Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 21. Juni 2018 - 2 Ausl A 19/18, 2 Ausl A 19/18 - 1 AR 14/18 A

ECLI:ECLI:DE:POLGZWE:2018:0621.1AR14.18A.00
bei uns veröffentlicht am21.06.2018

Tenor

1. Gegen den Verfolgten wird zum Zwecke der Auslieferung an die Niederlande zur Strafvollstreckung die Auslieferungshaft angeordnet.

2. Der nächste Haftprüfungstermin findet am 3. August 2018 statt.

Gründe

1

Die Anordnung der Auslieferungshaft beruht auf § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 IRG.

1.

2

Das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken ist für die Entscheidung gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 IRG sachlich und gem. § 14 Abs. 1 IRG örtlich zuständig. Der Verfolgte wurde in Ludwigshafen am Rhein zum Zwecke der Auslieferung ergriffen.

2.

3

Die Auslieferung des Verfolgten erscheint nicht von vornherein unzulässig.

4

Gegen den Verfolgten hat die Staatsanwaltschaft in Zwolle am 2. März 2018 einen Europäischen Haftbefehl erlassen (Az. 18-930214-16). Dem Europäischen Haftbefehl liegt das Urteil des Gerichts der Nördlichen Niederlande vom 16. November 2017 (Az. 18-930214-16) zugrunde. Der Verfolgte ist wegen Diebstählen zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt worden, von der er noch 165 Tage zu verbüßen hat. Das rechtskräftige Urteil beruht auf einer am 2. November 2016 in Abwesenheit des Verfolgten durchgeführten Hauptverhandlung. In dem Urteil sind folgende Feststellungen getroffen worden:

5

Der Verfolgte entwendete am 11. oder am 12. Juli 2016 mit Komplizen in M. aus zwei Scheunen Gartengeräte und Werkzeuge, wobei an der einen Scheune ein Türpfosten beschädigt und an der anderen das Torschloss mittels eines Schraubenziehers aufgebrochen wurden, um sie betreten zu können. Im Zeitraum vom 18. bis zum 20. Juli 2016 entwendete er in V. von einem Grundstück und aus zwei Scheunen mit Komplizen erneut Werkzeuge und Wäsche, wobei die Tore der Scheunen aufgebrochen wurden.

6

Die Taten sind nach Art. 311 Abs. 3 Nr. 4 und Nr. 5 des niederländischen Strafgesetzbuchs mit Strafe bedroht.

7

Der Europäischen Haftbefehl enthält die gem. § 83a Abs. 1 IRG erforderlichen Angaben.

8

Die Auslieferung zur Strafvollstreckung ist gem. §§ 3, 81 Nr. 2 IRG zulässig. Die insoweit maßgebliche ausgesprochene Freiheitsstrafe beträgt 6 Monate. Nach deutschem Recht wären die Taten ebenfalls als Diebstahl gem. §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 StGB strafbar. Es ist davon auszugehen, dass die Vollstreckung noch nicht verjährt ist.

9

Die Zulässigkeit der Auslieferung lässt sich derzeit allerdings noch nicht abschließend beurteilen. Ob - wie von der Staatsanwaltschaft in Zwolle angenommen - die Voraussetzungen des Artikel 4a Absatz 1 Buchstabe b Rb EuHb (neu), der durch § 83 Abs. 2 Nr. 3 IRG in deutsches Recht umgesetzt worden ist, vorliegen, ist dem Europäischen Haftbefehl nicht sicher zu entnehmen.

10

Nach § 83 Abs. 2 Nr. 3 IRG ist das ausländische Abwesenheitsurteil anzuerkennen, wenn ein Verteidiger die angeklagte Person auf deren Anweisung in der Verhandlung allein vertreten hat. Entscheidend ist, dass der Rechtsbeistand mit dem Wissen und dem Willen der angeklagten Person den Verhandlungstermin wahrgenommen und sie verteidigt hat. Durch die Einführung des Erfordernisses, dass die angeklagte Person dem Rechtsbeistand in Kenntnis der anberaumten Verhandlung ein Mandat erteilt bzw. ihn bevollmächtigt hat, wird sichergestellt, dass die betroffene Person sich bewusst dazu entschieden haben muss, in der konkreten Verhandlungssituation vor Gericht von einem Rechtsbeistand vertreten zu werden, statt persönlich zu der konkreten Verhandlung zu erscheinen. Das Erfordernis folgt der Rechtsprechung des EGMR, wonach der Person trotz ihrer Abwesenheit das Recht auf Beistand eines Verteidigers zusteht und sie selbst bei Vertretung durch einen Rechtsbeistand Ort und Termin der Verhandlung kennen muss. Der durch die vorgeschriebene Erteilung eines Mandats notwendige Kontakt und dadurch ermöglichte Informationsaustausch zwischen der betroffenen Person und dem Rechtsbeistand gewährleistet eine wirksame Verteidigung der betroffenen Person (BT-Drs. 18/3562, S. 81 f.).

11

Art. 279 Abs. 1 Satz 1 der Niederländischen Strafprozessordnung bestimmt, dass der Angeklagte, der nicht erschienen ist, sich während der Hauptverhandlung von einem Rechtsanwalt verteidigen lassen kann, der erklärt, dazu ausdrücklich bevollmächtigt worden zu sein.

12

Aus dem Europäischen Haftbefehl ergibt sich dazu Folgendes: Die Vorladung zu der Hauptverhandlung vom 2. November 2017 ist dem Verfolgten mit rumänischer Übersetzung an seine dort bekannte rumänische Adresse geschickt worden. In der Hauptverhandlung war der Rechtsbeistand des Verfolgten anwesend und erklärte, von dem Verfolgten ausdrücklich bevollmächtigt worden zu sein, in seinem Namen das Wort der Verteidigung zu führen.

13

Der Verfolgte hat in seiner richterlichen Anhörung dazu erklärt, von der Verurteilung nichts zu wissen, zu der Verhandlung nicht vorgeladen worden und in der Verhandlung nicht anwesend gewesen zu sein.

14

Damit bleibt offen, ob der Verfolgte den in der Verhandlung erschienenen Rechtsanwalt in Kenntnis der anberaumten Verhandlung mit seiner Vertretung beauftragt hat. Der Verfolgte räumt zwar ein, sich im November 2017 möglicherweise in Rumänien aufgehalten zu haben, bestreitet aber, die Ladung zur Hauptverhandlung erhalten zu haben. Der Europäische Haftbefehl verhält sich nicht dazu, wann der Rechtsanwalt von dem Verfolgten bevollmächtigt worden ist oder von wem er über den Verhandlungstermin unterrichtet worden ist. Der zitierten Vorschrift der niederländischen Strafprozessordnung lässt sich nicht entnehmen, dass die Bevollmächtigung des Rechtsanwalts in Kenntnis des Verhandlungstermins erfolgen muss. Dass dies der Fall war, versteht sich auch nicht von selbst. Der Umstand, dass nur noch ein Teil der ausgesprochenen Freiheitsstrafe zu vollstrecken ist, lässt vermuten, dass sich der Verfolgte in der Sache in Untersuchungshaft befunden hat. Der Verfolgte hat auch in seiner richterlichen Anhörung angegeben, in der Strafsache zwei Wochen in Haft gewesen zu sein. Dies eröffnet die Möglichkeit, dass der Verfolgte schon damals einen Verteidiger beauftragt hat, der dann selbst zur Hauptverhandlung geladen wurde.

15

Dass die Voraussetzungen des § 83 Abs. 3 IRG vorliegen, hat die zuständige niederländische Staatsanwaltschaft nicht vorgebracht. Dazu hätte sowohl das Urteil als auch die in § 83 Abs. 3 Satz 2 IRG vorgesehene Belehrung dem Verfolgten in einer ihm verständlichen Sprache zugestellt werden müssen (BT-Drs. 18/3562, S. 82).

16

Die Generalstaatsanwaltschaft wird den niederländischen Behörden deshalb Gelegenheit geben müssen, sich dazu zu äußern, ob der Verfolgte den in der Verhandlung erschienenen Rechtsanwalt in Kenntnis der anberaumten Verhandlung mit seiner Vertretung beauftragt hatte.

3.

17

Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr. Es ist anzunehmen, dass sich der Verfolgte, sollte er auf freien Fuß gesetzt werden, dem Auslieferungsverfahren entzieht. Die noch zu vollstreckende Freiheitsstrafe ist zwar überschaubar. Auch verfügt der Verfolgte in Deutschland wohl über einen festen Wohnsitz; dass am Klingelbrett des Mehrfamilienhauses in Dortmund sein Name nicht verzeichnet ist, belegt noch nicht, dass er unter der angegebenen Anschrift nicht wohnt, zumal nicht alle Klingelschilder beschriftet sind. Der Verfolgte wendet sich aber gegen seine Auslieferung, weil er lieber weiter seiner Berufstätigkeit nachgehen möchte. Über persönliche Bindungen verfügt er in Deutschland nicht. Seine Familie lebt in Rumänien. Die Arbeitsstelle bei dem Bauunternehmen, dessen Name er nicht kennt, hat der Verfolgte erst seit Jahresbeginn. Er kann jederzeit anderenorts im In- oder Ausland als Bauarbeiter tätig werden und damit die ihm unerwünschte Unterbrechung seiner Erwerbstätigkeit verhindern.

4.

18

Die Bestimmung eines Haftprüfungstermins beruht auf 26 Abs. 1 IRG. Der Verfolgte ist am 19. Juni 2018 ergriffen worden. Im Hinblick darauf, dass die zu verbüßende Haft lediglich noch gut 5 Monate beträgt, sollte innerhalb von 6 Wochen eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung möglich sein.

5.

19

Für den Vollzug der Auslieferungshaft wird gem. §§ 27 IRG, 119 StPO angeordnet:

20

a) Besuch:

21

Der Empfang von Besuchen bedarf der Erlaubnis.

22

Besuche sind zu überwachen.

23

b) Telekommunikation:

24

Die Telekommunikation bedarf der Erlaubnis.

25

Die Telekommunikation ist zu überwachen.

26

c) Schriftverkehr:

27

Der Schrift- und Paketverkehr ist zu überwachen.

28

d) Übergabe von Gegenständen:

29

Die Übergabe von Gegenständen mit Ausnahme von Zigaretten und Schokolade bedarf der Erlaubnis.

30

Die Ausführung der Anordnungen wird gemäß § 119 Abs. 2 Satz 2 StPO widerruflich auf die Generalstaatsanwaltschaft übertragen.

31

Auch unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen des Verfolgten sind die angeordneten Beschränkungen zur Abwehr des Haftgrundes erforderlich und zumutbar. Die Anordnungen sind angesichts der Höhe der zu vollstreckenden Strafe auch nicht unverhältnismäßig. Der Verkehr des Verfolgten mit dem Personenkreis gemäß § 119 Abs. 4 StPO (insbesondere Verteidiger) bleibt unberührt.

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Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 21. Juni 2018 - 2 Ausl A 19/18, 2 Ausl A 19/18 - 1 AR 14/18 A zitiert 13 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 242 Diebstahl


(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Strafprozeßordnung - StPO | § 119 Haftgrundbezogene Beschränkungen während der Untersuchungshaft


(1) Soweit dies zur Abwehr einer Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr (§§ 112, 112a) erforderlich ist, können einem inhaftierten Beschuldigten Beschränkungen auferlegt werden. Insbesondere kann angeordnet werden, dass 1. der Empfang von B

Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG | § 15 Auslieferungshaft


(1) Nach dem Eingang des Auslieferungsersuchens kann gegen den Verfolgten die Auslieferungshaft angeordnet werden, wenn 1. die Gefahr besteht, daß er sich dem Auslieferungsverfahren oder der Durchführung der Auslieferung entziehen werde, oder2. auf G

Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG | § 83 Ergänzende Zulässigkeitsvoraussetzungen


(1) Die Auslieferung ist nicht zulässig, wenn 1. der Verfolgte wegen derselben Tat, die dem Ersuchen zugrunde liegt, bereits von einem anderen Mitgliedstaat rechtskräftig abgeurteilt worden ist, vorausgesetzt, dass im Fall der Verurteilung die Sankti

Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG | § 81 Auslieferung zur Verfolgung oder zur Vollstreckung


§ 3 findet mit den Maßgaben Anwendung, dass 1. die Auslieferung zur Verfolgung nur zulässig ist, wenn die Tat nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaates mit einer Freiheitsstrafe oder sonstigen Sanktion im Höchstmaß von mindestens zwölf Monaten b

Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG | § 3 Auslieferung zur Verfolgung oder zur Vollstreckung


(1) Die Auslieferung ist nur zulässig, wenn die Tat auch nach deutschem Recht eine rechtswidrige Tat ist, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, oder wenn sie bei sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts auch nach deutschem Recht eine so

Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG | § 83a Auslieferungsunterlagen


(1) Die Auslieferung ist nur zulässig, wenn die in § 10 genannten Unterlagen oder ein Europäischer Haftbefehl übermittelt wurden, der die folgenden Angaben enthält:1.die Identität, wie sie im Anhang zum Rahmenbeschluss Europäischer Haftbefehl näher b

Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG | § 13 Sachliche Zuständigkeit


(1) Die gerichtlichen Entscheidungen erläßt vorbehaltlich der §§ 21, 22 und 39 Abs. 2 das Oberlandesgericht. Die Entscheidungen des Oberlandesgerichts sind unanfechtbar. (2) Die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht bereitet die Entscheidung

Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG | § 14 Örtliche Zuständigkeit


(1) Örtlich zuständig sind das Oberlandesgericht und die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht, in deren Bezirk der Verfolgte zum Zweck der Auslieferung ergriffen oder, falls eine Ergreifung nicht erfolgt, zuerst ermittelt wird. (2) Werden me

Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG | § 27 Vollzug der Haft


(1) Für den Vollzug der vorläufigen Auslieferungshaft, der Auslieferungshaft und der Haft auf Grund einer Anordnung des Richters beim Amtsgericht gelten die Vorschriften über den Vollzug der Untersuchungshaft sowie § 119 der Strafprozessordnung entsp

Referenzen

(1) Nach dem Eingang des Auslieferungsersuchens kann gegen den Verfolgten die Auslieferungshaft angeordnet werden, wenn

1.
die Gefahr besteht, daß er sich dem Auslieferungsverfahren oder der Durchführung der Auslieferung entziehen werde, oder
2.
auf Grund bestimmter Tatsachen der dringende Verdacht begründet ist, daß der Verfolgte die Ermittlung der Wahrheit in dem ausländischen Verfahren oder im Auslieferungsverfahren erschweren werde.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn die Auslieferung von vornherein unzulässig erscheint.

(1) Die gerichtlichen Entscheidungen erläßt vorbehaltlich der §§ 21, 22 und 39 Abs. 2 das Oberlandesgericht. Die Entscheidungen des Oberlandesgerichts sind unanfechtbar.

(2) Die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht bereitet die Entscheidung über die Auslieferung vor und führt die bewilligte Auslieferung durch.

(1) Örtlich zuständig sind das Oberlandesgericht und die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht, in deren Bezirk der Verfolgte zum Zweck der Auslieferung ergriffen oder, falls eine Ergreifung nicht erfolgt, zuerst ermittelt wird.

(2) Werden mehrere Verfolgte, die wegen Beteiligung an derselben Tat oder im Zusammenhang damit wegen Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei ausgeliefert werden sollen, in den Bezirken verschiedener Oberlandesgerichte zum Zweck der Auslieferung ergriffen oder ermittelt, so richtet sich die Zuständigkeit danach, welches Oberlandesgericht oder, solange noch kein Oberlandesgericht befaßt ist, welche Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht zuerst mit der Sache befaßt wurde.

(3) Ist der Aufenthalt des Verfolgten nicht bekannt, so bestimmt der Bundesgerichtshof das zuständige Oberlandesgericht.

(1) Die Auslieferung ist nur zulässig, wenn die in § 10 genannten Unterlagen oder ein Europäischer Haftbefehl übermittelt wurden, der die folgenden Angaben enthält:

1.
die Identität, wie sie im Anhang zum Rahmenbeschluss Europäischer Haftbefehl näher beschrieben wird, und die Staatsangehörigkeit des Verfolgten,
2.
die Bezeichnung und die Anschrift der ausstellenden Justizbehörde,
3.
die Angabe, ob ein vollstreckbares Urteil, ein Haftbefehl oder eine andere vollstreckbare justitielle Entscheidung mit gleicher Rechtswirkung vorliegt,
4.
die Art und rechtliche Würdigung der Straftat, einschließlich der gesetzlichen Bestimmungen,
5.
die Beschreibung der Umstände, unter denen die Straftat begangen wurde, einschließlich der Tatzeit, des Tatortes und der Tatbeteiligung der gesuchten Person, und
6.
die für die betreffende Straftat im Ausstellungsmitgliedstaat gesetzlich vorgesehene Höchststrafe oder im Fall des Vorliegens eines rechtskräftigen Urteils die verhängte Strafe.

(2) Die Ausschreibung zur Festnahme zwecks Überstellung oder Auslieferung nach der Verordnung (EU) 2018/1862 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. November 2018 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems (SIS) im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, zur Änderung und Aufhebung des Beschlusses 2007/533/JI des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1986/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und des Beschlusses 2010/261/EU der Kommission (ABl. L 312 vom 7.12.2018, S. 56), die die unter Absatz 1 Nr. 1 bis 6 bezeichneten Angaben enthält oder der diese Angaben nachgereicht wurden, gilt als Europäischer Haftbefehl.

(1) Die Auslieferung ist nur zulässig, wenn die Tat auch nach deutschem Recht eine rechtswidrige Tat ist, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, oder wenn sie bei sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts auch nach deutschem Recht eine solche Tat wäre.

(2) Die Auslieferung zur Verfolgung ist nur zulässig, wenn die Tat nach deutschem Recht im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht ist oder wenn sie bei sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts nach deutschem Recht mit einer solchen Strafe bedroht wäre.

(3) Die Auslieferung zur Vollstreckung ist nur zulässig, wenn wegen der Tat die Auslieferung zur Verfolgung zulässig wäre und wenn eine freiheitsentziehende Sanktion zu vollstrecken ist. Sie ist ferner nur zulässig, wenn zu erwarten ist, daß die noch zu vollstreckende freiheitsentziehende Sanktion oder die Summe der noch zu vollstreckenden freiheitsentziehenden Sanktionen mindestens vier Monate beträgt.

§ 3 findet mit den Maßgaben Anwendung, dass

1.
die Auslieferung zur Verfolgung nur zulässig ist, wenn die Tat nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaates mit einer Freiheitsstrafe oder sonstigen Sanktion im Höchstmaß von mindestens zwölf Monaten bedroht ist,
2.
die Auslieferung zur Vollstreckung nur zulässig ist, wenn nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaates eine freiheitsentziehende Sanktion zu vollstrecken ist, deren Maß mindestens vier Monate beträgt,
3.
die Auslieferung in Steuer-, Zoll- und Währungsangelegenheiten auch zulässig ist, wenn das deutsche Recht keine gleichartigen Steuern vorschreibt oder keine gleichartigen Steuer-, Zoll- und Währungsbestimmungen enthält wie das Recht des ersuchenden Mitgliedstaates,
4.
die beiderseitige Strafbarkeit nicht zu prüfen ist, wenn die dem Ersuchen zugrunde liegende Tat nach dem Recht des ersuchenden Staates mit einer freiheitsentziehenden Sanktion im Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht ist und den in Artikel 2 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 190 vom 18. 7. 2002, S. 1), der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI (ABl. L 81 vom 27.3.2009, S. 24) geändert worden ist, (Rahmenbeschluss Europäischer Haftbefehl) aufgeführten Deliktsgruppen zugehörig ist.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Die Auslieferung ist nicht zulässig, wenn

1.
der Verfolgte wegen derselben Tat, die dem Ersuchen zugrunde liegt, bereits von einem anderen Mitgliedstaat rechtskräftig abgeurteilt worden ist, vorausgesetzt, dass im Fall der Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaates nicht mehr vollstreckt werden kann,
2.
der Verfolgte zur Tatzeit nach § 19 des Strafgesetzbuchs schuldunfähig war oder
3.
bei Ersuchen zum Zweck der Strafvollstreckung die verurteilte Person zu der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung nicht persönlich erschienen ist oder
4.
die dem Ersuchen zugrunde liegende Tat nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaates mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder einer sonstigen lebenslangen freiheitsentziehenden Sanktion bedroht ist oder der Verfolgte zu einer solchen Strafe verurteilt worden war und eine Überprüfung der Vollstreckung der verhängten Strafe oder Sanktion auf Antrag oder von Amts wegen nicht spätestens nach 20 Jahren erfolgt.

(2) Die Auslieferung ist abweichend von Absatz 1 Nummer 3 jedoch zulässig, wenn

1.
die verurteilte Person
a)
rechtzeitig
aa)
persönlich zu der Verhandlung, die zu dem Urteil geführt hat, geladen wurde oder
bb)
auf andere Weise tatsächlich offiziell von dem vorgesehenen Termin und Ort der Verhandlung, die zu dem Urteil geführt hat, in Kenntnis gesetzt wurde, sodass zweifelsfrei nachgewiesen wurde, dass die verurteilte Person von der anberaumten Verhandlung Kenntnis hatte, und
b)
dabei darauf hingewiesen wurde, dass ein Urteil auch in ihrer Abwesenheit ergehen kann,
2.
die verurteilte Person in Kenntnis des gegen sie gerichteten Verfahrens, an dem ein Verteidiger beteiligt war, eine persönliche Ladung durch Flucht verhindert hat oder
3.
die verurteilte Person in Kenntnis der anberaumten Verhandlung einen Verteidiger bevollmächtigt hat, sie in der Verhandlung zu verteidigen, und sie durch diesen in der Verhandlung tatsächlich verteidigt wurde.

(3) Die Auslieferung ist abweichend von Absatz 1 Nummer 3 auch zulässig, wenn die verurteilte Person nach Zustellung des Urteils

1.
ausdrücklich erklärt hat, das ergangene Urteil nicht anzufechten, oder
2.
innerhalb geltender Fristen keine Wiederaufnahme des Verfahrens oder kein Berufungsverfahren beantragt hat.
Die verurteilte Person muss zuvor ausdrücklich über ihr Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder auf ein Berufungsverfahren, an dem sie teilnehmen kann und bei dem der Sachverhalt, einschließlich neuer Beweismittel, erneut geprüft und das ursprüngliche Urteil aufgehoben werden kann, belehrt worden sein.

(4) Die Auslieferung ist abweichend von Absatz 1 Nummer 3 ferner zulässig, wenn der verurteilten Person unverzüglich nach ihrer Übergabe an den ersuchenden Mitgliedstaat das Urteil persönlich zugestellt werden wird und die verurteilte Person über ihr in Absatz 3 Satz 2 genanntes Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder ein Berufungsverfahren sowie über die hierfür geltenden Fristen belehrt werden wird.

(1) Für den Vollzug der vorläufigen Auslieferungshaft, der Auslieferungshaft und der Haft auf Grund einer Anordnung des Richters beim Amtsgericht gelten die Vorschriften über den Vollzug der Untersuchungshaft sowie § 119 der Strafprozessordnung entsprechend.

(2) Die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht bestimmt die Anstalt, in welcher der Verfolgte zu verwahren ist.

(3) Die richterlichen Verfügungen trifft der Vorsitzende des zuständigen Senats des Oberlandesgerichts.

(1) Soweit dies zur Abwehr einer Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr (§§ 112, 112a) erforderlich ist, können einem inhaftierten Beschuldigten Beschränkungen auferlegt werden. Insbesondere kann angeordnet werden, dass

1.
der Empfang von Besuchen und die Telekommunikation der Erlaubnis bedürfen,
2.
Besuche, Telekommunikation sowie der Schrift- und Paketverkehr zu überwachen sind,
3.
die Übergabe von Gegenständen bei Besuchen der Erlaubnis bedarf,
4.
der Beschuldigte von einzelnen oder allen anderen Inhaftierten getrennt wird,
5.
die gemeinsame Unterbringung und der gemeinsame Aufenthalt mit anderen Inhaftierten eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.
Die Anordnungen trifft das Gericht. Kann dessen Anordnung nicht rechtzeitig herbeigeführt werden, kann die Staatsanwaltschaft oder die Vollzugsanstalt eine vorläufige Anordnung treffen. Die Anordnung ist dem Gericht binnen drei Werktagen zur Genehmigung vorzulegen, es sei denn, sie hat sich zwischenzeitlich erledigt. Der Beschuldigte ist über Anordnungen in Kenntnis zu setzen. Die Anordnung nach Satz 2 Nr. 2 schließt die Ermächtigung ein, Besuche und Telekommunikation abzubrechen sowie Schreiben und Pakete anzuhalten.

(2) Die Ausführung der Anordnungen obliegt der anordnenden Stelle. Das Gericht kann die Ausführung von Anordnungen widerruflich auf die Staatsanwaltschaft übertragen, die sich bei der Ausführung der Hilfe durch ihre Ermittlungspersonen und die Vollzugsanstalt bedienen kann. Die Übertragung ist unanfechtbar.

(3) Ist die Überwachung der Telekommunikation nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 angeordnet, ist die beabsichtigte Überwachung den Gesprächspartnern des Beschuldigten unmittelbar nach Herstellung der Verbindung mitzuteilen. Die Mitteilung kann durch den Beschuldigten selbst erfolgen. Der Beschuldigte ist rechtzeitig vor Beginn der Telekommunikation über die Mitteilungspflicht zu unterrichten.

(4) Die §§ 148, 148a bleiben unberührt. Sie gelten entsprechend für den Verkehr des Beschuldigten mit

1.
der für ihn zuständigen Bewährungshilfe,
2.
der für ihn zuständigen Führungsaufsichtsstelle,
3.
der für ihn zuständigen Gerichtshilfe,
4.
den Volksvertretungen des Bundes und der Länder,
5.
dem Bundesverfassungsgericht und dem für ihn zuständigen Landesverfassungsgericht,
6.
dem für ihn zuständigen Bürgerbeauftragten eines Landes,
7.
dem oder der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, den für die Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften über den Datenschutz in den Ländern zuständigen Stellen der Länder und den Aufsichtsbehörden nach § 40 des Bundesdatenschutzgesetzes,
8.
dem Europäischen Parlament,
9.
dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte,
10.
dem Europäischen Gerichtshof,
11.
dem Europäischen Datenschutzbeauftragten,
12.
dem Europäischen Bürgerbeauftragten,
13.
dem Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe,
14.
der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz,
15.
dem Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen,
16.
den Ausschüssen der Vereinten Nationen für die Beseitigung der Rassendiskriminierung und für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau,
17.
dem Ausschuss der Vereinten Nationen gegen Folter, dem zugehörigen Unterausschuss zur Verhütung von Folter und den entsprechenden Nationalen Präventionsmechanismen,
18.
den in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4 genannten Personen in Bezug auf die dort bezeichneten Inhalte,
19.
soweit das Gericht nichts anderes anordnet,
a)
den Beiräten bei den Justizvollzugsanstalten und
b)
der konsularischen Vertretung seines Heimatstaates.
Die Maßnahmen, die erforderlich sind, um das Vorliegen der Voraussetzungen nach den Sätzen 1 und 2 festzustellen, trifft die nach Absatz 2 zuständige Stelle.

(5) Gegen nach dieser Vorschrift ergangene Entscheidungen oder sonstige Maßnahmen kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden, soweit nicht das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft ist. Der Antrag hat keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht kann jedoch vorläufige Anordnungen treffen.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch, wenn gegen einen Beschuldigten, gegen den Untersuchungshaft angeordnet ist, eine andere freiheitsentziehende Maßnahme vollstreckt wird (§ 116b). Die Zuständigkeit des Gerichts bestimmt sich auch in diesem Fall nach § 126.