Sozialgericht Aachen Beschluss, 22. Aug. 2014 - S 6 SF 61/14
Gericht
Tenor
Das Gesuch des Klägers, den Sachverständigen Dr. I. wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.
1
Gründe:
2I.
3Im zugrundeliegenden Hauptsachverfahren (Az.: S 6 U 000/00) streiten die Beteiligten darum, ob in den Folgen des Arbeitsunfalls, den der Kläger am 00.00.0000 erlitten hat, eine wesentliche Änderung in Form einer Verschlimmerung eingetreten ist. Das Gericht hat mit Beweisanordnung vom 00.00.000 von Amts wegen den niedergelassenen Facharzt für Chirurgie Dr. I. (B.) zum Sachverständigen ernannt, der als Durchgangsarzt zugelassen ist. Nachdem der Sachverständige den Termin zur körperlichen Untersuchung für den 00.00.0000 anberaumt hatte, nahm der Kläger mit ihm am 00.00.0000 fernmündlich Kontakt auf und erklärte, er "klage gegen die Begutachtung". Am 00.00.0000 lehnte der Kläger den Sachverständigen Dr. I. wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung führte er aus, auf der Internethomepage der Praxis des Sachverständigen werde dieser mit dem Logo "DGUV" (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V.) angepriesen. Er (der Kläger) habe Misstrauen gegenüber den Durchgangsärzten, weil diese nach seiner Meinung überwiegend von den Berufsgenossenschaften bestellt würden und auch meistens deren Meinung verträten. Wenn ein Arzt aber überwiegend für eine Berufsgenossenschaft tätig ist, bestehe die Besorgnis der Befangenheit. Es müssten dieselben Grundsätze herangezogen werden wie im Arzthaftungsrecht. Das Gericht hat daraufhin eine Stellungnahme von Dr. I. vom 00.00.0000 eingeholt. Darin hat Dr. I. ausgeführt, er fühle sich nicht befangen. Es bestehe keine persönliche Beziehung zu Behörden und auch keine Vereinbarung mit Berufsgenossenschaften als beratender Arzt. Das Logo der DGUV sei auf seiner Internetseite unter der Rubrik "Leistungsspektren" abgebildet. Es diene der Information der Patienten, die dadurch erführen, dass er als Durchgangsarzt auch für die Behandlung von Arbeits-, Wege- und Schulunfälle zugelassen sei. Mit diesem Logo erfolge eine Verlinkung zur DGUV, damit sich interessierte Patienten über die Inhalte und das Verfahren im Rahmen der Gesetzlichen Unfallversicherung informieren könnten.
4Das Gericht hat einen Ausdruck der Internethomepage der Praxis des Sachverständigen beigezogen und ausgewertet und eine ergänzende Stellungnahme von Dr. I. vom 00.00.0000 eingeholt. Darin hat dieser bekräftigt, er sei weder für die Beklagte noch für andere Berufsgenossenschaften als Beratungsarzt tätig.
5Hinsichtlich der weiteren wesentlichen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte verwiesen.
6II.
7Das Ablehnungsgesuch ist zulässig, jedoch unbegründet.
8Nach §§ 118 Abs. 1 Satz Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 406 Abs. 1, § 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) findet die Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn der Beteiligte bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Sachverständigen ihm gegenüber zu zweifeln (BSG, Beschluss vom 18.7.2007 – B 13 R 28/06 R = juris; BGH, Beschluss vom 17.12.2009 – III ZB 55/09 = MDR 2010, 462; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.01.2014 – L 8 R 1000/13 B = juris). Der Grund, der das Misstrauen rechtfertigt, muss bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise vom Standpunkt der Partei aus vorliegen. Rein subjektive Vorstellungen und Gedankengänge des Antragstellers scheiden aus (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.06.2014 – L 2 SF 50/14 AB = juris)
9Diese Voraussetzungen liegen in der Person des Sachverständigen Dr. I. nicht vor. Soweit der Kläger an dessen Unvoreingenommenheit zweifelt, weil sich auf der Internethomepage der Praxis des Sachverständigen das Logo der DGUV findet, so liegt bei vernünftiger Würdigung kein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Denn bei objektiver Betrachtung wird der Sachverständige keineswegs – wie der Kläger meint – von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (dem gemeinsamen Spitzenverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, der Unfallkassen und Gemeindeunfallversicherungsverbände) angepriesen. Vielmehr ist die Abbildung des Logos als Hinweis darauf zu verstehen, dass der Sachverständige durch Verwaltungsakt des zuständigen Landesverbandes der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung als Durchgangsarzt zugelassen wurde und damit für die (Erst-)behandlung von Arbeitsunfällen besonderes qualifiziert ist. Hintergrund ist die besondere Ausgestaltung im materiellen Recht der Gesetzlichen Unfallversicherung, das den am Heilverfahren beteiligten Ärzten eine besondere Sachkunde und Erfahrung abverlangt (näher § 34 Abs. 3 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) sowie dem hierauf beruhenden Vertrag gem. § 34 Abs. 3 SGB VII zwischen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (DGUV), Berlin, dem Spitzenverband der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV-SpV), Kassel, einerseits und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, K.d.ö.R., Berlin, andererseits über die Durchführung der Heilbehandlung, die Vergütung der Ärzte sowie die Art und Weise der Abrechnung der ärztlichen Leistungen (abrufbar unter http://www.dguv.de/medien/inhalt/rehabilitation/verguetung/documents/aerzte.pdf). Danach müssen die am Durchgangsarztverfahren beteiligten Ärzte eine besondere Erfahrung und Sachkunde aufweisen und sie müssen ferner eine bestimmte personelle und sächliche Ausstattung vorweisen können. Die Zulassung als Durchgangsarzt ist für die Ärzte mit mannigfachen Pflichten verbunden (zu den einzelnen Voraussetzungen siehe Anforderungen der gesetzlichen Unfallversicherungsträger nach § 34 SGB VII zur Beteiligung am Durchgangsarztverfahren in der Fassung vom 01.01.2011, abrufbar unter http://www.dguv.de/medien/landesverbaende/de/med reha/documents/d arzt3.pdf). Die vielschichtigen Anforderungen des materiellen Rechtes sowie das besondere Durchgangsarztverfahren sind den wenigsten Patienten im Detail geläufig. Als zugelassener Durchgangsarzt verfolgt der Sachverständige Dr. I. mit Abbildung des Logos der DGUV bei objektiver Betrachtung das legitime Anliegen, den Patienten zu informieren und ihm zu helfen, sich im Durchgangsarztverfahren zu Recht zu finden. Dies ergibt sich für die Kammer daraus, dass das Logo sich lediglich unter der Rubrik "Schul- und Arbeitsunfälle" findet und das Durchgangsarztverfahren hier kurz erläutert wird. Eine wie auch immer geartete Weisungsabhängigkeit oder besondere Nähe zur DGUV ist mit der Zulassung als Durchgangsarzt nicht verbunden und wird durch die Verwendung des Logos auch nicht impliziert. Auch aus seiner Zulassung als Durchgangsarzt folgen keine Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen Dr. I. Die Kammer hat vielmehr bewusst einen Arzt ausgewählt, der über eine besondere Sachkunde verfügt und imstande ist, die schwierigen Kausalitätsfragen, welche sich im Recht der Gesetzlichen Unfallversicherung stellen (können), adäquat zu beantworten. Dem entspricht die gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung, nach der sich aus der Beauftragung eines Sachverständigen, der auch als Durchgangsarzt zugelassen ist, keine Besorgnis der Befangenheit ableiten lässt (exemplarisch etwa LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.07.1996 – L 2 U 1617/96 B = juris).
10Soweit der Kläger demgegenüber auf die Grundsätze des Arzthaftungsrechts verweist, verkennt er, dass diese eine gänzlich andere Regelungsmaterie betreffen als die Zulassung von Durchgangsärzten, die durch Verwaltungsakt des zuständigen Landesverbandes der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung erfolgt und öffentlich-rechtlich geprägt ist.
11Diese Entscheidung ist unanfechtbar, § 172 Abs. 2 SGG in der Fassung von Art. 7 Nr. 11 Buchstabe a) des BUK-Neuorganisationsgesetzes vom 19.10.2013, BGBl. 2013 I, 3836).
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(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.
(2) Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.
(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden.
(4) Die Entscheidung ergeht von dem im zweiten Absatz bezeichneten Gericht oder Richter durch Beschluss.
(5) Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den sie für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.
(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.
(1) Die Unfallversicherungsträger haben alle Maßnahmen zu treffen, durch die eine möglichst frühzeitig nach dem Versicherungsfall einsetzende und sachgemäße Heilbehandlung und, soweit erforderlich, besondere unfallmedizinische oder Berufskrankheiten-Behandlung gewährleistet wird. Sie können zu diesem Zweck die von den Ärzten und Krankenhäusern zu erfüllenden Voraussetzungen im Hinblick auf die fachliche Befähigung, die sächliche und personelle Ausstattung sowie die zu übernehmenden Pflichten festlegen. Sie können daneben nach Art und Schwere des Gesundheitsschadens besondere Verfahren für die Heilbehandlung vorsehen.
(2) Die Unfallversicherungsträger haben an der Durchführung der besonderen unfallmedizinischen Behandlung die Ärzte und Krankenhäuser zu beteiligen, die den nach Absatz 1 Satz 2 festgelegten Anforderungen entsprechen.
(3) Die Verbände der Unfallversicherungsträger sowie die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (Kassenärztliche Bundesvereinigungen) schließen unter Berücksichtigung der von den Unfallversicherungsträgern gemäß Absatz 1 Satz 2 und 3 getroffenen Festlegungen mit Wirkung für ihre Mitglieder Verträge über die Durchführung der Heilbehandlung, die Vergütung der Ärzte und Zahnärzte sowie die Art und Weise der Abrechnung. Dem oder der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit ist rechtzeitig vor Abschluß Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, sofern in den Verträgen die Verarbeitung von personenbezogenen Daten geregelt werden sollen.
(4) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen haben gegenüber den Unfallversicherungsträgern und deren Verbänden die Gewähr dafür zu übernehmen, daß die Durchführung der Heilbehandlung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht.
(5) Kommt ein Vertrag nach Absatz 3 ganz oder teilweise nicht zustande, setzt ein Schiedsamt mit der Mehrheit seiner Mitglieder innerhalb von drei Monaten den Vertragsinhalt fest. Wird ein Vertrag gekündigt, ist dies dem zuständigen Schiedsamt mitzuteilen. Kommt bis zum Ablauf eines Vertrags ein neuer Vertrag nicht zustande, setzt ein Schiedsamt mit der Mehrheit seiner Mitglieder innerhalb von drei Monaten nach Vertragsablauf den neuen Inhalt fest. In diesem Fall gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrags bis zur Entscheidung des Schiedsamts vorläufig weiter.
(6) Die Verbände der Unfallversicherungsträger und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen bilden je ein Schiedsamt für die medizinische und zahnmedizinische Versorgung. Das Schiedsamt besteht aus drei Vertretern der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und drei Vertretern der Verbände der Unfallversicherungsträger sowie einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. § 89 Absatz 6 des Fünften Buches sowie die aufgrund des § 89 Absatz 11 des Fünften Buches erlassenen Rechtsverordnungen gelten entsprechend.
(7) Die Aufsicht über die Geschäftsführung der Schiedsämter nach Absatz 6 führt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
(8) Die Beziehungen zwischen den Unfallversicherungsträgern und anderen als den in Absatz 3 genannten Stellen, die Heilbehandlung durchführen oder an ihrer Durchführung beteiligt sind, werden durch Verträge geregelt. Soweit die Stellen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ausführen oder an ihrer Ausführung beteiligt sind, werden die Beziehungen durch Verträge nach § 38 des Neunten Buches geregelt.
(1) Gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte findet die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Vertagungsbeschlüsse, Fristbestimmungen, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen und Sachverständigen können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Die Beschwerde ist ausgeschlossen
- 1.
in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte, - 2.
gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn - a)
das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint, - b)
in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte oder - c)
das Gericht in der Sache durch Beschluss entscheidet, gegen den die Beschwerde ausgeschlossen ist,
- 3.
gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193, - 4.
gegen Entscheidungen nach § 192 Abs. 4, wenn in der Hauptsache kein Rechtsmittel gegeben ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro nicht übersteigt.