Sozialgericht München Urteil, 19. Feb. 2014 - S 15 R 825/12

bei uns veröffentlicht am19.02.2014

Gericht

Sozialgericht München

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um den versicherungsrechtlichen Status der Klägerin im Hinblick auf ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen in der Zeit vom 1.1.2011 bis zum 11.10.2011 und um die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Die 1964 geborene Klägerin zu 1. beantragte am 20.5.2011 bei der Beklagten die Feststellung, dass eine Beschäftigung im Sinne von § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch -SGB IV - nicht vorliegt. Die Klägerin ist seit dem 1.1.2011 Gesellschafter-Geschäftsführerin der Klägerin zu 2. . Die Klägerin zu 1. ist für den Unternehmensbereich „Internationales Profiling und Marketing-Kampagnen“, der Mit- und Mehrheitsgesellschafter C. (Anteil: 75%) für die „Lead-Generierung“ zuständig, das heißt beide Geschäftsführer verantworten jeweils einen eigenständigen Geschäftsbereich.

Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin zu 2. mit dem Unternehmensgegenstand „Anbieten von Marketing- und Vertriebsberatung“ wurde mit notariellem Vertrag vom 9.9.2009 neu gefasst. Die Klägerin zu 1. hält nach dem Gesellschaftsvertrag (nunmehr: GV) einen Anteil von 25%, Herr C. einen Anteil von 75% des Stammkapitals in Höhe von 40.000 €. Die Klägerin zu 1. ist mit Herrn C. nicht verwandt oder verschwägert. Gemäß § 6 GV kann jedem Geschäftsführer durch Gesellschafterbeschluss die Befugnis erteilt werden, die Gesellschaft bei Rechtsgeschäften mit sich selbst oder als Vertreter eines Dritten uneingeschränkt zu vertreten. Gemäß Handelsregisterauszug vom 11.2.2014 sind beide Geschäftsführer einzelvertretungsberechtigt.

Die Gesellschafterversammlung ist nur beschlussfähig, wenn mindestens 75% des Stammkapitals anwesend oder vertreten sind. Ist dies nicht der Fall, so ist eine neue Gesellschafterversammlung zu berufen, die ohne Rücksicht auf die Höhe des erschienenen oder vertretenen Stammkapitals beschlussfähig ist, § 8 GV. Die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, § 7 GV. Gemäß § 20 GV gelten die gesetzlichen Bestimmungen, soweit der Gesellschaftsvertrag nichts anderes geregelt. Die Klägerin zu 1. konnte im streitgegenständlichen Zeitraum nicht durch in der Satzung festgeschriebene Sonderrechte Gesellschaftsbeschlüsse herbeiführen oder verhindern. Sie gewährte der Klägerin zu 2. keine Darlehen oder übernahm Bürgschaften für diese.

Die Tätigkeit der Klägerin zu 1. ist im Anstellungsvertrag vom 10.1.2011 (nunmehr: AV) geregelt. Dieser wurde für die Beigeladene von Herrn C. unterzeichnet. Der unbefristete Vertrag kann mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten gekündigt werden. Die Bestellung der Klägerin zu 1. zur Geschäftsführerin kann durch Beschluss der Gesellschafterversammlung jederzeit widerrufen werden; der Widerruf gilt dann als Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt, § 1 Abs. 1 und Abs. 2 AV. Die Klägerin zu 1. hat für die im Gesellschaftsvertrag als zustimmungspflichtig bestimmten Geschäfte (§ 20 Abs. 1 GV) die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einzuholen. Im Übrigen ist sie in ihren Handlungen nicht eingeschränkt, § 2 Abs. 2 AV. Sie führt die Geschäfte jedoch nach Maßgabe der Gesetze, Weisungen der Gesellschafterversammlung und des Gesellschaftsvertrags unter Berücksichtigung des AV mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns aus, § 2 Abs. 3 AV. Die Klägerin zu 1. ist einzelvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen nach § 181 Bürgerliches Gesetzbuch befreit, § 2 Abs. 4 AV. Sie ist befugt, selbstständig Personal einzustellen und zu entlassen, § 2 Abs. 5 AV.

Die Klägerin zu 1. erhielt im streitgegenständlichen Zeitraum ab dem 1.1.2011 nach der ursprünglichen Vertragsfassung ein monatliches Gehalt von 5.000 €. Mit Ergänzungsvertrag vom 2.9.2011 wurde der AV dahingehend abgeändert, dass die Klägerin zu 1. rückwirkend zum 1.1.2011 ein variables Gehalt in Höhe von einem Drittel des Projektertrags aus den von der Geschäftsführerin betreuten und auf diese zugeschlüsselten Projekte erhält. Der nach dem Ergänzungsvertrag vereinbarte Abschlag in Höhe von jährlich 60.000 € in 12 Monatsraten wird auf dieses variable Gehalt angerechnet. Die Verrechnung erfolgt spätestens bis zum 31. März des Folgejahres, wobei die Klägerin zu 2. einen Erstattungsanspruch hat, sofern die Abschlagszahlungen das variable Gehalt überschreitet.

Reisekosten und sonstige Aufwendungen, die im Interesse der Gesellschaft notwendig waren, werden gegen Einzelnachweis erstattet, § 3 AV. Gemäß § 5 AV ist eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden vorgesehen, wobei die Klägerin zu 1. an bestimmte Arbeitszeiten und an einen bestimmten Arbeitsort nicht gebunden ist. Bzgl. des Arbeitsortes unterhielt die Klägerin zu 1. im streitgegenständlichen Zeitraum eine eigene Betriebsstätte in A-Stadt (D-Straße). Von dort führte sie auslaufende Arbeiten bezüglich ihrer vorherigen selbstständigen Unternehmungen sowie Arbeiten für die Klägerin zu 2. aus.

Die Klägerin zu 1. erhielt 28 Arbeitstage Urlaub im Kalenderjahr, wobei der Zeitpunkt des jeweiligen Urlaubsantritts mit den jeweiligen betrieblichen Notwendigkeiten abgestimmt werden sollte, § 6 AV. Bei Krankheit oder sonstiger Verhinderung blieb der Gehaltsanspruch bis zur Dauer von drei Monaten in vollem Umfang bestehen. § 9 AV enthält schließlich eine doppelte Schriftformklausel.

Nach Anhörung vom 31.5.2011 wies die Klägerin zu 1. insbesondere auf die Regelungen von § 2 AV hin. Soweit der Vertrag Einschränkungen der Freiheitsposition der Klägerin zu 1. vorgenommen habe, sei dies nur erfolgt, um Herrn C. zu schützen. Dieser habe der Klägerin zu 2. nur insoweit Freiheitsrechte einräumen können, als elementare Gesellschafterrechte von ihm nicht eingeschränkt oder verletzt würden. Um Gehalt, Reisekosten etc. steuerlich geltend machen zu können, hätten diese im Arbeitsvertrag geregelt werden müssen. An dem Gewinnanteil des wichtigsten Kunden, den alleine die Klägerin zu 1. akquiriert habe, würde die Klägerin zu 2. überproportional partizipieren.

Die Beklagte stellte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 5.8.2011 fest, dass die Tätigkeit der Klägerin zu 1. als Gesellschafter-Geschäftsführerin der Klägerin zu 2. seit dem 1.1.2011 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. In dem Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungspflicht in der Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. In der Krankenversicherung bestehe keine Versicherungspflicht. Die Klägerin zu 1. habe keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft kraft ihres Anteils am Stammkapital, da sie als Minderheitengesellschafterin nicht aufgrund besonderer Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag Beschlüsse der Gesellschafter im Sinne einer Sperrminorität verhindern könne. Somit könne die Klägerin zu 1. auch keine Beschlüsse verhindern, die ihr Dienstverhältnis benachteiligen würden. Weiter würden Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis wie ein gesonderter Arbeitsvertrag mit arbeitsvertragstypischen Regelungen (Gehalt, Urlaubsanspruch, Fortzahlung des Arbeitsentgelts bei Arbeitsunfähigkeit, Gewährung von Sonderzahlungen) bestehen. Angesichts der Zahlung fester Bezüge würde die Klägerin zu 1. auch kein Unternehmerrisiko tragen. Zwar sei sie über die gewinnabhängigen Zahlungen von Tantiemen indirekt am Gewinn der Gesellschaft beteiligt, jedoch müsse die Klägerin zu 1. deshalb keinen Wegfall der Bezüge bei schlechter Geschäftslage befürchten.

Mit Widerspruch vom 9.9.2011 wurde auf den „Vorschusscharakter“ der Gehaltszahlung hingewiesen sowie auf die Änderung des Gesellschaftsvertrags durch eine Stimmrechtsabtretung nach § 7a mit Wirkung vom 20.10.2011, wodurch nunmehr die Klägerin zu 1. ebenfalls 50% der Stimmen innehat. Weiter wurden zwei Gesellschafterversammlungsprotokolle vom 20.7.2011 und 1.2.2011 beigelegt. Danach erfolgte die Gewinnausschüttung für das Jahr 2010 in Höhe von 110.000 € gemäß den gesetzlichen Bestimmungen (§ 29 Abs. 3 GmbHG), das heißt die Klägerin zu 1. erhielt 27.500 € und mithin 25%. Die Klägerin zu 1. sei aufgrund ihrer Branchenkenntnisse und der Bedeutung ihrer Person unverzichtbar für die Beigeladene.

Mit Abhilfebescheid vom 13.12.2011 wurde der Bescheid vom 5.8.2011 für die Zeit ab dem 12.10.2011 (Beurkundung der Stimmrechtsabtretung) zurückgenommen, da die Klägerin zu 1. seit diesem Zeitpunkt ein wirksames, d. h. satzungsmäßiges, Vetorecht habe. Im Übrigen wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.3.2012 zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 20.4.2012 erfolgte Klage zum Sozialgericht München. Die Klägerin zu 1. habe maßgeblichen Einfluss, da sie im Hinblick auf die Bedeutung des von ihr akquirierten Großkunden „Kopf und Seele“ der Klägerin zu 2. gewesen sei. Dieser Großkunde, der an die Klägerin zu 1. gebunden sei, bringe 80% des Umsatzes der Klägerin zu 2. Aufgrund dieses Einflusses der Klägerin zu 1. habe sie in tatsächlicher Hinsicht, und nur dies sei entscheidend, einen maßgeblich höheren Einfluss auf die Geschicke der Klägerin zu 2., als dies die formale Stimmrechtsverteilung vermuten lasse. Dies hätte sich letztlich auch im notariellen Vertrag vom 12.10.2011 gezeigt, womit die Stimmrechtsverteilung geändert worden ist. Es sei einheitlich ein übereinstimmendes Vorgehen mündlich vereinbart und auch entsprechend umgesetzt worden. § 2 Abs. 3 AV würde lediglich an das GmbHG anknüpfen, mit der der Geschäftsführer nach den gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet wird, etwaige Beschränkungen durch Gesellschafterversammlung und Gesellschaftsvertrag einzuhalten.

Die Beklagte erwiderte mit Schriftsätzen vom 7.12.2012 und 25.1.2013, dass ein maßgeblicher Einfluss der Klägerin zu 1. auf die Geschicke der Klägerin zu 2. aufgrund der vertraglichen Befugnisse im strittigen Zeitraum nicht vorgelegen habe. Gemäß § 2 Abs. 3 AV sei die Klägerin zu 1. verpflichtet gewesen, ihre Geschäftsführertätigkeit nach Maßgabe der Gesetze, Weisungen der Gesellschafterversammlung und des Gesellschaftsvertrags auszuüben. Die Klägerin zu 1. habe also nicht weisungsfrei im Unternehmen tätig sein können. Die Klausel zeige deutlich, wo die Rechtsmacht im Unternehmen wirklich gelegen hat und dass die Klägerin zu 1. weisungsgebunden war.

Der Beklagtenvertreter hat in der mündlichen Verhandlung ein Teilanerkenntnis dergestalt abgegeben, dass der klägerische Anspruch insoweit begründet ist, als für den streitgegenständlichen Zeitraum keine Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung besteht. Das Teilanerkenntnis wurde vom Klägerbevollmächtigten angenommen.

Der Klägerbevollmächtigte hat für die Klägerinnen beantragt:

1. Die Bescheide vom 5.8.2011 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 21.3.2012 werden aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Klägerin zu 1. ihre Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführerin vom 1.1.2011 bis 11.10.2011 für die Klägerin zu 2. selbstständig ausgeführt hat und dass keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen, soweit sie nicht durch das Teilanerkenntnis erledigt ist.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die vorliegende Prozessakte Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist auch begründet.

Der Bescheid vom 5.8.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.3.2012 ist rechtswidrig und beschwert die Klägerinnen im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -. Die Klägerin zu 1. hat im streitgegenständlichen Zeitraum ihre Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführerin der Klägerin zu 2. nicht im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI; § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III).

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Dem gegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung.

Ob eine „Beschäftigung“ vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich daraus ergebene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 4; BSG SozR 3-4100 § 168 Nr. 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSG SozR 2200 § 1227 Nr. 8; BSG SozR 3-2400 § 7 Nrn. 13 und 15). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung, so wie sie praktiziert wird, und die praktische Beziehung, so wie sie rechtlich zulässig ist.

In der vorzunehmenden Gesamtschau spricht das Gesamtbild der Arbeitsleistung für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit. Die Klägerin zu 1. hatte im streitgegenständlichen Zeitraum keinen bestimmenden Einfluss auf die Klägerin zu 2. (hierzu unter Ziffer 1). Die Klägerin zu 1. trug jedoch ein vollumfängliches unternehmerisches Risiko und war auch sonst wie eine Unternehmerin tätig, so dass in der Gesamtschau von einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen ist (hierzu unter Ziffer 2).

1. Nach der Rechtsprechung des BSG hängt die Versicherungspflicht eines Geschäftsführers einer GmbH, der zugleich deren Gesellschafter ist, davon ab, ob wegen seiner Kapitalbeteiligung noch ein Verhältnis der persönlichen Abhängigkeit vorliegt. Hat ein solcher Geschäftsführer aufgrund seiner Kapitalbeteiligung einen so maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft, dass er jeden ihm nicht genehmen Beschluss verhindern kann, so fehlt die das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis wesentlich kennzeichnende persönliche Abhängigkeit. Dies ist der Fall, wenn der Geschäftsführer Mehrheitsgesellschafter ist, er also über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft oder mehr verfügt, und zwar auch dann, wenn er von der ihm zustehenden Rechtsmacht tatsächlich keinen Gebrauch macht und die Entscheidung anderen überlässt. Unter Umständen genügt auch schon ein geringerer Kapitalanteil, insbesondere wenn er über eine Sperrminorität verfügt, die sich u. a. darauf erstreckt, ihm nicht genehme Weisungen gerade hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort der Tätigkeit zu verhindern (BSG, Urteil vom 14.12.1999, B 2 U 48/98 R, bestätigt von BSG, Urteil vom 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, Rn. 25 unter juris).

Die Klägerin zu 1. war nach dem Gesellschaftsvertrag aufgrund ihres Kapitalanteils von 25% nicht in der Lage, bestimmenden Einfluss auf die Klägerin zu 2. zu nehmen. Der Mehrheitsgesellschafter C. war im streitigen Zeitraum jederzeit in der Lage, der Klägerin zu 1. über seine Mehrheit in der Gesellschaftsversammlung Weisungen für den Einzelfall zu erteilen, § 20 Abs. GV mit § 46 Nr. 6 GmbHG. Die Klägerin zu 1. konnte sich mangels Mehrheit oder satzungsverbürgtem Vetorecht nicht gegen eine solche Weisung wehren.

Rechtlich unbeachtlich ist es, dass das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung in der Praxis nicht ausgeübt wurde, solange diese Rechtsposition des Mehrheitsgesellschafters - wie hier im streitgegenständlichen Zeitraum - nicht wirksam abbedungen wurde (BSG, Urteil vom 22.8.1973, Az. 12 RK 24/72).

2. Der Umkehrschluss, dass mangels eines durch die Kapitalbeteiligung hervorgerufenen beherrschenden Einflusses auf die Gesellschaft regelmäßig ein Abhängigkeitsverhältnis des Gesellschafter-Geschäftsführers anzunehmen ist, ist allerdings von der Rechtsprechung des BSG nicht gebilligt worden (BSGE 13, 196, 200 = SozR a. a. O.; Brackmann/Wiester, a. a. O.; BSG, Urteil vom 14.12.1999, B 2 U 48/98 R, Rn. 20 ff.). In solchen Fällen hängt das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nach allgemeinen Grundsätzen wesentlich davon ab, ob der Geschäftsführer nach dem Gesamtbild seiner Tätigkeit einem seine persönliche Abhängigkeit begründenden Weisungsrecht der GmbH unterliegt. Denn auch wenn der geschäftsführende Gesellschafter über keine Mehrheit am Stammkapital und auch nicht über eine Sperrminorität verfügt, kann eine abhängige Beschäftigung weiter dann ausgeschlossen sein, wenn es ihm sein tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der GmbH gestattet, nicht genehme Weisungen der genannten Art zu verhindern (vgl. BSG SozR 2100 § 7 Nr. 7; SozR 3-2400 § 7 Nr. 4). Dies kann z. B. der Fall sein, wenn er in der GmbH „schalten und walten“ kann, wie er will, weil er die Gesellschafter persönlich dominiert oder weil diese wirtschaftlich von ihm abhängig sind.

Das LSG Bayern hat hierzu weiter ausgeführt (Urteil vom 23.10.2012, L 5 R 767/10, Rn. 79 unter juris):

„Nichts anderes gilt für die Beurteilung von Geschäftsführern einer GmbH. Auch für diese gelten für die Beurteilung ihrer Tätigkeit als abhängige Beschäftigung oder selbstständige Arbeit die Kriterien des § 7 Abs. 1 SGB IV in ihrer von der Rechtsprechung entwickelten Ausprägung. Auch hier ist zu klären, ob es sich um eine Tätigkeit des Geschäftsführers nach Weisungen handelt und ob der Geschäftsführer in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers eingegliedert ist (abhängige Beschäftigung) oder ob seine Arbeitsleistung im Gegensatz dazu vor allem durch ein eigenes unternehmerisches Risiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit geprägt ist (selbstständige Tätigkeit). Das Gesamtbild der Arbeitsleistung ist entscheidend.“

Unter Berücksichtigung dieser von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze ist vorliegend ausnahmsweise trotz Nichtvorliegens eines maßgeblichen Einflusses auf die Geschicke der Klägerin zu 2. von einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen. Hierfür spricht maßgeblich die Vergütungsvereinbarung, die im Endeffekt zu einem vollen unternehmerischen Risiko der Klägerin zu 1. führt. Macht der Bereich der Klägerin zu 1. Verluste, so reduziert sich ihre Geschäftsführervergütung auf Null. Macht ihr Bereich hohe Gewinne, so verdient sie wesentlich mehr als die jährliche Abschlagszahlung von 60.000 € und zwar in einem Verhältnis, welches über ihrer Kapitalbeteiligung liegt. Insoweit unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung entscheidend von der vom BSG am 29.8.2012 (vgl. BSG, a. a. O., Rn. 19, 25, 29) entschiedenen, da dort ein regelmäßiges Entgelt bezahlt wurde und der dortige Kläger im Übrigen nicht einmal ordentlich bestellter Geschäftsführer war.

Die überproportionale Gewinnbeteiligung der Klägerin zu 1. gem. der Ergänzungsvereinbarung im Hinblick auf ihren Geschäftsbereich (ein Drittel und nicht - gem. ihrer Beteiligung - ein Viertel) bestätigt zudem den Vortrag der Klägerinnen, dass die Klägerin zu 1. einen maßgeblichen wirtschaftlichen Einfluss auf die Klägerin zu 2. hat. Zu berücksichtigen ist weiter, dass nach dem glaubwürdigen Vortrag der Klägerin zu 1. in der mündlichen Verhandlung die Klägerin zu 2. von der Klägerin zu 1. wirtschaftlich abhängig ist (vgl. zu diesem Merkmal BSG, Urteil vom 14.12.1999, B 2 U 48/98 R, Rn. 20), da der von ihr akquirierte und betreute Großkunde 80% des Umsatzes der Klägerin zu 2. ausmacht.

Unerheblich ist aus Sicht der Kammer, dass die Klägerinnen die Vergütungsregelung mit Ergänzungsvertrag vom 2.9.2011 rückwirkend zum 1.1.2011 implementierten. Das Schriftformerfordernis des ursprünglichen Anstellungsvertrags wurde eingehalten; zivilrechtlich sind die Parteien frei, auch rückwirkend Gehaltsregelungen bzw. Änderungen von ursprünglichen Regelungen vorzunehmen. Auch ein Umgehungsgeschäft liegt nicht vor, da die Klägerin zu 2. das volle neu vereinbarte Gehalt der Klägerin zu 1. als Betriebsausgabe absetzen kann und die Klägerin zu 1. verpflichtet ist, das neu geregelte Gehalt vollumfänglich zu versteuern. Nach der glaubwürdigen Aussage der Klägerin zu 1. ist dies in Bezug auf den streitgegenständlichen Zeitraum auch geschehen. Im Übrigen war die Regelung, wie glaubwürdig vorgetragen, von Anfang an so geplant gewesen und wäre auch ohne den Ergänzungsvertrag so gelebt worden. Trotz der Rechtswirkung ex tunc der Ergänzungsregelung im Statusverfahren ist zu beachten, dass die Regelung auch für die Zukunft, durchaus möglicherweise auch zum Nachteil der Klägerin zu 1., wirkt und es weder dem Mehrheitsgesellschafter noch der Klägerin zu 1. (wegen der notariell geänderten Stimmrechtsverhältnisse) möglich ist, aufgrund einseitiger Bestimmung die ursprüngliche Regelung wieder zu implementieren.

Weiter spricht für eine selbstständige Tätigkeit, dass die Klägerin zu 1. im streitgegenständlichen Zeitraum noch eine eigenfinanzierte Betriebsstätte unterhalten hatte, in der sie sowohl sonstige eigene unternehmerische Geschäfte als auch Arbeiten für die Klägerin zu 2. durchführte. Sie war nach dem Anstellungsvertrag auch frei, dort tätig zu sein und insoweit Weisungen der Klägerin zu 2. nicht unterworfen. Auch die zeitliche Freiheit spricht indiziell für das Unternehmertum der Klägerin zu 1., selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Weisungsgebundenheit bei Diensten höherer Art zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein kann (vergleiche Rittweger, Beck'scher Online-Kommentar, SGB IV, § 7 Rn. 10/2.1).

Aufgrund dieser maßgeblichen Kriterien, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen, ist es nach Auffassung der erkennenden Kammer von untergeordneter Bedeutung, dass der Anstellungsvertrag Regelungen enthält, die der Klägerin zu 1. auch typische Arbeitnehmerrechte garantieren (Erstattung von Reisekosten, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaub).

Der Klage war daher stattzugeben. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG, folgt dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache und berücksichtigt ferner die Tatsache, dass die Klägerin zu 2. an der Privilegierung der Klägerin zu 1. teilhat (vgl. BSG, Urteil vom 29.5.2006, B 2 U 391/05 B).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Sozialgericht München Urteil, 19. Feb. 2014 - S 15 R 825/12

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Sozialgericht München Urteil, 19. Feb. 2014 - S 15 R 825/12

Referenzen - Gesetze

Sozialgericht München Urteil, 19. Feb. 2014 - S 15 R 825/12 zitiert 11 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 183


Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kos

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 7 Beschäftigung


(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. (1a) Eine B

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 181 Insichgeschäft


Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllu

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG | § 46 Aufgabenkreis der Gesellschafter


Der Bestimmung der Gesellschafter unterliegen: 1. die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Ergebnisses;1a. die Entscheidung über die Offenlegung eines Einzelabschlusses nach internationalen Rechnungslegungsstandards (§ 325 Abs. 2

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG | § 29 Ergebnisverwendung


(1) Die Gesellschafter haben Anspruch auf den Jahresüberschuß zuzüglich eines Gewinnvortrags und abzüglich eines Verlustvortrags, soweit der sich ergebende Betrag nicht nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag, durch Beschluß nach Absatz 2 oder als zusä

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Sozialgericht München Urteil, 19. Feb. 2014 - S 15 R 825/12 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Sozialgericht München Urteil, 19. Feb. 2014 - S 15 R 825/12 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Urteil, 29. Aug. 2012 - B 12 KR 25/10 R

bei uns veröffentlicht am 29.08.2012

Tenor Auf die Revision der Beigeladenen zu 2. wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufgehoben, soweit es die Feststellung der Rentenversicherungspfli
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Sozialgericht München Urteil, 19. Feb. 2014 - S 15 R 825/12.

Sozialgericht München Urteil, 11. Dez. 2014 - S 15 R 2135/14

bei uns veröffentlicht am 11.12.2014

Tenor I. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 20.2.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.7.2014 verurteilt, der Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 465,64 € zu erstatten. II. Im Übrigen wi

Referenzen

Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.

(1) Die Gesellschafter haben Anspruch auf den Jahresüberschuß zuzüglich eines Gewinnvortrags und abzüglich eines Verlustvortrags, soweit der sich ergebende Betrag nicht nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag, durch Beschluß nach Absatz 2 oder als zusätzlicher Aufwand auf Grund des Beschlusses über die Verwendung des Ergebnisses von der Verteilung unter die Gesellschafter ausgeschlossen ist. Wird die Bilanz unter Berücksichtigung der teilweisen Ergebnisverwendung aufgestellt oder werden Rücklagen aufgelöst, so haben die Gesellschafter abweichend von Satz 1 Anspruch auf den Bilanzgewinn.

(2) Im Beschluß über die Verwendung des Ergebnisses können die Gesellschafter, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, Beträge in Gewinnrücklagen einstellen oder als Gewinn vortragen.

(3) Die Verteilung erfolgt nach Verhältnis der Geschäftsanteile. Im Gesellschaftsvertrag kann ein anderer Maßstab der Verteilung festgesetzt werden.

(4) Unbeschadet der Absätze 1 und 2 und abweichender Gewinnverteilungsabreden nach Absatz 3 Satz 2 können die Geschäftsführer mit Zustimmung des Aufsichtsrats oder der Gesellschafter den Eigenkapitalanteil von Wertaufholungen bei Vermögensgegenständen des Anlage- und Umlaufvermögens in andere Gewinnrücklagen einstellen. Der Betrag dieser Rücklagen ist in der Bilanz gesondert auszuweisen; er kann auch im Anhang angegeben werden.

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

Tenor

Auf die Revision der Beigeladenen zu 2. wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufgehoben, soweit es die Feststellung der Rentenversicherungspflicht des Klägers in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 30. April 1996 bis 30. November 1999 betrifft.

In diesem Umfang wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens zu erstatten. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 30.4.1996 bis 30.11.1999 als Beschäftigter in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) versicherungspflichtig war.

2

Der am 1961 geborene Kläger arbeitete aufgrund eines Anstellungsvertrags vom 11.2.1986 zunächst als Schlosser und nach Ablegen der Meisterprüfung noch im selben Jahr als Betriebsleiter bei der Beigeladenen zu 1., einer GmbH mit dem Unternehmensgegenstand "Rührwerksbau". Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war bis zu seinem Tod am 11.5.2001 der Vater des Klägers. Die Geschäftsanteile erbte dessen Ehefrau; der Kläger wurde mit Dienstvertrag vom 31.8.2001 zum Geschäftsführer bestellt. Bereits am 30.4.1996 hatte der Vater des Klägers "gemäß § 48 Abs 2 GmbHG" folgende Niederschrift verfasst:

        

"… Aus gesundheitlichen Gründen werden meine Kinder S. und M. die Leitung des Unternehmens übernehmen. Mein Sohn wird aufgrund seiner beruflichen Fähigkeiten den technischen und gewerblichen Teil des Unternehmens übernehmen, meine Tochter den kaufmännischen Teil, aufgrund ihrer Ausbildung beim Steuerberater. Die entsprechenden Vollmachten werden beiden Kindern umgehend erteilt. Ab sofort nehmen die Kinder am betrieblichen Erfolg mit einer Gewinntantieme teil und sind vom Selbstkontrahierungsverbot befreit. Auf das Weisungsrecht meinerseits verzichte ich. Arbeits- und Urlaubszeit kann nach Lage der Gesellschaft frei bestimmt und gestaltet werden."

3

Der Kläger war bis 30.11.1999 Mitglied der beklagten Krankenkasse, seit 1.1.1996 aufgrund freiwilliger Versicherung. Nachdem eine neu gewählte Krankenkasse festgestellt hatte, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. für spätere Zeiträume nicht versicherungspflichtig in der RV und nach dem Recht der Arbeitsförderung gewesen sei, beantragte der Kläger mit Schreiben vom 14.9.2005 eine entsprechende Beurteilung auch für den (nun streitigen) Zeitraum 30.4.1996 bis 30.11.1999 durch die Beklagte als Einzugsstelle. Diese stellte mit Bescheid vom 23.9.2005 und Widerspruchsbescheid vom 20.4.2006 fest, dass der Kläger in diesem Zeitraum bei der Beigeladenen zu 1. beschäftigt gewesen sei und der Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe. Das SG hat die auf Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 26.11.2008).

4

Auf die Berufung des Klägers hat das LSG unter Aufhebung des Urteils des SG und der Bescheide der Beklagten festgestellt, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. im streitigen Zeitraum nicht der Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe (Urteil vom 22.9.2010): Für eine Beschäftigung sprächen ua die fehlende Geschäftsführer- und Gesellschafterstellung des Klägers, die Vereinbarungen des Anstellungsvertrags und die begrenzte Befugnis des Klägers, die Geschicke "der Firma" rechtsverbindlich zu gestalten. Demgegenüber sprächen die tatsächlichen Verhältnisse gegen eine Beschäftigung. So habe sein Vater dem Kläger mit der Niederschrift vom 30.4.1996 unter Verzicht auf sein Weisungsrecht die Unternehmensleitung übertragen. Dadurch habe der Kläger zusammen mit seiner Schwester nach eigenem Gutdünken frei "schalten und walten" können. Durch Übernahme einer Bürgschaft über 100 000 DM habe er ein wirtschaftliches Risiko getragen und sei am Gewinn der Firma beteiligt gewesen. Er habe die alleinigen Branchenkenntnisse in dem von ihm geleiteten Teilbereich der Geschäfte gehabt, sei vom Selbstkontrahierungsverbot befreit gewesen und habe Kundengespräche geführt, Angebote eingeholt sowie Kalkulationen erstellt, ohne sich im Einzelnen mit seinem Vater abzusprechen. Diesen tatsächlichen Verhältnissen komme bei der rechtlichen Beurteilung Vorrang gegenüber den vertraglichen Regelungen zu.

5

Mit der allein vom ihm eingelegten Revision rügt der Rentenversicherungsträger (Beigeladene zu 2.) eine Divergenz zur Rechtsprechung des BSG seit dem Jahr 2006 (BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 149; BSG Urteil vom 24.1.2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 7), da das LSG sinngemäß den Rechtssatz aufgestellt habe, "dass eine im Widerspruch zu getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung der formellen Vereinbarung unabhängig von der rechtlichen Möglichkeit einer formlosen Abbedingung vorgehen bzw. auch dann, wenn eine formlose Abbedingung rechtlich nicht möglich ist". Das LSG habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Kläger am Stammkapital der zu 1. beigeladenen GmbH nicht beteiligt gewesen sei und bezogen auf die Gesellschaft keinerlei "Rechtsmacht" besessen habe. Diese Rechtsmacht habe trotz des Verzichts auf ein Weisungsrecht bei dessen Vater, dem Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1., gelegen. Zudem habe der Kläger die Beigeladene zu 1. nicht wie ein Alleininhaber, sondern nur zusammen mit seiner Schwester geleitet.

6

Die Beigeladene zu 2. beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufzuheben, soweit dieses unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 sowie des Bescheides der Beklagten vom 23. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2006 festgestellt hat, der Kläger habe in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 30. April 1996 bis 30. November 1999 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlegen,
ferner, insoweit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 zurückzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beigeladenen zu 2. zurückzuweisen.

8

Er verteidigt das angegriffene Urteil. Insbesondere sei mit der Niederschrift vom 30.4.1996 bereits die Bevollmächtigung beider Kinder durch ihren Vater erfolgt, der zugleich auf sein Weisungsrecht sowohl als Geschäftsführer wie auch als Gesellschafter verzichtet habe. Darauf, dass die Unternehmensleitung gemeinsam mit der - im Übrigen als nicht rentenversicherungspflichtig eingestuften - Schwester erfolgte, komme es nicht an.

9

Die Beklagte und die zu 3. beigeladene Bundesagentur für Arbeit schließen sich der Rechtsansicht der Beigeladenen zu 2. an, die Beigeladene zu 3. ohne einen Antrag zu stellen.

10

Die Beigeladene zu 1. äußert sich nicht.

Entscheidungsgründe

11

Die auf die angefochtene Feststellung von Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV im Zeitraum 30.4.1996 bis 30.11.1999 beschränkte Revision der Beigeladenen zu 2. ist zulässig und begründet. Bescheid und Widerspruchsbescheid der Beklagten sind bezogen darauf rechtmäßig. Daher ist das Urteil des LSG in diesem Umfang aufzuheben und die Berufung des Klägers insoweit zurückzuweisen.

12

1. Obwohl die Beigeladene zu 2. in der Revisionsbegründung entgegen § 164 Abs 2 S 3 SGG keine Rechtsnorm ausdrücklich bezeichnet hat, die sie durch das Urteil des LSG als verletzt ansieht, ist die Revision noch zulässig. Denn es reicht aus, wenn sich aus dem Inhalt der Darlegungen des Revisionsklägers ergibt, dass er sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung rechtlich auseinandergesetzt hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (vgl BSG SozR 3-5555 § 15 Nr 1 S 2 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 9c, 11 mwN). Vorliegend lässt das Revisionsvorbringen noch hinreichend deutlich erkennen, dass die Beigeladene zu 2. die Auffassung des LSG angreift, bei der Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit komme den tatsächlichen Verhältnissen generell Vorrang gegenüber den gesellschafts- und arbeitsvertraglichen Regelungen zu, und dass sie dadurch § 7 Abs 1 SGB IV als verletzt ansieht.

13

2. Die Revision der Beigeladenen zu 2. ist auch begründet.

14

Zu Unrecht hat das LSG hier die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV verneint und die Bescheide der Beklagten sowie das SG-Urteil insoweit aufgehoben. Dabei ist das LSG zunächst zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Tatbestand der Beschäftigung aufgestellten Rechtssätzen ausgegangen; es hat jedoch die jüngere Rechtsprechung zum Vorrang der tatsächlichen Verhältnisse gegenüber den vertraglichen Vereinbarungen nicht hinreichend berücksichtigt (hierzu a). Wiederum zutreffend hat das LSG eine Tätigkeit in einem fremden Betrieb vorausgesetzt und den "Anstellungsvertrag" des Klägers zum Ausgangspunkt der weiteren Prüfung und seiner Tatsachenfeststellungen gemacht (hierzu b). Im Ergebnis keinen Bestand haben indes die hierauf aufbauende rechtliche Würdigung des LSG sowie seine davon ausgehende Bewertung des Gesamtbildes der Erwerbstätigkeit (hierzu c). Dabei steht der Einordnung der Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. als (abhängige) Beschäftigung die Rechtsprechung des BSG zur Tätigkeit in Familiengesellschaften nicht entgegen (hierzu d).

15

a) In den Jahren 1996 bis 1999, die hier in Streit stehen, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der RV der Versicherungspflicht (vgl § 1 S 1 Nr 1 SGB VI; ab 1.1.1998 idF durch Gesetz vom 24.3.1997, BGBl I 594). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; siehe insbesondere auch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).

16

Zutreffend weist die Beigeladene zu 2. in ihrer Revisionsbegründung darauf hin, dass zur Feststellung des Gesamtbilds den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zukommt. Zwar hat der Senat noch im Urteil vom 22.6.2005 (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5 RdNr 7) ausgeführt, dass beim Abweichen der Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen letztere den Ausschlag geben. Jedoch hat er diese Aussage in Zusammenfassung älterer Entscheidungen nachfolgend präzisiert (insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17; ebenso Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 149, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f): Danach sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist. Hieran hat der Senat seither festgehalten (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - USK 2009-25; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-25).

17

Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzurücken: Die tatsächlichen Verhältnisse weichen hier zwar von den Regelungen des zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. geschlossenen Anstellungsvertrags ab, jedoch führt dies mit Blick auf die Frage des Vorliegens einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit zu keinem anderen Ergebnis (hierzu unten c). Daher kommt es auch nicht darauf an, dass das LSG keine Feststellungen dazu getroffen hat, unter welchen Voraussetzungen die Bestimmungen des Anstellungsvertrags überhaupt abdingbar waren.

18

b) Die dargestellten Grundsätze sind auch im vorliegenden Fall anzuwenden, denn der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht in seinem eigenen, sondern in einem fremden Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw Unternehmensinhaberin war die Beigeladene zu 1., die als GmbH juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen (hierzu vgl nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7, RdNr 21 mwN)und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss.

19

Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist der "Anstellungsvertrag" vom 11.2.1986, der deren Vertragsverhältnis zunächst ausschließlich bestimmte. Dieser Vertrag hatte sowohl nach der Bezeichnung als auch nach seinem vom LSG - lückenhaft - festgestellten Inhalt - regelmäßiges Entgelt, feste wöchentliche Arbeitszeit, Urlaubsansprüche nach dem Bundesurlaubsgesetz und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - ein Arbeitsverhältnis zum Gegenstand. Nach abgelegter Meisterprüfung wurde der Kläger sodann als Betriebsleiter eingesetzt; hiermit evtl verbundene rechtlich relevante Änderungen des schriftlichen "Anstellungsvertrags" hat das LSG aber ebenso wenig festgestellt, wie es Feststellungen zur Frage dafür einzuhaltender möglicher Formerfordernisse bei Vertragsänderungen getroffen hat.

20

Eine weitere Änderung der Stellung des Klägers erfolgte aufgrund der als Gesellschafterbeschluss (§ 48 GmbHG) auszulegenden Niederschrift seines Vaters vom 30.4.1996 mit der Übertragung der "Leitung" des technischen und gewerblichen Bereichs der GmbH an ihn. Dieser Beschluss enthielt gleichzeitig eine Befreiung des Klägers vom Selbstkontrahierungsverbot und einen Verzicht seines Vater - des Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers der Beigeladenen zu 1. - auf ein Weisungsrecht gegenüber dem Kläger. Zudem wurde dem Kläger eine Gewinntantieme zugesagt und das Recht eingeräumt, über seine eigene Arbeits- und Urlaubszeit "nach Lage der Gesellschaft" frei zu bestimmen. Den insoweit nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, dass dies auch der betrieblichen Praxis entsprach. So führte der Kläger fortan die Kundengespräche, holte Angebote ein und stellte Kalkulationen auf, ohne im Einzelnen Rücksprache mit seinem Vater zu nehmen. Der Kläger war Ansprechpartner für Kunden und für Mitarbeiter. Zumindest einen Mitarbeiter stellte er ein, wenn auch der Arbeitsvertrag auf Seiten der Beigeladenen zu 1. vom Vater des Klägers unterschrieben wurde. Der Vater hatte sich - obwohl täglich im Betrieb anwesend - nach den Feststellungen des LSG "nicht mehr eingemischt" und nahm auch auf die Einstellung von Personal keinen Einfluss mehr.

21

Offenbleiben kann vorliegend, ob die in der Niederschrift des Gesellschafterbeschlusses vom 30.4.1996 erwähnten Vollmachten für den Kläger zu diesem Zeitpunkt oder später tatsächlich erteilt wurden und ob die Beigeladene zu 2. insoweit eine zulässige Sachrüge erhoben hat. Denn auch für den Fall, dass dem Kläger die zur Leitung des technischen und gewerblichen Teils der Beigeladenen zu 1. erforderlichen Vollmachten erteilt wurden, tragen die vom LSG festgestellten Umstände nicht dessen rechtlichen Schluss, dass sich mit der Niederschrift vom 30.4.1996 der Charakter der vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. dahingehend wandelte, dass der Kläger nunmehr selbstständig tätig sein sollte.

22

c) Der Kläger erbrachte seine Dienste für die Beigeladene zu 1. auch in der Zeit vom 30.4.1996 bis 30.11.1999 im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung.

23

Eine Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. - etwa in Form eines freien Dienstverhältnisses - ergibt sich nicht daraus, dass der Vater des Klägers in seiner Funktion als Alleingesellschafter der Beigeladenen zu 1. durch Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 auf "das Weisungsrecht" gegenüber dem Kläger verzichtete und diesem das Recht einräumte, seine Arbeits- und Urlaubszeit "nach Lage der Gesellschaft" frei zu bestimmen. Zwar unterlag der Kläger dadurch nicht mehr umfassend einem Weisungsrecht seines Arbeitgebers - handelnd durch den weiterhin allein als Geschäftsführer und Gesellschafter der GmbH im Handelsregister eingetragenen Vater - hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung seiner Tätigkeit. Jedoch werden gerade höhere Dienste dennoch im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie - wie hier - fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG SozR 3-2940 § 3 Nr 2 S 9 mwN; BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 und SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 80; vgl - zum Fehlen einer Eingliederung einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin - BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 22; vgl zum Begriff des "Betriebes" BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 33 ff). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der RV und Arbeitslosenversicherung (§ 1 S 4 SGB VI sowie § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (stRspr BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 125; SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 66 f; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3, RdNr 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr 6, RdNr 14). Allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nämlich nicht schon zu einem Selbstständigen, selbst wenn andere Betriebsangehörige den Betroffenen bisweilen als "Chef" betrachten mögen (wie das LSG im vorliegenden Fall anhand der Aussage des Zeugen R. festgestellt hat).

24

Eine solche noch dem Typus der Beschäftigung zuzuordnende Eingliederung in eine vorgegebene Ordnung des Betriebes bestand bei dem Kläger auch nach dem 30.4.1996. Durch den Gesellschafterbeschluss erlangte er die Stellung eines Angestellten, der nach den Feststellungen des LSG auch in der betrieblichen Praxis den technischen und gewerblichen Teil der Beigeladenen zu 1. mit "entsprechenden Vollmachten" eigenverantwortlich zu leiten hatte. Dennoch blieb der Kläger weiterhin in die durch die Beigeladene zu 1. bzw ihren gesellschaftsrechtlich maßgebenden Geschäftsführer (= Vater des Klägers) vorgegebene Organisation eingebunden, da seine Leitungsmacht nur auf einen bestimmten Unternehmensteil beschränkt war, während die Leitung des kaufmännischen Teils der Beigeladenen zu 1. ausschließlich seiner Schwester oblag. Die Vollmacht, diese Entscheidung zur konkreten Ausgestaltung der betrieblichen Organisation auf der Leitungsebene zu ändern, besaß der Kläger nicht. Selbst innerhalb des ihm zugewiesenen Zuständigkeitsbereichs war seine Vertretungsbefugnis rechtlich zwingend auf den Umfang einer rechtsgeschäftlichen Handlungsvollmacht iS von § 54 Handelsgesetzbuch (HGB) begrenzt, die sich zwar auf sämtliche Geschäfte erstreckt, die in einem Geschäftsbetrieb üblich sind, die jedoch nicht auf eine unmittelbare Vertretung der Gesellschaft, sondern lediglich auf ein (rechtlich nachgeordnetes) Handeln in Vollmacht des Geschäftsführers gerichtet war(BGH Urteil vom 20.10.2008 - II ZR 107/07 - NJW 2009, 293, 294 mwN). Schon von Gesetzes wegen (§ 54 Abs 2 HGB) waren jedenfalls die Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, die Aufnahme von Darlehen und die Prozessführung von der Bevollmächtigung ausgenommen. Die anderenfalls notwendige besondere Erteilung der Vollmacht auch für diese Befugnisse hat das LSG nicht festgestellt. Darüber hinaus unterlag der Kläger selbst in dem ihm danach zugewiesenen eingeschränkten Vollmachtsrahmen zwingend der Kontrolle des GmbH-Geschäftsführers (vgl zu dessen Stellung allgemein zB Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 19. Aufl 2010, § 35 RdNr 76 mwN). Soweit der Vater des Klägers in seiner Funktion als Alleingeschäftsführer der Beigeladenen zu 1. diese Kontrolle tatsächlich nicht oder nur sehr eingeschränkt ausübte, etwa weil - wie das LSG herausstellt - er sich darauf verließ, dass der Kläger die einzelnen Aufträge ordnungsgemäß einholte und durchführte, ist dies für die hier vorzunehmende Abgrenzung ebenso unbeachtlich, wie ein auch die zur Ausübung dieser Kontrolle notwendigen Weisungen umfassender Verzicht auf das Weisungsrecht, denn insoweit wären die Grenzen des rechtlich Zulässigen überschritten (hierzu bereits oben a). Im Übrigen deutet sogar die Feststellung des LSG, der Zeuge R. sei "von dem Kläger eingestellt worden", den Arbeitsvertrag habe jedoch der Vater unterschrieben, darauf hin, dass die dem Kläger erteilten Vollmachten auch in der betrieblichen Praxis nicht umfassend, sondern begrenzt waren.

25

Der Kläger hatte auch weder rechtlich noch tatsächlich die Möglichkeit, wie ein beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer ihm nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden (vgl hierzu allgemein zB BSGE 66, 69 = SozR 4100 § 104 Nr 19; SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 13 f; aus jüngerer Zeit BSG <12. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 28 und<11a. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 8 RdNr 15, jeweils mwN). Hierzu fehlte es bereits an einer Beteiligung des Klägers am Stammkapital der Beigeladenen zu 1. Gleichzeitig blieb seine Position innerhalb des Unternehmens ohnehin deutlich hinter der organschaftlich begründeten Stellung eines Geschäftsführers - als solcher wurde er trotz der vorgenommenen Änderungen (weiterhin) nicht bestellt, sondern erst nach dem Tod des Vaters Ende August 2001 - zurück. Bereits aufgrund einer solchen Unterordnung unter den Geschäftsführer ist regelmäßig von einer Beschäftigung auszugehen (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 57; BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448 S 253).

26

Eine Vergleichbarkeit des Klägers mit einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt tatsächlicher wirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten. Zwar sind nach der Rechtsprechung des BSG auch solche Einflussmöglichkeiten zu beachten, soweit sie einem Geschäftsführer selbst gegenüber der Gesellschaft zur Verfügung stehen (zu einem - im Ergebnis nicht ausreichenden - der Gesellschaft gewährten Darlehen: BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f), doch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die am 5.2.1994 für die Beigeladene zu 1. übernommene Bürgschaft des Klägers über 100 000 DM ihm eine solche Einflussnahme ermöglichte. Aus diesem Grunde war der durch den Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 erfolgte, in seinem Umfang ohnehin begrenzte Verzicht auf das Weisungsrecht nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich im Konfliktfall jederzeit widerrufbar, ohne dass der Kläger dieses hätte verhindern können.

27

Für eine fortbestehende Eingliederung in eine vorgegebene betriebliche Ordnung trotz des - wie aufgezeigt - begrenzten Verzichts auf ein Weisungsrecht spricht auch die im Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 festgelegte Bindung der vom Kläger im Übrigen frei selbst zu bestimmenden Arbeits- und Urlaubszeit an die "Lage der Gesellschaft" (in diesem Sinne zur Bindung der Urlaubsplanung an die Bedürfnisse der Geschäftsführung BSG SozR 3-2200 § 723 Nr 4 S 17). Dass der Kläger im Rahmen der ihm erteilten begrenzten Vollmachten vom Selbstkontrahierungsverbot befreit war, spricht - wie das BSG bezogen auf Geschäftsführer einer kleineren GmbH bereits entschieden hat (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 1, RdNr 11 und Nr 8 RdNr 17)- nicht zwingend für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit.

28

Ebenso hat das BSG bereits entschieden, dass die Gewährung einer Tantieme als solche nicht genügt, um eine Beschäftigung auszuschließen (vgl BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53). Bedeutung für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit kommt Tantiemen nur als (ein) Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen zu, das im Rahmen der Gesamtwürdigung Gewicht gewinnen kann, jedoch nicht allein entscheidend ist (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 18 mwN). Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist (vgl zB BSG SozR 2100 § 17 Nr 3; BSG Urteil vom 28.4.1982 - 12 RK 12/80 - Die Beiträge 1982, 382 = USK 8244), ist deren Gewicht für die hier im Vordergrund stehende Abgrenzung der Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis gegenüber einem selbstständigen Dienstverhältnis eher gering. Wie die Gewichtung beispielsweise bei einer Tätigkeit in einem Einzelunternehmen zu beurteilen ist, wenn die Tätigkeit im fremden oder im (auch) eigenen Betrieb in Frage steht, braucht hier nicht entschieden zu werden. Eine Tätigkeit im (auch) eigenen Betrieb scheidet hier bereits aufgrund der Rechtsform der Beigeladenen zu 1., einer GmbH, an deren Stammkapital der Kläger nicht beteiligt war, aus (vgl oben unter b). Daher ist es auch unschädlich, dass das LSG die konkrete Höhe der Tantieme und Anlass, zu sicherndes Risiko sowie Fortbestand der Bürgschaft während des streitigen Zeitraums nicht festgestellt hat und somit das Ausmaß des wirtschaftlichen Eigeninteresses des Klägers am Erfolg der Beigeladenen zu 1. nicht einmal genau feststeht.

29

Soweit das LSG im Hinblick auf die Bürgschaft über ein wirtschaftliches Eigeninteresse hinaus auch ein "typisches Unternehmerrisiko" des Klägers angenommen und als Indiz für eine Selbstständigkeit gewertet hat, erfasst es die Bedeutung dieses Merkmals im vorliegenden Kontext nicht zutreffend. So kann eine Bürgschaft wie die des Klägers für die Beigeladene zu 1., bei der er die hier streitige Tätigkeit ausübt, in erster Linie für die Abgrenzung einer Beschäftigung gegenüber einer durch "Mitunternehmerschaft" begründeten Tätigkeit im (auch) eigenen Betrieb von Bedeutung sein. Für die vorliegend vorzunehmende Zuordnung einer Tätigkeit in einem - wie oben dargelegt zweifellos - fremden Betrieb ist ihre Bedeutung jedoch gering. Denn diese Bürgschaft begründete kein mit der Tätigkeit - sei es als Beschäftigter oder selbstständiger Dienstverpflichteter - des Klägers bei der Beigeladenen zu 1. verbundenes Risiko. Es handelt sich nämlich nicht um einen mit den geschuldeten Diensten verbundenen Aufwand, weil die Bürgschaft für die Erfüllung der diesbezüglichen Pflichten nicht erforderlich war. Die Gründe für ihre Bestellung sind vielmehr außerhalb der Beschäftigung bzw des Dienstverhältnisses zu suchen (vgl hierzu allgemein Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 7 RdNr 153). Bezogen auf seine Tätigkeit hatte der Kläger gerade kein Unternehmerrisiko zu tragen; denn als Gegenleistung für seine Tätigkeit stand ihm nach den Feststellungen des LSG auch nach dem 30.4.1996 unabhängig vom wirtschaftlichen Ergebnis der Beigeladenen zu 1. ein Anspruch auf "die Zahlung eines regelmäßigen Entgeltes" zu, wie dies für Beschäftigte typisch ist. Bezogen auf die geschuldeten Dienste hatte der Kläger - wie jeder andere Beschäftigte auch - allein das Risiko des Entgeltausfalls in der Insolvenz des Arbeitgebers zu tragen.

30

d) Die Annahme von Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. kann schließlich auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des BSG zur Versicherungspflicht von in Familiengesellschaften verrichteten Tätigkeiten gestützt werden.

31

Das BSG hat in der Vergangenheit in seiner Rechtsprechung - überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts - auch für den Fall, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft nicht zumindest über eine Sperrminorität verfügte, eine selbstständige Tätigkeit des Betroffenen für möglich erachtet, wenn dessen Tätigwerden innerhalb einer Gesellschaft durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war (BSG Urteil vom 29.10.1986 - 7 RAr 43/85 - USK 86145; BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170; BSG Urteil vom 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R - USK 9975; BSG SozR 2100 § 7 Nr 7 S 6; BSG Urteil vom 28.1.1992 - 11 RAr 133/90 - USK 9201; BSG Urteil vom 11.2.1993 - 7 RAr 48/92 - USK 9347; im konkreten Fall abgelehnt: BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53; umgekehrt allerdings : BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 8 S 37). Ohne Geschäftsführerstellung hat der 12. Senat eine - nach den allgemeinen Grundsätzen eigentlich ausgeschlossene - selbstständige Tätigkeit für den Fall als gegeben erachtet, dass der in einer GmbH Tätige neben seinem Ehegatten alleiniger oder gleichberechtigter Gesellschafter der GmbH ist (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17). Dabei hat der Senat jedoch nicht auf eine familiäre Verbundenheit, sondern maßgebend auf die mit der Gesellschafterstellung verbundene Rechtsmacht abgestellt (BSG, aaO, S 58, 60). Weitergehend hatte allerdings der 3. Senat bereits 1971 die Selbstständigkeit eines nicht zum (ggf weiteren) Geschäftsführer bestellten Minderheitsgesellschafters angenommen, weil dieser in der betrieblichen Praxis der mit ihm verheirateten Geschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin vollständig gleichgestellt gewesen sei sowie sich faktisch als zweiter Geschäftsführer betätigt und neben der hauptamtlichen Geschäftsführerin die GmbH nach außen vertreten habe (BSG SozR Nr 68 zu § 165 RVO; vgl auch BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448). Noch darüber hinausgehend hat der 11. Senat des BSG eine selbstständige Tätigkeit sogar im Fall des - nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer bestellten - Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich gehalten (BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1; in Abgrenzung zur familienhaften Mithilfe vgl aber BSG SozR Nr 22 zu § 165 RVO). Dabei ist der 11. Senat davon ausgegangen, dass für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht komme, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten (BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170). Diese Ausnahme solle - so der 11. Senat - auch gelten, wenn der Alleingesellschafter zugleich Alleingeschäftsführer ist und die Tätigkeit der faktischen Leitung des Betriebes formal auf der Ebene unter dem Geschäftsführer ausgeübt werde. Indessen lasse eine bloß "probeweise" Leitung des Betriebs durch den als Unternehmensnachfolger uU vorgesehenen Sohn eine (abhängige) Beschäftigung nicht entfallen. Wollten die Eltern, dass der Sohn den Betrieb in der bisherigen Art fortführe, und erlaube es ihre Mitarbeit im Betrieb verbunden mit ihrer Rechtsstellung als Gesellschafter und Geschäftsführer, diesen Willen durchzusetzen, so habe für den Sohn die fremdbestimmte betriebliche Ordnung im Sinne einer Beschäftigung fortbestanden, auch wenn er sich innerhalb des durch die bisherige Betriebsführung vorgegebenen Rahmens frei bewegen durfte (BSGE 66, 168, 170 ff = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4 f; zu einer solchen Konstellation vgl auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 18.5.2010 - L 11 KR 1423/08).

32

Der Senat kann vorliegend offenlassen, ob der vom 11. Senat des BSG formulierten Rechtsauffassung (ggf modifiziert bzw auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt) bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann oder ob - wofür Einiges spricht - der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse, auf die auch der 11. Senat ausdrücklich hingewiesen hat, größere Bedeutung beizumessen ist. Für Letzteres spricht, dass entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer formal vorliegenden (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit ist, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde (kritisch aus diesem Grunde auch Segebrecht in jurisPK-SGB IV, aaO, § 7 RdNr 124). Eine solche "SchönwetterSelbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar. So hat das BSG in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass es im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, liegt, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann (vgl SozR Nr 6 zu § 168 RVO; SozR 2200 § 1228 Nr 1 S 2; SozR 2200 § 205 Nr 41 S 103; zuletzt Urteil des Senats vom 27.7.2011 - B 12 R 15/09 R - SozR 4-2600 § 5 Nr 6 RdNr 16).

33

Auf die dargestellte Frage kommt es vorliegend nicht an, da die vom LSG festgestellten Tatsachen dessen Schlussfolgerung, der Kläger habe seit April 1996 die Geschäfte der Beigeladenen zu 1. "nach eigenem Gutdünken führen und frei schalten und walten" können (vgl dazu BSG <11. Senat> BSGE 66, 168, 171 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4), nicht tragen. So hat das LSG seine Schlussfolgerung bereits selbst dahin eingeschränkt, dass der Kläger die Beigeladene zu 1. "mit seiner Schwester allein" geführt habe (Seite 15 des Urteils) bzw nur zusammen mit ihr habe führen können. In diesem Zusammenhang ist auch unerheblich, dass das LSG keine Feststellungen zum Umfang des Einvernehmens zwischen dem Kläger und seiner Schwester getroffen hat. Denn auch bei großzügiger Auslegung des Gesellschafterbeschlusses vom 30.4.1996 war die Leitungsmacht des Klägers ausschließlich auf "den technischen und gewerblichen Teil des Unternehmens" beschränkt. Nur die darauf bezogenen "entsprechenden Vollmachten" wurden erteilt oder sollten noch erteilt werden. Die Leitung der Beigeladenen zu 1. insgesamt war dem Kläger damit nicht übertragen worden. Auf Grundlage der Feststellungen des LSG kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger seine Schwester und den - wenn auch zunehmend nur noch der Form halber - weiterhin an der Unternehmensleitung mitwirkenden Vater derart dominiert hätte, dass nach den tatsächlichen Verhältnissen eine Gesamtleitung der Beigeladenen zu 1. allein durch den Kläger vorgelegen hätte. Vielmehr hat auch das LSG alleinige Branchenkenntnisse des Klägers nicht in allumfassender Weise, sondern nur in dem von ihm geleiteten Teilbereich der Geschäfte festgestellt. Die Leitung des kaufmännischen Teils des Unternehmens hatte der Vater des Klägers gerade mit Rücksicht auf deren durch eine Ausbildung bei einem Steuerberater erworbenen Kenntnisse der Schwester des Klägers übertragen. Zudem verfügte der Vater des Klägers über langjährige Erfahrung in der Leitung des Gesamtunternehmens, die er als Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer bereits zu einem Zeitpunkt innehatte, bevor der Kläger die Meisterprüfung ablegte und zum Betriebsleiter bestellt wurde. Zugleich spricht der Umstand, dass der Kläger und seine Schwester trotz Übertragung bereichsbezogener Leitungsfunktionen und eines Verzichts des Vaters auf "das Weisungsrecht" nicht zu Geschäftsführern berufen wurden, dafür, dass sich der Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer eine Kontrolle und Letztentscheidungsbefugnis zumindest bezüglich grundlegender unternehmerischer Entscheidungen vorbehalten wollte. Nicht zuletzt spricht auch der Umstand, dass die Beigeladene zu 1. im Erbgang an die Mutter und nicht den Kläger und seine Schwester fiel, dafür, dass ihr Vater das Unternehmen trotz seiner fortschreitenden Krankheit jedenfalls während des hier zu beurteilenden Zeitraums noch nicht vollständig an seine Kinder übergeben hatte.

34

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Der Anteil der zu erstattenden Kosten entspricht dem Verhältnis der im streitigen Zeitraum für den Kläger zur gesetzlichen RV und zur Arbeitsförderung entrichteten Beiträge.

Der Bestimmung der Gesellschafter unterliegen:

1.
die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Ergebnisses;
1a.
die Entscheidung über die Offenlegung eines Einzelabschlusses nach internationalen Rechnungslegungsstandards (§ 325 Abs. 2a des Handelsgesetzbuchs) und über die Billigung des von den Geschäftsführern aufgestellten Abschlusses;
1b.
die Billigung eines von den Geschäftsführern aufgestellten Konzernabschlusses;
2.
die Einforderung der Einlagen;
3.
die Rückzahlung von Nachschüssen;
4.
die Teilung, die Zusammenlegung sowie die Einziehung von Geschäftsanteilen;
5.
die Bestellung und die Abberufung von Geschäftsführern sowie die Entlastung derselben;
6.
die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung;
7.
die Bestellung von Prokuristen und von Handlungsbevollmächtigten zum gesamten Geschäftsbetrieb;
8.
die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, welche der Gesellschaft aus der Gründung oder Geschäftsführung gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter zustehen, sowie die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen, welche sie gegen die Geschäftsführer zu führen hat.

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.