Sozialgericht Aachen Urteil, 01. März 2016 - S 12 SB 517/15
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
1
Tatbestand:
2Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des dem Kläger zustehenden Grades der Be-hinderung (GdB) streitig.
3Das Versorgungsamt B. stellte bei dem am 00.00.0000 geborenen Kläger mit Be-scheid vom 13.08.2004 aufgrund bestehender Hirndurchblutungsstörungen, Funkti-onseinschränkungen der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen, Funktions-störungen der Verdauungsorgane, Herzrhythmusstörungen und einer Zuckerkrank-heit einen GdB von 40 fest. Dem hiergegen eingelegten Widerspruch gab die Be-zirksregierung Münster insoweit statt, als weitere gesundheitliche Beeinträchtigung eine Funktionsstörung des linken Kniegelenks berücksichtigt wurde. Der Gesamt-GdB änderte sich hierdurch indes nicht.
4Am 17.12.2014 stellte der Kläger einen Änderungsantrag und begehrte die Feststel-lung eines höheren GdB. Hierbei gab er an, er leide unter Bluthochdruck, (erhöhten) Blutfettwerten, Beeinträchtigungen des linken Kniegelenks (Knorpelschaden 4.-5. Grades), Arthrose im rechten dicken Zeh, einer Dupuytren Kontraktur beider Hände, einer affektiven Psychose sowie einer chronischen Bronchitis.
5Der Beklagte wertete durch seinen ärztlichen Dienst einen Reha-Entlassungsbericht der Berolina-Klinik Löhne für die Zeit vom 30.09.2014 bis 04.11.2014, einen Befund-bericht des Allgemeinmediziners N. sowie einen Befundbericht des Orthopäden Dr. F. aus. Dieser kam zu der Einschätzung, die bisher festgestellten Hirndurchblutungs-störungen bestünden beim Kläger nicht. Diese Feststellung sei seinerzeit fälschlich getroffen worden, weil der behandelnde Arzt damals die falschen Unterlagen über-sandt habe. Im Übrigen bestünden seien beim Kläger Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule (Einzel-GdB: 20), Funktionsstörungen der Verdauungsorgane (Einzel-GdB: 10), Herzrhythmusstörungen (Einzel-GdB: 10), eine Zuckerkrankheit (Einzel-GdB: 10) und Funktionsbeeinträchtigungen der unteren Gliedmaße (Einzel-GdB: 10). Die Feststellung eines höheren GdB als 40 komme daher nicht in Betracht.
6Mit Bescheid vom 19.02.2015 lehnte der Beklagte die Feststellung eines höheren GdB ab. Hiergegen legte der Kläger am 12.03.2015 Widerspruch ein, den er damit begründete die bei ihm bestehende Chondromalacia patellae (Stadium IV) mit anhal-tenden Reizerscheinungen im linken Knie und der Hallux valgus rechts seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Diese beeinflussten sich gegenseitig ungünstig.
7Der Beklagte holte Befundberichte der Orthopäden Dr. T. und N. ein und wertete diese durch seinen ärztlichen Dienst aus. Dieser kam zu der Einschätzung es könne als weitere gesundheitliche Beeinträchtigung eine Funktionsstörung der oberen Gliedmaße (Morbus Dupuytren) einbezogen werden. An der Höhe des Gesamt-GdB ändere sich hierdurch nichts.
8Mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2015 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.
9Am 24.06.2015 hat der Kläger Klage erhoben. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten des Allgemeinmediziners N. und des Orthopä-den N. und hat darüber hinaus ein Gutachten des Arztes für Innere Medizin und Ar-beitsmedizin – Sozialmedizin – Dr. Q. beauftragt, welches dieser nach einer Untersu-chung des Klägers am 12.01.2016 gegenüber dem Gericht erstattet hat.
10Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 01.02.2016 ausgeführt, das Gutachten berück-sichtige zu wenig die Funktionsstörungen der unteren Gliedmaße. Es bestehe beid-seits eine Chondromalacia patellae sowie zusätzlich rechts noch ein Hallux valgus. Schon hierfür sei ein GdB von 40 in Ansatz zu bringen, so dass insgesamt ein GdB von 50 angemessen sei.
11Im Rahmen des am 01.03.2016 durchgeführten Termins zur mündlichen Verhand-lung hat der Kläger beantragt,
12den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2015 zu verurteilen, bei ihm ab dem 17.12.2014 einen GdB mit 50 festzustellen.
13Der Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Zur Begründung hat er sich auf die Stellungnahmen seines ärztlichen Dienstes sowie das eingeholte Gutachten des Dr. Q. bezogen.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezo-gene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Be-scheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Ihm steht derzeit kein höherer GdB als 40 zu.
19Nach § 2 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion oder geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als Grad der Behinderung nach 10er Graden abgestuft dargestellt. Bei dem Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.
20Die Bemessung des Gesamt-GdB hat dabei in mehreren Schritten zu erfolgen und ist tatrichterliche Aufgabe (BSG Beschluss vom 09.12.2010 – B 9 SB 35/10 B = juris Rn. 5 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32).
21Zunächst sind unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinn von regelwidrigen, von der Norm abweichenden Zuständen gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX und die daraus ableitenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. Sodann sind diese den in den Versor-gungsmedizinischen Grundsätzen genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. Schließlich ist unter Berücksichtigung der wech-selseitigen Beziehungen in einer Gesamtschau der Gesamt-GdB zu bilden (BSG Ur-teil vom 30.09.2009 – B 9 SB 4/08 R = juris Rn. 18 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32).
22Nach Teil A Ziffer 3 der Anlage zu § 2 der aufgrund § 30 Abs. 17 Bundesversor-gungsgesetzes (BVG) erlassenen Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (BGBl. I 2008, S. 2412 - Versorgungs-medizin-Verordnung) vom 10.12.2008 (Versorgungsmedizinische Grundsätze), die wegen § 69 Abs. 1, Satz 4 SGB IX auch im Schwerbehindertenrecht zur Anwendung kommt, sind zur Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung rechnerische Me-thoden, insbesondere eine Addition der Einzelgrade der Behinderung, nicht zulässig. Vielmehr ist bei der Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad der Behinderung bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchti-gungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Grad der Behinderung 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Hierbei ist gemäß Teil A Ziffer 3 lit. d) ee) der Versor-gungsmedizinischen Grundsätze zu beachten, dass leichtere Gesundheitsstörungen mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-grades der Behinderung führen, selbst wenn mehrere dieser leichteren Behinderun-gen kumulativ nebeneinander vorliegen. Auch bei Leiden mit einem Einzelgrad der Behinderung von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine Zunahme des Ge-samtausmaßes der Behinderung zu schließen.
23Schließlich sind bei der Festlegung des Gesamt-GdB zudem die Auswirkungen im konkreten Fall mit denjenigen zu vergleichen, für die in den Versorgungsmedizini-schen Grundsätzen feste GdB-Werte angegeben sind (BSG Urteil vom 02.12.2010 – B 9 SB 4/10 R = juris Rn. 25; vgl. auch Teil A Ziffer 3 lit. b) Versorgungsmedizinische Grundsätze).
24Die anspruchsbegründenden Tatsachen sind, dies gilt nach allgemeinen Grundsät-zen des sozialgerichtlichen Verfahrens auch im Schwerbehindertenrecht grundsätz-lich im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuwei-sen (vgl. BSG Urteil vom 15.12.1999 - B 9 VS 2/98 R = juris Rn. 14; Bayerisches LSG Urteil vom 18.06.2013 – L 15 BL 6/10 = juris Rn. 67 ff.; Bayerisches LSG Urteil vom 05.02.2013 – L 15 SB 23/10= juris). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrschein-lichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünfti-ger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000 - B 9 VG 3/99 R = juris Rn. 11), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993 - 9/9a RV 1/92 = juris Rn. 14). Lässt sich der Vollbeweis nicht führen, geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Lasten dessen, der sich zur Begründung seines Anspruchs oder rechtlichen Handelns auf ihr Vorliegen stützen.
25Im vorliegenden Fall steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die bei dem Klä-ger vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht die Feststellung eines GdB von mehr als 40 rechtfertigen.
26Der Kläger leidet zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung unter
271. Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen 2. Funktionsstörungen der Wirbelsäule 3. Funktionsstörungen der oberen Gliedmaßen 4. Chronische Bronchitis 5. Bluthochdruck 6. Funktionsstörung der Verdauungsorgane 7. Leichte seelische Beeinträchtigung 8. Fettstoffwechselstörung bei Adipositas
28Das Vorliegen dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen steht nach Auffassung der Kammer aufgrund der im Verwaltungs- und Klageverfahren eingeholten Befund- und Arztberichte, sowie der Gutachten des Dr. Q. fest.
291. Für das Funktionssystem der unteren Gliedmaße ist der GdB gemäß Teil B Ziffer 18.14 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze mit 30 zu bewerten. Im Rahmen einer MRT-Diagnostik wurde hinsichtlich des linken und des rechten Knies ein Knorpelschaden im Hauptgelenk Grad III bis IV gesichert (zur Klassifikation von Knorpelschäden, vgl. etwa Ludolph, Der Unfallmann, 13. Aufl. 2013, S. 581). Für ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke mit anhaltenden Reizerscheinungen sehen die Versorgungsmedizinischen Grundsätze einen GdB von 10 bis 30 für den Fall vor, dass keine Bewegungseinschränkungen vorliegen. Bestehen Bewegungs-einschränkungen so ist ein Bewertungsspielraum von 20 bis 40 eröffnet. Bewe-gungseinschränkungen der Knie konnten im Rahmen der Begutachtung nicht objek-tiviert werden. Sowohl rechts als auch links beschrieb der Gutachter die Beu-gung/Streckung mit 140°/0°/0°. Die Beweglichkeit beider Knie war mit damit alters-entsprechend normgerecht (vgl. zu den anatomisch normalen Bewegungsausmaßen, Schünke, Topgraphie und Funktion des Bewegungssystems, 2. Aufl. 2014, S. 62; Thomann/Schröter/Grosser, Orthopädisch-unfallchirurgische Begutachtung, 2009, S. 16). Der Gutachter beschrieb, dass der Kläger auch nach langem und ruhigen Sitzen bei der Anamnesebildung weitgehend problemlos aufstehen konnte. Das Gangbild war unauffällig, beide Knie waren nicht überwärmt oder geschwollen. Die Knieschei-ben (Patellae) waren beidseits gut verschieblich. Es fand sich allerdings ein Reibege-räusch im linken Knie auch bei der Streckung. Die Muskeln im Bereich des linken Beines waren gegenüber rechts gemindert. Der Kläger schilderte während der münd-lichen Verhandlung, die Angaben des Gutachters träfen zwar zu. Er habe aber er-hebliche Probleme mit den Knien insbesondere nach längeren Gehstrecken und auch bei der Arbeit, insbesondere, wenn er Treppen steigen müsse. Dass solche Beschwerden bestehen ist für die Kammer aufgrund der diagnostizierten Knorpel-schäden durchaus nachvollziehbar. Dass der Kläger hier bei seinem Beruf als Indust-riemeister und Werkstattleiter des Studentenwerkes B. besonders betroffen sein mag, ist indes für die Feststellung des GdB irrelevant (vgl. BGS Urteil vom 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R = juris Rn. 23; Sozialgericht – SG – Aachen Urteil vom 15.04.2015 – S 12 SB 223/14 = juris Rn. 35). Wesentlich in diesem Zusammenhang erscheint der Kammer indes, dass der Kläger auch nach seinen eigenen Angaben insbesondere bei Belastung Probleme mit den Knien bekommt. Nach Auffassung der Kammer sind damit – unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Untersuchung – anhaltende Reizerscheinungen nicht objekti-viert. Vor diesem Hintergrund ist der Bewertungsspielraum von 10 bis 30, denn nur dieser ist im Hinblick auf die nicht objektivierten Bewegungseinschränkungen eröff-net, keinesfalls nach oben auszuschöpfen. Berücksichtigt man freilich die Tatsache, dass bei beiden Knien ein Knorpelschaden nachgewiesen ist, kommt insoweit ein GdB von 20 durchaus in Betracht. Für den Bereich der unteren Extremitäten sind dabei freilich noch erschwerend die nachgewiesenen Beeinträchtigungen der großen Zehen in Ansatz zu bringen. Hier ist bildgebend eine deutliche Arthrose des Großzehengrundgelenks rechts nachgewie-sen und durch den behandelnden Orthopäden Dr. G. die Diagnose eines Hallux rigidus rechts gestellt. Bei der Untersuchung durch Dr. G. fand sich ein nahezu wa-ckelsteifes Großzehengrundgelenk, die Dorsalflexion war maximal bis 3° möglich. Er beschrieb eine schmerzhafte Krepitation (Reiben im Gelenk) und einen Überstre-ckungsschmerz. Er empfahl eine Versteifungsoperation. Dr. Q. beschreibt in seinem Gutachten klinisch ein ähnliches Bild. Bei nicht vorhandener Rötung oder Überwärmung beschrieb er einen Druckschmerz des rechten Großzehengrundge-lenks. Die linke Großzehe war ebenfalls in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt. Die Beschwerden des Klägers im Bereich der Zehen sind nach Einschätzung der Kam-mer – in Übereinstimmung mit Dr. Q. – mit 20 zu bewerten. Die Bewertung erfolgt in Anlehnung an die Vorgaben, die die Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu einer Versteifung der Großzehengelenke macht. Eine Versteifung in günstiger Stellung bedingt einen GdB von 10, in ungünstiger Stellung einen GdB von 20. Nun sind beim Kläger beide Großzehen (bislang) noch nicht versteift, unter Berücksichtigung der nachvollziehbaren Schmerzen durch die fortgeschrittene Arthrose erscheint es aber angemessen, den GdB mit 20 zu bewerten. Die Beugung/Streckung der Hüfte konnte nach Neutral-Null beidseits mit 120°/0°/10° ermittelt werden, was weitgehend altersentsprechend normgerecht ist. Das Gleiche gilt hinsichtlich des Absprei-zens/Anführens 40°/0°/20° und der Drehung einwärts/auswärts (90° gebeugt) mit 40°/0°/30° (vgl. Neurath/Lohse, Checkliste Anamnese und klinische Untersuchung, 4. Aufl. 2015, 17.5.3; vgl. hierzu Thomann/Schröter/Grosser, Orthopädisch-unfallchirurgische Begutachtung, 2009, S. 16). Für das Funktionssystem der unteren Extremitäten geht die Kammer nach alledem – in Übereinstimmung mit dem Gutach-ter Dr. Q. – von einem GdB von 30 aus. Ein höherer GdB kommt im Hinblick auf die objektivierten Beeinträchtigungen, auch im Hinblick auf das beschriebene unauffällige Gangbild nicht in Betracht.
302. Für das Funktionssystem der Wirbelsäule ist gemäß Teil B Ziffer 18.9 der Versor-gungsmedizinischen Grundsätze ein GdB von 10, allerhöchstens soeben 20, in An-satz zu bringen.
31Der Kläger beschreibt – auf gezieltes Befragen – dass Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule immer da seien. Häufigeres Bücken führe zu einer Verstärkung der Beschwerden. Zum Teil werde Krankengymnastik verordnet.
32Der Gutachter beschreibt bei der Oberkörpervorneigung einen Finger-Boden-Abstand von 15 cm. Die Oberkörperrückneigung beschreibt der Gutachter mit 0°/20° und damit als gering endgradig eingeschränkt, die Oberkörperseitneigung beidseits nicht wesentlich eingeschränkt. Die Seitenneigung des Rumpfes war mit 30°/0/°30° und die Drehung mit 50°/0°/50° weitestgehend altersentsprechend normgerecht (vgl. zu den Bewegungsausmaßen der Wirbelsäule allgemein Grifka/Krämer, Orthopädi-sche Unfallchirurgie, 9. Aufl. 2013, S. 157 f.; Thomann/Schröter/Grosser, Orthopä-disch-unfallchirurgische Begutachtung, 2009, S. 17). Wie bereits oben dargelegt war der Kläger auch in der Lage lange und ruhig zu sitzen und anschließend weitgehend problemlos aufzustehen. Das Gangbild war unauffällig. Das An- und Ausziehen war gut möglich. Der Patella- und der Achillessehnenreflex waren seitengleich auslösbar. Pathologische Reflexe fanden sich nicht. Das Lasègue-Zeichen war beidseits nega-tiv. Es fanden sich beim Kläger mithin leichtgradige Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule. Dies korrespondiert auch mit den übrigen im Verfah-ren eingeholten ärztlichen Stellungnahmen und den anamnestischen Angaben des Klägers. Ein höherer GdB als 10 ist nach Auffassung der Kammer auf Grundlage der Versorgungsmedizinischen Grundsätze hierfür an sich nicht in Ansatz zu bringen. Die Auffassung von Dr. Q., es bestehe ein GdB von 20, der allerdings nur soeben er-reicht sei, erscheint der Kammer indes – äußerst wohlwollend für den Kläger – eben-falls noch vertretbar.
333. Für das Funktionssystem der oberen Extremitäten sind beim Kläger die verblieben-den Beeinträchtigungen nach diversen Operationen bei Morbus Dupuytren zu be-rücksichtigen. Unter einer Dupuytren-Kontraktur versteht man eine Erkrankung der kollagenen Faserbündel des straffen Bindegewebes der Palmarseite der Hand. Es kommt zu einer Fibrose mit Knotenbildung und Umbauvorgängen in deren Verlauf sich eine Verkürzung der Faserbündel mit einer Kontraktur der betroffenen Gelenke entwickelt. Hierbei sind vorwiegend längslaufende, im Rahmen der normalen Hand-funktion unter Zugbelastung stehende Faserbündel betroffen (Berger/Hierner [Hrsg.]. Plastische Chirurgie, Bd. IV Extremitäten, 2009, S. 84). Beim Kläger sind rechts und links verschiedene partielle Fasziektomien durchgeführt worden (vgl. hierzu Ber-ger/Hierner [Hrsg.]. Plastische Chirurgie, Bd. IV Extremitäten, 2009, S. 106 f.). Maß-geblich ist für die Beurteilung des GdB an den Händen der Zustand nach diesen Operationen. Der Kläger beschrieb gegenüber dem Gutachter, dass sich in der linken Hohlhand ein neuer Knoten an der Außenseite der Mittelhand entwickelt habe. Der Gutachter beschrieb Narben im Bereich beider Hohlhände mit einer narbigen Verdickung im Bereich der linken äußeren Mittelhand vor dem Kleinfinger. Darüber hinaus bestand noch eine Streckhemmung im Bereich des rechten Kleinfingers. Wesentliche Bewegungseinschränkungen, die in Anwendung von Teil B Ziffer 18.13 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze einen GdB von mehr als 10 bedingen würden, fanden sich nach Einschätzung des Gutachters nicht. Die Kammer schließt sich dieser Einschätzung nach eigener Prüfung vollumfänglich an. Sonstige Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten, die einen GdB von mehr als 10 bedingen würden sind ebenfalls nicht objektiviert.
344. Für das Funktionssystem der tieferen Atemwege und Lunge ist gemäß Teil B Ziffer 8 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ein GdB von allenfalls 10 festzustellen.
35Der Kläger gab gegenüber dem Gutachter an, er sei schneller außer Puste als früher, was er aber auf mangelnde Kondition zurückführe. Der Hausarzt habe bislang keine Lungenfunktionsprüfung durchgeführt, einen Lungenfacharzt habe er bislang nicht aufgesucht. Im Rahmen des gerichtlich angeforderten Befundberichts gab der Hausarzt des Klägers unter anderem die Diagnose einer chronischen Bronchitis an. Broncho-pulmonal wirkende Medikamente nimmt der Kläger nach eigenen Angaben nicht ein. Im Rahmen der Begutachtung war die Lunge auskultatorisch und perkuto-risch unauffällig. Auch die ganzköperperplethysmographische Untersuchung durch Dr. Q. ergab keine Hinweise auf eine restriktive oder obstruktive Ventilationsstörung. Unter Berücksichtigung der anamnestischen Angaben des Klägers und der durch den Hausarzt gestellten Diagnose einer chronischen Bronchitis ist hier gemäß Teil B Ziffer 8.2 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze eine Bewertungsspielraum von 0 bis 10 eröffnet, wobei die Feststellung eines GdB von 10, worauf auch der Gutach-ter zu Recht hinweist, für den Kläger sehr wohlwollend ist.
365. Für das Funktionssystem von Herz und Kreislauf ist im Hinblick auf den medikamen-tös behandelten Bluthochdruck des Klägers gemäß Teil B Ziffer 9.3 der Versor-gungsmedizinischen Grundsätze ebenfalls von einem GdB von höchstens 10 auszu-gehen. Der Kläger nimmt nach eigenen Angaben des Medikament Biso 10 (Wirkstoff: Bisoprolol) zur Behandlung seines bekannten Bluthochdrucks. Er misst den Blutdruck drei- bis viermal im Monat. Dieser sei gut eingestellt, zuletzt bei 135/85 mmHg. Bei einem Kardiologen wäre er seit gut zehn Jahren nicht mehr gewesen. Beim Augen-arzt sei er 2014 gewesen, der aber durch den Bluthochdruck bedingte Augenhinter-grundveränderungen nicht festgestellt habe. Die Untersuchung des Thorax durch Dr. Q. ergab keine pathologischen Geräusche und eine regelmäßige Herzreaktion. So-weit der Gutachter den Blutdruck mit 180/110 mmHg ermittelt hat, führt er dies – für die Kammer, gerade unter Berücksichtigung der übrigen Angaben des Klägers nach-vollziehbar – auf die Untersuchungssituation zurück (vgl. allgemein zur sog. "Praxis-hypertonie" Midekke, Arterielle Hypertonie, 2005, S. 47 f.). Vor dem Hintergrund, dass Schädigungen an Zielorganen bislang nicht objektiviert sind, ist der Bewer-tungsspielraum von 0 bis 10 eröffnet. Auch hier erscheint damit allenfalls ein GdB von 10 zutreffend.
376. Der Kläger leidet nach eigenen Angaben insbesondere im Frühjahr und Herbst unter Magenbeschwerden. Eine chronische Gastritis sei bekannt. Eine Magenspiegelung sei zuletzt vor vier bis fünf Jahren erfolgt. Bei Beschwerden nehme er Pantoprazol. Unter Berücksichtigung von Dauer und Umfang der Beschwerden sowie der Möglich-keit der anlassbezogenen Behandlung mit Pantoprazol ist nach Auffassung der Kammer gemäß Teil B Ziffer 10.2.1 der Versorgungsmedizinschen Grundsätze ein GdB von mehr als 10 keinesfalls gerechtfertigt.
387. Der Kläger beschrieb gegenüber dem Gutachter auch, dass im Hinblick auf eine bei seinem Sohn 2009 diagnostizierte Leukämie mit anschließender Knochenmarktrans-plantation und den weiterhin erforderlichen Kontrolluntersuchungen Ängste ergeben hätten. Diese Ängste träten insbesondere anlassbezogen auf, etwa dann, wenn wie-der einmal eine Kontrolluntersuchung bei seinem Sohn anstehe oder auch wenn zu ungewöhnlichen Zeiten sein Sohn bei ihm anrufe. Der Kläger nehme dann Mirtazapin 15 ein, welches er von seinem Hausarzt verordnet bekommen habe. Im Rahmen der Reha-Behandlung des Klägers 2014 war die Diagnose einer Anpassungsstörung in diesem Zusammenhang gestellt worden. Bei der Untersuchung durch Dr. Q. fanden sich keine psychischen Auffälligkeiten des Klägers. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger sich nicht in fachpsychiatrischer oder fachpsychologischer Behandlung befin-det und dass sich weder aus der Akte noch aus dem Vortrag des Klägers gegenüber dem Gutachter Dr. Q. oder dem Gericht Anhaltspunkte für wesentliche oder länger-fristige Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ergeben, da die von ihm beschriebenen Angstzustände durchaus auch für die Kammer nachvollziehbar auf bestimmte Anlässe bezogen sind, geht die Kammer mit dem erfahrenen sozial-medizinischen Gutachter Dr. Q. davon aus, dass hier eine leichtere psychische Stö-rung im Sinne einer leichteren Angststörung vorliegt. Die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung als 10 gemäß Teil B Ziffer 3.7 der Versorgungsmedizinische Grundsätze ist vorliegend nicht objektiviert. Bei der gegebenen Sachlage war die Kammer auch nicht gehalten diesbezüglich weiter ermitteln.
398. Weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen, die einen GdB von mindestens 10 rechtfertigen würden sind nicht objektiviert. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das beim Kläger bestehende Übergewicht – nach eigenen Angaben wiegt der Kläger 113 kg bei einer Größe von 185 cm (BMI 33 kg/m2) und die diagnostizierte Fettstoffwech-selstörung gemäß Teil B Ziffer 15.3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze.
40Ausgehend von den objektivierten Beeinträchtigungen ist bei dem Kläger für den streitbefangenen Zeitraum nach § 69 Abs. 3 SGB IX in Verbindung mit Teil A Nr. 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ein GdB von 40 in Ansatz zu bringen.
41§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX schreibt vor, bei Vorliegen mehrerer Teilhabebeeinträchti-gungen den Grad der Behinderungen nach den Auswirkungen der Beeinträchtigun-gen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzusetzen. Der maßgebliche Gesamt-GdB ergibt sich dabei aus der Zusammen-schau aller Funktionsbeeinträchtigungen. Er ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung der Sachverständigen-gutachten sowie der versorgungsmedizinischen Grundsätze in freier richterlicher Be-weiswürdigung nach natürlicher, wirklichkeitsorientierter und funktionaler Betrach-tungsweise festzustellen (LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 42 unter Bezugnahme auf BSG Urteil vom 11.03.1998 - B 9 SB 9/97 R = juris Rn. 10 m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, ob die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen, sich überschneiden, sich ver-stärken oder beziehungslos nebeneinander stehen (BSG Urteil vom 02.12.2010 - B 9 SB 4/10 R = juris).
42Im vorliegenden Fall ist als führender GdB derjenige für die unteren Gliedmaße Be-einträchtigungen heranzuziehen. Dieser GdB ist – wie oben ausführlich dargelegt –mit 30 zu bewerten. Dieser Wert ist unter Berücksichtigung der Beeinträchtigungen der Wirbelsäule – wohlwollend auf 40 zu erhöhen. Die Annahme eines GdB von 30 für einen Morbus Parkinson kommt demgegenüber nicht mehr in Betracht. Dieser liegt nicht vor. Soweit weitere Beeinträchtigungen vorliegen, bedingen diese nach Auffassung der Kammer lediglich einen GdB von höchstens 10. Unter Berücksichti-gung des Zusammenspiels der Beeinträchtigungen sind sie nach Auffassung der Kammer nicht geeignet, den Gesamt-GdB zu erhöhen.
43Der Beklagte hatte damit – im Ergebnis zutreffend – unter Berücksichtigung des be-standskräftigen Bescheides vom 13.08.2004 den GdB mit 40 bewertet.
44Zwar lag beim Kläger zu keinem Zeitpunkt ein Morbus Parkinson vor, weswegen auch der insoweit in Ansatz gebrachte GdB von 30 für dieses Leiden falsch war. Der unter anderem hierfür gestützte Gesamt-GdB – aber eben auch nur dieser – ist in Bestandskraft erwachsen (vgl. dazu etwa BSG Urteil vom 10.09.1997 – 9 RVs 15/96 = juris). Eine Absenkung des Gesamt-GdB zu Lasten des Klägers wäre nur im Rah-men des § 45 SGB X möglich gewesen. Hierfür sind indes zwischenzeitlich zweifellos die entsprechenden Fristen abgelaufen. Der Kläger genießt insoweit zweifelsohne Bestandsschutz.
45Der Beklagte war aber nach Auffassung der Kammer nicht gehindert, unter Berück-sichtigung der nunmehr nachgewiesenen, tatsächlichen Beeinträchtigungen des Klä-gers den GdB weiter mit 40 festzustellen. Eine Bindung des Beklagten an die Einzel-GdB im Bescheid vom 13.08.2004 besteht gerade nicht (BSG Urteil vom 24.06.1998 – B 9 SB 17/97 R = juris). Maßgeblicher Regelungsinhalt eines Feststellungsbe-scheids über das Vorliegen und den Grad einer Behinderung bildet nicht die Frage, wie einzelne Funktionsbeeinträchtigungen für sich genommen zu bewerten sind, sondern welche Folgen sich aus ihrem Zusammenwirken für die Teilhabe des behin-derten Menschen am Leben der Gesellschaft insgesamt ergeben, § 69 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 sowie Abs. 3 SGB IX. Das Schwerbehindertenrecht kennt nur einen Ge-samtzustand der Behinderung, den gegebenenfalls mehrere Funktionsbeeinträchti-gungen in ihrer Gesamtheit bestimmen (BSG Urteil vom 01.06.2015 – B 9 SB 10/15 B = juris). Einzel-GdB, die den GdB separat für eine einzelne Erkrankung bzw. Funktionseinschränkung im Bescheid ausweisen, sind nur Begründungselemente (§ 35 SGB X) des Gesamt-GdB; nur letzterer steht im Verfügungssatz des Bescheids und hat Feststellungswirkung (BSG Urteil vom 01.06.2015 – B 9 SB 10/15 B = juris). Auf die Frage der verfahrensrechtlichen Vorgehens nach § 48 Abs. 3 SGB X (vgl. BSG Urteil vom 17.04.2013 – B 9 SB 6/12 R = juris) kam es vor diesem Hintergrund nach Auffassung der Kammer nicht an, da letztlich der bisherig bestandskräftige GdB bestätigt wurde.
46Eine Erhöhung des Gesamt-GdB, insbesondere die Feststellung des begehrten GdB von 50, kommt derzeit nach Auffassung der Kammer damit nicht in Betracht Die ob-jektivierten Beeinträchtigungen des Klägers lassen sich nicht gemäß Teil A Nr. 3 lit. b) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze mit einem einzelnen Gesundheits-schaden vergleichen, für den die Versorgungsmedizinischen Grundsätze einen fes-ten GdB-Wert von 50 angeben (vgl. hierzu auch LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 - L 13 SB 127/11 = juris Rn. 49 ff. unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG und den hierzu vertretenen Meinungsstand in der Literatur). Insbesondere lassen sich Beeinträchtigungen vergleichbar einer Versteifung großer Teile der Wirbelsäule, anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthesen die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst, schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb), oder aber einer Versteifung des Hüftgelenks in ungünstiger Stellung oder dem Verlust eines Beins im Unterschenkel bei dem Kläger nicht feststellen.
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(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.
(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).
Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.
(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.
(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).
(1) Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung.
(2) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die herbeigeführt worden sind durch
- a)
eine unmittelbare Kriegseinwirkung, - b)
eine Kriegsgefangenschaft, - c)
eine Internierung im Ausland oder in den nicht unter deutscher Verwaltung stehenden deutschen Gebieten wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit, - d)
eine mit militärischem oder militärähnlichem Dienst oder mit den allgemeinen Auflösungserscheinungen zusammenhängende Straf- oder Zwangsmaßnahme, wenn sie den Umständen nach als offensichtliches Unrecht anzusehen ist, - e)
einen Unfall, den der Beschädigte auf einem Hin- oder Rückweg erleidet, der notwendig ist, um eine Maßnahme der Heilbehandlung, eine Badekur, Versehrtenleibesübungen als Gruppenbehandlung oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 26 durchzuführen oder um auf Verlangen eines zuständigen Leistungsträgers oder eines Gerichts wegen der Schädigung persönlich zu erscheinen, - f)
einen Unfall, den der Beschädigte bei der Durchführung einer der unter Buchstabe e aufgeführten Maßnahmen erleidet.
(3) Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewißheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.
(4) Eine vom Beschädigten absichtlich herbeigeführte Schädigung gilt nicht als Schädigung im Sinne dieses Gesetzes.
(5) Ist der Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben, so erhalten seine Hinterbliebenen auf Antrag Versorgung. Absatz 3 gilt entsprechend.
(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.
(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann, - 2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder - 3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.
(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.
(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.
(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.
(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.
(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen
- 1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert, - 2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem
- 1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird, - 2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres, - 3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und - 4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.
(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.
(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.
(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.
(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.
(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:
- a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist, - b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist, - c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte, - d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden, - e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.
(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.
(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.
(1) Solange Beschädigte infolge der Schädigung hilflos sind, wird eine Pflegezulage von 376 Euro (Stufe I) monatlich gezahlt. Hilflos im Sinne des Satzes 1 sind Beschädigte, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedürfen. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder Anleitung zu den in Satz 2 genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muß, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist. Ist die Gesundheitsstörung so schwer, daß sie dauerndes Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Pflege erfordert, so ist die Pflegezulage je nach Lage des Falles unter Berücksichtigung des Umfangs der notwendigen Pflege auf 642, 916, 1 174, 1 524 oder 1 876 Euro (Stufen II, III, IV, V und VI) zu erhöhen. Für die Ermittlung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage sind die in der Verordnung zu § 30 Abs. 17 aufgestellten Grundsätze maßgebend. Blinde erhalten mindestens die Pflegezulage nach Stufe III. Hirnbeschädigte mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 erhalten eine Pflegezulage mindestens nach Stufe I.
(2) Wird fremde Hilfe im Sinne des Absatzes 1 von Dritten aufgrund eines Arbeitsvertrages geleistet und übersteigen die dafür aufzuwendenden angemessenen Kosten den Betrag der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wird die Pflegezulage um den übersteigenden Betrag erhöht. Leben Beschädigte mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft, ist die Pflegezulage so zu erhöhen, dass sie nur ein Viertel der von ihnen aufzuwendenden angemessenen Kosten aus der pauschalen Pflegezulage zu zahlen haben und ihnen mindestens die Hälfte der pauschalen Pflegezulage verbleibt. In Ausnahmefällen kann der verbleibende Anteil bis zum vollen Betrag der pauschalen Pflegezulage erhöht werden, wenn Ehegatten, Lebenspartner oder ein Elternteil von Pflegezulageempfängern mindestens der Stufe V neben den Dritten in außergewöhnlichem Umfang zusätzliche Hilfe leisten. Entstehen vorübergehend Kosten für fremde Hilfe, insbesondere infolge Krankheit der Pflegeperson, ist die Pflegezulage für jeweils höchstens sechs Wochen über Satz 2 hinaus so zu erhöhen, dass den Beschädigten die pauschale Pflegezulage in derselben Höhe wie vor der vorübergehenden Entstehung der Kosten verbleibt. Die Sätze 2 und 3 gelten nicht, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder Elternteil nicht nur vorübergehend keine Pflegeleistungen erbringt; § 40a Abs. 3 Satz 3 gilt.
(3) Während einer stationären Behandlung wird die Pflegezulage nach den Absätzen 1 und 2 Empfängern von Pflegezulage nach den Stufen I und II bis zum Ende des ersten, den übrigen Empfängern von Pflegezulage bis zum Ablauf des zwölften auf die Aufnahme folgenden Kalendermonats weitergezahlt.
(4) Über den in Absatz 3 bestimmten Zeitpunkt hinaus wird die Pflegezulage während einer stationären Behandlung bis zum Ende des Kalendermonats vor der Entlassung nur weitergezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte erhalten ein Viertel der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder der Elternteil bis zum Beginn der stationären Behandlung zumindest einen Teil der Pflege wahrgenommen hat. Daneben wird die Pflegezulage in Höhe der Kosten weitergezahlt, die aufgrund eines Pflegevertrages entstehen, es sei denn, die Kosten hätten durch ein den Beschädigten bei Abwägung aller Umstände zuzumutendes Verhalten, insbesondere durch Kündigung des Pflegevertrages, vermieden werden können. Empfänger einer Pflegezulage mindestens nach Stufe III erhalten, soweit eine stärkere Beteiligung der schon bis zum Beginn der stationären Behandlung unentgeltlich tätigen Pflegeperson medizinisch erforderlich ist, abweichend von Satz 2 ausnahmsweise Pflegezulage bis zur vollen Höhe nach Absatz 1, in Fällen des Satzes 3 jedoch nicht über den nach Absatz 2 Satz 2 aus der pauschalen Pflegezulage verbleibenden Betrag hinaus.
(5) Tritt Hilflosigkeit im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 gleichzeitig mit der Notwendigkeit stationärer Behandlung oder während einer stationären Behandlung ein, besteht für die Zeit vor dem Kalendermonat der Entlassung kein Anspruch auf Pflegezulage. Für diese Zeit wird eine Pflegebeihilfe gezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte, die mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft leben, erhalten eine Pflegebeihilfe in Höhe eines Viertels der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I. Soweit eine stärkere Beteiligung der Ehegatten, Lebenspartner oder eines Elternteils oder die Beteiligung einer Person, die den Beschädigten nahesteht, an der Pflege medizinisch erforderlich ist, kann in begründeten Ausnahmefällen eine Pflegebeihilfe bis zur Höhe der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I gezahlt werden.
(6) Für Beschädigte, die infolge der Schädigung dauernder Pflege im Sinne des Absatzes 1 bedürfen, werden, wenn geeignete Pflege sonst nicht sichergestellt werden kann, die Kosten der nicht nur vorübergehenden Heimpflege, soweit sie Unterkunft, Verpflegung und Betreuung einschließlich notwendiger Pflege umfassen, unter Anrechnung auf die Versorgungsbezüge übernommen. Jedoch ist den Beschädigten von ihren Versorgungsbezügen zur Bestreitung der sonstigen Bedürfnisse ein Betrag in Höhe der Beschädigtengrundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 und den Angehörigen ein Betrag mindestens in Höhe der Hinterbliebenenbezüge zu belassen, die ihnen zustehen würden, wenn Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben wären. Bei der Berechnung der Bezüge der Angehörigen ist auch das Einkommen der Beschädigten zu berücksichtigen, soweit es nicht ausnahmsweise für andere Zwecke, insbesondere die Erfüllung anderer Unterhaltspflichten, einzusetzen ist.
Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.
(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
- 1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, - 2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder - 3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn
- 1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder - 2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.
(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.
Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.
(1) Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen muss auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.
(2) Einer Begründung bedarf es nicht,
- 1.
soweit die Behörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift, - 2.
soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist, - 3.
wenn die Behörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, - 4.
wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt, - 5.
wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 bis 3 ist der Verwaltungsakt schriftlich oder elektronisch zu begründen, wenn der Beteiligte, dem der Verwaltungsakt bekannt gegeben ist, es innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe verlangt.
(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
- 1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, - 2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, - 3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder - 4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.
(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.
(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.
Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.