der Abtretung von Dividendenansprüchen oder sonstigen Ansprüchen im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes.

7

(2) 1 Bei der Ermittlung des Einkommens bleiben Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft oder Personenvereinigung, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes gehören, oder an einer Organgesellschaft im Sinne der §§ 14, 17 oder 18 außer Ansatz. 2 Veräußerungsgewinn im Sinne des Satzes 1 ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis oder der an dessen Stelle tretende Wert nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert übersteigt, der sich nach den Vorschriften über die steuerliche Gewinnermittlung im Zeitpunkt der Veräußerung ergibt (Buchwert). 3 Satz 1 gilt entsprechend für Gewinne aus der Auflösung oder der Herabsetzung des Nennkapitals oder aus dem Ansatz des in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes bezeichneten Werts sowie Gewinne im Sinne des § 21 Abs. 2 des Umwandlungssteuergesetzes. 4 Die Sätze 1 und 3 gelten nicht, soweit der Anteil in früheren Jahren steuerwirksam auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben und die Gewinnminderung nicht durch den Ansatz eines höheren Werts ausgeglichen worden ist. 5 Veräußerung im vorstehenden Sinne ist auch die verdeckte Einlage.

8

(3) 1 Von dem jeweiligen Gewinn im Sinne des Absatzes 2 Satz 1, 3 und 5 gelten 5 Prozent als Ausgaben, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen. 2 § 3c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes ist nicht anzuwenden. 3 Gewinnminderungen, die im Zusammenhang mit dem in Absatz 2 genannten Anteil entstehen, sind bei der Ermittlung des Einkommens nicht zu berücksichtigen.

9

(…)

10

(5) 1 Von den Bezügen im Sinne des Absatzes 1, die bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleiben, gelten 5 Prozent als Ausgaben, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen. 2 § 3c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes ist nicht anzuwenden.

11

(…)

12

Von Einfluss auf die Ausgestaltung der Vorschrift, insbesondere auf die Fassung der Regelungen über die Ausgabenabzugsverbote in § 8b Abs. 3 und Abs. 5 KStG, war von Anfang an Art. 4 der Richtlinie des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (Richtlinie 90/435/EWG vom 23. Juli 1990, ABl EG Nr. L 225/6-9 - Mutter-Tochter-Richtlinie). Während Art. 4 Abs. 1 der Mutter-Tochter-Richtlinie den Mitgliedstaaten ein Wahlrecht einräumt, ob sie Gewinnausschüttungen von der Tochter- an die Muttergesellschaft steuerfrei stellen oder insoweit ein Anrechnungsverfahren vorsehen, gestattet Art. 4 Abs. 2 ihnen, ein Abzugsverbot für Beteiligungsaufwendungen zu bestimmen (Satz 1) und in diesem Fall die mit einer Beteiligung zusammenhängenden Verwaltungskosten pauschal mit 5% der von der Tochtergesellschaft ausgeschütteten Gewinne festzusetzen (Satz 2).

II.

13

§ 8b KStG ist Teil des so genannten Halbeinkünfteverfahrens, das im Jahr 2001 das bis dahin im Körperschaftsteuerrecht geltende Anrechnungsverfahren (näher dazu vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. November 2009 - 1 BvR 2192/05 -, DStR 2010, S. 434) abgelöst hat. Vor Geltung des Anrechnungsverfahrens erfolgte die Besteuerung der Körperschaften seit 1953 im "klassischen System" der Doppelbelastung von Körperschaften und Anteilseignern, das durch einen gespaltenen Tarif zwischen Ausschüttungs- und Regelsteuersatz gemildert war (vgl. dazu Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 11 Rn. 8).

14

Das für das Vorlageverfahren maßgebliche Halbeinkünfteverfahren will eine Doppelbelastung auf der Körperschaftsebene erwirtschafteter Gewinne durch Körperschaftsteuer und Einkommensteuer bei der Ausschüttung an den Gesellschafter in pauschaler Form durch eine Entlastung sowohl auf der Körperschaftsebene als auch auf der Ebene der Anteilseigner vermeiden (vgl. dazu allgemein Alvermann, in: Streck, KStG, 7. Aufl. 2008, Beratungs-ABC, Stichwort "Halbeinkünfteverfahren", Rn. 1). Dies geschieht dadurch, dass Gewinne auf der Ebene der Körperschaft einem im Vergleich zum Einkommensteuertarif ermäßigten Steuersatz unterliegen (erste Halbbelastung) und die Dividendeneinkünfte beim Gesellschafter nur zur Hälfte erfasst werden (zweite Halbbelastung; vgl. Lambrecht, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 1 Rn. 25). Die Gewinne der Körperschaft werden im Halb-einkünfteverfahren auf der Ebene der Gesellschaft definitiv, das heißt ohne Anrechnung beim Gesellschafter, mit einem einheitlichen Körperschaftsteuersatz von 25% belastet. Die Veräußerung der Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer anderen Kapitalgesellschaft wird steuerfrei gestellt (§ 8b Abs. 2 KStG). Damit soll die Realisierung der bei der Körperschaft vorhandenen stillen Reserven gleichhoch besteuert werden unabhängig davon, ob diese Reserven dem Anteilseigner über eine Gewinnausschüttung (§ 8b Abs. 1 KStG) oder über die Veräußerung der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft (§ 8b Abs. 2 KStG) zufließen (vgl. Menck, in: Blümich, KStG, § 8b Rn. 21 ). Bei dem abzüglich der Körperschaftsteuerbelastung von 25% (Bardividende) an den Anteilseigner ausgeschütteten und nach § 3 Nr. 40 Buchstabe d Einkommensteuergesetz (EStG) mit dem halben Betrag versteuerten Gewinn können auch die Werbungskosten gemäß § 3c Abs. 2 EStG nur noch zur Hälfte berücksichtigt werden.

15

Das System des Halbeinkünfteverfahrens strebt danach eine Abstimmung der Besteuerung in der Sphäre der Kapitalgesellschaft und bei der natürlichen Person als Gesellschafter in der Weise an, dass die kumulierte Belastung der ausgekehrten Gewinne mit einer Körperschaftsteuer von 25% (erste Halbbelastung) und der hälftigen Belastung mit Einkommensteuer beim Gesellschafter  , wenn dieser eine natürliche Person ist (zweite Halbbelastung), im Ergebnis zu einer vollen Belastung führt. Diese Ertragsteuerbelastung ausgeschütteter Gewinne soll typisierend und generalisierend im Ergebnis der Steuerbelastung anderer Einkünfte entsprechen (BTDrucks 14/2683, S. 94). Die Regelung des § 8b KStG als allgemeine Freistellung von Dividendenerträgen und Veräußerungsgewinnen hat in diesem Zusammenhang zum Ziel, dass es in Beteiligungsketten bei einer einmaligen Körperschaftsteuerbelastung in Höhe des jeweiligen Körperschaftsteuersatzes bleibt, bis der Gewinn die Ebene der Körperschaft verlässt und an eine natürliche Person ausgeschüttet wird. Die Vorschrift wirkt über § 7 Gewerbesteuergesetz (GewStG) auch in das Gewerbesteuerrecht hinein. Die Steuerfreistellungen des § 8b KStG gelten daher auch im Rahmen der Ermittlung des Gewerbeertrags (vgl. Dötsch/Franzen/Sädtler/Sell/Zenthöfer, Körperschaftsteuer, 15. Aufl. 2009, S. 248).

III.

16

1. § 8b KStG wurde durch das Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Bedingungen des Wirtschaftsstandorts Deutschland im Europäischen Binnenmarkt (Standortsicherungsgesetz - StandOG) vom 13. September 1993 (BGBl I S. 1569) in das Körperschaftsteuergesetz mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1994 eingefügt. § 8b Abs. 1 KStG ermöglichte es, aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens steuerfrei bezogene ausländische Einkünfte an eine inländische Muttergesellschaft steuerfrei weiterzuleiten. § 8b Abs. 2 KStG regelte unter bestimmten Bedingungen die Steuerfreiheit der Veräußerung von ausländischen Beteiligungen. Für die Berücksichtigung von Finanzierungskosten und sonstigen Betriebsausgaben galt über § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG allerdings der in § 3c EStG niedergelegte allgemeine Grundsatz, dass Aufwendungen zur Erzielung steuerfreier Einnahmen nicht steuermindernd abgezogen werden durften. Ziel der Neuregelung war es, die Bundesrepublik als Standort für Holdinggesellschaften attraktiver zu machen (vgl. BRDrucks 1/93, S. 26; Müller-Gatermann, FR 1993, S. 381 <383>).

17

2. Die Anwendung des § 3c EStG im Zusammenhang mit § 8b KStG - steuerfreie ausländische Einnahmen, dafür aber kein Abzug von Betriebsausgaben - führte in der Praxis zu Schwierigkeiten. Der Bundesfinanzhof verstand den für das Abzugsverbot von § 3c Abs. 1 EStG geforderten "unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang" zwischen Betriebsausgaben oder Werbungskosten und steuerfreien Einnahmen dergestalt, dass die Nichtabziehbarkeit von Betriebsausgaben für ausländische Beteiligungen der Höhe nach auf die im Veranlagungszeitraum empfangenen Gewinnausschüttungen begrenzt sein solle (vgl. BFHE 180, 410 <413 f.>; 180, 415 <419 ff.>; 180, 422 <428 ff.>; dazu auch Krebühl, DB 1994, S. 496 <498>).

18

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung wurden in der Unternehmenspraxis zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten entwickelt, um trotz Steuerfreiheit der ausgeschütteten Dividenden und Veräußerungsgewinne den Betriebsausgabenabzug unter anderem für Finanzierungsaufwendungen zu erhalten. So wurden teilweise die Ausschüttungen künstlich gering gehalten, um in der übersteigenden Höhe den Betriebsausgabenabzug geltend machen zu können. Um dem Abzugsverbot zu entgehen, gingen Konzerne auch dazu über, die gesamten Beteiligungs- und sonstigen Finanzierungsbedürfnisse über einen konzerninternen Finanzierungspool abzuwickeln. Bezogen auf die einzelne Beteiligung ließ sich ein unmittelbarer Zusammenhang mit einer bestimmten Auslandsbeteiligung dann nicht mehr feststellen (vgl. Frotscher, DStR 2001, S. 2045 <2049 f.>; Michaelis, Die territoriale Zuordnung von Beteiligungsaufwand im Europäischen Unternehmenssteuerrecht, 2006, S. 34; Utescher/Blaufus, DStR 2000, S. 1581 <1586>).

19

Geläufig waren auch "Ballooning"-Gestaltungen. Dabei wurden die Dividendenausschüttungen so gesteuert, dass in verschiedenen Veranlagungszeiträumen keine Ausschüttungen stattfanden und die einbehaltenen Gewinne stattdessen gesammelt in einem Veranlagungszeitraum zur Ausschüttung gelangten. Dadurch entstanden in den Veranlagungszeiträumen ohne Dividendenausschüttungen keine steuerfreien Einnahmen, so dass auch die mit der Beteiligung in Zusammenhang stehenden Kosten nicht nach § 3c Abs. 1 EStG vom Abzug ausgeschlossen waren. Lediglich in dem Jahr, in dem die Dividendenausschüttung konzentriert erfolgte, waren die mit diesen Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Aufwendungen nicht abzugsfähig (vgl. Köllen/Vogl/Wagner, Lehrbuch Körperschaftsteuer, 2008, Rn. 714; Utescher/Blaufus, a.a.O., S. 1586). Vor allem finanzstarke Unternehmen machten vom "Ballooning" Gebrauch, indem Tochtergesellschaften so lange keine Gewinne ausschütteten, bis der zur Finanzierung des Beteiligungserwerbs aufgenommene Kredit zurückgezahlt war. Die Vorteile des "Ballooning" wurden in der Beratungspraxis noch weiter optimiert. So ließ sich in gleicher Weise die Abzugsfähigkeit der Betriebsausgaben sicherstellen, indem die Gewinne der ausländischen Gesellschaft zunächst einbehalten wurden und anschließend die Beteiligung mitsamt den in ihr belassenen Gewinnen zu einem höheren Preis veräußert wurde (vgl. Frotscher, a.a.O., S. 2049; Michaelis, a.a.O., S. 35). Da während der Beteiligungsdauer keine Gewinne ausgeschüttet wurden, waren derweil die Finanzierungsaufwendungen in voller Höhe abziehbar. Zudem bot es sich an, die Veräußerung lediglich konzernintern von einer Konzerngesellschaft an eine andere vorzunehmen, so dass die aufgewandten Gelder letztlich im Konzern verblieben (so Günkel/Hörger/Thöm- mes, DStR 1999, S. 1873 <1890>).

20

Schließlich wurden zur Erhaltung des Betriebsausgabenabzugs für Finanzierungsaufwendungen für Tochtergesellschaften auch (in- oder ausländische) Zwischengesellschaften geschaffen. Bei dieser Gestaltungsmaßnahme wurden die (steuerfreien) Dividenden und die Beteiligungsaufwendungen verschiedenen Rechtsträgern zugeordnet, um den unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang im Sinne von § 3c Abs. 1 EStG auszuschalten (vgl. Günkel/Hörger/Thömmes, a.a.O., S. 1890; Michaelis, a.a.O., S. 34; Prinz, in: Schaumburg , Unternehmenskauf im Steuerrecht, 2. Aufl. 2000, S. 271 f.).

21

3. Der Gesetzgeber reagierte auf diese Gestaltungen mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I S. 402). Zunächst war beabsichtigt, durch Änderung des § 3c Abs. 1 EStG klarzustellen, dass für das Abzugsverbot ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Beteiligungsaufwendungen und Dividendenausschüttungen nicht erforderlich sei. Damit sollte der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und dem darauf beruhenden Finanzierungspooling und "Ballooning" entgegengetreten werden (vgl. BTDrucks 14/23, S. 168). Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wurde dann jedoch aus systematischen Gründen nicht § 3c EStG, sondern § 8b KStG geändert (vgl. BTDrucks 14/443, S. 21). So wurde mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 an § 8b KStG ein neuer Absatz 7 angefügt. In ihm wurde für die Anwendung des § 3c EStG fingiert, dass 15% der aus einer ausländischen Gesellschaft stammenden, von der Körperschaftsteuer befreiten Gewinnausschüttung nicht abziehbare Betriebsausgaben darstellen. Im Übrigen sollten Betriebsausgaben unbeschränkt abziehbar sein. Die Regelung wollte den Vorteil ausgleichen, der darin bestand, dass Aufwendungen als steuerlich abzugsfähig behandelt wurden, obwohl die damit zusammenhängenden Einnahmen steuerfrei waren. Zudem sollten die Schwierigkeiten der Zuordnung von Fremdfinanzierungsaufwendungen zu bestimmten ausländischen Beteiligungen, die letztlich zur Abzugsfähigkeit der Finanzierungsaufwendungen führten, vermieden und die Regelung besser handhabbar gemacht werden (vgl. BTDrucks 14/443, S. 36; Seip/Krause, BB 1999, S. 713 <714>).

22

4. Noch bevor § 8b Abs. 7 KStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 zur Anwendung kommen konnte, wurde die Vorschrift durch das Gesetz zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften (Steuerbereinigungsgesetz 1999 - StBereinG 1999) vom 22. Dezember 1999 (BGBl I S. 2601) rückwirkend zum 1. Januar 1999 geändert. Statt der vorgesehenen Fiktion von 15% der steuerfreien Auslandsdividenden als nicht abziehbare Betriebsausgaben wurde nunmehr "zur Abwendung von Standortnachteilen" (vgl. BTDrucks 14/1514, S. 33) sowie zur Anpassung auf den in der Mutter-Tochter-Richtlinie enthaltenen Satz das pauschale Abzugsverbot für Betriebsausgaben im Zusammenhang mit steuerfreien ausländischen Schachteldividenden auf 5% reduziert. § 3c EStG sollte nach den Vorstellungen des Gesetzgebers daneben keine Anwendung mehr finden (vgl. BTDrucks 14/1514, S. 33 sowie Watermeyer, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG/KStG, § 8b KStG, Rn. 3 ). Über die Pauschale hinausgehender Aufwand konnte danach in voller Höhe steuermindernd geltend gemacht werden.

23

Mit § 8b Abs. 7 KStG schuf der Gesetzgeber zur Vermeidung der für unbillig gehaltenen, ansonsten geltenden Rechtsfolge, dass der Abzug von Aufwendungen trotz Nichtbesteuerung der Erträge möglich wäre, erstmals die Fiktion einer steuerlich nicht abziehbaren Betriebsausgabe in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der steuerfreien Einnahmen. Auf diese Weise wurde in Höhe der Fiktion das zu versteuernde Einkommen der Körperschaft wieder erhöht (vgl. Kerssenbrock, BB 2003, S. 2148 <2149>).

24

5.Auch diese Neuregelung wurde von den Steuerpflichtigen wiederum zu Gestaltungs- und Umgehungsmaßnahmen genutzt (vgl. Günkel/Hörger/Thömmes, a.a.O., S. 1890; Prinz, a.a.O., S. 275; Seip/Krause, a.a.O., S. 717). Das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz - StSenkG) vom 23. Oktober 2000 (BGBl I S. 1433) fasste die Vorschrift des § 8b KStG daraufhin neu. Sie stellt seitdem in- und ausländische Beteiligungserträge steuerfrei. Die Vorschrift ist damit Folge der mit Einführung des Halbeinkünfteverfahrens gebotenen Systementscheidung, die Durchleitung von Dividenden in einer Gesellschaftskette steuerfrei zu stellen, um die nur "hälftige" Besteuerung auf der Ebene der Körperschaft sicherzustellen (vgl. Gosch, in: KStG, 2. Aufl. 2009, § 8b Rn. 1).

25

Hinsichtlich der Abziehbarkeit von laufenden Beteiligungsaufwendungen bestand aber weiterhin ein Unterschied zwischen inländischen und ausländischen Beteiligungen. Aufwendungen für inländische Beteiligungen fielen nach herrschender Auffassung weiterhin unter das Abzugsverbot des § 3c EStG (h.M., vgl. u.a. Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 26. August 2003 - IV A 2-S 2770-18/03 -, BStBl I, S. 437, Rn. 23; Breuninger, Steuerberater-Jahrbuch 2002/2003, S. 333 <343>; Jakobs/Wittmann, GmbHR 2000, S. 910 <914>, S. 1015; Thiel, DB 2002, S. 1340; Watermeyer, a.a.O., Rn. 130 ). Für ausländische Anteile galt nach § 8b Abs. 5 KStG, der dem früheren § 8b Abs. 7 KStG entsprach, die Betriebsausgabenpauschalierung in Höhe von 5%. Beteiligungsaufwendungen waren hier daher abziehbar (vgl. Köllen/Vogl/Wagner, a.a.O., Rn. 712).

26

Allerdings war im Einzelnen umstritten, ob Finanzierungsaufwendungen und Veräußerungskosten im Zusammenhang mit den nach § 8b KStG befreiten inländischen Beteiligungseinkünften abgezogen werden konnten oder ob das Abzugsverbot des § 3c Abs. 1 EStG eingriff (vgl. u.a. Beinert/Mikus, DB 2002, S. 1467 <1467 f.>; Breuninger, a.a.O., S. 343; Desens, Das Halbeinkünfteverfahren, 2004, S. 261 ff.; Herzig, DB 2003, S. 1459 ff.; Eilers/Wienands, GmbHR 2000, S. 957 <961 f.>; Hundsdoerfer, BB 2001, S. 2242 ff.; Menck, a.a.O., Rn. 56 ff. ; Münch, Die Abziehbarkeit von Finanzierungskosten im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 2006, S. 174 ff.; Rödder/Schumacher, DStR 2000, S. 353 <357>; Schön, FR 2001, S. 381 <381, 384 f.>). Nach herrschender - aber in vielen Einzelpunkten umstrittener - Auffassung war im Fall des § 8b Abs. 1 KStG (Dividenden) die Vorschrift des § 3c Abs. 1 EStG anwendbar. Laufende Finanzierungsaufwendungen konnten daher nicht steuerwirksam abgezogen werden, soweit sie mit steuerbefreiten Inlandsdividenden in "unmittelbarem Zusammenhang" standen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs erfasste das Abzugsverbot aber nur die Aufwendungen bis zur Höhe der in einem Veranlagungszeitraum tatsächlich zufließenden Dividenden (vgl. BFHE 180, 410 <413 f.>; 180, 415 <419 ff.>; 180, 422 <428 ff.>). Aufwendungen wie Fremdfinanzierungskosten waren daher abziehbar, soweit sie die steuerbefreiten Bezüge überstiegen. Veräußerungskosten bei der Veräußerung von Anteilen waren bei der Ermittlung des nach § 8b Abs. 2 KStG (außerhalb der Bilanz) steuerbefreiten Veräußerungsgewinns zu berücksichtigen.

27

6. Schon im Jahr 2001 gab es von Seiten der Bundesregierung eine erste Initiative mit dem Ziel, eine Neuregelung des Abzugs von Beteiligungsaufwendungen von Körperschaften als Anteilseigner herbeizuführen. Im Anschluss an einen Regierungsbericht, der auf die Mängel der bestehenden Rechtslage wie zum Beispiel die Möglichkeit des "Balloonings" oder die Verlagerung von Finanzierungsaufwendungen hingewiesen hatte (vgl. Bericht der Bundesregierung zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vom 8. Juni 2001, Beilage zur FR 11/2001, S. 22), wurde mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts (Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz - UntStFG) vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3858) die Regelung des § 8b Abs. 5 KStG in ihrem Wortlaut von der Anknüpfung an § 3c Abs. 1 EStG gelöst. Zuvor galten noch 5% der Dividenden, die mit den Einnahmen "in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang" stehen, als nichtabziehbare Betriebsausgaben. Nunmehr wurden generell 5% der Bezüge als nichtabziehbare Betriebsausgaben fingiert. Das Abzugsverbot war damit unmittelbar in § 8b Abs. 5 KStG verankert worden (vgl. Münch, a.a.O., S. 185). Im Gesetzgebungsverfahren war zunächst noch erwogen worden, § 3c EStG generell nicht auf Körperschaften als Anteilseigner anzuwenden. Begründet wurde dies mit dem bereits zuvor im Schrifttum angeführten Argument, angesichts der Vorbelastung der Dividenden bei der ausschüttenden Körperschaft handele es sich in Wahrheit nicht um eine steuerfreie Ausschüttung. § 8b KStG lasse vielmehr die Bezüge nur deshalb außer Ansatz, um eine doppelte Inlandsbesteuerung zu vermeiden (vgl. BRDrucks 638/01, S. 57).

28

Der Bundesrat äußerte jedoch grundlegende Bedenken gegen die dem Entwurf zugrunde liegende wirtschaftliche Betrachtungsweise, mit der eine doppelte Besteuerung vermieden werden sollte. Es gelte das Trennungsprinzip. Jedes Unternehmen sei hinsichtlich der Besteuerung gesondert zu betrachten. Zudem äußerte der Bundesrat gemeinschaftsrechtliche Bedenken gegen die Beibehaltung der Pauschalierung bei Auslandsdividenden (vgl. BRDrucks 638/01 , S. 5 f. und BRDrucks 638/1/01, S. 5 f.). Im Vermittlungsverfahren einigte man sich schließlich darauf, das Abzugsverbot mit den Gesetz gewordenen klarstellenden Formulierungsänderungen beizubehalten (vgl. BTDrucks 14/7780, S. 5).

29

7. Angesichts der unterschiedlichen Rechtslage für die Berücksichtigung von Beteiligungsaufwendungen für Inlands- und für Auslandsbeteiligungen wurden weiterhin Gestaltungsmöglichkeiten wahrgenommen, unter anderem durch die Zwischenschaltung einer ausländischen Zwischenholding oder die Gestaltung des "Debt-push-down" (vgl. Breuninger, a.a.O., S. 367 ff.; Gosch, in: KStG, 1. Aufl. 2005, Rn. 503; Krawitz/Büttgen-Pöhland, FR 2003, S. 877 <884 ff.>; Menck, a.a.O., Rn. 60a ). Gleichzeitig wurde in Bezug auf inländische Beteiligungen seit deren Einbeziehung in § 8b KStG umfangreich vom "Ballooning" Gebrauch gemacht. Für inländische Körperschaften war es weiterhin möglich, den vollen Abzug von Finanzierungsaufwendungen durch den Zeitpunkt von Gewinnausschüttungen zu steuern (vgl. Jakobs/Wittmann, a.a.O., S. 1017).

30

Ein erneuter Anlauf zur Neugestaltung des Beteiligungsausgabenabzugs bei Körperschaften wurde im Jahr 2002 in einem Referentenentwurf für das Steuervergünstigungsabbaugesetz unternommen (vgl. dazu Rödder/Schumacher, DStR 2002, S. 1969). Danach sollte ein generelles Abzugsverbot für in- und ausländische Beteiligungsaufwendungen unter gleichzeitiger Abschaffung der Sonderregelung für Auslandsbeteiligungen in § 8b Abs. 5 KStG eingeführt werden. Auf den von § 3c Abs. 1 EStG geforderten "unmittelbaren Zusammenhang" sollte verzichtet werden. An dem Vorhaben, das Abzugsverbot auf sämtliche Beteiligungsaufwendungen auszudehnen, wurde im Gesetzgebungsverfahren mit Rücksicht auf den Widerstand des Bundesrats nicht weiter festgehalten (vgl. BRDrucks 120/03; Rödder/Schumacher, DStR 2003, S. 805 <818 f.>). Stattdessen kündigte die Bundesregierung im Vermittlungsausschuss in einer "Protokollerklärung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz" an, eine Ausdehnung der Pauschalierungsregelung des § 8b Abs. 5 KStG auf sämtliche Beteiligungsaufwendungen zu prüfen (vgl. die Wiedergabe der Auffassung der Bundesregierung bei Rödder/Schumacher, a.a.O., S. 805). Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 2003 (BGBl I S. 2840) - Korb II-Gesetz - erlangte die Vorschrift die für das Ausgangsverfahren einschlägige Fassung.

31

Ziel des Korb II-Gesetzes war es, eine weitestgehende Gleichbehandlung inländischer und ausländischer Beteiligungserträge zu erreichen (vgl. BTDrucks 15/1518, S. 10). Zudem wollte der Gesetzgeber das "Ballooning" endgültig bekämpfen (vgl. BTDrucks 15/1518, S. 15). Vereinheitlicht wurde ebenfalls die Behandlung der Finanzierungsaufwendungen für inländische und ausländische Beteiligungserträge. In beiden Fällen waren Finanzierungsaufwendungen nunmehr abziehbar (vgl. BTDrucks 15/1518, S. 16).

32

8. Die dem Korb II-Gesetz folgenden Änderungsgesetze zum Körperschaftsteuergesetz haben im Bereich der Körperschaftsteuer nicht zu einer Änderung des § 8b Abs. 3 Satz 1 und 2 und Abs. 5 Satz 1 und 2 KStG geführt.

B.

I.

33

1. Klägerin des Ausgangsverfahrens ist eine Holdinggesellschaft in der Rechtsform einer GmbH. Die Klägerin hatte im Jahr 2000 eine Beteiligung an einer Aktiengesellschaft von ihrem Alleingesellschafter sowie dessen nahen Angehörigen (Mutter, Bruder und Schwester) zum Preis von 6,8 Millionen € erworben, was einem Preis von 2,00 € je Aktie entspricht. Der tatsächliche Marktpreis lag zu diesem Zeitpunkt bei 2,70 €. In den Kaufverträgen war ursprünglich die Zahlung eines Zinses in Höhe von 6% des Kaufpreises sowie im Fall des Verzugs von 6% über dem geltenden Leitzins der Europäischen Zentralbank vorgesehen. Die Kaufpreisverbindlichkeiten wurden zunächst nicht gezahlt und bis zum Jahr 2005 im Wesentlichen nur gegenüber dem Alleingesellschafter der Klägerin, im Übrigen nur geringfügig, bedient. Im Januar 2001 erklärten die nahen Angehörigen gegenüber der Klägerin, auf die Verzinsung der Verbindlichkeiten zu verzichten. Bis zum Jahr 2007 wurden die Kaufpreisverbindlichkeiten dann vollständig beglichen.

34

Die Klägerin erzielte im Streitjahr 2005 einen Jahresüberschuss von rund 12 Millionen €. Darin enthalten war im Wesentlichen ein Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung der Tochtergesellschaft durch Verkauf der Aktien in Höhe von 11.575.106 €. Daneben erzielte die Klägerin aus Beteiligungen Dividendenerträge in Höhe von 700.728 €. An Betriebsausgaben fielen Depotgebühren, Zinsen und sonstige Aufwendungen in Höhe von insgesamt 27.806 € an, die fast ausschließlich durch das Halten und die Veräußerung der Aktien veranlasst waren. Zinsen gegenüber den nahen Angehörigen des Alleingesellschafters fielen aufgrund des im Jahr 2001 vereinbarten Zinsverzichts nicht an.

35

Im Rahmen der Körperschaftsteuerveranlagung rechnete das Finanzamt nicht abziehbare Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG in Höhe von 578.755 € (= 5% von 11.575.106 €) sowie nicht abziehbare Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG in Höhe von 35.036 € (= 5% von 700.728 €) dem Gewinn der Klägerin hinzu. Die Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag setzte es entsprechend fest. Das Einspruchsverfahren gegen die Hinzurechnung blieb erfolglos.

36

2. Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Hinzurechnung der nichtabziehbaren Betriebsausgaben. Wenn einer Gesellschaft tatsächlich nur ein geringerer Aufwand - hier 27.806 € - entstanden sei und die Gesellschaft ausschließlich Beteiligungserträge erziele, könne auch nur der tatsächlich entstandene Aufwand hinzugerechnet werden. Es sei erklärtes Ziel des § 8b KStG, Dividendenerträge und Veräußerungsgewinne auf der Ebene der Kapitalgesellschaft steuerfrei zu lassen. Es sei nachvollziehbar, wenn Ausgaben, die hiermit in Zusammenhang stünden, nicht auch noch steuerlich berücksichtigt werden könnten. Es sei jedoch nicht zulässig, fiktive Betriebsausgaben anzusetzen und diese nicht zum Abzug zuzulassen. Es sei zumindest eine Deckelung auf die Summe der tatsächlichen Betriebsausgaben geboten. Im Ergebnis könnten daher nur 27.806 € statt 613.791 € hinzugerechnet werden.

II.

37

1. Das Finanzgericht hat das Klageverfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG in der Fassung des Korb II-Gesetzes insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, als typisierend 5% der Bezüge und Veräußerungsgewinne als nichtabziehbare Betriebsausgaben einkommenserhöhend berücksichtigt werden, ohne dass der Nachweis niedrigerer Betriebsausgaben gestattet ist.

38

Nach Auffassung des Finanzgerichts verstößt die Vorschrift gegen das Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Die Vorschrift überschreite das Maß einer verfassungsrechtlich zulässigen Typisierung und Pauschalierung, indem sie eine Hinzurechnung auch dann vornehme, wenn tatsächlich keine oder erheblich geringere Betriebsausgaben als die pauschalen 5% angefallen seien. Die Vorteile der mit einer Pauschalierung erreichten Typisierung stünden nicht mehr im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung. Zudem werde durch die Vorschrift kein typischer Lebenssachverhalt abgebildet. Es würden pauschalierte nichtabziehbare Betriebsausgaben auch in dem Fall angesetzt, in dem Kosten nicht angefallen seien oder ihr Betrag nur unwesentlich sei. Die durch die Vorschrift bewirkte Ungleichheit werde insbesondere im Fall der Klägerin des Ausgangsverfahrens deutlich. Die pauschale Hinzurechnung sei mehr als zweiundzwanzigmal so hoch wie die tatsächlichen Betriebsausgaben. Dass eine Abweichung von der pauschalierten und typisierten Planvorstellung des Gesetzgebers in dieser Größenordnung möglich sei, lasse erkennen, dass der Gesetzgeber den Maßstab nicht mehr sachgerecht gewählt habe.

39

Zudem verstößt die Vorschrift nach Auffassung des vorlegenden Finanzgerichts gegen das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit. Der Gesetzgeber habe in § 8b Abs. 1 und Abs. 2 KStG die Grundentscheidung getroffen, dass Bezüge und Veräußerungsgewinne bei der Ermittlung des Einkommens vollständig außer Ansatz bleiben sollen. Für die Pauschalierung der nichtabzugsfähigen Betriebsausgaben habe der Gesetzgeber an die Dividendenbezüge und Veräußerungsgewinne als Bemessungsgrundlagen angeknüpft. Diese seien aber nicht geeignet, typisierend die Betriebsausgaben, die durch die steuerfreien Bezüge und Veräußerungsgewinne tatsächlich veranlasst seien, zu erfassen. Die Anknüpfung der 5%igen Pauschalierung an die Dividendenbezüge und Veräußerungsgewinne zum Zweck der Fiktion nicht abziehbarer Betriebsausgaben bewirke keine zielgerichtete und gleichmäßig wirkende Steuerbelastung, sondern trete ungleichmäßig und willkürlich ein. Der Gesetzgeber habe an dynamische Bemessungsgrundlagen angeknüpft, deren Wert nicht durch die Tätigkeit der Kapitalgesellschaft selbst, sondern durch die Tätigkeit ihrer Tochtergesellschaft gebildet werde. Die Regelungen des § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG belasteten daher eine Kapitalgesellschaft in ganz unterschiedlichem Umfang je nachdem, welchen Ertrag die Tochtergesellschaft zu erwirtschaften in der Lage sei oder wie werthaltig die in der Tochtergesellschaft angesammelten und beim Verkauf abgegoltenen Wirtschaftsgüter und stillen Reserven seien.

40

Würden die auf diese Art ermittelten Pauschalbeträge der Besteuerung zugrunde gelegt, ohne dass dem Steuerpflichtigen in Gestalt einer "Escape-Klausel" der Nachweis geringerer Betriebsausgaben gestattet sei, verstoße diese Besteuerung gegen das objektive Nettoprinzip als Ausfluss des Gebots der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit. Zwar sei der Gesetzgeber nicht verpflichtet, der Besteuerung unterliegende Einkünfte freizustellen. Schränke er aber die Freistellung wie hier ein, müsse diese Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne von Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürften eines besonderen sachlichen Grundes. Eine relationsgerechte Abbildung der durch die Dividendenbezüge und den Veräußerungsgewinn veranlassten Betriebsausgaben finde bei der Anwendung der typisierenden und pauschalierenden Vorschrift des § 8b Abs. 3 und Abs. 5 KStG nicht statt. Dies zeige sich insbesondere im Streitfall, wo den tatsächlichen Betriebsausgaben in Höhe von 27.807 € pauschalierte nicht abzugsfähige Betriebsausgaben von insgesamt 613.792 € gegenüberstünden. § 8b Abs. 3 KStG führe mit der Pauschalierung von 5% des Veräußerungsgewinns als nicht abziehbare Betriebsausgaben zudem unter Umständen zu einer doppelten Hinzurechnung der Veräußerungskosten zum Einkommen. Denn die durch die Veräußerung veranlassten Betriebsausgaben seien bereits aufgrund der Regelung des § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG dem Einkommen wieder hinzuzurechnen.

41

Die Entscheidung des Ausgangsverfahrens hänge von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Vorlagefrage ab. Seien § 8b Abs. 3 und Abs. 5 KStG verfassungsgemäß, sei die Klage abzuweisen. Die vom Finanzamt berücksichtigten 613.792 € seien einkommenserhöhend als nicht abziehbare Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Sei die Vorschrift hingegen verfassungswidrig, soweit sie einen Nachweis niedrigerer Betriebsausgaben nicht gestatte, sei der Klage stattzugeben. In diesem Fall könnten nur 27.807 € als nicht abziehbare Betriebsausgaben einkommenserhöhend berücksichtigt werden.

42

2. Nachdem im Rahmen des Zustellungsverfahrens aufgrund von Stellungnahmen des Bundesministeriums der Finanzen und des Bundesfinanzhofs Zweifel unter anderem an der Höhe der tatsächlichen Betriebsausgaben und damit an der Zulässigkeit der Vorlage aufgekommen waren, wurde dem vorlegenden Finanzgericht Gelegenheit zur Rücknahme oder Ergänzung des Vorlagebeschlusses gegeben. Das Finanzgericht ergänzte darauf seinen Beschluss dahin, dass die Beteiligungsaufwendungen der Klägerin des Ausgangsverfahrens sich tatsächlich auf lediglich 27.807 € beliefen. Die aus der Bilanz der Klägerin ersichtlichen Verbindlichkeiten aufgrund von Darlehen von Familienangehörigen des Alleingesellschafters seien unverzinslich gewährt worden, so dass keine weiteren Aufwendungen in Gestalt von Finanzierungsaufwendungen zu berücksichtigen seien. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens sei auch kein Finanzunternehmen im Sinne des Kreditwesengesetzes und habe die Beteiligungen auch nicht zum Zweck der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolgs erworben.

III.

43

Zu der Vorlage haben namens der Bundesregierung das Bundesministerium der Finanzen (1.), der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, die Bundessteuerberaterkammer, die Bundesrechtsanwaltskammer und der Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. sowie der Bundesfinanzhof Stellung genommen (2.).

44

1. Das Bundesministerium der Finanzen hält die Vorschriften des § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG für verfassungsgemäß. Die Entwicklung von § 8b Abs. 3 und 5 KStG sei geprägt durch ein ständiges Bemühen des Gesetzgebers, gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben gerecht zu werden und zugleich eine standortfreundliche Lösung bereit zu stellen. Dabei hätten grundlegende Prinzipien des Einkommensteuerrechts wie § 3c EStG nicht aufgegeben oder völlig umgestaltet werden sollen. Angesichts der restriktiven Auslegung des § 3c EStG durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs seien die eingeräumten Begünstigungen von den Steuerpflichtigen über das Maß hinaus in Anspruch genommen worden, das der Gesetzgeber vorhergesehen habe. Art. 3 Abs. 1 GG, insbesondere das objektive Nettoprinzip in seiner Bedeutung als Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, sei nicht verletzt. Im Rahmen des § 8b KStG könne nur bei einer Erhöhung der steuerlichen Leistungsfähigkeit durch Beteiligungserträge eine Steuerschuld entstehen. Der Gesetzgeber habe sich innerhalb des Rahmens seiner Typisierungsbefugnis gehalten. Der Typisierungsspielraum des Gesetzgebers sei im Anwendungsbereich des § 8b KStG eher weiter zu sehen. Die niedrige Einspruchsquote von nur 0,7% in den Fällen, in denen § 8b KStG zur Anwendung gelange, spreche dafür, dass die 5%ige Pauschale eine für die Steuerpflichtigen günstige Regelung sei. Schließlich sei eine zulässige Bemessungsgrundlage gewählt worden. Auch sei die körperschaftsteuerliche Belastung, die die Pauschale auslöse, gering. 5% des Ertrags würden mit einem Steuersatz von 25% belastet. Es bestehe nicht die Notwendigkeit, den Gegenbeweis in Gestalt einer "Escape-Klausel" zuzulassen.

45

2. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, die Bundessteuerberaterkammer, die Bundesrechtsanwaltskammer und der Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. halten die Pauschalierung in § 8b Abs. 3 Satz 1 und § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG ohne die Möglichkeit des Nachweises geringerer Betriebsausgaben für verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.

46

Die Regelung führe im mehrstufigen Konzern zu einer systemwidrigen und wirtschaftlich nicht gerechtfertigten Besteuerung. Das Abzugsverbot werde zu einer generellen "Schachtelstrafe". Äußerst kritisch sei die Tatsache zu sehen, dass nicht abzugsfähige Betriebsausgaben auch dann fingiert würden, wenn überhaupt keine entsprechenden Ausgaben entstanden seien. Die pauschale Hinzurechnung führe zu einer nicht unerheblichen fiktiven Besteuerung, die in keinem Verhältnis zu dem tatsächlich entstandenen Aufwand stehe. In dem Fehlen einer "Escape-Klausel" liege eine erhebliche Belastung und Benachteiligung gegenüber anderen Einkommensteuerpflichtigen, die einen höheren Fremdfinanzierungsanteil hätten. Der Gesetzgeber habe mit der vorliegenden Pauschalierung daher die Grenzen der Zulässigkeit einer gesetzlichen Typisierung überschritten. Dies gelte auch deshalb, weil andere Pauschalierungsregeln die Möglichkeit des Nachweises der tatsächlichen Aufwendungen ermöglichten. Eine Orientierung am "typischen Lebenssachverhalt" sei in Bezug auf die streitige Regelung schwierig. Es sei kaum ein "typisches" Unternehmen bestimmbar. Die Regelung könne auch nicht durch Vereinfachungseffekte gerechtfertigt werden.

47

Die in § 8b Abs. 3 und Abs. 5 KStG geregelte Pauschalierung verstoße gegen das objektive Nettoprinzip als Ausfluss des Gebots der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit. Der Gesetzgeber knüpfe für die Pauschalierung an eine Bemessungsgrundlage an, die keinen realitätsgerechten Maßstab darstelle und die nicht geeignet sei, typisierend die Betriebsausgaben zu erfassen. Die in § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG gewählte Anknüpfung bewirke daher keine zielgerichtete und gleichmäßig wirkende Steuerbelastung, sondern wirke ungleichmäßig und willkürlich.

C.

48

Die Vorlage ist zulässig. Der Vorlagebeschluss und der Ergänzungsbeschluss legen ausreichend dar, dass das Ergebnis des Ausgangsrechtsstreits ungeachtet der Besonderheiten bei der Beteiligungsfinanzierung durch nahe Angehörige des Alleingesellschafters der Klägerin von der Gültigkeit der zur Entscheidung gestellten Regelungen abhängt. Dabei ist von der jedenfalls vertretbaren Auslegung des § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG durch das Finanzgericht auszugehen (vgl. BVerfGE 2, 181 <190 ff.>; 57, 295 <315>; 105, 61 <67>; 110, 94 <110 f.>; 111, 115 <136>; stRspr). Der Vorlagebeschluss enthält auch die erforderliche umfassende rechtliche Würdigung des Sachverhalts.

D.

49

§ 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungs-empfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 2003 (BGBI I S. 2840) - Korb II-Gesetz - ist mit Art. 3 Abs. 1 GG als dem einzigen vom Finanzgericht herangezogenen und hier allein in Frage kommenden verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab vereinbar.

I.

50

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 120, 1 <29>; 122, 210 <230>; stRspr). Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 116, 164 <180>; 122, 210 <230>). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengeren Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfGE 116, 164 <180>; 117, 1 <30>; 120, 1 <29>; 123, 1 <19>; stRspr). Für die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen kommt es wesentlich darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfGE 105, 73 <110 f.>; 112, 164 <174>; 122, 210 <230>; stRspr). Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen (vgl. BVerfGE 112, 268 <279>; 122, 210 <230>; stRpr).

51

Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum (vgl. BVerfGE 117, 1 <30>; 120, 1 <29>; 122, 210 <230>; 123, 1 <19>). Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit (vgl. BVerfGE 116, 164 <180>; 117, 1 <30>; 122, 210 <230 f.>). Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (vgl. BVerfGE 116, 164 <180>; 122, 210 <231>). Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfGE 116, 164 <180 f.>; 117, 1 <31>; 120, 1 <29>; 123, 1 <19>).

52

Als besondere sachliche Gründe für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung und Konkretisierung steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen erkennt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung neben außerfiskalischen Förderungs- und Lenkungszwecken auch Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse an (vgl. BVerfGE 120, 1 <30>; 122, 210 <231 ff.>; zuletzt BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 6. Juli 2010 - 2 BvL 13/09 -, DStR 2010, S. 1563 <1565>). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Steuergesetze in der Regel Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betreffen. Sie müssen, um praktikabel zu sein, Sachverhalte, an die sie dieselben steuerrechtlichen Folgen knüpfen, typisieren und dabei in weitem Umfang die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die Steuerzahler darf allerdings ein gewisses Maß nicht übersteigen. Vielmehr müssen die steuerlichen Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen (vgl. BVerfGE 110, 274 <292>; 117, 1 <31> sowie 96, 1 <6>; 99, 280 <290>; 105, 73 <127>; 116, 164 <182 f.>; 120, 1 <30>). Außerdem darf eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren (vgl. BVerfGE 27, 142 <150>; 112, 268 <280 f.>; 117, 1 <31>; 120, 1 <30>).

II.

53

Das vorlegende Finanzgericht versteht die zur Überprüfung gestellten Vorschriften als gesetzliche Fiktion nicht abziehbarer Betriebsausgaben, die im Zusammenhang mit Beteiligungseinkünften als entstanden und pauschalierend in einer Größenordnung von 5% der Einkünfte als angefallen gelten. Dieses fachgerichtliche Verständnis der einfachrechtlichen Bestimmungen hat das Bundesverfassungsgericht seiner verfassungsrechtlichen Prüfung grundsätzlich zugrunde zu legen. In der steuerrechtlichen Literatur werden § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG zwar vielfach auch als generelle Absenkung der in § 8b Abs. 1 und 2 KStG angeordneten Steuerfreiheit von körperschaftlichen Beteiligungseinkünften auf 95% angesehen (vgl. Heger, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, S. 117 <119>; Hey, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, S. 109 <110>; Rind, Veräußerungsprivileg und pauschales Betriebsausgabenabzugsverbot gemäß § 8b KStG, 2007, S. 123 f., 132). Vom Standpunkt des Finanzgerichts abzuweichen, besteht gleichwohl kein Anlass. Die Auffassung des Finanzgerichts ist zumindest vertretbar. Sie wird insbesondere durch die Entstehungsgeschichte der Norm (s.o. A III), die eindeutig dahin geäußerte Absicht des Gesetzgebers im Gesetzgebungsverfahren (vgl. BTDrucks 15/1518, S. 15, 16 sowie oben unter A III 7) und die offenkundige Orientierung der Regelungen an Art. 4 Abs. 2 der Mutter-Tochter-Richtlinie gestützt, der den Mitgliedstaaten Vorgaben für die Pauschalierung von Beteiligungsaufwendungen macht (s.o. A III). Die finanzgerichtliche Sichtweise der vorgelegten Vorschriften als pauschaliertes Betriebsausgabenabzugsverbot ist damit Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Prüfung, ungeachtet dessen, dass sie im Ergebnis die gleiche Wirkung wie eine Absenkung der generellen Steuerbefreiung in Beteiligungsverhältnissen auf 95% haben.

54

Ist § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG demnach als echte Pauschalierung nicht abziehbarer Beteiligungsaufwendungen zu verstehen, hat dies zur Folge, dass sich die Vorschrift nicht nur daran messen lassen muss, ob sie zu einer Besteuerung führt, die den Grundsätzen der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und Folgerichtigkeit genügt, sondern auch daran, ob sie den von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts insbesondere für das Steuerrecht entwickelten Grundsätzen zur Verfassungsmäßigkeit von pauschalierenden und typisierenden Regelungen entspricht.

III.

55

Die Pauschalierungsregelung des § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG verstößt weder gegen den Grundsatz einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (1.) noch erweist sie sich als verfassungswidrige Durchbrechung des Grundsatzes der Folgerichtigkeit (2.). Sie ist durch hinreichende, die Pauschalierung tragende Rechtfertigungsgründe gedeckt (3.).

56

1. a) Das Gebot der Steuergleichheit fordert zumindest für die direkten Steuern eine Belastung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit (vgl. BVerfGE 99, 216 <232>). Der wirtschaftlich Leistungsfähigere muss einen höheren Prozentsatz seines Einkommens als Steuern zahlen als der wirtschaftlich Schwächere. Wirtschaftlich gleich Leistungsfähige müssen auch gleich hoch besteuert werden (vgl. BVerfGE 82, 60 <89>; 122, 210 <231>). Der Grundsatz der gleichen Zuteilung steuerlicher Lasten (vgl. BVerfGE 120, 1 <44>; 123, 1 <19>) verlangt eine gesetzliche Ausgestaltung der Steuer, die den Steuergegenstand in den Blick nimmt und mit Rücksicht darauf eine gleichheitsgerechte Besteuerung des Steuerschuldners sicherstellt (vgl. BVerfGE 123, 1 <19>). Die für die Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit bemisst der einfache Gesetzgeber nach dem objektiven und dem subjektiven Nettoprinzip (vgl. BVerfGE 122, 210 <233>; im Schrifttum vgl. u.a. Schneider, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, S. 87).

57

Die Grundsätze der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und damit das objektive Nettoprinzip gelten gleichermaßen im Bereich der Körperschaftsteuer (vgl. Englisch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, S. 92; Heger, a.a.O., S. 118; Hey, a.a.O., S. 110). Die Körperschaftsteuer bemisst sich nach dem Einkommen der Körperschaft und damit nach der Ertragskraft des Unternehmens. Dies folgt auch aus § 8 Abs. 1 KStG, demzufolge sich das Einkommen und die Einkommensermittlung nach den Vorschriften des Einkommensteuerrechts bestimmen (vgl. Heger, a.a.O., S. 118). Danach unterliegt im Bereich der Unternehmensbesteuerung grundsätzlich nur das Nettoeinkommen, nämlich der Saldo aus den Einnahmen und den Betriebsausgaben (vgl. § 4 Abs. 4 EStG) der Besteuerung. Deshalb sind Betriebsausgaben grundsätzlich steuerlich abziehbar (vgl. BVerfGE 107, 27 <47> sowie Hey, a.a.O., S. 110; Schneider, a.a.O., S. 88, 90).

58

Das Bundesverfassungsgericht hat bisher offen gelassen, ob das objektive Nettoprinzip, wie es in § 2 Abs. 2 EStG zum Ausdruck kommt, Verfassungsrang hat; jedenfalls kann der Gesetzgeber dieses Prinzip bei Vorliegen gewichtiger Gründe durchbrechen und sich dabei generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bedienen (vgl. BVerfGE 107, 27 <48>; 122, 210 <234>). Ausnahmen von der folgerichtigen Umsetzung der mit dem objektiven Nettoprinzip getroffenen Belastungsentscheidung bedürfen allerdings eines besonderen, sachlich rechtfertigenden Grundes (vgl. BVerfGE 122, 210 <234>; zuletzt BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 6. Juli 2010, a.a.O., S. 1566).

59

b) Gemessen hieran verletzen die zu prüfenden Bestimmungen nicht den Grundsatz der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit. Das pauschale Betriebsausgabenabzugsverbot führt jedenfalls nicht ohne entsprechend gestiegene Leistungsfähigkeit der Körperschaft zu einer steuerlichen Belastung. Daher kann auch im vorliegenden Fall die Frage nach der verfassungsrechtlichen Verankerung des objektiven Nettoprinzips offen bleiben.

60

aa) § 8b KStG enthält die Grundentscheidung des Gesetzgebers, dass im unternehmenssteuerrechtlichen System des Halbeinkünfteverfahrens Bezüge und Veräußerungsgewinne innerhalb gesellschaftlicher Beteiligungsstrukturen nur einmal auf der Entstehungsebene und dann erst wieder auf der Gesellschafterebene anteilig als Einkommen versteuert werden. Demzufolge findet bei der Muttergesellschaft trotz eines Zuwachses an Leistungsfähigkeit durch die von der Tochtergesellschaft zufließenden Bezüge oder Veräußerungsgewinne keine Besteuerung statt. Das 5%ige Betriebsausgabenabzugsverbot des § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG knüpft in diesem Zusammenhang an den in § 3c EStG zum Ausdruck kommenden allgemeinen Grundsatz an, dass Aufwendungen für steuerfreie Einnahmen nicht in Abzug gebracht werden dürfen. Dieser Zusammenhang ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschriften (s.o. A III), ihrem diesen Grundsatz aufgreifenden Regelungsgehalt und aus dem mit dem Korb II-Gesetz in die jeweiligen Sätze 2 von § 8b Abs. 3 und Abs. 5 KStG aufgenommenen ausdrücklichen Ausschluss der Anwendbarkeit von § 3c Abs. 1 EStG im Übrigen. Um Nachweisschwierigkeiten zu vermeiden und überhand genommene Gestaltungs- und Umgehungsmöglichkeiten einzuschränken, hat der Gesetzgeber dabei pauschalierend unterstellt, dass die Aufwendungen, die nicht abgezogen werden dürfen, ihrer Höhe nach 5% der Bezüge und Veräußerungsgewinne entsprechen.

61

Die Anknüpfung an den in § 3c EStG zum Ausdruck kommenden allgemeinen Grundsatz ist dem Gesetzgeber auch nicht etwa deshalb verwehrt, weil bei der Muttergesellschaft in Beteiligungsverhältnissen bei Gewinnausschüttungen oder Veräußerungsgewinnen in Wahrheit von vornherein kein steuerbarer Leistungszuwachs anfiele (vgl. dazu Rödder/Schumacher, DStR 2000, S. 353 <357>; Schön, a.a.O., S. 385). Die prinzipielle Freistellung von wirtschaftlicher Doppel- oder Mehrfachbelastung durch die Körperschaft- und nachfolgende Einkommen-steuer in Beteiligungsstrukturen, wie sie für das Halb- und Teileinkünfteverfahren in § 8b KStG festgelegt ist und auch dem vorangehenden System des Anrechnungsverfahrens zugrunde lag, ist in erster Linie eine finanz- und wirtschaftspolitische Entscheidung des Gesetzgebers. Von Verfassungs wegen ist er hingegen nicht gehindert, für die Beantwortung der Frage, ob bei einem Unternehmen ein grundsätzlich steuerbarer Leistungszuwachs eingetreten ist, an die rechtliche Selbständigkeit der Kapitalgesellschaft anzuknüpfen, wie dies im Rahmen des das Körperschaftsteuerrecht beherrschenden Trennungsprinzips zwischen den Vermögenssphären von Körperschaft und Anteilseigner (allgemein dazu vgl. nur Hey, in Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 11 Rn. 1 ff.) auch sonst geschieht.

62

So hat auch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, dass die Abschirmung der Vermögenssphäre einer Kapitalgesellschaft gegenüber ihren Anteilseignern einen vor dem allgemeinen Gleichheitssatz ausreichenden Differenzierungsgrund für eine gesonderte steuerliche Behandlung der Kapitalgesellschaft liefern kann (vgl. BVerfGE 116, 164 <198 f.> zu § 32c EStG). Diese Abschirmung bewirkt, dass in der abgeschirmten Vermögenssphäre eine eigenständige und objektive Leistungsfähigkeit entsteht, die von der individuellen und subjektiven Leistungsfähigkeit der hinter der Kapitalgesellschaft stehenden Personen getrennt und unabhängig von ihr besteuert werden darf. Das Steuerrecht nimmt damit bei der Bestimmung verschiedener Zurechnungssubjekte steuerlicher Leistungsfähigkeit verfassungsrechtlich bedenkenfrei die zivilrechtliche Grundentscheidung auf, nach der bei Personengesellschaften das Gesellschaftsvermögen den Gesellschaftern zugerechnet wird (vgl. § 718 BGB i.V.m. § 105 Abs. 3, § 161 Abs. 2 HGB), während das Vermögen der Kapitalgesellschaften gegenüber dem Vermögen ihrer Gesellschafter grundsätzlich selbständig ist (vgl. BVerfGE 116, 164 <198 f.>).

63

bb) Rechtstechnisch hat der Gesetzgeber nach dem für das Bundesverfassungsgericht im Grundsatz maßgeblichen Verständnis des Finanzgerichts das Betriebsausgabenabzugsverbot als Hinzurechnung zu den Einkünften der Muttergesellschaft ausgestaltet, so dass es sich letztlich als eine Erhöhung der Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage auswirkt. Die damit einhergehende Erhöhung der Körperschaftsteuer trifft indes immer auf eine entsprechend erhöhte Leistungsfähigkeit der Gesellschaft. Dass die Beteiligungseinkünfte vom Gesetzgeber nach § 8b KStG grundsätzlich steuerfrei gestellt sind, ändert nichts daran, dass sie gleichwohl die steuerliche Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft erhöhen.

64

Selbst wenn die Beteiligungseinkünfte bei der Muttergesellschaft mit Betriebsausgaben in einem Umfang von weniger als 5% der Einkünfte oder gar ganz ohne Betriebsausgaben erzielt worden sein sollten, geht die gleichwohl im Ergebnis um 5% "erhöhte Besteuerung" nach der gesetzlichen Ausgestaltung doch stets mit einem weitaus höheren Zuwachs an leistungssteigernden Einnahmen, die von der Tochtergesellschaft zufließen, einher. Ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip, das für die Besteuerung jedenfalls einen Leistungszuwachs voraussetzt, ist damit ausgeschlossen.

65

cc) Sofern das pauschalierte Betriebsausgabenabzugsverbot nach § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG in den Fällen, in denen die tatsächlichen Betriebsausgaben unter 5% der Einkünfte liegen, keine dem objektiven Nettoprinzip entsprechende Besteuerung gewährleistet, weil die mit den steuerfreien Beteiligungseinkünften in Zusammenhang stehenden nichtabziehbaren Betriebsausgaben geringer sind als die durch die pauschale Hinzurechnung bewirkte Steuererhöhung, ist dies durch die Grundsätze einer zulässigen Pauschalierung gerechtfertigt (dazu unter 3.). Unabhängig hiervon gebietet der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit entgegen der Auffassung des Finanzgerichts auch deshalb nicht die Begrenzung des Abzugsverbots auf die tatsächlich angefallenen Betriebsaufwendungen, sofern diese unter der Pauschalierungsgrenze von 5% liegen ("Escape-Klausel"), weil die Leistungsfähigkeit der Gesellschaften mit niedrigen Betriebsausgaben bei gleichen Einkünften höher ist als diejenige von Gesellschaften mit hohen Betriebsausgaben. Dem widerspräche es, wenn die Gesellschaft mit einem unter 5% liegenden Betriebsausgabensatz nur einer entsprechend niedrigeren Hinzurechnung unterworfen würde, während die leistungsschwächere Kapitalgesellschaft mit gleichhohen Einkünften, aber über 5% liegenden Betriebsaufwendungen die pauschale Hinzurechnung in Höhe von 5% hinnehmen müsste.

66

dd) Ein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip liegt auch nicht darin begründet, dass die Kosten für die Veräußerung einer Beteiligung im Rahmen der pauschalen Hinzurechnung doppelt berücksichtigt würden. Zwar führt die Systematik der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG dazu, dass mit der Veräußerung zusammenhängende Veräußerungskosten nicht allgemein als Betriebsausgaben abgezogen werden können, sondern ausschließlich im Rahmen der Ermittlung des Veräußerungsgewinns berücksichtigt werden, der nach § 8b Abs. 2 KStG steuerbefreit ist. Gleichwohl mindert der Abzug der Veräußerungskosten den (steuerbefreiten) Veräußerungsgewinn und damit die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der 5%igen Pauschale, die außerhalb der Bilanz hinzugerechnet wird, so dass letztlich insoweit eine entlastende Wirkung eintritt.

67

2. Die pauschale Anordnung eines Abzugsverbots für Betriebsausgaben in § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG in Höhe von 5% der Bezüge und Veräußerungsgewinne verstößt nicht zu Lasten der Steuerpflichtigen gegen den Grundsatz der Folgerichtigkeit.

68

Systemleitender Gedanke des Halbeinkünfteverfahrens ist es, die Gewinne einer Kapitalgesellschaft jeweils zur Hälfte auf der Ebene der sie erstmals erwirtschaftenden körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschaft (erste Halbbelastung) und zur Hälfte auf der Ebene des einkommensteuerpflichtigen Gesellschafters (zweite Halbbelastung) zu erfassen. Um wirtschaftliche Doppelbelastungen zu vermeiden, sollen Ausschüttungen und Veräußerungsgewinne zwischen körperschaftsteuerpflichtigen Kapitalgesellschaften nach § 8b KStG grundsätzlich nicht der Besteuerung unterliegen (s.o. III 1 b aa). Aufwendungen, die in Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen, werden nach dem in § 3c Abs. 1 EStG zum Ausdruck kommenden Grundsatz in aller Regel nicht zum Abzug zugelassen. Gleichwohl erlaubt § 8b Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 KStG durch den Ausschluss von § 3c Abs. 1 EStG den Betriebsausgabenabzug in grundsätzlich vollem Umfang.

69

Die 5%ige Hinzurechnung der Beteiligungseinkünfte nach § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG bewegt sich innerhalb dieser Gesamtkonzeption des Gesetzgebers für das Ertragsteuer- und hier insbesondere für das Körperschaftsteuerrecht. Damit sollen im Ergebnis mit Rücksicht auf die Steuerfreiheit der Ausschüttungen und Veräußerungsgewinne der Tochtergesellschaft bei der Muttergesellschaft die damit in Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben in bestimmter Höhe nicht zum Ausgabenabzug zugelassen werden. In seiner Grundkonzeption ist dies durchaus folgerichtig. Denn die Vorschrift ersetzt bei der Muttergesellschaft den ansonsten einschlägigen, allgemeinen Abzugsausschluss von Betriebsausgaben nach § 3c Abs. 1 EStG, der nach § 8b Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 KStG unanwendbar ist (vgl. BFHE 224, 50 <53 f.>).

70

Soweit die Hinzurechnungsbestimmungen im Hinblick auf die Höhe der 5%igen Pauschalierung, den Anknüpfungspunkt für das Abzugsverbot und bei tatsächlich niedrigeren Betriebsausgaben Abweichungen von dem Grundsatz der Folgerichtigkeit im Einzelnen bedingen, sind diese durch die Grundsätze einer zulässigen Pauschalierung gerechtfertigt (s. im Folgenden 3.).

71

3. Der Gesetzgeber hält sich mit der Vorschrift innerhalb seiner Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis.

72

a) Das pauschale Betriebsausgabenabzugsverbot in § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG dient, wie die Entstehungsgeschichte der Vorschrift (s.o. A III 4-7), die Gesetzesmaterialien (vgl. insbesondere BTDrucks 15/1518, S. 10, 15 f., zuvor bereits BTDrucks 14/1514, S. 33) und ihre objektive Funktionsweise belegen, der Abwehr unerwünschter steuerlicher Gestaltungen, der Vereinfachung und der Vereinheitlichung bei der Besteuerung in- und ausländischer Bezüge. Es verfolgt damit legitime und zur Rechtfertigung von Typisierungsregelungen grundsätzlich geeignete Ziele. Auch die konkrete Ausgestaltung der Pauschalierungsvorschrift erweist sich als mit den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Voraussetzungen einer zulässigen Typisierung (s.o. D I) vereinbar.

73

b) Die Vorschrift hat die mit ihr verfolgte vereinfachende Wirkung (aa) und beugt unerwünschten Gestaltungen vor, die bei Einfügung der vom Finanzgericht geforderten "Escape-Klausel" wieder möglich wären (bb). Sie orientiert sich am Regelfall des Vorhandenseins von Beteiligungsaufwendungen und ist dabei auch mit dem Pauschalsatz von 5% auf die Beteiligungseinkünfte im Ergebnis nicht zu beanstanden (cc). Darüber hinaus ist die mit der Vorschrift verbundene Belastungswirkung regelmäßig geringfügig (dd). Keiner abschließenden verfassungsrechtlichen Bewertung bedarf der im Schrifttum befürchtete Kaskadeneffekt bei mehrstufigen Beteiligungsverhältnissen, weil hierzu keine belastbaren Erkenntnisse des Finanzgerichts vorliegen und sein Eintreten zudem eher unwahrscheinlich sein dürfte (ee).

74

aa) Die mit der Vorschrift verbundene Typisierung und Pauschalierung dient der Vereinfachung. Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesichtspunkt der Vereinfachung der Verwaltungstätigkeit vielfach als Rechtfertigungsgrund für eine Typisierung und Pauschalierung anerkannt (vgl. BVerfGE 63, 119 <128>; 84, 348 <360>; 122, 210 <232 f.> m.w.N.). Die wesentliche Funktion der Typisierung im Steuerrecht ist die Entlastung des Rechtsanwenders im Massenfallrecht (vgl. Isensee, Die typisierende Verwaltung, 1975, S. 52; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 4 Rn. 132).

75

Die Vorschrift des § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG vereinfacht die steuerliche Behandlung von Beteiligungen (vgl. Desens, a.a.O., S. 291; Gosch, in: Festschrift für Norbert Herzig, 2010, S. 63 <71>; Rind, a.a.O., S. 160). Die bis zum 31. Dezember 2003 erforderliche und im Einzelfall schwierige Zuordnung von Finanzierungsaufwendungen und sonstigen Aufwendungen zu den einzelnen (Inlands- und Auslands-)Beteiligungen nach Maßgabe des "unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs" im Sinne des § 3c Abs. 1 EStG und damit insbesondere die Frage der Abzugsfähigkeit der Zinsen entfällt mit der Einführung der Vorschrift. Zudem erlaubt sie nunmehr eine einheitliche Behandlung von in- und ausländischen Beteiligungserträgen.

76

bb) § 8b Abs. 3 und Abs. 5 KStG beseitigt die vor Inkrafttreten der Regelung bestehenden steuerlichen Missbrauchsmöglichkeiten (1). Die Einfügung einer "Escape-Klausel" würde dagegen neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen, mit denen das Anliegen des Gesetzgebers einer Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs weithin unterlaufen werden könnte (2).

77

(1) Vor Inkrafttreten der Regelung konnten die Unternehmen das Abzugsverbot des § 3c Abs. 1 EStG durch verschiedene Gestaltungsmaßnahmen umgehen (s.o. unter A III 2 und 5). Dies geschah insbesondere durch das so genannte "Ballooning", indem vor allem finanzstarke Unternehmen auf Ausschüttungen verzichteten, bis die Darlehen zur Fremdfinanzierung zurückgezahlt waren. Diese Gestaltungsmöglichkeit ist, dem ausdrücklichen Ziel des Gesetzgebers entsprechend (vgl. BTDrucks 15/1518, S. 15), durch die Neuregelung beseitigt. Zwar kann auch unter der neuen Rechtslage von "Ballooning"-Gestaltungen Gebrauch gemacht werden. Diese haben ihren steuerlichen Vorteil aber größtenteils verloren. Denn Beteiligungsaufwendungen sind  , weil die Anwendung von § 3c EStG ausgeschlossen ist, steuerlich ohnehin abziehbar. Die Versteuerung der Beteiligungseinkünfte durch die Hinzurechnung der nichtabziehbaren Betriebsausgaben in pauschalierter Höhe tritt jedes Mal im Fall der Gewinnausschüttung oder Anteilsveräußerung ein. Das Einbehalten von Gewinnen kann daher auf Ebene der Tochtergesellschaft allenfalls einen Zinseffekt bewirken, der aber aufgrund der niedrigen Hinzurechnungsquote und damit der niedrigen tatsächlichen Steuerquote auf die Ausschüttung in Höhe von 1,25% deutlich hinter die Liquiditätsvorteile zurücktreten dürfte, welche die Muttergesellschaft so erzielen kann.

78

(2) Würde, wie vom vorlegenden Finanzgericht zur Vermeidung der mit der 5%-Regelung einhergehenden Pauschalierungshärten für geboten gehalten, eine Ausnahmeregelung in Gestalt einer "Escape-Klausel" eingefügt und damit die Hinzurechnung von 5% auf die tatsächliche Höhe der angefallenen Betriebsausgaben gedeckelt werden, eröffnete dies erneut die Möglichkeit und den Anreiz, durch Gestaltungsmaßnahmen die mit der Vorschrift des § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG verbundene Belastungswirkung weitestgehend zu umgehen. So würden "Ballooning"-Gestaltungen wieder wirtschaftlich sinnvoll werden, weil durch gezieltes Aufblähen der Bemessungsgrundlage für die 5%ige Hinzurechnung ein Missverhältnis zwischen pauschaler Hinzurechnung und tatsächlichen Aufwendungen geschaffen werden könnte. So könnte bei Vorhandensein einer "Escape-Klausel" durch "Ballooning" im Extremfall die 5%ige Hinzurechnung sogar vollständig umgangen werden. Bei einer fremdfinanzierten Beteiligung könnte mit der Ausschüttung und dem Verkauf so lange gewartet werden, bis die aufgenommenen Fremdmittel bei der Muttergesellschaft vollständig getilgt wären und keine Finanzierungskosten mehr anfielen (vgl. Michaelis, a.a.O., S. 33). Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts müsste dann die Hinzurechnung auf 0% begrenzt werden.

79

In gleicher Weise böte die Existenz einer Ausnahmeregelung in Gestalt einer Beschränkung der Hinzurechnung auf die tatsächlich angefallenen Betriebsausgaben den Anreiz, die Fremdfinanzierung im Konzern auf eigene Finanzierungsgesellschaften zu verlagern, um so - wie unter der Geltung des § 8b KStG a.F. - durch Finanzierungspooling die Zuordnung der Finanzierungsaufwendungen zu den einzelnen Beteiligungen zu erschweren und auf diese Weise das Abzugsverbot zu umgehen. Bereits im Rahmen einer "normalen" Konzernfinanzierung ist es schwierig, aufgenommene Darlehen eindeutig und unmittelbar einem wirtschaftlichen Engagement und damit einer bestimmten Tochtergesellschaft zuzuordnen. In der Regel lässt sich nicht feststellen, welche Betriebsausgabe mit welcher Einnahme bezahlt worden ist (vgl. Wassermeyer, in: Herzig, Gesellschafterfremdfinanzierung und Beteiligung an ausländischen Gesellschaften im Körperschaft- steuerrecht, 1995, S. 157). Nur in Ausnahmefällen, zum Beispiel bei Datums- und Betragsgleichheit, wird eine unzweifelhafte Zuordnung möglich sein (vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 4. Aufl. 1999, S. 751; Utescher/Blaufus, a.a.O., S. 1586). Verschärft wird dies noch im Rahmen einer Poolfinanzierung. Hier lässt sich ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der jeweiligen Beteiligung und dem zugehörigen Darlehen kaum ermitteln (vgl. Utescher/Blaufus, a.a.O., S. 1586).

80

Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber bei dieser Sachlage die mit der 5%igen Pauschalierungsklausel in § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG verfolgten und grundsätzlich auch erreichbaren legitimen Ziele der Vereinfachung der Steuererhebung und der Verhinderung oder zumindest Eindämmung steuerpolitisch unerwünschter Gestaltungsmöglichkeiten nicht durch die Anknüpfung des Abzugsverbots an die tatsächlich entstandenen Beteiligungsaufwendungen wieder in Frage stellen lässt, zumal die mit der Pauschalierung verbundene Belastung in der Regel nicht schwer wiegt (unten dd).

81

cc) Die Vorschrift des § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG orientiert sich auch in vertretbarer und plausibler Weise am Vorliegen von 5% Beteiligungsaufwendungen als Regelfall.

82

(1) Jede gesetzliche Regelung muss verallgemeinern. Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 82, 159 <185 f.>; 84, 348 <359 f.>; 96, 1 <6>). Dabei ist der Gesetzgeber berechtigt, von einem Gesamtbild auszugehen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt (vgl. BVerfGE 112, 268 <280>). Ein atypischer oder gar realitätsferner Fall darf nicht als Leitbild gewählt werden (vgl. BVerfGE 66, 214 <223>; 112, 268 <280 f.>; 117, 1 <31>). Auf dieser Grundlage darf der Gesetzgeber generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden, ohne allein schon wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen.

83

(2) § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG orientiert sich - wie bereits die ausdrückliche Fiktion als "nichtabziehbare Betriebsausgaben" zeigt - an dem Fall, dass einer Muttergesellschaft regelmäßig Aufwendungen für ihre Tochtergesellschaft entstehen. Ansonsten hätte es der Regelung im jeweiligen Satz 2 der Bestimmungen, wonach beteiligungsbezogene Aufwendungen entgegen § 3c Abs. 1 EStG abziehbar sind, nicht bedurft. Denn eine Ausnahme von dem Abzugsverbot des § 3c EStG für Betriebsausgaben hätte der Gesetzgeber nicht zu regeln brauchen, wenn er davon ausgegangen wäre, dass regelmäßig keine oder nur geringe beteiligungsbezogene Aufwendungen anfallen. Im Einklang mit dieser Einschätzung steht auch Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der Mutter-Tochter-Richtlinie, an dem § 8b Abs. 3 und Abs. 5 KStG erkennbar ausgerichtet ist. Diese Vorschrift geht nach ihrem Wortlaut, der einen von den Mitgliedstaaten etwa festzusetzenden Pauschbetrag für die "mit der Beteiligung zusammenhängenden Verwaltungskosten" auf 5% der ausgeschütteten Gewinne begrenzt, gleichfalls ersichtlich davon aus, dass beim Halten einer Beteiligung typischerweise Kosten anfallen.

84

Der Vorlagebeschluss hält dem zwar zu Recht entgegen, dass keine statistischen Daten dazu vorliegen, wie hoch die bei einer Muttergesellschaft für die jeweilige Tochtergesellschaft anfallenden Aufwendungen regelmäßig sind (so auch Beck, Die Besteuerung von Beteiligungen an körperschaftsteuerpflichtigen Steuersubjekten im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, S. 226; Schmidt/Hage-böke, IStR 2002, S. 150 <153>). Ein Regelfall für die Finanzierungs- und Kostenstruktur von Konzernen wird sich allerdings auch kaum feststellen lassen. Denn es steht dem Steuerpflichtigen frei, wie er seine Beteiligungen finanziert und welche Aufwendungen er im Rahmen des Beteiligungsverhältnisses tätigt. Die Entscheidung sowohl über die Finanzierungs- als auch die Kostenstruktur von Konzernen - insbesondere der grenzüberschreitenden - wird durch eine Vielzahl individueller Determinanten wie auch allgemeiner und sich zudem ständig ändernder Marktvariablen beeinflusst, welche die Wahl der geeigneten Finanzierungskonstruktion und Gestaltungsvariante bestimmen (vgl. Breuninger, a.a.O., S. 335; Breuninger/Prinz, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 2003/2004, S. 433 f.; Jacobs, a.a.O., S. 731 f.; Prinz, a.a.O., S. 235 f.; ders., in: Festschrift für Norbert Herzig, 2010, S. 147 <147, 149>).

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Vor diesem Hintergrund ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber in den vorgelegten Bestimmungen nicht nur von der zumindest realitätsnahen, wenn nicht gar sich aufdrängenden Annahme ausging, dass einer Muttergesellschaft für das Halten der Tochtergesellschaft Aufwendungen entstehen, sondern dass er sich auch ohne erkennbaren Rückgriff auf statistische Erhebungen und ohne die vorherige Schaffung solcher Grundlagen auf deren Pauschalierung in Höhe von 5% der Beteiligungseinkünfte festgelegt hat.

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(a) In aller Regel verursacht jede Beteiligung auf der Ebene der Muttergesellschaft einen bestimmten (meist auch bezifferbaren) Beteiligungsaufwand (so auch Dötsch/Pung, Die Körperschaftsteuer, § 8b KStG, Rn. 231 ; Dötsch/Pung, DB 1999, S. 867 <868>; Thömmes/Scheipers, DStR 1999, S. 609 <612>). Zudem spielt in der Praxis die Finanzierung des fremdfinanzierten Erwerbs von Tochtergesellschaften eine überaus wichtige Rolle (vgl. Rödder, ZHR 171, S. 380 <394 f.>). Unternehmenskäufe erfolgen häufig mit einem nicht unerheblichen Fremdfinanzierungseinsatz (vgl. Prinz, in: Schaumburg , Unternehmenskauf im Steuerrecht, 2. Aufl. 2000, S. 236; ders., in: Festschrift für Norbert Herzig, 2010, S. 147 <153 f.>). Die Frage der Höhe der damit verbundenen Aufwendungen spielt daher beim Erwerb einer Beteiligung eine wichtige Rolle (vgl. Gran, NJW 2008, S. 1409 <1414>; Prinz, in: Schaumburg , Unternehmenskauf im Steuerrecht, 2. Aufl. 2000, S. 237). Verwaltungskosten fallen ebenfalls regelmäßig an, auch wenn diese in der Höhe oftmals hinter die Finanzierungsaufwendungen zurücktreten. Selbst im einstufigen Konzern mit nur einer Tochtergesellschaft müssen der Beteiligung zumindest ein Teil des Geschäftsführergehalts sowie die für die Beteiligung anfallenden Kosten (zum Beispiel für Gesellschafterversammlungen) zugerechnet werden.

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(b) Es ist verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass die Pauschalierung des Aufwendungsabzugsverbots an den Dividendenbezügen und Veräußerungsgewinnen anknüpft.

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Eine Bemessung des Abzugsverbots nach den tatsächlichen Betriebsausgaben scheidet aus, da damit sämtliche Ziele der typisierenden Regelung konterkariert würden; der angestrebte Vereinfachungseffekt entfiele und insbesondere veranlagungszeitraumbezogene Gestaltungen wieder möglich wären (s.o. bb (2)). Der Pauschalierungssatz kann auch nicht an den typischen Betriebsaufwendungen einer Beteiligung orientiert werden. Denn eine typische Höhe von Beteiligungsaufwendungen lässt sich - wie dargelegt - ebensowenig feststellen wie sich ohne größere Schwierigkeiten eine zutreffende Zuordnung von Aufwendungen zu den einzelnen Beteiligungen durchführen lässt. Eine Anknüpfung der Pauschalierung an die Anschaffungskosten der Beteiligung kommt ebenfalls nicht in Betracht. Abgesehen davon, dass die - gegebenenfalls historischen - Anschaffungskosten keinen Anhaltspunkt für die Ertragsaussichten einer Beteiligung geben und deren gegenwärtigen Wert nicht abbilden, versagt eine Anknüpfung an die Anschaffungskosten etwa auch dann, wenn eine Tochtergesellschaft von der Muttergesellschaft mittels Bargründung neu gegründet wird und dann anschließend im Wege der Einbringung von Wirtschaftsgütern zu Buchwerten nach dem Umwandlungssteuergesetz Aufgaben (wie zum Beispiel Vertriebs- oder Verwaltungsaufgaben) im Konzern übernimmt.

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Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts fehlt der im Gesetz vorgesehenen Bezugnahme auf die Bezüge und Veräußerungsgewinne nicht jeder Bezug zu Beteiligungsaufwendungen. Die Anknüpfung an die von der Tochtergesellschaft erhaltenen Ausschüttungen und die erzielten Veräußerungsgewinne bildet die mit dieser Beteiligung verbundenen Ertragsaussichten ab. Dies kann als Maßstab akzeptiert werden, orientiert sich der Wert einer Beteiligung doch im Wesentlichen an ihren Ertragsaussichten oder - falls ein solcher tatsächlich realisiert wurde - an dem Veräußerungsgewinn. Das zeigen die in der Praxis üblichen Bewertungsverfahren, die den Wert einer Beteiligung regelmäßig anhand der zukünftig zu erwartenden Erträge ermitteln (vgl. Beisel/Klumpp, Der Unternehmenskauf, 6. Aufl. 2009, Rn. 33). Die den vorgelegten Bestimmungen zugrunde liegende Annahme, dass die zu erwartenden Beteiligungsaufwendungen regelmäßig in einer gewissen Relation zur Ertragskraft der Beteiligungsgesellschaft stehen, erscheint vor diesem Hintergrund mangels besser geeigneter Maßstäbe zumindest vertretbar. Zudem hat der Gesetzgeber damit erkennbar die Pauschalierungsgröße aus der Mutter-Tochter-Richtlinie übernommen.

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(c) Schließlich hat auch die gesetzliche Festlegung auf einen Pauschalierungssatz in Höhe von 5% verfassungsrechtlich Bestand. Anhaltspunkte dafür, warum der Prozentsatz in dieser Höhe gewählt wurde, lassen sich den Gesetzgebungsmaterialien nicht unmittelbar entnehmen. Der Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zum Steuerbereinigungsgesetz und zum Korb II-Gesetz spricht aber dafür, dass der 5%-Satz in Anlehnung an die Obergrenze der Mutter-Tochter-Richtlinie gewählt worden ist. Denn der zunächst nach dem Steuerentlastungsgesetz noch in Höhe von 15% vorgesehene Pauschalierungssatz wurde wegen gemeinschaftsrechtlicher Zweifel auf 5% gesenkt (vgl. Gosch, a.a.O., S. 70; Kerssenbrock, a.a.O., S. 2148; Michaelis, a.a.O., S. 44; Schmidt/Hageböke, IStR 2002, S. 153).

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Weitere Anhaltspunkte für die Wahl des Pauschalierungssatzes sind nicht ersichtlich. Weder den Erwägungsgründen zur Mutter-Tochter-Richtlinie noch der zu ihr ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen (vgl. EuGH, Urteile vom 18. September 2003 - C-168/01 "Bosal" -, Slg. 2003, S. I-9409 und vom 23. Februar 2006 - C-471/04 "Keller Holding" -, Slg. 2006, S. I-2107).

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Allerdings spricht auch nichts dagegen, dass es sich - gerade mit Rücksicht auf die relativ geringe Höhe der Hinzurechnung - um eine plausible und damit vertretbare Annahme des Gesetzgebers handelt. Darauf lässt nicht zuletzt der Umstand schließen, dass sich in der Vergangenheit in der Praxis verhältnismäßig wenige Körperschaften mit Rechtsbehelfen gegen die Anwendung dieser Pauschalierungsregelung gewendet haben, was sich insbesondere an der nach den Angaben des Bundesministeriums der Finanzen niedrigen Einspruchsquote in diesem Bereich zeigt. Außerdem gibt es - wie dargelegt - gerade auch dem Umfang nach keinen typischen Fall von Beteiligungsaufwendungen. Schon daraus folgt, dass kein eindeutig geeigneteres Pauschalierungsmaß zur Verfügung steht, das der Gesetzgeber mit seiner Quote verfehlt haben könnte.

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dd) Die durch den Pauschalierungseffekt der streitigen Vorschriften hervorgerufene Belastung ist schließlich als eher geringfügig einzustufen. Zu einer, gemessen am objektiven Nettoprinzip, ungleichen Belastung führen die vorgelegten Bestimmungen nur insoweit, als sie Aufwendungen pauschal auch dann als nichtabziehbar fingieren, wenn sie überhaupt nicht oder nur in geringerer Höhe als 5% der Bezüge oder des Veräußerungsgewinns angefallen sind. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Pauschalierung nur eine verhältnismäßig geringe Steuerlast nach sich zieht. So werden 5% der steuerfreien Einnahmen hinzugerechnet und nach der im Vorlageverfahren maßgeblichen Rechtslage einem Steuersatz von 25% (mittlerweile 15%) unterworfen. Dies entspricht einer effektiven Steuerbelastung der an sich steuerfreien Einnahmen von 1,25%. Folglich ist die mit der Pauschalierung und Typisierung durch die vorgelegten Bestimmungen verbundene Ungleichbehandlung in den Fällen niedrigerer Beteiligungsaufwendungen regelmäßig nicht sehr intensiv (so auch Rind, a.a.O., S. 165, 188). So führt die Pauschalierung des Ausgabenabzugsverbots auch bei der Klägerin des Ausgangsverfahrens lediglich zu einer Steuerlast von 1,25% der Einnahmen.

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Bei der Mehrzahl der Körperschaften wird sich die pauschale Hinzurechnung nach § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG im Ergebnis als vorteilhaft erweisen. Dies folgt aus der in § 8b Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 KStG angeordneten Nichtanwendbarkeit des § 3c EStG, wonach auch unmittelbar mit den steuerfreien Bezügen und Gewinnen aus der Beteiligung an der Tochtergesellschaft in Zusammenhang stehende Betriebsausgaben uneingeschränkt geltend gemacht werden können, selbst wenn sie weit über den 5% der § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG liegen. Die aus § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG folgenden steuerlichen Belastungen müssen stets in Zusammenhang mit diesen erweiterten Abzugsmöglichkeiten der Betriebsausgaben im Übrigen gesehen werden. Damit erweisen sich die aus der Pauschalierung möglicherweise folgenden Härten einer ungleichen Belastung, zumal sie eher selten auftreten dürften, nicht als so gravierend, dass der Gesetzgeber den mit der Regelung verfolgten gewichtigen legitimen Zielen nicht hätte den Vorrang einräumen dürfen.

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ee) Offen bleibt in diesem Zusammenhang, ob der in der Literatur der Pauschalierung des Ausgabenabzugsverbots in mehrfach gestaffelten Beteiligungsstrukturen entgegengehaltene mögliche "Kaskadeneffekt" (vgl. dazu u.a. Dötsch/Franzen/Sädtler/Sell/Zenthöfer, a.a.O., S. 279; Gosch, a.a.O., S. 73; Michaelis, a.a.O., S. 90 ff.; Rogall, DB 2003, S. 2185; Schiffers, GmbHR 2004, S. 69 <77>) im Extremfall eine abweichende verfassungsrechtliche Bewertung verlangen kann. Das vorlegende Finanzgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob und in welcher Häufigkeit in der Unternehmenspraxis mit Konzernstrukturen zu rechnen ist, die das Problem eines solchen Kaskadeneffekts aufwerfen und wie dieser sich dort auswirken würde.

E.

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Die Entscheidung ist mit 6:2 Stimmen ergangen.