Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15. August 2012 aufgehoben. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 28. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. August 2011 verpflichtet, bei dem Kläger für die Zeit ab dem 25. Juli 2011 die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs „RF“ (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht bzw. Verringerung der Rundfunkbeitragspflicht) festzustellen.

2. Der Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Zuerkennung (behördliche Feststellung) des Merkzeichens (Nachteilsausgleichs) „RF“ (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht).
Der am … 1957 geborene Kläger hatte am 15.02.2010 die Erhöhung des bei ihm bislang anerkannten Grades der Behinderung (GdB) von 80 auf 100 sowie die Zuerkennung diverser Merkzeichen, darunter „RF“, beantragt. Als Behinderungen waren damals anerkannt eine Colitis ulcerosa (Einzel-GdB 70), eine posttraumatische Belastungsstörung mit Persönlichkeitsstörung und Depression (Einzel-GdB 30) und degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Bandscheibenschaden (20). Den Antrag lehnte das Versorgungsamt beim Landratsamt Göppingen (LRA) mit Bescheid vom 08.06.2010 insgesamt ab. Im Widerspruchsverfahren stellte sich heraus, dass die psychische Erkrankung des Klägers als Folge einer Inhaftierung in der früheren DDR nach dem Häftlingshilfegesetz anerkannt und als solche mit einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 40 (insgesamt 50 unter Einschluss einer Erhöhung um 10 Punkte wegen besonderer beruflicher Betroffenheit) bewertet worden war. Der Beklagte erließ daraufhin unter dem 29.07.2010 einen Teil-Abhilfe- und Widerspruchsbescheid, mit dem er den Gesamt-GdB des Klägers ab dem 30.07.2008 auf 90 anhob und den Widerspruch im Übrigen, auch hinsichtlich der Merkzeichen, zurückwies. In dem anschließenden Klageverfahren (S 14 SB 2936/10) holte das Sozialgericht Ulm (SG) schriftliche Zeugenaussagen der behandelnden Ärztinnen Dr. B. vom 21.02.2011 und Dr. v. A. vom 10.03.2011 ein. Dr. B. sagte dort aus, der Kläger könne nicht zwischen Stuhl- und Luftdrang unterscheiden, er sei daher ständig darauf bedacht, dass eine Toilette unmittelbar erreichbar sei und folge dem nicht differenzierbaren Drang panisch. Insbesondere nach Durchfall-Episoden mit Stuhlinkontinenz und Erbrechen habe sich bei ihm eine sehr krankhafte phobische Zwang- und Angstreaktion entwickelt. Er habe sein Leben um erreichbare Toiletten herum organisiert. Er vermeide Aktivitäten mit unklarer Erreichbarkeit von Toiletten. Oft rufe schon der Gedanke, eine Toilette sei nicht in kürzester Zeit erreichbar, massiven Stuhldrang hervor. Im Nachgang hierzu verglichen sich die Beteiligten dahin, dass der Gesamt-GdB des Klägers ab dem 30.07.2008 100 betrage, jedoch keine Merkzeichen beständen. Dem entsprechenden Angebot des beklagten Landes hatte die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. C. vom 29.03.2011 zu Grunde gelegen, worin bei gleichbleibenden Einzel-GdB ein Gesamt-GdB von 100 vorgeschlagen und zum Merkzeichen „RF“ ausgeführt worden war, bei öffentlichen Veranstaltungen sei „in der Regel“ eine Toilette ständig erreichbar. Den Ausführungsbescheid zu diesem Vergleich erließ das LRA am 07.06.2011. Darin ist auch ausgeführt, das bereits zuvor zuerkannte Merkzeichen „G“ (gehbehindert) bleibe zuerkannt.
Am 25.07.2011 beantragte der Kläger bei dem LRA erneut die Zuerkennung des Merkzeichens „RF“. Er berief sich auf die schriftlichen Aussagen seiner behandelnden Ärzte in dem vorangegangenen Klageverfahren. Er trug vor, Dr. C.s Annahmen zum Merkzeichen „RF“ in der Stellungnahme vom 29.03.2011 seien völlig lebensfremd. Mit Bescheid des LRA vom 28.07.2011, bestätigt durch Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamts des beklagten Landes vom 16.08.2011 wurde der Antrag abgelehnt.
Am 28.08.2011 hat der Kläger Klage zum SG erhoben. Er wolle sich selbst nicht zumuten, in einem Konzert neben sich zu sitzen. Nicht immer sei eine Toilette unmittelbar erreichbar. Es komme vor, dass er auf dem Weg zur Toilette ungewollt Stuhl oder stinkende Luft verliere. Dr. B. und Dr. v. A. hätten eindeutig bestätigt, dass ihm - dem Kläger - das Merkzeichen „RF“ zuerkannt werden müsse.
Das SG hat die beiden genannten Ärztinnen erneut als Zeugen vernommen. Dr. B. hat unter dem 12.12.2011 bekundet, sie behandle den Kläger seit 1990 hausärztlich; der Kläger wirke auf seine Umgebung unzumutbar abstoßend oder störend, z. B. durch Geruchsbelästigungen durch Stuhlinkontinenz und unkontrollierten Abgang von Blähungen; es beständen eine schwere Anpassungs- und Persönlichkeitsstörung und zwanghafte Phobien; der Kläger erscheine in ihrer Praxis allein. Dr. v. A. hat in ihrer Aussage vom 27.12.2011 angegeben, sie behandle den Kläger seit 2004 psychotherapeutisch, die Sitzungen fänden wegen des Gesundheitszustandes des Klägers in größeren Abständen statt; der Kläger habe Stuhlinkontinenzen und unkontrollierten Abgang von Luft, ferner unter anderem eine zwanghafte Phobie vor öffentlichen Toiletten, er komme zu den therapeutischen Sitzungen allein.
Die Angabe der Zeugin Dr. B., er sei - immer - allein in ihrer Praxis erschienen, hat der Kläger unter dem 05.01.2012 bestritten, er komme regelmäßig mit seinem Lebenspartner, der ebenfalls bei Dr. B. in Behandlung sei.
Auf Nachfrage des SG haben die beiden Ärztinnen erneut ausgesagt. Dr. v. A. hat unter dem 27.02.2012 bekundet, der Kläger warte in der Wartezone für durchschnittlich fünf bis zehn Minuten; eine Toilette sei in der Praxis frei zugänglich; er begegne in der Praxis sowohl Mitarbeitern als auch Mitpatienten; eine Sitzung dauere 50 min, der Kläger halte diese Zeit oft nicht durch und müsse zwischendurch zur Toilette gehen; der Kläger unterliege dem Zwang, dass eine Toilette ständig erreichbar sein müsse, ansonsten entwickelten sich massive Ängste, die ihn dazu brächten, die Veranstaltung zu verlassen oder gar nicht erst hinzugehen. Dr. B. hat mit Schreiben vom 01.03.2012 mitgeteilt, der Kläger warte durchschnittlich 15 min im Wartezimmer; die Toilette sei frei zugänglich; er begegne Mitarbeitern und anderen Patienten; die Termine dauerten 15 bis 20 min; der Kläger gehe zur Toilette, wenn er in die Praxis komme und bevor er sie verlasse, zum Teil auch zwischendurch; er könne wegen seiner Phobien an öffentlichen Veranstaltungen nicht teilnehmen; die Colitis ulcerosa werde richtlinienkonform mit Imurek, Azulfidine und während eines Schubs mit Cortison behandelt.
Unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. R. vom 02.05.2012 ist der Beklagte der Klage entgegengetreten. Das Merkzeichen „RF“ sei nicht zuzuerkennen, dies gelte auch im Hinblick auf die Benutzung von Windelhosen; eine diesbezügliche Empfehlung verstoße weder gegen die Würde des Menschen noch den Sozialstaatsgrundsatz.
Diesen Ausführungen Dr. D. ist der Kläger unter dem 22.05.2012 entgegengetreten. Insbesondere hat er ausgeführt, auch Windelhosen hielten gegen Gerüche und ggfs. Fäkalien nicht dicht.
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Mit Urteil im schriftlichen Verfahren vom 15.08.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt:
11 
Die Voraussetzungen des Merkzeichens „RF“ seien nach § 69 Abs. 5 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 5 Schwerbehindertenausweis-Verordnung (SchwbAwV) landesrechtlich und daher in Baden-Württemberg in § 6 Abs. 1 Nrn. 7 und 8 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags (RGebStV) vom 15.10.2004 geregelt, der ab dem 01.04.2005 in der Fassung des Gesetzes vom 17.03.2005 (GBl. S. 189) und seit dem 01.01.2009 in der Fassung des Zwölften Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 18.12.2008 (GBl. 2009, S. 131) gelte. Die Voraussetzungen des § 6 Nr. 7 RGebStV (Blindheit, Hörbehinderung) lägen nicht vor. Der Nachteilsausgleich stehe nach § 6 Nr. 8 RGebStV aber auch schwerbehinderten Menschen zu, deren GdB nicht nur vorübergehend wenigstens 80 betrage und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen könnten. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei zu fordern, dass der behinderte Mensch wegen seines Leidens allgemein und umfassend vom Besuch solcher, länger als 30 min andauernder Veranstaltungen ausgeschlossen sei; er müsse praktisch ans Haus gebunden sein. Solange er mit technischen Mitteln oder mit Hilfe einer Begleitperson in zumutbarer Weise auch nur einzelne öffentliche Veranstaltungen aufsuchen könne, sei er an einer Teilnahme am öffentlichen Geschehen nicht gehindert (Verweis u. a. auf BSG, Urt. v. 11.01.1991, 9a/9 RVs 15/89, Juris; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 09.05.2011, L 8 SB 2294/10, Juris Rn. 35 ff.).
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Diese Voraussetzungen lägen bei dem Kläger nicht vor. Die wesentliche Beeinträchtigung folge insoweit aus der Colitis ulcerosa. Der Kläger könne zwar Stuhl- und Luftabgänge nicht unterscheiden. Auch leide er an Phobien. Er sei daher zwar in seiner Mobilität erheblich eingeschränkt. Jedoch sei er nicht vollends an seine Wohnung gebunden. Nach den Angaben der behandelnden Ärztinnen benutze der Kläger in den Praxen die dortigen Toiletten, die auch andere Patienten benutzt hätten. Auch könnten diese Toiletten aktuell von anderen Patienten besetzt sein. Trotzdem könne der Kläger mehr als 30 min in den Praxen verbringen. Auch auf öffentlichen Veranstaltungen seien Toiletten (in gleichem Maße) jederzeit erreichbar. Ferner stehe der unkontrollierte Abgang von Luft oder Stuhl der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen nicht entgegen. Beide Ärztinnen hätten insoweit keine Beeinträchtigungen durch den Kläger bekundet. Die Sitzungen bei Dr. v. A. dauerten sogar 50 min. Die Ärztinnen hätten lediglich diesbezügliche Befürchtungen des Klägers geschildert, jedoch kein tatsächliches Auftreten. Im Übrigen sei es behinderten Menschen mit Inkontinenzen stets zumutbar, Hilfsmittel zu verwenden, um an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Damit sei nicht zwingend eine Geruchsbelästigung verbunden. Der Kläger könne auch auf Veranstaltungen eine Toilette aufsuchen und die Einlagen bzw. Windelhosen wechseln. Dies sei zwar bei Veranstaltungen, auf denen längere Zeit gesessen werde, nur eingeschränkt möglich. Bei Zoo- oder Museumsbesuchen, Sport- oder Stadtfesten könne ein solcher Wechsel der Hilfsmittel aber zugemutet werden (Verweis auf Bayerisches LSG, Urt. v. 19.04.2011, L 15 SB 95/08, Juris Rn. 41 m.w.N.). Diese Empfehlung verstoße weder gegen die Würde des Menschen noch das Sozialstaatsprinzip (Verweis auf BSG, Urt. v. 09.08.1995, 9 RVs 3/95, Juris Rn. 12). Die funktionsgerechte Benutzung eines üblichen Hilfsmittels mildere im Rahmen des Möglichen die Auswirkungen der Behinderung.
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Gegen dieses Urteil, das ihm am 17.08.2012 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 10.09.2012 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er trägt vor, er habe vor 2001 versucht, öffentliche Veranstaltungen zu besuchen und dabei Stuhlinkontinenzen gehabt. Es sei ihm als 55-jährigem nicht zumutbar, Windelhosen zu benutzen; diese schützen ohnehin nicht vor Gestank. Er behauptet, er habe seit Anfang Juli einen akuten Schub der seit 1991 bekannten Colitis ulcerosa mit 35 Stuhlabgängen, davon 10 des nachts, und ungewollten Urinabgängen, vermischt mit Blut und Schleim, sehr dünnflüssig, gehabt. Hinzu kämen starke Schmerzen bei Stuhl- und Luftabgängen mit Erbrechen. Er habe - ausgehend von 95 kg bei 190 m Körpergröße - in kurzer Zeit 15 kg Körpergewicht verloren. Er habe zunächst täglich 280 mg Cortison, 400 mg Imurek, 4 x 2 Azulfidine und Ferro Sanol genommen. Seit dem 08.09.2012 nehme er 55 mg Cortison täglich. Er habe zwischenzeitlich wieder 5 kg zugenommen. Hierzu legt der Kläger Arztbriefe des Gastroenterologen Dr. E. vom 24.09.2012 und des Pathologen Dr. O. vom 20.09.2012 vor. Der Kläger trägt weiter vor, wegen des Imureks sei er extrem infektanfällig, auch deswegen müsse er öffentliche Veranstaltungen meiden. Er verweist auf die Urteile der Landessozialgerichte Rheinland-Pfalz (L 4 SB 224/05 v. 29.03.2006) und Niedersachsen-Bremen (L 9 SB 97/99 v. 18.12.2001).
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15. August 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 28. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. August 2011 zu verpflichten, bei ihm ab dem 25. Juli 2011 die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs „RF“ (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) festzustellen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
18 
Er verteidigt das angegriffene Urteil und seine Entscheidungen.
19 
Der Kläger hat sich zuletzt mit Schriftsatz vom 26.09.2012, der Beklagte unter dem 25.10.2012 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

 
20 
1. Die Berufung des Klägers, über die der Senat nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig und auch begründet. Seiner Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) ist stattzugeben. Anders als das SG ist der Senat der Ansicht, dass die angegriffene Entscheidung des Beklagten rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt.
21 
a) Die rechtlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Zuerkennung (Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen) des Merkzeichens „RF“ in Baden-Württemberg hat das SG zutreffend festgestellt. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweist der Senat hierzu auf das angegriffene Urteil (§ 153 Abs. 2 SGG). Zu ergänzen ist lediglich, dass der RGebStV in der vom SG zitierten Fassung nur bis zum 31.12.2012 gegolten hat und nur bis zu diesem Tag das Merkzeichen „RF“ eine volle Befreiung von den Rundfunkgebühren bedingt hat. Seit dem 01.01. dieses Jahres wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland nicht mehr durch Gebühren, sondern durch Beiträge finanziert. Dies regelt nunmehr der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) vom 15. bis 21.12.2010, der in Baden-Württemberg durch das Gesetz zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung medienrechtlicher Vorschriften vom 18.10.2011 (GBl S. 477 ff.) zum 01.01.2013 in Kraft gesetzt worden ist. Nach § 4 Abs. 2 RBStV wird bei gesundheitlichen Einschränkungen keine Befreiung mehr gewährt, es werden lediglich die Rundfunkbeiträge auf ein Drittel ermäßigt. Die medizinischen Voraussetzungen wurden jedoch nicht geändert. Nach wie vor ist in § 4 Abs. 2 Nr. 3 RBStV vorausgesetzt, dass ein behinderter Mensch mit einem GdB von wenigstens 80 wegen seines Leidens ständig an öffentlichen Veranstaltungen nicht teilnehmen kann.
22 
b) Der Senat ist der Ansicht, dass es dem Kläger unmöglich im Sinne der genannten Vorschriften ist, auch nur zeitweise oder vorübergehend, aber mindestens für 30 min jeweils, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Er ist zwar nicht physisch in einer Weise an das Haus gebunden, wie sie das BSG in dem auch vom SG genannten Urteil vom 09.08.1995 gefordert hat. Aber es ist ihm auf Grund einer Zusammenschau der vorliegenden Beeinträchtigungen, vor allem der Auswirkungen seiner psychischen Erkrankung sowie der notwendigen Medikation, nicht zuzumuten, öffentliche Veranstaltungen für den genannten Zeitrahmen zu besuchen.
23 
aa) Diese Einschätzung beruht allerdings nicht in erster Linie oder ausschließlich auf den Folgen der entzündlichen Darmerkrankung, der Colitis ulcerosa:
24 
In diesem Bereich steht im Vordergrund der Beeinträchtigungen die Unfähigkeit, Stuhl- von Luftdrang zu unterscheiden. Dies allein schließt den Kläger von öffentlichen Veranstaltungen nicht aus. Soweit er den Drang ggfs. länger als 30 min anhalten könnte, bis er eine Toilette erreicht hat, wäre er überhaupt nicht darin beeinträchtigt, öffentliche Veranstaltungen zu besuchen.
25 
Jedoch kommt eine - partielle - Inkontinenz hinzu. Nach den Angaben der behandelnden Ärztinnen kann der Kläger den Stuhl- oder Luftdrang oftmals nicht längere Zeit anhalten. So hat insbesondere Dr. v. A. unter dem 27.02.2012 ausgesagt, der Kläger müsse „oft“ die jeweils 50-minütigen Sitzungen unterbrechen und „manchmal“ mehrmals je Stunde die Toilette aufsuchen. In diesem Sinne hat - jetzt - auch Dr. E. in dem Arztbrief vom 24.09.2012 bestätigt, dass eine partielle Inkontinenz vorliege. Dieser Arzt hat auch auf - aktuell - bis zu 35 Stuhlgänge täglich hingewiesen. Zieht man hiervon die zehn nächtlichen Stuhlgänge ab, bleiben 25 am Tag, so dass davon auszugehen ist, dass der Kläger zumindest im Augenblick nicht in der Lage ist, 30 min oder mehr ohne Toilette in erreichbarer Nähe durchzuhalten.
26 
Der Senat lässt offen, ob diese Beeinträchtigungen allein den Besuch öffentlicher Veranstaltungen unmöglich machen würden.
27 
Das Erfordernis, auch in kürzeren Abständen als 30 min eine Toilette aufzusuchen, ist nicht unzumutbar. Toiletten sind bei vielen öffentlichen Veranstaltungen, seien es z. B. Kino- oder Musikaufführungen, seien es Volks- oder Stadtfeste, vorhanden. Soweit z. B. bei politischen Kundgebungen, die im Rahmen des Merkzeichens „RF“ im Vordergrund stehen dürften, keine besonderen (mobilen) Toiletten gestellt werden, ist es zumindest in größeren Orten möglich, auf kommunale Toilettenanlagen auszuweichen. Auch das Aufsuchen einer Toilette in einer Gaststätte, wofür ggfs. wie bei einer kommunalen Anlage eine Gebühr zu entrichten ist, kann zugemutet werden. Der Kläger ist auch nicht wegen seiner Phobien gehindert, öffentliche Toiletten zu benutzen; dies zeigt sich darin, dass er regelmäßig und ohne Probleme die Toiletten in den Praxen seiner behandelnden Ärztinnen benutzt. Und auch wenn man davon ausgeht, dass es dem Kläger in Ausnahmefällen nicht gelingen könnte, ausreichend schnell eine Toilette aufzusuchen, obwohl keine der gehörten Ärztinnen von solchen Vorfällen berichtet hat, ist es ihm zumutbar, öffentliche Veranstaltungen zu besuchen. Ebenso wie das BSG in dem genannten Urteil hält auch der Senat die Verwendung von Windelhosen für zumutbar, insbesondere liegt in dieser Obliegenheit kein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG). Dies gilt auch bei dem 55-jährigen Kläger. Es handelt sich um herkömmliche, durchaus verbreitete und im Pflegebereich eingesetzte Inkontinenzartikel, die unter üblicher, ggfs. etwas weiterer Oberbekleidung nicht zu erkennen sind.
28 
Allerdings ist nicht auszuschließen, dass Gerüche in die Umgebung entweichen, auch wenn solche Windelhosen verwendet werden. Vor diesem Hintergrund hatte das LSG Niedersachsen-Bremen in dem Urteil vom 18.12.2001 (veröffentlicht u. a. auf www.sozialgerichtsbarkeit.de), das auch der Kläger zitiert hat, eine Unzumutbarkeit angenommen. Allerdings bestand bei dem dortigen Kläger auch die anscheinend konkrete Gefahr einer „Überforderung der Windelkapazität“, die hier so nicht gegeben zu sein scheint. Die weitere Entscheidung, die der Kläger zitiert hat, nämlich das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 29.03.2006 (veröffentlicht in Juris), stützt sein Begehren dagegen eindeutig nicht. Bei der dortigen Klägerin ging bis zu 15 mal in der Stunde Stuhl ab, außerdem litt sie an einem Diabetes mellitus, sodass ihr auch eine Umstellung der Ernährung zur Verringerung der Stuhlfrequenz bzw. der jeweiligen Stuhlmenge nicht möglich war (a.a.O., Rn. 31, 33).
29 
bb) Zu der tatsächlichen somatischen Erkrankung und den wirklichen Belästigungen der Umgebung kommt allerdings bei dem Kläger eine krankhafte Angst, eine Phobie vor solchen Belästigungen anderer, die ihn nach den Angaben der behandelnden Ärztinnen seit mindestens 2001 vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen abgehalten hat (Aussage von Dr. B. vom 21.02.2011).
30 
Auch solche psychischen Erkrankungen, gerade auch Phobien, können den Besuch öffentlicher Veranstaltungen unmöglich machen. Dies hat - zu einer Klägerin mit amputiertem Unterarm und daraus folgender neurotisch-phobischer Störung - das LSG für das Saarland in seinem Urteil vom 27.01.2000 (L 5b SGB 68/98, Juris Rn. 64 ff.) unter Abgrenzung von den Ausführungen des BSG in dem Urteil vom 16.03.1994 (9 RVs 3/93, Juris) ausgeführt, das Merkzeichen „RF“ sei nicht allein dann zuzuerkennen, wenn die Anwesenheit bei öffentlichen Veranstaltungen physisch unmöglich sei, sondern auch dann, wenn psychische Gründe den behinderten Menschen von einem solchen Besuch subjektiv zwingend abhielten. Im konkreten Falle spreche es nicht gegen eine solche Unmöglichkeit, dass die dortige Klägerin Ärzte, Rehabilitationseinrichtungen und auch das Versorgungsamt aufsuche. Diese Besuche seien für sie zwingend. Auch gehe sie davon aus, an solchen Orten nur Menschen zu begegnen, die Verständnis für die Auswirkungen der körperlichen Behinderung hätten, was aber bei öffentlichen Veranstaltungen nicht der Fall sei. Diesen Erwägungen folgt der Senat im Allgemeinen und auch bei der Würdigung des Einzelfalls. Eine Ungleichbehandlung zwischen körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen ist ausgeschlossen. Der Besuch öffentlicher Veranstaltungen stellt an einen psychisch erkrankten behinderten Menschen andere Anforderungen als Besuche beim Arzt oder bei Bekannten. Das Zusammentreffen mit anderen Menschen, die Behinderten gegenüber nicht ohne Weiteres wohl gesinnt sind bzw. die Auswirkungen einer Behinderung nicht einordnen können (zu dieser Erwägung LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.) kann besondere Belastungen auslösen, die der (körperlich) behinderte Mensch wegen einer psychischen Erkrankung nicht auf sich nehmen kann.
31 
Dies gilt auch für den Kläger. Die behandelnden Ärztinnen haben glaubhaft seine Phobie geschildert, durch Stuhl- oder Luftabgänge andere zu belästigen und dadurch negativ wahrgenommen zu werden. Außer den Arztbesuchen selbst und den gelegentlichen Gerichtsterminen in Ulm, die der Kläger allerdings als sehr belastend schildert, sind Kontakte zur Öffentlichkeit nicht dokumentiert.
32 
cc) Wie bereits ausgeführt, stützt der Senat seine Einschätzung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung auch maßgeblich auf die Folgen der Medikation.
33 
Der Kläger nimmt leidensgerecht seit langem Imorek ein. Dr. B. hatte in ihrer Aussage vom 21.02.2011 an das SG von 600 mg am Tag wegen eines akuten Schubs berichtet, nunmehr wird der Kläger nach den Angaben von Dr. E. unter dem 24.09.2012 mit 400 mg am Tag medikamentiert.
34 
Bei Imorek handelt es sich um ein Antisupressivum, das die Immunreaktionen des Körpers schwächt. Die Dosierungen, die dem Kläger verschrieben werden, sind hoch: Nach Nr. 3.2.b des Beipackzettels zu Imurek® 25 mg/-50 mg Filmtabletten (Hersteller: GlaxoSmithKline Consumer Healthcare GmbH & Co. KG) beläuft sich bei Darmerkrankungen die allgemein empfohlene anfängliche Höchstdosis auf 3 mg je kg Körpergewicht (zitiert nach: http://www.apotheken-umschau.de/do/extern/medfinder/medikament-arzneimittel-information-Imurek-25-Filmtabletten-A07358.html, abgerufen am 10.01.2013); dies wären bei dem zurzeit 84 kg schweren Kläger nur 250 mg am Tag. Und Imurek führt zu Blutbildungsstörungen (Mangel an weißen Blutkörperchen) mit erhöhter Infektionsanfälligkeit (Leukopenie) als Nebenwirkungen, wobei dies bei Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen wie dem Kläger häufig (weniger als 1 von 10, aber mehr als 1 von 100 Behandelten) und bei Transplantatempfängern und Patienten mit chronischen rheumatischen Gelenkentzündungen (rheumatoide Arthritis) sehr häufig geschieht (Nr. 4.1.a1, a2 des Beipackzettels).
35 
Auch leidet der Kläger konkret unter solchen Nebenwirkungen. Dr. B. hat in ihrer Aussage vom 21.02.2011 auch von „ständigen grippalen Infekten mit schweren Fieberschüben sowie Pilzerkrankungen“ berichtet und diese ausdrücklich als Nebenwirkungen der Behandlung mit Azathioprin, den arzneilich wirksamen Bestandteil von Imorek, zurückgeführt. Konkret hat sie von einem etwa vierzehntätigen schweren Infekt im Januar 2011 mit Fieberschüben bis zu 41°C über drei Tage hinweg berichtet.
36 
Öffentliche Veranstaltungen werden per definitionem von vielen Menschen besucht, sodass eine erhöhte Infektionsgefahr besteht. Diese allein kann zwar nicht die Voraussetzungen des Merkzeichens „RF“ bedingen. Wenn jedoch die Immunreaktion eines behinderten Menschen erheblich beeinträchtigt ist, kann es ihm unzumutbar sein, solche Veranstaltungen zu besuchen.
37 
dd) Aus einer umfassenden Betrachtung dieser Behinderungsfolgen, insbesondere der phobischen Störung und der Schwächung des Immunsystems, können bei dem Kläger die Voraussetzungen des Merkzeichens „RF“ festgestellt werden. Entsprechend war der Beklagte zu verpflichten.
38 
c) Dem Anspruch des Klägers auf Zuerkennung des Merkzeichens „RF“ steht auch nicht die Bestandskraft des insoweit ablehnenden Bescheids vom 08.06.2010 entgegen. Zwar war das Merkzeichen Gegenstand des damaligen Antrags- und sodann auch des Klageverfahrens S 14 SB 2936/10. Dort hatten sich die Beteiligten nach dem 30.03.2011 vergleichsweise u. a. dahin geeinigt, dass das Merkzeichen „RF“ nicht zustehe. Den Vergleich hat das LRA sodann unter dem 07.06.2011 ausgeführt. Der Vergleich konnte jedoch nur die Vergangenheit, also die Zeit bis zum Vergleichsschluss und längstens bis zum Erlass des Ausführungsbescheids erfassen. Für die Zeit danach war keine Regelung getroffen. Insofern hat der Kläger zu Recht sein Begehren auf die Zeit ab der diesmaligen Antragstellung am 25.07.2011 beschränkt.
39 
2. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Klägers beruht auf § 193 SGG.
40 
3. Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Gründe

 
20 
1. Die Berufung des Klägers, über die der Senat nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig und auch begründet. Seiner Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) ist stattzugeben. Anders als das SG ist der Senat der Ansicht, dass die angegriffene Entscheidung des Beklagten rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt.
21 
a) Die rechtlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Zuerkennung (Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen) des Merkzeichens „RF“ in Baden-Württemberg hat das SG zutreffend festgestellt. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweist der Senat hierzu auf das angegriffene Urteil (§ 153 Abs. 2 SGG). Zu ergänzen ist lediglich, dass der RGebStV in der vom SG zitierten Fassung nur bis zum 31.12.2012 gegolten hat und nur bis zu diesem Tag das Merkzeichen „RF“ eine volle Befreiung von den Rundfunkgebühren bedingt hat. Seit dem 01.01. dieses Jahres wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland nicht mehr durch Gebühren, sondern durch Beiträge finanziert. Dies regelt nunmehr der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) vom 15. bis 21.12.2010, der in Baden-Württemberg durch das Gesetz zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung medienrechtlicher Vorschriften vom 18.10.2011 (GBl S. 477 ff.) zum 01.01.2013 in Kraft gesetzt worden ist. Nach § 4 Abs. 2 RBStV wird bei gesundheitlichen Einschränkungen keine Befreiung mehr gewährt, es werden lediglich die Rundfunkbeiträge auf ein Drittel ermäßigt. Die medizinischen Voraussetzungen wurden jedoch nicht geändert. Nach wie vor ist in § 4 Abs. 2 Nr. 3 RBStV vorausgesetzt, dass ein behinderter Mensch mit einem GdB von wenigstens 80 wegen seines Leidens ständig an öffentlichen Veranstaltungen nicht teilnehmen kann.
22 
b) Der Senat ist der Ansicht, dass es dem Kläger unmöglich im Sinne der genannten Vorschriften ist, auch nur zeitweise oder vorübergehend, aber mindestens für 30 min jeweils, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Er ist zwar nicht physisch in einer Weise an das Haus gebunden, wie sie das BSG in dem auch vom SG genannten Urteil vom 09.08.1995 gefordert hat. Aber es ist ihm auf Grund einer Zusammenschau der vorliegenden Beeinträchtigungen, vor allem der Auswirkungen seiner psychischen Erkrankung sowie der notwendigen Medikation, nicht zuzumuten, öffentliche Veranstaltungen für den genannten Zeitrahmen zu besuchen.
23 
aa) Diese Einschätzung beruht allerdings nicht in erster Linie oder ausschließlich auf den Folgen der entzündlichen Darmerkrankung, der Colitis ulcerosa:
24 
In diesem Bereich steht im Vordergrund der Beeinträchtigungen die Unfähigkeit, Stuhl- von Luftdrang zu unterscheiden. Dies allein schließt den Kläger von öffentlichen Veranstaltungen nicht aus. Soweit er den Drang ggfs. länger als 30 min anhalten könnte, bis er eine Toilette erreicht hat, wäre er überhaupt nicht darin beeinträchtigt, öffentliche Veranstaltungen zu besuchen.
25 
Jedoch kommt eine - partielle - Inkontinenz hinzu. Nach den Angaben der behandelnden Ärztinnen kann der Kläger den Stuhl- oder Luftdrang oftmals nicht längere Zeit anhalten. So hat insbesondere Dr. v. A. unter dem 27.02.2012 ausgesagt, der Kläger müsse „oft“ die jeweils 50-minütigen Sitzungen unterbrechen und „manchmal“ mehrmals je Stunde die Toilette aufsuchen. In diesem Sinne hat - jetzt - auch Dr. E. in dem Arztbrief vom 24.09.2012 bestätigt, dass eine partielle Inkontinenz vorliege. Dieser Arzt hat auch auf - aktuell - bis zu 35 Stuhlgänge täglich hingewiesen. Zieht man hiervon die zehn nächtlichen Stuhlgänge ab, bleiben 25 am Tag, so dass davon auszugehen ist, dass der Kläger zumindest im Augenblick nicht in der Lage ist, 30 min oder mehr ohne Toilette in erreichbarer Nähe durchzuhalten.
26 
Der Senat lässt offen, ob diese Beeinträchtigungen allein den Besuch öffentlicher Veranstaltungen unmöglich machen würden.
27 
Das Erfordernis, auch in kürzeren Abständen als 30 min eine Toilette aufzusuchen, ist nicht unzumutbar. Toiletten sind bei vielen öffentlichen Veranstaltungen, seien es z. B. Kino- oder Musikaufführungen, seien es Volks- oder Stadtfeste, vorhanden. Soweit z. B. bei politischen Kundgebungen, die im Rahmen des Merkzeichens „RF“ im Vordergrund stehen dürften, keine besonderen (mobilen) Toiletten gestellt werden, ist es zumindest in größeren Orten möglich, auf kommunale Toilettenanlagen auszuweichen. Auch das Aufsuchen einer Toilette in einer Gaststätte, wofür ggfs. wie bei einer kommunalen Anlage eine Gebühr zu entrichten ist, kann zugemutet werden. Der Kläger ist auch nicht wegen seiner Phobien gehindert, öffentliche Toiletten zu benutzen; dies zeigt sich darin, dass er regelmäßig und ohne Probleme die Toiletten in den Praxen seiner behandelnden Ärztinnen benutzt. Und auch wenn man davon ausgeht, dass es dem Kläger in Ausnahmefällen nicht gelingen könnte, ausreichend schnell eine Toilette aufzusuchen, obwohl keine der gehörten Ärztinnen von solchen Vorfällen berichtet hat, ist es ihm zumutbar, öffentliche Veranstaltungen zu besuchen. Ebenso wie das BSG in dem genannten Urteil hält auch der Senat die Verwendung von Windelhosen für zumutbar, insbesondere liegt in dieser Obliegenheit kein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG). Dies gilt auch bei dem 55-jährigen Kläger. Es handelt sich um herkömmliche, durchaus verbreitete und im Pflegebereich eingesetzte Inkontinenzartikel, die unter üblicher, ggfs. etwas weiterer Oberbekleidung nicht zu erkennen sind.
28 
Allerdings ist nicht auszuschließen, dass Gerüche in die Umgebung entweichen, auch wenn solche Windelhosen verwendet werden. Vor diesem Hintergrund hatte das LSG Niedersachsen-Bremen in dem Urteil vom 18.12.2001 (veröffentlicht u. a. auf www.sozialgerichtsbarkeit.de), das auch der Kläger zitiert hat, eine Unzumutbarkeit angenommen. Allerdings bestand bei dem dortigen Kläger auch die anscheinend konkrete Gefahr einer „Überforderung der Windelkapazität“, die hier so nicht gegeben zu sein scheint. Die weitere Entscheidung, die der Kläger zitiert hat, nämlich das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 29.03.2006 (veröffentlicht in Juris), stützt sein Begehren dagegen eindeutig nicht. Bei der dortigen Klägerin ging bis zu 15 mal in der Stunde Stuhl ab, außerdem litt sie an einem Diabetes mellitus, sodass ihr auch eine Umstellung der Ernährung zur Verringerung der Stuhlfrequenz bzw. der jeweiligen Stuhlmenge nicht möglich war (a.a.O., Rn. 31, 33).
29 
bb) Zu der tatsächlichen somatischen Erkrankung und den wirklichen Belästigungen der Umgebung kommt allerdings bei dem Kläger eine krankhafte Angst, eine Phobie vor solchen Belästigungen anderer, die ihn nach den Angaben der behandelnden Ärztinnen seit mindestens 2001 vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen abgehalten hat (Aussage von Dr. B. vom 21.02.2011).
30 
Auch solche psychischen Erkrankungen, gerade auch Phobien, können den Besuch öffentlicher Veranstaltungen unmöglich machen. Dies hat - zu einer Klägerin mit amputiertem Unterarm und daraus folgender neurotisch-phobischer Störung - das LSG für das Saarland in seinem Urteil vom 27.01.2000 (L 5b SGB 68/98, Juris Rn. 64 ff.) unter Abgrenzung von den Ausführungen des BSG in dem Urteil vom 16.03.1994 (9 RVs 3/93, Juris) ausgeführt, das Merkzeichen „RF“ sei nicht allein dann zuzuerkennen, wenn die Anwesenheit bei öffentlichen Veranstaltungen physisch unmöglich sei, sondern auch dann, wenn psychische Gründe den behinderten Menschen von einem solchen Besuch subjektiv zwingend abhielten. Im konkreten Falle spreche es nicht gegen eine solche Unmöglichkeit, dass die dortige Klägerin Ärzte, Rehabilitationseinrichtungen und auch das Versorgungsamt aufsuche. Diese Besuche seien für sie zwingend. Auch gehe sie davon aus, an solchen Orten nur Menschen zu begegnen, die Verständnis für die Auswirkungen der körperlichen Behinderung hätten, was aber bei öffentlichen Veranstaltungen nicht der Fall sei. Diesen Erwägungen folgt der Senat im Allgemeinen und auch bei der Würdigung des Einzelfalls. Eine Ungleichbehandlung zwischen körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen ist ausgeschlossen. Der Besuch öffentlicher Veranstaltungen stellt an einen psychisch erkrankten behinderten Menschen andere Anforderungen als Besuche beim Arzt oder bei Bekannten. Das Zusammentreffen mit anderen Menschen, die Behinderten gegenüber nicht ohne Weiteres wohl gesinnt sind bzw. die Auswirkungen einer Behinderung nicht einordnen können (zu dieser Erwägung LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.) kann besondere Belastungen auslösen, die der (körperlich) behinderte Mensch wegen einer psychischen Erkrankung nicht auf sich nehmen kann.
31 
Dies gilt auch für den Kläger. Die behandelnden Ärztinnen haben glaubhaft seine Phobie geschildert, durch Stuhl- oder Luftabgänge andere zu belästigen und dadurch negativ wahrgenommen zu werden. Außer den Arztbesuchen selbst und den gelegentlichen Gerichtsterminen in Ulm, die der Kläger allerdings als sehr belastend schildert, sind Kontakte zur Öffentlichkeit nicht dokumentiert.
32 
cc) Wie bereits ausgeführt, stützt der Senat seine Einschätzung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung auch maßgeblich auf die Folgen der Medikation.
33 
Der Kläger nimmt leidensgerecht seit langem Imorek ein. Dr. B. hatte in ihrer Aussage vom 21.02.2011 an das SG von 600 mg am Tag wegen eines akuten Schubs berichtet, nunmehr wird der Kläger nach den Angaben von Dr. E. unter dem 24.09.2012 mit 400 mg am Tag medikamentiert.
34 
Bei Imorek handelt es sich um ein Antisupressivum, das die Immunreaktionen des Körpers schwächt. Die Dosierungen, die dem Kläger verschrieben werden, sind hoch: Nach Nr. 3.2.b des Beipackzettels zu Imurek® 25 mg/-50 mg Filmtabletten (Hersteller: GlaxoSmithKline Consumer Healthcare GmbH & Co. KG) beläuft sich bei Darmerkrankungen die allgemein empfohlene anfängliche Höchstdosis auf 3 mg je kg Körpergewicht (zitiert nach: http://www.apotheken-umschau.de/do/extern/medfinder/medikament-arzneimittel-information-Imurek-25-Filmtabletten-A07358.html, abgerufen am 10.01.2013); dies wären bei dem zurzeit 84 kg schweren Kläger nur 250 mg am Tag. Und Imurek führt zu Blutbildungsstörungen (Mangel an weißen Blutkörperchen) mit erhöhter Infektionsanfälligkeit (Leukopenie) als Nebenwirkungen, wobei dies bei Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen wie dem Kläger häufig (weniger als 1 von 10, aber mehr als 1 von 100 Behandelten) und bei Transplantatempfängern und Patienten mit chronischen rheumatischen Gelenkentzündungen (rheumatoide Arthritis) sehr häufig geschieht (Nr. 4.1.a1, a2 des Beipackzettels).
35 
Auch leidet der Kläger konkret unter solchen Nebenwirkungen. Dr. B. hat in ihrer Aussage vom 21.02.2011 auch von „ständigen grippalen Infekten mit schweren Fieberschüben sowie Pilzerkrankungen“ berichtet und diese ausdrücklich als Nebenwirkungen der Behandlung mit Azathioprin, den arzneilich wirksamen Bestandteil von Imorek, zurückgeführt. Konkret hat sie von einem etwa vierzehntätigen schweren Infekt im Januar 2011 mit Fieberschüben bis zu 41°C über drei Tage hinweg berichtet.
36 
Öffentliche Veranstaltungen werden per definitionem von vielen Menschen besucht, sodass eine erhöhte Infektionsgefahr besteht. Diese allein kann zwar nicht die Voraussetzungen des Merkzeichens „RF“ bedingen. Wenn jedoch die Immunreaktion eines behinderten Menschen erheblich beeinträchtigt ist, kann es ihm unzumutbar sein, solche Veranstaltungen zu besuchen.
37 
dd) Aus einer umfassenden Betrachtung dieser Behinderungsfolgen, insbesondere der phobischen Störung und der Schwächung des Immunsystems, können bei dem Kläger die Voraussetzungen des Merkzeichens „RF“ festgestellt werden. Entsprechend war der Beklagte zu verpflichten.
38 
c) Dem Anspruch des Klägers auf Zuerkennung des Merkzeichens „RF“ steht auch nicht die Bestandskraft des insoweit ablehnenden Bescheids vom 08.06.2010 entgegen. Zwar war das Merkzeichen Gegenstand des damaligen Antrags- und sodann auch des Klageverfahrens S 14 SB 2936/10. Dort hatten sich die Beteiligten nach dem 30.03.2011 vergleichsweise u. a. dahin geeinigt, dass das Merkzeichen „RF“ nicht zustehe. Den Vergleich hat das LRA sodann unter dem 07.06.2011 ausgeführt. Der Vergleich konnte jedoch nur die Vergangenheit, also die Zeit bis zum Vergleichsschluss und längstens bis zum Erlass des Ausführungsbescheids erfassen. Für die Zeit danach war keine Regelung getroffen. Insofern hat der Kläger zu Recht sein Begehren auf die Zeit ab der diesmaligen Antragstellung am 25.07.2011 beschränkt.
39 
2. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Klägers beruht auf § 193 SGG.
40 
3. Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

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(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss, 09. Mai 2011 - L 8 SB 2294/10

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Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23.03.2010 wird zurückgewiesen.Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Gründe   I. 1 Zwischen den Beteiligten ist streitig,
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Sozialgericht Aachen Urteil, 15. Apr. 2014 - S 18 SB 564/12

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Tenor Die Klage wird abgewiesen, soweit sie über den in der öffentlichen Sitzung vom 00.00.0000 geschlossenen Teilvergleich hinausgeht. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach zu 3/7. 1Tatbestand: 2Der Kläger be

Sozialgericht Aachen Urteil, 15. Apr. 2014 - S 18 SB 465/12

bei uns veröffentlicht am 15.04.2014

Tenor Die Klage wird abgewiesen, soweit sie über den in der öffentlichen Sitzung vom 16.04.2014 geschlossenen Teilvergleich hinausgeht. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach zu 3/7. 1Tatbestand: 2Der Kläger be

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 19. Dez. 2013 - L 6 SB 1436/13

bei uns veröffentlicht am 19.12.2013

Tenor Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Januar 2013 und der Bescheid des Beklagten vom 1. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2010 abgeändert und der Beklagte verurteil

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Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23.03.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe

 
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob beim Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche (Merkzeichen) außergewöhnliche Gehbehinderung („aG“) und Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht („RF“) vorliegen.
Bei dem am … 1933 geborenen Kläger stellte das Landratsamt K. - Amt für Versorgung und Rehabilitation - (LRA) mit Bescheid vom 09.12.2005 wegen degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Spinalkanalstenose, Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke und beider Kniegelenke (Teil-GdB 50), Diabetes mellitus (Teil-GdB 30), Bluthochdruck, Krampfadern, Refluxkrankheit der Speiseröhre und Sehminderung beidseits (Teil-GdB jeweils 10) den GdB mit 60 neu sowie das Merkzeichen „G“ weiterhin fest. Ein hiergegen gerichteter Widerspruch des Klägers blieb mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.2006 erfolglos. Im anschließenden Klageverfahren (Az. S 10 SB 976/06) beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) schlossen die Beteiligten unter zusätzlicher Berücksichtigung eines Teilverlustes des Dickdarms, Dickdarmerkrankung in Heilungsbewährung (Teil-GdB 80) einen Vergleich dahin, beim Kläger den GdB mit 100 ab 01.07.2006 neu sowie das Merkzeichen „G“ weiterhin festzustellen, der mit Bescheid vom 10.04.2007 vom LRA ausgeführt wurde.
Am 14.08.2007 beantragte der Kläger die Feststellung der Merkzeichen „aG“ und „RF“. Das LRA nahm den Entlassungsbericht der R. Kliniken D. vom 17.10.2006, den radiologischen Befundbericht von Dr. S. vom 13.03.2007 sowie Berichte der Urologischen Universitätsklinik H. vom 16.08.2007 und vom 26.07.2007 zu den Akten. Nach versorgungsärztlicher Auswertung (gutachtliche Stellungnahme Dr. B. vom 24.09.2007, der unter zusätzlicher Berücksichtigung einer Erkrankung der Prostata mit einem Teil-GdB von 60 den GdB weiterhin mit 100 vorschlug und die Voraussetzungen für die Merkzeichen „aG“ und „RF“ verneinte) stellte das LRA beim Kläger mit Bescheid vom 26.09.2007 (unter Aufhebung des Bescheides vom 10.04.2007) den GdB mit 100 und das Merkzeichen „G“ weiterhin fest und lehnte die Voraussetzungen für die Feststellung der Merkzeichen „aG“ und „RF“ ab.
Gegen den Bescheid vom 26.09.2007 legte der Kläger am 01.10.2007 Widerspruch ein, der vom Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2007 zurückgewiesen wurde.
Hiergegen erhob der Kläger am 20.12.2007 beim SG Klage. Er machte zur Begründung geltend, die Aufhebung des Bescheides vom 10.04.2007 sei mangels Anhörung formell rechtswidrig. Hinsichtlich der Voraussetzungen für das Merkzeichen „aG“ seien dezidierte Ermittlungen des Beklagten zu vermissen. Aussagekräftige medizinische Unterlagen lägen nicht vor. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens „aG“ bei ihm vorlägen. Hinsichtlich der Voraussetzungen für das Merkzeichen „RF“ habe der Beklagte hinsichtlich einer bestehenden Harn- und Stuhlinkontinenz und einer damit verbundenen Geruchsbelästigung nichts ermittelt. Seine orthopädischen Leiden und die bestehende Harn- und Stuhlinkontinenz führten dazu, dass er an öffentlichen Veranstaltungen auf Dauer nicht mehr teilnehmen könne.
Das SG hörte Prof. Dr. Ho. /Dr. Hö. und Dr. W. schriftlich als sachverständige Zeugen an. Die Urologen Prof. Dr. Ho. /Dr. Hö. teilten in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 28.03.2008 unter Vorlage weiterer medizinischen Unterlagen den Behandlungsverlauf, die erhobenen Befunde und Diagnosen (Prostatakarzinom) mit. Sie verneinten eine außergewöhnliche Gehbehinderung des Klägers sowie seine Zugehörigkeit zum Kreis der Behinderten, die wegen ihres Leidens ständig nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen könnten. Dr. W. teilte in seiner Stellungnahme vom 24.05.2008 unter Vorlage weiterer Befundunterlagen die beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen mit. Der Kläger sei wegen internistischer Erkrankungen, einer arteriellen Verschlusskrankheit, einer diabetischen Polyneuropathie und wegen erheblichen Übergewichts als außergewöhnlich gehbehindert anzusehen. Zudem sei er durch eine Harn- und Stuhlinkontinenz zum Wechsel der Einlagen/Windeln an die Nähe einer Toilette gebunden. Infolge der bestehenden Erkrankungen und Behinderungen sei der Kläger nicht in der Lage, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.
Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G. vom 17.09.2008 entgegen.
Das SG holte von Amts wegen von Dr. L. das internistische Gutachten vom 07.05.2009 und von Dr. C. das orthopädische Zusatzgutachten vom 11.04.2009 ein. Dr. C. gelangte in seinem Gutachten zusammenfassend zu der Beurteilung, die beim Kläger auf orthopädischem Fachgebiet vorliegenden Behinderungen der Wirbelsäule (Teil-GdB 40), Kniegelenke (Teil-GdB 40), Hüftgelenke (Teil GdB 10) und unteren Sprunggelenke (Teil-GdB 10) seien mit einem GdB von 60 zu bewerten. Unter orthopädischen Gesichtspunkten seien die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen „aG“ und „RF“ beim Kläger als nicht erfüllt anzusehen. Wegen des Verdachtes auf eine periphere allgemeine Verschlusskrankheit empfahl er eine weitere Sachaufklärung. Dr. L. gelangte in seinem Gutachten zusammenfassend zu der Beurteilung, beim Kläger bestünden auf internistischem Gebiet an Gesundheitsstörungen ein Glaucoma chronicum (Teil-GdB 10), ein varicöser Symptomenkomplex (Teil-GdB 20), eine Refluxkrankheit der Speiseröhre mit Hiatushernie (Teil-GdB 10), ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus mit sensibler periphere Polyneuropathie (Teil-GdB 40), eine Dickdarmerkrankung in Heilungsbewährung mit unwillkürlichem Stuhlabgang (Teil-GdB 80) und ein Prostata-Karzinom (Teil-GdB 70). Mittels Doppler-sonographischer Untersuchung habe beim Kläger eine arterielle Verschlusskrankheit ausgeschlossen werden können. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens „aG“ und ein genereller Ausschluss von allen öffentlichen Veranstaltungen seien beim Kläger nicht gegeben. Bezüglich der Harn- und Stuhlinkontinenz sei eine Versorgung mit Inkontinenzartikel möglich. Das Merkzeichen „RF“ sei nicht anzuerkennen.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) holte das SG außerdem das orthopädisch-rheumatologisch-sozialmedizinische Gutachten von PD Dr. Ro. vom 05.02.2010 ein. PD Dr. Ro. gelangte in seinem Gutachten zusammenfassend zu der Bewertung, wegen Dorsolumbalgien mit pseudoradikulärer Ausstrahlung bei Skoliose der Lenden- und Brustwirbelsäule, lumbosacraler Übergangsstörung und erheblichen degenerativen Veränderungen, Arthrosen der Iliosacralgelenke und mäßiger Funktionseinschränkung (Teil-GdB 40), erheblichen Arthrosen beider Kniegelenke mit geringen bis mäßigen Funktionseinschränkungen, ohne wesentliche Bandinstabilität, mäßigen Arthrosen beider Hüftgelenke und beider Sprunggelenke, Senk-Spreizfüße, Krallenzehen beidseits jeweils ohne wesentliche Funktionseinschränkungen und eingeschränktes Gehvermögen (Teil-GdB 30) ergebe sich im Fachgebiet Orthopädie/Rheumatologie ein GdB von 50 und unter Berücksichtigung der anderweitigen Ansätze ein Gesamt-GdB von 100. Anhand der objektivierbaren Funktionsstörungen und der objektivierbaren Gehbehinderung liege eine außergewöhnliche Gehbehinderung nicht vor. Der Kläger gehöre nicht zum Kreis der Behinderten, die an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen könnten. Die vom Kläger benutzte zu kleine Einlage in der Unterhose sei nach vielen Stunden weder von Urin noch von Stuhl verschmutzt und die Unterwäsche nicht verunreinigt sowie eine Geruchsbelästigung nicht vorhanden gewesen.
10 
Der Kläger beantragte in der öffentlichen Sitzung des SG am 23.03.2010 - nach schriftsätzlichem Antrag vom 11.03.2010 - hilfsweise die Einholung eines internistischen Gutachtens gemäß § 109 SGG.
11 
Mit Urteil vom 23.03.2010 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, der Kläger leide nicht unter einer außergewöhnlichen Gehbehinderung. Auch die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (Merkzeichen „RF“) lägen beim Kläger nicht vor. Der Antrag auf Einholung eines internistischen Gutachtens gemäß § 109 SGG werde abgelehnt, weil bereits ein Gutachten gemäß § 109 SGG eingeholt worden sei. Das Antragsrecht nach § 109 SGG sei verbraucht.
12 
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 13.04.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.05.2010 (Tag nach Christi Himmelfahrt) Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung vorgetragen, das SG habe seinen in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrag auf Einholung eines internistischen Gutachtens gemäß § 109 SGG zu Unrecht abgelehnt. Das Gutachten werde belegen, dass die bei ihm bestehende Stuhl- und Harninkontinenz derart ausgeprägt sei, dass im Zusammenspiel mit den orthopädischen Leiden die Voraussetzungen für die Merkzeichen „aG“ und „RF“ erfüllt seien. Dr. C. habe in seinem Gutachten nur am Rande angegeben, dass die Voraussetzungen für das Merkzeichen „aG“ nicht vorlägen. Der internistischen Expertise des Dr. L. könne keine Begründung entnommen werden, weshalb die Voraussetzungen der Merkzeichen „aG“ und „RF“ nicht vorlägen. Das von Dr. C. wegen des Verdachtes auf eine periphere allgemeine Verschlusskrankheit für erforderlich gehaltene Gutachten habe das SG nicht zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen veranlasst. Im Ergebnis zeige sich, dass das Urteil des SG keinen Bestand haben könne und die Berufung als begründet angesehen werden müsse.
13 
Der Kläger beantragt sinngemäß,
14 
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. März 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 26. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. November 2007 zu verurteilen, bei ihm die Merkzeichen „RF“ und „aG“ ab 14. August 2007 festzustellen.
15 
Der Beklagte beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
18 
Der Senat hat auf den im Berufungsverfahren weiterverfolgten Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG das Gutachten des Chefarztes der medizinischen Klinik der F. S. Klinik, B. , Prof. Dr. K. vom 23.02.2011 eingeholt. Prof. Dr. K. gelangte zusammenfassend zu dem Ergebnis, aufgrund der orthopädischen Beschwerden sowie der ausgeprägten Adipositas sei eine Gehbehinderung vorhanden. Das Ausmaß der Gehbehinderung erfülle jedoch nicht die Kriterien der Außergewöhnlichkeit. Der Kläger sei nicht an das Haus gebunden. Eine Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen sei dem Kläger durchaus möglich. Er könne zumindest an gewissen öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen. Aufgrund der erhobenen Befunde habe beim Kläger bisher noch nie die Situation einer dauerhaften außergewöhnlichen Gehbehinderung oder Unmöglichkeit der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen bestanden.
19 
Mit richterlicher Verfügung vom 07.03.2011 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden und haben unter Fristsetzung bis 10.04.2011 Gelegenheit zur Äußerung erhalten.
20 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
II.
21 
Der Senat kann über die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, da er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind auf diese beabsichtigte Vorgehensweise mit richterlicher Verfügung vom 07.03.2011 hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Äußerung (bis 10.04.2011) erhalten.
22 
Streitgegenständlich ist der Bescheid des Beklagten vom 26.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.11.2007 nur, soweit die Feststellung der Merkzeichen „aG“ und „RF“ abgelehnt wurden. Dem entspricht der Klage- wie auch Berufungsantrag des Klägers. Soweit im streitgegenständlichen Bescheid außerdem unter Aufhebung des Bescheides vom 10.04.2007 der GdB mit 100 sowie das Merkzeichen „G“ weiterhin festgestellt wurden, ist der Kläger dadurch nicht beschwert. Einer Anhörung des Klägers bedurfte es insoweit nicht.
23 
Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme der Merkzeichens „aG“ (1.) und „RF“ (2.).
24 
Nach § 69 Abs. 1 des am 01.07.2002 in Kraft getretenen Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX), das dem bis dahin geltenden § 4 Abs. 1 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) entspricht, stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX).
25 
1. Nach § 69 Abs. 4 SGB IX i.V.m. §§ 1 Abs. 4 und 3 Abs. 1 Nr. 1 der Schwerbehindertenausweisverordnung vom 25.07.1991, zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 02.12.2006 (BGBl. I S. 2742), ist auf Antrag des behinderten Menschen der Nachteilsausgleich „aG“ in den Schwerbehindertenausweis einzutragen, wenn der behinderte Mensch außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 des Straßenverkehrsgesetzes oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften ist.
26 
Eine derartige straßenverkehrsrechtliche Vorschrift ist die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) vom 26.01.2001 (BAnz S. 1419, ber. S. 5206), zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndVwV vom 17.07.2009 (BAnz Nr. 110a, S. 1). Nach Abschnitt II Nr. 1 der VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO sind als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen querschnittsgelähmte, doppeloberschenkelamputierte, doppelunterschenkelamputierte, hüftexartikulierte und einseitig oberschenkelamputierte Menschen, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können, oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von inneren Erkrankungen, dem vorstehend angeführten Personenkreis gleichzustellen sind.
27 
Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in Nr. 11 Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 1. Halbsatz VwV-StVO aufgeführten schwerbehinderten Menschen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 23). Hierbei ist zu beachten, dass die maßgebenden straßenverkehrsrechtlichen Vorschrift nicht darauf abstellen, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist: nämlich nur noch mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzung - praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an - erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt (vgl. BSG SozR 3-3250 § 69 Nr. 1).
28 
Die Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) ist vorliegend rechtlich nicht beachtlich. Die Regelungen der VG zum Merkzeichen „aG“ sind mangels ausreichender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig und unwirksam. Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (AHP) die Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleich „aG“ durch Verordnung regeln zu können, enthalten weder § 30 Abs. 17 BVG, der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht in SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR-SozR 4/2009, Anm. 4), noch andere Regelungen des BVG. Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilsausgleiche ist auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Der Senat geht nach ständiger Rechtsprechung (vgl. Urt. vom 23.07.2010 - L 8 SB 3119/08 -, juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de) insoweit von einer Teilnichtigkeit der VersMedV aus, da der Teil der VG - als Anhang zu § 2 Teil der Verordnung - durch die Unwirksamkeit der genannten Regelungen nicht berührt wird und auch im übrigen die Regelungen der VersMedV nicht betroffen sind. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs sind daher allein die genannten gesetzlichen Regelungen und die hierzu in ständiger Rechtsprechung zulässig anzuwendenden Verwaltungsvorschriften.
29 
Der Kläger, der unstreitig nicht zum ausdrücklich genannten Personenkreis der außergewöhnlich Gehbehinderten gehört, ist diesem Personenkreis auch nicht gleichgestellt, da seine Gehfähigkeit nicht in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nicht nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in der VwV genannten Personen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann. Dies steht aufgrund der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere den im gerichtlichen Verfahren von Amts wegen und auf Anträge des Klägers gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachten, für den Senat fest.
30 
Nach den von Dr. C. in seinem orthopädischen Zusatzgutachten vom 11.04.2009 erhobenen Befunden - insbesondere an der Lendenwirbelsäule und an den unteren Extremitäten des Klägers - bestehen keine Funktionseinschränkungen, die eine Gleichstellung mit dem oben genannten Personenkreis der außergewöhnlich Gehbehinderten plausibel machen. Dem entspricht auch die Bewertung von Dr. C. in seinem Gutachten, der die Zuerkennung des Merkzeichens „aG“ beim Kläger (unter orthopädischen Gesichtspunkten) nicht als erfüllt ansieht. Diese Bewertung von Dr. C. wird auch durch das auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten von PD Dr. Ro. vom 05.02.2010 bestätigt. Auch nach den von PD Dr. Ro. erhobenen Befunden bestehen beim Kläger auf orthopädischem Gebiet keine Funktionseinschränkungen, die eine Gleichstellung mit dem oben genannten Personenkreis begründen. Vielmehr besteht nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen im Gutachten von PD Dr. Ro. beim Kläger eine nicht ohne weiteres erklärbare Diskrepanz der subjektiven Einschätzung des Gehvermögens und den objektiven Befunden der Untersuchung und der Ganganalyse mit einem objektiv besseren Gehvermögen des Klägers. Wiederholt ergaben sich Hinweise auf diskrepante Angaben und Befunde, eine Aggravation und eine reduzierte Compliance des Klägers, sodass eine bewusste Aggravation nicht auszuschließen ist. Auch PD Dr. Ro. gelangte in seinem Gutachten zu der nachvollziehbaren und überzeugenden Bewertung, dass anhand der objektivierbaren Funktionsstörungen und der objektivierbaren Gehbehinderung aus orthopädisch-rheumatologischer Sicht eine außergewöhnliche Gehbehinderung beim Kläger nicht vorliegt.
31 
Die beim Kläger zudem bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen auf internistischem Gebiet rechtfertigen für sich und in ihrem Zusammenwirken mit den auf orthopädischem Gebiet liegenden Funktionsbeeinträchtigungen keine andere Beurteilung. Beim Kläger bestehen nach dem Gutachten von Dr. L. vom 07.05.2009 auf internistischem Gebiet mit Ausnahme der sich nicht auf die Gehfähigkeit des Klägers auswirkenden Dickdarmerkrankung in Heilungsbewährung, des Prostata-Karzinoms und des Diabetes mellitus nur leichtgradige Funktionsbeeinträchtigungen mit Teil-GdB-Werten von 10 bzw. 20 wegen varicösen Syndromkomplexes. Diese leichten Funktionsbeeinträchtigungen rechtfertigen nach der überzeugenden Bewertung von Dr. L. in seinem Gutachten - auch unter Berücksichtigung der übrigen Funktionsbeeinträchtigungen - die Zuerkennung des Merkzeichens „aG“ nicht. Die Polyneuropathie bedingt nach dem Gutachten von Dr. C. keine motorischen Ausfälle, die eine außergewöhnliche Gehbehinderung hervorrufen. Solche Ausfälle hat auch PD Dr. Ro. in seinem Gutachten nicht festgestellt. Diese Bewertung wird auch durch das im Berufungsverfahren auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachten von Prof. Dr. K. vom 23.02.2011 bestätigt. Prof. Dr. K. gelangt für den Senat nachvollziehbar und überzeugend zu dem Ergebnis, dass - lediglich - aufgrund der orthopädischen Beschwerden sowie einer ausgeprägten Adipositas beim Kläger eine Gehbehinderung vorhanden ist. Der Kläger war jedoch nach den Ausführungen von Prof. Dr. K. insbesondere in der Lage, die Distanz zwischen dem Parkplatz und dem Untersuchungsbereich sowie zwischen den einzelnen Funktionsbereichen zwar mit Hilfe von Gehstützen, jedoch ohne fremde Hilfe in angemessener Zeit ohne übermäßige Anstrengung zurückzulegen. Damit erfüllt der Kläger die dargestellten Kriterien einer außergewöhnlichen Gehbehinderung nicht. Auch PD Dr. Ro. hat in seinem Gutachten eine außergewöhnliche Gehbehinderung des Klägers durch Erkrankungen der inneren Organe, die eine Gleichstellung mit dem genannten Personenkreis der außergewöhnlich Gehbehinderten rechtfertigen könnte, verneint. Weiter haben Prof. Dr. Ho. /Dr. Hö. in ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 28.03.2008 - auf urologischem Fachgebiet - eine außergewöhnliche Gehbehinderung des Klägers verneint.
32 
Der abweichenden Bewertung von Dr. W. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 24.05.2008 kann nicht gefolgt werden. Seine Einschätzung ist nach der aktenkundigen Befundlage und der von ihm genannten Befunde nicht nachvollziehbar, worauf Dr. G. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17.09.2008 an das SG überzeugend hingewiesen hat. Der Senat folgt vielmehr den übereinstimmenden und überzeugenden Bewertungen von Dr. C. , Dr. L. , PD Dr. Ro. und Prof. Dr. K. .
33 
2. Wegen der Voraussetzungen des Merkzeichens „RF“ ist für den in Baden-Württemberg wohnhaften Kläger seit 01.04.2005 Art 5 § 6 Absatz 1 Nr. 8 des Achten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 8. bis 15.10.2004 i.d.F. des Baden-Württembergischen Gesetzes vom 17.3.2005 (GBl. 2005, 189) heranzuziehen. Danach werden u.a. behinderte Menschen, deren GdB nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können, von der Rundfunkgebührenpflicht befreit. Ein sonstiger Gebührenbefreiungstatbestand scheidet beim Kläger aus.
34 
Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger nicht vor. Es ist zwar ein GdB von 100 festgestellt; der Kläger ist jedoch nicht ständig gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.
35 
Unter öffentlichen Veranstaltungen in diesem Sinne sind alle Zusammenkünfte politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender und wirtschaftlicher Art zu verstehen (BSG, Urt. v. 10.08.1993 -9/9a RVs 7/91 -, SozR 3-3870 § 48 Nr. 2; Urteil vom 12.02.1997 - 9 RVs 2/96 -, SozR 3-3780 § 4 Nr. 7). Die Unmöglichkeit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen ist nur dann gegeben, wenn der Schwerbehinderte wegen seines Leidens ständig, d.h. allgemein und umfassend, vom Besuch ausgeschlossen ist, also allenfalls an einem nicht nennenswerten Teil der Gesamtheit solcher Veranstaltungen teilnehmen kann. Bei der vom BSG vertretenen Auslegung muss der behinderte Mensch praktisch an das Haus gebunden sein, um seinen Ausschluss an öffentlichen Veranstaltungen begründen zu können (ständ. Rspr. des Senats, vgl. stellvertr. Beschluss vom 20.08.2010 - L 8 SB 818/10 -, unveröffentlicht). Das BSG hält es zunehmend für zweifelhaft, ob durch den Nachteilsausgleich RF tatsächlich ein behinderungsbedingter Mehraufwand ausgeglichen wird, und ob es sozial geboten erscheint, bestimmten finanziell nicht bedürftigen Personengruppen die Benutzung solcher gewöhnlichen Geräte zu finanzieren. Diese Frage - so das BSG - bedürfe keiner abschließenden Klärung, verdeutliche aber, dass an einer engen Auslegung für das Merkzeichen „RF“ festgehalten werde (BSG, Urteil vom 10.08.1993 - 9/9a RVs 7/91 - a.a.O.).
36 
Hiervon ausgehend steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger trotz der bei ihm zweifellos vorliegenden zahlreichen Funktionsbeeinträchtigungen, die der Senat nicht verkennt, in zumutbarer Weise öffentliche Veranstaltungen in einem nennenswerten Teil der Gesamtheit aufsuchen kann. Daran ist der Kläger - entgegen seiner Ansicht - insbesondere nicht aufgrund der bei ihm bestehenden Harn- und Stuhlinkontinenz gehindert. Dies steht zur Überzeugung des Senates aufgrund der im gerichtlichen Verfahren von Amts wegen und auf Anträge des Klägers gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachten und der vorliegenden Befundunterlagen fest.
37 
Nach dem Gutachten von Dr. L. vom 07.05.2009 besteht beim Kläger nach einer Colektomie mit Ileorektoskomie im Juli 2006 eine Inkontinenz. Dadurch ist der Kläger jedoch nicht generell vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen ausgeschlossen. Der Kläger kann vielmehr einer durch unwillkürlichen Stuhl- und Urinabgang auftretenden Belästigung durch das Anziehen von einmal zu tragenden Windelhosen entgegen wirken. Das Tragen solcher Windelhosen ist dem Kläger nach der Rechtsprechung des Senats auch zumutbar (vgl. Urteil des Senats vom 18.03.2005 - L 8 SB 2366/03 - , Juris); insbesondere wird er dadurch nicht in seinen - grundgesetzlich - geschützten Rechten verletzt. Nach der nachvollziehbaren und überzeugenden Bewertung von Dr. L. ist dem Kläger hinsichtlich der Harn- und Stuhlinkontinenz eine Versorgung mit Inkontinenzartikel möglich, weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger allgemein und umfassend vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen ausgeschlossen ist. Zu dieser Bewertung gelangt auch PD Dr. Ro. in seinem Gutachten vom 05.02.2010. Der Kläger trug bei der Untersuchung im Rahmen der Begutachtung keine Windelhose, sondern eine - zu kleine - Vorlage. Der Anus war nicht verschmutzt. Urinspuren fanden sich weder in der Einlage noch im Bereich der Unterhose, wie PD Dr. Ro. gegen 13.30 Uhr (nach mindestens 5 Stunden Abwesenheit außer Haus des Klägers) festgestellt hat. Auch eine Geruchsbelästigung war während der gesamten Gutachtensuntersuchung nicht festzustellen. Auch Prof. Dr. K. gelangte in seinem Gutachten vom 23.02.2011 zu der Bewertung, dass der Kläger trotz seiner Inkontinenz zumindest an gewissen öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen kann. Im Rahmen der Begutachtung durch Prof. Dr. K. musste der Kläger in der Zeit zwischen 8 Uhr und 14.30 Uhr zweimal die Toilette besuchen. Es fanden sich geringgradige Stuhlspuren in der Einlage. Eine relevante Geruchsbelästigung bestand jedoch nicht. Die Untersuchung musste auch wegen Stuhldrangs bzw. eines Toilettenbesuches nicht unterbrochen oder verschoben werden. Auch sonst fiel der Kläger zwischen den einzelnen Untersuchungen im Wartebereich nicht negativ auf. Danach kann beim Kläger von einer schweren Urin- oder Stuhlinkontinenz, die ihn allgemein und umfassend am Besuch von öffentlichen Veranstaltungen hindert, nicht ausgegangen werden. Davon gehen auch Prof. Dr. Ho. /Dr. Hö. in ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 28.03.2008 aus.
38 
Der davon abweichenden Bewertung von Dr. W. kann wiederum nicht gefolgt werden. Dr. W. begründet seine Ansicht damit, dass der Kläger wegen der Möglichkeit des Wechsels der Einlagen/Windeln an die Nähe einer Toilette gebunden ist. Dieser Umstand rechtfertigt für sich nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht schon die Annahme, dass der Kläger deswegen ständig am Besuch von öffentlichen Veranstaltungen gehindert ist. Der Senat folgt vielmehr den überzeugenden und übereinstimmenden gutachterlichen Bewertungen von Dr. L. , PD Dr. Ro. , Prof. Dr. K. und Prof. Dr. Ho. /Dr. Hö. .
39 
Auch sonst bestehen keine Gesundheitsstörungen, die den Kläger am Besuch öffentlicher Veranstaltung hindern. Insbesondere liegen beim Kläger auf orthopädischem Gebiet keine Funktionsbeeinträchtigungen vor, die eine solche Annahme rechtfertigen. Dies ergibt sich für den Senat aus den überzeugenden Bewertungen von Dr. C. im Gutachten vom 11.04.2009 und PD Dr. Ro. im Gutachten vom 05.02.2010, die - unter orthopädischen Gesichtspunkten - die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens „RF“ verneint haben, denen der Senat folgt. Der Kläger hat im Übrigen wegen Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet die Zuerkennung des Merkzeichens „RF“ substantiiert nicht geltend gemacht.
40 
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Senat hält den maßgeblichen Sachverhalt durch die vom SG und im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen sowie die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen für aufgeklärt.
41 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
42 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.