Sozialgericht Nürnberg Urteil, 18. Jan. 2019 - S 21 KR 33/16

bei uns veröffentlicht am18.01.2019

Gericht

Sozialgericht Nürnberg

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Kostenübernahme einer immunbiologischen Behandlung mit Hyperthermie, Boswellia Carterii, onkolytischen Viren, dendritischen Zellen und einem parenteralen Infusionsschema aus Curcumin, Hypericin, DCA, Aretsunate, Vitamin C und Amgydalin bei dem Arzt I..

Der 1962 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Im Februar 2002 trat beim Kläger eine Kopfschmerz- und Schwindelsymptomatik auf. Eine kernspintomographische Abklärung ergab einen Tumor im linken unteren Frontallappen des Gehirns. Eine dem Kläger damals empfohlene Resektion wurde anschließend nicht durchgeführt. Erst nach einem erstmaligen Krampfanfall im Jahre 2014 und erneuter Abklärung erfolgte am 07.11.2014 die Resektion des linken Frontalpols. Die histologische Aufarbeitung des damals gewonnenen Materials ergab die Diagnose eines Glioblastoma multiforme mit oligodendroglialer Komponente Grad IV. Anschließend wurde im Dezember 2014 und im Januar 2015 eine postoperative Radio-Chemotherapie durchgeführt und bis 16.02.2015 fand anschließend eine Rehabilitationsbehandlung statt; eine Temozomolid-Therapie erfolgte bis Mitte April 2015. Am 24.04.2015 begann der Kläger beim Arzt I. eine Hochdosis Vitamin C-Therapie und am 15.06.2015 eine Therapie mit Boswellia Carterii. Bei einer kernspintomographischen Untersuchung am 07.05.2015 wurde über eine diffuse Kontrastmittelanreicherung der Tumoranteile berichtet, bei einer weiteren derartigen Untersuchung am 06.08.2015 von einem Rückgang der signalgesteigerten kontrastmittel-aufnehmenden Tumoranteile und von einem insgesamt erfreulich stabilen Zustand ohne akuten operativen Handlungsbedarf. Es wurde aber aufgrund der großen verbliebenen Resttumoranteile die Fortführung der Therapie mit Temodal nach Normalisierung der Blutwerte empfohlen.

Mit Schreiben vom 12.06.2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für die streitgegenständliche Immuntherapie bei Herrn I. Dem Antrag lag ein Schreiben des Herrn I. bei, indem dieser den bisherigen Krankheitsverlauf des Klägers darlegte und seine Therapie vorstellte. Die Therapie mit Hyperthermie, Boswellia carterii, onkolytischen Viren, dendritischen Zellen und einem parenteralen Infusionsschema aus Curcumin, Hypericin, DCA, Aretsunate, Vitamin C und Amgydalin habe kurativen Anspruch. Durch die Therapie könne die Krebsstammzelle vernichtet werden. Alle beantragten Therapiefacetten hätten eine ausreichende wissenschaftliche Dokumentation vorzuweisen.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein, informierte den Kläger jedoch darüber nicht. In seiner Stellungnahme vom 03.07.2015 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass weitere schulmedizinische Behandlungsmöglichkeiten bestünden. Der Kläger möge sich an ein Tumorzentrum wenden. Eine wirklich spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf könne durch die - weltweit ausschließlich durch Herrn I. angebotene - Therapiemischung in keinster Weise belegt werden, auch nicht als palliative Option. Dies gelte sowohl für die Einzelbestandteile als auch für die Kombination dieser Verfahren. Aus sozialmedizinischen Gründen sei eine Leistungspflicht der Beklagte daher nicht gegeben.

Mit Bescheid vom 17.07.2015 lehnte die Beklagte daraufhin eine Übernahme der Kosten ab. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein mit Schreiben vom 24.07.2015. Es erfolgte eine erneute Begutachtung durch den MDK. Mit Gutachten vom 06.11.2015 bestätigte der MDK, dass es sich um eine nicht anerkannte Methode, sondern um eine hoch experimentelle Therapie außerhalb der Empfehlung onkologischer Fachkreise, der Arzneimittelrichtlinie und zum Teil des Arzneimittelgesetzes handle. Wissenschaftliche Grundlagen der Methoden seien auch im Widerspruch nicht dokumentiert und ein Behandlungsversuch nicht ausreichend belegt. Unter ambulanter allgemeinärztlicher Behandlung sei eine ausreichende positive Risikobewertung in Würdigung komplexer Behandlungsmuster und drohender schwerwiegender Komplikationen sowie fortgeschrittenem Krankheitsverlauf mit lebensbedrohlichen Komplikationsmöglichkeiten der Methode nicht möglich, insbesondere unter Anwendung fragwürdiger bzw. vertragsärztlich ausgeschlossener Substanzen. Die Methode verspreche keine positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf und habe gegenüber anerkannten Behandlungsoptionen keinen medizinischen Nutzen. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2015 lehnte die Beklagte eine Übernahme der Kosten ab.

Dagegen wendete der Kläger sich mit seiner Klage vom 17.01.2016.

Der Kläger beantragt,

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger vorläufig ab sofort, längstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens, eine Behandlung mit Hyperthermie, Boswellia carterii, onkolytischen Viren, dendritischen Zellen und einem parenteralem Infusionsschema aus Curcumin, Hypericin, DCA, Aretsunate, Vitamin C und Amgydalin bei I. nach Maßgabe des Behandlungskonzepts des I. vom 12.06.2015 als Sachleistung zu gewähren bzw. den Kläger von den entstandenen Heilbehandlungskosten freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Beklagte verweist darauf, dass die persönliche Entscheidung des Klägers - so verständlich sie auch sein mag - eine hoch experimentelle, nicht den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechende neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode in Anspruch zu nehmen, obwohl zugelassene Standardtherapien zur Verfügung stünden, nicht auf Kosten der Solidargemeinschaft durchgeführt werden könne. Des Weiteren bestehe aus fachärztlicher Sicht keine Aussicht auf Heilung oder spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf durch die geforderte Therapie. Dies gelte sowohl für die Einzelbestandteile als auch für die Kombination dieser Verfahren. Das Bundessozialgericht habe in einer Vielzahl von Entscheidungen ausgeführt, dass eine Schutzpflicht des Staates auch in der Weise bestehe, dass er die Versicherten davor zu bewahren habe, mit zweifelhaften Therapien behandelt zu werden. Dies dürfe nicht durch eine vermeintlich großzügige Gestattung der Versorgung mit alternativen Behandlungen, deren Wirksamkeit nicht ausreichend belegt sei, unterlaufen und umgangen werden. Rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt seien, reichten in jedem Fall nicht aus.

Mit Schreiben vom 29.08.2017 wandte der Kläger sich an das Sozialgericht Nürnberg mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, der unter dem Aktenzeichen S 21 KR 569/17 ER geführt wurde. Dem Kläger sei es nicht zuzumuten, die Entscheidung über den Anspruch in der Hauptsache abzuwarten. Dem Antrag lag ein Schreiben des behandelnden Arztes bei, wonach die Behandlung unaufschiebbar sei, da der Kläger seit 03.08.2017 unter zunehmenden Wortfindungsschwierigkeiten und Artikulationsstörungen leide. Dieses neurologische Symptom im Verein mit dem Verdacht auf ein Rezidiv schaffe eine völlig neue, hochbrisante Situation. Die Behandlung sei so dringlich, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines zeitlichen Aufschubs bestehe. Der Kläger sei nicht in der Lage aus eigenen Mitteln die Behandlung zu finanzieren. Die monatlichen Kosten für die Therapie mit onkolytischen Viren betrügen zwischen 2000 und 4000 Euro pro Monat initial, nach Beherrschung des Tumorwachstums 1000 - 2000 Euro. Die dendritischen Zellen kosteten etwa 4500 Euro pro Monat.

Am 29.09.2017 fand in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ein Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage statt. Die Ehefrau des Klägers führte aus, dass der Kläger am 24.04.2015 mit der Therapie bei Herrn I. begonnen habe. Diese bestehe aus hochdosiertem Vitamin C, DCA und Weihrauch und sei bis jetzt durchgeführt worden. Bei dem Kläger seien seit Beginn des Monats August 2017 Sprachstörungen aufgefallen, die auf ein Aufflammen des Krankheitsgeschehens hindeuteten. Der Kläger möchte nunmehr die Therapie mit den dendritischen Zellen, onkolytischen Viren und Hyperthermie beginnen. Am 31.08.2017 sei er in der Uni-Klinik G-Stadt zum MRT gewesen. Es habe keine genaue Aussage getroffen werden können, ob ein Rezidiv vorliege. Sie seien gebeten worden kurzfristig zu einer Verlaufskontrolle wieder in der Uni-Klinik zu erscheinen. Die Erkrankung des Klägers sei im Oktober 2014 entdeckt und im November sofort operiert worden. Es folgten dann Strahlentherapie und Chemotherapie. Ab Februar 2015 habe sich das Krankheitsgeschehen als stabil gezeigt. Im Mai 2015 sei ein erneutes MRT erfolgt, auch dieses zeigte einen stabilen Verlauf. Im März 2015 hätten die behandelnden Ärzte in F-Stadt mitgeteilt, dass eine weitere Chemotherapie nicht mehr erfolgen könne, da die Leukozytenwerte zu schlecht waren. Auf Nachfrage des Gerichts reichte der Kläger am 07.11.2017 ein Schreiben des Arztes Herrn I. ein, wonach es in der Rezidivsituation keine allgemein anerkannte Leitlinientherapie mehr gebe. Die Behandlung mit CCNU sei kein sinnvoller Weg. Die onkolytischen Viren hingegen seien der Hoffnungsträger der Onkologie.

Mit Beschluss vom 20.11.2017 hat die Kammer den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Die dagegen gerichtete und unter dem Aktenzeichen L 20 KR 742/17 ER geführte Beschwerde blieb erfolglos. Mit Beschluss vom 29.03.2018 hat das Bayerische Landessozialgericht die Beschwerde zurückgewiesen.

In dem vorliegenden Verfahren hat die Kammer Befundberichte des Hausarztes Herrn Dr. E., des Facharztes für innere Medizin, Internistische Onkologie/Hämatologie Herrn Dr. F., des behandelnde Arztes Herrn I. und des Universitätsklinikums G-Stadt und der Praxis für Strahlentherapie Priv.-Doz. Dr. med. A.B. eingeholt.

Am 22.03.2017 hat das Gericht bei Herrn Prof. Dr. J. von dem (Klinik für Neurologie Schwerpunkt klinische Neurobiologie) ein neurobiologisch-wissenschaftliches Gutachten in Auftrag gegeben. Der Sachverständige ist in seinem Gutachten vom 07.11.2017 zu folgendem Ergebnis gekommen: Bei dem Kläger sei im Februar 2002 eine Kopfschmerz- und Schwindelsymptomatik mittels MRT abgeklärt worden. Dabei habe sich ein Tumor gezeigt, der zu diesem Zeitpunkt keine Kontrastmittel aufgenommen hatte. Der Kläger habe entgegen dem Rat seiner behandelnden Ärzte eine operative Therapie abgelehnt. Es wurden daraufhin vierteljährlich MRT Kontrollen durchgeführt. Im Oktober 2014 sei es zu einer transienten Symptomatik mit sekundenlanger Sprachstörung gekommen und es sei eine Abklärung im MRT erfolgt. Am 07.11.2014 sei die Resektion des linken Frontalpols erfolgt. Es habe sich Diagnose eines Gliobastoma multiforme mit oligodendroglialer Komponente Grad IV ergeben. Es sei daraufhin eine Radio-Chemotherapie mit Radiatio durchgeführt worden. Im März 2015 habe der Kläger mit der Therapie bei Herrn I. begonnen. Diese habe zunächst aus hoch dosiertem Vitamin C, DCA und Weihrauch bestanden. Bei dem Kläger liege eine besondere Konstellation vor. Es sei ein Gliobastom mit oligodendroglialer Komponente nachgewiesen. Dieser Tumor sei in der Version der WHO-Klassifikation, die von 2007-2016 galt, als Gliobastom geführt worden, obwohl die Prognose eine deutlich bessere sei als beim „Standard-Gliobastom“. Seit 2016 werde dieser Tumor wieder als anaplastisches Oligodendrogliom geführt. Die Überlebenszeiten seien sehr viel länger (50% der Patienten überleben deutlich mehr als 6 Jahre) als beim Gliobastom ohne oligodendrogliale Komponente. Es sei zwar auch hier keine heilende Therapie möglich, jedoch sei der Therapieeffekt der zusätzlichen alkylierenden Chemotherapie in zwei großen internationalen Studien exzellent belegt. Zur Behandlung des Glioblastoms stünde eine Chemotherapie mit Temozolomid zur Verfügung. Im Rezidiv eines Glioblastoms sei auch die Therapie mit Nitrosoharnstoff (BCNU oder CCNU) zugelassen. Selbst in dem Fall, wenn man von einer Progression der Erkrankung am 07.05.2015 konstatiert hätte, stünde eine CCNUMonotherapie oder analog zum Therapiealgorithmus beim anaplastischen Oligidendrogliom, eine CCNUbasierte PCV-Chemotherapie mit der Aussicht auf gute Wirksamkeit zur Verfügung. Die Therapie des Glioblastoms mit oligodendroglialer Komponente sei somit selbst bei Vorliegen eines Progresses nicht ausgeschöpft und damit nicht als endgültig erfolglos oder mit nicht ausreichendem Erfolg behaftet anzusehen.

Im weiteren Verlauf des Gutachtens hat sich der Gutachter mit den einzelnen Bestandteilen der Therapie, wie sie Herr I. durchführt, auseinandergesetzt. Bezüglich der Hyperthermie gebe es keine belastbaren wissenschaftlichen Daten, die nahe legen würden, dass die Hyperthermie die Chance auf Heilung, Verhütung der Verschlimmerung, Lebensverlängerung sowie Schmerzlinderung bei malignen Gliomen verbessere. Es gebe jedoch Studien zur Wirksamkeit der Elektrohyperthermie. Insbesondere gebe es eine Studie zur loco-regionalen Elektrohyperthermie mit externer Applikationsweise, die Hyperthermie als Brachytherapie, d.h. nach neurochirurgische Implantation von Kathetern in das Gehirn des Patienten, appliziere. Im Rahmen dieser Untersuchung wurde jedoch auch die Radiotherapie über Brachytherapieverfahren appliziert, so dass sich die Studiensituation deutlich von dem durch Herrn I. angewandten Verfahren unterscheide. Des Weiteren gebe es folgende Studien: Fiorentine et al (2006), Wismeth et al. (2010), Hager et al (2008), Sahinbas et al. (2007). In der Summe gäbe es jedoch keine belastbaren wissenschaftlichen Daten, die nahe legen würden, dass Hyperthermie die Chance auf Heilung, Verhütung der Verschlimmerung, Lebensverlängerung sowie Schmerzlinderung bei malignen Gliomen verbessere. Der Ansatz habe sich in der medizinischen Praxis nicht durchgesetzt. Auch in die Leitlinie „Gliome“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und die Leitlinie zur Diagnose und Therapie anaplastischer Gliome und Gliobastome der European Association of Neurooncology gehöre die Elektro-Hyperthermie nicht zu den Empfehlungen. Boswellia-Säuren seien Weihrauch-Extrakte. Diese zeigten anti-tumorale Effekte in der Zellkultur, eine lebenszeit-verlängernde Wirkung könne jedoch nicht indiziert werden. Bezüglich der onkolytischen Viren führte der Gutachter aus, dass die Palette breit sei und diverse Studien derzeit derartige Therapieansätze analysieren würden. Es handle sich durchweg um experimentelle Ansätze, die auch nur in definierten Studien appliziert werden sollten. Bei dem Kläger solle ein Newcastle-Disease-Virus (NDV) eingesetzt werden, so dass nach Studien gesucht werden müsse, in denen dieser Virustyp eingesetzt wurde. Es würden sich Einzelfälle einer Behandlung finden und mehrere nicht randomisierte Studien. Diese Fälle würden sich nicht dazu eignen, die Therapie mit NDV zu etablieren. Bezüglich der dendritischen Zellen gebe es keine publizierten Phase III Studien, die eine Effektivität der Vakzination mit dendritischen Zellen nahelegten. Es handle sich um eine experimentelle Therapie, deren konkrete Wirksamkeit noch zu belegen sei. Zu der Behandlung mit Curcumin gebe es keine Studien. Bezüglich der Behandlung mit Dichlorazetat (DCA) seien bisher fünf Gliobastom Patienten publiziert, bei denen diese Substanz eingesetzt wurde. Eine Generalisierung der zum Teil günstigen individuellen Verläufe auf eine größere Gesamtheit von Patienten verbiete sich angesichts der sehr kleinen Fallzahl und der fehlenden Kontrollgruppe. Bei Artesunaten handle es sich ursprünglich um ein Anti-Malariamittel. Auch bezüglich dieser Therapie gebe es keinerlei klinische Daten, die Chancen auf Heilung, Verhütung der Verschlimmerung, Lebensverlängerung sowie Schmerzlinderung begründen würden. Artesunate seien kein etablierter Teil der Therapie von Hirntumorpatienten. Auch Vitamin C sei kein etablierter Teil der Therapie von Hirntumorpatienten, ebenso Amygdalin. Zusammenfassend gebe es für keine der von Herrn I. eingesetzten Therapien ausreichende klinische Hinweise, dass der Verlauf der Erkrankung eines Patienten mit malignen Gliomen verbessert werde. Der Kläger habe bereits im März 2015 mit der Therapie begonnen. Der Beginn der Behandlung bei Herrn I. sei nicht unaufschiebbar gewesen. Die Behandlung sei schon begonnen worden, bevor eine mögliche Progression der Erkrankung diskutiert wurde. Bei Nachweis einer Progression zu diesem Zeitpunkt wäre im schlimmsten Falle einer Umstellung der Chemotherapie nach Erholung der Leukopenie zwingend gewesen.

Mit Schreiben vom 12.12.2017 beantragte der Kläger die Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG bei dem Facharzt für Radiologie und Strahlentherapie Herrn Dr. med K. vom Institut O. in B-Stadt. Herr Dr. K. lagt dar, dass er weltweit seit bald 40 Jahren auf dem Gebiet onkologischer Verlaufskontrollen in Bildgebung und Labordiagnostik tätig sei und seit ca. 35 Jahren im Bereich therapeutischer anti-tumoröser Verfahren. Herr Dr. K. betreibt eine Privatpraxis für individuelle Krebstherapie und Krebsdiagnostik. In seiner Praxis führe er Behandlungen bestehend aus Radiotherapien, aus Chemoradiotherapien, zellulären Immuntherapien (z.B. mit dendritische Zellen) in möglichst umfassender, möglichst simultaner Kombination und unter Einbindung von lokoregionären oder Ganzkörper-Hyperthermien. Dr. K. hat zunächst kurz den Verlauf der Erkrankung dargestellt. Der Kläger habe Ende April 2015 mit der Boswellia-Therapie, DCA-Therapie und Hochdosis Vitamin C-Behandlung begonnen. Im November 2015 sei bei der Kernspintomographie keine Veränderung bis einschließlich 9/2016 festgestellt worden. Die durchgeführten Behandlungsmaßnahmen zwischen der Diagnose des Glioblastoms im Jahr 2014 und der Temodalpause im März 2015 seien eindeutig gemäß den therapeutischen Leitlinien durchgeführt worden. Der anschließende stabile Verlauf bei posttherapeutisch makroskopisch verbliebenen Resttumor könne jedoch nicht allein als Ergebnis der Chemoradiotherapie angesehen werden, da die Stabilität auch erhalten bliebe als schon monatelang kein Temodal mehr verabreicht worden war. Herr Prof. J. ginge davon aus, dass bei dem Kläger ein Oligodendrogliom vorliege. Oligodendrogliome wiesen tatsächlich eine deutlich längere Überlebenszeit aus, aber nur bis zu einer weiteren Malignisierung bis zu einem Gliobastom. Niedermaligne Tumore würde über die Jahre hinweg eine stetige Malignisierung erfahren. Es würden keine anerkannten Behandlungsmethoden mehr bestehen. Die von Herrn Professor Dr. J. vorgeschlagene Therapie mit CCNU oder BCNU würde der Gutachter nicht einmal für sich selbst wahrnehmen, sondern vehement als voraussichtlich nutzlos aber hochgradig nebenwirkungsbelastet verweigerten, da ihr Schaden während der letzten Lebensmonate oder ihr wohl nur Lebenswochen mit hoher Wahrscheinlichkeit größer wäre als der Nutzen. Es würden wissenschaftlichen Erkenntnisse bestehen, wonach die geplante Therapie mit Fokus auf die Hyperthermie für den Kläger vorteilhaft sei. Dabei gehe der Gutachter als Prämisse grundsätzlich davon aus, dass wissenschaftliches Arbeiten bereits dann vorliege, wenn der Arzt nach jedem schwierigen Einzelfall seine von ihm angewendeten Methoden kritisch hinterfrage und zu ändern bereit sei. Es stünden Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Hyperthermie zur Publikation an. Die Publikationen oder Resultate der lokalen Elektrohyperthermie basierten anfänglich größtenteils auf einer stetig wachsenden Anzahl von Einzelfällen, unterstützt durch eine ansteigende Anzahl von Studien. Die Durchführung von Studien werde durch eine ständig in diesem Sinne aktualisierte Gesetzeslage immer weiter erschwert. Jede sinnvolle Studie koste mindestens 300.000 €. Solche Summen könnten niedergelassene Ärzte nicht aufbringen. Nach knapp 40 Jahren Krebsdiagnostik und Radioonkologie sowie nach knapp 15 Jahren eigener Anschauung von Behandlungsergebnissen mit dendritischen Zellen bei Glioblastomen sei es für den Gutachter ein leichtes festzustellen, dass während 40 Jahren Strahlentherapie von ihm und seinen Kollegen weltweit nicht annähernd so gute Ergebnisse erzielt werden konnten wie durch die streitbewährten Methoden onkolytischer Viren und dendritischer Zellen. Es sei jedoch typisch für die Schulmedizin, konkurrierende Methoden abzulehnen, um pharma-onkologische Weltbilder und Ökonomie nicht zu gefährden oder gar einreißen zu müssen. Es sei wichtig statt Studienergebnissen auch eigene bloße Erfahrungen in neuen sinnvollen nebenwirkungsarmen Methoden miteinander auszutauschen und auch schon diesen Austausch und dessen Resultate als wissenschaftlich anzuerkennen. Mit der Therapie habe man nicht bis zu der Entscheidung der Krankenkasse warten können. Der Gutachter habe so viele Patienten mit einer geradezu explodierenden Tumorprogression gesehen, dass man keinesfalls darauf hoffen durfte, der Kläger werde schon nicht zu dieser prekären Patientengruppe gehören und hätte damit genügend Zeit voraussichtlich abschlägige Bescheide abwarten zu können. In einem Nachtrag des Gutachters zum besseren Verständnis von Behandlungsziel und Behandlungsmöglichkeiten der Hyperthermie erläutert der Gutachter die Unterschiede zwischen Elektrohyperthermie und der Durchführung der Hyperthermie mit mikrowellen-induzierten Geräten. Des Weiteren legte der Gutachter einen von ihm selbst verfassten Artikel über Elektrohyperthermie bei.

Am 18.01.2019 hat ein Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden. Die Ehefrau des Klägers hat in diesem Termin erklärt: „Nach der mündlichen Verhandlung im Jahr 2017 war der Gesundheitszustand meines Mannes zunächst stabil. Mitte des Jahres 2018 zeigte sich dann eine Verschlechterung des Zustandes, es erfolgte eine erneute Operation an der Uni-Klinik G-Stadt. Die Operation wurde am 08.08.2018 durchgeführt. Nach der operativen Entfernung des Tumors wurde eine Bestrahlung empfohlen, diese wollten wir in F-Stadt durchführen lassen. Der behandelnde Arzt in F-Stadt wollte jedoch die Verantwortung nicht auf sich nehmen und hat uns an eine Klinik in M. verwiesen. Wir sind dort jedoch nicht hingefahren, sondern haben uns wieder an Herrn I. gewandt, weil es meinem Mann so schlecht ging. Mit der Hyperthermie haben wir bereits im September 2017 angefangen, mit der Behandlung mit onkolytischen Viren am 06.09.2018. Ich habe für die Behandlung mit Hyperthermie und onkolytischen Viren eine Rechnung von Herrn I. über insgesamt ca. 20.000 Euro bekommen. Seit wir die Therapie bei Herrn I. angefangen haben, geht es meinem Mann wieder besser.“

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Akte im einstweiligen Rechtsschutzverfahren mit dem Aktenzeichen S 21 KR 569/17 ER sowie die Verwaltungsakte der Beklagte verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn dieser ist nicht rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Behandlung bei dem Arzt I..

Der Kläger hat weder aus § 13 Abs. 3 SGB V noch aus § 13 Abs. 3 a SGB V einen Anspruch auf Erstattung der von ihm bereits bezahlten Kosten der Behandlung bei Herrn I. Er hat auch keinen Anspruch auf Gewährung der Behandlung als Sachleistung.

Die Kammer lässt dahingestellt, ob die Klage bereits unzulässig ist. Wird die Erstattung von Kosten für selbstbeschaffte Leistungen begehrt, ist der Erstattungsbetrag konkret zu beziffern. Es muss also grundsätzlich ein bestimmter (bezifferter) Zahlungsantrag gestellt und dargelegt werden, wie sich dieser Betrag im Einzelnen zusammensetzt (BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 - B 3 KR 18/03 R - juris, Rn. 12). Ein auf Kostenerstattung gerichteter Antrag ist unzulässig, wenn er nicht beziffert, aber bezifferbar ist (BSG, Urteil vom 24. September 2002 - B 3 P 15/01 R - juris, Rn. 11). Wie der Kläger zu dem geltend gemachten Betrag von € 20.000,00 gelangte, ist nicht erkennbar. Der Kläger legte zwar Rechnungen vor, diese Rechnungen belegen den klageweise geltend gemachten Betrag von € 20.000,00 jedoch nicht. Die Kammer sieht davon ab, auf eine entsprechende Klarstellung hinzuwirken, weil die Klage unter keinem Gesichtspunkt begründet sein kann (dazu nachfolgend) und daher abzuweisen ist (vgl. BSG, Urteil vom 24. September 2002 - B 3 P 15/01 R - juris, Rn. 12).

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der bereits entstandenen Kosten gem. § 13 Abs. 3 SGB V.

Als Anspruchsgrundlage für die Erstattung bereits entstandener Kosten - wie vorliegend - kommt allein § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Hiernach gilt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen (1. Alternative) oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt (2. Alternative) und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war (zu den Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V im Einzelnen: BSG, 16.12.2008, B 1 KR 2/08 R - juris).

a) Eine Kostenerstattung gem. § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V kommt bereits deshalb nicht in Betracht, da der Kläger den notwendigen Beschaffungsweg nicht eingehalten hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts scheidet ein auf § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V gestützter Erstattungsanspruch aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne zuvor die Krankenkasse einzuschalten und ihre Entscheidung abzuwarten (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. BSG, 02.07.2015, B 3 KR 3/15 BH, BSG, 21.02.2008, B 1 KR 123/07 B; BSG, 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R). § 13 Abs. 3 SGB V soll einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall gewähren, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann. Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen (vgl. dazu BSG, 30.06.2009, B 1 KR 5/09 R, juris). Der Versicherte muss vor Inanspruchnahme der Leistung Kontakt mit seiner Krankenkasse aufgenommen haben. Er muss sich vor jeder Therapieentscheidung in zumutbarem Umfang um die Gewährung der Behandlung als Sachleistung bemühen. Nur bei einer Vorabprüfung können die Krankenkassen ihren - Gesundheitsgefährdungen und wirtschaftliche Risiken vorbeugenden - Beratungsauftrag erfüllen, die Versicherten vor dem Risiko der Beschaffung nicht zum Leistungskatalog gehörender Leistungen zu schützen, um gegebenenfalls aufzuzeigen, welche Leistungen anstelle der begehrten in Betracht kommen.

Nach den eingereichten Abrechnungsunterlagen der Praxis I. erfolgte die erste Behandlung am 30.04.2015, Rechnungen aus Apotheken liegen bereits vom März 2015 vor. Der Kläger hat damit bereits vor dem ablehnenden Bescheid der Antragsgegnerin vom 17.07.2015 mit der Therapie begonnen. Damit fehlt es aber an dem notwendigen Kausalzusammenhang zwischen der Leistungsablehnung und der Selbstbeschaffung, der nach der ständigen Rechtsprechung des BSG Voraussetzung ist für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V ist.

Dies gilt auch für den Fall einer - wie hier - längerfristigen Behandlung, die sich über einen längeren Zeitraum erstreckt. Ein Anspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Var. SGB V ist ausgeschlossen, wenn die Entscheidung der Krankenkasse das weitere Geschehen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme einer Leistung nicht mehr beeinflussen konnte, weil der Betroffene sich bereits unabhängig vom Verhalten seiner Krankenkasse endgültig auf eine bestimmte Leistungsform festgelegt hatte. Bei laufenden oder sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Leistungen wird die ablehnende Entscheidung der Krankenkasse zwar im Allgemeinen eine Zäsur sein; daher kann die Kostenerstattung im Einzelfall auch nur für diejenigen Leistungen ausgeschlossen sein, die bis zum Zeitpunkt der Entscheidung auf eigene Rechnung beschafft wurden. Das kann allerdings nur gelten, wenn die nachträglich getroffene Entscheidung der Krankenkasse überhaupt noch geeignet war, das weitere Leistungsgeschehen zu beeinflussen (zum Folgenden ausführlich: BSG, Urteil vom 22. März 2005 - B 1 KR 3/04 R - m. w. N., zitiert nach juris). Waren mit dem eigenmächtigen Beginn der Behandlung die weiteren Schritte bereits vorgezeichnet und festgelegt, fehlt selbst bei dieser Konstellation der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung der Kasse und der Kostenbelastung des Versicherten auch für den Teil der Behandlung, der zeitlich nach dem ablehnenden Bescheid liegt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die Behandlung als einheitlicher Vorgang darstellt, der sich hinsichtlich der Leistungsbewilligung nicht aufspalten lässt. Vorliegend hat der Kläger bereits mit der Behandlung begonnen und sich damit bereits unabhängig vom nachfolgenden Verhalten der Krankenkasse endgültig festgelegt. Durch den ablehnenden Bescheid ist daher keine Zäsur eingetreten. Es ist auch nicht zu erkennen, dass sich die Behandlung in unabhängig voneinander bestehende Leistungsabschnitte aufspalten lässt. Die Behandlung wurde vielmehr konstant seit März 2015 durchgeführt.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger, wie er in dem Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage angegeben hat, zunächst nur mit Vitamin C und anderen Medikamenten behandelt wurde und die Therapie mit Hyperthermie, dendritischen Zellen und onkolytischen Viren tatsächlich noch nicht begonnen hat. In dem Antrag vom 12.06.2015 ist die Therapie als Gesamtkonzept und einheitlicher Vorgang beschrieben. Eine Aufteilung auf einzelne Behandlungsteile verbietet sich daher. Das Besondere der Therapie des Herrn I., das dieser in seinen Berichten stets hervorhebt, liegt ja gerade in der Kombination der verschiedenen Einzeltherapien. Dies steht nach Ansicht des Gerichts einer Aufteilung in einen bereits begonnen und einen noch nicht begonnenen Teil entgegen.

b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB V. Es handelt sich nach Auffassung des Gerichts nicht um eine unaufschiebbare Leistung.

Nach Auffassung des Gerichts lag bereits keine unaufschiebbare Leistung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB V lag nicht vor. Danach sind dem Versicherten die Kosten einer selbstbeschafften Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Leistung unaufschiebbar war und die Krankenkasse sie nicht rechtzeitig erbringen konnte. Die von dem Kläger begehrte Leistung war nicht unaufschiebbar im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGB V. Eine unaufschiebbare Maßnahme liegt vor, wenn die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubes mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten (BSG, 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R - juris). Ein Zuwarten darf dem Versicherten aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar sein, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder z.B. wegen der Intensität der Schmerzen ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten ist (BSG, 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R).

Dem Kläger war ein vorübergehendes Zuwarten bis zu der Entscheidung der Antragsgegnerin zumutbar. Der Kläger hatte zu dem Zeitpunkt gerade einen Zyklus der schulmedizinischen Behandlung abgeschlossen. Eine mögliche Progression der Erkrankung, die eventuell zu einer Umstellung der schulmedizinischen Behandlung geführt hätte, wurde erst am 07.05.2015 diskutiert. Es war dem Kläger aus medizinischen Gründen möglich, die Entscheidung der Antragsgegnerin abzuwarten. Zwar ist sich das Gericht dessen bewusst, dass im Rahmen einer Krebs-Behandlung schnell Entscheidungen getroffen und Behandlungen begonnen werden müssen. Es bestehen aber keine Anhaltspunkte dahingehend, dass der angestrebte Behandlungserfolg später nicht mehr eintreten konnte oder ein Zuwarten aus medizinischen Gründen nicht zumutbar war. Darüber hinaus schafft § 13 Abs. 3 a SGB V eine verlässliche Grundlage dafür, in welchem zeitlichen Horizont eine Entscheidung zu erwarten ist. Die Beklagte muss aufgrund der gesetzlichen Vorgaben in § 13 Abs. 3 a SGB V binnen drei bzw. bei MDK-Begutachtung binnen fünf Wochen entschieden. Nach Auffassung des Gerichts hätte der Kläger diesen Zeitraum abwarten können.

2. Selbst wenn man von einer unaufschiebbaren Leistung ausgehen würde, hat der Kläger keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten bzw. Gewährung der Behandlung als Sachleistung nach den vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG, 6.12.2005, 1 BvR 347/98) entwickelten und mittlerweile in § 2 Abs. 1a SGB V normierten besonderen Anforderungen an das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung bei einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung. Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass bei dem Kläger noch anderweitige schulmedizinische Behandlungsmöglichkeiten bestehen und die Behandlung nach dem Konzept des Herrn I. keine hinreichende Aussicht auf positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bietet.

Nach § 2 Abs. 1 a SGB V hat der Kläger einen Anspruch auf Übernahme der Kosten unter folgenden Voraussetzungen:

a. Es muss eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vorliegen.

b. Für diese Erkrankung darf eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung stehen.

c. Durch die Behandlung muss eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehen.

Die Voraussetzungen dieser Norm sind bei der Therapie durch Herrn I. nicht erfüllt.

a) Der Kläger leidet an einem Gliobastom mit oligodendroglialen Bestandteilen. Dabei handelt es sich unstreitig um eine lebensbedrohliche bzw. regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung.

b) Es steht jedoch zur Überzeugung des Gerichts fest, dass in der Vergangenheit stets anderweitige zugelassenen Behandlungsmöglichkeiten, die Aussicht auf eine positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf haben, bestanden und auch aktuell noch bestehen.

Zu Beginn der Therapie bei Herrn I. im Jahr 2015 bestanden weitere Behandlungsmöglichkeiten. In seinem Arztbrief vom 06.11.2017 beschreibt Herr I. die Möglichkeit einer Therapie mit CCNU, was aus seiner Sicht zwar keinen sinnvollen Weg darstelle, aber möglich sei. Auch der gerichtliche Sachverständige beschreibt in seinem Gutachten weitere schulmedizinische Behandlungsmethoden wie die Behandlung mit CCNU, die gerade bei der Erkrankung des Klägers exzellent belegt sei. Diese Therapie könne auch in der Rezidivsituation durchgeführt werden und könne zu einer positiven Einwirkung auf den Krankheitsverlauf führen. Diese Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen können durch das Gutachten des Herrn Dr. K. nicht widerlegt werden. Dieser beschränkt sich darauf ohne weitere Begründung die Behandlung mit CCNU zu verwerfen. Diese Behandlung „würde der Gutachter nicht einmal für sich selbst wahrnehmen, sondern vehement als voraussichtlich nutzlos, aber hochgradig nebenwirkungsbelastet verweigern“. Ein Beleg für diese Behauptung wird von Herrn Dr. K. nicht angeführt. Mit einer solchen nicht weiter begründeten Behauptung kann ein sorgfältig erstelltes und auf medizinwissenschaftliche Erkenntnisse gestütztes Gutachten wie das des gerichtlichen Sachverständigen nicht erschüttert werden. Damit standen in der Vergangenheit - vor dem erneuten Aufflammen der Erkrankung im August 2018 - zugelassene Behandlungsmethoden zur Verfügung, die noch nicht von dem Kläger ausgeschöpft worden sind.

Auch aktuell bestehen noch schulmedizinische Behandlungsmöglichkeiten. Mitte des Jahres 2018 hat sich bei dem Kläger eine Verschlechterung des Zustandes eingestellt, es erfolgte am 08.08.2018 eine erneute Operation an dem G.. Nach der operativen Entfernung des Tumors wurde ärztlicherseits eine Bestrahlung empfohlen, die in F-Stadt durchgeführt werden sollte. Nach Angabe der Ehefrau des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 18.01.2019 habe der behandelnde Arzt in F-Stadt die Verantwortung jedoch nicht auf sich nehmen wollen und den Kläger an eine Klinik in M. verwiesen. Diese Therapieoption habe der Kläger jedoch nicht wahrnehmen wollen, sondern habe sich wieder an Herrn I. gewandt. Auch aktuell standen daher mit der Bestrahlung in einer Klinik in M. noch zugelassene Behandlungsmethoden zur Verfügung.

c) Die verfügbare Datenlage bietet für die von Herrn I. angebotene Therapie auch keine Aussicht auf Heilung oder wenigstens eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf (vgl. zur Hyperthermie: Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 19.11.2015, L 16 KR 677/15 B ER).

Wenn es darum geht, einem gesetzlich Krankenversicherten bei einer lebensbedrohlichen oder vorhersehbar tödlich verlaufenden Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, eine nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode zur Verfügung zu stellen, lässt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss, vom 06.12.2005, Az. 1 BvR 347/98) ein abgesenktes Evidenzniveau ausreichen. Die bei solchen Krankheiten vorliegende notstandsähnliche Situation schließt es unter Abwägung der widerstreitenden Verfassungsgüter aus, die Behandlung generell von dem für Arzneimittelzulassungen üblichen Wirksamkeitsnachweis in Form randomisierter kontrollierter und nach Möglichkeit (doppelt) verblindeter Studien abhängig zu machen. Wegen der Gefahr eines tödlichen Verlaufs bei faktischer Alternativlosigkeit sinken darüber hinaus die Anforderungen an den Nachweis einer positiven Nutzen-Risiko-Relation, weil die Risiken unerwünschter Arzneimittelwirkungen durch das der Krankheit eigene Mortalitätsrisiko in der Regel aufgewogen werden, so dass bereits eine nur mittelbar aus Indizien abgeleitete Nutzenprognose die Behandlung rechtfertigen kann (vgl. dazu SG Dresden, 2.9.2011, S 18 KR 434/11 ER). Es genügen daher schon (Wirksamkeits-) Indizien, die sich auch außerhalb von Studien oder vergleichbaren Erkenntnisquellen oder von Leitlinien der ärztlichen Fachgesellschaften finden können (vgl. bspw. BSG, Urteil vom 02.09.2014, B 1 KR 4/13 R.: wissenschaftliche Verlaufsbeobachtung anhand von 126 operierten Menschen, unterstützt durch Parallelbeobachtungen von Tierversuchen und untermauert durch wissenschaftliche Erklärungsmodelle). Indizien im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung sind aber stets „ernsthafte Hinweise“ auf eine Erreichbarkeit des Behandlungsziels durch die Alternativbehandlung (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - juris Rn. 66). Rein experimentelle Behandlungen - d.h. Behandlungen, mit denen ein bestimmtes Behandlungsziel (ggf. eine Heilung) ohne hinreichende Indizien auf eine Wirksamkeit im Wege des Experiments beabsichtigt ist - reichen hierfür nicht (nochmals BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2013 - 1 BvR 2045/12 - juris Rn. 15). Indizien im vorstehenden Sinne erfordern objektivierbare wissenschaftliche Erkenntnisse (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 1 KR 24/06 R - juris Rn. 23 f.). Das subjektive Empfinden des Versicherten, ggf. gestützt durch die entsprechende Einschätzung oder Empfehlung behandelnder Ärzte oder deren Erfahrungen bei Behandlungen der in Rede stehenden Art im Einzelfall, genügt für sich allein genommen nicht (vgl. dazu auch etwa BSG, Urteil vom 07.11.2006, - B 1 KR 24/06 R -, in juris Rdnr 32 f.). Denn die grundrechtliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, aus der ein Anspruch auf eine Behandlung mit einer neuen Behandlungsmethode bei lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung hergeleitet wird, soll nicht nur verhindern, dass die gesetzlichen Vorschriften zu den Leistungsansprüchen, die den Versicherten im Rahmen der GKV zustehen, in einer dem Zweck des Grundrechts zuwiderlaufenden Weise zu eng gefasst oder ausgelegt werden, weil den Staat mit der Schaffung des Systems der GKV eine besondere Verantwortung trifft (vgl. nochmals BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - juris Rn. 65). Die gleiche Schutzpflicht verlangt vom Staat, generell für einen Schutz vor Gesundheitsgefahren zu sorgen (z.B. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2011 - 1 BvR 1502/08 - juris Rn. 37); diese Schutzpflicht im System der GKV gebiete es daher ebenso Sicherungsmechanismen zum Schutz der Versicherten vor zweifelhaften oder nicht ordnungsgemäß durchgeführten Therapien zur Krankenbehandlung zu schaffen (BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 1 KR 24/06 R - juris Rn. 22).

Dies zugrunde gelegt bietet die von Herrn I. angebotene Therapie mit Hyperthermie, Boswellia Carterii, onkolytischen Viren, dendritischen Zellen und einem parenteralen Infusionsschema aus Curcumin, Hypericin, DCA, Aretsunate, Vitamin C und Amgydalin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Zu diesem Ergebnis gelangt die Kammer aufgrund der Gutachten des MDK und den schlüssigen und nachvollziehbaren stets überzeugend begründeten Aussagen der Herrn Prof. Dr. J.. Nach dem Sachverständigengutachten des Herrn Dr. J. bietet keine der begehrten Therapien - zumindest so wie sie Herr I. durchführt - eine Aussicht auf positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf (vgl. dazu auch SG Augsburg, 28.07.2015, S 6 KR 147/14). Es handelt sich zwar jeweils um Therapieansätze, zu denen geforscht wird. Diese befinden sich jedoch noch in dem Stadium der experimentellen Therapie. Allein die Überzeugung des Herrn I. und des Klägers, dass die Therapie erfolgreich sei, genügt für eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht. Es liegen keinerlei wissenschaftliche Erkenntnisse vor, dass die Therapie - so wie sie Herr I. durchführt - Erfolgsaussicht verspricht. Herr I. und auch der Sachverständige nach § 109 SGG stellen lediglich Behauptungen auf, die nicht belegt sind. Entgegen der Auffassung des Herrn Dr. K. führt auch nicht jedes reflektierte Handeln eines Arztes zu einer wissenschaftlichen Erkenntnis. Dem ist das Bundessozialgericht bereits entgegengetreten, indem es das subjektive Empfinden des Versicherten, ggf. gestützt durch die entsprechende Einschätzung oder Empfehlung behandelnder Ärzte oder deren Erfahrungen bei Behandlungen der in Rede stehenden Art im Einzelfall für sich allein genommen nicht genügen lässt (vgl. dazu auch etwa BSG, Urteil vom 07.11.2006, - B 1 KR 24/06 R -, in juris Rdnr 32 f.). Insgesamt kann das Gutachten nach § 109 SGG des Herrn Dr. K. nicht überzeugen. Soweit der Gutachter nach § 109 SGG Kritik am Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen übt, besteht diese aus Behauptungen, die durch keinerlei medizinisch-wissenschaftliche Veröffentlichungen oder wissenschaftliche Untersuchungen und Studien belegt sind. Mit einem solchen unbelegten Vorbringen kann ein sorgfältig erstelltes und auf medizinwissenschaftliche Erkenntnisse gestütztes Gutachten wie das des gerichtlichen Sachverständigen nicht erschüttert werden. Es verwundert, wenn der Gutachter nach § 109 SGG zwar angeblich wissenschaftliche Behauptungen aufstellt, dann aber dafür keinerlei wissenschaftliche Belege liefert. Sofern Herr Dr. K. dem Sachverständigen entgegenhält, dass die beim Kläger angewendeten Methoden teilweise bereits seit vielen Jahren erfolgreich und ohne Nebenwirkungen eingesetzt würden, bleibt er den Nachweis dieser Behauptung schuldig.

d) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Therapie unter dem Aspekt, dass Herr I. einen kurativen Ansatz verspricht. Das Bundesverfassungsgericht hat am 26.02.2013 (1 BvR 2045/12) entschieden, dass die Frage, ob eine alternative Behandlungsmethode von der gesetzlichen Krankenversicherung zu finanzieren ist, nicht losgelöst davon betrachtet werden kann, was die anerkannte, dem medizinischem Standard entsprechende Behandlung zu leisten vermag und was die alternative Behandlung zu leisten vorgibt. Versicherte könnten jedenfalls dann nicht auf eine palliative Standardtherapie verwiesen werden, wenn durch eine Alternativbehandlung eine nicht ganz entfernte Aussicht auf Heilung besteht. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. Herr I. geht in seinem Antrag an die Antragsgegnerin vom 12.06.2015 zwar von einem kurativen Ansatz seiner Behandlung aus, da er durch die Behandlung mit dendritischen Zellen und onkolytischen Viren die Krebsstammzellen vernichten will. Dies geht jedoch nicht über eine bloße zweckgerichtete Behauptung hinaus. Es fehlt hier eine Begründung dafür, dass der streitigen Therapie - entgegen der evident anderslautenden wissenschaftlichen Lehrmeinung - potentiell kurative Wirkung zukommt. Es existieren auch nach dem Sachverständigengutachten des Herrn Dr. J. keinerlei Hinweise darauf, dass die von Herrn I. vorgeschlagene Kombinationsbehandlung gegenüber der medikamentösen Behandlung einen prognostischen Vorteil von solchem Gewicht bieten würde (vgl. zu einer ähnlichen Therapie SG Dresden, Beschluss vom 01. Februar 2013 - S 18 KR 946/12 ER -, Rn. 25, juris). Das Gegenteil ist der Fall: Nach dem Sachverständigengutachten des Herrn Dr. J. besteht bei dem Kläger ein anaplastisches Oligodendrogliom. Für diese Erkrankung ist der Therapieeffekt der zusätzlichen alkylierenden Chemotherapie belegt. Die Prognose ist deutlich besser als bei einem „Standard“-Gliobastom. Soweit der Kläger auf eine weitere Chemotherapie oder Radiotherapie verzichten möchte, beruht dies auf einer ihm obliegenden Abwägung, durch die aber nicht das Spektrum der zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse zu erbringende Leistungen erweitert wird. Es fehlen Indizien, dass die begehrte Versorgung einen über diese palliative Standardtherapie hinausgehenden Erfolg zeitigen könnte.

3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Therapie bei Herrn I. gem. § 13 Abs. 3 a SGB V, der seit dem 26.02.2013 gilt.

Nach § 13 Abs. 3a SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Kann die Krankenkasse diese Frist nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (Satz 7).

Die Antragsgegnerin hat zwar über den Antrag nicht binnen drei Wochen entschieden. Der Kläger hat aber mit der streitgegenständlichen Therapie bereits vor seinem Antrag und zwar im März 2015 begonnen. Damit hat sich der Sachleistungsanspruch des Klägers in einen Kostenerstattungsanspruch gem. § 13 Abs. 3 SGB V umgewandelt. Ein Kostenerstattungsanspruch ist nicht von § 13 Abs. 3 a SGB V erfasst (vgl. BSG, 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R - juris unter Rn 11, 12). Voraussetzung für die Erstattung von Kosten gem. § 13 Abs. 3 a SGB V ist nämlich, dass die Selbstbeschaffung der Leistung zeitlich nach dem Eintritt der Genehmigungsfiktion erfolgt ist.

Dies muss nach Auffassung des Gerichts auch bei längerfristigen Behandlungen gelten, die sich - wie hier - über einen längeren Zeitraum erstrecken. Dies steht im Einklang mit der gefestigten und langjährigen Rechtsprechung des BSG zu einer Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V. Hat der Versicherte bereits mit einer Behandlung begonnen, ohne das eine Entscheidung der gesetzlichen Krankenkasse vorliegt, so scheidet ein Kostenanspruch aus, es sei denn, es hat sich um eine unaufschiebbare Leistung gehandelt. Dies ist hier jedoch nicht der Fall (vgl. dazu oben unter 2.). Genauso ist die Rechtslage nach Ansicht der Kammer zu beurteilen, wenn die streitigen Kosten nicht aufgrund der Regelung des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Var. SGB V (rechtswidrige Ablehnung) sondern aufgrund § 13 Abs. 3 a S. 7 SGB V geltend gemacht werden. Auch dann müssen der Eintritt der Genehmigungsfiktion und die entstandenen Kosten zumindest hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs kausal miteinander verknüpft sein. Hat der Versicherte aber bereits mit der Behandlung begonnen, ohne dass die Genehmigungsfiktion eingetreten war, hat er sich bereits unabhängig vom nachfolgenden Verhalten der Krankenkasse endgültig festgelegt. In diesen Fällen tritt weder durch einen ablehnenden Bescheid noch durch den möglichen Eintritt der Genehmigungsfiktion eine Zäsur ein. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die bereits begonnene Dauermaßnahme kann folglich nicht auf § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V gestützt werden.

4. Die Kostenfolge ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Sozialgericht Nürnberg Urteil, 18. Jan. 2019 - S 21 KR 33/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Sozialgericht Nürnberg Urteil, 18. Jan. 2019 - S 21 KR 33/16

Referenzen - Gesetze

Sozialgericht Nürnberg Urteil, 18. Jan. 2019 - S 21 KR 33/16 zitiert 11 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 13 Kostenerstattung


(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht. (2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 2 Leistungen


(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. B

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 109


(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschieß

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Sozialgericht Nürnberg Urteil, 18. Jan. 2019 - S 21 KR 33/16 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Sozialgericht Nürnberg Urteil, 18. Jan. 2019 - S 21 KR 33/16 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Urteil, 08. März 2016 - B 1 KR 25/15 R

bei uns veröffentlicht am 08.03.2016

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 17. Juni 2015 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 02. Sept. 2014 - B 1 KR 4/13 R

bei uns veröffentlicht am 02.09.2014

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. November 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das La

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 26. Feb. 2013 - 1 BvR 2045/12

bei uns veröffentlicht am 26.02.2013

Tenor 1. Der Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. August 2012 - L 8 KR 189/12 B ER - verletzt die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes

Referenzen

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. November 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten in Höhe von 11 564 Euro für eine auf Kuba durchgeführte Augenbehandlung.

2

Der 1984 geborene, bei der beklagten Ersatzkasse versicherte Kläger leidet an Retinitis pigmentosa, einer Netzhauterkrankung, die zu Tunnelblick und in ihrem Endstadium zur Erblindung führt. Im Jahr 2002 beantragte er - ua auf seine nur noch 3 % bis 5 % betragende Sehfähigkeit hinweisend - die Kostenübernahme für eine sog Kuba-Therapie bei Prof. Dr. P in H ; dieser Arzt habe eine Therapie entwickelt, die das weitere Absterben der Netzhaut verhindere und das Sehvermögen verbessern könne. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die Behandlungsmethode schulmedizinisch nicht allgemein anerkannt sei (Bescheid vom 19.11.2002; Widerspruchsbescheid vom 5.2.2003). Vom 10.1. bis 31.1.2003 ließ sich der Kläger auf Kuba auf eigene Kosten (nach eigenen Angaben 11 564 Euro) entsprechend behandeln.

3

Die Klage auf Kostenerstattung ist ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des SG vom 24.3.2006; Urteil des LSG vom 1.8.2007). Auf die Revision des Klägers hat der erkennende Senat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen, soweit die Verurteilung der Beklagten zur Kostenerstattung für die auf Kuba durchgeführte Augenbehandlung betroffen gewesen ist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3), weil das LSG dem nach § 109 SGG gestellten Antrag des Klägers, Beweis zur Eignung der durchgeführten Heilbehandlung durch den Sachverständigen Prof. M (Universität Bologna) zu erheben, nicht nachgekommen war. Das LSG hat ein Gutachten nach Aktenlage bei Prof. M
dazu eingeholt, ob die Kuba-Therapie dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche, und anschließend die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, es fehle an einem hinreichend objektiven Wirksamkeitsnachweis der sog Kuba-Therapie (Urteil vom 16.11.2011).

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Art 2 Abs 2 S 1 sowie von Art 2 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip. Das LSG verkenne mit seiner Forderung nach validen Studien oder aussagekräftige Statistiken die Anforderungen, die an Hinweise für eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine zumindest spürbare positive Einwirkung der Behandlung auf den Krankheitsverlauf zu stellen seien.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. November 2011 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 24. März 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Februar 2003 zu verurteilen, ihm 11 564 Euro zu zahlen,

6

hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. November 2011 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Das an-gefochtene Urteil ist aufzuheben, weil es auf der Verletzung materiellen Rechts beruht und sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist. Ob der Kläger einen Anspruch auf Erstattung von 11 564 Euro Kosten für die Auslandsbehandlung hat, vermag der Senat wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht abschließend zu beurteilen. Es steht nicht fest, dass die Voraussetzungen einer grundrechtsorientierten Auslegung des § 18 Abs 1 S 1 SGB V erfüllt sind.

10

Das LSG hat zwar in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise einen Erstattungsanspruch aus § 18 Abs 1 S 1 SGB V bei Beachtung des Qualitätsgebots(§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) abgelehnt (dazu 1.), aber unzureichende Feststellungen zur grundrechtsorientierten Auslegung getroffen (dazu 2.). Eine grundrechtsorientierte Auslegung scheidet allerdings aus, wenn die Überprüfbarkeit der Methode an der langjährig fehlenden, aber in Fachveröffentlichungen geforderten Publikation grundsätzlich verfügbarer Daten scheitert (dazu 3.).

11

1. Nach den auch den erkennenden Senat bindenden Vorgaben (vgl § 170 Abs 5 SGG) des ersten Revisionsurteils (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30) beruht der geltend gemachte Anspruch auf § 18 Abs 1 S 1 SGB V(in der hier noch maßgeblichen bis 31.12.2003 geltenden Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992, BGBl I 2266). Danach kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung ganz oder teilweise übernehmen, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist. Der Anspruch setzt ua nach den bindenden Vorgaben (vgl § 170 Abs 5 SGG) des ersten Revisionsurteils (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 29) grundsätzlich voraus, dass die Leistung im Ausland den Anforderungen an das Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) entspricht. Das hat das LSG im Ergebnis - unangegriffen und revisionsrechtlich nicht zu beanstanden - verneint, weil nicht die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie kein Konsens besteht.

12

2. Nach den bindenden Vorgaben (vgl § 170 Abs 5 SGG) des ersten Revisionsurteils (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30) kommen Abmilderungen der Anforderungen des Qualitätsgebots infolge grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungsrechts der GKV auch im Anwendungsbereich des § 18 SGB V in Betracht. Ist für Versicherte eine nach Inlandsmaßstäben grundrechtsorientierter Leistungsbestimmung in der GKV zu beanspruchende Leistung nur im Ausland möglich, besteht ein Leistungs- und Kostenerstattungsanspruch nach § 18 Abs 1 S 1 SGB V.

13

Nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30), bedarf es hierfür zunächst der Feststellung, dass der Kläger im Zeitpunkt der Behandlung an einer Krankheit litt, die zumindest wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen vergleichbar ist. Diesbezüglich hat das erste Revisionsurteil vorgegeben, dass hierfür eine drohende Erblindung in Betracht kommt, hochgradige Sehstörungen demgegenüber nicht ausreichen (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 31). Sodann ist nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 32), die Feststellung erforderlich, ob, und wenn ja mit welcher Zielrichtung, bezüglich dieser Krankheit zumindest eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung steht und für den Kläger anwendbar ist. Des Weiteren ist nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 32), festzustellen, mit welcher Zielsetzung die sog Kuba-Therapie bei Prof. Dr. P durchgeführt wird und ob bezüglich dieser Behandlungsmethode eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf im Zeitpunkt der Behandlung des Klägers bestand. Hierzu bedarf es der Feststellungen, die für eine abstrakte Nutzen-Risiko-Analyse und für eine Abwägung der Chancen und Risiken dieser Behandlungsmethode gerade im Hinblick auf die konkreten Verhältnisse bei dem Kläger erforderlich sind. Maßgeblich sind für diese Feststellungen nach den bindenden Vorgaben (§ 170 Abs 5 SGG) die Regeln der ärztlichen Kunst.

14

Das LSG hat zur konkreten Krankheitssituation des Klägers, zu den regelmäßigen, schulmäßigen Behandlungsmethoden bei seiner Augenkrankheit, zu einer Unverträglichkeit dieser Methoden bei dem Kläger und zu den Chancen und Risiken der Kuba-Therapie im Hinblick auf die konkreten Verhältnisse des Klägers im Behandlungszeitpunkt keine Feststellungen getroffen. Soweit es eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fern liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verneint hat, weil es an einem objektiven Wirksamkeitsnachweis fehle, verkennt es die bindenden Vorgaben des ersten Revisionsurteils (§ 170 Abs 5 SGG).

15

Das LSG hat ausgeführt, die Methode sei nicht ausreichend an Menschen evaluiert und werde von der überwiegenden Mehrheit der einschlägigen Fachleute jedenfalls nicht befürwortet, vom wissenschaftlichen Beirat von Pro Retina Deutschland e.V. nicht empfohlen, vom "Health Council of the Netherlands" in den Niederlanden nicht anerkannt und auch in den USA und überwiegend in Europa nicht akzeptiert. Prof. M gehöre zur Minderheit der Befürworter und zu den wenigen Anwendern, gleichwohl vermöge er nur auf seine eigenen klinischen Erfahrungen an Menschen (und Tieren) hinzuweisen, ohne dass valide Studien oder aussagekräftige Statistiken zur Wirksamkeit der Therapie existierten. Die bisherigen Erkenntnisse würden zwar einen positiven Einfluss nicht ausschließen, genügten aber nicht, um von einer "ausreichend gesicherten" positiven Einwirkung auf den Krankheitsverlauf auszugehen, weil sich der Sachverständige nur auf die Feststellungen der von ihm operierten 126 Menschen stütze und eine graduelle Verzögerung des Sehschärfeverlustes um 18 bis 24 Monaten nicht ausreichend erscheine.

16

Damit überspannt das LSG die Anforderungen an eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsrechts. Nach der Rechtsprechung, auf die das erste Revisionsurteil verweist (BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30), ist es bei der abstrakten und konkreten Prüfung von Risiken und Nutzen geboten, jeweils das erreichbare Behandlungsziel iS von § 27 Abs 1 S 1 SGB V zu berücksichtigen. Der bei beiden Analysen von Nutzen und Risiken zu beachtende Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der den Zurechnungszusammenhang zwischen Therapie, Erfolg und Risiken betrifft, unterliegt - ähnlich wie bei der Anwendung von Pharmakotherapien mit Fertigarzneimitteln zu Lasten der GKV - aufgrund von Verfassungsrecht Abstufungen je nach Schwere und Stadium der Erkrankung und Ausmaß sowie Eintrittswahrscheinlichkeit von unerwünschten Nebenwirkungen. Erforderlich ist, dass unter Berücksichtigung des gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes sowohl die abstrakte als auch die konkret-individuelle Chancen-/Risikoabwägung ergeben, dass der voraussichtliche Nutzen die möglichen Risiken überwiegt. Soweit danach eine solche Behandlungsmethode in Betracht kommt, ist zu prüfen, ob bei Anlegen des gleichen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes auch andere (anerkannte) Methoden diesen Anforderungen genügen. Ist dem so, sind diese Methoden untereinander hinsichtlich Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit zu vergleichen (vgl zum Ganzen zB BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 25 f mwN - LITT, bezogen in BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 30).

17

Die Folge dieser Rechtsprechung ist, dass, wenn eine nach allgemeinem Standard anerkannte Behandlungsmethode für eine wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen vergleichbare Krankheit (generell) überhaupt nicht zur Verfügung steht oder im konkreten Einzelfall ausscheidet, weil der Versicherte diese nachgewiesenermaßen nicht verträgt, der Nachweis des Nutzens und der Wirtschaftlichkeit einem der notstandsähnlichen Situation angemessenen geringeren Wahrscheinlichkeitsmaßstab unterfällt. Dabei sind Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen "je schwerwiegender die Erkrankung und 'hoffnungsloser' die Situation, desto geringere Anforderungen an die 'ernsthaften Hinweise' auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg" (BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 40; mit ähnlicher Tendenz schon: Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, 179; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl 2002, § 130 RdNr 23).

18

Wissenschaftliche Verlaufsbeobachtungen anhand von operierten 126 Menschen, unterstützt durch Parallelbeobachtungen im Rahmen von Tierversuchen und untermauert durch wissenschaftliche Erklärungsmodelle sind ihrer Art nach ohne Weiteres geeignet, nach den Regeln der ärztlichen Kunst als Grundlage für "Indizien" im dargelegten Sinne für eine positive Einwirkung zu dienen. Nach den Feststellungen des LSG hat Prof. M 126 Patienten mit der Pelaez-Technik jeweils an einem Auge operiert - das nicht operierte Auge diente der Kontrolle - und stellte dabei fest, dass es zu Verbesserungen kam, die sich schrittweise verringerten, bis sie 18 bis 24 Monate nach Einsetzen des Implantats verschwanden.

19

Es entspricht auch nicht den dargelegten bindenden Vorgaben des ersten Revisionsurteils (§ 170 Abs 5 SGB V), einen Erhalt der Sehfähigkeit durch Verbesserung des Sehvermögens für 18 bis 24 Monate als unerheblich anzusehen. Vielmehr handelt es sich ohne Zweifel um eine offenkundig positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Zu den Behandlungszielen des § 27 Abs 1 S 1 SGB V gehören die Heilung einer Krankheit, die Verhütung ihrer Verschlimmerung sowie die Linderung von Krankheitsbeschwerden. Eine "Verhütung der Verschlimmerung" setzt nicht voraus, dass diese dauerhaft ist, also die Erkrankung zum Stillstand kommt. Bei schicksalhaftem Verlauf der Erkrankung genügt es vielmehr, dass ihr Eintritt - hier die Erblindung - hinausgezögert wird (Steege in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Juni 2014, K § 27 RdNr 59).

20

Ob die Kuba-Therapie im Zeitpunkt der Behandlung nach den aufgezeigten Maßstäben geeignet war, beim Kläger eine Verschlimmerung im oben genannten Sinne zu vermeiden, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen. Nach Angaben von Prof. M soll die Behandlung nur auf Fälle mit hoher Progredienz des Krankheitsverlaufs angewendet werden, bei denen andere Methoden fehlschlugen. Das LSG hat - aus seiner Sicht folgerichtig - die Frage offen gelassen, ob bei dem Kläger eine derartig schnelle Degeneration vorliegt. Entsprechende und ggf die übrigen, oben umschriebenen Feststellungen wird es nachzuholen haben. Mit Blick auf die gebotene abstrakte Nutzen-Risiko-Bewertung genügt es nicht - wie durch das LSG geschehen - nur allgemein mögliche Risiken zu nennen, ohne deren Eintrittswahrscheinlichkeit zu ermitteln. Die zu beurteilenden Risiken (nicht unerhebliches Operationsrisiko, Doppelsehen, welliges Sehen, schnellerer Verfall der Sehschärfe und des Gesichtsfelds als vor der Operation) wird das LSG deshalb abstrakt sowie bezogen auf den Einzelfall fest umreißen und mit dem möglichen Erfolg der Therapie in Anlehnung an Art 2 Abs 2 GG abzuwägen haben.

21

3. Die Notwendigkeit für das LSG, weitere ergänzende Feststellungen zu treffen, kann sich aus den in neuerer Rechtsprechung des erkennenden Senats entwickelten Anforderungen ergeben. Der erkennende Senat darf diese neueren Anforderungen trotz der grundsätzlichen Bindungswirkung (vgl § 170 Abs 5 SGG) seines ersten Revisionsurteils auch in diesem Verfahren zugrunde legen. Ein oberster Gerichtshof des Bundes ist nämlich, wenn er - wie hier der erkennende Senat - seine der Zurückverweisung zugrunde liegende Rechtsauffassung inzwischen geändert hat und erneut mit derselben Sache befasst wird, an seine zunächst vertretene Rechtsauffassung nicht gebunden (vgl GmSOGB BSGE 35, 293, 296 ff = SozR Nr 15 zu § 170 SGG; BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 13 mwN).

22

Nach der neueren Rechtsprechung des erkennenden Senats (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 22 f) verlangt die aus der grundrechtsorientierten Auslegung (heute: § 2 Abs 1a SGB V) resultierende Absenkung der Anforderungen, die ansonsten an den Evidenzgrad des Behandlungserfolgs zu stellen sind, unter dem Gesichtspunkt des Patientenschutzes die jeweils mögliche Erhebung und Zugänglichmachung von nach wissenschaftlichen Maßstäben verfügbaren Informationen durch die Behandler entsprechend ihrem Berufs- und Standesrecht. Die aktive Bereitschaft der Behandler, zum Abbau der (noch) vorhandenen Erkenntnisdefizite beizutragen, ist unverzichtbarer Teil des auch der grundrechtsorientierten Auslegung und § 2 Abs 1a SGB V zugrunde liegenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses. Scheitert die Überprüfbarkeit der Methode nach Maßgabe der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft an der langjährig fehlenden, aber in Fachveröffentlichungen geforderten Publikation grundsätzlich verfügbarer Daten - womöglich als Teil eines Marketingkonzepts des Behandlers im Ausland -, sind derartige Erkenntnismängel nicht durch die grundrechtsorientierte Auslegung und § 2 Abs 1a SGB V zu überwinden(BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 22 f). Die auch und gerade dem Patientenschutz dienende, tatsächlich mögliche wissenschaftliche Kontrolle, die innerhalb von EU und EWR die Regelungen über die Zulassung neuer Behandlungsmethoden prägt, steht bei Auslandskrankenbehandlungen nach § 18 SGB V nicht zur Disposition der ausländischen Leistungserbringer. Die grundrechtsorientierte Auslegung des § 18 Abs 1 S 1 SGB V darf nicht dazu dienen, ein Anreizsystem dafür zu schaffen, dass in Deutschland versicherte Patienten Behandlungsleistungen außerhalb von EU und EWR nur deshalb erhalten, weil sich ihre Anbieter dauerhaft objektiv der tatsächlich möglichen wissenschaftlichen Kontrolle ihrer Leistungen entziehen, insbesondere keine Daten über die Einzelheiten der Behandlung einschließlich ihrer objektivierbaren Folgen veröffentlichen(BSG aaO mwN zur Sicherung des Qualitätsgebots gemäß § 2 Abs 1 S 3 SGB V durch § 135 Abs 1 SGB V). Das LSG hat zur Ursache bestehender Erkenntnismängel im Zeitpunkt der Behandlung des Klägers keine Feststellungen getroffen. Auch dies wird es nachzuholen haben.

23

4. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

Tenor

1. Der Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. August 2012 - L 8 KR 189/12 B ER - verletzt die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Er wird aufgehoben. Die Sache wird an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

2. ...

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für so genannte neue Behandlungsmethoden in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung im Rahmen der ambulanten ärztlichen Versorgung.

I.

2

1. Die 1959 geborene Beschwerdeführerin ist gesetzlich krankenversichert. Im November 2009 erkrankte sie an einem metastasierenden Ovarialkarzinom. Nach Operation und Chemotherapie wurden im Dezember 2011 Metastasen zwischen Magen und Pankreas sowie am Milzhilus festgestellt. Im März 2012 wurde weiter eine Milzmetastase festgestellt. Nicht klar beurteilen ließ sich, ob auch schon die Leber betroffen ist.

3

Am 19. März 2012 stellte die Beschwerdeführerin bei ihrer Krankenkasse den Antrag auf Übernahme der Kosten von 15.000 € monatlich für eine Behandlung mittels einer kombinierten Immuntherapie (Hyperthermie, onkolytische Viren und dendritische Zellen) bei einem Arzt für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren.

4

Die Krankenkasse holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, es liege eine lebensbedrohliche Erkrankung vor. Die vorgesehene Behandlung stelle eine experimentelle Therapie dar, ein positives Votum des Gemeinsamen Bundesausschusses liege nicht vor. Weder für die einzelnen Elemente noch für die Kombinationsbehandlung stünden ausreichend wissenschaftlich geprüfte und tragfähige Anhaltspunkte zur Verfügung, die eine klinisch relevante Wirksamkeit bei Patientinnen mit metastasierendem Ovarialkarzinom nach vorangegangener Chemotherapie belegten. Es stünden nach dem Versagen der Standardtherapie verschiedene Zweitlinienbehandlungen zur Verfügung. Die Entscheidung über eine Drittlinientherapie könne nur im Einzelfall erfolgen.

5

Mit Bescheid vom 2. April 2012 lehnte die Krankenkasse den Antrag auf Kostenübernahme für die beantragte Kombinationstherapie ab. Einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz lehnte das Sozialgericht mangels Anordnungsanspruch ab. Die streitige Behandlung sei kein Leistungsgegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung. Auch bestehe kein Anspruch nach § 2 Abs. 1a Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

6

Gegen den ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts legte die Beschwerdeführerin Beschwerde ein, die mit Beschluss des Landessozialgerichts vom 27. August 2012 zurückgewiesen wurde. Dieses stellte fest, dass es für die Behandlung der Krebserkrankung der Beschwerdeführerin durchaus Behandlungsmöglichkeiten der sogenannten Zweitlinien- und Drittlinienbehandlung gebe. Die Beschwerdeführerin könne sich nicht darauf berufen, mit der begehrten Kombinationstherapie werde ein kurativer und nicht ein palliativer Behandlungserfolg angestrebt. Denn es sei auf das Vorliegen einer schulmedizinischen Behandlungsmethode abzustellen, unabhängig davon, ob mit dieser eine palliative oder kurative Wirkung erzielt werden könne. Darüber hinaus ließ das Landessozialgericht einerseits offen, ob eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung des Krankheitsbildes der Beschwerdeführerin durch die angestrebte Therapie bestehe, erklärte aber andererseits, der Senat gehe davon aus, dass das begehrte Therapiekonzept keinerlei Aussicht auf Erfolg biete, den behaupteten kurativen Effekt zu erzielen.

7

2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Landessozialgerichts und rügt eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

8

3. Die Krankenkasse hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Das Hessische Ministerium der Justiz, für Integration und Europa hat von einer Stellungnahme abgesehen.

II.

9

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt. Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet.

10

1. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.

11

a) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist hinreichend geklärt, welche Folgen sich gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip aus dem in der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Versicherungszwang ergeben, wenn es um die Versorgung mit einer neuen Behandlungsmethode im Fall einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Krankheit geht und für die Behandlung dieser Krankheit eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht (vgl. BVerfGE 115, 25 <49>). Der Gesetzgeber hat die vom Bundesverfassungsgericht formulierten Anforderungen mit Wirkung ab dem 1. Januar 2012 in § 2 Abs. 1a SGB V einfachgesetzlich niedergelegt. Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.

12

b) Geklärt ist darüber hinaus, dass Maßstab für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung und seiner fachgerichtlichen Auslegung und Anwendung im Einzelfall auch die Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG sind. Zwar folgt aus diesen Grundrechten regelmäßig kein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen die Krankenkassen auf Bereitstellung bestimmter und insbesondere spezieller Gesundheitsleistungen. Die Gestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich jedoch an der objektiv-rechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu stellen. Insofern können diese Grundrechte in besonders gelagerten Fällen die Gerichte zu einer grundrechtsorientierten Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts verpflichten. Dies gilt insbesondere in Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung. Denn das Leben stellt einen Höchstwert innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung dar. Behördliche und gerichtliche Verfahren müssen dieser Bedeutung und der im Grundrecht auf Leben enthaltenen grundlegenden objektiven Wertentscheidung gerecht werden und sie bei der Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts berücksichtigen (vgl. BVerfGE 115, 25 <44 f.> m.w.N.).

13

2. Der Beschluss des Landessozialgerichts beruht auf einer Auslegung von § 2 Abs. 1a SGB V, die mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip und mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar ist.

14

Vorliegend gehört die von der Beschwerdeführerin begehrte Kombinationstherapie nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Zwar gibt es nach den Feststellungen des Landessozialgerichts für die Behandlung der Krebserkrankung der Beschwerdeführerin mehrere allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Zweitlinienbehandlungen. Soweit das Landessozialgericht in dem angegriffenen Beschluss bei der Auslegung des § 2 Abs. 1a SGB V aber meint, es könne offen lassen, ob "eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung" besteht, ist dies mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip und mit der Schutzpflicht des Staates für das Leben aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht zu vereinbaren.

15

Es bedarf einer besonderen Rechtfertigung vor Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip, wenn den der Versicherungspflicht unterworfenen Versicherten Leistungen für die Behandlung einer Krankheit und insbesondere einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung durch gesetzliche Bestimmungen oder durch deren fachgerichtliche Auslegung und Anwendung vorenthalten werden (vgl. BVerfGE 115, 25 <44>). Die Argumentation des Landessozialgerichts verkennt, dass die Frage, ob eine alternative Behandlungsmethode von der gesetzlichen Krankenversicherung zu finanzieren ist, nicht losgelöst davon betrachtet werden kann, was die anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zu leisten vermag und was die alternative Behandlung zu leisten vorgibt. Bei der Frage, ob eine Behandlung mit Mitteln der Schulmedizin in Betracht kommt und inwieweit Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen, ist zunächst das konkrete Behandlungsziel zu klären (vgl. BSGE 97, 190 <201>). Bereits aus § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V ergibt sich, dass hinsichtlich der therapeutischen Ziele der Krankenbehandlung zwischen der Heilung einer Krankheit, der Verhütung ihrer Verschlimmerung und der Linderung von Krankheitsbeschwerden differenziert wird. Dabei ist nach Möglichkeit die Heilung der Krankheit als das vorrangige Behandlungsziel anzustreben, während die Verhütung einer Verschlimmerung oder die Linderung von Krankheitsbeschwerden regelmäßig nachrangige Behandlungsziele sind (vgl. bereits BSGE 78, 70 <85>). Bietet die Schulmedizin nur noch palliative Therapien an, weil sie jede Möglichkeit kurativer Behandlung als aussichtslos erachtet, kommt die Alternativbehandlung nur dann in Betracht, wenn die auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinaus reichenden Erfolg besteht. Rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt sind, reichen hierfür nicht. Mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist es in der extremen Situation einer krankheitsbedingten Lebensgefahr jedoch nicht zu vereinbaren, Versicherte auf eine nurmehr auf die Linderung von Krankheitsbeschwerden zielende Standardtherapie zu verweisen, wenn durch eine Alternativbehandlung eine nicht ganz entfernte Aussicht auf Heilung besteht.

16

3. Die angegriffene Entscheidung beruht auf dem festgestellten Verfassungsverstoß. Sie wird aufgehoben und die Sache an das Landessozialgericht zurückverwiesen (§ 95 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BVerfGG). Dieses wird zu entscheiden haben, ob es bei Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben noch Ermittlungsbedarf sieht. Der Entscheidung ist dies nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen. Zwar führt das Gericht einerseits aus, dass die in Frage stehende Therapie keinerlei Aussicht auf Erfolg biete, den therapeutischen Effekt zu erzielen, jedoch lässt es andererseits offen, ob eine kurative Wirkung erzielt werden kann. Dies steht hinsichtlich des maßgeblichen Gesichtspunkts in Widerspruch zueinander oder bringt zumindest eine Unklarheit in die Entscheidung. Denn die Frage nach der Aussicht auf Heilung darf nach den dargelegten Kriterien gerade nicht offen gelassen werden. Maßstab der Prüfung unter dem Regime von Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip sowie des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist, ob bei Einsatz der begehrten Kombinationstherapie entgegen der Annahme der Schulmedizin, nur noch palliativ behandeln zu können, eine auf Indizien gestützte, nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung der fortgeschrittenen Krebserkrankung besteht.

III.

17

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 17. Juni 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten einer Psychotherapie.

2

Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Kläger beantragte befundgestützt eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie als Langzeittherapie (16.12.2013). Die Beklagte beauftragte Dr. D mit der Begutachtung, ohne den Kläger hierüber zu informieren (17.12.2013). Dr. D hielt die aktuell wirksame Psychodynamik der Erkrankung für nicht erkennbar und erwartete keinen hinreichenden Behandlungserfolg. Die Beklagte lehnte es ab, die Therapie zu bewilligen (Bescheid vom 27.1.2014, Widerspruchsbescheid vom 5.5.2014). Das SG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (Gerichtsbescheid vom 11.8.2014). Der Kläger hat sich 24 Sitzungen tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie selbst beschafft und danach sein Klagebegehren auf Erstattung der von ihm hierfür aufgewandten Kosten in Höhe von 2200 Euro gerichtet. Das LSG hat unter Anpassung des Tenors die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Ihr Schweigen auf den Leistungsantrag habe dessen Bewilligung fingiert (Urteil vom 17.6.2015).

3

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 13 Abs 3a S 6 und 7 SGB V. Die Regelung begründe allein einen Kostenerstattungsanspruch für "erforderliche" Leistungen. Hieran habe es gefehlt.

4

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 17. Juni 2015 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 11. August 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

                 
        

hilfsweise,

                 
        

das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 17. Juni 2015 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Der Kläger beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

6

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der beklagten KK ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht verurteilt, dem Kläger 2200 Euro zu zahlen. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Erstattungsanspruchs gemäß § 13 Abs 3a S 7 SGB V(in der seit 26.2.2013 geltenden Fassung des Art 2 Nr 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten sind erfüllt. Der Anwendungsbereich der Regelung ist eröffnet (dazu 1.). Die vom Kläger beantragten - hier nur noch streitigen - 24 Sitzungen tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie gelten als von der Beklagten genehmigt (dazu 2.). Der Kläger beschaffte sich daraufhin die erforderliche Leistung selbst. Hierdurch entstanden ihm 2200 Euro Kosten (dazu 3.).

8

1. Der Kläger kann sich für die Erstattung der Kosten auf den Anspruch aus § 13 Abs 3a S 7 SGB V nach dessen zeitlichem und sachlichem Anwendungsbereich berufen.

9

a) Die Regelung ist nach ihrem Geltungszeitraum anzuwenden. Nach dem maßgeblichen intertemporalen Recht (vgl hierzu zB BSGE 99, 95 = SozR 4-2500 § 44 Nr 13, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 4 RdNr 13 f mwN)greift die Regelung lediglich für Anträge auf künftig zu erbringende Leistungen, die Berechtigte ab dem 26.2.2013 stellen. Der Kläger stellte nach dem 25.2.2013, am 16.12.2013, bei der Beklagten einen Antrag auf Bewilligung einer künftig zu leistenden Psychotherapie.

10

b) Die Regelung ist auch sachlich anwendbar. Denn der Kläger verlangt weder unmittelbar eine Geldleistung noch Erstattung für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Reha), sondern Erstattung für selbstbeschaffte Krankenbehandlung.

11

Die Regelung findet keine Anwendung auf Ansprüche gegen KKn, die unmittelbar auf eine Geldleistung gerichtet sind. Das sind andere Ansprüche der Versicherten wegen sachleistungsersetzender Kostenerstattung etwa nach § 13 Abs 2 und 3 SGB V und wegen Geldleistungen mit Unterhaltsersatzfunktion. Der gesetzliche Erstattungsanspruch für die selbstbeschaffte erforderliche Leistung passt hierauf nicht (vgl zu Wortlaut und Regelungssystem aa). Versicherte können sich jederzeit Kredite zur Überbrückung von Zeiten verschaffen, in denen bei ihnen ein Bedarf entsteht, weil KKn den Versicherten zustehende Geldleistungsansprüche nicht auszahlen. Es bedarf hierfür keines besonderen Rechtsmechanismus, die gesetzliche Verzinsungsregelung greift (vgl § 44 SGB I). Der Gesetzgeber ging für die Regelung dementsprechend von einer "Ausnahme vom Sachleistungsprinzip" aus (vgl hierzu Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32, zu Art 2 Nr 1). Die späteren Änderungen des Gesetzentwurfs (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 11) geben keinen Anlass zu einer hiervon abweichenden Auslegung.

12

Der Erstattungsanspruch bei Genehmigungsfiktion ist auch für Leistungen zur medizinischen Reha nicht gegeben. Das folgt aus Wortlaut und Binnensystem der Norm (dazu aa), Entstehungsgeschichte (dazu bb) und Regelungszweck im Gesamtsystem (dazu cc). Die vom Kläger begehrte und selbstbeschaffte Psychotherapie ist nicht Gegenstand der medizinischen Reha, sondern der Krankenbehandlung (dazu dd).

13

aa) Nach § 13 Abs 3a S 1 SGB V hat die KK über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die KK eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (§ 13 Abs 3a S 2 SGB V). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (§ 13 Abs 3a S 3 SGB V). Eine hiervon abweichende Frist ist nur für den Fall der Durchführung eines im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) vorgesehenen Gutachterverfahrens bestimmt (§ 13 Abs 3a S 4 SGB V). Kann die KK die Fristen nach S 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (§ 13 Abs 3a S 5 SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die KK zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V). Für Leistungen zur medizinischen Reha gelten die §§ 14, 15 SGB IX zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbstbeschaffter Leistungen(§ 13 Abs 3a S 9 SGB V).

14

bb) Nach den Gesetzesmaterialien gelten für Leistungen zur medizinischen Reha die §§ 14, 15 SGB IX zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbstbeschaffter Leistungen. Das Gesetz stellt dies ausdrücklich klar (vgl hierzu Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32, zu Art 2 Nr 1).

15

cc) Auch der Regelungszweck im Gesamtsystem verdeutlicht, dass das Gesetz Kostenerstattung wegen Genehmigungsfiktion für Leistungen zur medizinischen Reha nicht vorsieht. Der Gesetzgeber hat bewusst Leistungen zur medizinischen Reha aus dem Anwendungsbereich des § 13 Abs 3a SGB V ausgeklammert. Schon die Vorgaben für die Zuständigkeitsklärung bei Leistungen zur medizinischen Reha (§ 14 SGB IX)würden zur gesetzlichen Regelung der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V)nicht passen. Sie wären mit dem aufgezeigten Fristenregime des § 13 Abs 3a SGB V nicht kompatibel. Leitete der erstangegangene Träger einen Antrag innerhalb von zwei Wochen nach seinem Eingang weiter (§ 14 Abs 1 S 1 SGB IX),könnte dennoch innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang beim erstangegangenen Träger bereits die Genehmigungsfiktion eintreten (§ 13 Abs 3a S 1 und S 6 SGB V). Vergleichbares gilt für die unterschiedlichen Erstattungsregelungen (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V und § 15 SGB IX).

16

dd) Der Begriff der Leistungen zur medizinischen Reha ist funktionsadäquat auszulegen: Einerseits umfasst er in einem weiten Sinne Leistungen, die eine KK als erstangegangener Reha-Träger nach dem Recht des eigentlich zuständigen Trägers zu erbringen hat, wenn sie den Antrag nicht weiterleitet und deshalb im Außenverhältnis zum zuständigen Träger wird. Die in § 14 Abs 1 und 2 SGB IX geregelte Zuständigkeit erstreckt sich in diesem Falle im Außenver-hältnis (behinderter Mensch/Reha-Träger) auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation für Reha-Träger vorgesehen sind(vgl BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4 RdNr 14 mwN). Einbezogen sind zB Adaptionsmaßnahmen, die eine KK allein nach dem Recht des SGB V nicht leisten müsste (vgl zB BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4, RdNr 16 ff). Dieser Schutzmechanismus darf nicht durch ein zu enges Begriffsverständnis der "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation" ausgehebelt werden. Der Entscheidungszeitpunkt der KK spielt hierbei keine Rolle.

17

Andererseits erstreckt sich dieser Leistungsbegriff in der Regelung des § 13 Abs 3a S 9 SGB V - bei einem Antrag auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in einem engeren Sinne - nur auf die Leistungen zur medizinischen Reha im Sinne des SGB V. Das sind insbesondere die dort als solche bezeichneten Leistungen (§ 40 SGB V), aber auch zB teilweise Arbeitstherapie (vgl zB BSGE 109, 122 = SozR 4-2500 § 42 Nr 1, RdNr 21 ff, 26 mwN). Versicherte der GKV - wie der Kläger - haben gemäß § 11 Abs 2 S 1 SGB V ua Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Reha, die "notwendig sind, um eine Behinderung (…) abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mindern". Diese Leistungen werden unter Beachtung des SGB IX erbracht, soweit im SGB V nichts anderes bestimmt ist (§ 11 Abs 2 S 3 SGB V). Die KKn - gemäß § 5 Nr 1, § 6 Abs 1 Nr 1 SGB IX mögliche Träger von Leistungen zur medizinischen Reha - sind nach den Vorschriften des SGB V zur Erbringung medizinischer Reha-Leistungen indes nur unter den dort genannten Voraussetzungen verpflichtet(vgl § 11 Abs 2, § 40 SGB V; BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4, RdNr 18).

18

Speziell für Psychotherapie unterscheidet das SGB V zwischen ärztlicher Behandlung einschließlich Psychotherapie (vgl § 27 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB V)als einem Teilbereich ambulanter Krankenbehandlung einerseits (vgl zu diesem Begriff in Abgrenzung zur ambulanten Reha § 40 Abs 1 S 1 SGB V) und Leistungen zur medizinischen Reha, zu deren Bestandteilen auch Psychotherapie gehören kann, und ergänzenden Leistungen andererseits (vgl § 27 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB V). Im Regelungsbereich ambulanter ärztlicher Behandlung im Rechtssinne wird die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit durch Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Psychotherapeuten), soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien (RL) nach § 92 SGB V durchgeführt(vgl § 28 Abs 3 S 1 SGB V idF durch Art 2 Nr 2 Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 16.6.1998, BGBl I 1311; vgl BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 20 RdNr 10). Um eine solche Leistung psychotherapeutischer Krankenbehandlung ging es dem Kläger.

19

2. Grundvoraussetzung des Erstattungsanspruchs aufgrund Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V)ist, dass die beantragte Leistung im Sinne des Gesetzes nach Ablauf der Frist als genehmigt gilt (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V; dazu a). Das folgt aus dem oben aufgezeigten Wortlaut und dem Binnensystem der Norm (vgl oben, II. 1. b aa), Entstehungsgeschichte und Regelungszweck. Die vom Kläger beantragte Leistung galt in diesem Sinne als genehmigt (dazu b).

20

a) Der Eintritt der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V)ist in der Erstattungsregelung (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V) verkürzend mit den Worten "nach Ablauf der Frist" vorausgesetzt. Gemeint ist nicht jeder Fall des Ablaufs der Fristen nach § 13 Abs 3a S 1 oder S 4 SGB V. Der Erstattungsanspruch setzt nach seinem inneren Zusammenhang mit der Mitteilungspflicht (§ 13 Abs 3a S 5 SGB V)und dem Eintritt der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V)vielmehr voraus, dass die KK keinen oder keinen hinreichenden Grund mitteilte. Nur im Fall grundlos nicht fristgerechter Leistungserbringung kann sich der Versicherte aufgrund der Regelung die erforderliche Leistung selbst beschaffen und Kostenerstattung von der KK verlangen (vgl hierzu auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 29 f). Der Regelungszweck, Bewilligungsverfahren der KKn zu beschleunigen (vgl hierzu auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, aaO S 29), zielt nicht darauf ab, hinreichend begründete Verzögerungen zu sanktionieren. Die Mitteilung mindestens eines hinreichenden Grundes bewirkt für die von der KK prognostizierte, taggenau anzugebende Dauer des Bestehens zumindest eines solchen Grundes, dass die Leistung trotz Ablaufs der Frist noch nicht als genehmigt gilt. Stellt sich nach Mitteilung einer ersten, sachlich gerechtfertigten Frist heraus, dass diese zunächst prognostizierte Frist sich aus hinreichenden Sachgründen als zu kurz erweist, kann die KK zur Vermeidung des Eintritts der Genehmigungsfiktion dem Antragsteller die hinreichenden Gründe mit der geänderten taggenauen Prognose erneut - ggf wiederholt - mitteilen. Erst wenn sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der letzten, hinreichend begründeten Frist eine erforderliche Leistung selbst beschaffen, ist die KK zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet.

21

b) Die vom Kläger beantragte Psychotherapie galt wegen Fristablaufs als genehmigt. Denn der leistungsberechtigte Kläger (dazu aa) stellte bei der Beklagten einen hinreichend bestimmten Antrag (dazu bb) auf Leistung von 25 Sitzungen tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie als Langzeitpsychotherapie, die er für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegt (dazu cc). Diesen Antrag beschied die Beklagte nicht innerhalb der Frist des § 13 Abs 3a S 1 SGB V, ohne dem Kläger hinreichende Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen(dazu dd).

22

aa) Der Kläger ist als bei der Beklagten Versicherter leistungsberechtigt im Sinne der Regelung. "Leistungsberechtigter" ist derjenige, der berechtigt ist, Leistungen nach dem SGB V zu beanspruchen. Hierzu zählen in der GKV Versicherte im Verhältnis zu ihrer jeweiligen KK.

23

bb) Der Kläger beantragte hinreichend bestimmt die Gewährung einer Psychotherapie als Langzeittherapie im Umfang von 25 Sitzungen. Damit die Leistung im Rechtssinne nach Ablauf der Frist als genehmigt gelten kann, bedarf es eines fiktionsfähigen Antrags. Entsprechend den allgemeinen, in § 42a VwVfG(Verwaltungsverfahrensgesetz idF durch Art 1 Nr 5 des Vierten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften - 4. VwVfÄndG - vom 11.12.2008, BGBl I 2418 mWv 18.12.2008) normierten Grundsätzen (vgl Begründung zu § 42a VwVfG im Gesetzentwurf der Bundesregierung eines 4. VwVfÄndG, BT-Drucks 16/10493 S 15) gilt "eine beantragte Genehmigung (…) nach Ablauf einer für die Entscheidung festgelegten Frist als erteilt (…), wenn dies durch Rechtsvorschrift angeordnet und der Antrag hinreichend bestimmt ist". Da der Verwaltungsakt nicht erlassen, sondern fingiert wird, muss sich der Inhalt der fingierten Genehmigung aus dem Antrag in Verbindung mit den einschlägigen Genehmigungsvorschriften hinreichend bestimmen lassen (vgl Begründung zu § 42a VwVfG im Gesetzentwurf der Bundesregierung eines 4. VwVfÄndG, BT-Drucks 16/10493 S 16). Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs 1 SGB X hinreichend bestimmt ist(zu § 13 SGB V: Helbig in jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 13 RdNr 73; Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Dezember 2015, § 13 RdNr 58l; s auch Gemeinsames Rundschreiben des Spitzenverbandes Bund der KKn und der Verbände der KKn auf Bundesebene zur leistungsrechtlichen Vorschrift des § 13 Abs 3a SGB V vom 15.5.2013, S 20; zu § 42a VwVfG: U Stelkens in P Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl 2014, § 42a RdNr 35 mwN).

24

So lag es hier. Der Klägerantrag auf Gewährung von Psychotherapie als Langzeittherapie im Umfang von 25 Sitzungen war im Rechtssinne hinreichend bestimmt und fiktionsfähig.

25

cc) Der Antrag des Klägers betraf eine Leistung, die er für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV lag. Die Gesetzesregelung ordnet diese Einschränkungen für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich, aber sinngemäß nach dem Regelungszusammenhang und -zweck an. Denn die Genehmigungsfiktion begründet zugunsten des Leistungsberechtigten einen Naturalleistungsanspruch, dem der im Anschluss hieran geregelte, den Eintritt der Genehmigungsfiktion voraussetzende naturalleistungsersetzende Kostenerstattungsanspruch im Ansatz entspricht (vgl § 13 Abs 3a S 7 SGB V). Der Naturalleistungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion ermöglicht auch mittellosen Versicherten, die nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, ihren Anspruch zu realisieren (vgl LSG NRW Beschluss vom 23.5.2014 - L 5 KR 222/14 B ER - Juris RdNr 7 mwN). Für diese Auslegung spricht schließlich der Sanktionscharakter der Norm (vgl hierzu Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32, zu Art 2 Nr 1). Der Anspruch ist entsprechend den allgemeinen Grundsätzen auf Freistellung von der Zahlungspflicht gerichtet, wenn die fingierte Genehmigung eine Leistung betrifft, die nicht als Naturalleistung erbracht werden kann (vgl zur Kostenfreistellung zB BSGE 117, 10 = SozR 4-2500 § 13 Nr 32, RdNr 16 mwN und Leitsatz 2). Auch der Kostenerstattungsanspruch aufgrund Genehmigungsfiktion setzt voraus, dass sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine "erforderliche" Leistung (entsprechend der fingierten Genehmigung; dazu II. 3. a) selbst beschaffen.

26

Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen. Die Gesetzesmaterialien sprechen beispielhaft den Fall an, dass die KK auch im Fall der selbstbeschafften Leistung, zum Beispiel bei einer notwendigen Versorgung mit Zahnersatz, nicht den vom Versicherten zu tragenden Eigenanteil zu übernehmen hat (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 30; im Ergebnis ähnlich etwa LSG NRW Beschluss vom 23.5.2014 - L 5 KR 222/14 B ER - Juris RdNr 9; Schleswig-Holsteinisches LSG Beschluss vom 20.1.2016 - L 5 KR 238/15 B ER - Juris RdNr 23 ff; Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Dezember 2015, § 13 RdNr 58l; Vogl, NZS 2014, 210, 211; Werner, SGb 2015, 323, 325; aA etwa LSG NRW Beschluss vom 26.5.2014 - L 16 KR 154/14 B ER, L 16 KRL 16 KR 155/14 B - Juris RdNr 26 ff; Helbig in jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 13 RdNr 74; Kingreen in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 13 RdNr 29; Knispel, SGb 2014, 374, 376; Rieker, NZS 2015, 294, 297; Preis/Schneider, NZS 2013, 281, 288; Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand Dezember 2015, § 13 RdNr 43).

27

Die beantragte Psychotherapie unterfällt ihrer Art nach dem Leistungskatalog der GKV, wie oben dargelegt. Der Kläger konnte auch aufgrund der fachlichen Befürwortung seines Antrags durch die Diplom-Psychologin und psychologische Psychotherapeutin T die Behandlung für geeignet und erforderlich halten. Der Gedanke an einen Rechtsmissbrauch liegt fern.

28

dd) Die Beklagte beschied den Antrag nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Wochen (§ 13 Abs 3a S 1 SGB V), ohne dem Kläger hinreichende Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen: Sie teilte ihm keinerlei Gründe mit. Die Frist von drei Wochen ist maßgeblich, weil die Beklagte den Kläger nicht über die Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme unterrichtete (vgl zur Pflicht § 13 Abs 3a S 2 SGB V). Ohne diese gebotene Information kann der Leistungsberechtigte nach Ablauf von drei Wochen annehmen, dass sein Antrag als genehmigt gilt (aA Rieker, NZS 2015, 294, 296). Die Frist begann am Dienstag, dem 17.12.2013 (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 187 Abs 1 BGB). Nach den bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG)ging der Antrag des Klägers am 16.12.2013 der Beklagten zu. Die Frist endete am Montag, dem 6.1.2014 (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 188 Abs 2 BGB). Die Beklagte entschied erst später, am 27.1.2014, über den Antrag des Klägers.

29

3. Der Kläger beschaffte sich die erforderliche Leistung von 24 Sitzungen Psychotherapie selbst, nachdem sie als genehmigt galt (dazu a). Hierdurch entstanden ihm 2200 Euro Kosten (dazu b).

30

a) Die genehmigte Leistung, die sich der Kläger beschaffte, war auch noch im Zeitpunkt der Beschaffung erforderlich. Der Kläger beachtete nämlich Art und Umfang der fingierten Genehmigung von 25 Sitzungen Psychotherapie. Er beschaffte sich die Leistung zeitnah nach Eingreifen der Genehmigungsfiktion. Die fingierte Genehmigung hatte sich bei der Beschaffung auch nicht erledigt. Dies hätte zur Folge gehabt, dass die Leistung nicht mehr (subjektiv) erforderlich gewesen wäre.

31

Auch eine fingierte Genehmigung - wie jene des Klägers - bleibt wirksam, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (vgl § 39 Abs 2 SGB X; vgl hierzu bei nicht fingierter Genehmigung zB BSG SozR 4-2500 § 55 Nr 2 RdNr 24; rechtsähnlich BVerwGE 48, 87, 90, 92 ff zu § 19 Abs 4 S 3 BBauG vom 23.6.1960, BGBl I 341). So kann etwa - für den Versicherten erkennbar - eine "Erledigung auf andere Weise" einer fingierten Genehmigung einer beantragten Krankenbehandlung eintreten, wenn die ursprünglich behandlungsbedürftige Krankheit nach ärztlicher, dem Betroffenen bekannter Einschätzung vollständig geheilt ist: Es verbleibt durch diese Änderung der Sachlage für die getroffene Regelung kein Anwendungsbereich mehr. Sie kann nach ihrem Inhalt und Zweck keine Geltung für den Fall derart veränderter Umstände beanspruchen. Sind Bestand oder Rechtswirkungen einer Genehmigung für den Adressaten erkennbar von vornherein an den Fortbestand einer bestimmten Situation gebunden, so wird sie gegenstandslos, wenn die betreffende Situation nicht mehr besteht (BSG SozR 3-1300 § 39 Nr 7 S 14 mwN; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 5 RdNr 24). In diesem Sinne ist die Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers nach Fristablauf nicht mit allen Einwendungen gegen die fingierte Genehmigung ausgeschlossen. Geänderte Umstände, die die Genehmigung im Zeitpunkt der Beschaffung entfallen ließen, hat indes weder das LSG festgestellt noch sind sie sonst ersichtlich.

32

Zu Unrecht beruft sich die Beklagte darauf, der Kläger sei deshalb nicht "schutzbedürftig", weil ihm vor Selbstverschaffung der genehmigten Therapiemaßnahmen die ablehnende Entscheidung der Beklagten zugegangen und seine Therapeutin Kenntnis vom Begutachtungsergebnis erlangt habe. Die fingierte Genehmigung schützt den Adressaten dadurch, dass sie ihre Wirksamkeit ausschließlich nach den allgemeinen Grundsätzen über Erledigung, Widerruf und Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts verliert. Ihre Rechtmäßigkeit beurteilt sich nach der Erfüllung der oben aufgezeigten Voraussetzungen (§ 13 Abs 3a SGB V), nicht nach den Voraussetzungen des geltend gemachten Naturalleistungsanspruchs. Die spätere Mitteilung der ablehnenden Entscheidung der Beklagten und die Information der Therapeutin über das Gutachten lassen die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion unberührt; die Ablehnung der Leistung regelt weder ausdrücklich noch sinngemäß, weder förmlich noch inhaltlich eine Rücknahme oder den Widerruf der fingierten Genehmigung (vgl hierzu §§ 45, 47 SGB X).

33

b) Dem Kläger entstanden nach den unangegriffenen und damit bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) dadurch Kosten in Höhe von 2200 Euro, dass er sich die erforderliche genehmigte Leistung selbst beschaffte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger ohne Selbstbeschaffung der Leistung einen Eigenanteil der Therapiekosten zu tragen gehabt hätte (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 30).

34

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.