Sozialgericht Aachen Urteil, 15. Apr. 2014 - S 18 SB 564/12
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen, soweit sie über den in der öffentlichen Sitzung vom 00.00.0000 geschlossenen Teilvergleich hinausgeht. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach zu 3/7.
1
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt zuletzt die Zuerkennung des Nachteilsausgleiches "RF" (Ermäßigung von der Rundfunkgebühr).
3Der am 00.00.0000 geborene Kläger beantragte am 00.00.0000 erstmals beim Beklagten die Feststellung eines Grades der Behinderung sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen "G" (Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) und "RF". Bereits seit diesem Zeitpunkt steht er in fortlaufenden Lei-tungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II). Zur Begründung seines Antrages führte er Kniebeschwerden, Hustenattaken, Schwindel und Depressionen an und legte Arztbriefe des Chirurgen Dr. K., des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B., des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Dr. N. des Allgemeinmediziners Dr. U., des Facharztes für Neurologie Dr. W. der Unfallchirurgie des Städtischen Krankenhauses Heinsberg, des Pathologen Dr. H., des Radiologen Dr. T. sowie eine medizinische Auskunft des praktischen Arztes Dr. I. für das Versorgungsamt Aachen aus dem Jahr 1980 vor.
4Der Beklagte holte zunächst Befundberichte des Hals- Nasen-Ohren-Arztes Dr. N., des Chirurgen T. und des Allgemeinmediziners Dr. U. mit weiteren Arztbriefen ein. Nach Auswertung durch seinen medizinischen Dienst (Dr. N.) forderte der Beklagte ergänzend ein Sprachaudiogramm bei Dr. N. an und ließ durch den Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. L. ein versorgungsärztliches Gutachten erstellen. Nach versorgungsärztlicher Bewertung einer Hörminderung beidseits mit einem Einzel-GdB von 30 sowie Funktionsstörungen der Psyche, der Wirbelsäule und der unteren Gliedmaßen, jeweils mit einem Einzel-GdB von 10, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 00.00.0000 einen Grad der Behinderung des Klägers von 30 fest.
5Hiergegen legte der Kläger am 00.00.0000 Widerspruch ein. Sein Bevollmächtigter bat sogleich um eine rechtsmittelfähige Bescheidung, eine Begründung sei nicht beabsichtigt.
6Insofern wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 00.00.0000 zurück.
7Mit seiner am 00.00.0000 erhobenen Klage hat der Kläger zunächst die Feststellung eines Grades der Behinderung von mindestens 50 sowie die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "RF" begehrt.
8Zur Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes hat das Gericht jeweils einen Befundbericht des Orthopäden Dr. L1. und des Facharztes für innere Medizin Herrn L2 eingeholt. Sodann hat das Gericht gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zunächst den Arzt für innere Medizin und Arbeitsmedizin, Sozialmedizin Dr. Q. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, welches dieser unter dem 00.00.0000 erstellt hat. Im Anschluss daran hat der Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Prof. Dr. B. unter dem 11.09.2013 ein weiteres schriftliches Sachverständigengutachten im Rahmen der sozialgerichtlichen Amtsermittlung erstellt.
9Auf der Grundlage des Ergebnisses der Beweisaufnahme haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 00.00.0000 schließlich einen Teilvergleich geschlossen, im Rahmen dessen der Kläger sein Begehr auf die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "G" hat fallen lassen und der Beklagte sich unter Änderung seines Bescheides vom 00.00.0000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 00.00.0000 bereit erklärt hat, bei dem Kläger ab dem 00.00.0000 einen Grad der Behinderung von 70 festzustellen.
10Der Kläger trägt über seinen Bevollmächtigen vor, zwar sei er mit Hörhilfen in einem Zwiegespräch verständigungsfähig, jedoch schwinde seine kommunikative Teilnahmefähigkeit bei Einwirken mehrerer Geräuschquellen. Er ist der Ansicht, dass diese Situation aber typisch für öffentliche Veranstaltungen sei. Die Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. B. entsprächen sinngemäß den Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF". Änderungen in der Formulierung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit könnten nicht dazu führen, dass ein Sachverhalt, der sinngemäß ein Merkzeichen rechtfertige, nicht mehr Berücksichtigung finden solle.
11Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt, den Beklagten über den geschlossenen Teilvergleich hinaus zu verpflichten, bei dem Kläger ab dem 00.00.0000 die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches "RF" festzustellen.
12Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
13Er ist der Auffassung, die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" komme nicht deshalb in Betracht, weil der Kläger an öffentlichen Veranstaltungen mit mehreren Geräuschquellen nicht kommunikativ sinnvoll teilnehmen könne. Einer solchen Ansicht liege insbesondere ein zu enges Verständnis des Begriffes der öffentlichen Veranstaltung im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Grunde.
14Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die bezeichneten Gutachten verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die der Kammer vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
15Entscheidungsgründe:
16Die zulässige Klage ist nicht begründet.
17I. Die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungs- statthafte Klage (vgl. BSG, Urteil vom 17.04.2013 – B 9 SB 6/12 R, juris) ist zulässig. Gleichwohl der Kläger am 00.00.0000 und fortlaufend bis zum Tag der mündlichen Verhandlung im Leistungsbezug nach dem SGB II gestanden hat, verneint die Kammer ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers nicht. Zwar ist der Kläger als Empfänger von Arbeitslosengeld II ohnehin vollständig von der Rundfunkbeitragspflicht befreit (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag), während die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" nur eine Ermäßigung des Rundfunkbeitrages auf ein Drittel ermöglicht (vgl. dazu II.). Jedoch ist das Konzept des SGB II (vgl. insbesondere §§ 1-3) auf eine vorübergehende Hilfebedürftigkeit gerichtet. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung – ohne dass die Kammer daran begründet zweifelt – vorgetragen, auch tatsächlich in näherer Zukunft aus dem Leistungsbezug nach dem SGB II ausscheiden zu können, so dass die alsbaldige Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches "RF" für ihn einen konkreten Rechtsvorteil begründete.
18II. Das verbliebene Klagebegehr ist aber unbegründet. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 20.12.2011 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 00.00.0000 nach Abschluss des Teilvergleiches in der öffentlichen Sitzung vom 15.04.2014 nicht i. S. d. § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "RF".
19Gemäß § 69 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch das Vorliegen gesundheitlicher Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Nachteilsausgleichen gehört das hier streitige Merkzeichen "RF", das nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) auf der Rückseite des Schwerbehindertenausweises einzutragen ist, wenn der schwerbehinderte Mensch die landesrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllt. Eine volle Befreiung von den Rundfunkgebühren hat das Merkzeichen nur bis zum 00.00.0000 bedingt. Seit dem 01.01.2013 wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland nicht mehr durch Gebühren, sondern durch Beiträge finanziert. Dies regelt nunmehr der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) vom 15. bis 21.12.2010, der in Nordrhein-Westfalen zum 01.01.2013 in Kraft gesetzt worden ist (§ 14 Abs. 1, 2 und 6 des RBStV sind bereits zum 01. Januar 2012 in Kraft getreten). Bei den in § 4 Abs. 2 RBStV aufgeführten gesundheitlichen Einschränkungen wird keine Befreiung mehr gewährt, es werden die Rundfunkbeiträge auf ein Drittel ermäßigt. Die medizinischen Voraussetzungen wurden nicht geändert, entsprechen vielmehr vollständig § 6 Abs. Nr. 7-8 des bis anhin geltenden Rundfunkgebührenstaatsvertrages in seiner achten Fassung (RGebStV) (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Januar 2013 – L 3 SB 3862/12 –, juris Rn. 21). Danach wird der Rundfunkbeitrag sehbehinderten Personen mit einem GdB von 60 allein wegen der Sehbehinderung sowie Hörgeschädigten, die gehörlos sind, oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Gehörhilfen nicht möglich ist (§ 4 Abs. 2 Nr. 1, 2 RBStV), ermäßigt. Diesen Personen steht folglich das Merkzeichen "RF" zu. Eine Inanspruchnahme dieses Nachteilsausgleiches ist überdies gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 RBStV behinderten Menschen eröffnet, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend 80 von Hundert beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können. (zum Merkzeichen BSG Urteil vom 16.02.2012 - B 9 SB 2/11 R, juris).
20Nach Auffassung der Kammer kommt für die Zeit ab 01.01.2013 auch für die in § 4 Abs. 2 S. 1 RBStV genannten Personen eine Eintragung des Merkzeichens "RF" in den Schwerbehindertenausweis in Betracht, auch wenn ihnen keine Beitragsbefreiung mehr zusteht (vgl. zu dieser Frage auch: SG Dortmund, Urteil vom 13.02.2013, S 7 SB 2213/11, juris). Es kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die in § 4 Abs. 2 S. 1 RBStV genannten Personen von der Inanspruchnahme oder dem Nachweis ihres Nachteilsausgleichs ausschließen wollte. Näher liegt es anzunehmen, dass nur der Kreis der vom Rundfunkbeitrag Befreiten eingeschränkt werden sollte, ohne gleichzeitig auf eine Anpassung von § 3 Abs. 1 Nr. 5 SchwbAwV an die zum 01.01.2013 in Kraft tretende Änderung der Rundfunkbeitragsbefreiung bzw. die Einführung der Beitragsermäßigung hinzuwirken. Gemäß § 69 Abs. 5 Satz 2 SGB IX dient der Ausweis dem Nachweis für die Inanspruchnahme von Leistungen und sonstigen Hilfen, die schwerbehinderten Menschen nach Teil 2 oder nach anderen Vorschriften zustehen. Das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs, der in der Ermäßigung des Rundfunkbeitrags liegt, ist zu dessen Nachweis ebenso im Schwerbehindertenausweis einzutragen wie das Erfüllen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs, der zur Beitragsbefreiung führt. Es darf davon ausgegangen werden, dass es der Verordnungsgeber der Schwerbehindertenausweisverordnung bei der Neufassung des § 3 SchwbAwV zum 01.01.2013 (vgl. Dritte Verordnung zur Änderung der Schwerbehindertenausweisverordnung vom 07.06.2012, BGBl I, S. 1275) schlicht versäumt hat, die Änderungen im Rundfunkbeitragsrecht umzusetzen. Dies zeigt die weitere Verwendung des Terminus "Rundfunkgebührenpflicht".
21Bei dem Kläger liegen die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "RF" – auch ab dem 00.00.0000 - nicht vor.
22Die Tatbestände des § 4 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 RBStV sind ersichtlich nicht erfüllt. Der Kläger ist weder blind oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehindert mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 60 allein wegen einer Sehbehinderung, noch beträgt der bei ihm ab dem 00.00.0000 festzustellende GdB nicht nur vorübergehend 80. Vielmehr ist bei dem Kläger nach dem den medizinischen Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. B entsprechenden Teilvergleich der Beteiligten ab dem 00.00.0000 ein GdB von 70 festzustellen, der einzig auf einer beidseits an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit beruht.
23Aber auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Nr. 2 RBStV liegen jedoch nicht vor. Der Kläger ist weder gehörlos (vgl. Teil B Nr. 5.2.4 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV)) noch ist ihm eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich. Der Sachverständige Hals-Nasen-Ohren-Arzt Prof. Dr. B,, ab dessen Tag der Untersuchung ein GdB von 70 bei dem Kläger festzustellen ist, hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 00.00.0000 ausgeführt, bei der beim Kläger möglichen und vorhandenen Versorgung mit Hörgeräten bestehe ein für die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen sowie die sprachliche Kommunikation in der Regel ausreichendes Hörvermögen. Der Kläger ist der Feststellung einer ausreichenden Kommunikations- und Verständigungsfähigkeit über das Gehör auch nicht generell entgegengetreten. Vielmehr hat er eingeräumt, dass eine Verständigung mit Hörhilfen zumindest insoweit gelinge, wie er sich in einem Dialog befinde. Erst wenn mehrere Geräuschquellen auf ihn einwirkten sei eine Kommunikation nur noch in sehr eingeschränktem Umfang möglich. Allerdings betreffe dies gerade die typische Situation einer Veranstaltung, insbesondere von Konzerten und Volksfesten o.ä., an denen er letztlich nicht kommunikativ teilnehmen könne. Soweit Prof. Dr. B. in einer gerichtlich erbetenen ergänzenden Stellungnahme vom 00.00.0000 die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "RF" schließlich doch tendenziell bejaht hat, beruht dies darauf, dass der Sachverständige den Begriff der öffentlichen Veranstaltung unter dem Eindruck der klägerischen Einwände gegen eine Verneinung der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "RF" - zudem unter "sinngemäßem" Rückgriff auf veraltete Rechtsgrundlagen - unzutreffend verengt hat. Tatsächlich ist der Vortrag des Klägers, seine Kommunikationsfähigkeit über das Gehör sei trotz einer Versorgung mit Gehörhilfen etwa in einem Zwiegespräch gegeben, bei mehreren Geräuschquellen aber sehr eingeschränkt, glaubhaft. Dieser ergänzenden medizinischen Einschätzung Prof. Dr. B. folgt die Kammer auch aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnen Eindrucks. Dem Kläger war eine Kommunikation über das Gehör nicht nur mit seinem Bevollmächtigten ohne erkennbare größere Schwierigkeiten möglich, sondern auch mit dem Kammervorsitzenden. In vereinzelten Momenten mehrfach akustischer Einwirkungen schien er jedoch Schwierigkeiten zu haben, den Sitzungsverlauf vollständig zu erfassen und bedurfte kurzer Erläuterungen seines Bevollmächtigten oder des Gerichts. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. B. beträgt die Verständlichkeit des Klägers im freien Schallfeld für Einsilber mit zwei getragenen Hörgeräten 50 % (ohne Hörhilfen 5 %).
24Soweit der Kläger allerdings der Auffassung ist, diese Funktionsstörung des Gehörs begründe einen Anspruch auf die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF", weil eine kommunikative Teilhabe an öffentlichen Veranstaltungen nicht sinnvoll möglich sei, ist dies unzutreffend. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der offenbar rekurrierte Ausschluss ständiger Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen kein Tatbestandsmerkmal des § 4 Abs. 2 Nr. 2 RBStV, sondern des § 4 Abs. 2 Nr. 3 RBStV ist, dessen Einschlägigkeit - wie dargelegt - hingegen bereits an einem GdB von mindestens 80 scheitert. Im Rahmen der einzig in Betracht kommenden Variante des § 4 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 RBStV ist schlicht nach einer ausreichenden Verständigung über das Gehör auch mit Gehörhilfen zu fragen. Dabei kommt es nach Auffassung der Kammer weder auf eine kommunikative Teilhabefähigkeit unter pluraler Geräuscheinwirkung an, noch kann auf einen starren GdB-Wert für das Gehör zurückgegriffen werden. Soweit in der Rechtsprechung teilweise ausgeführt wird, die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 RBStV lägen dann vor, wenn eine beidseitige Hörschädigung mindestens einen GdB von 50 bedinge (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. Januar 2012 – L 10 SB 197/11, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.02.2013 - L 11 SB 137/11; Urteil vom 15.03.2012 – L 11 SB 105/09, juris) schließt sich die Kammer dem an, als dies notwendige aber nicht hinreichende Bedingung für die Zuerkennung des Nachteilsausgleiches "RF" ist. Während der Grad der Behinderung für Hörschäden – durchaus systematisch untypisch – nach der VersMedV, Teil B Nr. 5 ohne Hilfen zu bestimmen ist, kommt es im Rahmen des § 4 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 RBStV gerade auf die Situation mit Hörhilfeversorgung an. Danach ist zwanglos denkbar, dass ein Hörbeschädigter mit einem GdB von 70 faktisch (mit Hörhilfen) sich besser über das Gehör verständigen kann als ein anderer mit einem GdB von "nur" 50 oder 60. Denn die mögliche Versorgungsqualität mit Hörhilfen steht nicht in einem deduktiven Zusammenhang mit dem Ausmaß der Hörbeeinträchtigung ohne Hilfsmittel. Eine starre GdB-Grenze verbietet sich im Rahmen des § 4 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 RBStV damit. Wortlautgetreu ist die faktisch ausreichende Verständigung maßgebend. Dabei ist jedenfalls eine solche Verständigungsmöglichkeit über das Gehör (auch) mit Hörhilfen als ausreichend zu betrachten, die eine weitgehend problemlose Dialogfähigkeit gewährleistet. Nicht erforderlich i. S. einer ausreichenden Verständigung ist eine sinnvolle Kommunikationsteilhabefähigkeit unter dem Einfluss mehrerer Geräuschquellen. Ein solches Verständnis des unbestimmten Rechtsbegriffs "ausreichend", der voller gerichtlicher Überprüfung unterliegt, ist zu weit. Dies schließt die Kammer zunächst aus dem Wortlaut der Norm. Der Begriff der "Verständigung" weist auf die Fähigkeit überhaupt mit anderen Menschen über das Gehör in Kontakt treten zu können; impliziert eine rudimentäre Form der Kommunikation. Unter systematischen Gesichtspunkten gebietet nicht nur der Blick auf die alternative Voraussetzung der Gehörlosigkeit in § 4 Abs. 2 Nr. 2 RBStV ein enges Normverständnis, vielmehr auch der Abgleich mit § 4 Abs. 2 Nr. 1 und 3 RBStV. Nach Nr. 1 erhalten neben blinden nur sehbehinderte Menschen mit einem GdB von wenigstens 60 allein wegen der Sehbehinderung eine Ermäßigung des Rundfunkbeitrages. Dabei ist nach Teil B Nr. 4 der VersMedV - im Unterscheid zur Gehörschädigung - für den GdB der bereits mit Hilfsmitteln korrigierte Visus entscheidend. Ein GdB von 60 bedeutet hier nach Teil B Nr. 4.3 VersMedV etwa eine Sehschärfe von 0,16 auf beiden Augen. Dies entspricht z. B. einem nasalen Gesichtshälftenausfall eines Ausges bei gleichzeitigem Verlust oder Blindheit des anderen Auges (Teil B Nr. 4.5 VersMedV). Verlangte man für eine ausreichende Verständigungsmöglichkeit nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 RBStV die erhaltene Fähigkeit einer Kommunikationsteilhabe unter mehrfacher Geräuscheinwirkung – und damit eine nahezu unbeeinträchtigte Funktionalität des Gehörs mit Hörhilfen – wäre eine Vergleichbarkeit auch mit § 4 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 RBStV keinesfalls mehr gewahrt. § 4 Abs. 2 Nr. 3 RBStV weist nicht nur in dem Mindesterfordernis eines nicht nur vorübergehenden GdB von 80 systematisch auf eine enge Auslegung des Begriffs "ausreichend" im Rahmen des § 4 Abs. 2 Nr. 2 RBStV, vielmehr noch durch die kumulative Voraussetzung einer ständigen Teilnahmeunfähigkeit an öffentlichen Veranstaltungen. Einzig im Rahmen dieses (Teil)bereiches der teleologisch-systematischen Betrachtung wirkt sich das fehlerhafte Rechtsverständnis des Klägers vom Begriff der öffentlichen Veranstaltung aus. Eine unbestrittene Hinderung des Klägers an kommunikativer Teilnahme etwa an Konzerten oder Volksfesten o.ä. über das Gehör mit einem generellen Ausschluss von öffentlichen Veranstaltungen gleichzusetzen verengt mit der zutreffenden Auffassung des Beklagten den Begriff der öffentlichen Veranstaltung unzulässig. Öffentliche Veranstaltung ist nämlich jede grundsätzlich der Allgemeinheit uneingeschränkt oder bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen (z.B. Eintrittsgeld) zugänglich gemachte Veranstaltung im Sinne einer Organisation von Darbietungen verschiedenster Art, die länger als 30 Minuten dauert; dazu zählen Veranstaltungen politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender oder wirtschaftlicher Art, wobei es auf das tatsächliche Angebot von Veranstaltungen im örtlichen Einzugsbereich des Behinderten ebenso wenig ankommt wie auf seine persönlichen Vorlieben, Bedürfnisse, Neigungen oder Interessen (Bayerisches LSG Urteil vom 25.09.2012 - L 3 SB 15/12 = juris Rn. 27 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG; auch BSG Urteil vom 10.08.1993, 9/9a RVs 7/91; Urteil vom 16.03.1994, 9/9a RVs 3/83; Urteil vom 12.02.1997, 9/9a RVs 2/93; LSG NRW Urteil vom 18.01.2006; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom15.03.2012 - L 11 SB 105/09, juris Rn. 41). Dazu gehören nicht nur Theater-, Oper-, Konzert- und Kinovorstellungen oder Volksfeste, sondern auch Veranstaltungen wie etwa Ausstellungen, Messen, Museen, Gottesdienste, Sportveranstaltungen sowie Tier- und Pflanzengärten (vgl. BSG, Urteil vom 17.03.1982, 9a/9 RVs 6/81, SozR 3870 § 3 Nr 15 = BSGE 53, 175, juris Rn 16 ff; LSG NRW, Urteil vom 21. April 2010 – L 10 SB 22/09 –, juris, Rn. 22). Maßgeblich ist allein die Möglichkeit der körperlichen Teilnahme, gegebenenfalls mit technischen Mitteln (z.B. Rollstuhl) und/oder mit Hilfe einer Begleitperson (Bayerisches LSG Urteil vom 25.09.2012 - L 3 SB 15/12 = juris Rn. 27 unter Bezugnahme auf BSG Urteil vom 11.09.1991 - 9/9a RVs 15/98, juris Rn. 9). Die Unmöglichkeit zur Teilnahme an solchen Veranstaltungen im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 3 RBStV ist nur dann gegeben, wenn der Schwerbehinderte wegen seines Leides ständig, d.h. allgemein und umfassend, vom Besuch ausgeschlossen ist. Sie kann nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, nur dann bejaht werden, wenn der Schwerbehinderte in einem derartigen Maße eingeschränkt ist, dass er praktisch von der Teilnahme am öffentlichen Gemeinschaftsleben ausgeschlossen und an das Haus gebunden ist. Mit dieser sehr engen Auslegung soll gewährleistet werden, dass der aus Sicht des BSG ohnehin problematische Nachteilsausgleich "RF" nur den Personengruppen zu Gute kommt, die den gesetzlich in § 4 Abs. 2 Nr. 1, 2 RBStV ausdrücklich genannten Schwerbehinderten (Blinden und Hörgeschädigten) und den aus wirtschaftlicher Bedrängnis sozial Benachteiligten vergleichbar sind (BSG, Urteil vom 10.08.1993 - 9/9a Rvs 7/91 -, SozR 3-3870 § 48 Nr. 2; LSG NRW, Urteil vom 21. April 2010 – L 10 SB 22/09 –, juris). Ist die Teilnahmefähigkeit an einer öffentlichen Veranstaltung vorliegend also nicht unmittelbar entscheidend, bietet auch das überkommen strikte Verständnis jedoch Anhalt für ein enges Verständnis des § 4 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 RBStV, das einem Anspruch des Klägers auf die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches "RF" entgegensteht.
25Anhaltspunkte dafür, dass medizinische Gründe zur Annahme eines Härtefalles im Sinn des § 4 Abs. 6 RBStV führen liegen nicht vor. Dies ist z. B. der Fall, wenn ein GdB von weniger als 80 festgestellt ist, die betroffene Person jedoch insbesondere aus psychischen Gründen ständig nicht in der Lage ist, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 16.02.2012, B 9 SB 2/11 R, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.01.2013, L 3 SB 3862/12). Da der Beklagte nur Feststelllungen zu den gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen zu treffen hat, sind dabei andere als medizinische Gründe für die Bejahung eines Härtefalls vorliegend nicht zu prüfen.
26III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
27IV. Die Zulässigkeit der Berufung ergibt sich aus §§ 143, 144 SGG.
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(1) Im Ausweis sind auf der Rückseite folgende Merkzeichen einzutragen:
1. | aG | wenn der schwerbehinderte Mensch außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 229 Absatz 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist, |
2. | H | wenn der schwerbehinderte Mensch hilflos im Sinne des § 33b des Einkommensteuergesetzes oder entsprechender Vorschriften ist, |
3. | BI | wenn der schwerbehinderte Mensch blind im Sinne des § 72 Abs. 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch oder entsprechender Vorschriften ist, |
4. | GI | wenn der schwerbehinderte Mensch gehörlos im Sinne des § 228 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist, |
5. | RF | wenn der schwerbehinderte Mensch die landesrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllt, |
6. | 1. Kl. | wenn der schwerbehinderte Mensch die im Verkehr mit Eisenbahnen tariflich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Benutzung der 1. Wagenklasse mit Fahrausweis der 2. Wagenklasse erfüllt, |
7. | G | wenn der schwerbehinderte Mensch in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt im Sinne des § 229 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder entsprechender Vorschriften ist, |
8. | TBI | wenn der schwerbehinderte Mensch wegen einer Störung der Hörfunktion mindestens einen Grad der Behinderung von 70 und wegen einer Störung des Sehvermögens einen Grad der Behinderung von 100 hat. |
(2) Ist der schwerbehinderte Mensch zur Mitnahme einer Begleitperson im Sinne des § 229 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch berechtigt, sind auf der Vorderseite des Ausweises das Merkzeichen „B“ und der Satz „Die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson ist nachgewiesen“ einzutragen.
Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.
(1) Im Ausweis sind auf der Rückseite folgende Merkzeichen einzutragen:
1. | aG | wenn der schwerbehinderte Mensch außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 229 Absatz 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist, |
2. | H | wenn der schwerbehinderte Mensch hilflos im Sinne des § 33b des Einkommensteuergesetzes oder entsprechender Vorschriften ist, |
3. | BI | wenn der schwerbehinderte Mensch blind im Sinne des § 72 Abs. 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch oder entsprechender Vorschriften ist, |
4. | GI | wenn der schwerbehinderte Mensch gehörlos im Sinne des § 228 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist, |
5. | RF | wenn der schwerbehinderte Mensch die landesrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllt, |
6. | 1. Kl. | wenn der schwerbehinderte Mensch die im Verkehr mit Eisenbahnen tariflich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Benutzung der 1. Wagenklasse mit Fahrausweis der 2. Wagenklasse erfüllt, |
7. | G | wenn der schwerbehinderte Mensch in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt im Sinne des § 229 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder entsprechender Vorschriften ist, |
8. | TBI | wenn der schwerbehinderte Mensch wegen einer Störung der Hörfunktion mindestens einen Grad der Behinderung von 70 und wegen einer Störung des Sehvermögens einen Grad der Behinderung von 100 hat. |
(2) Ist der schwerbehinderte Mensch zur Mitnahme einer Begleitperson im Sinne des § 229 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch berechtigt, sind auf der Vorderseite des Ausweises das Merkzeichen „B“ und der Satz „Die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson ist nachgewiesen“ einzutragen.
(1) Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung.
(2) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die herbeigeführt worden sind durch
- a)
eine unmittelbare Kriegseinwirkung, - b)
eine Kriegsgefangenschaft, - c)
eine Internierung im Ausland oder in den nicht unter deutscher Verwaltung stehenden deutschen Gebieten wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit, - d)
eine mit militärischem oder militärähnlichem Dienst oder mit den allgemeinen Auflösungserscheinungen zusammenhängende Straf- oder Zwangsmaßnahme, wenn sie den Umständen nach als offensichtliches Unrecht anzusehen ist, - e)
einen Unfall, den der Beschädigte auf einem Hin- oder Rückweg erleidet, der notwendig ist, um eine Maßnahme der Heilbehandlung, eine Badekur, Versehrtenleibesübungen als Gruppenbehandlung oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 26 durchzuführen oder um auf Verlangen eines zuständigen Leistungsträgers oder eines Gerichts wegen der Schädigung persönlich zu erscheinen, - f)
einen Unfall, den der Beschädigte bei der Durchführung einer der unter Buchstabe e aufgeführten Maßnahmen erleidet.
(3) Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewißheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.
(4) Eine vom Beschädigten absichtlich herbeigeführte Schädigung gilt nicht als Schädigung im Sinne dieses Gesetzes.
(5) Ist der Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben, so erhalten seine Hinterbliebenen auf Antrag Versorgung. Absatz 3 gilt entsprechend.
(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.
(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann, - 2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder - 3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.
(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.
(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.
(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.
(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.
(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen
- 1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert, - 2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem
- 1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird, - 2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres, - 3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und - 4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.
(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.
(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.
(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.
(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.
(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:
- a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist, - b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist, - c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte, - d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden, - e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.
(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.
(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.
(1) Solange Beschädigte infolge der Schädigung hilflos sind, wird eine Pflegezulage von 376 Euro (Stufe I) monatlich gezahlt. Hilflos im Sinne des Satzes 1 sind Beschädigte, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedürfen. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder Anleitung zu den in Satz 2 genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muß, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist. Ist die Gesundheitsstörung so schwer, daß sie dauerndes Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Pflege erfordert, so ist die Pflegezulage je nach Lage des Falles unter Berücksichtigung des Umfangs der notwendigen Pflege auf 642, 916, 1 174, 1 524 oder 1 876 Euro (Stufen II, III, IV, V und VI) zu erhöhen. Für die Ermittlung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage sind die in der Verordnung zu § 30 Abs. 17 aufgestellten Grundsätze maßgebend. Blinde erhalten mindestens die Pflegezulage nach Stufe III. Hirnbeschädigte mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 erhalten eine Pflegezulage mindestens nach Stufe I.
(2) Wird fremde Hilfe im Sinne des Absatzes 1 von Dritten aufgrund eines Arbeitsvertrages geleistet und übersteigen die dafür aufzuwendenden angemessenen Kosten den Betrag der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wird die Pflegezulage um den übersteigenden Betrag erhöht. Leben Beschädigte mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft, ist die Pflegezulage so zu erhöhen, dass sie nur ein Viertel der von ihnen aufzuwendenden angemessenen Kosten aus der pauschalen Pflegezulage zu zahlen haben und ihnen mindestens die Hälfte der pauschalen Pflegezulage verbleibt. In Ausnahmefällen kann der verbleibende Anteil bis zum vollen Betrag der pauschalen Pflegezulage erhöht werden, wenn Ehegatten, Lebenspartner oder ein Elternteil von Pflegezulageempfängern mindestens der Stufe V neben den Dritten in außergewöhnlichem Umfang zusätzliche Hilfe leisten. Entstehen vorübergehend Kosten für fremde Hilfe, insbesondere infolge Krankheit der Pflegeperson, ist die Pflegezulage für jeweils höchstens sechs Wochen über Satz 2 hinaus so zu erhöhen, dass den Beschädigten die pauschale Pflegezulage in derselben Höhe wie vor der vorübergehenden Entstehung der Kosten verbleibt. Die Sätze 2 und 3 gelten nicht, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder Elternteil nicht nur vorübergehend keine Pflegeleistungen erbringt; § 40a Abs. 3 Satz 3 gilt.
(3) Während einer stationären Behandlung wird die Pflegezulage nach den Absätzen 1 und 2 Empfängern von Pflegezulage nach den Stufen I und II bis zum Ende des ersten, den übrigen Empfängern von Pflegezulage bis zum Ablauf des zwölften auf die Aufnahme folgenden Kalendermonats weitergezahlt.
(4) Über den in Absatz 3 bestimmten Zeitpunkt hinaus wird die Pflegezulage während einer stationären Behandlung bis zum Ende des Kalendermonats vor der Entlassung nur weitergezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte erhalten ein Viertel der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder der Elternteil bis zum Beginn der stationären Behandlung zumindest einen Teil der Pflege wahrgenommen hat. Daneben wird die Pflegezulage in Höhe der Kosten weitergezahlt, die aufgrund eines Pflegevertrages entstehen, es sei denn, die Kosten hätten durch ein den Beschädigten bei Abwägung aller Umstände zuzumutendes Verhalten, insbesondere durch Kündigung des Pflegevertrages, vermieden werden können. Empfänger einer Pflegezulage mindestens nach Stufe III erhalten, soweit eine stärkere Beteiligung der schon bis zum Beginn der stationären Behandlung unentgeltlich tätigen Pflegeperson medizinisch erforderlich ist, abweichend von Satz 2 ausnahmsweise Pflegezulage bis zur vollen Höhe nach Absatz 1, in Fällen des Satzes 3 jedoch nicht über den nach Absatz 2 Satz 2 aus der pauschalen Pflegezulage verbleibenden Betrag hinaus.
(5) Tritt Hilflosigkeit im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 gleichzeitig mit der Notwendigkeit stationärer Behandlung oder während einer stationären Behandlung ein, besteht für die Zeit vor dem Kalendermonat der Entlassung kein Anspruch auf Pflegezulage. Für diese Zeit wird eine Pflegebeihilfe gezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte, die mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft leben, erhalten eine Pflegebeihilfe in Höhe eines Viertels der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I. Soweit eine stärkere Beteiligung der Ehegatten, Lebenspartner oder eines Elternteils oder die Beteiligung einer Person, die den Beschädigten nahesteht, an der Pflege medizinisch erforderlich ist, kann in begründeten Ausnahmefällen eine Pflegebeihilfe bis zur Höhe der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I gezahlt werden.
(6) Für Beschädigte, die infolge der Schädigung dauernder Pflege im Sinne des Absatzes 1 bedürfen, werden, wenn geeignete Pflege sonst nicht sichergestellt werden kann, die Kosten der nicht nur vorübergehenden Heimpflege, soweit sie Unterkunft, Verpflegung und Betreuung einschließlich notwendiger Pflege umfassen, unter Anrechnung auf die Versorgungsbezüge übernommen. Jedoch ist den Beschädigten von ihren Versorgungsbezügen zur Bestreitung der sonstigen Bedürfnisse ein Betrag in Höhe der Beschädigtengrundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 und den Angehörigen ein Betrag mindestens in Höhe der Hinterbliebenenbezüge zu belassen, die ihnen zustehen würden, wenn Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben wären. Bei der Berechnung der Bezüge der Angehörigen ist auch das Einkommen der Beschädigten zu berücksichtigen, soweit es nicht ausnahmsweise für andere Zwecke, insbesondere die Erfüllung anderer Unterhaltspflichten, einzusetzen ist.
Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.
(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes
- 1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder - 2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.