Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 30. Sept. 2014 - 4 L 121/13

ECLI:ECLI:DE:OVGST:2014:0930.4L121.13.0A
30.09.2014

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer durch die Beklagte für den Zeitraum 1. Januar 2006 bis 30. April 2010.

2

Am 25. Juni 2003 beschloss der Stadtrat der Beklagten erstmalig eine Zweitwohnungssteuersatzung, die zum 1. Januar 2004 in Kraft treten sollte. § 1 Abs. 2 dieser Satzung lautete: „Eine Zweitwohnung i.S. dieser Satzung ist jede Gesamtheit von Räumen, die jemand außerhalb des Grundstückes seiner Hauptwohnung zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfes innehat, insbesondere zu Ausbildungs-, Berufs- und Erholungszwecken“. Am 29. März 2006 beschloss der Stadtrat eine Zweitwohnungssteuersatzung, die rückwirkend zum 1. Januar 2004 in Kraft treten sollte. § 1 Abs. 4 dieser Satzung lautete: „Wohnung i.S. dieser Satzung ist jede Gesamtheit von Räumen, die zum Wohnen oder Schlafen benutzt werden“. Am 27. Mai 2009 beschloss der Stadtrat eine Zweitwohnungssteuersatzung - ZWStS -, die sie in ihrem Amtsblatt vom 3. Juni 2009 bekannt machte. Diese Satzung sollte ebenfalls Rückwirkung zum 1. Januar 2004 entfalten. Nach § 1 Abs. 4 ZWStS ist Wohnung im Sinne der Satzung „jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird“. In § 1 Abs. 3 Satz 1 ZWStS heißt es: „Ein Steuerpflichtiger hat eine Zweitwohnung erst dann inne, wenn er sie mindestens drei Monate pro Jahr nutzt“. Eine entsprechende Regelung enthielten auch die Vorgängersatzungen. In ihrem Amtsblatt vom 19. Dezember 2012 machte die Beklagte die ZWStS mit einem Ausfertigungsvermerk erneut bekannt.

3

Vom 1. März 2005 bis zum 1. Mai 2010 war die Klägerin nach dem Meldegesetz mit Zweitwohnsitz im Stadtgebiet der Beklagten gemeldet. Sie bewohnte während ihres Studiums ein Zimmer in einem Studentenwohnheim. Mit erstem Wohnsitz lebte sie in dieser Zeit im Haushalt ihrer Eltern in Niedersachsen. Ab 1. Mai 2010 war die Klägerin mit einer Hauptwohnung im Stadtgebiet der Beklagten gemeldet.

4

Mit Bescheid vom 2. Dezember 2010 zog die Beklagte die Klägerin für den Zeitraum 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2010 zu einer Zweitwohnungssteuer in Höhe von insgesamt 676,80 € heran. Mit Bescheid vom 3. Dezember 2010 senkte die Beklagte die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Zweitwohnungssteuer für den Zeitraum 1. April 2007 bis 31. Dezember 2010, was zu einer Steuerminderung von insgesamt 66,60 € führte. Mit Bescheid vom 7. Dezember 2010 setzte die Beklagte infolge der Abmeldung der Zweitwohnung die Steuerfestsetzung ab 1. Mai 2010 auf 0,- €, was zu einer weiteren Steuerminderung für den Zeitraum 1. Mai bis 31. Dezember 2010 von insgesamt 78,40 € führte.

5

Am 13. Dezember 2010 erhob die Klägerin gegen den Bescheid vom 2. Dezember 2010 in Gestalt der Änderungen vom 3. und 7. Dezember 2010 Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

6

Die Klägerin hat am 21. März 2011 beim Verwaltungsgericht Halle Klage erhoben. Nachdem das Verfahren bis zum 11. Januar 2013 zum Ruhen gebracht worden war, hat die Klägerin beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 2. Dezember 2010 in Gestalt der Änderungsbescheide und des Widerspruchsbescheides aufzuheben sowie den gezahlten Betrag von 531,40 € nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit zu erstatten.

7

Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf die mündliche Verhandlung vom 12. März 2013 abgewiesen.

8

Die ZWStS vom 27. Mai 2009 sei - nunmehr - durch die neue Bekanntmachung im Dezember 2012 wirksam bekannt gemacht worden. Dass sich die durch die erste Änderungssatzung vom 24. November 2010 eingeführte Regelung des § 1 Abs. 5 Buchst. c ZWStS über die Personensorgeberechtigten keine Rückwirkung beimesse, stehe der Wirksamkeit der Erstfassung der Satzung vom 27. Mai 2009 ebenfalls nicht entgegen. Dabei handele es sich um eine bloße Klarstellung für Fälle, die auch ohne diese ausdrückliche Regelung im Wege eines Analogieschlusses unter § 1 Abs. 5 Buchst. c fielen.

9

Die Satzung messe sich für den hier in Rede stehenden Veranlagungszeitraum zulässigerweise Rückwirkung bei. Der Umstand, dass eine nichtige Satzung nunmehr (erstmalig) wirksam werde, stehe dem Schlechterstellungsverbot des § 2 Abs. 2 Satz 4 KAG LSA nicht entgegen. In der Regelung des § 1 Abs. 4 ZWStS zum Wohnungsbegriff liege keine Ausweitung des Steuergegenstandes. Es handele sich lediglich um eine sprachliche Präzisierung. Bereits nach Sinn und Zweck sei erkennbar, dass auch nach den früheren Satzungsfassungen jeder umschlossene Raum erfasst werden sollte. Eine unterschiedliche Auslegung der Begriffe sei praktisch unmöglich, weil einerseits eine Gesamtheit von Räumen vorliege, wenn z.B. ein Student in einem Wohnheim nur ein Zimmer zur eigenen Verfügung habe und Bad sowie Küche mit anderen teile, anderseits aber auch eine Einzimmerwohnung praktisch denknotwendig auch weitere „Räume“ aufweise, in denen zumindest eine Toilette auf irgendeine Weise abgetrennt vorhanden sein werde. Ergäben sich nach dem Wortlaut verschiedene Auslegungsmöglichkeiten, sei die verfassungskonforme Auslegung zu wählen, insbesondere wenn sie zu einer sinnvollen Regelung führe. Selbst wenn der Steuertatbestand rückwirkend erweitert würde, dürfte darin im Übrigen kein Verstoß gegen das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot des Vertrauensschutzes liegen.

10

Auch § 1 Abs. 3 Satz 1 ZWStS begegne keinen rechtlichen Bedenken. Zwar lasse der Wortlaut der Regelung eine Auslegung dahin zu, dass eine Zweitwohnungssteuer ausscheide, wenn der Steuerpflichtige seine Wohnung nicht tatsächlich durch eigene Anwesenheit nutze, d.h. bewohne. Diese Auslegung sei aber nicht zwingend. „Nutzen“ i.S.d. Vorschrift bedeute vielmehr, dass der Steuerpflichtige die Zweitwohnung länger als drei Monate pro Jahr innehabe, d.h. die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit und rechtliche Nutzungsbefugnis haben müsse. Dafür sprächen bereits die Stellung der Vorschrift sowie ihr Sinn und Zweck.

11

Mit Beschluss vom 27. November 2013 hat der erkennende Senat auf den Antrag der Klägerin die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zugelassen.

12

Die Klägerin macht geltend, die ZWStS sei im Amtsblatt im Dezember 2012 nicht wirksam bekannt gemacht worden. Die Satzung enthalte anstelle einer Kopie der Originalunterschrift die Kopie eines Faksimile-Stempels zusammen mit der maschinengeschriebenen Unterschrift. Dies führe zur formellen Unwirksamkeit der Satzung; erforderlich sei die Wiedergabe der eigenhändigen Unterschrift. Auf die alte Bekanntmachungsanordnung der Oberbürgermeisterin, die denselben formellen Bedenken ausgesetzt sei und deren Datum zudem vor dem Ausfertigungsdatum liege, könne nicht mehr zurückgegriffen werden. Sie sei nicht mehr im Amt und die Bekanntmachungsanordnung bis zu ihrer Amtsaufgabe nicht rechtsfehlerfrei umgesetzt worden.

13

Die ZWStS verstoße gegen das Gleichheitsgebot. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht die Begriffe Nutzen, Nutzungsmöglichkeit und Innehaben im Rahmen einer Zweitwohnungssteuersatzung als Synonyme verstanden. Innehaben sei ein rechtlicher Zustand, dagegen sei das Nutzen einer Wohnung etwas Tatsächliches. Eine vorhandene Nutzungsmöglichkeit habe nicht zwangsläufig die Nutzung zur Folge. Wenn - unstreitig - davon auszugehen sei, dass es für das Innehaben einer Zweitwohnung nicht auf die tatsächliche Nutzung als Wohnung durch den Inhaber ankomme, sei nicht nachvollziehbar, warum dann gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 erst die Nutzung von mindestens drei Monaten pro Jahr für das Innehaben konstituierend sein solle. Es sei daher nicht sachgerecht, Nutzung und Nutzungsmöglichkeit gleich zu setzen. Auch aus den Begrifflichkeiten des Melderechts lasse sich nichts anderes ableiten. Aus der systematischen Stellung der Norm lasse sich die Auffassung der Beklagten nicht begründen. § 1 Abs. 3 Satz 2 ZWStS sei dazu ebenfalls nicht geeignet. Mit dieser Norm werde nicht das Innehaben definiert, sondern, im Rahmen einer ununterbrochen bestehenden Verfügungsbefugnis, der gestalterische Spielraum des Inhabers einer Zweitwohnung bei der Nutzung eingeschränkt. Auch § 1 Abs. 2 Buchst. c ZWStS sei unergiebig. Die Verwaltungspraxis der Beklagten sei nicht geeignet, die dem angegriffenen Urteil zugrundeliegende Überzeugung zu stützen. Nach ihrem Vorbringen sei zudem ersichtlich, dass solche Fälle (z.B. Datschen) nicht besteuert würden, in denen Wohnungen (i.S.d. Satzung) durch ihre Inhaber nicht nachweisbar mehr als drei Monate im Jahr genutzt würden. Die Belastungsentscheidung der Beklagten entspreche danach nicht den Grundsätzen der Belastungsgleichheit und Systemgerechtigkeit und könne nicht aus Gründen der Praktikabilität und Gerechtigkeit gerechtfertigt werden. Dieser Fehler führe zur Nichtigkeit der vollständigen Satzung, da keine Regelungen aufrecht erhalten blieben.

14

Bei § 1 Abs. 4 ZWStS handele es sich um eine unzulässige Ausweitung des Steuergegenstandes und es liege ein Fall echter Rückwirkung vor. Die drei unterschiedlichen Legaldefinitionen der Wohnung in den Zweitwohnungssteuersatzungen aus 2004, 2006 und 2009, auf die angesichts des Beginn des Veranlagungszeitraumes am 1. Januar 2006 abzustellen sei, seien angesichts des Übergangs von Plural („Gesamtheit von Räumen“) auf Singular („jeder umschlossene Raum“) inhaltlich keine gleichen Regelungen. Es sei auch nichts dafür zu erkennen, dass eine Auslegung nach dem Wortsinn nicht zu einer sinnvollen Regelung oder gar zu einer nicht verfassungskonformen Auslegung führen sollte. Der Begriff „Gesamtheit von Räumen“ stehe mit dem Wesen der Zweitwohnungssteuer als Aufwandsteuer im Einklang. Weitergehende Anforderungen an den Wohnungsbegriff seien zulässig. Aus Sicht eines objektiven Normadressaten sei nichts dafür ersichtlich, dass die frühere Fassung zu Unklarheiten oder zu objektiven Lücken in der gesetzlichen Regelung geführt habe. Es sei auch unter dem Blickwinkel des Melderechts nicht geboten gewesen, eine sprachliche Anpassung an § 7 Meldegesetz LSA vorzunehmen, da nicht zwingend auf den melderechtlichen Wohnungsbegriff abzustellen sei. Dass nach Sinn und Zweck erkennbar sein solle, dass auch nach den früheren Fassungen jeder umschlossene Raum als Wohnung erfasst werden sollte, ergebe sich weder aus den jeweiligen Satzungen selbst noch aus den Begründungen zu den Beschlussvorlagen. Die Überzeugung des Verwaltungsgerichts, ein einziges Zimmer sei als eine Gesamtheit von Räumen anzusehen, stütze sich zum Teil auf nachweislich falsche Tatsachen. Seine Auffassung, es sei eine unterschiedliche Auslegung der Wohnungsdefinitionen in den Satzungen aus dem Jahr 2006 und 2009 unmöglich, treffe nur zu, wenn man keinen Unterschied zwischen „Nutzen“ und „Innehaben“ sehe und beide Begriffe als Synonyme betrachte. Die Auslegung der Beklagten, dass es sich bei § 1 Abs. 4 ZWStS nicht um eine Begriffsdefinition der Wohnungen i.S.d. Satzung handele, habe ebenfalls zum Ergebnis, dass ihre Nebenwohnung nicht steuerbar sei. Als Inhaberin eines einzigen Raumes für den persönlichen Lebensbedarf habe sie bis zur Bekanntmachung der ZWStS nicht damit rechnen müssen, zu einer Zweitwohnungssteuer herangezogen zu werden. Eine nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts zulässige Rückwirkung liege gerade nicht vor. Ihr Vertrauen sei auch schutzwürdig.

15

Die Satzung knüpfe in unzulässiger Weise an das Melderecht an. Als Aufwandsteuer habe die Zweitwohnungssteuer den Steuerpflichtigen völlig unabhängig von seinen familiären Verhältnissen und Bindungen am Ort der Haupt- oder Nebenwohnung zu erfassen. Diesem verfassungsrechtlichen Gebot werde die ZWStS nicht gerecht. Denn § 1 Abs. 1 ZWStS sei insoweit mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig, als nach § 1 Abs. 2 ZWStS i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2 ZWStS u.a. das Innehaben einer aus beruflichen Gründen gehaltenen Wohnung eines nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten, dessen eheliche Wohnung sich in einer anderen Gemeinde befinde, besteuert werde. § 1 Abs. 1, Abs. 2 und § 2 Abs. 1 Satz 2 ZWStS könnten auch nicht verfassungskonform ausgelegt werden. Ein Rechtssatz, dass verheiratete Personen einen verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf Befreiung von der Zweitwohnungssteuer hätten, lasse sich dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 2005 nicht entnehmen. Mit ihren Ausführungen weiche die Beklagte dem eigentlichen Problem aus.

16

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

17

das auf die mündliche Verhandlung vom 12. März 2013 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 2. Kammer - abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 2. Dezember 2010 in Gestalt der Änderungsbescheide und des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2011 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, den am 9. Januar 2011 von ihr gezahlten Betrag von 531,40 € nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu erstatten.

18

Die Beklagte beantragt,

19

die Berufung zurückzuweisen.

20

Sie macht geltend, der ursprüngliche Bekanntmachungsmangel sei nach der Rechtsprechung des Senats auf Grund der Neubekanntmachung unbeachtlich.

21

Ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot liege nicht vor. Der Begriff „nutzen“ in § 1 Abs. 3 Satz 1 ZWStS lasse sich nicht auf die bloße tatsächliche Nutzung reduzieren, sondern bei beinhalte sachgerechter Auslegung logisch auch die Nutzungsmöglichkeit. Gegen die Ansicht der Klägerin sprächen auch Gründe der Verwaltungspraktikabilität sowie der Normerhaltung. Die ZWStS befasse sich im Weiteren auch an anderer Stelle mit der Definition des „Innehabens“, etwa in § 1 Abs. 2 Buchst. a und b. Dort werde der Begriff „dienen“ verwendet. In § 1 Abs. 2 Buchst. c wiederum werde der Begriff „nutzen“ verwendet. Es gebe keine Gleichheit im Unrecht, so dass die Klägerin für sich nichts daraus herleiten könne, selbst wenn - was nicht geschehe - Datschenbesitzer zu Unrecht nicht zur Steuer herangezogen würde.

22

Ein allgemeingültiger Wohnungsbegriff im Zweitwohnungssteuerrecht existiere nicht. Von dem Begriff „Gesamtheit von Räumen für Zwecke der persönlichen Lebensführung“ sei auch ein einzelner Raum, der lediglich zum Wohnen oder Schlafen genutzt werde, umfasst. Denn als Wohnung i.S.v. § 1 Abs. 4 der Satzung könne nur eine Räumlichkeit qualifiziert werden, die von ihrer Ausstattung zumindest zum zeitweisen Wohnen geeignet sein müsse, also das zumindest zeitweilige Führen eines Haushalts ermöglichen müsse. Eine Auslegung des § 1 Abs. 2 i.d.F. der Satzung aus 2006 ergebe, dass damit auf den melderechtlichen Wohnungsbegriff abgestellt werde. Sie habe bei der nunmehr gewählten Fassung in der ZWStS die Unklarheit in der Wohnungsdefinition beseitigt und in der Satzung auf den melderechtlichen Wohnungsbegriff für die Nebenwohnung abgestellt, indem der melderechtliche Wohnungsbegriff übernommen worden sei. Selbst wenn man von einer Erweiterung des Kreises der Steuerpflichtigen ausgehen würde, wäre ihr angesichts der unklaren Satzungslage erlaubt gewesen, die Rechtslage rückwirkend zu klären. Unabhängig davon liege auch auf Grund des Ersetzens einer unwirksamen Satzung eine grundsätzliche zulässige Rückwirkung vor. Schließlich sei die Satzung insoweit jedenfalls ab dem 3. Juni 2009 wirksam.

23

Die ZWStS bewirke keine Besteuerung der Zweitwohnung eines Verheirateten, dessen eheliche Wohnung sich in einer anderen Gemeinde befinde. Für diese Personengruppe enthalte die Satzung im Gegenteil eine Ausnahmeregelung in § 1 Abs. 5 Buchst. c.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

25

Die zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet.

26

Der Bescheid der Beklagten vom 2. Dezember 2010 in der Gestalt der der Änderungsbescheide vom 3. und 7. Dezember 2010 und des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2011, mit dem für den Zeitraum 1. Januar 2006 bis 30. April 2010 eine Zweitwohnungssteuer in Höhe von insgesamt 531,40 € erhoben wurde, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; dazu 1.). Der geltend gemachte Erstattungs- und Zinsanspruch besteht daher nicht (2.)

27

1. Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 3 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA i.V.m. der Satzung der Beklagten über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer vom 27. Mai 2009 - ZWStS -, die rückwirkend zum 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist.

28

a) An der formellen Rechtmäßigkeit der Satzung bestehen keine durchgreifenden Bedenken, insbesondere ist die Bekanntmachung der Ausfertigung der ZWStS ordnungsgemäß erfolgt.

29

Es ist grundsätzlich unverzichtbar, dass bei einer gemeindlichen Satzung die Unterschrift des Bürgermeisters bzw. des Hauptverwaltungsbeamten als nach der Gemeindeordnung (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 GO LSA a.F.) bzw. dem Kommunalverfassungsgesetz (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 KVG LSA) notwendiges Element des Rechtsetzungsverfahrens ebenso mit der Satzung veröffentlicht wird wie das Datum der Unterschriftsleistung. Dabei ist ausreichend, wenn die Wiedergabe der Unterschrift in Form einer "maschinengedruckten" Namensangabe erfolgt (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23. November 2012 - 4 L 135/12 -, zit. nach JURIS). Unterbleibt die Veröffentlichung des Ausfertigungsvermerks gemeinsam mit der Satzung oder ist die Veröffentlichung dieses Vermerks fehlerhaft bzw. unvollständig, kann die gesamte Satzung mit dem vollständigen Ausfertigungsvermerk im Wege einer wiederholenden Bekanntmachung nochmals veröffentlicht werden (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 16. April 2013 - 4 L 102/12 -, zit. nach JURIS, m.w.N.).

30

Die wiederholende Bekanntmachung der ZWStS im Amtsblatt der Beklagten vom 19. Dezember 2012 erfüllt die oben genannten Voraussetzungen. Die Wiedergabe der Unterschrift der ehemaligen Oberbürgermeisterin der Beklagten, welche die Ausfertigung vorgenommen hatte, erfolgte in dem Ausfertigungsvermerk sowohl durch eine „maschinengedruckte“ Angabe als auch durch einen Faksimilestempel. Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin ist die Wiedergabe der Originalunterschrift, etwa durch deren Fotokopie, gerade nicht notwendig (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23. November 2012, a.a.O.). Ebenfalls keine Bedenken folgen aus dem Umstand, dass die ehemalige Oberbürgermeisterin zum Zeitpunkt der wiederholenden Bekanntmachung nicht mehr im Amt war. Denn es wurde weder eine neue Ausfertigung noch eine Bestätigung in Form der nachträglichen Bekanntmachung einer rechtsverbindlichen Erklärung vorgenommen, dass die Satzung zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung ordnungsgemäß ausgefertigt war. Nur dann hätte der zum Zeitpunkt der (neuen) Ausfertigung bzw. der Erklärung amtierende Bürgermeister die Ausfertigung vornehmen bzw. die Erklärung abgeben müssen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 16. April 2013, a.a.O.). Die Vornahme der wiederholenden Bekanntmachung ist weiterhin durch die ursprüngliche Bekanntmachungsanordnung (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 GO LSA a.F.) der ehemaligen Oberbürgermeisterin gedeckt. Die von der Klägerin im Übrigen gegen diese Bekanntmachungsanordnung erhobenen Einwendungen sind nicht durchgreifend. Zielrichtung der Anordnung ist (allein) der von der ehemaligen Oberbürgermeisterin veranlasste (technische) Vorgang der Veröffentlichung (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23. November 2012, a.a.O.). Besondere Vorgaben bestehen weder hinsichtlich der Veröffentlichung der Bekanntmachungsanordnung noch hinsichtlich der Reihenfolge von Anordnung und Ausfertigung.

31

Bedenken daran, dass die Ausfertigung durch die ehemalige Oberbürgermeisterin der Beklagten tatsächlich vorgenommen worden ist, sind nicht substanziiert vorgetragen. Zweifel daran sind angesichts der Vorlage der Abschriften der Originalausfertigung auch nicht ersichtlich.

32

b) Durchgreifende Einwendungen gegen die materielle Rechtmäßigkeit der Satzung sind weder von der Klägerin geltend gemacht noch sonst nach dem im Berufungsverfahren maßgeblichen Prüfungsmaßstab ersichtlich (so i.E. auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 19. September 2011 - 4 L 181/10 -).

33

(1) Die in § 1 Abs. 3 Satz 1 ZWStS getroffene Regelung, wonach ein Steuerpflichtiger eine Zweitwohnung erst dann innehat, wenn er sie mindestens drei Monate pro Jahr nutzt, verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (a.M.: VG Halle, Urt. v. 27. Juni 2012 - 5 A 123/10 -, zit. nach JURIS).

34

Die Auffassung der Klägerin, der in der Norm verwendete Begriff „nutzen“ könne nur dahingehend ausgelegt werden, dass es sich dabei um eine tatsächliche (Be)nutzung der Zweitwohnung durch den Wohnungsinhaber handeln müsse (so auch VG Halle, Urt. v. 27. Juni 2012, a.a.O.), ist schon nicht zutreffend.

35

Mit § 1 Abs. 3 ZWStS nimmt die Satzung eine nähere Bestimmung des Steuertatbestandes vor, der nach § 1 Abs. 1 ZWStS in dem „Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet“ besteht.

36

Das Innehaben einer weiteren Wohnung stellt einen zusätzlichen Aufwand dar, der typischerweise eine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit indiziert und ein zulässiger Anknüpfungspunkt für die Erhebung der Zweitwohnungssteuer als Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG ist. Der Aufwandsbegriff des Art. 105 Abs. 2a GG setzt das Innehaben einer Zweitwohnung im Sinne einer rechtlichen Verfügungsbefugnis und tatsächlichen Verfügungsmacht voraus (BVerfG, Beschl. v. 17. Februar 2010 - 1 BvR 529/09 -; BVerwG, Urt. v. 13. Mai 2009 - 9 C 7.08 -, zit. nach JURIS). Der Steuertatbestand erfasst daher den konsumtiven Aufwand für den persönlichen Lebensbedarf auch ohne tatsächliche Inanspruchnahme der Zweitwohnung. Es genügt, dass eine zeitweilige Eigennutzung während des Veranlagungszeitraums rechtlich offen gehalten und die Zweitwohnung damit hierfür vorgehalten wird (BVerwG, Urt. v. 27. Oktober 2004 - 10 C 2.04 - und Urt. v. 26. September 2001 - 9 C 1.01 -, jeweils zit. nach JURIS).

37

Die vor diesem Hintergrund von der Vorinstanz vorgenommene - verfassungskonforme - Auslegung dahingehend, dass der Begriff „nutzen“ in § 1 Abs. 3 Satz 1 ZWStS lediglich das Vorliegen der rechtlichen Verfügungsbefugnis und der tatsächlichen Verfügungsmacht über eine Zweitwohnung umfasse, ist nicht zu beanstanden (vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 8. Mai 2006 - 4 L 156/03 -). § 1 Abs. 3 ZWStS - zunächst als § 1 Abs. 2 Satz 2 und 3 in der ersten Zweitwohnungssteuersatzung der Beklagten vom 25. Juni 2003 aufgenommen - beruht auf einem Formulierungsvorschlag in dem Satzungsmuster des Innenministeriums des Landes Sachsen-Anhalt für Zweitwohnungssteuersatzungen (Runderlass vom 1. September 1994 in MBl. LSA 1994, 2427 ff., geändert durch Runderlass vom 18. 10. 2006, MBl. LSA 2006, 661 f.). Die Regelung soll nach ihrem Sinn und Zweck in ihrem Satz 1 eine zeitliche Untergrenze der rechtlich gesicherten Eigennutzungsmöglichkeit des Steuerpflichtigen (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 26. September 2001, a.a.O.) festsetzen (vgl. Runderlass vom 1. September 1994, a.a.O. S. 2428). In Satz 2 wird klargestellt, dass ein zeitweiliger Ausschluss der rechtlichen gesicherten Eigennutzungsmöglichkeit unschädlich ist. § 1 Abs. 3 Satz 2 ZWStS nimmt damit ersichtlich auf § 1 Abs. 2 Buchst. c ZWStS - eine vergleichbare Regelung enthielt § 1 Abs. 2 Satz 1 der Zweitwohnungssteuersatzung der Beklagten vom 25. Juni 2003 - Bezug, der als Zweitwohnung jede weitere Wohnung gem. Abs. 4 definiert, die jemand neben seiner Hauptwohnung zu Zwecken des eigenen persönlichen Lebensbedarfes oder des persönlichen Lebensbedarfes seiner Familie innehat. Die Entstehungsgeschichte der Norm spricht danach gegen die von der Klägerin vertretene Deutung.

38

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der teleologischen Auslegung. Eine Verknüpfung der Zweitwohnungssteuerpflicht mit einer Mindestdauer der tatsächlichen (Be)nutzung der Wohnung durch den Steuerpflichtigen würde nicht nur eine deutliche Verschärfung der Vorgaben an den Begriff des „Innehabens“ einer Zweitwohnung bedeuten, so wie er nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts verstanden wird, sondern wäre - was auch von der Klägerin nicht bestritten wird - im Verwaltungsvollzug wenig praktikabel. Ob der Steuerpflichtige die Zweitwohnung für einen Mindestzeitraum selbst bewohnt, ist in zahlreichen Fällen kaum kontrollierbar. Zwar sind Länder und Gemeinden, die Zweitwohnungssteuer erheben dürfen, (bundes)rechtlich nicht gehindert, das Vorliegen eines steuerbaren Aufwands an weitere - verfassungsrechtlich nicht gebotene - Voraussetzungen zu knüpfen. Der Satzungsgeber darf innerhalb der ihm gesetzlich und verfassungsrechtlich gezogenen Grenzen bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen er Steuern erheben will. Ihm ist im Bereich des Steuerrechts eine weitgehende Gestaltungsfreiheit eingeräumt (BVerwG, Urt. v. 17. September 2008 - 9 C 15.07 -, zit. nach JURIS). Sachliche Gründe für eine derart unpraktikable Ausgestaltung der Zweitwohnungssteuersatzung sind aber von der Klägerin nicht substanziiert vorgebracht worden und auch nicht ersichtlich.

39

Systematische Erwägungen, die auf die parallele Verwendung des Begriffes „nutzt“ in § 3 Abs. 3 Satz 1 und 2 ZWStS als Hinweis auf eine tatsächliche (Be)nutzung abstellen (vgl. VG Halle, Urt. v. 27. Juni 2012, a.a.O.), sind schon deshalb nicht durchgreifend, weil auch § 3 Abs. 3 Satz 2 ZWStS als klarstellende Regelung auf die Eigennutzungsmöglichkeit abzielt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 20. Mai 1988 - 2 S 25/88 -).

40

Die hier vorgenommene Auslegung ist schließlich auch mit dem möglichen Wortsinn der Regelung, der die unübersteigbare Grenze der Auslegung einer Gesetzesbestimmung bildet (BVerwG, Urt. v. 27. März 2014 - 2 C 2.13 -, zit. nach JURIS, m.w.N.), zu vereinbaren. Der Wortsinn des Begriffes „nutzen“ reicht von der Bedeutung „zu seinem Nutzen verwerten“ bzw. „aus etwas durch entsprechende Anwendung oder Verwertung Nutzen ziehen“ bis hin zu „etwas zu einem bestimmten Zweck benutzen“ bzw. „verwenden“ (vgl. DUDEN online). „Nutzen“ umfasst im Hinblick auf eine Wohnung danach nicht nur die Nutzung im Sinne eines tatsächlichen (Be)nutzens, also Bewohnens, sondern auch (noch) die Nutzung im Sinne des Bestehens der Möglichkeit einer Eigennutzung (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 20. Mai 1988 - 2 S 25/88 -). Dementsprechend wird auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Begriff der zeitweiligen Eigennutzung der Zweitwohnung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27. Oktober 2003 - 9 B 102.03 -, zit. nach JURIS) mit dem Begriff der (zeitweiligen) Eigennutzungsmöglichkeit (vgl. BVerwG, Urt. v. 26. September 2001, a.a.O.) durchaus gleichgesetzt.

41

Für die Auslegung der ZWStS - einer Rechtsnorm - kommt es nicht schließlich darauf an, wie die Beklagte selbst die Satzung anwendet (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 27. Januar 2009 - 4 L 238/08 -, zit. nach JURIS).

42

Es kann danach offen bleiben, ob eine Nichtigkeit des § 1 Abs. 3 Satz 1 ZWStS auf Grund eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu einer Gesamtnichtigkeit der Satzung (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 16. April 2013 - 4 L 102/12 -, zit. nach JURIS) führen würde. Soweit die Klägerin geltend macht, dieser Fehler führe zur Nichtigkeit der vollständigen Satzung, da keine Regelungen aufrecht erhalten blieben, und unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 1983 (- 2 BvR 1275/79 -, zit. nach JURIS) vorträgt, ein Gleichheitsverstoß könne nur dadurch beseitigt werden, indem auch diejenigen, die ihre Zweitwohnungen nur in geringem Umfange (tatsächlich) nutzen, zur Besteuerung herangezogen werden (so auch VG Halle, Urt. v. 27. Juni 2012, a.a.O.), ist dieser Einwand nicht ohne weiteres durchgreifend. Ob ein Rechtsmangel zur Gesamtnichtigkeit der Satzung führt, hängt allein davon ab, ob die Beschränkung der Nichtigkeit eine mit höherrangigem Recht vereinbare sinnvolle (Rest-)Regelung des Lebenssachverhalts belässt und ob hinreichend sicher ein entsprechender hypothetischer Wille des Normgebers angenommen werden kann.

43

(2) Die rückwirkend zum 1. Januar 2004 in Kraft getretene ZWStS, die am 3. Juni 2009 bekannt gemacht worden ist, ist auch nicht für den vor ihrer Bekanntmachung liegenden Zeitraum deshalb unwirksam, weil die Definition der Wohnung im Sinne der Satzung in § 1 Abs. 4 ZWStS die Formulierung „jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird“ verwendet, während § 1 Abs. 4 der Zweitwohnungssatzung vom 29. März 2006 „jede Gesamtheit von Räumen, die zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird“ als Wohnung im Sinne der Satzung definierte (so aber VG Halle, Urt. v. 27. Juni 2012, a.a.O.) und § 1 Abs. 2 Satz 1 der Zweitwohnungssatzung vom 25. Juni 2003 als Zweitwohnung „jede Gesamtheit von Räumen, die jemand außerhalb seiner Hauptwohnung zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs innehat“ ansah.

44

Diese Definitionen weichen im Gegensatz zur Ansicht der Klägerin im Hinblick auf den (Zweit)wohnungsbegriff nicht voneinander ab, so dass von vornherein keine rückwirkende Erweiterung des Anwendungsbereiches der Zweitwohnungssatzung erfolgt ist. Denn im Zweitwohnungssteuerrecht stimmt die Formulierung „jede Gesamtheit von Räumen, die zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird“ bzw. „jede Gesamtheit von Räumen, die jemand außerhalb seiner Hauptwohnung zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs innehat“ nach ihrem Regelungsgehalt mit der Formulierung „jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird“ überein. Der Begriff „Gesamtheit von Räumen“ verdeutlicht in der durch die Vorgängersatzungen vorgenommenen Verwendung lediglich die Möglichkeit einer Mehrzahl von Räumen (vgl. auch BFH, Beschl. v. 1. Oktober 2008 - II B 16/08 -, zit. nach JURIS) ohne damit zwingend die Vorgabe zu machen, dass eine Wohnung aus mehreren - baulich jeweils abgeschlossenen - Räumen besteht (a.M.: VG Halle, Urt. v. 12. Dezember 2007 - 5 A 319/05 -, zit. nach JURIS). Dieser Begriff wird vorwiegend in solchen Wohnungsdefinitionen von Zweitwohnungssteuerregelungen verwendet, die vor dem Hintergrund des bau(ordnungs)rechtlichen Wohnungsbegriffes (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 9, Rdnr. 69) gegenüber dem melderechtlichen Wohnungsbegriff weitergehende Vorgaben machen (z.B. „jede baulich abgeschlossene Gesamtheit von Räumen, die zum Wohnen oder Schlafen bestimmt ist, zu der eine Küche oder Kochgelegenheit sowie eine Toilette und ein Bad oder eine Dusche gehören" oder „jede Gesamtheit von Räumen, die zum Wohnen und Schlafen benutzt wird und den Anforderungen der Bauordnung genügt“; vgl. auch § 2 Abs. 3 HmbZWStG, § 2 Abs. 1 BrZWStG und § 2 Abs. 3 BlnZwStG; vgl. dazu OVG Sachsen, Urt. v. 25. März 2014 - 4 A 531/12 -; VGH Bayern, Beschl. v. 27. Januar 2012 - 14 CS 11.2869 -; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 20. Juni 2007 - 1 L 257/06 -; VG Köln, Beschl. v.11. Juli 2007 - 21 L 672/07 -, jeweils zit. nach JURIS). Diese Definitionen stellen aber - anders als § 1 Abs. 4 ZWStS und die Regelungen der Vorgängersatzungen - darauf ab, dass die Zweitwohnung selbst über zusätzliche Funktionsflächen verfügt (Küche oder Kochgelegenheit sowie Bad mit Badewanne oder Dusche und Toilette), die regelmäßig nur in weiteren Räumen anzutreffen sind. Durch den Begriff „Gesamtheit von Räumen“ wird in solchen Fällen also dem Umstand Rechnung getragen, dass eine Wohnung diese Vorgaben im Regelfall nur dann erfüllt, wenn sie aus mehreren - baulich jeweils abgeschlossenen - Räumen besteht. Die Zweitwohnungssteuersatzungen der Beklagten vom 25. Juni 2003 und 29. März 2006 gingen ebenfalls von dem Regelfall einer aus mehreren Räumen bestehenden Wohnung aus, ohne aber - schon weil keine weitergehenden Vorgaben enthalten sind - die Möglichkeit einer Wohnung auszuschließen, die nur aus einem Raum zum Wohnen oder Schlafen ohne baulich verbundene Kochgelegenheit und Bad/Toilette besteht. Sachliche Gründe für eine Regelung, dass eine (Zweit)wohnung trotz des Fehlens von Vorgaben hinsichtlich des Vorliegens zusätzlicher Funktionsflächen zwingend aus mindestens zwei Räumen bestehen sollte, bestehen nicht und sind auch nicht substanziiert geltend gemacht.

45

Diese Auslegung wird dadurch gestützt, dass § 1 Abs. 2 Buchst. a ZWStS eine Nebenwohnung i.S.d. Meldegesetzes des Landes Sachsen-Anhalt als Zweitwohnung ansieht, wenn sie die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 ZWStS erfüllt, und gem. § 7 Abs. 3 ZWStS die Anmeldung oder Abmeldung von Personen nach dem MG LSA als Anzeige gem. § 7 Abs. 2 ZWStS der Inhaberschaft einer Zweitwohnung oder Aufgabe einer solchen Inhaberschaft gilt. Entsprechende Regelungen hinsichtlich der Anzeige von Zweitwohnungen enthalten die Vorgängersatzungen. Solange die Zweitwohnungssteuersatzung keine weitergehenden Vorgaben aufstellt, ist aber unter einer "Wohnung" i.S.d. Meldegesetzes des Landes Sachsen-Anhalt - MG LSA - jeder umschlossene Raum zu verstehen, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird (§ 7 Satz 1 MG LSA). Sie muss auch keine konkrete Mindestausstattung (z. B. Kochgelegenheit, Trinkwasserversorgung, Abwasserbeseitigung, Stromversorgung, Heizung) aufweisen; vielmehr reicht es aus, wenn diese Einrichtungen in vertretbarer Nähe zur Verfügung stehen (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 30. April 2008 - 4 M 332/07 -; Urt. v. 23. November 2000 - A 2 S 334/99 -, jeweils zit. nach JURIS, m.w.N; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 3 Rdnr. 217, m.w.N.). Folgte man der von der Klägerin vertretenen Auffassung zur Definition einer (Zweit)wohnung, wären die Regelungen zur Ersetzung der Anzeige einer Zweitwohnung durch die melderechtliche Anmeldung damit nicht vereinbar gewesen.

46

Der Wortsinn der in Rede stehenden Regelungen steht der hier vorgenommenen Auslegung nicht entgegen. Unter einer „Gesamtheit“ versteht man grundsätzlich „das Ganze, alles zusammen, eine Einheit“ (vgl. LAG Hessen, Urt. v. 19. Februar 2014 - 18 Sa 462/13 -, zit. nach JURIS unter Hinweis auf Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 6. Aufl.). Wenngleich im Regelfall mehrere Räume umfassend, schließt die Verwendung der Formulierung „Gesamtheit von Räumen“ aber nicht aus, dass auch nur ein Raum die Vorgaben erfüllt. Vielmehr wird damit allein zum Ausdruck gebracht, dass es sich um einen oder mehrere Räume handeln kann. Erst die Formulierung „mehrere Räume“ würde schon nach ihrem Wortsinn die Annahme einer aus einem Raum bestehenden (Zweit)wohnung ausschließen.

47

Danach nicht entschieden werden muss, ob selbst eine rückwirkende Erweiterung des Wohnungsbegriffes und damit eine Erweiterung des Kreises der Steuerpflichtigen dadurch gerechtfertigt wäre, dass mit der Zweitwohnungssteuersatzung vom 29. März 2006 eine wegen eines Ausfertigungsmangels unwirksame Satzung rückwirkend ersetzt worden ist (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 23. August 2011 - 4 L 34/10 -, zit. nach JURIS).

48

(3) Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, § 1 Abs. 1 ZWStS sei insoweit mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig, als nach § 1 Abs. 2 ZWStS i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2 ZWStS u.a. das Innehaben einer aus beruflichen Gründen gehaltenen Wohnung eines nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten, dessen eheliche Wohnung sich in einer anderen Gemeinde befinde, besteuert werde. Durch § 1 Abs. 5 Buchst. c ZWStS, nach dem eine u.a. aus beruflichen Gründen gehaltene Wohnung eines nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft führenden Einwohners, dessen eheliche Wohnung oder eingetragene lebenspartnerschaftliche Wohnung sich in einer anderen Gemeinde befindet, keine Zweitwohnung i.S.d. ZWStS ist, wird den Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 GG an eine Zweitwohnungssteuersatzung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11. Oktober 2005 - 1 BvR 1232/00, 1 BvR 2627/03 -, zit. nach JURIS) ausreichend Rechnung getragen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 19. September 2011 - 4 L 181/10 -; vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14. Mai 2014 - OVG 9 A 4.11 -; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 21. Februar 2011 - 1 L 205/08 -, jeweils zit. nach JURIS).

49

(4) Offen bleiben kann, ob die Beklagte Zweitwohnungssteuerpflichtige, z.B. Datschenbesitzer, entgegen den Vorgaben der ZWStS fehlerhaft nicht veranlagt hat bzw. veranlagt. Nach dem Grundsatz „keine Gleichheit im Unrecht“ können aus einem etwaigen satzungswidrigen Vollzugsmangel für die Klägerin keine subjektiven Rechte gegen ihre Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer erwachsen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15. Juni 1994 - 8 B 105.94 -; OVG Niedersachsen, Beschl. v. 14. April 2008 - 9 LA 37/07 -, jeweils zit. nach JURIS).

50

(5) Gegen die in § 13 ZWStS angeordnete Rückwirkung an sich bestehen - wie das Verwaltungsgericht im Einzelnen zu Recht dargelegt hat - gem. § 2 Abs. 2 KAG LSA keine (verfassungs)rechtlichen Bedenken.

51

(6) Dass § 1 Abs. 5 Buchst. c Satz 2 ZWStS i.d.F. der ersten Änderungssatzung vom 24. November 2010, wonach § 1 Abs. 5 Buchst. c Satz 1 ZWStS auch für Wohnungen von Personensorgeberechtigten gilt, bei denen sich die vorwiegend benutzte Wohnung in einer anderen Gemeinde befindet, keine Rückwirkung entfaltet, ist unschädlich. § 1 Abs. 5 Buchst. c ZWStS war insoweit analog anzuwenden (so OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 19. September 2011 - 4 L 181/10 -, m.w.N.).

52

c) Einwendungen gegen die eigentliche Berechnung der streitigen Zweitwohnungssteuer sind nicht erhoben; Fehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.

53

2. Da die Erhebung der Zweitwohnungssteuer nicht zu beanstanden ist, hat die Klägerin weder einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrags noch auf Zahlung von Prozesszinsen.

54

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

55

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

56

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.


ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 30. Sept. 2014 - 4 L 121/13

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 30. Sept. 2014 - 4 L 121/13

Referenzen - Gesetze

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 30. Sept. 2014 - 4 L 121/13 zitiert 12 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 105


(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole. (2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Grundsteuer. Er hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen diese

Kommunalvermögensgesetz - KVermG | § 9 Übergangsbestimmung


Bis zur Länderbildung nehmen die Regierungsbevollmächtigten für die Bezirke die Befugnisse aus § 2 Absatz 2 und § 8 Absatz 2 wahr.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 30. Sept. 2014 - 4 L 121/13 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 30. Sept. 2014 - 4 L 121/13 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 16. Apr. 2013 - 4 L 102/12

bei uns veröffentlicht am 16.04.2013

Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu voll

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 23. Nov. 2012 - 4 L 135/12

bei uns veröffentlicht am 23.11.2012

Gründe 1 A. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. 2 I. Das Vorbringen der Beklagten begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; denn mit der Zulassungs

Verwaltungsgericht Halle Urteil, 27. Juni 2012 - 5 A 123/10

bei uns veröffentlicht am 27.06.2012

Tatbestand 1 Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Zweitwohnungssteuerbescheides. 2 Der Kläger unterhielt im Zeitraum vom 1. Oktober 2007 bis zum 9. Juli 2009 im Stadtgebiet der Beklagten einen Zweitwohnsitz. Erstwohnsitz war damals der elterli

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 21. Feb. 2011 - 1 L 205/08

bei uns veröffentlicht am 21.02.2011

Tenor Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 20. August 2008 – 3 A 831/06 – wird abgelehnt. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Streitwert wird für das.

Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 17. Feb. 2010 - 1 BvR 529/09

bei uns veröffentlicht am 17.02.2010

Gründe 1 Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Heranziehung eines bei seinen Eltern mit Hauptwohnsitz wohnenden Studenten zur Zweitwohnungsteuer für eine am Studienort

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 20. Juni 2007 - 1 L 257/06

bei uns veröffentlicht am 20.06.2007

Tenor Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 05.Juli 2006 - 3 A 131/06 - geändert und der Bescheid des Beklagten vom 17. November 2005 - Steuer-Nr. ... - sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 03.Janua
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 30. Sept. 2014 - 4 L 121/13.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 29. Okt. 2015 - 4 ZB 15.830

bei uns veröffentlicht am 29.10.2015

Tenor I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens. III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 1.500 Euro festgesetzt.

Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 22. Dez. 2014 - 2 A 322/12

bei uns veröffentlicht am 22.12.2014

Tatbestand 1 Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zur Zahlung von Zweitwohnungssteuern für die Jahre 2010, 2011 und 2012. 2 Die Klägerin, die ihren Wohnsitz in der Stadt A-Stadt hat, ist neben ihrem Sohn, Dominik A., (Mit-)Eigentümer

Referenzen

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Bis zur Länderbildung nehmen die Regierungsbevollmächtigten für die Bezirke die Befugnisse aus § 2 Absatz 2 und § 8 Absatz 2 wahr.

Gründe

1

A. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

2

I. Das Vorbringen der Beklagten begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; denn mit der Zulassungsschrift wird weder ein die angefochtene Entscheidung tragender Rechtssatz noch eine für die Entscheidung erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 21.01.2009 - 1 BvR 2524/06 -; BVerfG, Beschl. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, beide zit. nach JURIS).

3

Das Verwaltungsgericht hat die angegriffene Entscheidung selbständig tragend darauf gestützt, dass die Zweitwohnungssteuersatzung 2009 ebenso wie deren 1. Änderung nicht wirksam bekannt gemacht worden seien, weil es an dem nach Landesrecht (§ 6 Abs. 2 Satz 2 GO LSA) erforderlichen Ausfertigungsvermerk fehle, dem Text der Zweitwohnungssteuersatzung vielmehr lediglich eine „Bekanntmachungsanordnung“ der Oberbürgermeisterin beigefügt sei.

4

Diese Annahme der Vorinstanz begegnet keinen ernstlichen Zweifeln im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

5

§ 6 Abs. 2 Satz 2 GO LSA bestimmt, dass Satzungen von dem Bürgermeister zu unterzeichnen und bekanntzumachen sind. Da mit der Ausfertigung bezeugt wird, dass der Inhalt der Urkunde mit dem Beschluss des zuständigen Organs übereinstimmt, ist es grundsätzlich unverzichtbar, dass sowohl die Unterschrift des Bürgermeisters als nach der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt notwendiges Element des Rechtsetzungsverfahrens ebenso mit der Satzung veröffentlicht wird wie das Datum der Unterschriftsleistung (Beschl. v. 06.03.2007 - 4 K 78/05 -; Beschl. v. 24.11.2010 - 4 K 368/08 -; Urt. v. 11.09.2012 - 4 L 155/09 -).

6

Hiernach weist die Beklagte zwar zu Recht darauf hin, dass die Bekanntmachung einer Satzung nicht die Wiedergabe der eigenhändigen Unterschrift des Bürgermeisters durch etwa eine Fotokopie der Originalunterschrift erfordert. Der Rechtsprechung des Senats (a. a. O.) ist nichts Abweichendes zu entnehmen. Vielmehr ist z. B. auch die Wiedergabe der Unterschrift als „maschinengedruckte“ Namensangabe ausreichend (vgl. Rundverfügung des Landesverwaltungsamtes Nr. 11/11 vom 5. Juli 2011, Aktenzeichen: 305.1. -allg- 101). Diesem Erfordernis wird zwar in der vorliegend in Rede stehenden Veröffentlichung entsprochen. Gleichwohl sind die an eine ordnungsgemäße Bekanntmachung der Ausfertigung der Satzung zu stellenden Anforderungen nicht erfüllt, weil die veröffentlichte „Bekanntmachungsanordnung“ entgegen der Auffassung der Beklagten nicht den erforderlichen Ausfertigungsvermerk darstellt.

7

Die „Bekanntmachungsanordnung“ erscheint nach ihrer äußeren Gestaltung, insbesondere durch die drucktechnische Umrandung, als vom Satzungstext losgelöst und abgesetzt. Mit der herausgehobenen Wendung „Bekanntmachungsanordnung“ wird zudem - ihrer Wortbedeutung entsprechend - auch einem objektiven Betrachter der Eindruck vermittelt, dass Zielrichtung der Anordnung (allein) der von der Oberbürgermeisterin veranlasste (technische) Vorgang der Veröffentlichung ist und damit gerade nicht die Authentizität des Satzungsinhalts mit dem entsprechenden Ratsbeschluss bezeugt werden soll. Bekanntmachungsanordnung und Ausfertigung weisen nach alledem einen unterschiedlichen Aussagegehalt auf (a. A. Ziegler, DVBl. 1987, S. 280, 284). Den vorstehenden Ausführungen entspricht, dass etwa die Friedhofssatzung der Beklagten (Amtsblatt v. 18.01.2012, S. 5) im unmittelbaren Anschluss an den Satzungstext die Unterschrift der Oberbürgermeisterin enthält und erst dann eine - jedenfalls nach dem äußeren Eindruck auf eine Trennung zwischen Ausfertigung und Bekanntgabe zielende - „Bekanntmachungsanordnung“ aufweist.

8

II. Soweit die Beklagte eine Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) rügt, wird entgegen § 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO schon nicht substanziiert aufgezeigt, von welchem Rechtssatz der angeführten Senatsentscheidung (Beschl. v. 24.11.2010, a. a. O.) die Vorinstanz, die diese Entscheidung selbst in Bezug genommen hat, abgewichen sein soll. In einer (unterstellt) unrichtigen Anwendung der vorgenannten Senatsrechtsprechung läge im Übrigen keine Abweichung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO.

9

III. Die von der Beklagten weiterhin als grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erachtete Fragestellung, „dürfen in Sachsen-Anhalt Ausfertigungen kommunaler Satzungen noch mit maschinengedruckter Unterschrift (in der „üblichen Form“) des jeweiligen Bürgermeisters unter den Ausfertigungsvermerk (die Bekanntmachungsanordnung) veröffentlicht werden oder ist dafür zwingend eine Veröffentlichung auch der handschriftlichen Unterzeichnung erforderlich“, würde sich in dem erstrebten Berufungsverfahren nicht stellen, weil sie nicht an eine entscheidungserhebliche Feststellung im angefochtenen Urteil anknüpft. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist auf das Fehlen eines Ausfertigungsvermerks als solches gestützt und nicht auf die Abbildung der Unterschriftsleistung.

10

Auf die gegen die materiell-rechtliche Auffassung der Vorinstanz gerichteten Einwände der Beklagten kommt es nach alledem nicht an.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.

12

B. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen; denn die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt grundsätzlich nicht mehr in Betracht, wenn das Verfahren, für das sie begehrt wird, abgeschlossen ist (vgl. VGH BW, Beschl. v. 09.07.1990 - 2 S 1137/90 -, zit. nach JURIS, m. w. N.). In diesem Fall dient der Antrag auf Prozesskostenhilfe nicht mehr der gesetzlich allein relevanten Absicht der Rechtsverfolgung (vgl. § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO). So liegt es hier. Das Verfahren, für das der Kläger Prozesskostenhilfe begehrt, ist durch die Ablehnung des Antrags der Beklagten auf Zulassung der Berufung rechtskräftig abgeschlossen worden. Nach dieser Entscheidung hat die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen, so dass den Kläger keine Verfahrenskosten mehr treffen können.

13

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich als Rechtsnachfolger gegen die Heranziehung zu Abfallgebühren.

2

Die Beklagte erhebt Abfallgebühren im Wesentlichen getrennt nach einer behälterbezogenen Restmüllgebühr und - nur bei Wohngrundstücken - einer Personengebühr, die nach Biotonnennutzern und Eigenkompostierern aufgeteilt ist. Am 28. Januar 2009 beschloss der Stadtrat der Beklagten rückwirkend zum 1. Januar 2009 eine neue Abfallgebührensatzung. In einer Anlage zur Satzung wurde die Höhe der Restmüllgebühr abhängig von der Größe des Restmüllbehälters und der Entsorgungshäufigkeit festgesetzt. Mit der ersten Satzung zur Änderung der Abfallgebührensatzung vom 25. November 2009 wurde die Höhe der Restmüllgebühr mit Wirkung zum 1. Januar 2010 wie folgt geregelt:

3

Entsorgung

14-täglich

wöchentlich

 2 x wöchentlich

        

60 Liter

51,60 

103,20

206,40

€/Jahr

120 Liter

81,60 

163,20

326,40

€/Jahr

240 Liter

135,60

271,20

542,40

€/Jahr

770 Liter

438,00

876,00

1752,00

€/Jahr

1.100 Liter

599,40

1.198,89

2.397,60

€/Jahr

4

Mit Bescheid vom 25. Januar 2010 zog die Beklagte Frau A., die Mutter der Kläger, für das Jahr 2010 für ihr Wohngrundstück zu Abfallgebühren in Höhe von 87,60 € heran, die sich aus einer Personengebühr in Höhe von 36,- € sowie einer Restmüllgebühr in Höhe von 51,60 € zusammensetzten. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2010 wies die Beklagte den fristgerecht erhobenen Widerspruch zurück.

5

Am 21. Juni 2010 hat Frau A. beim Verwaltungsgericht Halle gegen den Gebührenbescheid Anfechtungsklage erhoben.

6

Das Gericht hat den Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2010 auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2012 aufgehoben: Die in der Abfallgebührensatzung der Beklagten vom 28. Januar 2009 in der Fassung der ersten Änderungssatzung festgesetzten Gebührensätze verletzten das Kostenüberschreitungsverbot des § 5 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA nicht, auch wenn lediglich eine Kostenunterdeckung von 403.620,41 € hätte angesetzt werden dürfen. Die hierdurch bewirkte Kostenüberschreitung verbleibe jedoch unterhalb der Bagatellgrenze von 3 %. Die Abfallgebührensatzung sei aber nichtig, weil die Staffelung der Restmüllgebühr gegen § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 1 KAG LSA verstoße. Dieser Vorschrift sei das Gebot zu entnehmen, die Kosten für die Beseitigung des Restmülls insgesamt zusammenzufassen und linear auf die gewählten Maßstabseinheiten - etwa Behältergröße und Abfuhrrhythmus - zu verteilen. Eine degressive Staffelung sei ausgeschlossen, eine progressive Staffelung könne zulässig sein, wenn sie einen Anreiz zu umweltschonendem Verhalten schaffe. Diesen Vorgaben entspreche die streitbefangene Restmüllgebühr nicht, da sie jedenfalls überwiegend nicht linear, sondern degressiv ausgestaltet sei. Dies widerspreche weiterhin dem sowohl in § 6 Abs. 3 AbfG LSA als auch in § 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA niedergelegten Prinzip, dass mit dem Gebührenmaßstab Anreize zu umweltschonendem Verhalten, insbesondere zur Vermeidung und Verwertung, geschaffen werden sollten. Vor diesem Hintergrund bedürfe es keiner Vertiefung, ob die von der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der relativ gleichmäßigen Erhöhung der Restmüllgebühr für alle Behältergrößen vorgenommene Verteilung der Kostenunterdeckung mit gebührenrechtlichen Grundsätzen vereinbar, insbesondere willkürfrei sei. Auf ältere Abfallgebührensatzungen könne nicht zurückgegriffen werden, weil diese mit der Regelung über das Inkrafttreten der Satzung vom 25. November 2009 - stillschweigend - aufgehoben worden seien. Die Nichtigkeit der Regelung über die Restmüllgebühr führe zur Gesamtnichtigkeit der Regelung über die Abfallgebühr, also einschließlich der Personengebühr.

7

Mit Beschluss vom 26. Juli 2012 hat der erkennende Senat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Am 12. November 2012 hat der Berichterstatter der Klägerseite eine Frist gem. § 87b Abs. 1 Satz 1 VwGO bis zum 7. Dezember 2012 gesetzt.

8

Frau A. war am 23. Juli 2012 verstorben, ihr Prozessbevollmächtigter hat dies am 30. November 2012 angezeigt und die Unterbrechung des Verfahrens beantragt. Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 13. Februar 2013 haben die Kläger das zuvor ausgesetzte Verfahren als Rechtsnachfolger aufgenommen.

9

Im Amtsblatt der Beklagten vom 13. Februar 2013 befinden sich für die Abfallgebührensatzung vom 28. Januar 2009 und die erste sowie eine weitere Änderungssatzung eine Bekanntmachung mit Bestätigungen, dass diese ordnungsgemäß ausgefertigt worden seien. Gleichzeitig ist der jeweilige Ausfertigungsvermerk (Ortsname, Datum und Unterschrift der bis Ende 2012 amtierenden Oberbürgermeisterin - sowohl handschriftlich als auch maschinenschriftlich - mit Amtsbezeichnung) nochmals veröffentlicht worden.

10

Die Beklagte macht zur Begründung der fristgerecht erhobenen Berufung im Wesentlichen geltend, durch § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA werde die degressive Staffelung von Abfallgebühren nicht ausgeschlossen. Nach dem 1. Halbsatz des Satzes 2 seien Ausnahmen von der linearen Staffelung sowohl bei der Abwassergebühr als auch bei der Abfallgebühr möglich. Dies ergebe sich bereits aus der Formulierung "grundsätzlich linear". Zudem beziehe sich der 1. Halbsatz von seiner Stellung im Gesetz und von seiner Systematik auf den Satz 1 des § 5 Abs. 3a KAG LSA, bei dem es sich um den leitenden Grundsatz handele. Der Runderlass benenne hierzu beispielhaft die rechtliche Zulässigkeit einer degressiven Abfallgebühr für leichter zu behandelnde Abfälle aus Großwohnanlagen oder bei Gewerben. Hingegen lasse sich weder aus dem Wortlaut noch aus der systematischen Stellung des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA schließen, dass eine degressive Staffelung der Abfallgebühren gänzlich unzulässig wäre. Insbesondere lasse sich dies nicht aus dem 2. Halbsatz des Satzes 2 herleiten. Der 2. Halbsatz sei nicht im ausschließlichen Zusammenhang mit dem 1. Halbsatz zu sehen. Anderenfalls wäre die dortige Benennung der grundsätzlich linear zu staffelnden Abfallgebühren ohne Sinn erfolgt. Die weitere Ausnahme in § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA bei den Abwassergebühren ziele entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht auf eine Gebührendegression, die dem Äquivalenzprinzip Rechnung trage, sondern auf eine Gebührenermäßigung aus Gründen des öffentlichen Interesses. Daraus lasse sich nicht im Umkehrschluss folgern, dass die Regelung des § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA eine degressive Gebührenstaffelung nur bei Abwassergebühren und bei vorliegendem öffentlichen Interesse, hingegen gar nicht bei Abfallgebühren zulasse. Für die Gebührenkalkulation der Abfallentsorgung habe § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA also allenfalls deklaratorischen Charakter, indem er - nach der Regelung der Ausnahme in Satz 1 - den allgemeinen Grundsatz der linearen Gebührenbemessung wiedergebe und (lediglich) für die Abwasserbeseitigung zu einer weiteren Ausnahmeregelung (HS 2) überleite. Eine Gebührendegression im Abfallgebührenrecht werde zum Teil sogar als rechtlich geboten und eine lineare Steigerung als unzulässig angesehen. Überwiegend halte jedenfalls die Rechtsprechung eine degressive Gebührenstaffelung (Mengenrabatt) gegenüber einer linearen Steigerung zwar nicht für rechtlich geboten, aber für zulässig und durch den Gleichheitssatz und das Äquivalenzprinzip nicht für ausgeschlossen. Die Unzulässigkeit einer degressiven Gebührenstaffelung bei den Abfallgebühren ergebe sich auch nicht aus der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg vom 19. Mai 2005. Dort würden ausschließlich Aussagen zur Gebührenstaffelung von Abwassergebühren getroffen.

11

Die Auffassung des Verwaltungsgerichts lasse sich auch nicht mit Blick auf § 6 Abs. 3 AbfG LSA begründen. Unterhalb der durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erzwungenen Obergrenze der Gebührenbemessung sei die Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers im Wesentlichen nur durch das Willkürverbot in der Weise eingeschränkt, dass bei gleichartig beschaffenen Leistungen, die rechnerisch und finanziell in Leistungseinheiten erfasst werden könnten, die Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit so zu wählen und zu staffeln seien, dass sie unterschiedlichen Ausmaßen in der erbrachten Leistung Rechnung tragen würden, damit die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibe. Nach diesen Grundsätzen sei die vorliegende Gebührenstaffelung aber zulässig und verstoße deshalb auch nicht gegen § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA. Zudem gehe das Gericht fehlerhaft davon aus, dass die Abfallgebühr pro m³ Leerungsvolumen je kleiner werde, desto größer der Behälter sowie der Entsorgungsrhythmus werde. Bereits die letzte Tatsachenfeststellung sei unzutreffend, denn die Abfallgebühr werde lediglich mit steigender Behältergröße kleiner, nicht aber beim Entsorgungsrhythmus. Wie aus einer Stellungnahme der (...) zusammenfassend hervorgehe, ergebe sich der Degressionseffekt allein durch die Gestaltung der behältergestützten Leistungsgebühr. Nicht linear seien im Wesentlichen die Kosten für Einsammeln/Transportieren/Umschlag, die Behälterkosten und die Kosten für Behälterwaschen. Ein Gebührenmaßstab mit degressiven Elementen spiegele im Abfallbereich unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten den Logistikeinsatz und die daraus resultierenden Abfuhrkosten wirklichkeitsnah und kostenverursachungsgerecht wider. Die Entscheidung über die Höhe der einzelnen Degressionsstufen liege dabei weitgehend im Ermessen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers. Seine Rechtsansicht werde in einem Runderlass des Innenministeriums vom 6. Juni 2001 geteilt. Der Runderlass interpretiere den nunmehr gesetzlich verankerten Grundsatz der linearen Bemessung von Abfallgebühren gleichsam als Wiederholung des seit jeher im Kommunalabgabenrecht platzgreifenden Äquivalenzprinzips. Eine degressive Gebührengestaltung sei regelmäßig mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar, wenn sie - wie hier - einen degressiven Kostenverlauf widerspiegele. Eine Gebührendegression wirke zwar Anreizen zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung entgegen und könne damit gegen die bundes- und landesrechtlichen Zielvorgaben verstoßen. Sie, die Beklagte, setze aber solche Anreize mit der Möglichkeit des Eigentümers, auf die Auswahl des vorzuhaltenden Restmüllbehälters und den Entsorgungsrhythmus - im Rahmen der angebotenen Leistungen - entsprechend der regelmäßig anfallenden Abfallmenge pro Grundstück Einfluss zu nehmen. Außerdem bestehe die Wahl zur Entscheidung für Eigenkompostierung oder Nutzung der Biotonne im Rahmen der Personengebühr. Ihr Gebührensystem werde zweifelsfrei den Anforderungen des § 6 Abs. 3 AbfG LSA gerecht, zumal für "über das normale Maß hinaus gehende Entsorgungsleistungen" Sondergebühren in Höhe der tatsächlichen Kosten erhoben würden. Gerade für die Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten, die in einer Großstadt wie Halle mit ihren unterschiedlichen Grundstücksgegebenheiten erforderlich sei, sei es geboten, wirklichkeitsnahe und kostenverursachungsgerecht kalkulierte Behältergebühren zu erheben. Mit einer linearen Behältergebühr würde man diese Kosten vereinheitlichen und den Zusammenhang von konkreter Behälterinanspruchnahme und Gebührenhöhe verwischen. Würden die Anschlusspflichtigen der größeren Mehrfamilienhäuser dann z.B. überwiegend viele kleine Abfallbehälter wählen, würde die Restmüllgebühr in der Konsequenz insgesamt auf Grund der höheren Logistikkosten steigen.

12

Selbst wenn die Regelung zum Gebührenmaßstab in § 3 Abs. 1 Abfallgebührensatzung nichtig sei, führe dies nicht zu einer Gesamtnichtigkeit der Satzung. Alle anderen Gebührentarife und deren Kalkulation blieben von der konkreten Kalkulation der "Gebühr für Restmüllbehälter" unberührt und auch ohne den bestrittenen Teil sinnvoll. Deshalb sei davon auszugehen, dass es in einem solchen Fall dem (mutmaßlichen) Willen des Satzungsgebers entspreche, zumindest die übrigen Gebührentarife losgelöst davon in eine Satzung zu geben und gegebenenfalls den hier strittigen Teil gesondert (auch gegebenenfalls nachträglich) zu regeln.

13

Weiterhin macht sie geltend, der Vortrag in der Berufungserwiderung sei wegen Verspätung zurückzuweisen und deshalb unbeachtlich.

14

Darüber hinaus seien die formellen Mängel bei der Bekanntmachung der Abfallgebührensatzungen inzwischen geheilt worden.

15

Die Beklagte beantragt,

16

das auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 4. Kammer - abzuändern und die Klage abzuweisen.

17

Die Kläger beantragen,

18

die Berufung zurückzuweisen.

19

Die Satzung vom 28. Januar 2009 und die erste Änderungssatzung seien schon nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Die Intention des Gesetzgebers sei von Anfang bis Ende des Verfahrens zur Änderung des § 5 KAG LSA im Jahre 2000 die Fixierung einer linearen Gebührenstaffelung gewesen. Dies ergebe sich aus dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens und der Intention des Entwurfsverfassers. Auch aus dem Regelungszusammenhang ergebe sich eine zwingende lineare Staffelung. Der Runderlass des Innenministeriums ändere nichts, da auch dort als grundlegender Gedanke formuliert sei, dass dem Äquivalenzprinzip entsprechend Abfallgebühren grundsätzlich linear zu staffeln sein. Soweit die Beklagte meine, eine degressive Gebührenstaffelung vornehmen zu müssen, sei allein das städtische Interesse maßgeblich. Eine degressive Staffelung führe zur Stützung größerer Sammelbehälter. Diese Container befänden sich überwiegend in alten Plattenbauten, in welchen Bürger wohnten, die Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II bezögen. Dazu gehörten auch Miet- und Mietnebenkosten, die von der Kommune zu tragen sein. Unter Bezugnahme auf das Äquivalenzprinzip werde der Verursacher von Aufwendungen mit einer betriebswirtschaftlichen Kostenanalytik nur bei - aus Sicht der Beklagten passenden Stellen bis ins kleinste Detail bemüht. Zahlreiche Beispiel in anderen Bereichen der Abfallgebühren zeigten, wie auch Nichtverursacher von Leistungen/Abfällen/Abfallmengen entgegen den Vorgaben des Äquivalenzprinzips wegen linearer Kostenverteilung und daraus resultierenden Gebührenteilen belastet würden. Setze man die Abfallgebühr in ihrer Gesamtheit (Summe von Personen- und Restmüllgebühr) behältergrößenbezogen unter den Maßstab des § 5 Abs. 3a KAG LSA, so finde sich zudem in der Personengebühr ebenfalls ein Beitrag zur Degression und damit zur Nichtkonformität mit dem KAG LSA. Das rühre daher, dass die Personengebühr unabhängig von der Restabfallmenge erhoben werde und damit Viel-Abfall-Produzenten bevorzugt würden. Die Verteilung der Kostennachforderung aus dem Vorjahr sei schließlich nur willkürlich. Dies ergebe sich auch aus der Satzungsbegründung, wonach die Unterdeckung so verteilt werde, dass die Erhöhung der Restmüllgebühr für alle Behältergrößen relativ gleichmäßig erfolge.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Berufung ist begründet.

22

Der Abfallgebührenbescheid der Beklagten vom 25. Januar 2010 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2010 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

23

Die als Rechtsgrundlage herangezogene Abfallgebührensatzung der Beklagten vom 28. Januar 2009 ist, auch in der Fassung der ersten Änderungssatzung vom 25. November 2009, nichtig, da sie mit höherrangigem Recht nicht vereinbar ist. Die Staffelung der Restmüllgebühr in § 3 Abs. 1 der Abfallgebührensatzung in Verbindung mit Nr. 1.2 der Anlage zur Satzung verstößt gegen § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 1 KAG LSA.

24

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AbfG LSA erheben die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger für die Leistungen der kommunalen Abfallentsorgung auf der Grundlage von Satzungen nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes und unter Beachtung der nachfolgenden Absätze Gebühren, soweit nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird. Nach § 6 Abs. 3 AbfG LSA sollen mit dem Gebührenmaßstab wirksame und nachhaltige Anreize zur Vermeidung und Verwertung geschaffen werden. Gemäß § 5 Abs. 3a KAG LSA kann bei Einrichtungen und Anlagen, die auch dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen dienen oder bei deren Inanspruchnahme die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen gefährdet werden können, die Benutzungsgebühr für die Leistungen so bemessen werden, dass sie Anreize zu einem umweltschonenden Verhalten bietet (Satz 1). Die Gebühren für die Abwasserbeseitigung sowie für die Beseitigung und Verwertung von Abfällen sind grundsätzlich linear zu staffeln; die Abwassergebühren können degressiv bemessen werden, wenn dies im öffentlichen Interesse erforderlich ist (Satz 2).

25

§ 5 Abs. 3a Satz 2 HS 1 KAG LSA ist mit dem Verwaltungsgericht dahingehend auszulegen, dass eine degressive Staffelung von Abfallgebühren, d.h. eine Staffelung, bei der die Gebühren bei zunehmender Leistungsmenge unterproportional ansteigen, ausgeschlossen und zumindest eine lineare Staffelung vorzunehmen ist.

26

Zwar ist der Wortlaut der Regelung nicht eindeutig. Denn der Begriff "grundsätzlich" könnte sich zum einen allein darauf beziehen, dass in Anwendung der §§ 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA, 6 Abs. 3 AbfG auch eine progressive Staffelung erlaubt ist und dass (nur) bei Abwassergebühren gem. § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA eine degressive Staffelung möglich ist. Zum anderen könnte er im Sinne einer allgemeinen Ausnahmeregelung Raum für eine degressive Staffelung der genannten Gebühren in besonderen Einzelfällen eröffnen. Auch der Wortlaut des § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA lässt nicht hinreichend sicher darauf schließen, ob danach (allein) Abwassergebühren degressiv gestaffelt werden dürfen oder ob eine (eben nicht generell ausgeschlossene) degressive Staffelung bei Abwassergebühren (nur) erlaubt ist, wenn dies im öffentlichen Interesse erforderlich ist.

27

Jedoch ergibt sich das hier vertretene Ergebnis aus der Gesetzeshistorie, der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der Regelung.

28

Der mit Änderungsgesetz vom 15. August 2000 (GVBl. S. 526) eingeführte § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA geht auf einen Gesetzentwurf der PDS vom 7. April 1999 (LT-DrS 3/1386) zurück. Zur Begründung heißt es dort: "Der Gedanke einer umweltverträglichen Wassernutzung soll sich in der Gebührenbemessung niederschlagen. Mengenrabatte auf Umweltgebrauch sollen grundsätzlich nicht zugelassen werden. Eine degressive Gebührengestaltung widerspricht diesem Anliegen und ist daher ausgeschlossen." Auch wenn der Begriff "grundsätzlich" verwendet wird und nach dem Gesetzestext bei den Abwassergebühren eine degressive Staffelung gerade nicht ausgeschlossen ist, lässt diese Begründung erkennen, dass mit der Gesetzesänderung das Ziel verfolgt werden sollte, ansonsten degressive Staffelungen generell zu untersagen.

29

Die Systematik des Gesetzes spricht ebenfalls für eine solche Auslegung. § 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA bestimmt als den leitenden Grundsatz, dass die Benutzungsgebühren bei Einrichtungen, die auch dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen dienen oder bei deren Inanspruchnahme die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen gefährdet werden können, so bemessen werden dürfen, dass sie Anreize zu einem umweltschonenden Verhalten bieten. Der Regelungszusammenhang mit dem folgenden Satz 2 macht deutlich, dass die Ermächtigung in § 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA, die Bemessung von Benutzungsgebühren als Anreiz zu umweltschonenden Verhalten zu nutzen, durch den folgenden Satz 2 nicht eingeschränkt werden soll. Vielmehr knüpft diese Bestimmung an den Satz 1 in der Weise an, dass er die Ermächtigung im Satz 1 zu einer bindenden Verpflichtung macht, jedenfalls eine lineare Staffelung der Benutzungsgebühren vorzusehen. Dieser Mindeststandard soll nur unter den engen Voraussetzungen des § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA für die Abwasserbeseitigung durchbrochen und unterschritten werden dürfen (so schon OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 19. Mai 2005 - 1 L 264/03 -, zit. nach JURIS zu einer Abwassergebühr). Der Begriff "grundsätzlich" bezieht sich danach allein auf die Ausnahme in § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA. Dass das Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt IM LSA - in seinen "Auslegungshilfen zum Kommunalabgabenrecht" (Runderlass v. 6. Juni 2001 - 33.3-10500/H) eine degressive Staffelung von Abfallgebühren in besonderen Fällen für zulässig erachtet, stellt lediglich eine abweichende Rechtsmeinung dar. Sinn und Zweck des § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 1 KAG ist es daher nicht nur, im Sinne einer Soll-Vorschrift zu wirken, sondern eine zumindest lineare Staffelung der Abfallgebühren bindend vorzuschreiben. Dafür spricht im Abfallgebührenrecht nicht nur § 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA, sondern gerade auch die Regelung des § 6 Abs. 3 AbfG LSA. Diese beiden Normen zielen hinsichtlich des Gebührenmaßstabes im Ergebnis darauf ab, dass für ansteigende Abfallerzeugung auch gleichermaßen ansteigende Abfallgebühren entrichtet werden. Dass eine degressive Gebührengestaltung gerade keine wirksamen und nachhaltigen Anreize zur Vermeidung und Verwertung von Abfall setzt, sondern im Ansatz sogar den gegenteiligen Effekt hat (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 338), wird auch von der Beklagten eingeräumt.

30

Sonstige Grundsätze der Gebührenbemessung stehen dieser Auslegung nicht entgegen. Insbesondere das von der Beklagten genannte Äquivalenzprinzip hat nicht zur Folge, dass der Landesgesetzgeber an der Untersagung einer degressiven Gebührengestaltung im Abfallrecht gehindert ist (anders wohl das IM LSA im Runderlass vom 6. Juni 2001). Das aus Verfassungsrecht herzuleitende Äquivalenzprinzip, dessen landesgesetzliche Ausprägung sich nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats in § 5 Abs. 3 Satz 1 und 2 KAG LSA findet, besagt als Ausdruck des rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes lediglich, dass eine Gebührenbemessung nicht in einem "groben Missverhältnis" zu den verfolgten legitimen Gebührenzwecken stehen darf (BVerwG, Urt. v. 1. Dezember 2005 - 10 C 4/04; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 6. November 2012 - 2 BvL 51/06, 2 BvL 52/06 -, jeweils zit. nach JURIS). Es darf also zwischen erbrachter Leistung und Gebühr kein grobes Missverhältnis bestehen. Zwar seien dem Äquivalenzprinzip Vorgaben zu entnehmen, die bei landesrechtlichen Gebührenregelungen zu beachten seien. Dem Landesrecht verblieben insoweit aber, insbesondere was die Verknüpfung der Gebührenhöhe mit den aufgewandten Kosten angehe, umfangreiche Gestaltungsspielräume (so BVerwG, Beschl. v. 27. Mai 2003 - 9 BN 3/03 -, zit. nach JURIS). Selbst wenn unbestritten bei höheren Müllmengen verbunden mit größeren Abfallbehältern eine Kostenersparnis bzw. eine Leistungsreduzierung eintritt, ist diese von vornherein nicht so erheblich, dass bei einer streng linearen Gebührenstaffelung ein das Äquivalenzprinzip verletzendes Ungleichgewicht vorliegt. Dies wird auch nicht von der Beklagten vertreten. Dementsprechend ist nach der herrschenden Meinung im Abfallgebührenrecht - bei Nichtvorliegen einer entgegengesetzten landesrechtlichen Regelung - eine degressive Gebührenstaffelung gegenüber einer linearen Steigerung nicht rechtlich geboten, sondern kann lediglich zulässig sein (vgl. OVG Sachsen, Urt. v. 11. Dezember 2002 - 5 D 13/02 -; OVG Thüringen, Urt. v. 11. Juni 2001 - 4 N 47/96 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 25. November 1999 - 12 A 12472/98 -, jeweils zit. nach JURIS; VGH Bayern, Urt. v. 6. Juni 1984 - 4 B 81 A.2310 -, BayVBl. 1985, 17, 18; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 214; 338; 754, 765; Wenzel/v. Bechtolsheim, LKV 2004, 18, 19; offen gelassen von VGH Hessen, Beschl. v. 24. August 1995 5 N 2019/92 -, jeweils zit. nach JURIS; anders VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 30. Januar 1997 - 2 S 1891/94 -, zit. nach JURIS m.w.N. für Müllgebühren je Haushaltsangehörigen bzw. je Bewohner eines Grundstücks; vgl. auch Thiem/Böttcher, KAG SH, § 6 Rdnr. 424). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat schon entschieden, dass im Benutzungsgebührenrecht weder aus dem Äquivalenzprinzip noch aus dem Gleichheitssatz ein Anspruch auf eine Gebührendegression folge (so BVerwG, Urt. v. 15. März 1983 - 8 C 167.81 -, zit. nach JURIS m.w.N.).

31

Die weiteren Einwendungen der Beklagten in diesem und dem Parallelverfahren sind ebenfalls nicht durchgreifend.

32

Aus der Verwendung der Begriffe "Beseitigung" und "Verwertung" in § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA lässt sich nicht schließen, der Gesetzgeber habe bewusst nicht den Oberbegriff "Abfallentsorgung" gewählt mit der Folge, dass allenfalls für einzelne Teilleistungsbereiche ein Verbot der degressiven Gebührenstaffelung gelte. Diese beiden Begriffe hatten nach der zum Zeitpunkt der Einführung des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA geltenden Gesetzeslage (vgl. § 3 Abs. 7 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz in der ab 11. Mai 2000 geltenden Fassung; § 12 Abs. 1 AbfG LSA vom 10. März 1998) einen umfassenden Bedeutungsgehalt und stellen daher eine Entsprechung zu dem in § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA ebenfalls verwendeten Begriff "Abwasserbeseitigung" dar. Soweit die Beklagte geltend macht, die Gebührenbelastung werde bei einer linearen Gebührengestaltung auf Grund von höheren Logistikkosten insgesamt steigen, handelt es sich um eine reine Spekulation. Für die von ihr genannte Befürchtung, es werde zu einem Austausch von großen Abfallbehältern gegen (mehrere) kleinere Behälter kommen, hat sie schon keinen Anhaltspunkt genannt. Im Übrigen dürfte selbst eine solche Folge nichts an der Auslegung des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA und dessen Vereinbarkeit mit sonstigen gebührenrechtlichen Grundsätzen ändern. Ob die Staffelung der Restmüllgebühr (auch) gegen die Vorgaben der §§ 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA, 6 Abs. 3 AbfG LSA verstößt, spielt keine Rolle, weil es darauf bei einem Verstoß der Satzung gegen § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA nicht ankommt. Die im Übrigen von der Beklagten vorgebrachten Argumente, insbesondere die genannten Belege für eine abnehmende Kostenbelastung bzw. abnehmende Leistungserbringung bei steigenden Behältergrößen, sind zwar durchaus geeignet, auf der Ebene der Satzungsgestaltung die Einführung einer Degression zu stützen. Sie sind aber gegenüber den genannten Anhaltspunkten in der Entstehungsgeschichte des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA, der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der Norm nicht ausreichend, um eine abweichende Auslegung der streitbefangenen Norm zu rechtfertigen. Angesichts der Einschränkung durch den Landesgesetzgeber ist es daher auch von vornherein unbeachtlich, dass grundsätzlich auch dem Satzungsgeber bei der Gestaltung des Gebührenmaßstabs ein erheblicher Gestaltungsspielraum zukommt. Ob die Bestimmung des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA die sachgerechteste Vorgabe für eine Gebührengestaltung beinhaltet, ist bei der Auslegung des Gesetzes schließlich nicht Gegenstand der richterlichen Prüfung. Entscheidend sind allein der objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich nach Anwendung der üblichen Auslegungsmethoden darstellt, und die Untersuchung, ob die Norm in der gefundenen Auslegung wiederum mit höherrangigem (Verfassungs-)Recht vereinbar ist.

33

Die Regelungen zur Restmüllgebühr in der Abfallgebührensatzung der Beklagten vom 28. Januar 2009 sowie in der Abfallgebührensatzung in der Fassung der ersten Änderungssatzung vom 25. November 2009 stehen danach mit § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA nicht in Übereinstimmung. Die Staffelung der Restmüllgebühr in § 3 Abs. 1 der Abfallgebührensatzung in Verbindung mit Nr. 1.2 der Anlage zur Satzung ist auf Grund der Festlegung der Gebührenhöhe für die einzelnen Behältergrößen weitestgehend degressiv ausgestaltet. Die Beklagte räumt dies auch ein, und dieser Umstand wird in der von ihr vorgelegten Stellungnahme der (...) ausdrücklich bestätigt. Dass durch den Entsorgungsrhythmus keine Degression eintritt, ist danach unbeachtlich. Ob einzelne Kostenbestandteile der Restmüllgebühr je nach Behältergröße unterschiedlich hoch sind, hat für die Frage der Rechtmäßigkeit des Gebührenmaßstabs von vornherein keine Bedeutung. Denn es kommt allein auf den Gebührenmaßstab bzw. die Gebührenstaffelung an und nicht auf die Gebührenkalkulation (vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 3. November 2006 - 4 L 284/05 -, zit. nach JURIS).

34

Der aufgezeigte Mangel hat zur Folge, dass die Gebührenregelungen in der Satzung insgesamt nichtig sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zuletzt Beschl. v. 24. Februar 2012 - 9 B 80/11 -, zit. nach JURIS m.w.N.) führt die Ungültigkeit eines Teils einer kommunalen Satzungsbestimmung dann nicht zu ihrer Gesamtunwirksamkeit, wenn die übrigen Teile auch ohne den ungültigen Teil sinnvoll bleiben (Grundsatz der Teilbarkeit) und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wären (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers). Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die jeweils einzeln kalkulierten Gebührentarife blieben - jeweils für sich betrachtet - sinnvoll und ergäben eine Kostendeckung, so dass es in einem solchen Fall dem (mutmaßlichen) Willen des Satzungsgebers entspreche, zumindest die übrigen Gebührentarife gegebenenfalls gesondert zu regeln. Wie der erkennende Senat aber schon mehrfach entschieden hat, kann man nicht davon ausgehen, es entspreche regelmäßig dem Willen des Satzungsgebers, dass für den Fall der Unwirksamkeit eines Teils der Satzung die übrige Satzung Geltung behalte. Eine solche Regelvermutung besteht gerade nicht. Dass die Körperschaft bei Annahme einer Teilnichtigkeit befugt wäre, den nichtigen Teil der Satzung rückwirkend zu heilen, ist für die Auslegung ihres (hypothetischen) Willens ohne Bedeutung (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 30. November 2006 - 4 L 320/06 -, Urt. v. 14. April 2008 - 4 L 181/07 - und Beschl. v. 17. November 2010 - 4 L 213/09 - jeweils zit. nach JURIS m.w.N.). Da die Beklagte die Abfallgebühren mit einem in sich geschlossenen und aufeinander abgestimmten Gebührensystem erhebt, dessen wesentliche Bestandteile die Personen- und Restmüllgebühr sind, ist ohne deutliche Indizien gerade nicht anzunehmen, dass bei der Nichtigkeit eines Teils dieses Gesamtgefüges der restliche Teil bestehen bleiben soll. Solche Anhaltspunkte sind aber weder substanziiert geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

35

Dass die Gebührenerhebung auf eine vorhergehende Gebührensatzung gestützt werden kann, hat die Beklagte schon nicht geltend gemacht. Es kann daher offen bleiben, ob sich die Gesamtnichtigkeit der Satzung nicht auf die Regelung über das Inkrafttreten der Abfallgebührensatzung vom 28. Januar 2009 bezieht, mit der die Vorgängersatzung aufgehoben worden ist (so OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 28. Januar 2009 9 A 1.07 -; VGH Bayern, Beschl. v. 26. Februar 2001 - 23 ZS 00.2999 -; Rosenzweig/Fresse, KAG Nds, § 2 Rdnr. 31 m.w.N.; a.M.: VG Potsdam, Urt. v. 8. November 2012 - 6 K 1249/11 -, jeweils zit. nach JURIS).

36

Nicht entschieden werden muss noch danach, ob die unter dem Gesichtspunkt der relativ gleichmäßigen Erhöhung der Restmüllgebühr für alle Behältergrößen vorgenommene Verteilung der Kostenunterdeckung zu beanstanden ist. Da ohnehin keine Verbindung zwischen den in einem vorherigen Kalkulationszeitraum entstandenen Kostenunterdeckungen und dem Verhalten der Gebührenpflichtigen des darauffolgenden Kalkulationszeitraums besteht (vgl. dazu Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 92, 101)) und § 5 Abs. 2b Satz 2 KAG LSA nur allgemein den "Ausgleich" von Kostenunterdeckungen vorsieht, reicht es aus, wenn diese Verteilung auf die Behältergrößen nicht willkürlich erfolgt, sondern nach objektiv nachvollziehbaren Kriterien vorgenommen wird, die den Gesichtspunkt der Praktikabilität einbeziehen dürfen (vgl. auch VGH Hessen, Beschl. v. 8. September 2005 - 5 N 3200/02 -, zit. nach JURIS).

37

Die in der Berufungserwiderung vorgebrachten Einwendungen der Kläger, die sich auf eine Verletzung des Äquivalenzprinzips beziehen, dürften dagegen von vornherein nicht durchgreifend sein. Die Kläger sehen dieses Prinzip dann als verletzt an, wenn Kosten der Abfallbeseitigung innerhalb der Personen- bzw. Restmüllgebühr auf sämtliche Gebührennutzer umgelegt werden, obwohl die entsprechenden Leistungen nicht gegenüber allen Gebührennutzern erbracht bzw. die Kosten nicht von allen Gebührennutzern verursacht werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dem Satzungsgeber bei der Bestimmung des Gebührenmaßstabs für Abfallgebühren ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet, dessen Grenzen mit Blick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG erst dann überschritten sind, wenn die Gebührenregelung nicht mehr durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Der jeweilige Satzungsgeber kann je nach den konkreten Umständen eine Auswahl unter den verschiedensten Gebührenmodellen treffen, ohne dass sich aus dem Gleichheitsgrundsatz eine Präferenz für einen bestimmten Gebührenmaßstab ergibt. Zur Wahl stehen neben mengen- oder gewichtsorientierten auch personen-, haushalts- oder grundstücksbezogene Gebührenmaßstäbe; auch Kombinationen kommen in Betracht. Nach dem Äquivalenzprinzip darf nur zwischen erbrachter Leistung und Gebühr kein grobes Missverhältnis bestehen. Dabei verbleibt dem Satzungsgeber bei Beantwortung der Frage, in welcher Weise eine sachgerechte Verbindung zwischen dem Wert seiner Leistung und der auf den Anschlusspflichtigen entfallende Gebühr bewirkt werden soll, ein weiter Ermessenspielraum (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19. Dezember 2007 - 7 BN 6/07 -, zit. nach JURIS m.w.N.). Verfassungsrechtlich geboten ist nicht, dass dem unterschiedlichen Maß der Inanspruchnahme staatlicher Leistung genau Rechnung getragen wird, sondern nur, dass in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit eine verhältnismäßige Belastungsgleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibt (BVerwG, Urt. v. 1. Dezember 2005 - 10 C 4/04 -, zit. nach JURIS). Auch sonst hat das Bundesverwaltungsgericht anerkannt, dass das Äquivalenzprinzip und der Gleichheitssatz es nicht verlangen, dass Benutzungsgebühren strikt nach dem Maß der durch die jeweilige Benutzung verursachten Kosten erhoben werden müssen. Vielmehr ist auch der Gesichtspunkt der Praktikabilität hinsichtlich der Ermittlung der jeweiligen Kosten zu beachten (BVerwG, Urt. v. 7. Dezember 2000 - 11 C 7/00 -, zit. nach JURIS; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 2007, a.a.O.). Danach ist eine pauschalierende Gebührenerhebung im Abfallrecht, die nicht strikt auf die erbrachten Leistungen bzw. entstandenen Kosten abstellt (vgl. zu einem einheitlichen Maßstab nach dem Restabfallbehältervolumen Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 765a; Rosenzweig/Freese, KAG Nds, § 5 Rdnr. 329 jeweils m.w.N.), grundsätzlich nicht zu beanstanden.

38

Offen bleiben kann, ob die Bekanntmachung der Ausfertigung der ersten Änderungssatzung formell ordnungsgemäß erfolgt ist. Es ist grundsätzlich unverzichtbar, dass bei einer gemeindlichen Satzung die Unterschrift des Bürgermeisters als nach der Gemeindeordnung notwendiges Element des Rechtsetzungsverfahrens ebenso mit der Satzung veröffentlicht wird wie das Datum der Unterschriftsleistung (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23. November 2012 - 4 L 135/12 -, zit. nach JURIS m.w.N.). Bei der Abfallgebührensatzung vom 28. Januar 2009 wurde ein solcher Ausfertigungsvermerk mit der Satzung bekannt gemacht; dass die Wiedergabe der Unterschrift in Form einer "maschinengedruckten" Namensangabe erfolgte, ist ausreichend (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23. November 2012, a.a.O.). Dagegen genügte der bei der ersten Änderungssatzung lediglich vorgenommene Abdruck einer "Bekanntmachungsanordnung" nicht den rechtlichen Vorgaben an die Bekanntmachung eines Ausfertigungsvermerks (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23. November 2012, a.a.O.). Unterbleibt die Veröffentlichung des Ausfertigungsvermerks gemeinsam mit der Satzung oder ist die Veröffentlichung dieses Vermerks fehlerhaft bzw. unvollständig, kommt grundsätzlich in Betracht, dass die gesamte Satzung mit dem vollständigen Ausfertigungsvermerk im Wege einer wiederholenden Bekanntmachung nochmals veröffentlicht wird oder eine neue Ausfertigung erfolgt mit anschließender Bekanntmachung der Satzung und eines neuen Ausfertigungsvermerks. Ansonsten ist der Mangel nur dann unbeachtlich, wenn die Satzung bei der Bekanntmachung tatsächlich ausgefertigt war und die Ausfertigung der Satzung in der üblichen Form jedenfalls nachträglich bestätigt wird (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 11. September 2012, a.a.O.; Beschl. v. 24. November 2010 - 4 K 368/08 -, zit. nach JURIS; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 7. Juni 1978 - VII C 63.76 -, zit. nach JURIS). Eine solche Bestätigung kann einmal durch eine nachträgliche Bekanntmachung einer rechtsverbindlichen Erklärung erfolgen, dass die Satzung zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung ordnungsgemäß ausgefertigt war. Diese Erklärung muss von dem zum Zeitpunkt der Erklärung amtierenden Bürgermeister abgegeben werden, weil dieser das nach § 6 Abs. 2 Satz 2 GO LSA das für die Ausfertigung und Bekanntmachung von Satzungen zuständige Gemeindeorgan ist und eine derartige Erklärung eine über eine redaktionelle Berichtigung hinausgehende Ergänzung des zum Rechtsetzungsverfahren gehörigen Formalakts darstellt. Zum anderen kann die Bestätigung durch eine redaktionelle Berichtigung (vgl. dazu auch § 61 Abs. 3 Satz 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien) der Satzung erfolgen, mit der der - allein im Rahmen der Veröffentlichung - aufgetretene Mangel erläutert und der vollständige Ausfertigungsvermerk nochmals veröffentlicht wird. Eine derartige Berichtigung muss auch nicht durch den zum Zeitpunkt der Berichtigung amtierenden Bürgermeister unterzeichnet sein, wenngleich die Angabe der veranlassenden Verwaltung der Gemeinde zumindest als Orientierung hilfreich wäre. Die Beklagte hat in dem Amtsblatt vom 13. Februar 2013 ausdrücklich im Wege einer "Bekanntmachung" eine Erklärung zur Ordnungsgemäßheit der Ausfertigung der Satzung veröffentlicht und gleichzeitig den ursprünglichen Ausfertigungsvermerk beigefügt, ohne dass der zum Zeitpunkt dieser Bekanntmachung amtierende Bürgermeister die Bekanntmachung unterzeichnet hat. Es ist nach den oben dargestellten Überlegungen deshalb problematisch, ob es sich um die Bekanntmachung einer Bestätigungserklärung oder eine redaktionelle Berichtigung gehandelt hat.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

40

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

41

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.

42

Beschluss

43

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 87,60 € festgesetzt.

44

Gründe:

45

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.

46

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO; 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Zweitwohnungssteuerbescheides.

2

Der Kläger unterhielt im Zeitraum vom 1. Oktober 2007 bis zum 9. Juli 2009 im Stadtgebiet der Beklagten einen Zweitwohnsitz. Erstwohnsitz war damals der elterliche Haushalt in Auerbach im Vogtland. Der Kläger absolvierte im Stadtgebiet der Beklagten eine berufliche Ausbildung. Nachdem er in der Beklagten seine berufliche Tätigkeit aufgenommen hatte, verlagerte er seinen Hauptwohnsitz in die Beklagte.

3

Die Beklagte zog den Kläger mit Bescheid vom 5. März 2010 zu einer Zweitwohnungssteuer heran und zwar für die Zeit vom 1. Oktober 2007 bis zum 31. Dezember 2007 in Höhe von 61,94 EUR, für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2008 in Höhe von 247,78 EUR und für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 30. Juli 2009 in Höhe von 144,48 EUR. Das ergab insgesamt einen Zahlbetrag von 454,20 EUR. Der Kläger erhob Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 30. Juni 2010 zurückgewiesen wurde. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 3. Juli 2010 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.

4

Am 2. August 2010 hat der Kläger beim erkennenden Gericht Klage erhoben.

5

Er trägt im Wesentlichen vor, seine Besteuerung sei unzulässig. Die Beklagte verfüge über keine wirksame Satzung für die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer. Die gleichwohl erfolgte Steuererhebung verletze ihn daher in seinen subjektiven Rechten. Die Zweitwohnungssteuersatzung der Beklagten umfasse einen zu weiten Personenkreis. Das bedeute, es würden Personen besteuert, die aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben nicht der Besteuerung unterworfen werden könnten. Dies führe zum Wegfall der Bestimmung des Steuerpflichtigen und damit mittelbar zum Unwirksamwerden der gesamten Satzung. Diese Folge könne nicht durch eine analoge Anwendung in der Satzung enthaltener Befreiungstatbestände geschlossen werden. Es fehle an sämtlichen Voraussetzungen für eine Analogie. Schon die erforderliche Regelungslücke sei nicht gegeben. Die Beklagte habe innerhalb der Satzung den der Analogie zu unterwerfenden Teil anderweitig geregelt, nämlich im Sinne einer Besteuerung. Zudem sei eine den Bürger belastende Analogie nicht möglich. Das sei hier der Fall, wenn eine belastende Norm nur aufgrund einer Analogiebetrachtung zur Erhebung einer Steuer tauglich sei und auf diese Norm dann die Steuer gegründet werde. In Wirklichkeit nehme die Beklagte auch keine analoge Anwendung ihres Ausnahmetatbestandes vor, sondern reduziere den Steuertatbestand teleologisch. Das sei methodisch aber nicht durchführbar.

6

Die Änderung der Zweitwohnungssteuersatzung durch die 1. Änderungssatzung im Jahre 2010 behebe mangels Rückwirkung das Problem ebenfalls nicht.

7

Im Übrigen lasse sich der Vortrag der Beklagten zu ihrer Verwaltungspraxis nicht nachvollziehen. Jedenfalls gegenüber Studierenden werde nicht hinsichtlich der Ausnahmetatbestände belehrt, wie sich aus dem von ihm eingereichten Merkblatt der Beklagten ergebe.

8

Aber auch ohne die beanstandete Analogie sei die Satzung aufgrund Unbestimmtheit unwirksam. Nicht aus ihr, sondern aus anderen Umständen ergäbe sich der Umfang der Steuerpflicht.

9

Der Kläger beantragt,

10

den Bescheid der Beklagten vom 5. März 2010 und deren Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2010 aufzuheben.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid und den Widerspruchsbescheid. Sie hält ihre Satzung für rechtswirksam und für eine taugliche Grundlage der Steuererhebung. Zwar sei für die hier streitigen Steuerjahre der Umfang der Steuerpflicht im Wortlaut der Satzung zu weit geraten. Das werde aber geheilt durch die analoge Anwendung des Ausnahmetatbestandes des § 1 Abs. 5 Buchst. c). Nach dieser Vorschrift seien keine Zweitwohnungen im Sinne dieser Satzungen eine aus beruflichen Gründen, zu Schul- oder zu Ausbildungszwecken gehaltene Wohnung eines nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft führenden Einwohners, dessen eheliche Wohnung oder eingetragene lebenspartnerschaftliche Wohnung sich in einer anderen Gemeinde befinde. Diese Regelung könne analog auf minderjährige Kinder, aber auch auf Sorgeberechtigte übertragen werden. Solche Umstände lägen auch nur sehr selten vor. Die Beklagte habe bisher auch noch keinen derartigen Fall zur Zweitwohnungssteuer veranlagt, die Ausnahmeregelung werde also auch in analoger Anwendung in der Verwaltungspraxis beachtet.

14

Die Beteiligten haben den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt, soweit eine Zweitwohnungssteuer im Steuerjahr 2007 erhoben worden ist.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

16

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen

17

Im Übrigen ist die zulässige Klage auch begründet.

18

Der angefochtene Bescheid und der Widerspruchsbescheid sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

19

Beide Bescheide bedürfen, weil sie in den Rechtskreis des Klägers eingreifen, einer wirksamen gesetzlichen Grundlage. Daran fehlt es vorliegend.

20

Rechtsgrundlage für die Erhebung der Zweitwohnungssteuer kann vorliegend nur die vom Stadtrat der Beklagten am 27. Mai 2009 beschlossene Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer sein, die im Amtsblatt der Beklagten vom 3. Juni 2009, S. 6 bekannt gemacht wurde – Zweitwohnungssteuersatzung 2009, ZWStS 2009 -. Die 1. Änderung dieser Satzung, die der Stadtrat am 24. November 2010 beschlossen hat und die im Amtsblatt der Beklagten vom 8. Dezember 2010, S. 5 bekannt gemacht wurde, hat für den hier zu prüfenden Besteuerungszeitraum keine Bedeutung, weil diese Änderungssatzung nach ihrem § 2 am Tage nach der Bekanntmachung, also am 9. Dezember 2010 in Kraft tritt und das für das damals bereits abgelaufene Steuerjahr 2009 sowie die Jahre zuvor keine weitere Bedeutung haben kann.

21

Die Zweitwohnungssteuersatzung 2009 ist aber keine für die Erhebung der Steuer taugliche Rechtsgrundlage. Sie ist aus formellen und materiellen Gründen unwirksam.

22

Zwar ist die Beklagte grundsätzlich berechtigt, eine Zweitwohnungssteuer als eine örtliche Aufwandssteuer zu erheben. Das dementsprechende Steuerfindungsrecht aus Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG hat das Land Sachsen-Anhalt mit § 3 Abs. 1 Satz 1 KAG-LSA auf die Gemeinden übertragen. Damit ist die Gemeinde zur Entscheidung befugt, ob und gegebenenfalls welche örtliche Aufwandsteuer sie erhebt. Sie ist aber nur berechtigt, Aufwandsteuern im bundesrechtlich vorgegebenen Rahmen zu erheben und muss gleichzeitig die für Steuern geltenden gesetzlichen Vorschriften des Landes Sachsen-Anhalt beachten. Dazu gehören auch die Verfahrensvorschriften des Kommunalrechts. Die Zweitwohnungssteuersatzung 2009 ist aber nicht wirksam veröffentlicht (dazu nachstehend 1.), sie enthält zudem materielle Fehler (dazu nachstehend 2.).

23

1. Die Zweitwohnungssteuersatzung 2009 ist nicht ordnungsgemäß veröffentlicht. In dem Amtsblatt vom 3. Juni 2009 ist der Text der Zweitwohnungssteuersatzung veröffentlicht, zudem ist noch eine Bekanntmachungsanordnung der Oberbürgermeisterin beigefügt. Es fehlt aber an dem nach Landesrecht erforderlichen Ausfertigungsvermerk. § 6 Abs. 2 Satz 2 GO LSA bestimmt, dass Satzungen von dem Bürgermeister zu unterzeichnen und bekannt zu machen sind. Mit der Ausfertigung wird bezeugt, dass der Inhalt der Urkunde (also der Satzungstext) mit dem Beschluss des zuständigen Organs (hier des Stadtrates) übereinstimmt. Daher ist es grundsätzlich unverzichtbar, dass auch die Unterschrift des Bürgermeisters (im Falle der Beklagten der Oberbürgermeisterin) als nach der Gemeindeordnung notwendiges Element des Rechtssetzungsverfahrens mit der Satzung veröffentlicht wird. Unterbleibt diese Veröffentlichung des Ausfertigungsvermerks gemeinsam mit der Satzung, so kann dies nur dann unbeachtlich sein, wenn die Satzung bei der Bekanntmachung tatsächlich ausgefertigt war und die Bekanntmachung der Ausfertigung der Satzung in der üblichen Form jedenfalls nachträglich getätigt wird (vgl. OVG Magdeburg, Beschluss vom 24. November 2010 – 4 K 368/08 – juris m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind für die Zweitwohnungssteuersatzung 2009 der Beklagten vom 27. Mai 2009 nicht erfüllt. Der Veröffentlichung der Satzung im Amtsblatt vom 3. Juni 2009 war kein Ausfertigungsvermerk beigefügt. Ein solcher ist auch nicht nachträglich bekannt gemacht worden, so dass offen bleiben kann, ob zum Zeitpunkt der Bekanntmachung die Zweitwohnungssteuersatzung 2009 von der Oberbürgermeisterin der Beklagten ausgefertigt worden war. Auch für die 1. Änderung der Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer gilt nichts anderes. Auch ihrer Bekanntmachung im Amtsblatt der Beklagten vom 8. Dezember 2010 war kein Ausfertigungsvermerk beigefügt. Auch für diese Satzungsänderung ist dieser Bekanntmachungsvermerk nicht nachgeholt worden.

24

Schon dieser Fehler führt zur vollständigen Unwirksamkeit der Satzung.

25

Es kann hier auch nicht auf die Vorgängersatzungen wie die vom Stadtrat der Beklagten am 29. März 2006 beschlossene Satzung der Beklagten über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer (Amtsblatt vom 12. April 2006, S. 4) oder die vom Stadtrat am 25. Juni 2003 beschlossene Satzung der Beklagten über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer (Amtsblatt der Beklagten vom 10. September 2003, S. 11) zurückgegriffen werden. Diese beiden Satzungen enthalten denselben Ausfertigungsfehler und sind auch aus materiellen Gründen – was die Beklagte selbst nicht mehr in Abrede stellt – unwirksam.

26

2. Die Zweitwohnungssteuersatzung 2009 ist auch materiell rechtswidrig und damit nichtig.

27

a) Für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 3. Juni 2009 verfügt diese Satzung über keine wirksame Definition des Steuergegenstandes. Steuergegenstand ist nach § 1 Abs. 2 jede weitere Wohnung gemäß Abs. 4,

28
a. die dem Eigentümer oder Hauptmieter als Nebenwohnung im Sinne des Meldegesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vom 11. August 2004 in der jeweils geltenden Fassung dient,
29
b. die der Eigentümer oder Hauptmieter unmittelbar oder mittelbar einem Dritten entgeltlich oder unentgeltlich überlässt und die diesem als Nebenwohnung im vorgenannten Sinne dient oder
30
c. die jemand neben seiner melderechtlichen Hauptwohnung zu Zwecken des eigenen persönlichen Lebensbedarfes oder des persönlichen Bedarfes seiner Familie innehat. […]
31

Nach § 1 Abs. 4 ZWStS 2009 ist Wohnung im Sinne dieser Satzung jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird. Diese Definition soll nach § 23 ZWStS 2009 rückwirkend zum 1. Januar 2004 in Kraft treten und die Satzung ersetzen, welche der Stadtrat in seiner Tagung am 29. März 2006 beschlossen hat.

32

Diese Bestimmung der Wohnung und damit des Steuergegenstandes kann aber für den Rückwirkungszeitraum nicht angewandt werden, sie ist in diesem Zeitraum nichtig. Denn mit dieser Definition ist eine Ausweitung des Steuertatbestandes auf bisher nicht der Besteuerung unterliegende Aufwendungen verbunden und damit auch zugleich eine Erweiterung des zu besteuernden Personenkreises. Die Erfassung bisher nicht steuerpflichtiger Personen oder Verhältnisse, hier weiterer Zweitwohnungen und Zweitwohnungsinhaber, stellt eine unzulässige Rückwirkungsanordnung dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 – 2 BvR 1275/79 – BVerfGE 65, 325 = juris RN 100 letzter Satz).

33

Steuergegenstand war und ist nach allen Satzungen das Innehaben einer Zweitwohnung. Geändert wurde aber, welche Zweitwohnungen einen zu besteuernden Aufwand verursachen, mit anderen Worten, welche Beschaffenheit eine Zweitwohnung mindestens aufweisen muss. Nach der am 29. März 2006 beschlossenen (alten) Satzung war nach § 1 Abs. 4 eine Wohnung jede Gesamtheit von Räumen, die zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird. Die Erweiterung ergibt sich daraus, dass nach der Neufassung ein Raum genügt (jeder Raum), während der früheren Fassung mehrere Räume zur Verfügung stehen mussten. Denn „ein Raum“ ist nicht geeignet, den Begriff der Gesamtheit von Räumen zu erfüllen. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass das Wohnen typischerweise schon deshalb mehrere Räume erfordert, weil die Benutzung von Fluren, Toilettenräumen oder Bädern bei einer Wohnnutzung zu erwarten ist. Denn entscheidend für die Frage, ob ein Sachverhalt der Besteuerung unterliegt ist ausschließlich, ob er den Tatbestand der Norm erfüllt. Und diesen Tatbestand erfüllen nach der neuen Fassung auch solche Wohnungen, die lediglich aus einem zum Wohnen oder Schlafen benutzten Raum bestehen. Das ist durchaus denkbar, wenn eine gesonderte Küche und/oder eine abgeschlossene Toilette nicht vorhanden sind. Deshalb muss auch nicht ausgelegt werden, ob eine Toilette zum Wohnen benutzt wird.

34

Das führt zur Unwirksamkeit der Wohnungsdefinition in § 1 Abs. 4 ZStS 2009. Eine Teilnichtigkeit kommt im Rückwirkungszeitraum nicht in Betracht, weil es keine textlich gesonderte Vorschrift gibt, die entfallen kann. Eine Normergänzung kann – auch zur Normerhaltung – nur durch den Satzungsgeber, nicht aber durch die zur Umsetzung berufene Verwaltung und auch nicht durch das Gericht erfolgen. Damit fehlt es aber an der Bestimmung des Steuergegenstandes, der zu den Essentialia einer Steuersatzung gehört. Die übrigen Regelungen genügen nicht, weil sich aus ihnen nicht ableiten lässt, welche tatsächlichen Voraussetzungen eine Wohnung erfüllen muss. Es kann hierzu auch nicht auf den Wohnungsbegriff des Melderechts zurückgegriffen werden. Dieser ist für einen anderen Zweck konzipiert, nämlich möglichst umfassend feststellen zu können, wo sich im Staatsgebiet befindliche Personen überwiegend aufhalten. Im Übrigen wäre dieser Begriff ebenfalls weiter als der Wohnungsbegriff in der Satzung von 2006.

35

Die Satzung ist daher insgesamt nicht zur Steuererhebung tauglich.

36

b) Die Zweitwohnungssteuersatzung 2009 ist auch aufgrund eines Gleichheitsverstoßes zu beanstanden. Zwar verfügt der Satzungsgeber über einen weiten Ermessensspielraum, welche Steuerquellen er ausschöpft und an welche, eine Leistungsfähigkeit aufzeigende Handlungen er keine Steuerpflicht knüpft. Wenn der Satzungsgeber aber eine Belastungsentscheidung trifft und damit eine Steuerquelle anzapft, so ist er an die Grundsätze der Belastungsgleichheit und Systemgerechtigkeit gebunden. Anders als bei der Frage, ob die Belastung vorgesehen wird, bei der der Normgeber nur einer Willkürkontrolle unterliegt, ist die Ausgestaltung, d.h. die Umsetzung der Belastungsentscheidung durch die Steuersatzung, einer näheren Prüfung anhand des Gleichheitssatzes unterworfen. Abweichungen von einer Belastungsentscheidung bedürfen einer Sachlegitimation, soweit sie nicht durch Gründe der Praktikabilität und Typengerechtigkeit gerechtfertigt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 2006 - 1 BvL 10/02 - juris RN 97 m.w.N.).

37

Gemessen an diesen Maßstäben ist die Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 1 ZWStS 2009, wonach ein Steuerpflichtiger eine Zweitwohnung erst dann innehat, wenn er sie mindestens 3 Monate pro Jahr nutzt, nicht zu rechtfertigen.

38

Die Beklagte als Satzungsgeberin hat die Belastungsentscheidung getroffen, die von ihr angenommene besondere Leistungsfähigkeit zu besteuern, die sich durch die Einkommensverwendung für eine Zweitwohnung manifestiert. Besteuert wird damit der Aufwand, der zwangsläufig anfällt, wenn jemand eine Wohnung unterhält, wobei eine Besteuerung der Erstwohnung unterbleibt. Mit anderen Worten ist das die Besteuerung der gezeigten zusätzlichen Leistungsfähigkeit für das Innehaben einer Wohnung, wenn der Wohnbedarf durch eine vorhandene andere Wohnung (der Erstwohnung) bereits gedeckt ist. Dieser Konsumaufwand wird als typischer Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit angenommen. Es bleibt dabei außer Betracht, von wem und mit welchen Mitteln der Aufwand finanziert wird und welche Zwecke mit der jeweiligen Zweitwohnung verfolgt werden.

39

Die Beklagte geht dabei von der naheliegenden Erwartung aus, dass das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf neben der Hauptwohnung ein Zustand ist, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt.

40

Anhand dieses Belastungsmaßstabes stellt die Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 1 ZWStS 2009 einen Fremdkörper dar. Nach dieser Vorschrift hat ein Steuerpflichtiger eine Zweitwohnung erst dann inne, wenn er sie mindestens 3 Monate im Jahr nutzt. Diese Norm definiert nach ihrem Wortlaut zwar den Begriff des Innehabens und damit ein Merkmal, das selbst für die Steuerpflicht konstituierend ist. Sie stellt auf die tatsächliche Nutzung der Wohnung ab. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut. Nutzen ist im deutschen Sprachgebrauch etwas Tatsächliches.

41

Das aufgrund des Wortlautes gefundene Ergebnis wird auch von systematischen Erwägungen gestützt. Einerseits wird im § 1 Abs. 3 Satz 1 2009 für die Dauer auf das Jahr („pro Jahr“) abgestellt. Damit wird aber vorausgesetzt, dass der Zugriff auf die Wohnung als Mieter oder Eigentümer für längere Zeiträume besteht; satzungsrechtliches Leitbild ist dabei die (ununterbrochene) Nutzungsmöglichkeit über mehrere Kalenderjahre. Zu der Nutzungsmöglichkeit muss noch etwas anderes hinzukommen, nämlich die Nutzung. Erst wenn auch diese gegeben ist, hat jemand eine Zweitwohnung inne. Das einzige denkbare zusätzliche Merkmal ist die tatsächliche Nutzung des Gegenstandes durch den Genuss der damit verbundenen Vorteile durch Wohnen oder Schlafen im Raum. Andererseits steht die Regelung direkt vor § 1 Abs. 3 Satz 2 ZWStS 2009, der mit demselben Begriff „nutzt“ einen Wechsel der tatsächlichen Nutzungsart in eine nicht steuerpflichtige für unbeachtlich erklärt. Das kann aber nur greifen, wenn der Nutzer weiter die Verfügungsbefugnis besitzt. Auch im Übrigen ist die Trennung zwischen einer tatsächlichen Nutzung und einer Nutzungsmöglichkeit im Abgabenrecht bekannt und weit verbreitet. Bei Sonderlasten wird im ersten Fall eine Gebühr, im zweiten ein Beitrag erhoben.

42

Durch diese Definition erfolgt in zahlreichen Fällen eine Trennung der Steuerpflicht von dem Aufwandsbegriff. Das Innehaben einer Wohnung wird nämlich durch diese Definition nicht mit dem besteuerbaren Aufwand verknüpft. Besteuert werden kann durch eine Aufwandsteuer nur der Aufwand, wobei an einen äußerlich wahrnehmbaren Lebenssachverhalt angeknüpft werden kann, aus dem sich die Notwendigkeit finanzielle Mittel für die private Lebensführung aufzuwenden, aufdrängt. Bei der hier zu betrachtenden Zweitwohnungssteuer ist das – wie oben ausgeführt – der für die Zweitwohnung nötige Aufwand. Das spiegelt sich bei der Zweitwohnungssteuersatzung der Beklagten z.B. in dem Steuermaßstab wider (§ 3 ZWStS 2009). Entscheidend kommt es daher auf die Mittel an, die für die Wohnung aufzuwenden sind, wie die Mietzahlungen. Im Falle des Eigentums knüpft die Zweitwohnungssteuer an den Aufwand für den Erwerb des Eigentums und die zwangsläufig anfallenden Unterhaltungsaufwendungen an. Dass der Steuermaßstab stattdessen auf den Mietwert (d.h. an die Miete für vergleichbare Objekte) anknüpft, bildet den Aufwand nur stetiger ab. Mit dem Aufwand verschafft sich der Mieter oder Eigentümer eine Nutzungsmöglichkeit. Die Höhe des Aufwandes ist wiederum von der Nutzungsmöglichkeit abhängig. Bei geringerer Nutzungsmöglichkeit sinkt der Aufwand. Das ist bei einem Mieter der Fall, wenn er die Zweitwohnung nur für einen Teil des Jahres anmietet; bei dem Eigentümer, wenn er die Zweitwohnung zeitweise vermietet. Dagegen ist die Höhe des Aufwands aber nicht von dem Umfang der Nutzung abhängig. Weder für den Eigentümer noch für den Mieter ergibt sich eine Ersparnis, wenn er von der vorgehaltenen Nutzungsmöglichkeit keinen Gebrauch macht, also die Zweitwohnung leer stehen lässt. Bei dem Eigentümer liegt das auf der Hand, auch im Falle eines Mietverhältnisses ist das nicht anders, wie sich aus § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt. Nach dieser Vorschrift wird der Mieter von der Entrichtung der Miete nicht befreit, wenn er durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Ausübung seines Gebrauchsrechts gehindert wird. Das gilt erst recht, wenn der Mieter lediglich sein Gebrauchsrecht nicht ausüben will.

43

Die Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 1 ZWStS hat vielmehr allein zur Folge, dass diejenigen, die von der ihnen eingeräumten Nutzungsmöglichkeit nur in einem Umfang Gebrauch machen, die nicht 3 Monate im Jahr erreicht, von der Steuer befreit sind, obwohl sie Aufwendungen in derselben Höhe haben wie bei längerer Nutzung.

44

Diese Differenzierung lässt sich auch nicht auf den Gesichtspunkt der Praktikabilität oder der Typengerechtigkeit stützen. Einer praktikablen oder einfachen Steuererhebung kann das Merkmal Nutzungszeit nicht dienen, weil die Frage der Nutzungsmöglichkeit, d. h. wann Eigentum erworben oder verloren worden ist, wann ein Mietvertrag abgeschlossen und wann dieser beendet wurde, wesentlich leichter zu überprüfen ist, als die Frage, wie viele Tage eine Wohnung von dem Eigentümer, Mieter oder Entleiher tatsächlich genutzt worden ist. Ein anderer Sachgrund für die Differenzierung ist nicht ersichtlich. Vielmehr ist bei natürlicher Betrachtung unter dem oben dargestellten System eher das Gegenteil der Fall. Derjenige, der sich eine ganzjährige Nutzungsmöglichkeit an einem zum Wohnen oder Schlafen nutzbaren Raum vorhält, diese Nutzungsmöglichkeit aber weniger als 3 Monate im Jahr tatsächlich wahrnimmt, zeigt dadurch in der Tendenz eine höhere Leistungsfähigkeit durch die von ihm betriebenen Aufwendungen, weil eine geringere Nutzungszeit immer deutlicher auf einen Aufwand für ein Luxusgut und immer weniger auf die Deckung des unabweisbaren Bedarfes Wohnen hindeutet. Das führt zwangsläufig dazu, dass die Besteuerungswahrscheinlichkeit mit der Zahl der vorgehaltenen Zweitwohnungen abnimmt, obwohl das Indiz der Leistungsfähigkeit immer stärker wirkt. Schon bei einer Nutzung der Hauptwohnung von mehr als 6 Monaten wird das Innehaben von 2 Nebenwohnungen (bei deren gleichmäßiger Nutzung) steuerfrei.

45

Nicht außer Betracht bleiben kann hierbei auch, dass das Zusammenwirken der verschiedenen Regelungen ein abgestuftes System ergibt, wonach dann eine Zweitwohnung nicht zu besteuern ist, wenn sie nicht mindestens 3 Monate im Jahr genutzt wird, sie dann in die Steuerpflicht fällt, bis die Nutzungsdauer annähernd 6 Monate beträgt und bei einer Nutzungsdauer von mehr als 6 Monaten in der Regel die so genutzte Wohnung aufgrund des objektivierten Hauptwohnungsbegriff des Melderechts als Hauptwohnung anzunehmen ist, es sei denn es handelt sich um die in § 1 Abs. 5 Buchst. c) ZWStS 2009 rudimentär geregelten Fälle der Verlagerung des Hauptwohnsitzes aufgrund des melderechtlichen Schutzes von Ehe und Familie. Damit bleibt für die Besteuerung typischerweise nur noch der Aufwand für solche Wohnungen, die mehr als 3 und weniger als 6 Monate im Jahr tatsächlich genutzt werden.

46

Es lässt sich auch nicht konkret feststellen, welchen Zweck der Satzungsgeber mit dieser Einschränkung der Belastung durch § 1 Abs. 3 Satz 1 ZWStS 2009 verfolgte. Seine Motive für die Einfügung des § 1 Abs. 3 Satz 1 ZWStS 2009 liegen im Dunkeln. Einen Fingerzeig darauf ergibt sich auch nicht aus der vom Gericht ermittelten Verwaltungspraxis der Beklagten. Zu Maßnahmen im Besteuerungsverfahren führte § 1 Abs. 3 Satz 1 ZWStS 2009 – soweit dies anhand der vorgelegten Verwaltungsvorgänge auch der gleichzeitig verhandelten anderen Verfahren und dem Vortrag der Beklagten ersichtlich ist – nicht. Über diese Vorschrift wird in den von der Beklagten verwendeten Merkblättern nicht aufgeklärt, es werden in dem von der Beklagten verwendeten Steuerformular hierzu auch keine Daten erhoben. Selbst wenn diese Voraussetzungen nach der Steuererklärung höchst wahrscheinlich gegeben und damit das Innehaben zu verneinen ist, scheint jedenfalls bei denjenigen, die mit einer Nebenwohnung in der Beklagten gemeldet sind, routinemäßig die Steuer festgesetzt worden zu sein.

47

Dagegen lassen sich die tatsächlichen Auswirkungen der Norm ohne weiteres feststellen. Dabei kann sogar offen bleiben, wie die dreimonatige Nutzungsdauer auszulegen und zu berechnen ist. Dies ist nicht zweifelsfrei, da weder vollständige Monate gefordert werden noch sich ohne Weiteres aus 3 Monaten eine bestimmte Zahl an Tagen ableiten lässt. Im Übrigen bleibt offen, wie bei Nutzungen für einen Teil eines Tages zu verfahren wäre. Unabhängig von all diesem werden durch die Norm vor allem diejenigen begünstigt, die im Gebiet der Beklagten über einen Kleingarten, ein Wochenendhaus oder eine ähnliche Einrichtung (umgangssprachlich eine Datsche) verfügen. Sehr viele dieser Grundstücke besitzen nämlich ein aufstehendes Gebäude mit mindestens einem zu Wohn- oder Schlafzwecken genutzten Raum. Dieser Personenkreis nutzt diese Baulichkeiten üblicherweise nicht nachweisbar mehr als 3 Monate im Jahr. Die Inhaber solcher Zweitwohnungen dürfen bei einer Besteuerung aber nicht außen vor bleiben. Zwar wird anders als in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 1983 (a.a.O.) nicht zwischen Personen mit Hauptwohnsitz und solchen ohne Hauptwohnsitz in der Beklagten differenziert, was unzulässig ist. Es folgt auch keine unmittelbare Differenzierung nach dem Zweck für den die Zweitwohnung vorgehalten wird, was ebenfalls unzulässig ist. Aber auch die Anwendung eines für eine Aufwandsteuer systemfremden Gesichtspunkts, der ohne tragfähige Gründe bestimmte Personenkreise bevorzugt und eine daraus folgende mittelbare Begünstigung ist nicht zulässig.

48

Dieser Fehler führt zur Nichtigkeit der vollständigen Satzung. Es können hier keine Regelungen aufrechterhalten bleiben. Die Beklagte wäre ohnehin nur in der Lage, den Gleichheitsverstoß zu beseitigen, indem auch diejenigen, die ihre Zweitwohnungen nur in geringem Umfange nutzen, zur Besteuerung herangezogen werden. Das ist aber rückwirkend nicht möglich, weil damit der Kreis der zu Besteuernden ausgeweitet wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 a.a.O. RN 100 letzter Satz).

49

Nach alledem kann offen bleiben, ob der Kläger aus der Art und Weise der Umsetzung der Satzung durch die Beklagte im Wege des Verwaltungsvollzuges, Rechte herleiten kann. Die Verwaltungspraxis der Beklagten ist – jedenfalls nach der im Verfahren vorgelegten Darstellung der Beklagten und ihren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung – allein darauf gerichtet, Personen mit Nebenwohnungen und einem außerhalb des Stadtgebietes der Beklagten liegenden Hauptwohnsitz zu besteuern. Besondere Beachtung finden die im Stadtgebiet wohnenden Studierenden, für die auch gesondert abgehaltene Informationsveranstaltungen angeboten werden, mit dem Ziel von diesem Personenkreis gehaltene Zweitwohnungen möglichst flächendeckend zu besteuern. In diese Richtung zielen auch die auf Nachfrage angegeben Ermittlungen, wonach nur aus vorgelegten Mietverträgen versucht wird, zu eruieren, wer mit zweitwohnungssteuerpflichtigen Studierenden zusammen wohnt, um deren Steuerpflicht gesondert zu prüfen. Ermittlungen zu Zweitwohnungen ohne Anmeldung als Nebenwohnung sowie Maßnahmen, die Steuerpflicht anderen Personen als den Studierenden bekannt zu machen, werden von der Beklagten nicht vorgetragen. Jedenfalls wird § 1 Abs. 2 c. ZWStS 2009 – wie die mündliche Verhandlung ergeben hat – durch die Beklagte nicht angewandt, obwohl solche Zweitwohnungen gerade im Form von sog. Datschen – gerichtsbekannt – in großem Umfang im Stadtgebiet der Beklagten vorhanden sind. Damit ergibt sich im Verwaltungsvollzug eine Differenzierung nach dem Zweck, für den die Zweitwohnung gehalten wird, also eine Differenzierung, die dem Satzungsgeber verwehrt ist.

50

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO.

51

Von der Möglichkeit des § 167 Abs. 2 VwGO, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, macht die Kammer keinen Gebrauch.


(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole.

(2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Grundsteuer. Er hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen.

(2a) Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Sie haben die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer.

(3) Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Heranziehung eines bei seinen Eltern mit Hauptwohnsitz wohnenden Studenten zur Zweitwohnungsteuer für eine am Studienort angemietete Wohnung.

I.

2

Der Beschwerdeführer ist seit Juli 2006 Mieter eines Zimmers in einem Studentenwohnheim in Aachen. Die monatliche Miete betrug im Streitzeitraum 76,88 €. Daneben bewohnte der Beschwerdeführer sein ehemaliges Kinderzimmer im Haus seiner Eltern in Y.

3

Im Gebiet der Stadt Aachen galt für den Streitzeitraum die Satzung über die Erhebung der Zweitwohnungsteuer vom 11. Dezember 2002 in der Fassung vom 16. August 2006. Danach wurde für das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet eine Zweitwohnungsteuer erhoben. Die Satzung hatte auszugsweise den folgenden Inhalt:

4

§ 2 Begriff der Zweitwohnung

5

(1) Zweitwohnung ist jede Wohnung im Sinne des Absatzes 3, die jemandem neben seiner Hauptwohnung als Nebenwohnung im Sinne des Nordrhein-Westfälischen Meldegesetzes dient oder die jemand neben seiner Hauptwohnung zu Zwecken des eigenen persönlichen Lebensbedarfs oder des persönlichen Lebensbedarfs seiner Familie innehat. (…)

6

(3) Wohnung im Sinne dieser Satzung ist jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird.

7

(4) Eine Wohnung dient als Nebenwohnung im Sinne des Nordrhein-Westfälischen Meldegesetzes, wenn sie von einer dort mit Nebenwohnung gemeldeten Person bewohnt wird. Wird eine Wohnung von einer Person bewohnt, die mit dieser Wohnung nicht gemeldet ist, dient die Wohnung als Nebenwohnung im Sinne des Nordrhein-Westfälischen Meldegesetzes, wenn sich die Person wegen dieser Wohnung mit Nebenwohnung zu melden hätte.

8

(5) Keine Zweitwohnung im Sinne dieser Satzung sind:

9

a) Wohnungen, die von freien Trägern der Wohlfahrtspflege aus therapeutischen Gründen entgeltlich oder unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden.

10

b) Wohnungen, die von Trägern der öffentlichen und freien Jugendhilfe entgeltlich oder unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden und Erziehungszwecken dienen.

11

c) Wohnungen, die von einem nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten aus beruflichen Gründen gehalten und vorwiegend im Sinne von § 16 Abs. 2 Satz 1 Meldegesetz NW genutzt werden, dessen eheliche Wohnung sich in einer anderen Gemeinde befindet und mehr als 30 km vom Stadtgebiet entfernt liegt.

12

§ 3 Steuerpflichtige

13

(1) Steuerpflichtig ist, wer im Stadtgebiet eine Zweitwohnung oder mehrere Wohnungen innehat. Inhaber einer Zweitwohnung ist derjenige, dessen melderechtliche Verhältnisse die Beurteilung der Wohnung als Zweitwohnung bewirken oder der Inhaber einer Zweitwohnung im Sinne von § 2 Abs. 1 ist.

14

(2) Die Steuerpflicht besteht, solange die Wohnung des Steuerpflichtigen als Zweitwohnung zu beurteilen ist.

15

Das Meldegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. September 1997, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 5. April 2005 (MeldeG-NRW, GVBl S. 263) bestimmt zur Meldepflicht Folgendes:

16

§ 13 Allgemeine Meldepflichten

17

(1) Wer eine Wohnung bezieht, hat sich innerhalb einer Woche bei der Meldebehörde anzumelden. (…)

18

§ 15 Begriff der Wohnung

19

Wohnung im Sinne dieses Gesetzes ist jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird. (…)

20

§ 16 Mehrere Wohnungen

21

(1) Hat ein Einwohner mehrere Wohnungen im Inland, so ist eine dieser Wohnungen seine Hauptwohnung.

22

(2) Hauptwohnung ist die vorwiegend benutzte Wohnung des Einwohners. Hauptwohnung eines verheirateten oder eine Lebenspartnerschaft führenden Einwohners, der nicht dauernd getrennt von seiner Familie oder seinem Lebenspartner lebt, ist die vorwiegend benutzte Wohnung der Familie oder der Lebenspartner. Hauptwohnung eines minderjährigen Einwohners ist die vorwiegend benutzte Wohnung der Personensorgeberechtigten; leben diese getrennt, ist Hauptwohnung die Wohnung des Personensorgeberechtigten, die von dem Minderjährigen vorwiegend benutzt wird. Hauptwohnung eines Behinderten, der in einer Behinderteneinrichtung untergebracht ist, bleibt auf Antrag des Behinderten bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres die Wohnung nach Satz 3. In Zweifelsfällen ist die vorwiegend benutzte Wohnung dort, wo der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen des Einwohners liegt. Kann der Wohnungsstatus eines verheirateten oder eine Lebenspartnerschaft führenden Einwohners nach den Sätzen 2 und 5 nicht zweifelsfrei bestimmt werden, ist Hauptwohnung die Wohnung nach Satz 1.

23

(3) Nebenwohnung ist jede weitere Wohnung des Einwohners.

24

(4) Jeder Einwohner hat der Meldebehörde bei jeder Anmeldung mitzuteilen, welche weiteren Wohnungen nach Absatz 1 er hat und welche Wohnung seine Hauptwohnung ist. Er hat der Meldebehörde der neuen Hauptwohnung jede Änderung der Hauptwohnung mitzuteilen.

25

Die Stadt Aachen zog den Beschwerdeführer für den Zeitraum August bis Dezember 2006 zur Zweitwohnungsteuer in Höhe von 38,44 € heran. Widerspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht wies den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung zurück.

II.

26

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 1 GG.

27

Der allgemeine Gleichheitssatz sei verletzt, da die Zweitwohnungsteuer Studenten nicht erfasse, die noch auswärts bei ihren Eltern wohnten sich aber überwiegend am Studienort Aachen aufhielten, wohingegen die Studenten, die zwar am Studienort Aachen studierten und wohnten, sich jedoch überwiegend am auswärtigen Wohnort ihrer Eltern aufhielten, mit der Steuer belastet würden. Beide Vergleichsgruppen seien indes in gleichem Maße leistungsfähig, der einzige Unterschied bestehe in der Dauer des Aufenthalts am Studienort. Der gleiche Aufwand werde dadurch steuerlich unterschiedlich belastet. Auf die unterschiedliche Dauer des Aufenthalts dürfe nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Hinweis auf BVerfGE 65, 325 <350, 357>) nicht abgestellt werden, da dies ein sachfremdes Differenzierungskriterium sei. Das Verwaltungsgericht stelle im Übrigen bei der Frage, ob der Wohnsitz bei den Eltern der erste Wohnsitz sei, nicht auf die tatsächliche und rechtliche Verfügungsgewalt, sondern nur auf die melderechtliche Zuordnung ab. Es sei im Rahmen einer Aufwandsteuer nicht hinnehmbar, dass bei der Zweitwohnungsteuer im Gefolge des Melderechts nur das Nutzen einer Wohnung, nicht aber der Anfall von Aufwand für die Wohnung besteuert werde. Der Beschwerdeführer sei zwar mit zwei Wohnsitzen gemeldet, habe aber nur einen davon - die Wohnung in Aachen - inne. Nur für diese Wohnung trage er Aufwand, an seinem Heimatort wohne er auf Kosten seiner Eltern. Er habe also keinen Aufwand für eine zweite Wohnung zu tragen. Ungleich behandelt würden auch Personen, die deshalb nicht mit der Zweitwohnungsteuer belastet würden, weil sich ihr Hauptwohnsitz im Ausland befinde, da die inländische Wohnung dann nach dem Melderecht als alleinige Wohnung betrachtet werde.

28

Die Ungleichbehandlung könne auch nicht mit dem Belang der Bewältigung von Massenvorgängen, die durch die Anlehnung an Verhältnisse aus dem Melderecht vereinfacht erfasst werden könnten, gerechtfertigt werden. Der in Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistete Schutz der Familie werde dadurch verletzt, dass ein Kind, das bei seinen Eltern wohne und zur Ausbildung an einem anderen Ort eine Wohnung unterhalte, mit einer Zweitwohnungsteuer belastet werde. Dadurch werde in den Lebensentwurf des Beschwerdeführers und seiner Familie eingegriffen und die zu schützende familiäre Hausgemeinschaft mit einer Abgabe belastet, die den Aufenthalt des Beschwerdeführers zum Gegenstand habe. Auch das Grundrecht der Freizügigkeit aus Art. 11 Abs. 1 GG werde durch die Festsetzung der Zweitwohnungsteuer verletzt.

III.

29

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, da die in § 93a Abs. 2 BVerfGG geregelten Voraussetzungen für eine Annahme nicht erfüllt sind. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die für den Streitfall maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen insbesondere zu den Anforderungen an eine Zweitwohnungsteuer als örtliche Aufwandsteuer, zu der gleichheitsgerechten Ausgestaltung eines Steuertatbestands und der Reichweite des Schutzes der Familie sind geklärt. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der von dem Beschwerdeführer als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

30

Die gegen den Beschwerdeführer festgesetzte Zweitwohnungsteuer entspricht den finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben an eine örtliche Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG (1.). Sie verletzt weder den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG (2.), noch die in Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Familie (3.) oder die in Art. 11 GG gewährleistete Freizügigkeit (4.).

31

1. Die durch die Stadt Aachen festgesetzte Zweitwohnungsteuer entspricht den finanzverfassungsrechtlichen Voraussetzungen an eine örtliche Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG.

32

a) Die Aufwandsteuer soll die in der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit treffen. In dieser Absicht des Gesetzgebers liegt das wesentliche Merkmal des Begriffes der Aufwandsteuer (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 4. Februar 2009 - 1 BvL 8/05 -, DVBl 2009, S. 777, juris, Rn. 46). Angesichts der Vielfalt der wirtschaftlichen Vorgänge und rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten wäre die Erhebung einer Steuer, die nicht an die Entstehung des Einkommens, sondern an dessen Verwendung anknüpft, nicht praktikabel, wenn in jedem Fall die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen festgestellt werden müsste. Ausschlaggebendes Merkmal der Aufwandsteuer ist deshalb der Konsum in Form eines äußerlich erkennbaren Zustandes, für den finanzielle Mittel verwendet werden. Der Aufwand im Sinne von Konsum ist typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, ohne dass es darauf ankäme, von wem und mit welchen Mitteln dieser finanziert und welchen Zwecken er des Näheren dient. Im Konsum äußert sich in der Regel die Leistungsfähigkeit. Ob der Aufwand im Einzelfall die Leistungsfähigkeit überschreitet, ist für die Steuerpflicht unerheblich (vgl. BVerfGE 65, 325 <347 f.>; 114, 316 <334>).

33

b) Das Innehaben einer Zweitwohnung ist ein Zustand, der gewöhnlich die Verwendung finanzieller Mittel erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt (vgl. BVerfGE 65, 325 <348>; 114, 316 <334>). Eine solche Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf liegt vor, wenn der Steuerpflichtige die Zweitwohnung selbst bewohnt. Unerheblich für die Einordnung einer Zweitwohnungsteuer als Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG ist, ob das Innehaben der Zweitwohnung durch eine Berufsausübung veranlasst wurde und der getragene Aufwand nach Maßgabe des Einkommensteuerrechts als Werbungskosten bei der Einkünfteermittlung abzuziehen ist (vgl. BVerfGE 114, 316 <334>; zum Abzug als Werbungskosten bei doppelter Haushaltführung: § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG). Für die Zweitwohnungsteuerpflicht spielen persönliche Verhältnisse des Steuerpflichtigen generell keine Rolle (vgl. BVerfGE 65, 325 <352>). Bei der Zweitwohnungsteuer handelt sich um eine örtliche Steuer, die bundesrechtlich geregelten Steuern nicht gleichartig ist (vgl. BVerfGE 65, 325 <345>; 114, 316 <334 ff.>).

34

c) Die in Streit stehende Aachener Zweitwohnungsteuer ist eine solche Aufwandsteuer und damit von der Gesetzgebungsbefugnis des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG gedeckt. Sie entspricht diesem klassischen Bild der Zweitwohnung-steuer, indem sie an das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet anknüpft und mit einem Steuersatz auf die Nettokaltmiete als Bemessungsgrundlage aufsetzt. Soweit Zweifel an der materiellen Verfassungsmäßigkeit der Steuer - insbesondere wegen etwaigen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz, den Schutz der Familie oder gegen Freiheitsrechte - geltend gemacht werden, berühren sie wegen der notwendigen Formenklarheit solange die Einordnung der Steuer in die finanzverfassungsrechtliche Kompetenznorm nicht, als der Typus einer Aufwandsteuer dadurch nicht verlassen wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2009, a.a.O., Rn. 50 ff.). Die durch den Beschwerdeführer aufgeworfenen Fragen, ob die Bestimmung der Zweitwohnung an das Melderecht angebunden werden darf, ob eine unzulässige Beeinträchtigung des Zusammenlebens innerhalb der Familie bewirkt wird und ob die Freizügigkeit des Beschwerdeführers durch den Anreiz der Vermeidung der Zweitwohnungsteuer verletzt wurde, wirken sich, selbst wenn sie zu bejahen wären, nicht auf den Typus der verfahrensgegenständlichen Zweitwohnungsteuer als einer örtlichen Aufwandsteuer aus.

35

2. Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Die Belastung des Beschwerdeführers mit der Zweitwohnungsteuer stellt keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar.

36

a) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus ihm ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitsanforderungen reichen (vgl. BVerfGE 110, 274 <291>; 117, 1 <30>). Für den Sachbereich des Steuerrechts verbürgt der allgemeine Gleichheitssatz den Grundsatz der gleichen Zuteilung steuerlicher Lasten (vgl. BVerfGE 110, 274 <292>; 120, 1 <44>). Der Gesetzgeber hat dabei einen weitreichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegen-standes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes und des Steuermaßstabes (vgl. BVerfGE 31, 8 <25 f.>; 65, 325 <354>; 93, 121 <136>; 105, 73 <126>; 117, 1 <30>; 120, 1 <29>). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Steuergesetze in der Regel Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betreffen. Sie müssen, um praktikabel zu sein, Sachverhalte, an die sie dieselben steuerlichen Folgen knüpfen, typisieren und dabei die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die Steuerzahler darf allerdings ein gewisses Maß nicht übersteigen. Vielmehr müssen die steuerlichen Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen (vgl. BVerfGE 110, 274 <292>; 117, 1 <31>; 120, 1 <30>). Außerdem darf eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren (vgl. BVerfGE 112, 268 <280 f.>; 117, 1 <31>). Art. 3 Abs. 1 GG ist dann verletzt, wenn für die gleiche Behandlung verschiedener Sachverhalte - bezogen auf den in Rede stehenden Sachverhalt und seine Eigenart - ein vernünftiger, einleuchtender Grund fehlt (vgl. BVerfGE 90, 226 <239>).

37

Das Wesen der Zweitwohnungsteuer als Aufwandsteuer setzt der Ausübung des Ermessens des Normgebers für die gleichheitsgerechte Ausgestaltung der Steuerpflicht Grenzen. So dürfen die Gründe für den Aufenthalt am Ort des Zweitwohnsitzes nicht zur Begründung der Steuerpflicht herangezogen werden, da die Aufwandsteuer eine wertende Berücksichtigung der mit dem getätigten Aufwand verfolgten Absichten und Zwecke ausschließt. Allein der isolierte Vorgang des Konsums als Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist für die Aufwandsteuer maßgeblich. Dem entsprechend darf für die Begründung der Steuerpflicht nicht differenzierend darauf abgestellt werden, ob eine Person eine Zweitwohnung nur aus beruflichen Gründen oder zu Ausbildungszwecken innehat (vgl. BVerfGE 65, 325 <357>). Anders als bei der unabhängig vom Zweck des Konsums auszugestaltenden Steuerpflicht ist es dem Satzungsgeber gleichwohl unbenommen, Ermäßigungs- oder Befreiungstatbestände zu schaffen (vgl. BVerfGE 65, 325 <357>), die freilich ihrerseits gleichheitsgerecht ausgestaltet sein müssen.

38

b) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist danach die Differenzierung zwischen am Studienort steuerpflichtigen Studenten, die noch bei ihren Eltern wohnen und daneben eine Zweitwohnung am Studienort innehaben, und nicht steuerpflichtigen Studenten, die, obwohl auch sie noch bei ihren Eltern über eine Wohnung verfügen, ihren Hauptwohnsitz am Studienort haben. Denn diese Unterscheidung erfolgt nicht nach Kriterien, deren Verwendung bereits deshalb unzulässig wäre, weil sie dem Wesen einer Aufwandsteuer nicht entsprächen. So stellt der Satzungsgeber nicht etwa differenzierend auf den Zweck des Aufenthalts in seiner Kommune ab. Denn alle Studenten dieser Gruppe halten sich zu Ausbildungszwecken am Studienort auf. Der Differenzierungsgrund liegt vielmehr darin, dass die mit der Zweitwohnungsteuer belasteten Studenten sich anders als die nicht von der Steuerpflicht betroffenen Studenten nicht vorwiegend am Studienort aufhalten. Dem Wesen der Zweitwohnungsteuer als einer Aufwandsteuer entspricht es, solch einen besonderen Aufwand zu besteuern, der durch das Halten einer Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf entsteht, obwohl diese Wohnung für den Steuerpflichtigen eine Zweitwohnung darstellt. Hierfür bedarf es notwendig einer Abgrenzung zwischen Erst- und Zweitwohnung. Dass eine solche Differenzierung bei der Entscheidung über die Entstehung der Zweitwohnungsteuerpflicht erfolgt, kann daher unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht beanstandet werden.

39

c) Die tatbestandliche Ausgestaltung der Zweitwohnungsteuerpflicht im Streitfall ist gleichheitsgerecht.

40

aa) Die Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners, die in dem Tätigen eines Aufwands zum Ausdruck kommt, wird bei der Zweitwohnungsteuer auch dann in einer dem verfassungsrechtlichen Aufwandsbegriff genügenden Weise erfasst, wenn sich das Innehaben der Wohnung im Sinne einer tatsächlichen und rechtlichen Verfügungsbefugnis lediglich auf die Zweitwohnung bezieht, nicht aber auch - wie typischerweise bei Wohnungen im Elternhaus in den so genannten "Kinderzimmerfällen" - auf die Erstwohnung.

41

Nach mittlerweile ganz überwiegender Auffassung, die insbesondere von der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und wohl auch des Bundesfinanzhofs getragen wird, setzt eine Aufwandsteuer für das Innehaben einer Zweitwohnung nicht voraus, dass auch eine rechtlich gesicherte Verfügungsmacht über die Erstwohnung gegeben ist. Sofern Gesetzes- oder Satzungsrecht keine weitergehenden Anforderungen enthielten, genüge es, wenn mit der Erstwohnung das Grundbedürfnis Wohnen als Teil des persönlichen Lebensbedarfs abgedeckt werde, wie dies bei auswärts studierenden Kindern, wenn sie ihr Kinder- oder Jugendzimmer in der elterlichen Wohnung vorwiegend nutzten, regelmäßig der Fall sei. Ob sie dieses Grundbedürfnis des Wohnens in einer rechtlich abgesicherten Weise als (Mit-)Besitzer erfüllten, oder nur als Besitzdiener befriedigten, sei nicht von Bedeutung. Es komme nur darauf an, dass der getätigte Aufwand ein besonderer Aufwand sei, nicht darauf, von wem und mit welchen Mitteln dieser finanziert werde (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Juni 2006 - 14 E 1045/05 -, NVwZ-RR 2007, S. 271; OVG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 11. August 2006 - 4 M 319/06 -, juris; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 14. Februar 2007 - 4 N 06.367 -, BayVBl 2007, S. 530; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. November 2007 - 14 K 10476/02 -, EFG 2008, S. 578, Rn. 31 f.; BVerwG, Urteile vom 17. September 2008 - 9 C 14/07 -, NVwZ 2009, S. 532 und - 9 C 17/07 -, NJW 2009, S. 1097; BFH, Beschluss vom 1. Oktober 2008 - II B 16/08 -, BFH/NV 2009, S. 53; BVerwG, Urteil vom 13. Mai 2009 - 9 C 7/08 -, juris; Birk, in Driehaus, Kommunalabgabenrecht [Stand: März 2009], § 3 Rn. 215 f.; Meier/Juhre, KStZ 2005, S. 167 <169>; Nolte, jurisPR-BVerwG 5/2009 Anm. 6; Zieglmeier, Die Zweitwohnungssteuer in der Praxis, 2009, S. 40 ff.; anderer Ansicht: OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Januar 2007 - 6 B 11579/06 -, NVwZ-RR 2007, S. 556; VG Düsseldorf, Urteil vom 19. November 2007 - 25 K 2703/07 -, juris; OVG für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26. November 2007 - 1 L 280/05 -, DStRE 2008, S. 1154; Oelschläger, DStR 2008, S. 590 <594>, Winkler, KStZ 2007, S. 5 <9 ff.>).

42

Dieser Standpunkt begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken und steht auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die in der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit wird auch dann erfasst, wenn eine Zweitwohnungsteuer so ausgestaltet ist, dass darauf verzichtet wird, von einem Steuerpflichtigen neben dem tatsächlichen und rechtlichen Verfügungsrecht an der Zweitwohnung ein solches Recht auch an der von ihm bewohnten Erstwohnung zu fordern. So kann der Zweitwohnungsteuer von Verfassungs wegen auch unterfallen, wer in seiner Erstwohnung als reiner Besitzdiener ohne eigenen Mitbesitz wohnt, wie dies im Fall der Nutzung des Kinderzimmers durch einen Studenten der Fall sein kann (vgl. zur regelmäßigen Einordnung des volljährigen Kindes, das weiterhin in der elterlichen Wohnung wohnt, als Besitzdiener und nicht Mitbesitzer: BGH, Beschluss vom 19. März 2008 - I ZB 56/07 -, NJW 2008, S. 1959). Die Aufwandsteuer hat den Konsum in Form eines äußerlich erkennbaren Zustandes zum Gegenstand. Hierfür ist allein der in der Zweitwohnungsnutzung zum Ausdruck kommende Aufwand maßgeblich, einschließlich des Umstands, dass es sich überhaupt um eine Zweitwohnung handelt. Die Ermittlung subjektiver Tatbestände, wie etwa die mit dem Konsum verfolgten Absichten, oder die Feststellung der Person des letztlich wirtschaftlich mit der Steuer Belasteten, von dem die Mittel für den Aufwand stammen, soll mit Rücksicht auf die Praktikabilität der Steuererhebung unterbleiben (vgl. BVerfGE 65, 325 <347 f.>; 114, 316 <334>). Dem entspricht es, bei der Prüfung der Steuerpflicht des Aufwandes für eine Zweitwohnung nicht feststellen zu müssen, ob der Betreffende an dem Ort der Belegenheit der Erstwohnung neben einem tatsächlichen Verfügungsrecht als Besitzdiener auch ein rechtliches Verfügungsrecht hat, etwa weil er aufgrund eines (Unter-)Mietvertrages ein eigenes Besitzrecht an der Erstwohnung reklamieren kann. Auch würde die Erforderlichkeit einer entsprechenden Differenzierung zwischen der Stellung eines Mitbesitzers oder eines Besitzdieners vielfach die Prüfung verlangen, von wem die Mittel zur Finanzierung des Erstwohnsitzes stammen. Ob diese Mittel jedoch - was selten der Fall sein wird - von dem Studenten in Form eines "Kostgeldes" an seine Eltern gezahlt werden, oder - wovon in der Regel auszugehen sein dürfte - die Eltern die Wohnung durch Gewährung des Naturalunterhalts (vgl. § 1612 Abs. 1 Satz 2 BGB) zur Verfügung stellen, soll gerade nicht zum Gegenstand der Untersuchung des Aufwands gemacht werden. Auch ein im Wege des Naturalunterhalts gewährtes Zimmer kann für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden.

43

Soweit, wie in der in Streit stehenden Satzung für den Regelfall vorgesehen, die Anwendung des Melderechts auf die Tatbestände der Zweitwohnungsteuer dazu führt, dass eine steuerbare Zweitwohnung auch dann vorliegt, wenn der Steuerpflichtige an der Erstwohnung keine rechtliche Verfügungsmöglichkeit innehat und sein Aufwand für die Erstwohnung durch Naturalunterhalt seiner Eltern getragen wird, steht dies danach der Erfassung der typischerweise mit der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommenden Leistungsfähigkeit nicht entgegen.

44

bb) Auch die Verweisung der Steuersatzung auf das Melderecht zur Bestimmung des Tatbestandsmerkmals Zweitwohnung führt nicht zu einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz.

45

Die Stadt Aachen stellt in ihrer Steuersatzung für die Bestimmung des Tatbestandsmerkmals der Zweitwohnung alternativ darauf ab, ob eine Wohnung als Nebenwohnung nach dem Nordrhein-Westfälischen Meldegesetz dient oder ob sie jemand zum Zwecke des persönlichen Lebensbedarfs innehat (§ 2 Abs. 1 der Steuersatzung). Eine Nebenwohnung nach dem MeldeG-NRW kommt dann als steuerbare Zweitwohnung in Betracht, wenn die betreffende Wohnung von einer Person bewohnt wird, die dort tatsächlich mit einer Nebenwohnung gemeldet ist oder sich dort mit einer Nebenwohnung zu melden hätte (§ 2 Abs. 4 der Steuersatzung). Die nach § 3 Abs. 1 Steuersatzung bei dem Innehaben einer Zweitwohnung entstehende Steuerpflicht ist in dieser Tatbestandsalternative also letztlich mit der Pflicht zur Anmeldung einer Nebenwohnung verknüpft. Nach § 13 Abs. 1 MeldeG-NRW hat sich bei der Meldebehörde anzumelden, wer eine Wohnung bezieht. Diese Wohnung kann eine Haupt- oder eine Nebenwohnung sein. Gemäß § 16 Abs. 3, Abs. 2 MeldeG-NRW ist eine Nebenwohnung eine Wohnung, die ein Einwohner außer seiner Hauptwohnung hat. Bei der Hauptwohnung handelt es sich nach § 16 Abs. 2 Satz 1 MeldeG-NRW um die vorwiegend benutzte Wohnung des Einwohners. Auch die Anknüpfung an das Melderecht führt damit auf die tatsächliche Nutzung der Wohnung zurück. Dies ist weder sachwidrig noch willkürlich zur Bestimmung der Steuerpflicht. Denn die Nutzung der Wohnung ist das äußerlich erkennbare Merkmal des damit betriebenen finanziellen Aufwands und der objektiv dahinterstehenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, unabhängig davon, wer die Kosten letztlich trägt.

46

Die Verweisung der Steuersatzung auf das Melderecht dient zudem der Vereinfachung der Verwaltung in einem Massenverfahren und der Vermeidung doppelten Ermittlungsaufwands der Melde- und Steuerbehörde. Dafür spricht außerdem, dass eine Ermittlung der Wohnverhältnisse von Steuerpflichtigen wegen der Nähe zur Sphäre privater Lebensführung und wegen des Schutzes der Wohnung durch Art. 13 GG ohnehin nur eingeschränkt möglich ist (vgl. BVerfGE 101, 297 <311>).

47

d) Eine Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers gegenüber Personen, die im Ausland eine Hauptwohnung innehaben und in der Stadt Aachen nur deshalb nicht mit einer Nebenwohnung registriert sind und damit nicht der Zweitwohnung-steuer unterliegen, weil ein alleiniger Wohnsitz in Deutschland melderechtlich keinen Nebenwohnsitz darstellen kann (vgl. § 16 Abs. 1 MeldeG-NRW, der auf mehrere Wohnungen im Inland abstellt), ist wegen der besonderen Situation der im Ausland belegenen anderen Wohnung gerechtfertigt. Da das nationale Melderecht nicht für im Ausland belegene Wohnungen gilt, kann die Steuerpflicht in diesen Fällen nur in unzureichendem Umfang an melderechtliche Tatbestände anknüpfen. Es kann schon nicht generell von dem Vorhandensein eines Melderegisters in ausländischen Staaten ausgegangen werden, vor allem aber nicht von einer entsprechenden Differenzierung zwischen Haupt- und Nebenwohnsitz, auf die die Steuersatzung verweist. Außerdem bestehen erhebliche verwaltungspraktische Schwierigkeiten bei der Feststellung von Sachverhalten, die im Ausland verwirklicht werden, die eine besondere steuerrechtliche Behandlung rechtfertigen können.

48

3. Der durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Bereich der Familie wird nicht verletzt.

49

a) Art. 6 Abs. 1 GG enthält über die Institutsgarantie hinaus einen besonderen Gleichheitssatz. Er verbietet, Ehe und Familie gegenüber anderen Lebens- und Erziehungsgemeinschaften schlechter zu stellen (vgl. BVerfGE 76, 1 <72>; 99, 216 <232>; 114, 316 <333>).

50

In dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 2005 (BVerfGE 114, 316 ff.) waren kommunale Zweitwohnungsteuersatzungen wegen Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG für nichtig erklärt worden. Gegenstand der genannten Verfahren war die Belastung eines erwerbsbedingt begründeten weiteren Haushalts eines Ehegatten mit Zweitwohnungsteuer. Nach den einschlägigen melderechtlichen Vorschriften, auf die die dortige Steuersatzung für die Bestimmung der Zweitwohnung verwiesen hatte, war zwar generell bei mehreren Wohnungen die vorwiegend bewohnte Wohnung als die Hauptwohnung anzusehen gewesen. Im Fall von - nicht dauernd getrennt lebenden - Ehegatten wurde jedoch abweichend von diesem Grundsatz die von der Familie vorwiegend benutzte Wohnung als Hauptwohnung bestimmt. Dadurch war es ausgeschlossen, die Wohnung am Ort der Beschäftigung trotz deren vorwiegender Nutzung als Hauptwohnung zu betrachten und damit der Belastung durch die Zweitwohnungsteuer am Ort der Beschäftigung zu entgehen. Durch diese unterschiedliche Behandlung verheirateter Personen gegenüber nicht verheirateten wurde das eheliche Zusammenleben in verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter Weise belastet (vgl. BVerfGE 114, 316 <321, 335 ff.>).

51

Eine solcherart benachteiligende Wirkung des Melderechts auf die Familie liegt im Streitfall nicht vor. Auf den vorwiegend noch bei seinen Eltern lebenden steuerpflichtigen Studenten sind keine anderen Vorschriften über die Bestimmung der Hauptwohnung bei einem Bewohnen mehrerer Wohnungen anwendbar als dies bei anderen Personen der Fall ist, die in mehreren Wohnungen wohnen. Das durch die Steuersatzung in Bezug genommene Melderecht stellt für volljährige Kinder diskriminierungsfrei darauf ab, welche Wohnung vorwiegend benutzt wird.

52

b) Als Freiheitsrecht schützt Art. 6 Abs. 1 GG weiterhin vor Eingriffen des Staates in die Familie.

53

Das Grundrecht berechtigt die Familienmitglieder, ihre Gemeinschaft nach innen in familiärer Verantwortlichkeit und Rücksicht frei zu gestalten. Die Auswirkungen familiärer Freiheit nach außen, insbesondere auf das Berufsleben, das Schulwesen, die Eigentumsordnung und das öffentliche Gemeinschaftsleben, müssen aber mit der verfassungsgemäßen Rechtsordnung übereinstimmen (vgl. BVerfGE 80, 81 <92>).

54

Einen Eingriff in den Schutzbereich der Familie stellen alle staatlichen Maßnahmen dar, die Ehe und Familie schädigen, stören oder sonst beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 6, 55 <76>; 55, 114 <126 f.>; 81, 1 <6>). Benachteiligungen, die nur in bestimmten Fällen als unbeabsichtigte Nebenfolge einer im Übrigen verfassungsgemäßen Regelung vorkommen, kann der Eingriffscharakter fehlen, solange sich die Maßnahmen nicht als wirtschaftlich einschneidend darstellen (vgl. BVerfGE 6, 55 <77>; 15, 328 <335>; 23, 74 <84>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. Dezember 1991 - 1 BvR 1477/90 -, NJW 1992, S. 1093).

55

Die Zweitwohnungsteuer hat auch in den so genannten "Kinderzimmerfällen" keinen solchen Eingriffscharakter. Die Zweitwohnungsteuer belastet den Aufwand für das Innehaben einer nicht vorwiegend benutzten Wohnung eines in Ausbildung befindlichen Kindes, das überwiegend in der elterlichen Erstwohnung wohnt. Dieser Aufwand für die Zweitwohnung belastet weder gezielt noch typischerweise das Zusammenleben in der Familie. Dies ergibt sich schon daraus, dass die zeitliche Inanspruchnahme durch das Studium regelmäßig dazu führen dürfte, dass der Student sich vorwiegend in der am Studienort vorgehaltenen Wohnung, nicht aber am Heimatort der Eltern aufhalten wird. Im Übrigen erfasst die Zweitwohnung-steuer die Steuerpflichtigen völlig unabhängig von ihren familiären Verhältnissen und Bindungen am Haupt- oder Zweitwohnsitz. Schließlich führt auch die Höhe der Zweitwohnungsteuer von 10 Prozent der Kaltmiete nicht zu einer derart einschneidenden Belastung, dass hierdurch ein gravierender finanzieller Druck auf die Aufgabe des vorwiegenden Aufenthalts des Studenten bei den Eltern zugunsten eines vorwiegenden Aufenthalts in der Wohnung am Studienort ausgeübt würde (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2008 - 1 BvR 3269/07 -, NVwZ-RR 2008, S. 723).

56

4. Die in Art. 11 Abs. 1 GG garantierte Freizügigkeit ist nicht verletzt.

57

Freizügigkeit bedeutet das Recht, unbehindert durch die deutsche Staatsgewalt an jedem Ort innerhalb des Bundesgebietes Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen und auch zu diesem Zweck in das Bundesgebiet einzureisen (vgl. BVerfGE 2, 266 <273>; 80, 137 <150>; 110, 177 <190 f.>). In den Schutzbereich der Norm kann nicht nur durch direkte Einwirkung auf die Wahl des Wohnortes eingegriffen werden. Auch mittelbare und faktische Beeinträchtigungen der Wahl des Wohnorts können einen zu rechtfertigenden Eingriff in die Freizügigkeit darstellen, wenn sie in ihrer Zielsetzung und Wirkung einem normativen und direkten Eingriff gleichkommen (vgl. BVerfGE 110, 177 <191>). Für den Bereich der Festsetzung von Abgaben ist regelmäßig die Qualität eines Eingriffs zu verneinen, solange diese Abgaben nicht eine ähnliche Wirkung wie ein striktes Verbot des Nehmens von Aufenthalt oder Wohnsitz haben. Der Schutzbereich der Freizügigkeit begründet hiervon abgesehen keinen Anspruch darauf, dass der Aufenthalt an einem bestimmten Ort aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mit Konsequenzen verbunden ist, die zu dem Entschluss veranlassen können, von einem Aufenthalt abzusehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. August 1983 - 8 B 78/83 -, Buchholz 401.63 Kurabgaben Nr. 5; BVerwG, Beschluss vom 9. April 2009 - 6 B 80/08 -, juris).

58

Gemessen daran entfaltet eine Zweitwohnungsteuer der der hier in Rede stehenden Größenordnung offensichtlich keine eingriffsgleiche Wirkung in den Schutzbereich des Grundrechts der Freizügigkeit, zumal die Steuer je nach Lage des Einzelfalls schon bei geringfügigen Verlagerungen der Aufenthaltsdauer zwischen Haupt- und Zweitwohnsitz entfallen kann, also keineswegs notwendig von der völligen Aufgabe des Hauptwohnsitzes abhängt.

59

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich als Rechtsnachfolger gegen die Heranziehung zu Abfallgebühren.

2

Die Beklagte erhebt Abfallgebühren im Wesentlichen getrennt nach einer behälterbezogenen Restmüllgebühr und - nur bei Wohngrundstücken - einer Personengebühr, die nach Biotonnennutzern und Eigenkompostierern aufgeteilt ist. Am 28. Januar 2009 beschloss der Stadtrat der Beklagten rückwirkend zum 1. Januar 2009 eine neue Abfallgebührensatzung. In einer Anlage zur Satzung wurde die Höhe der Restmüllgebühr abhängig von der Größe des Restmüllbehälters und der Entsorgungshäufigkeit festgesetzt. Mit der ersten Satzung zur Änderung der Abfallgebührensatzung vom 25. November 2009 wurde die Höhe der Restmüllgebühr mit Wirkung zum 1. Januar 2010 wie folgt geregelt:

3

Entsorgung

14-täglich

wöchentlich

 2 x wöchentlich

        

60 Liter

51,60 

103,20

206,40

€/Jahr

120 Liter

81,60 

163,20

326,40

€/Jahr

240 Liter

135,60

271,20

542,40

€/Jahr

770 Liter

438,00

876,00

1752,00

€/Jahr

1.100 Liter

599,40

1.198,89

2.397,60

€/Jahr

4

Mit Bescheid vom 25. Januar 2010 zog die Beklagte Frau A., die Mutter der Kläger, für das Jahr 2010 für ihr Wohngrundstück zu Abfallgebühren in Höhe von 87,60 € heran, die sich aus einer Personengebühr in Höhe von 36,- € sowie einer Restmüllgebühr in Höhe von 51,60 € zusammensetzten. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2010 wies die Beklagte den fristgerecht erhobenen Widerspruch zurück.

5

Am 21. Juni 2010 hat Frau A. beim Verwaltungsgericht Halle gegen den Gebührenbescheid Anfechtungsklage erhoben.

6

Das Gericht hat den Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2010 auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2012 aufgehoben: Die in der Abfallgebührensatzung der Beklagten vom 28. Januar 2009 in der Fassung der ersten Änderungssatzung festgesetzten Gebührensätze verletzten das Kostenüberschreitungsverbot des § 5 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA nicht, auch wenn lediglich eine Kostenunterdeckung von 403.620,41 € hätte angesetzt werden dürfen. Die hierdurch bewirkte Kostenüberschreitung verbleibe jedoch unterhalb der Bagatellgrenze von 3 %. Die Abfallgebührensatzung sei aber nichtig, weil die Staffelung der Restmüllgebühr gegen § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 1 KAG LSA verstoße. Dieser Vorschrift sei das Gebot zu entnehmen, die Kosten für die Beseitigung des Restmülls insgesamt zusammenzufassen und linear auf die gewählten Maßstabseinheiten - etwa Behältergröße und Abfuhrrhythmus - zu verteilen. Eine degressive Staffelung sei ausgeschlossen, eine progressive Staffelung könne zulässig sein, wenn sie einen Anreiz zu umweltschonendem Verhalten schaffe. Diesen Vorgaben entspreche die streitbefangene Restmüllgebühr nicht, da sie jedenfalls überwiegend nicht linear, sondern degressiv ausgestaltet sei. Dies widerspreche weiterhin dem sowohl in § 6 Abs. 3 AbfG LSA als auch in § 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA niedergelegten Prinzip, dass mit dem Gebührenmaßstab Anreize zu umweltschonendem Verhalten, insbesondere zur Vermeidung und Verwertung, geschaffen werden sollten. Vor diesem Hintergrund bedürfe es keiner Vertiefung, ob die von der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der relativ gleichmäßigen Erhöhung der Restmüllgebühr für alle Behältergrößen vorgenommene Verteilung der Kostenunterdeckung mit gebührenrechtlichen Grundsätzen vereinbar, insbesondere willkürfrei sei. Auf ältere Abfallgebührensatzungen könne nicht zurückgegriffen werden, weil diese mit der Regelung über das Inkrafttreten der Satzung vom 25. November 2009 - stillschweigend - aufgehoben worden seien. Die Nichtigkeit der Regelung über die Restmüllgebühr führe zur Gesamtnichtigkeit der Regelung über die Abfallgebühr, also einschließlich der Personengebühr.

7

Mit Beschluss vom 26. Juli 2012 hat der erkennende Senat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Am 12. November 2012 hat der Berichterstatter der Klägerseite eine Frist gem. § 87b Abs. 1 Satz 1 VwGO bis zum 7. Dezember 2012 gesetzt.

8

Frau A. war am 23. Juli 2012 verstorben, ihr Prozessbevollmächtigter hat dies am 30. November 2012 angezeigt und die Unterbrechung des Verfahrens beantragt. Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 13. Februar 2013 haben die Kläger das zuvor ausgesetzte Verfahren als Rechtsnachfolger aufgenommen.

9

Im Amtsblatt der Beklagten vom 13. Februar 2013 befinden sich für die Abfallgebührensatzung vom 28. Januar 2009 und die erste sowie eine weitere Änderungssatzung eine Bekanntmachung mit Bestätigungen, dass diese ordnungsgemäß ausgefertigt worden seien. Gleichzeitig ist der jeweilige Ausfertigungsvermerk (Ortsname, Datum und Unterschrift der bis Ende 2012 amtierenden Oberbürgermeisterin - sowohl handschriftlich als auch maschinenschriftlich - mit Amtsbezeichnung) nochmals veröffentlicht worden.

10

Die Beklagte macht zur Begründung der fristgerecht erhobenen Berufung im Wesentlichen geltend, durch § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA werde die degressive Staffelung von Abfallgebühren nicht ausgeschlossen. Nach dem 1. Halbsatz des Satzes 2 seien Ausnahmen von der linearen Staffelung sowohl bei der Abwassergebühr als auch bei der Abfallgebühr möglich. Dies ergebe sich bereits aus der Formulierung "grundsätzlich linear". Zudem beziehe sich der 1. Halbsatz von seiner Stellung im Gesetz und von seiner Systematik auf den Satz 1 des § 5 Abs. 3a KAG LSA, bei dem es sich um den leitenden Grundsatz handele. Der Runderlass benenne hierzu beispielhaft die rechtliche Zulässigkeit einer degressiven Abfallgebühr für leichter zu behandelnde Abfälle aus Großwohnanlagen oder bei Gewerben. Hingegen lasse sich weder aus dem Wortlaut noch aus der systematischen Stellung des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA schließen, dass eine degressive Staffelung der Abfallgebühren gänzlich unzulässig wäre. Insbesondere lasse sich dies nicht aus dem 2. Halbsatz des Satzes 2 herleiten. Der 2. Halbsatz sei nicht im ausschließlichen Zusammenhang mit dem 1. Halbsatz zu sehen. Anderenfalls wäre die dortige Benennung der grundsätzlich linear zu staffelnden Abfallgebühren ohne Sinn erfolgt. Die weitere Ausnahme in § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA bei den Abwassergebühren ziele entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht auf eine Gebührendegression, die dem Äquivalenzprinzip Rechnung trage, sondern auf eine Gebührenermäßigung aus Gründen des öffentlichen Interesses. Daraus lasse sich nicht im Umkehrschluss folgern, dass die Regelung des § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA eine degressive Gebührenstaffelung nur bei Abwassergebühren und bei vorliegendem öffentlichen Interesse, hingegen gar nicht bei Abfallgebühren zulasse. Für die Gebührenkalkulation der Abfallentsorgung habe § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA also allenfalls deklaratorischen Charakter, indem er - nach der Regelung der Ausnahme in Satz 1 - den allgemeinen Grundsatz der linearen Gebührenbemessung wiedergebe und (lediglich) für die Abwasserbeseitigung zu einer weiteren Ausnahmeregelung (HS 2) überleite. Eine Gebührendegression im Abfallgebührenrecht werde zum Teil sogar als rechtlich geboten und eine lineare Steigerung als unzulässig angesehen. Überwiegend halte jedenfalls die Rechtsprechung eine degressive Gebührenstaffelung (Mengenrabatt) gegenüber einer linearen Steigerung zwar nicht für rechtlich geboten, aber für zulässig und durch den Gleichheitssatz und das Äquivalenzprinzip nicht für ausgeschlossen. Die Unzulässigkeit einer degressiven Gebührenstaffelung bei den Abfallgebühren ergebe sich auch nicht aus der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg vom 19. Mai 2005. Dort würden ausschließlich Aussagen zur Gebührenstaffelung von Abwassergebühren getroffen.

11

Die Auffassung des Verwaltungsgerichts lasse sich auch nicht mit Blick auf § 6 Abs. 3 AbfG LSA begründen. Unterhalb der durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erzwungenen Obergrenze der Gebührenbemessung sei die Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers im Wesentlichen nur durch das Willkürverbot in der Weise eingeschränkt, dass bei gleichartig beschaffenen Leistungen, die rechnerisch und finanziell in Leistungseinheiten erfasst werden könnten, die Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit so zu wählen und zu staffeln seien, dass sie unterschiedlichen Ausmaßen in der erbrachten Leistung Rechnung tragen würden, damit die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibe. Nach diesen Grundsätzen sei die vorliegende Gebührenstaffelung aber zulässig und verstoße deshalb auch nicht gegen § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA. Zudem gehe das Gericht fehlerhaft davon aus, dass die Abfallgebühr pro m³ Leerungsvolumen je kleiner werde, desto größer der Behälter sowie der Entsorgungsrhythmus werde. Bereits die letzte Tatsachenfeststellung sei unzutreffend, denn die Abfallgebühr werde lediglich mit steigender Behältergröße kleiner, nicht aber beim Entsorgungsrhythmus. Wie aus einer Stellungnahme der (...) zusammenfassend hervorgehe, ergebe sich der Degressionseffekt allein durch die Gestaltung der behältergestützten Leistungsgebühr. Nicht linear seien im Wesentlichen die Kosten für Einsammeln/Transportieren/Umschlag, die Behälterkosten und die Kosten für Behälterwaschen. Ein Gebührenmaßstab mit degressiven Elementen spiegele im Abfallbereich unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten den Logistikeinsatz und die daraus resultierenden Abfuhrkosten wirklichkeitsnah und kostenverursachungsgerecht wider. Die Entscheidung über die Höhe der einzelnen Degressionsstufen liege dabei weitgehend im Ermessen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers. Seine Rechtsansicht werde in einem Runderlass des Innenministeriums vom 6. Juni 2001 geteilt. Der Runderlass interpretiere den nunmehr gesetzlich verankerten Grundsatz der linearen Bemessung von Abfallgebühren gleichsam als Wiederholung des seit jeher im Kommunalabgabenrecht platzgreifenden Äquivalenzprinzips. Eine degressive Gebührengestaltung sei regelmäßig mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar, wenn sie - wie hier - einen degressiven Kostenverlauf widerspiegele. Eine Gebührendegression wirke zwar Anreizen zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung entgegen und könne damit gegen die bundes- und landesrechtlichen Zielvorgaben verstoßen. Sie, die Beklagte, setze aber solche Anreize mit der Möglichkeit des Eigentümers, auf die Auswahl des vorzuhaltenden Restmüllbehälters und den Entsorgungsrhythmus - im Rahmen der angebotenen Leistungen - entsprechend der regelmäßig anfallenden Abfallmenge pro Grundstück Einfluss zu nehmen. Außerdem bestehe die Wahl zur Entscheidung für Eigenkompostierung oder Nutzung der Biotonne im Rahmen der Personengebühr. Ihr Gebührensystem werde zweifelsfrei den Anforderungen des § 6 Abs. 3 AbfG LSA gerecht, zumal für "über das normale Maß hinaus gehende Entsorgungsleistungen" Sondergebühren in Höhe der tatsächlichen Kosten erhoben würden. Gerade für die Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten, die in einer Großstadt wie Halle mit ihren unterschiedlichen Grundstücksgegebenheiten erforderlich sei, sei es geboten, wirklichkeitsnahe und kostenverursachungsgerecht kalkulierte Behältergebühren zu erheben. Mit einer linearen Behältergebühr würde man diese Kosten vereinheitlichen und den Zusammenhang von konkreter Behälterinanspruchnahme und Gebührenhöhe verwischen. Würden die Anschlusspflichtigen der größeren Mehrfamilienhäuser dann z.B. überwiegend viele kleine Abfallbehälter wählen, würde die Restmüllgebühr in der Konsequenz insgesamt auf Grund der höheren Logistikkosten steigen.

12

Selbst wenn die Regelung zum Gebührenmaßstab in § 3 Abs. 1 Abfallgebührensatzung nichtig sei, führe dies nicht zu einer Gesamtnichtigkeit der Satzung. Alle anderen Gebührentarife und deren Kalkulation blieben von der konkreten Kalkulation der "Gebühr für Restmüllbehälter" unberührt und auch ohne den bestrittenen Teil sinnvoll. Deshalb sei davon auszugehen, dass es in einem solchen Fall dem (mutmaßlichen) Willen des Satzungsgebers entspreche, zumindest die übrigen Gebührentarife losgelöst davon in eine Satzung zu geben und gegebenenfalls den hier strittigen Teil gesondert (auch gegebenenfalls nachträglich) zu regeln.

13

Weiterhin macht sie geltend, der Vortrag in der Berufungserwiderung sei wegen Verspätung zurückzuweisen und deshalb unbeachtlich.

14

Darüber hinaus seien die formellen Mängel bei der Bekanntmachung der Abfallgebührensatzungen inzwischen geheilt worden.

15

Die Beklagte beantragt,

16

das auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 4. Kammer - abzuändern und die Klage abzuweisen.

17

Die Kläger beantragen,

18

die Berufung zurückzuweisen.

19

Die Satzung vom 28. Januar 2009 und die erste Änderungssatzung seien schon nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Die Intention des Gesetzgebers sei von Anfang bis Ende des Verfahrens zur Änderung des § 5 KAG LSA im Jahre 2000 die Fixierung einer linearen Gebührenstaffelung gewesen. Dies ergebe sich aus dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens und der Intention des Entwurfsverfassers. Auch aus dem Regelungszusammenhang ergebe sich eine zwingende lineare Staffelung. Der Runderlass des Innenministeriums ändere nichts, da auch dort als grundlegender Gedanke formuliert sei, dass dem Äquivalenzprinzip entsprechend Abfallgebühren grundsätzlich linear zu staffeln sein. Soweit die Beklagte meine, eine degressive Gebührenstaffelung vornehmen zu müssen, sei allein das städtische Interesse maßgeblich. Eine degressive Staffelung führe zur Stützung größerer Sammelbehälter. Diese Container befänden sich überwiegend in alten Plattenbauten, in welchen Bürger wohnten, die Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II bezögen. Dazu gehörten auch Miet- und Mietnebenkosten, die von der Kommune zu tragen sein. Unter Bezugnahme auf das Äquivalenzprinzip werde der Verursacher von Aufwendungen mit einer betriebswirtschaftlichen Kostenanalytik nur bei - aus Sicht der Beklagten passenden Stellen bis ins kleinste Detail bemüht. Zahlreiche Beispiel in anderen Bereichen der Abfallgebühren zeigten, wie auch Nichtverursacher von Leistungen/Abfällen/Abfallmengen entgegen den Vorgaben des Äquivalenzprinzips wegen linearer Kostenverteilung und daraus resultierenden Gebührenteilen belastet würden. Setze man die Abfallgebühr in ihrer Gesamtheit (Summe von Personen- und Restmüllgebühr) behältergrößenbezogen unter den Maßstab des § 5 Abs. 3a KAG LSA, so finde sich zudem in der Personengebühr ebenfalls ein Beitrag zur Degression und damit zur Nichtkonformität mit dem KAG LSA. Das rühre daher, dass die Personengebühr unabhängig von der Restabfallmenge erhoben werde und damit Viel-Abfall-Produzenten bevorzugt würden. Die Verteilung der Kostennachforderung aus dem Vorjahr sei schließlich nur willkürlich. Dies ergebe sich auch aus der Satzungsbegründung, wonach die Unterdeckung so verteilt werde, dass die Erhöhung der Restmüllgebühr für alle Behältergrößen relativ gleichmäßig erfolge.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Berufung ist begründet.

22

Der Abfallgebührenbescheid der Beklagten vom 25. Januar 2010 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2010 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

23

Die als Rechtsgrundlage herangezogene Abfallgebührensatzung der Beklagten vom 28. Januar 2009 ist, auch in der Fassung der ersten Änderungssatzung vom 25. November 2009, nichtig, da sie mit höherrangigem Recht nicht vereinbar ist. Die Staffelung der Restmüllgebühr in § 3 Abs. 1 der Abfallgebührensatzung in Verbindung mit Nr. 1.2 der Anlage zur Satzung verstößt gegen § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 1 KAG LSA.

24

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AbfG LSA erheben die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger für die Leistungen der kommunalen Abfallentsorgung auf der Grundlage von Satzungen nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes und unter Beachtung der nachfolgenden Absätze Gebühren, soweit nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird. Nach § 6 Abs. 3 AbfG LSA sollen mit dem Gebührenmaßstab wirksame und nachhaltige Anreize zur Vermeidung und Verwertung geschaffen werden. Gemäß § 5 Abs. 3a KAG LSA kann bei Einrichtungen und Anlagen, die auch dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen dienen oder bei deren Inanspruchnahme die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen gefährdet werden können, die Benutzungsgebühr für die Leistungen so bemessen werden, dass sie Anreize zu einem umweltschonenden Verhalten bietet (Satz 1). Die Gebühren für die Abwasserbeseitigung sowie für die Beseitigung und Verwertung von Abfällen sind grundsätzlich linear zu staffeln; die Abwassergebühren können degressiv bemessen werden, wenn dies im öffentlichen Interesse erforderlich ist (Satz 2).

25

§ 5 Abs. 3a Satz 2 HS 1 KAG LSA ist mit dem Verwaltungsgericht dahingehend auszulegen, dass eine degressive Staffelung von Abfallgebühren, d.h. eine Staffelung, bei der die Gebühren bei zunehmender Leistungsmenge unterproportional ansteigen, ausgeschlossen und zumindest eine lineare Staffelung vorzunehmen ist.

26

Zwar ist der Wortlaut der Regelung nicht eindeutig. Denn der Begriff "grundsätzlich" könnte sich zum einen allein darauf beziehen, dass in Anwendung der §§ 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA, 6 Abs. 3 AbfG auch eine progressive Staffelung erlaubt ist und dass (nur) bei Abwassergebühren gem. § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA eine degressive Staffelung möglich ist. Zum anderen könnte er im Sinne einer allgemeinen Ausnahmeregelung Raum für eine degressive Staffelung der genannten Gebühren in besonderen Einzelfällen eröffnen. Auch der Wortlaut des § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA lässt nicht hinreichend sicher darauf schließen, ob danach (allein) Abwassergebühren degressiv gestaffelt werden dürfen oder ob eine (eben nicht generell ausgeschlossene) degressive Staffelung bei Abwassergebühren (nur) erlaubt ist, wenn dies im öffentlichen Interesse erforderlich ist.

27

Jedoch ergibt sich das hier vertretene Ergebnis aus der Gesetzeshistorie, der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der Regelung.

28

Der mit Änderungsgesetz vom 15. August 2000 (GVBl. S. 526) eingeführte § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA geht auf einen Gesetzentwurf der PDS vom 7. April 1999 (LT-DrS 3/1386) zurück. Zur Begründung heißt es dort: "Der Gedanke einer umweltverträglichen Wassernutzung soll sich in der Gebührenbemessung niederschlagen. Mengenrabatte auf Umweltgebrauch sollen grundsätzlich nicht zugelassen werden. Eine degressive Gebührengestaltung widerspricht diesem Anliegen und ist daher ausgeschlossen." Auch wenn der Begriff "grundsätzlich" verwendet wird und nach dem Gesetzestext bei den Abwassergebühren eine degressive Staffelung gerade nicht ausgeschlossen ist, lässt diese Begründung erkennen, dass mit der Gesetzesänderung das Ziel verfolgt werden sollte, ansonsten degressive Staffelungen generell zu untersagen.

29

Die Systematik des Gesetzes spricht ebenfalls für eine solche Auslegung. § 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA bestimmt als den leitenden Grundsatz, dass die Benutzungsgebühren bei Einrichtungen, die auch dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen dienen oder bei deren Inanspruchnahme die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen gefährdet werden können, so bemessen werden dürfen, dass sie Anreize zu einem umweltschonenden Verhalten bieten. Der Regelungszusammenhang mit dem folgenden Satz 2 macht deutlich, dass die Ermächtigung in § 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA, die Bemessung von Benutzungsgebühren als Anreiz zu umweltschonenden Verhalten zu nutzen, durch den folgenden Satz 2 nicht eingeschränkt werden soll. Vielmehr knüpft diese Bestimmung an den Satz 1 in der Weise an, dass er die Ermächtigung im Satz 1 zu einer bindenden Verpflichtung macht, jedenfalls eine lineare Staffelung der Benutzungsgebühren vorzusehen. Dieser Mindeststandard soll nur unter den engen Voraussetzungen des § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA für die Abwasserbeseitigung durchbrochen und unterschritten werden dürfen (so schon OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 19. Mai 2005 - 1 L 264/03 -, zit. nach JURIS zu einer Abwassergebühr). Der Begriff "grundsätzlich" bezieht sich danach allein auf die Ausnahme in § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA. Dass das Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt IM LSA - in seinen "Auslegungshilfen zum Kommunalabgabenrecht" (Runderlass v. 6. Juni 2001 - 33.3-10500/H) eine degressive Staffelung von Abfallgebühren in besonderen Fällen für zulässig erachtet, stellt lediglich eine abweichende Rechtsmeinung dar. Sinn und Zweck des § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 1 KAG ist es daher nicht nur, im Sinne einer Soll-Vorschrift zu wirken, sondern eine zumindest lineare Staffelung der Abfallgebühren bindend vorzuschreiben. Dafür spricht im Abfallgebührenrecht nicht nur § 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA, sondern gerade auch die Regelung des § 6 Abs. 3 AbfG LSA. Diese beiden Normen zielen hinsichtlich des Gebührenmaßstabes im Ergebnis darauf ab, dass für ansteigende Abfallerzeugung auch gleichermaßen ansteigende Abfallgebühren entrichtet werden. Dass eine degressive Gebührengestaltung gerade keine wirksamen und nachhaltigen Anreize zur Vermeidung und Verwertung von Abfall setzt, sondern im Ansatz sogar den gegenteiligen Effekt hat (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 338), wird auch von der Beklagten eingeräumt.

30

Sonstige Grundsätze der Gebührenbemessung stehen dieser Auslegung nicht entgegen. Insbesondere das von der Beklagten genannte Äquivalenzprinzip hat nicht zur Folge, dass der Landesgesetzgeber an der Untersagung einer degressiven Gebührengestaltung im Abfallrecht gehindert ist (anders wohl das IM LSA im Runderlass vom 6. Juni 2001). Das aus Verfassungsrecht herzuleitende Äquivalenzprinzip, dessen landesgesetzliche Ausprägung sich nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats in § 5 Abs. 3 Satz 1 und 2 KAG LSA findet, besagt als Ausdruck des rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes lediglich, dass eine Gebührenbemessung nicht in einem "groben Missverhältnis" zu den verfolgten legitimen Gebührenzwecken stehen darf (BVerwG, Urt. v. 1. Dezember 2005 - 10 C 4/04; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 6. November 2012 - 2 BvL 51/06, 2 BvL 52/06 -, jeweils zit. nach JURIS). Es darf also zwischen erbrachter Leistung und Gebühr kein grobes Missverhältnis bestehen. Zwar seien dem Äquivalenzprinzip Vorgaben zu entnehmen, die bei landesrechtlichen Gebührenregelungen zu beachten seien. Dem Landesrecht verblieben insoweit aber, insbesondere was die Verknüpfung der Gebührenhöhe mit den aufgewandten Kosten angehe, umfangreiche Gestaltungsspielräume (so BVerwG, Beschl. v. 27. Mai 2003 - 9 BN 3/03 -, zit. nach JURIS). Selbst wenn unbestritten bei höheren Müllmengen verbunden mit größeren Abfallbehältern eine Kostenersparnis bzw. eine Leistungsreduzierung eintritt, ist diese von vornherein nicht so erheblich, dass bei einer streng linearen Gebührenstaffelung ein das Äquivalenzprinzip verletzendes Ungleichgewicht vorliegt. Dies wird auch nicht von der Beklagten vertreten. Dementsprechend ist nach der herrschenden Meinung im Abfallgebührenrecht - bei Nichtvorliegen einer entgegengesetzten landesrechtlichen Regelung - eine degressive Gebührenstaffelung gegenüber einer linearen Steigerung nicht rechtlich geboten, sondern kann lediglich zulässig sein (vgl. OVG Sachsen, Urt. v. 11. Dezember 2002 - 5 D 13/02 -; OVG Thüringen, Urt. v. 11. Juni 2001 - 4 N 47/96 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 25. November 1999 - 12 A 12472/98 -, jeweils zit. nach JURIS; VGH Bayern, Urt. v. 6. Juni 1984 - 4 B 81 A.2310 -, BayVBl. 1985, 17, 18; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 214; 338; 754, 765; Wenzel/v. Bechtolsheim, LKV 2004, 18, 19; offen gelassen von VGH Hessen, Beschl. v. 24. August 1995 5 N 2019/92 -, jeweils zit. nach JURIS; anders VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 30. Januar 1997 - 2 S 1891/94 -, zit. nach JURIS m.w.N. für Müllgebühren je Haushaltsangehörigen bzw. je Bewohner eines Grundstücks; vgl. auch Thiem/Böttcher, KAG SH, § 6 Rdnr. 424). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat schon entschieden, dass im Benutzungsgebührenrecht weder aus dem Äquivalenzprinzip noch aus dem Gleichheitssatz ein Anspruch auf eine Gebührendegression folge (so BVerwG, Urt. v. 15. März 1983 - 8 C 167.81 -, zit. nach JURIS m.w.N.).

31

Die weiteren Einwendungen der Beklagten in diesem und dem Parallelverfahren sind ebenfalls nicht durchgreifend.

32

Aus der Verwendung der Begriffe "Beseitigung" und "Verwertung" in § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA lässt sich nicht schließen, der Gesetzgeber habe bewusst nicht den Oberbegriff "Abfallentsorgung" gewählt mit der Folge, dass allenfalls für einzelne Teilleistungsbereiche ein Verbot der degressiven Gebührenstaffelung gelte. Diese beiden Begriffe hatten nach der zum Zeitpunkt der Einführung des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA geltenden Gesetzeslage (vgl. § 3 Abs. 7 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz in der ab 11. Mai 2000 geltenden Fassung; § 12 Abs. 1 AbfG LSA vom 10. März 1998) einen umfassenden Bedeutungsgehalt und stellen daher eine Entsprechung zu dem in § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA ebenfalls verwendeten Begriff "Abwasserbeseitigung" dar. Soweit die Beklagte geltend macht, die Gebührenbelastung werde bei einer linearen Gebührengestaltung auf Grund von höheren Logistikkosten insgesamt steigen, handelt es sich um eine reine Spekulation. Für die von ihr genannte Befürchtung, es werde zu einem Austausch von großen Abfallbehältern gegen (mehrere) kleinere Behälter kommen, hat sie schon keinen Anhaltspunkt genannt. Im Übrigen dürfte selbst eine solche Folge nichts an der Auslegung des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA und dessen Vereinbarkeit mit sonstigen gebührenrechtlichen Grundsätzen ändern. Ob die Staffelung der Restmüllgebühr (auch) gegen die Vorgaben der §§ 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA, 6 Abs. 3 AbfG LSA verstößt, spielt keine Rolle, weil es darauf bei einem Verstoß der Satzung gegen § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA nicht ankommt. Die im Übrigen von der Beklagten vorgebrachten Argumente, insbesondere die genannten Belege für eine abnehmende Kostenbelastung bzw. abnehmende Leistungserbringung bei steigenden Behältergrößen, sind zwar durchaus geeignet, auf der Ebene der Satzungsgestaltung die Einführung einer Degression zu stützen. Sie sind aber gegenüber den genannten Anhaltspunkten in der Entstehungsgeschichte des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA, der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der Norm nicht ausreichend, um eine abweichende Auslegung der streitbefangenen Norm zu rechtfertigen. Angesichts der Einschränkung durch den Landesgesetzgeber ist es daher auch von vornherein unbeachtlich, dass grundsätzlich auch dem Satzungsgeber bei der Gestaltung des Gebührenmaßstabs ein erheblicher Gestaltungsspielraum zukommt. Ob die Bestimmung des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA die sachgerechteste Vorgabe für eine Gebührengestaltung beinhaltet, ist bei der Auslegung des Gesetzes schließlich nicht Gegenstand der richterlichen Prüfung. Entscheidend sind allein der objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich nach Anwendung der üblichen Auslegungsmethoden darstellt, und die Untersuchung, ob die Norm in der gefundenen Auslegung wiederum mit höherrangigem (Verfassungs-)Recht vereinbar ist.

33

Die Regelungen zur Restmüllgebühr in der Abfallgebührensatzung der Beklagten vom 28. Januar 2009 sowie in der Abfallgebührensatzung in der Fassung der ersten Änderungssatzung vom 25. November 2009 stehen danach mit § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA nicht in Übereinstimmung. Die Staffelung der Restmüllgebühr in § 3 Abs. 1 der Abfallgebührensatzung in Verbindung mit Nr. 1.2 der Anlage zur Satzung ist auf Grund der Festlegung der Gebührenhöhe für die einzelnen Behältergrößen weitestgehend degressiv ausgestaltet. Die Beklagte räumt dies auch ein, und dieser Umstand wird in der von ihr vorgelegten Stellungnahme der (...) ausdrücklich bestätigt. Dass durch den Entsorgungsrhythmus keine Degression eintritt, ist danach unbeachtlich. Ob einzelne Kostenbestandteile der Restmüllgebühr je nach Behältergröße unterschiedlich hoch sind, hat für die Frage der Rechtmäßigkeit des Gebührenmaßstabs von vornherein keine Bedeutung. Denn es kommt allein auf den Gebührenmaßstab bzw. die Gebührenstaffelung an und nicht auf die Gebührenkalkulation (vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 3. November 2006 - 4 L 284/05 -, zit. nach JURIS).

34

Der aufgezeigte Mangel hat zur Folge, dass die Gebührenregelungen in der Satzung insgesamt nichtig sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zuletzt Beschl. v. 24. Februar 2012 - 9 B 80/11 -, zit. nach JURIS m.w.N.) führt die Ungültigkeit eines Teils einer kommunalen Satzungsbestimmung dann nicht zu ihrer Gesamtunwirksamkeit, wenn die übrigen Teile auch ohne den ungültigen Teil sinnvoll bleiben (Grundsatz der Teilbarkeit) und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wären (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers). Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die jeweils einzeln kalkulierten Gebührentarife blieben - jeweils für sich betrachtet - sinnvoll und ergäben eine Kostendeckung, so dass es in einem solchen Fall dem (mutmaßlichen) Willen des Satzungsgebers entspreche, zumindest die übrigen Gebührentarife gegebenenfalls gesondert zu regeln. Wie der erkennende Senat aber schon mehrfach entschieden hat, kann man nicht davon ausgehen, es entspreche regelmäßig dem Willen des Satzungsgebers, dass für den Fall der Unwirksamkeit eines Teils der Satzung die übrige Satzung Geltung behalte. Eine solche Regelvermutung besteht gerade nicht. Dass die Körperschaft bei Annahme einer Teilnichtigkeit befugt wäre, den nichtigen Teil der Satzung rückwirkend zu heilen, ist für die Auslegung ihres (hypothetischen) Willens ohne Bedeutung (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 30. November 2006 - 4 L 320/06 -, Urt. v. 14. April 2008 - 4 L 181/07 - und Beschl. v. 17. November 2010 - 4 L 213/09 - jeweils zit. nach JURIS m.w.N.). Da die Beklagte die Abfallgebühren mit einem in sich geschlossenen und aufeinander abgestimmten Gebührensystem erhebt, dessen wesentliche Bestandteile die Personen- und Restmüllgebühr sind, ist ohne deutliche Indizien gerade nicht anzunehmen, dass bei der Nichtigkeit eines Teils dieses Gesamtgefüges der restliche Teil bestehen bleiben soll. Solche Anhaltspunkte sind aber weder substanziiert geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

35

Dass die Gebührenerhebung auf eine vorhergehende Gebührensatzung gestützt werden kann, hat die Beklagte schon nicht geltend gemacht. Es kann daher offen bleiben, ob sich die Gesamtnichtigkeit der Satzung nicht auf die Regelung über das Inkrafttreten der Abfallgebührensatzung vom 28. Januar 2009 bezieht, mit der die Vorgängersatzung aufgehoben worden ist (so OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 28. Januar 2009 9 A 1.07 -; VGH Bayern, Beschl. v. 26. Februar 2001 - 23 ZS 00.2999 -; Rosenzweig/Fresse, KAG Nds, § 2 Rdnr. 31 m.w.N.; a.M.: VG Potsdam, Urt. v. 8. November 2012 - 6 K 1249/11 -, jeweils zit. nach JURIS).

36

Nicht entschieden werden muss noch danach, ob die unter dem Gesichtspunkt der relativ gleichmäßigen Erhöhung der Restmüllgebühr für alle Behältergrößen vorgenommene Verteilung der Kostenunterdeckung zu beanstanden ist. Da ohnehin keine Verbindung zwischen den in einem vorherigen Kalkulationszeitraum entstandenen Kostenunterdeckungen und dem Verhalten der Gebührenpflichtigen des darauffolgenden Kalkulationszeitraums besteht (vgl. dazu Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 92, 101)) und § 5 Abs. 2b Satz 2 KAG LSA nur allgemein den "Ausgleich" von Kostenunterdeckungen vorsieht, reicht es aus, wenn diese Verteilung auf die Behältergrößen nicht willkürlich erfolgt, sondern nach objektiv nachvollziehbaren Kriterien vorgenommen wird, die den Gesichtspunkt der Praktikabilität einbeziehen dürfen (vgl. auch VGH Hessen, Beschl. v. 8. September 2005 - 5 N 3200/02 -, zit. nach JURIS).

37

Die in der Berufungserwiderung vorgebrachten Einwendungen der Kläger, die sich auf eine Verletzung des Äquivalenzprinzips beziehen, dürften dagegen von vornherein nicht durchgreifend sein. Die Kläger sehen dieses Prinzip dann als verletzt an, wenn Kosten der Abfallbeseitigung innerhalb der Personen- bzw. Restmüllgebühr auf sämtliche Gebührennutzer umgelegt werden, obwohl die entsprechenden Leistungen nicht gegenüber allen Gebührennutzern erbracht bzw. die Kosten nicht von allen Gebührennutzern verursacht werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dem Satzungsgeber bei der Bestimmung des Gebührenmaßstabs für Abfallgebühren ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet, dessen Grenzen mit Blick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG erst dann überschritten sind, wenn die Gebührenregelung nicht mehr durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Der jeweilige Satzungsgeber kann je nach den konkreten Umständen eine Auswahl unter den verschiedensten Gebührenmodellen treffen, ohne dass sich aus dem Gleichheitsgrundsatz eine Präferenz für einen bestimmten Gebührenmaßstab ergibt. Zur Wahl stehen neben mengen- oder gewichtsorientierten auch personen-, haushalts- oder grundstücksbezogene Gebührenmaßstäbe; auch Kombinationen kommen in Betracht. Nach dem Äquivalenzprinzip darf nur zwischen erbrachter Leistung und Gebühr kein grobes Missverhältnis bestehen. Dabei verbleibt dem Satzungsgeber bei Beantwortung der Frage, in welcher Weise eine sachgerechte Verbindung zwischen dem Wert seiner Leistung und der auf den Anschlusspflichtigen entfallende Gebühr bewirkt werden soll, ein weiter Ermessenspielraum (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19. Dezember 2007 - 7 BN 6/07 -, zit. nach JURIS m.w.N.). Verfassungsrechtlich geboten ist nicht, dass dem unterschiedlichen Maß der Inanspruchnahme staatlicher Leistung genau Rechnung getragen wird, sondern nur, dass in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit eine verhältnismäßige Belastungsgleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibt (BVerwG, Urt. v. 1. Dezember 2005 - 10 C 4/04 -, zit. nach JURIS). Auch sonst hat das Bundesverwaltungsgericht anerkannt, dass das Äquivalenzprinzip und der Gleichheitssatz es nicht verlangen, dass Benutzungsgebühren strikt nach dem Maß der durch die jeweilige Benutzung verursachten Kosten erhoben werden müssen. Vielmehr ist auch der Gesichtspunkt der Praktikabilität hinsichtlich der Ermittlung der jeweiligen Kosten zu beachten (BVerwG, Urt. v. 7. Dezember 2000 - 11 C 7/00 -, zit. nach JURIS; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 2007, a.a.O.). Danach ist eine pauschalierende Gebührenerhebung im Abfallrecht, die nicht strikt auf die erbrachten Leistungen bzw. entstandenen Kosten abstellt (vgl. zu einem einheitlichen Maßstab nach dem Restabfallbehältervolumen Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 765a; Rosenzweig/Freese, KAG Nds, § 5 Rdnr. 329 jeweils m.w.N.), grundsätzlich nicht zu beanstanden.

38

Offen bleiben kann, ob die Bekanntmachung der Ausfertigung der ersten Änderungssatzung formell ordnungsgemäß erfolgt ist. Es ist grundsätzlich unverzichtbar, dass bei einer gemeindlichen Satzung die Unterschrift des Bürgermeisters als nach der Gemeindeordnung notwendiges Element des Rechtsetzungsverfahrens ebenso mit der Satzung veröffentlicht wird wie das Datum der Unterschriftsleistung (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23. November 2012 - 4 L 135/12 -, zit. nach JURIS m.w.N.). Bei der Abfallgebührensatzung vom 28. Januar 2009 wurde ein solcher Ausfertigungsvermerk mit der Satzung bekannt gemacht; dass die Wiedergabe der Unterschrift in Form einer "maschinengedruckten" Namensangabe erfolgte, ist ausreichend (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23. November 2012, a.a.O.). Dagegen genügte der bei der ersten Änderungssatzung lediglich vorgenommene Abdruck einer "Bekanntmachungsanordnung" nicht den rechtlichen Vorgaben an die Bekanntmachung eines Ausfertigungsvermerks (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23. November 2012, a.a.O.). Unterbleibt die Veröffentlichung des Ausfertigungsvermerks gemeinsam mit der Satzung oder ist die Veröffentlichung dieses Vermerks fehlerhaft bzw. unvollständig, kommt grundsätzlich in Betracht, dass die gesamte Satzung mit dem vollständigen Ausfertigungsvermerk im Wege einer wiederholenden Bekanntmachung nochmals veröffentlicht wird oder eine neue Ausfertigung erfolgt mit anschließender Bekanntmachung der Satzung und eines neuen Ausfertigungsvermerks. Ansonsten ist der Mangel nur dann unbeachtlich, wenn die Satzung bei der Bekanntmachung tatsächlich ausgefertigt war und die Ausfertigung der Satzung in der üblichen Form jedenfalls nachträglich bestätigt wird (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 11. September 2012, a.a.O.; Beschl. v. 24. November 2010 - 4 K 368/08 -, zit. nach JURIS; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 7. Juni 1978 - VII C 63.76 -, zit. nach JURIS). Eine solche Bestätigung kann einmal durch eine nachträgliche Bekanntmachung einer rechtsverbindlichen Erklärung erfolgen, dass die Satzung zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung ordnungsgemäß ausgefertigt war. Diese Erklärung muss von dem zum Zeitpunkt der Erklärung amtierenden Bürgermeister abgegeben werden, weil dieser das nach § 6 Abs. 2 Satz 2 GO LSA das für die Ausfertigung und Bekanntmachung von Satzungen zuständige Gemeindeorgan ist und eine derartige Erklärung eine über eine redaktionelle Berichtigung hinausgehende Ergänzung des zum Rechtsetzungsverfahren gehörigen Formalakts darstellt. Zum anderen kann die Bestätigung durch eine redaktionelle Berichtigung (vgl. dazu auch § 61 Abs. 3 Satz 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien) der Satzung erfolgen, mit der der - allein im Rahmen der Veröffentlichung - aufgetretene Mangel erläutert und der vollständige Ausfertigungsvermerk nochmals veröffentlicht wird. Eine derartige Berichtigung muss auch nicht durch den zum Zeitpunkt der Berichtigung amtierenden Bürgermeister unterzeichnet sein, wenngleich die Angabe der veranlassenden Verwaltung der Gemeinde zumindest als Orientierung hilfreich wäre. Die Beklagte hat in dem Amtsblatt vom 13. Februar 2013 ausdrücklich im Wege einer "Bekanntmachung" eine Erklärung zur Ordnungsgemäßheit der Ausfertigung der Satzung veröffentlicht und gleichzeitig den ursprünglichen Ausfertigungsvermerk beigefügt, ohne dass der zum Zeitpunkt dieser Bekanntmachung amtierende Bürgermeister die Bekanntmachung unterzeichnet hat. Es ist nach den oben dargestellten Überlegungen deshalb problematisch, ob es sich um die Bekanntmachung einer Bestätigungserklärung oder eine redaktionelle Berichtigung gehandelt hat.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

40

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

41

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.

42

Beschluss

43

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 87,60 € festgesetzt.

44

Gründe:

45

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.

46

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO; 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 05.Juli 2006 - 3 A 131/06 - geändert und der Bescheid des Beklagten vom 17. November 2005 - Steuer-Nr. ... - sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 03.Januar 2006 aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des Klägers abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer.

2

Der Kläger ist Student an der Fachhochschule Neubrandenburg und erhält Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Er war und ist mit seiner Hauptwohnung im elterlichen Haus unter der aus dem Rubrum ersichtlichen Anschrift gemeldet und unterhält zu Studienzwecken in 17033 Neubrandenburg, B... Straße ..., Wohnungsnummer ... (Studentenwohnheim) eine Nebenwohnung. Er bewohnt im Haus seiner Eltern ein 13,60 m² großes "Kinderzimmer"; hinsichtlich der näheren Umstände wird insoweit auf den Schriftsatz des Klägers vom 14. Juni 2007 samt Anlagen verwiesen.

3

In seiner Erklärung zur Zweitwohnungssteuer vom 07. April 2005 gab der Kläger die Wohnung in Neubrandenburg als Nebenwohnung an. Er gab weiter an, die Zweitwohnung sei für ihn keine Zweitwohnung im Sinne der Zweitwohnungssteuersatzung, weil zu der von ihm bewohnten Gesamtheit von Räumen keine Küche bzw. Kochnische und/oder Toilette gehöre.

4

Unter dem 29. August 2005 gab der Kläger erneut eine Erklärung zur Zweitwohnungssteuer ab und führte dabei aus, die Nebenwohnung stelle keine Wohnung im Sinne des Zweitwohnungssteuerrechts dar. Zur Begründung führte er aus, es sei kein Erstwohnsitz vorhanden, Bad/WC und Küche seien nicht im Zimmer.

5

Mit Zweitwohnungssteuerbescheid vom 17. November 2005 zog der Beklagte den Kläger zu einer Zweitwohnungssteuer für das Jahr 2005 in Höhe von insgesamt 117,42 Euro heran.

6

Als Rechtsgrundlage bezeichnete der Zweitwohnungssteuerbescheid die Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer der Stadt Neubrandenburg vom 21. Dezember 2004, veröffentlich und amtlich bekannt gemacht im Stadtanzeiger Nr. 16/2004 vom 29. Dezember 2004 (nachfolgend: Zweitwohnungssteuersatzung - ZwStS).

7

Die Zweitwohnungssteuersatzung enthält u.a. folgende Regelungen:

8

§ 2 Steuergegenstand

(1) Gegenstand der Steuer ist das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet Neubrandenburg.

(2) Eine Zweitwohnung ist jede Wohnung, die jemand neben seiner Hauptwohnung in melderechtlichem Sinne für seinen persönlichen Lebensbedarf oder den persönlichen Lebensbedarf seiner Familienmitglieder innehat. Eine Wohnung verliert die Eigenschaft einer Zweitwohnung nicht dadurch, dass ihr Inhaber sie zeitweilig zu anderen als den vorgenannten Zwecken nutzt.

(3) Zweitwohnungen sind auch Wohnungen, die auf Erholungsgrundstücken (§§ 312 bis 315 des Zivilgesetzbuches der DDR vom 19. Juni 1975, GBl. I Nr. 27 S. 465) errichtet worden sind.

(4) Dritte und weitere Wohnungen im Stadtgebiet unterliegen nicht der Zweitwohnungssteuer.

9

§ 3 Steuerpflichtiger

(1) Steuerpflichtig ist der Inhaber einer im Stadtgebiet Neubrandenburg liegenden Zweitwohnung. Inhaber einer Zweitwohnung ist derjenige, dem die Verfügungsbefugnis über die Wohnung als Eigentümer, Mieter oder sonstiger Dauernutzungsberechtigter zusteht. Das gilt auch bei unentgeltlicher Nutzung.

(2) Sind mehrere Personen gemeinschaftlich Inhaber einer Zweitwohnung, so sind sie Gesamtschuldner.

(3) Steuerpflichtig im Sinne dieser Satzung sind nicht Kur- und Feriengäste als Mieter von Ferienhäusern, Wohnungen oder Zimmern, soweit die Nutzungsdauer unter einem Monat liegt.

...

10

Der Satzung lag ein Beschlussvorschlag für die Stadtvertretung zu Grunde, in dem es u.a. heißt:

11

"2. Die Stadtvertretung bestätigt die Maßnahmen zur Förderung der Anmeldung mit Hauptwohnsitz und beauftragt den Oberbürgermeister mit der Umsetzung (Anlage 2)."

12

Weiter heißt es:

13

"Finanzielle Auswirkungen:

Die finanziellen Auswirkungen wurden unter folgenden Annahmen berechnet:

- gegenwärtig mit Nebenwohnsitz gemeldete Einwohner 4.108 Personen*
- davon werden sich mit Hauptwohnsitz voraussichtlich anmelden 1.500 Personen**
- werden voraussichtlich Zweitwohnungssteuerzahler 2.300 Personen**."

14

Handschriftlich ist daneben die Zahl 4261 - offenbar bezogen auf die gegenwärtig mit Nebenwohnsitz gemeldeten Einwohner - vermerkt. Zur Erläuterung wird im Hinblick auf die Angaben zu den gegenwärtig mit Nebenwohnsitz gemeldeten Einwohner ausgeführt, dass es sich um eine stadteigene Angabe per 31. August 2004 handele, während die weiteren Zahlen geschätzte Werte darstellten. In der Begründung des Beschlussvorschlags heißt es:

15

"Im Rahmen der Haushaltskonsolidierung wurde erneut die Diskussion über die Einführung einer Zweitwohnungssteuer in der Stadt Neubrandenburg angeregt, da mit ihrer Einführung neben der daraus resultierenden Steuereinnahmeerwartung auch ein finanzieller Effekt durch die Reflexion dieser Steuer auf die Zahl der Einwohner mit angemeldeter Hauptwohnung und somit auf die Schlüsselzuweisungen im Rahmen des Landesfinanzausgleiches unterstellt werden kann. Insbesondere die in der Stadt Neubrandenburg wohnenden Schüler und Studenten über 18 Jahre sollten dazu bewegt werden, ihren Pflichten aus dem Meldegesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern nachzukommen. Die Meldepflicht obliegt demjenigen, der die Wohnung bezieht. ...

16

Die in der Anlage beigefügte Satzung entspricht weitestgehend der Mustersatzung."

17

Die in der Beschlussvorlage erwähnte Anlage 2 sieht verschiedene Maßnahmen zur Förderung der Anmeldung mit Hauptwohnsitz für Schüler und Studenten in Gestalt eines "Begrüßungsgeldes" und eines "Freizeittickets" vor.

18

In der Sitzung der Stadtvertretung Neubrandenburg vom 11. November 2004 wurden unter TOP6 Maßnahmen zur Förderung der Anmeldung mit Hauptwohnsitz in der Stadt Neubrandenburg erörtert. In der Niederschrift heißt es dazu u.a.:

19

"...
Ratsherr Dr. B... stellt den Antrag ...

20

Begründung zum Antrag:

 
... Diese Satzung sei aber bekanntlich durch die Rechtsaufsichtsbehörde zu bestätigen. Es sei zu befürchten, dass die Satzung in der vorliegenden Form keine Bestätigung findet, weil im § 2 der Steuergegenstand unpräzise beschrieben ist. Es müsse zumindest eine bestimmte Quadratmeterzahl pro Person angegeben und der Gegenstand der Wohnung beschrieben werden. Diese Dinge seien zu klären und gehörten in die zweite Lesung.

 
...

21

Zu den Hinweisen von Ratsherrn S...:

 
Die Verwaltung habe sich mit der Stadt Kiel in Verbindung gesetzt. Die dortigen Regelungen werden in der Satzung der Stadt Neubrandenburg an sich ausgelegt. Ausnahmen werden für Kinder definiert, die bei ihren Eltern leben. Sie fallen nicht unter den Begriff der Zweitwohnungssteuer, weil sie keine Wohnung innehaben und nicht Wohnungseigentümer im Sinne des Meldegesetzes sind. Ebenso fallen lt. Landesmeldegesetz die Grundwehrdienstleistenden nicht unter den Begriff der Zweitwohnungsinhaber. Die Kleingärten werden nach dem Bundeskleingartengesetz nicht besteuert und Erholungsgebiete seien für die Stadt Neubrandenburg zur Zeit nicht relevant.

 
Mit der Vorlage der Verwaltung werden also nur diejenigen erreicht, die mit Nebenwohnsitz in Neubrandenburg gemeldet sind und über einen gültigen Mietvertrag verfügen. Pendler werden sich allerdings entscheiden müssen, wo sie ihren Hauptwohnsitz nehmen. ..."

22

Hinsichtlich der Entstehungsgeschichte der Satzung im Übrigen wird auf die vorgenannten Unterlagen, die Niederschriften über die 4. und 5. Sitzung des Finanzausschusses vom 27.Oktober 2004 und vom 01. Dezember 2004, die Niederschrift über die 3. Sitzung des Schul- und Sportausschusses am 01. Dezember 2004, die Niederschrift über die 7. Sitzung des Hauptausschusses am 09. Dezember 2004 und die Niederschrift über die 6. Sitzung der Stadtvertretung am 16. Dezember 2004 (Beiakten C und D) verwiesen.

23

Gegen den Zweitwohnungssteuerbescheid wandte sich der Kläger mit seinem am 01. Dezember 2005 eingegangen Widerspruch. Darin führte er aus, bei seinem Elternwohnsitz handele es sich nicht um einen selbst unterhaltenen Erstwohnsitz, sondern um ein Kinderzimmer in der elterlichen Wohnung. Außerdem sehe er sein Zimmer im Studentwohnheim nicht als Wohnung an, da dieses Zimmer weder fließend Wasser, ein WC noch eine Küche enthalte. Er sei nicht wirtschaftlich leistungsfähig, da er kein Einkommen beziehe, sondern sein Studium mit Ausbildungsförderung finanziere. Er verwies zudem auf die Rechtsprechung des VG Lüneburg.

24

Mit Widerspruchsbescheid vom 03. Januar 2006 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Festsetzung der Zweitwohnungssteuer sei rechtmäßig. Ein Studierender, der am Studienort einen Nebenwohnsitz begründe, während er einen Hauptwohnsitz in Form eines Zimmers in der elterlichen Wohnung behalte, könne grundsätzlich zur Zweitwohnungssteuer herangezogen werden. § 2 ZwStS regele, dass eine Zweitwohnung jede Wohnung sei, die jemand neben seiner Hauptwohnung in melderechtlichem Sinne für seinen persönlichen Lebensbedarf innehabe. Danach sei Wohnung im Sinne dieses Gesetzes jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt werde. Das Zimmer in der elterlichen Wohnung würde zwar für sich nicht die Anforderungen an eine Zweitwohnung erfüllen, stelle aber einen ausreichenden Hauptwohnsitz dar. Wenn daher der Zweitwohnsitz am Studienort die satzungsrechtlichen Voraussetzungen erfülle, d.h. der Inhaber sowohl tatsächlich als auch rechtlich verfügungsbefugt sei, bestehe dort Zweitwohnungssteuerpflicht. Im Übrigen enthält der Widerspruchsbescheid Ausführungen zur Zulässigkeit einer Zweitwohnungssteuer als Aufwandsteuer im Sinne von Art.105 Abs. 2a GG.

25

Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 06. Januar 2006 zugestellt.

26

Am 01. Februar 2006 hat der Kläger Anfechtungsklage erhoben und im Wesentlichen zur Begründung ausgeführt, seine Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer sei rechtswidrig. Es fehle bereits an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die Zweitwohnungssteuersatzung sei nichtig, weil sie keinen Ausnahmetatbestand für die Bezieher von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz enthalte. Auch die Rechtsanwendung sei zu beanstanden. Er sei wirtschaftlich nicht leistungsfähig, da er Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz beziehe. Ungeachtet dessen könne das Zimmer in dem Wohnheim bereits deshalb nicht als Zweitwohnung angesehen werden, weil es den Mindestanforderungen einer Wohnung nicht genüge. Es handele sich um ein 16,5 m² großes Zimmer ohne Nasszelle oder Küche. Insoweit sei er auf die Nutzung der Gemeinschaftseinrichtungen angewiesen. Zudem scheide die Annahme einer Zweitwohnung auch deshalb aus, weil er nicht über eine Erstwohnung verfüge. In der elterlichen Wohnung nutze er lediglich ein Zimmer. Überdies sei der Beklagte verpflichtet, die Steuerschuld zur Vermeidung einer unbilligen Härte zu erlassen.

27

Der Kläger hat beantragt,

28

den Bescheid des Beklagten vom 17. November 2005 - Steuer-Nr.: ... - und dessen Widerspruchsbescheid vom 03. Januar 2006 aufzuheben.

29

Der Beklagte hat den angegriffenen Bescheid verteidigt und beantragt,

30

die Klage abzuweisen.

31

Mit dem angefochtenen Urteil vom 05. Juli 2006 - 3 A 131/06 - hat das Verwaltungsgericht Greifswald die Klage durch den Einzelrichter - unter Zulassung der Berufung - abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der streitgegenständliche Zweitwohnungssteuerbescheid sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Er finde seine gemäß § 2 Abs. 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage in der Zweitwohnungssteuersatzung vom 21. Dezember 2004. Ermächtigungsgrundlage für diese Steuersatzung sei § 3 Abs. 1 KAG M-V, wonach die Gemeinden und Landkreise örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern erheben könnten. Bei der Zweitwohnungssteuer handele es sich um eine örtliche Aufwandsteuer, mit der die besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit besteuert werde, die in der Verwendung des Einkommens für einen besonderen Lebensaufwand zum Ausdruck komme. Das Innehaben einer Zweitwohnung sei nach allgemeiner Auffassung als besonderer Lebensaufwand anzusehen.

32

Die Zweitwohnungssteuersatzung sei materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere weise sie den gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V erforderlichen Mindestinhalt auf und verstoße auch nicht gegen Art. 3 GG. Es sei unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht zu beanstanden, dass die Satzung keinen generellen Befreiungs- bzw. Ermäßigungstatbestand für Studenten und Auszubildende sowie für die Nutzung einer Zweitwohnung aus beruflichen Gründen enthalte. Solange die Zweitwohnung für die persönliche Lebensführung vorgehalten werde, komme es für die Steuerpflicht auf die Motive und Zwecke für das Vorhalten der Zweitwohnung nicht an.

33

Der Satzungsgeber sei im Rahmen seines Gestaltungsspielraumes jedenfalls nicht dazu verpflichtet, Studenten von der Zahlung der Zweitwohnungssteuer generell zu befreien. Die nicht näher begründete Auffassung des Finanzgerichts Bremen, wonach aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG "zwingend" abzuleiten sei, dass Studenten, die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhielten, generell von der Zweitwohnungssteuer befreit sein müssten, sei abzulehnen. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten habe, die Normierung eines Ausnahmetatbestandes für zu Ausbildungszwecken genutzte Zweitwohnungen sei mit Blick auf die "Vorwirkung des Art. 12 GG" notwendig, sei darauf hinzuweisen, dass das Grundrecht der Berufsfreiheit nicht vor mittelbaren Eingriffen schütze.

34

Auch die Satzungsanwendung sei nicht zu beanstanden. Insbesondere handele es sich bei dem vom Kläger gemieteten Zimmer in dem Studentenwohnheim um eine Zweitwohnung und damit um einen tauglichen Steuergegenstand im Sinne des § 2 Abs. 1 ZwStS. Denn im Zweitwohnungssteuerrecht gelte ein eigenständiger Wohnungsbegriff. Wohnung in diesem Sinne sei jede umschlossene Räumlichkeit, die von ihrer Ausstattung her zumindest zum zeitweisen Wohnen geeignet sei und genutzt werde. Eine konkrete Mindestausstattung der Räumlichkeit (z.B. Kochgelegenheit, Trinkwasserversorgung, Abwasserbeseitigung, Stromversorgung, Heizung und Waschmöglichkeit) sei nicht erforderlich, wenn diese Ausstattungen in vertretbarer Nähe zur Verfügung stünden oder die Räume bestimmungsgemäß nur in bestimmten Jahreszeiten genutzt würden.

35

Weiter genüge die vom Kläger genutzte Wohnung auch den subjektiven Anforderungen einer Zweitwohnung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 ZwStS. Die Bestimmung sei so auszulegen, dass es für die Annahme einer Zweitwohnung allein auf den formalen Akt der Meldung als Nebenwohnung ankomme.

36

Entgegen der Auffassung des Klägers scheide die Annahme einer Zweitwohnung auch nicht deshalb aus, weil er nicht über eine "Erstwohnung" verfüge. Der Einwand betreffe die Frage, ob das ("Kinder-")Zimmer, das von Studenten - und so auch vom Kläger - in der elterlichen Wohnung häufig noch während des Studiums genutzt werde, als Wohnung angesehen werden könne. Diese Frage sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Lüneburg zu bejahen. Der Wohnungsbegriff des Zweitwohnungssteuerrechts erfordere nicht, dass neben dem Zimmer immer auch eine eigene Küche, Toilette und ein Bad vorhanden sein müsse ("Wohnung in der Wohnung"). Ausreichend für das Innehaben einer "Erstwohnung" sei, dass dem Kläger in der elterlichen Wohnung ein eigenes Zimmer zur Verfügung stehe. Für die Annahme einer eigenen Verfügungsmacht sei die Begründung eines eigenen Miet- oder Untermietverhältnisses nicht erforderlich, solange er die Wohnung im Einverständnis seiner Eltern mitnutzen dürfe. Ebensowenig bedürfe es einer alleinigen Verfügungsbefugnis.

37

Schließlich lägen auch die Voraussetzungen für einen Steuererlass nach § 227 Abgabenordnung (AO), der gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V entsprechende Anwendung finde, und für eine niedrigere Festsetzung gemäß § 163 Abs. 1 Satz 1 AO nicht vor. Vorliegend sei weder eine sachliche noch eine persönliche Unbilligkeit zu erkennen, die nach diesen Vorschriften einen Erlass rechtfertigten. Es lasse sich nicht feststellen, dass die Besteuerung in diesem Einzelfall zu einem vom Gesetz- bzw. Satzungsgeber offensichtlich nicht gewollten Ergebnis führen würde, denn es liege keine Abweichung von dem vom Satzungsgeber zu Grunde gelegten Regelfall vor. Soweit das Verwaltungsgericht Lüneburg annehme, eine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit fehle bei Studenten, die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhielten, vermöge das Gericht dem nicht zu folgen. Denn ebensowenig, wie bei einer Aufwandsteuer danach gefragt werden dürfe, zu welchem Zweck der Aufwand betrieben werde, dürfe danach gefragt werden, woher die Mittel stammten, aus denen der Aufwand betrieben werde.

38

Das Urteil wurde dem Kläger am 11. Juli 2006 zugestellt.

39

Der Kläger hat am 04. August 2006 Berufung eingelegt und dabei zu ihrer Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen einer Aufwandsteuer lägen bei einem Studenten, der lediglich Leistungen nach dem BAföG beziehe und lediglich ein Zimmer in einem Studentenwohnheim innehabe, nicht vor. Die Erhebung von Zweiwohnungssteuer für Studentenwohnheimplätze verstoße gegen das Gesetz, da insoweit die Ermächtigungsgrundlage die Satzung nicht rechtfertige. Er erfülle offensichtlich nicht das Kriterium der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Insoweit dürfte schon vor dem Hintergrund des Art. 105 Abs.2a GG Zweitwohnungssteuer für Studentenwohnheimplätze nicht erhoben werden, da bei allen Studenten, zumindest soweit sie Ausbildungsförderung bezögen, nicht von einer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgegangen werden könne. Es sei willkürlich, Studenten in einem Studentenwohnheim mit Ferienwohnungsinhabern gleich zu behandeln. Sie würden insoweit in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mit diesen gleichgestellt, obwohl eine entsprechende Leistungsfähigkeit ihrerseits nicht vorliege. Die Erhebung der Zweitwohnungssteuer verstoße massiv gegen alle Intentionen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, mit dem gerade sichergestellt werden solle, dass die materiellen Grundlagen gegeben seien, damit ein Student überhaupt sein Studium durchführen könne. Da die BAföG-Sätze streng bedarfsorientiert seien, müsste daraus folgen, dass die Zweitwohnungssteuer dann vom Bund bezahlt werden müsste. Der vom Verwaltungsgericht vertretene Wohnungsbegriff sei nicht haltbar. Auch das Zimmer im elterlichen Haus könne nicht als "Wohnung" bezeichnet werden. Der Wohnungsbegriff sei im Zusammenhang mit der zweitwohnungssteuerrechtlichen Besteuerung des "Mehraufwandes" so zu fassen, dass es sich jeweils um im Besitz des Besteuerten befindliche abgeschlossene Wohnungen handeln müsse. Im Übrigen sei die Erhebung der Zweitwohnungssteuer unbillig.

40

Die Unterlagen der Zweitwohnsitzsteuersatzung der Stadt Neubrandenburg zeigten mit aller Deutlichkeit, dass es nicht darum gegangen sei, tatsächlich einen luxuriösen Mehraufwand zu besteuern. Wahrer Hintergrund der Zweitwohnungssteuersatzung sei es, dass auf diesem Wege Druck ausgeübt werden solle, dass sich Schüler und Studenten mit Hauptwohnsitz in der Stadt Neubrandenburg anmeldeten in der Hoffnung, dann erhöhte Schlüsselzuweisungen im Rahmen des Landesfinanzausgleichs zu erhalten. Damit würden mit der Satzung und der Zweitwohnungssteuer völlig sachfremde Ziele verfolgt.

41

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

42

in Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 05. Juli 2006 den Bescheid des Beklagten vom 17. November 2005 - Steuer-Nr. ... - in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Januar 2006 aufzuheben.

43

Der Beklagte beantragt,

44

die Berufung zurückzuweisen.

45

Der Beklagte verteidigt die angefochtenen Bescheide und schließt sich der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts an. Es bestehe keine rechtliche Verpflichtung, Studenten, die Ausbildungsförderung erhielten, von der Zweitwohnungssteuer zu befreien. Dagegen habe sich nach dem Meldegesetz für das Land M-V (LMG) derjenige innerhalb einer Woche bei der Meldebehörde anzumelden, der eine Wohnung beziehe (§13 Abs. 1 LMG). Hauptwohnung nach §16 Abs. 2 LMG sei die vorwiegend benutzte Wohnung des Einwohners. Wohnung im Sinne des Melderechts sei jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen genutzt werde, §15 LMG.

46

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und die Gerichtsakte, die jeweils zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

47

Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg; das Verwaltungsgericht hat seine Klage zu Unrecht abgewiesen.

48

Die zulässige Anfechtungsklage des Klägers gegen den Bescheid des Beklagten vom 17.November 2005 - Steuer-Nr. ... - und dessen Widerspruchsbescheid vom 03. Januar 2006 ist begründet; der angefochtene Bescheid und der Widerspruchsbescheid sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist entsprechend abzuändern.

49

Rechtsgrundlage des angefochtenen Zweitwohnungssteuerbescheides ist die Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Stadt Neubrandenburg vom 21. Dezember 2004.

50

Diese steht zwar in ihrer vom Senat zugrunde gelegten Auslegung in Einklang mit höherrangigem Recht bzw. ist wirksam, soweit es um die Erfüllung der gesetzlichen Mindestanforderungen nach §2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V im Hinblick auf die Tatbestandsmerkmale der "Wohnung" (dazu unter 1.) und des "Innehabens" derselben (dazu unter 2.) geht. Die Rechtsanwendung in Gestalt der angefochtenen Bescheide ist jedoch nach Maßgabe der entsprechend vom Senat ausgelegten Satzung bzw. dieser Tatbestandsvoraussetzungen der Steuererhebung im vorliegenden Fall rechtswidrig. Zudem stehen Art. 105 Abs. 2a Satz 1 und Art. 3 Abs. 1 GG einer zweitwohnungssteuerrechtlichen Behandlung des typischen "Kinderzimmers" bzw. der Beibehaltung eines Zimmers in der elterlichen Wohnung durch das Kind als Innehabung einer Erstwohnung und als tatbestandsmäßiger Steuergegenstand entgegen (dazu unter 3.). Unabhängig hiervon ist die Erhebung der Zweitwohnungssteuer gegenüber dem Kläger als Empfänger von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) von Verfassungs wegen - Art.105 Abs.2a Satz 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip - ausgeschlossen bzw. rechtswidrig (dazu unter 4.).

51

Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Zweitwohnungssteuersatzung bestehen im Übrigen nicht. Insbesondere liegt die gemäß § 2 Abs. 2 KAG a. F. im Falle einer Abweichung von einer Mustersatzung des Innenministeriums erforderliche Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde in Gestalt der Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde beim Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern vom 17. Dezember 2004 vor (vgl. § 79 Abs. 2 KV M-V), die entsprechend § 5 Satz 5 KV-DVO bekannt gemacht worden ist.

52

1. Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Zweitwohnungssteuersatzung ist § 3 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V, wonach die Gemeinden und Landkreise örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern erheben können. Die Zweitwohnungssteuer ist eine Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs.2a Satz 1 GG bzw. § 3 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V.

53

Im Hinblick auf die materielle Rechtmäßigkeit der Zweitwohnungssteuersatzung bzw. Wirksamkeit der Satzung als Rechtsgrundlage des angefochtenen Steuerbescheides sind insbesondere die Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V als höherrangiges Recht nach der vom Senat vorgenommenen geltungserhaltenden Auslegung erfüllt.

54

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V muss die Satzung den Kreis der Abgabenschuldner, den die Abgabe begründenden Tatbestand, den Maßstab und den Satz der Abgabe sowie den Zeitpunkt ihrer Entstehung und ihrer Fälligkeit angeben.

55

Die Zweitwohnungssteuersatzung gibt den die Abgabe begründenden Tatbestand noch hinreichend bestimmt an.

56

Der Steuergegenstand als der die Abgabe begründende Tatbestand wird in § 2 ZwStS umschrieben. Gegenstand der Steuer ist danach das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet Neubrandenburg (Abs. 1). Weiter bestimmt Absatz 2 insbesondere, dass Zweitwohnung jede Wohnung ist, die jemand neben seiner Hauptwohnung in melderechtlichem Sinne für seinen persönlichen Lebensbedarf oder den persönlichen Lebensbedarf seiner Familienmitglieder innehat.

57

Betrachtet man diese Regelungen der Zweitwohnungssteuersatzung, so wird deutlich, dass der Ortsgesetzgeber einen Wohnungsbegriff voraussetzt bzw. diesen nicht - ausdrücklich - normiert. Definiert wird lediglich in § 2 Abs. 2 Satz 1 ZwStS der Begriff der Zweitwohnung unter Bezugnahme auf einen nicht näher erläuterten Wohnungsbegriff ("jede Wohnung neben seiner Hauptwohnung").

58

Mangels ausdrücklicher Bestimmung ist damit klärungsbedürftig, was der Ortsgesetzgeber unter einer "Wohnung" im Sinne der Zweitwohnungssteuersatzung verstanden wissen wollte. Dieser Klärungsbedarf besteht gleichermaßen für die Frage, ob eine Erst- oder eine Zweitwohnung vorliegt.

59

Die Begriffe "Erstwohnung" und "Zweitwohnung" bzw. deren Verhältnis zueinander versteht der Senat dabei in Anknüpfung an den Begriff der Aufwandsteuer wie folgt: Eine Erstwohnung bzw. die Innehabung einer solchen rechtfertigt überhaupt erst die Annahme einer Zweitwohnung. Auch wenn die Erstwohnung keinen besonderen Aufwand darstellt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.03.2007 - 10 BN 4.06 -, juris; Urt. v. 29.11.1991 - 8 C 107.89 -, Buchholz 11 Art. 105 GG Nr.17), ist sie doch begriffliche Voraussetzung einer Zweitwohnung (vgl. VG Lüneburg, Beschl. v. 28.07.2004 - 5 B 34/04 - u. Urt. v. 02.01.2004 - 5 A 118/04 -, jeweils juris). Ohne - äußerlich erkennbaren - Aufwand - auch wenn es kein "besonderer" ist - für eine Erstwohnung kann es mit anderen Worten auch keinen besonderen Aufwand in Gestalt des Innehabens einer Zweitwohnung geben. Das Bestehen einer Erstwohnung ist insoweit keine Frage der Leistungsfähigkeit im Einzelfall bzw. ob der Aufwand im Einzelfall die Leistungsfähigkeit überschreitet, sondern schlicht normative Voraussetzung für die Erhebung der Zweitwohnungssteuer: Existiert keine Erstwohnung, gibt es keine Zweitwohnung und damit auch keinen äußerlich erkennbaren und besteuerbaren besonderen Aufwand als Ausdruck wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit.

60

Dass der ortsrechtlich maßgebliche Wohnungsbegriff eine für die Erhebung der Zweitwohnungssteuer bzw. den die Abgabe begründenden Tatbestand wesentliche Voraussetzung darstellt, versteht sich von selbst und liegt auch angesichts des vorliegend zu entscheidenden Falles auf der Hand, in dem zu klären ist, ob ein "Kinderzimmer" in der elterlichen Wohnung als (Erst-) "Wohnung" im Sinne der Zweitwohnungssteuersatzung qualifiziert werden kann.

61

Der vorstehend festgestellte Klärungsbedarf bezüglich des vom Ortsgesetzgeber vorausgesetzten Merkmals der "Wohnung" lässt jedoch nicht die Schlussfolgerung zu, damit sei unter Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V der die Abgabe begründende Tatbestand in wesentlicher Hinsicht nicht hinreichend (bestimmt) umschrieben worden. Zwar kann der Zweitwohnungssteuersatzung ebensowenig - wie das Verwaltungsgericht meint - ein allgemeingültiger "Wohnungsbegriff des Zweitwohnungssteuerrechts" (dazu unter a) oder der melderechtliche Wohnungsbegriff (dazu unter b) als maßgeblich unterlegt werden. Der Senat geht jedoch im Wege geltungserhaltender Auslegung der Zweitwohnungssteuersatzung davon aus, dass der Ortsgesetzgeber jedenfalls Wohnungen im Sinne des üblichen bzw. allgemeinen Sprachgebrauchs der Zweitwohnungssteuer unterwerfen wollte; für einen weiter gefassten Wohnungsbegriff findet sich allerdings kein Anhaltspunkt, was zur Folge hat, dass das "Kinderzimmer" des Klägers nicht "Wohnung" im Sinne des Ortsrechts des Beklagten ist (dazu unter c).

62

a) Das Verwaltungsgericht hat - erst - auf der Ebene der Satzungsanwendung den Wohnungsbegriff erörtert und sich mit der Frage, ob das ("Kinder-")Zimmer, das von Studenten - und so auch vom Kläger - in der elterlichen Wohnung häufig noch während des Studiums genutzt werde, als Wohnung angesehen werden könne, befasst. Es ist offenbar - ohne dies allerdings ausdrücklich anzusprechen - ebenfalls davon ausgegangen, dass der Zweitwohnungssteuersatzung nicht ohne Weiteres eine Definition des maßgeblichen Wohnungsbegriffs entnommen werden kann. Denn anders lässt sich sein Rückgriff auf einen "Wohnungsbegriff des Zweitwohnungssteuerrechts", den es näher skizziert und sodann seiner weiteren Prüfung zugrunde legt, nicht erklären.

63

Ein "Wohnungsbegriff des Zweitwohnungssteuerrechts", der allgemein Gültigkeit beanspruchen könnte, wird jedoch vom Verwaltungsgericht nicht belegt; ein solcher existiert auch nicht.

64

Zweitwohnungssteuerrecht ist im Wesentlichen Ortsrecht. Auch wenn eine Mustersatzung existiert (vgl. Mustersatzung "Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Hansestadt/Stadt/Gemeinde" nach Maßgabe der Bekanntmachung des Innenministeriums vom 02.Oktober 1997 - II 350 -, Amtsbl. M-V S. 990), ist das Ortsrecht dennoch offen für vielgestaltige Regelungen in den verschiedenen Kommunen (vgl. Holz, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand: Mai 2007, § 3 Anm. 3.4.4). Schon die beiden Zweitwohnungssteuersatzungen von Neubrandenburg und Rostock, die Gegenstand verschiedener Verfahren des Sitzungstages waren, weichen von der Mustersatzung ab und sind gerade hinsichtlich des Wohnungsbegriffs deutlich unterschiedlich ausgestaltet: Während - wie gesagt - die Zweitwohnungssteuersatzung der Stadt Neubrandenburg weder für Zweit- noch Erstwohnung eine ausdrückliche Definition enthält, bestimmt § 2 Abs. 2 der Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Hansestadt Rostock i.d.F. vom 13. Februar 2006 Wohnung im Sinne dieser Satzung als "jeden umschlossenen Raum, der zum Wohnen oder Schlafen bestimmt ist und zu dem eine Küche oder Kochnische sowie eine Toilette gehört" (vgl. im Übrigen auch den Wohnungsbegriff nach Maßgabe der dort maßgeblichen Satzung im Beschl. des VG Lüneburg v. 28.07.2004 - 5 B 34/04 - u. Urt. v. 02.01.2004 - 5 A 118/04 -, jeweils juris: "jede baulich abgeschlossene Gesamtheit von Räumen, die zum Wohnen oder Schlafen bestimmt ist, zu der eine Küche oder Kochgelegenheit sowie eine Toilette und ein Bad oder eine Dusche gehören"; vgl. im Urt. des VGH München v. 14.02.2007 - 4 N 06.367 -: "Wohnung im Sinne dieser Satzung ist jede Wohnung im Sinne von Art. 15 des Bayerischen Meldegesetzes in der jeweils geltenden Fassung."). Das Verwaltungsgericht geht im Übrigen nicht darauf ein, dass der Beklagte in der Begründung des Widerspruchsbescheides entgegen dem gerichtlicherseits angenommenen Inhalt eines "Wohnungsbegriffs des Zweitwohnungssteuerrechts" ausdrücklich verneint, dass ein "Kinderzimmer" bzw. Zimmer in der elterlichen Wohnung die Anforderungen an eine (Zweit-)Wohnung erfüllt. Hinsichtlich des von ihm im vorliegenden Kontext angesprochenen Aspekts der Verfügungsbefugnis über die Erstwohnung trennt das Verwaltungsgericht zudem nicht hinreichend zwischen dem Wohnungsbegriff und dem Merkmal des "Innehabens".

65

b) In der Zweitwohnungssteuersatzung ist auch eine Wille des Ortsgesetzgebers, der Wohnungsbegriff des § 15 LMG (vgl. auch § 11 Abs. 5 MRRG) solle maßgeblich sein, nicht bzw. nicht hinreichend bestimmt zum Ausdruck gekommen. Erst recht enthält sie keinerlei Hinweis auf einen womöglich dergestalt differenzierenden Wohnungsbegriff, dass für die Erstwohnung diese melderechtliche Definition, für die Zweitwohnung jedoch eine andere Geltung beanspruchen soll.

66

aa) Zunächst existiert im Ortsrecht keine ausdrückliche derartige Bezugnahme, etwa dergestalt, dass Wohnung im Sinne der Zweitwohnungssteuersatzung jede Wohnung im Sinne von § 15 LMG in der jeweils geltenden Fassung sein solle. Auch schlüssig wird der Satzung nicht hinreichend bestimmt ein solcher Wohnungsbegriff unterlegt. Wenn in § 2 Abs. 2 ZwStS von der "Hauptwohnung in melderechtlichem Sinne" die Rede ist, bezieht sich dieser Hinweis auf das Melderecht nur auf die Hauptwohnung, die Regelungsgegenstand des § 16 Abs. 1 LMG, also einer anderen Vorschrift des Landesmeldegesetzes ist. Dieser melderechtlichen Bestimmung ist insbesondere die Abgrenzung von Haupt- und Nebenwohnung bei Vorhandensein mehrerer Wohnungen im Inland zu entnehmen. Folglich kommt der Bezugnahme in der Zweitwohnungssteuersatzung auf sie lediglich eine entsprechend funktionelle und in folgendem Sinne begrenzte Bedeutung zu: Die Bezugnahme dient ausschließlich der für die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer erforderlichen Abgrenzung, ob und welche von zwei Wohnungen ggfs. - je nach Ortsrecht - grundsätzlich einer Zweitwohnungssteuer unterfallen kann bzw. welche der hinsichtlich der räumlichen Lage der Wohnungen in Betracht kommenden Kommunen berechtigt wäre, wenn das Ortsrecht dies vorsieht, die Steuer zu erheben. Wie bereits ausgeführt, wird insoweit lediglich der Begriff der Zweitwohnung definiert, für den ein Anknüpfen an den - bundesrechtlich einheitlichen - melderechtlichen Begriff der Hauptwohnung (§16 Abs. 2 LMG, § 12 Abs. 2 MRRG) zwingend sein dürfte, um insoweit gegenläufige Regelungen der betroffenen Kommunen und eine daraus etwa resultierende Besteuerung beider Wohnungen zu vermeiden. Eine derartige Kollisionsgefahr besteht aber hinsichtlich des Wohnungsbegriffs gerade nicht, folglich auch keine Notwendigkeit des Rückgriffs auf die melderechtliche Definition desselben.

67

bb) Eine Einbeziehung des melderechtlichen Wohnungsbegriffs in das Steuerrecht bzw. Ortsrecht der Stadt Neubrandenburg kann auch deshalb nicht ohne ausdrückliche Bezugnahme unterstellt werden, weil der melderechtliche Wohnungsbegriff bewusst sehr weit gefasst ist, um möglichst alle Einwohner zu erfassen (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 20.03.2002 - 2 L 136/00 -, juris; VGH München, Urt. v. 14.02.2007 - 4 N 06.367 -, S. 9 des Urteils: "weiter Wohnungsbegriff des Bayerischen Meldegesetzes"). Deutlich wird dies insbesondere daraus, dass melderechtlich (vgl. §15 Satz 1 LMG) bereits die "Benutzung" eines umschlossenen Raumes in einer bestimmten Weise ausreichend sein soll und danach unerheblich ist, in welcher rechtlichen Beziehung der Benutzer zu diesem Raum steht. Zudem genügt es, wenn der umschlossene Raum zum Wohnen oder - nur - zum Schlafen benutzt wird. Dass die unterschiedlichen Regelungsbereiche des Melderechts und des Zweitwohnungssteuerrechts unterschiedliche Anforderungen stellen und folgerichtig unterschiedliche Wohnungsbegriffe nahelegen (vgl. Beschluss des Senats v. 27.02.2007 - 1 M 103/06 -), zeigt insoweit bereits der Umstand, dass Steuergegenstand nach § 2 Abs. 1 ZwStS gerade nicht die bloße "Benutzung", sondern das "Innehaben" einer - wie auch immer gearteten - Wohnung sein soll. Mit anderen Worten: Die Zweitwohnungssteuersatzung weicht in diesem Punkt selbst bereits ausdrücklich vom melderechtlichen Wohnungsbegriff ab und liefert damit statt eines Hinweises auf eine Bezugnahme auf den melderechtlichen Wohnungsbegriff das Gegenteil eines solchen.

68

Im Übrigen bedürfte im Falle einer solchen Bezugnahme z.B. die Frage, ob von der Zweitwohnungssteuersatzung auch Wohnwagen, die nicht oder nur gelegentlich fortbewegt werden, erfasst sein sollen (vgl. § 15 Satz 3 LMG), einer ausdrücklichen Antwort in der Satzung (vgl. VG Augsburg, Urt. v. 28.02.2007 - Au 6 K 05.1988 -, juris; OVG Münster, Urt. v. 29.11.1995 - 22 A 210/95 -, NVwZ-RR 1997, 315); dass eine solche Antwort in der Satzung nicht gegeben wird, spricht ebenfalls gegen die Anknüpfung an den melderechtlichen Wohnungsbegriff.

69

cc) Der Entstehungsgeschichte der Zweitwohnungssteuersatzung bzw. insbesondere dem Protokoll der Stadtvertretungssitzung vom 11. November 2004 lassen sich gleichfalls keine hinreichenden Hinweise entnehmen, die für eine Intention des Ortsgesetzgebers, den Wohnungsbegriff des § 15 LMG zugrunde legen zu wollen, sprechen würden. Im Gegenteil ist danach der Ratsherr Dr. B... zur Begründung eines seinerseits gestellten Antrages mit folgender Äußerung hervorgetreten:

70

"Diese Satzung sei aber bekanntlich durch die Rechtsaufsichtsbehörde zu bestätigen. Es sei zu befürchten, dass die Satzung in der vorliegenden Form keine Bestätigung findet, weil im § 2 der Steuergegenstand unpräzise beschrieben ist. Es müsse zumindest eine bestimmte Quadratmeterzahl pro Person angegeben und der Gegenstand der Wohnung beschrieben werden. Diese Dinge seien zu klären und gehörten in die zweite Lesung."

71

Eine derartige Klärung des "Gegenstands der Wohnung" - insbesondere im Sinne der Geltung des melderechtlichen Wohnungsbegriffs - ist aber nicht erfolgt, obwohl die Problematik aus den Reihen der Stadtvertretung also schon im Vorfeld des Satzungsbeschlusses ausdrücklich angesprochen worden war.

72

dd) Dem Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 03. Januar 2006 kann ebenfalls nicht entnommen werden, dass der Ortsgesetzgeber von der Geltung des melderechtlichen Wohnungsbegriffs ausging.

73

Im Widerspruchsbescheid heißt es, § 2 ZwStS regele, dass eine Zweitwohnung jede Wohnung sei, die jemand neben seiner Hauptwohnung in melderechtlichem Sinne für seinen persönlichen Lebensbedarf innehabe. Danach sei Wohnung im Sinne dieses Gesetzes jeder "unverschlossene" (gemeint ist offensichtlich "umschlossene") Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt werde. Die Formulierung "danach" erscheint - zumal angesichts der vorstehenden Erwägungen - nicht nachvollziehbar, da § 2 ZwStS gerade keinen Wohnungsbegriff definiert. Auch die Formulierung "dieses Gesetzes" erschließt sich angesichts des zuvor zitierten § 2 ZwStS nicht. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf das Landesmeldegesetz erfolgt ebenso wenig. Allerdings wird § 15 Satz 1 LMG - abgesehen von dem Wort "unverschlossene" - inhaltlich in wörtlicher Übereinstimmung wiedergegeben. Wie die Behörde aus der Zweitwohnungssteuersatzung interpretatorisch einen solchen Wohnungsbegriff ableitet, macht sie aber nicht deutlich. Wenn zudem ausgeführt wird, das Zimmer in der elterlichen Wohnung würde zwar für sich nicht die Anforderungen an eine Zweitwohnung erfüllen, stelle aber einen ausreichenden Hauptwohnsitz dar, ist dies gänzlich unverständlich: Wieso ein "Kinderzimmer" nicht den gerade zuvor angeblich zugrundezulegenden Wohnungsbegriff erfüllt, ist nicht nachvollziehbar. Noch weniger nachvollziehbar ist es, wenn damit offenbar gesagt sein soll, dass für Erst- und Zweitwohnung von einem unterschiedlichen Wohnungsbegriff auszugehen wäre: Die Satzung regelt - wie gesagt - jedenfalls keinen differenzierten Wohnungsbegriff, je nach dem, ob die Erst- oder die Zweitwohnung betroffen ist. Zudem werden hier die Begriffe "Wohnung" und "Wohnsitz" unzulässig vermengt bzw. gegenüber gestellt.

74

c) Der Senat geht vor diesem Hintergrund im Rahmen einer geltungserhaltenden Auslegung der Zweitwohnungssteuersatzung aber davon aus, dass der Ortsgesetzgeber mit Blick auf den von ihm vorausgesetzten Wohnungsbegriff hinlänglich bestimmt zumindest Wohnungen im Sinne eines üblichen und allgemeinen Sprachgebrauchs bzw. Wohneinheiten, die als Mindestausstattung typischerweise bestimmte Ausstattungsmerkmale aufweisen, der Steuer unterwerfen wollte. Als Wohnungen in diesem Sinne sind nach Auffassung des Senats abgeschlossene oder räumlich erkennbar selbständige Wohneinheiten mit sanitärer Ausstattung und Kochgelegenheit zu qualifizieren (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.04.1997 - 8 B 87.97 - juris; vgl. auch OVG Schleswig, Urt. v. 20.03.2002 - 2 L 136/00 -, juris; VG Lüneburg, Urt. v. 02.01.2004 - 5 A 118/04 -, juris; VG Oldenburg, Urt. v. 26.10.2006 - 2 A 1562/04 -, juris; VG Braunschweig, Urt. v. 18.02.2003 - 5 A 232/01 -, juris). Bei einer "Wohnung" muss es sich um Räume handeln, die tatsächlich zum - zumindest vorübergehenden - Wohnen geeignet sind. Da zum Wohnen zweifellos vor allem Körperhygiene, Essen und Schlafen gehören, lassen sich bereits hieraus die erforderlichen Rückschlüsse auf die Mindestausstattung der Räume ziehen, damit diese als Wohnung eingestuft werden können. Hierzu gehören folglich Kochgelegenheit, Wasserversorgung, Ausguss, Toilette und Heizungsmöglichkeiten (vgl. VG Braunschweig, Urt. v. 18.02.2003 - 5 A 232/01 -, juris). Für einen demgegenüber weiterreichenden Wohnungsbegriff finden sich hingegen keine schlüssigen Anhaltspunkte im Ortsrecht.

75

Für dieses Normverständnis des Senats spricht der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 03.Januar 2006 indiziell immerhin insoweit, als er ausdrücklich verneint, dass ein "Kinderzimmer" bzw. Zimmer in der elterlichen Wohnung die Anforderungen an eine (Zweit-)Wohnung erfüllt. Diese Bewertung im Widerspruchsbescheid stimmt überein mit der protokollierten Aussage der Abteilungsleiterin Finanzservice, Frau W..., im Rahmen der Stadtvertretungssitzung vom 11.November 2004, wonach Ausnahmen für Kinder, die bei ihren Eltern lebten, definiert würden, sie fielen nicht unter den Begriff der Zweitwohnungssteuer, weil sie keine Wohnung innehätten und nicht Wohnungseigentümer im Sinne des Meldegesetzes seien.

76

Im Hinblick darauf, dass die Zweitwohnungssteuersatzung jedenfalls keine Anhaltspunkte für eine diesbezügliche Differenzierung bietet, muss von der Geltung dieses vorstehend skizzierten Wohnungsbegriffs nicht nur für die Zweit-, sondern auch für die Erstwohnung ausgegangen werden.

77

Da jedenfalls das vom Kläger bewohnte "Kinderzimmer" im elterlichen Haus für sich betrachtet nicht das Kriterium der abgeschlossenen oder räumlich erkennbar selbständigen Wohneinheit mit eigener sanitärer Ausstattung und Kochgelegenheit erfüllt, stellt es selbst keine Erstwohnung und folglich die Wohnung in Neubrandenburg schon aus diesem Grunde keine Zweitwohnung dar, die Grundlage für eine Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer sein kann. Ob das Zimmer im Studentenwohnheim diese Anforderungen erfüllt, konnte deshalb offen bleiben bzw. musste in tatsächlicher Hinsicht nicht weiter aufgeklärt werden.

78

2. Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen zum Wohnungsbegriff ist der Kläger zudem nicht Steuerpflichtiger nach § 3 ZwStS. Er ist nicht Inhaber einer Erstwohnung. Die Steuerpflicht setzt auch bezüglich der Erstwohnung eine Inhaberschaft voraus, die den gleichen Regeln folgt wie die Inhaberschaft hinsichtlich der Zweitwohnung (dazu unter a). Der Begriff des "Innehabens" in §2 Abs. 2 Satz 1 ZwStS kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht mit der "formalen Meldung als Nebenwohnung" gleichgesetzt werden (dazu unter b). Der vorliegend im Ortsrecht angelegte Begriff der Verfügungsbefugnis setzt das Bestehen einer rechtlich abgesicherten tatsächlichen Verfügungsmacht voraus, die dem Kind - auch dem volljährigen - hinsichtlich des "Kinderzimmers" in der elterlichen Wohnung als bloßer Besitzdiener i.S.v. § 855 BGB typischerweise fehlt (dazu unter c).

79

a) Gemäß § 3 Abs. 1 ZwStS ist der Inhaber einer im Stadtgebiet Neubrandenburg liegenden Zweitwohnung steuerpflichtig. Inhaber einer Zweitwohnung ist derjenige, dem die Verfügungsbefugnis über die Wohnung als Eigentümer, Mieter oder sonstiger Dauernutzungsberechtigter zusteht, was auch bei unentgeltlicher Nutzung gilt. § 2 Abs. 1 und 2 ZwStS stellen ebenfalls jeweils auf das Innehaben einer Zweitwohnung ab. Dass den Vorschriften des § 2 Abs. 1, 2 Satz 1 und § 3 Abs. 1 Sätze 1 u. 2 ZwStS ein unterschiedlicher Begriff des "Innehabens" zugrunde liegen könnte, ist systematisch auszuschließen.

80

Die Zweitwohnungssteuersatzung enthält damit in § 3 ZwStS und auch sonst keinerlei Bestimmungen, die sich ausdrücklich mit der für die Annahme einer Zweitwohnung begrifflich vorausgesetzten Erstwohnung und den Bedingungen der Steuerpflicht unter diesem Blickwinkel befassen. Damit ist jedoch der Kreis der Abgabenschuldner nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V als weitere Mindestvoraussetzung einer Steuersatzung angesprochen.

81

Die rechtlich gebotene vollständige Umschreibung des Steuertatbestandes bzw. der Steuerpflicht setzt die begriffliche Einbeziehung des Merkmals "Innehaben einer Erstwohnung" voraus (vgl. bereits den Beschl. des Senats v. 27.02.2007 - 1 M 103/06 -). Denn wenn nach der Regelungskonzeption des Ortsgesetzgebers Gegenstand der Steuererhebung bzw. Anknüpfungspunkt der Steuerpflicht das "Innehaben einer Zweitwohnung" ist, dann erfordert der Steuertatbestand schon aus Gründen der begrifflichen Logik auch, dass der Abgabenpflichtige sich entsprechend eine Erstwohnung leistet (vgl. OVG Koblenz, Beschl. v. 29.01.2007 - 6 B 11579/06.OVG -; vgl. auch VG Halle, Urt. v. 11.01.2006 - 5 A 169/05 HAL - unter Hinweis auf das Urt. v. selben Tag in 5 A 236/05 HAL).

82

Der Zweitwohnungssteuersatzung ist jedoch durch Auslegung hinreichend bestimmt zu entnehmen, dass an die Inhaberschaft bezüglich der Erstwohnung die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie bei der Zweitwohnung; umgekehrt finden sich keine Anhaltspunkte für diesbezüglich differenzierende Anforderungen.

83

Das Merkmal des Innehabens nach Maßgabe von § 2 Abs. 2 Satz 1 ZwStS bezieht sich eindeutig sowohl auf die Erst- als auch die Zweitwohnung ("... neben seiner Hauptwohnung ... innehat ..."); "neben" ist hier ohne jeden Zweifel im Sinne von "beide nebeneinander" oder "beide gemeinsam" und bezogen auf "innehaben" gemeint. Deshalb ist eine unterschiedliche Deutung des Begriffs des "Innehabens" je nach Erst- oder Zweitwohnung schon begrifflich nach Maßgabe des Ortsrechts ausgeschlossen (vgl. VG Weimar, Urt. v. 27.09.2006 - 6 K 5509/04 -, juris).

84

Für diese Beurteilung spricht auch die in der Bestimmung des § 2 Abs. 2 Satz 1 ZwStS weiter formulierte Voraussetzung, die Zweitwohnung müsse jemand für seinen persönlichen Lebensbedarf oder den persönlichen Lebensbedarf seiner Familienmitglieder innehaben. Gemäß dem - nach der entsprechenden Auslegung der Zweitwohnungssteuersatzung durch den Senat - einheitlich für Erst- und Zweitwohnung zu verwendenden Wohnungsbegriff und unter Einbeziehung der Bestimmung des § 3 Abs. 1 Satz 2 ZwStS kann dieses einengende Merkmal sinnvoll nur bedeuten, dass bei Nutzung der (Erst-)Wohnung durch eine Familie Inhaber nur derjenige ist, der als Eigentümer, Mieter oder als sonstiger Dauernutzungsberechtigter die Wohnung - auch - für den persönlichen Lebensbedarf seiner Familienmitglieder innehat, nicht jedoch die übrigen Familienmitglieder, insbesondere regelmäßig nicht die Kinder. Diese Bewertung findet einen entstehungsgeschichtlichen Rückhalt in der - schon erwähnten - protokollierten Aussage der Abteilungsleiterin Finanzservice, Frau W..., im Rahmen der Stadtvertretungssitzung vom 11.November 2004, wonach Ausnahmen für Kinder, die bei ihren Eltern lebten, definiert würden, sie fielen nicht unter den Begriff der Zweitwohnungssteuer, weil sie keine Wohnung innehätten und nicht Wohnungseigentümer im Sinne des Meldegesetzes seien.

85

b) Wie angesichts des in der Zweitwohnungssteuersatzung einheitlich verwandten Begriffs des "Innehabens" das Verwaltungsgericht meinen kann, § 2 Abs. 2 Satz 1 ZwStS sei so auszulegen, dass es für die Annahme einer Zweitwohnung allein auf den "formalen Akt der Meldung als Nebenwohnung", also nicht auf ein "Innehaben", ankomme, erschließt sich dem Senat nicht. Das erläuternde Merkmal "in melderechtlichem Sinne" in § 2 Abs. 2 Satz 1 ZwStS bezieht sich zudem - wie ausgeführt - nur auf den Begriff der Hauptwohnung und nicht auf die Zweitwohnung oder das Merkmal des "Innehabens". Abgesehen davon, dass es einen "formalen Akt der Meldung als Nebenwohnung" so nicht gibt, sondern lediglich die Pflicht des Einwohners, bei jeder An- oder Abmeldung mitzuteilen, welche Wohnung seine Hauptwohnung ist und welche weiteren Wohnungen er hat (vgl. § 16 Abs. 4 Satz 1 LMG, ähnlich § 16 Abs. 3 LMG a.F.), ist eine Gleichsetzung des materiellen Kriteriums des "Innehabens" nach Maßgabe des einschlägigen Ortsrechts mit der "formalen Meldung als Nebenwohnung" jedenfalls schon von daher ausgeschlossen.

86

Ein gewichtiges Argument gegen eine Anknüpfung an die bloße "formale Meldung als Nebenwohnung" ist im Übrigen darin zu erblicken, dass der Ortsgesetzgeber ausweislich der Erläuterungen der finanziellen Auswirkungen zum Beschlussvorschlag vom 29.September 2004 und weiterer Unterlagen davon ausgegangen ist, dass weit mehr als ein Drittel der damaligen Nebenwohnsitzinhaber in Neubrandenburg entgegen den Bestimmungen des LMG dort - nur - mit Nebenwohnsitz gemeldet war, also in Neubrandenburg in Wirklichkeit gar nicht über einen Zweitwohnsitz verfügte. In der Sitzung der Stadtvertretung vom 11. November 2004 und der Bekanntmachungsanordnung zur Zweitwohnungssteuersatzung ist ebenfalls zentral davon die Rede, dass die Satzung als "Maßnahme zur Förderung der Anmeldung mit Hauptwohnsitz in der Stadt Neubrandenburg" zu betrachten sei. Das macht natürlich nur Sinn, wenn die Anmeldung mit Hauptwohnsitz konform mit dem Landesmeldegesetz erfolgen kann, folglich die bisherige Mitteilung als Nebenwohnsitz gesetzeswidrig war. Vor diesem Hintergrund wäre offenkundig die in einem Großteil der Fälle - schon nach Auffassung des Ortsgesetzgebers - unzutreffende "Meldung als Nebenwohnung" ein untaugliches Anknüpfungs- bzw. Tatbestandsmerkmal des Steuertatbestandes.

87

c) Bei der Zweitwohnung knüpft § 3 Abs. 1 Satz 2, 3 ZwStS an den Inhaber an, dem die Verfügungsbefugnis über die Wohnung als Eigentümer, Mieter oder als sonst dauernutzungsberechtigte Person zusteht, auch bei unentgeltlicher Nutzung; dieser Inhaberbegriff muss sich nach den vorstehenden Erwägungen auch auf die Erstwohnung beziehen. Diese Definition geht über den abgabenrechtlichen Begriff des Innehabens der Wohnung, der die tatsächliche Verfügungsmacht über die Wohnung erfordert (vgl. Gersch, in: Klein, AO, 9. Aufl., §8 Rn. 3) hinaus: Er verlangt, wie die Verwendung des Begriffs "Verfügungsbefugnis" und die Verknüpfung desselben mit der Stellung als Eigentümer, Mieter und sonst Dauernutzungsberechtigten eindeutig zeigt, eine rechtliche Absicherung der bestehenden tatsächlichen Verfügungsmacht, die für sich allein folglich nicht zur Begründung der Steuerpflicht genügt.

88

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes ist davon auszugehen, dass Kinder, die sich noch in der Ausbildung befinden, auch wenn sie volljährig geworden sind, typischerweise in der elterlichen Wohnung kein Zimmer "innehaben", weil sie nicht in der von § 3 Abs. 1 Satz 2 ZwStS geforderten rechtlich abgesicherten Weise verfügungsbefugt, sondern lediglich Besitzdiener im Sinne von § 855 BGB, also nicht einmal Besitzer sind (vgl. VG Weimar, Urt. v. 27.09.2006 - 6 K 5509/04 -, juris, m.w.N.; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 05.12.2002 -16 K 3699/01 -, KStZ 2003, 213 - zitiert nach juris; VGH München, Urt. v. 14.02.2007 - 4 N 06.367 -, S. 11 des Urteils; VG Köln, Urt. v. 14.02.2007 - 21 K 2275/06 -, juris; Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 885 Rn. 7; OLG Hamburg, Beschl. v. 06.12.1990 - 6 W 73/90 -, NJW-RR 1991, 909 - zitiert nach juris; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 18.06.1970 - III C 33.69 -, BVerwGE 35, 297 - zitiert nach juris).

89

Wenn das Verwaltungsgericht Köln (Urt. v. 14.02.2007 - 21 K 2275/06 -, juris; ähnlich VGH München, Beschl. v. 20.03.2007 - 4 CS 07.478 -, juris) demgegenüber meint, für die Erstwohnung sei keine Verfügungsbefugnis erforderlich, das Innehaben werde in der dort überprüften Satzung nur für die Zweitwohnung verlangt, ist dies vorliegend schon deshalb unerheblich, weil die Zweitwohnungssteuersatzung der Stadt Neubrandenburg wie ausgeführt das Innehaben auch für die Erstwohnung voraussetzt. Aber auch im Übrigen überzeugt die Argumentation nicht, es entspreche dem Zweck der Zweitwohnungssteuer, an die Zweitwohnung höhere Anforderungen als an die Hauptwohnung zu stellen, die besonderen tatsächlichen und rechtlichen Verfügungsmöglichkeiten, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit indizierten, seien für den Erstwohnsitz dagegen unerheblich, da er für sich keine steuerlichen Konsequenzen habe. Hierbei wird übersehen, dass begriffsimmanente Voraussetzung der Zweitwohnung die Existenz einer Erstwohnung ist, die folglich offensichtlich steuerliche Auswirkungen hat. Darüber hinaus setzt sich das Verwaltungsgericht Köln nicht damit auseinander, dass es bei einem differenzierten Begriff des "Innehabens" je nach Erst- oder Zweitwohnung überhaupt - wie im vorliegend zu entscheidenden Fall - an einem entsprechenden Begriff als notwendiger Bestandteil des Steuertatbestandes fehlen würde; hierfür wäre aber eine entsprechende Regelung erforderlich (vgl. OVG Koblenz, Beschl. v. 29.01.2007 - 6 B 11579/06.OVG -).

90

Nach alledem fehlt dem Kläger hinsichtlich seines "Kinderzimmers" in der elterlichen Wohnung als bloßer Besitzdiener die erforderliche Verfügungsbefugnis bezüglich einer Erstwohnung. Er ist nicht Inhaber einer solchen und folglich aus diesem Grunde nicht steuerpflichtig und der angefochtene Steuerbescheid auch deshalb rechtswidrig.

91

3. Zudem stehen Art. 105 Abs. 2a Satz 1 und Art. 3 Abs. 1 GG einer zweitwohnungssteuerrechtlichen Behandlung des typischen "Kinderzimmers" bzw. der Beibehaltung eines Zimmers in der elterlichen Wohnung durch das Kind als Innehabung einer Erstwohnung und als tatbestandsmäßiger Steuergegenstand entgegen.

92

Die Zweitwohnungssteuer ist als Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG eine Steuer auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die in der Verwendung des Einkommens für den persönlichen Lebensbedarf sichtbar wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79 -, BVerfGE 65, 325, 346 f.; BVerwG, Urt. v. 27.10.2004 - 10 C 2.04 -, Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 21, S. 29 f., v. 29.01.2003 - 9 C 3.02 -, Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 20, S. 23 f. u. v. 26.09.2001 - 9 C 1.01 -, Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 19, S. 16 = BVerwGE 115, 165, 168 jeweils m.w.N.). Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung ist ein besonderer Aufwand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt. Die Zweitwohnungssteuer erfasst die Leistungsfähigkeit, die in der Verwendung von Einkommen für einen Aufwand zum Ausdruck kommt. Es handelt sich dabei um einen Sachverhalt, der sich einerseits von der Inanspruchnahme einer Erstwohnung, die keinen besonderen Aufwand gemäß Art. 105 Abs. 2a GG darstellt, unterscheidet, andererseits aber keineswegs eine besonders aufwendige oder luxuriöse Einkommensverwendung voraussetzt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.03.2007 - 10 BN 4.06 -, juris; Urt. v. 29.11.1991 - 8 C 107.89 -, Buchholz 11 Art. 105 GG Nr.17). Soll zulässigerweise die in dem Aufwand für eine Zweitwohnung zum Ausdruck gebrachte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit getroffen werden, so kommt es schon aus Gründen der Praktikabilität nicht darauf an, dass diese Leistungsfähigkeit in jedem einzelnen Fall konkret festgestellt wird. Ausschlaggebendes Merkmal ist vielmehr der Konsum in Form eines äußerlich erkennbaren Zustandes, für den finanzielle Mittel verwendet werden. Der Aufwand im Sinne von Konsum ist typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, ohne dass es darauf ankäme, von wem und mit welchen Mitteln dieser finanziert wird und welchen Zwecken er dient. Im Konsum äußert sich in der Regel die Leistungsfähigkeit. Ob der Aufwand im Einzelfall die Leistungsfähigkeit überschreitet, ist für die Steuerpflicht unerheblich (vgl. zum Ganzen BVerwG, Beschl. v. 21.03.2007 - 10 BN 4.06 -, juris; Urt. v. 12.04.2000 - 11 C 12/99 -, BVerwGE 111, 122 m.w.N. - zitiert nach juris; VGH Kassel, Urt. v. 23.11.2005 - 5 UE 1546/05 -, NVwZ-RR 2006, 571).

93

Anknüpfungspunkt der Zweitwohnungssteuer ist demnach - auf eine kurze Formel gebracht - die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, wobei das Innehaben der Zweitwohnung als Konsum in Form eines äußerlich erkennbaren Zustandes, für den finanzielle Mittel verwendet werden, typischerweise diese Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt. Dabei ist zu beachten, dass die Erstwohnung keinen besonderen Aufwand darstellt.

94

Dies alles sagt zunächst gerade nichts darüber aus, welche Anforderungen an die Annahme zu stellen sind, es liege eine Erstwohnung bzw. die Innehabung einer solchen vor, die überhaupt erst die weitere Annahme einer Zweitwohnung rechtfertigen kann. Auch wenn die Erstwohnung keinen besonderen Aufwand darstellt, ist - wie gesagt - ihre Innehabung begriffliche Voraussetzung einer Zweitwohnung. Ohne äußerlich erkennbaren Aufwand für eine Erstwohnung - auch wenn es kein "besonderer" ist - gibt es folglich typischerweise keinen besonderen Aufwand für eine Zweitwohnung. Das Bestehen und Innehaben einer Erstwohnung betrifft nicht die Frage nach der Leistungsfähigkeit im Einzelfall bzw. danach, ob der Aufwand im Einzelfall die Leistungsfähigkeit überschreitet, sondern ist normative Voraussetzung für die Annahme einer Zweitwohnung. Dabei geht es deshalb insbesondere nicht etwa darum, eine Aufwandssummierung oder eine Prüfung vorzunehmen, ob es sich bei der Erstwohnung um ein besonders luxuriöses Anwesen handelt.

95

Wendet man den vorstehend erläuterten Maßstab auf die - gerade auch ausgehend von den Annahmen des Ortsgesetzgebers bzw. seiner Verwaltung zum Meldeverhalten von Studenten so charakterisierbare - regelmäßig anzutreffende Konstellation des von Studenten weiter bewohnten typischen "Kinderzimmers" bzw. einzelnen Zimmers in der elterlichen Wohnung an, so führt dies zu der Schlussfolgerung, dass dieser Sachverhalt nicht die Innehabung einer Erstwohnung im Verhältnis zu einer weiteren Wohnung am Studienort darstellen kann. Denn typischerweise hat der "Zimmerbewohner", also das Kind, sei es minderjährig oder volljährig, für das "Kinderzimmer" selbst gerade keinen ihm zurechenbaren Aufwand getätigt bzw. kein eigenes Einkommen für dieses aufgewandt. Diesen Aufwand leisten vielmehr - grundsätzlich nach außen ohne weiteres erkennbar und ohne dass es insoweit einer Einzelfallprüfung bedürfte - typischerweise bzw. im Regelfall die Eltern in Verwendung ihres Einkommens. Er ist folglich ausschließlich ihnen zurechenbar. Der Umstand, dass ein Kind volljährig wird und ein Studium an einem anderen Ort aufnimmt, führt nicht gleichsam zu einer "Umwidmung" des elterlichen Aufwandes in einen solchen des Kindes; auch an der Besitzdienerstellung des Kindes hinsichtlich des Zimmers ändert sich grundsätzlich nichts (vgl. Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 885 Rn.7; OLG Hamburg, Beschl. v. 06.12.1990 - 6 W 73/90 -, NJW-RR 1991, 909 - zitiert nach juris). Das Beibehalten des "Kinderzimmers" kann deshalb typischerweise aufwandsteuerrechtlich nicht als Innehaben einer Erstwohnung und nicht als tatbestandsmäßig im Sinne des Steuergegenstandes des Zweitwohnungssteuerrechts bewertet werden. Folglich kann die Wohnung am Studienort keinen besonderen Aufwand bzw. keine Zweitwohnung darstellen. Der Beklagte macht selbst in seinem Widerspruchsbescheid im Prinzip genau dies deutlich, wenn er dort ausführt, das Zimmer in der elterlichen Wohnung würde für sich nicht die Anforderungen an eine Zweitwohnung erfüllen.

96

Unter Zugrundelegung des bundesrechtlichen Begriffs der Aufwandsteuer nach Maßgabe von Art.105 Abs. 2a Satz 1 GG, wie er auch in § 3 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V verwandt wird, können die typischen "Kinderzimmerfälle", also die Fälle, in denen Studenten neben ihrer Wohnung am Studienort in der elterlichen Wohnung noch ein Zimmer beibehalten, mangels Innehaben einer Erstwohnung nicht mit der Erhebung einer Zweitwohnungssteuer belegt werden; sie unterfallen tatbestandlich nicht dem Steuergegenstand des Zweitwohnungssteuerrechts. Folglich darf eine zweitwohnungssteuerrechtliche Definition des Steuergegenstandes die typischen "Kinderzimmerfälle" nicht erfassen bzw. der ortsrechtliche Steuergegenstand nicht in diesem Sinne ausgelegt werden.

97

Dieses Ergebnis stützt auch Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab.

98

Umfang und Bedeutung des allgemeinen Gleichheitssatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG sind - soweit dies abstrakt und generell, also losgelöst von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalles möglich ist - durch eine Vielzahl höchstrichterlicher Entscheidungen geklärt. Danach steht für den Bereich steuerlicher Regelungen fest, dass dem Steuergesetzgeber bei der Entscheidung, welche Steuerquellen erfasst werden sollen, eine weitgehende Gestaltungsfreiheit im Rahmen seiner finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder steuertechnischen Erwägungen zukommt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.04.1997 - 8 B 87.97 - (juris); BVerfG, Beschl. v. 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79 -, BVerfGE 65, 325, 354; BVerwG, Urt. v. 08.12.1995 - 8 C 36.93 -, Buchholz 401.67 Schankerlaubnissteuer Nr. 20, S. 1, 9 ff.). Diese weitgehende Gestaltungsfreiheit des Steuergesetzgebers findet ihre Grenze dort, wo kein einleuchtender Grund für die Gleich- oder Ungleichbehandlung ersichtlich ist (BVerfG, Beschl. v. 06.12.1983, a.a.O.).

99

Mit einem ortsrechtlich definierten Steuergegenstand, der das typische "Kinderzimmer" als Erstwohnung erfasste, würde der Ortsgesetzgeber den mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG zulässigen Regelungsrahmen überschreiten: Die Qualifizierung der Beibehaltung eines "Kinderzimmers" in der elterlichen Wohnung als Innehaben einer Erstwohnung, die überhaupt erst die Besteuerung der "Zweitwohnung" möglich macht, entfernte sich so weit vom aufwandsteuerrechtlichen Anknüpfungspunkt der nach außen durch eine bestimmte Konsumform dokumentierten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, von Sinn und Zweck der Zweitwohnungssteuer als Aufwandsteuer und den zugrunde liegenden sozialen Gegebenheiten, dass das Urteil der Willkürlichkeit bzw. die Annahme eines Verstoßes gegen den in Art. 3 Abs. 1 GG angelegten Grundsatz der Steuergerechtigkeit und einer Überschreitung der Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V gerechtfertigt wäre (vgl. zutreffend OVG Koblenz, Beschl. v. 29.01.2007 - 6 B 11579/06.OVG -; OVG Schleswig, Urt. v. 20.03.2002 - 2 L 136/00 -, juris). Es erscheint dem Senat trotz eines nach dem jährlichen Mietaufwand differenzierenden Steuermaßstabes (vgl. § 4 ZwStS) unter dem Blickwinkel der Steuergerechtigkeit nicht zu rechtfertigen, einen Studenten mit "Kinderzimmer" bei den Eltern und einem Zimmer im Studentenwohnheim hinsichtlich seiner prinzipiellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zweitwohnungssteuerrechtlich mit einem Steuerpflichtigen nach dem klassischen Bild (vgl. Holz, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand: Mai 2007, § 3 Anm. 3.4.1) desjenigen, der in einer Fremdenverkehrsgemeinde etwa über eine eigengenutzte Ferienwohnung verfügt, gleichzustellen: Hier wird wesentlich Ungleiches ohne sachlichen Grund gleichbehandelt. Ist der entsprechende Sachverhalt bei einem solchen Studenten regelmäßig zum einen durch eine abgeschwächt fortbestehende Bindung zur Familie - gewissermaßen als Vorstufe einer späteren vollständigen Selbständigkeit in der Wohnsituation - und zum anderen durch die praktischen Notwendigkeiten des Studiums begründet, also durch Umstände, die in keinem Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit stehen, geht es im anderen Falle typischerweise um die Anschaffung und Unterhaltung einer Erholungsmöglichkeit in Gestalt einer Wohnung aus eigenem Einkommen, die regelmäßig maßgeblich durch eine entsprechende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erst veranlasst ist.

100

Ob es ggfs. auch Art. 6 Abs. 1 GG verbietet, die Beibehaltung des "Kinderzimmers" in der elterlichen Wohnung durch einen Studenten als für die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer erheblichen Aufwand für eine Erstwohnung zu qualifizieren, kann mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen offenbleiben. Angemerkt sei allerdings, dass - jedenfalls wenn man unterstellt, die Angabe dieses "Kinderzimmers" als Hauptwohnung wäre melderechtlich zutreffend - die Erhebung der Zweitwohnungssteuer in diesen Fällen unzweifelhaft den Bereich des familiären Zusammenlebens betreffen würde und im Extremfall den Studenten aus wirtschaftlichen Erwägungen mittelbar zwingen könnte, seine Wohnung bei den Eltern aufzugeben, um der Steuer zu entgehen.

101

4. Der Umstand, dass der Kläger Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) bezieht, führt ebenfalls zur Rechtswidrigkeit der Steuererhebung.

102

Der Ortsgesetzgeber ist von Verfassungs wegen - Art. 105 Abs. 2a Satz 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip - gehalten, Studenten, die Leistungen nach dem BAföG beziehen, im Rahmen einer Zweitwohnungssteuersatzung von der Steuerpflicht auszunehmen, wie es etwa für touristische Aufenthalte in § 3 Abs. 3 ZwStS geschehen ist (vgl. FG Bremen, Urt. v. 01.02.2000 - 299283K2 -, NVwZ-RR 2001, 56, zitiert nach juris; BVerfG, Beschluss v. 14.10.1997 - 1 BvL 5/93 -, BVerfGE 96, 330, zitiert nach juris, lässt allerdings offen, ob aus Art.2 Abs.1, 12 Abs. 1 i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip eine Pflicht des Gesetzgebers folgt, überhaupt staatliche Leistungen zur individuellen Ausbildungsförderung vorzusehen).

103

Das Bundesausbildungsförderungsgesetz dient der Verwirklichung der Chancengleichheit im Bildungswesen, indem es nach seinem § 1 dem Auszubildenden individuelle Ausbildungsförderung gewährt, wenn ihm die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 01.02.1993 - 11 B 91/92 -, FamRZ 1993, 1376; Beschl. v. 06.11.198 -5 C 36.88 -, Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nr. 89, jeweils zitiert nach juris). Der Gesetzgeber hat mit den Vorschriften des BAföG ein besonderes Sozialleistungssystem geschaffen. Seine Regelungen über Förderungsvoraussetzungen sowie Art, Höhe und Dauer der Leistungen sind auf die besondere Lebenssituation der Studierenden zugeschnitten, die auf öffentliche Hilfe bei der Finanzierung ihres Studiums angewiesen sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.10.1997 - 1 BvL 5/93 -, BVerfGE 96, 330, zitiert nach juris).

104

Der BAföG-Höchstsatz selbst vermag im Übrigen in der Regel die typischen Aufwendungen des Studierenden für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung nur auf niedrigstem Niveau zu decken (vgl. VG Minden, Urteil v. 11.11.2004 - 9 K 1939/04 -, juris).

105

Im Hinblick auf die besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die sich aufwandsteuerrechtlich aus dem Innehaben einer Zweitwohnung ergeben soll, ist zu bedenken, dass mit einem Bescheid über die Bewilligung von Ausbildungsförderung nach dem BAföG durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist, dass dem Kläger als Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen (vgl. § 1 BAföG). Dieser Bescheid stellt im vorliegenden Kontext gleichsam die staatliche Feststellung der fehlenden bzw. beschränkten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Betreffenden dar und dokumentiert diese nach außen ohne weiteres erkennbar und ohne dass im Einzelfall eine Prüfung des damit dokumentierten Sachverhalts durch die Zweitwohnungssteuerbehörde erfolgen müsste. Der an sich "gewöhnlich" nach dem Begriff der Zweitwohnungssteuer als Aufwandsteuer durch das Innehaben der Zweitwohnung nach außen dokumentierte besondere Aufwand kann in diesen Fällen deshalb grundsätzlich nicht mehr die Schlussfolgerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nach sich ziehen.

106

Es geht insoweit nicht um die - prinzipiell unerhebliche - Frage, woher die Mittel stammen, aus denen die Zweitwohnung finanziert wird, sondern vielmehr darum, dass der aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität gewöhnlich aus dem Konsum in Form eines äußerlich erkennbaren Zustandes, für den finanzielle Mittel verwendet werden, zu ziehende Schluss auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch ein gewichtigeres Merkmal im Sinne eines ebenfalls äußerlich erkennbaren Zustandes, nämlich der durch einen Bescheid festgestellten Bedürftigkeit als Gegenteil der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, unzulässig ist. Es liegt auf der Hand, dass dem staatlichen Bescheid, dem eine Prüfung bzw. ein entsprechendes Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, erheblich mehr Gewicht beizumessen ist als dem bloßen Faktum des Innehabens einer Zweitwohnung. Nur durch eine solche Betrachtung wird ein nicht hinnehmbarer Wertungswiderspruch zwischen Anspruchsberechtigung nach dem BAföG einerseits und Zweitwohnungssteuerpflicht andererseits vermieden. Es liefe der bundesgesetzlichen Zielsetzung zuwider, wenn einerseits staatliche Leistungen nach dem BAföG gewährt werden, diese Leistungen aber andererseits zum Teil von einer anderen staatlichen Stelle über die Erhebung einer kommunalen Zweitwohnungssteuer unter einem Gesichtspunkt wieder entzogen werden, der in Zusammenhang mit dem Studium steht.

107

Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich gemacht (Beschl. v. 11.10.2005 - 1 BvR 1232/00, 1BvR 2627/03 -, NJW 2005, 3556, zitiert nach juris), dass das Innehaben einer Zweitwohnung ein Zustand sei, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordere und "in der Regel" wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringe. Diese "Regel" ist im Sinne der vorstehenden Erwägungen im Falle der Personen, die Leistungen nach dem BAföG beziehen, regelmäßig durchbrochen. Werden solche Personen einer Zweitwohnungssteuer unterworfen, steht dies zum einen in Widerspruch zum Begriff der Aufwandsteuer. Zum anderen werden sie gleichheitswidrig wirtschaftlich Leistungsfähigen gleichgestellt.

108

Die Zweitwohnungssteuersatzung der Stadt Neubrandenburg hätte demnach Studenten, die Leistungen nach dem BAföG beziehen, von der Steuerpflicht ausnehmen müssen. Der Kläger durfte - anders gewendet - als Empfänger von Leistungen nach dem BAföG nicht zur Zweitwohnungssteuer herangezogen werden, so dass der angefochtene Steuerbescheid auch aus diesem Grunde rechtwidrig ist; die Frage, ob für Studenten, die Leistungen nach dem BAföG beziehen, ggfs. eine abweichende Festsetzung der Zweitwohnungssteuer aus Billigkeitsgründen (§12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 163 AO) oder ein Erlass nach § 227 AO in Betracht kommt (vgl. VG Köln, Urt. v. 14.02.2007 - 21 K 2275/06 -, juris; vgl. hierzu auch die Äußerungen verschiedener Personen in der Sitzung des Hauptausschusses der Stadtvertretung Neubrandenburg vom 09.12.2004, wonach der Eindruck entstehen könnte, dass für BAföG-Empfänger grundsätzlich ein Erlass nach § 227 AO möglich sein sollte), stellt sich folglich nicht mehr; die Vertreter des Beklagten haben sich in der mündlichen Verhandlung immerhin dahingehend geäußert, dass in der Praxis entsprechende Anträge gestellt und vom Beklagten geprüft würden.

109

5. Ob eine Steuererhebung gegenüber dem Kläger zudem gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen bzw. die Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung zur Erhebung einer Aufwandsteuer in Gestalt der Zweitwohnungssteuer überschreiten würde, weil möglicherweise in Wahrheit sein Zimmer in Neubrandenburg seine Hauptwohnung war und ist, kann mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen im Ergebnis offen bleiben.

110

Angemerkt sei insoweit allerdings Folgendes: Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 06.März 2006 - 1 O 32/06 - in einem Parallelverfahren vermutet bzw. angedeutet, offenbar nehme der Ortsgesetzgeber bei der Erhebung von Zweitwohnungssteuer billigend in Kauf, dass er auch solche Studenten der Steuer unterwirft, die - entgegen den Vorschriften des Landesmeldegesetzes - in Wirklichkeit ihren Hauptwohnsitz in Neubrandenburg unterhalten und folglich an sich nicht dem Zweitwohnungsbegriff des § 2 Abs. 2 ZwStS unterfielen.

111

Diese bloße Vermutung ist auf der Basis der Entstehungsgeschichte der Satzung, wie sie in den vom Beklagten inzwischen vorgelegten Unterlagen zum Ausdruck kommt, der entsprechenden Gewissheit gewichen. Der Satzungsgeber ging von der - vorsichtigen ("Die Herangehensweise bei der Schätzung der Zahl 1500 war zaghaft", vgl. Niederschrift über die 4. Sitzung des Finanzausschusses vom 27. Oktober 2004) - Annahme aus, dass 1.500 Einwohner falsche Mitteilungen zu ihren Wohnverhältnissen bezüglich Haupt- und Nebenwohnung gemacht haben. Diese unterwirft er folglich mit voller Absicht der Zweitwohnungssteuer und knüpft damit ganz bewusst an eine melderechtswidrige Sachlage an. Er hofft zwar einerseits, dass die betroffenen Einwohner sich angesichts der Steuererhebung nun melderechtskonform verhalten und ihren Hauptwohnsitz - in Neubrandenburg - richtig mitteilen. Andererseits kann er diese Reaktion der betroffenen Einwohner nicht steuern und nimmt dann "hilfsweise" in Kauf, dass diese tatsächlich Zweitwohnungssteuer zahlen.

112

Der Beklagte ist - allerdings im übertragenen Wirkungskreis, § 1 Abs. 1 LMG - auch Meldebehörde (§ 1 Abs. 2 LMG) und als solche verpflichtet, bei konkreten Anhaltspunkten für die Unrichtigkeit des Melderegisters den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln (§ 21 Abs. 2 LMG). Ob hier im Bereich des Beklagten erhebliche Vollzugsdefizite bestehen, mag dahinstehen. Die Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen wird quasi durch die Zweitwohnungssteuersatzung und ihre Umsetzung ersetzt und damit der Sache nach kommunale Abgabenerhebung im Rahmen der Selbstverwaltung mit der meldebehördlichen Aufgabenerfüllung durch den Beklagten im übertragenen Wirkungskreis vermengt. In den Fällen, in denen Einwohner sich nicht von der Erhebung der Zweitwohnungssteuersatzung beeinflussen lassen, begnügt sich der Beklagte dann offenbar damit, dass dem Stadthaushalt als "Ausgleich" die Steuereinnahmen zufließen.

113

Diese Art der Steuererhebung könnte dem Charakter der Zweitwohnungssteuer als Aufwandsteuer zuwider laufen bzw. Art. 3 Abs. 1 GG unter dem Blickwinkel der Steuergerechtigkeit verletzen.

114

Anders als in dem vom VGH München (Urt. v. 14.02.2007 - 4 N 06.367 -, S. 12 des Urteils) entschiedenen Fall kann vorliegend jedenfalls nicht gesagt werden, dass die Zahl der Betroffenen zahlenmäßig nicht ins Gewicht fiele und der (Orts-) Steuergesetzgeber deshalb nicht zu einer aus Gründen der Steuergerechtigkeit gebotenen Sonderregelung gehalten gewesen wäre. Zwar hat der Bundesfinanzhof, auf den der VGH München Bezug nimmt, ausgeführt, gegen das Abstellen auf die Meldung als solche bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken, selbst wenn dadurch im Einzelfall Wohnungsinhaber zur Zweitwohnungsteuer herangezogen würden, die mit einer Wohnung als Nebenwohnung gemeldet sind, die in Wirklichkeit ihre Hauptwohnung ist. Denn der BFH ging insoweit davon aus, dass es sich dabei um zahlenmäßig nicht ins Gewicht fallende Ausnahmen handele, die der Gesetzgeber bei der notwendigen Typisierung im Interesse der Praktikabilität sowie angesichts der Tatsache, dass die Betroffenen ihre Meldung jederzeit richtigstellen können, habe vernachlässigen dürfen (vgl. BFH, Urt. v. 05.03.1997 - II R 41/95 -, NVwZ-RR 1998, 331; vgl. dazu auch BVerfG, Beschl. v. 29.05.1990 - 1 BvL 20, 26/84 u.a. -, BVerfGE 82, 60, 95 f., sowie v. 8.02.1983 - 1 BvL 28/79 -, BVerfGE 63, 119, 128). Diese Grundannahme des BFH trägt vorliegend angesichts der von der Stadt Neubrandenburg vorgelegten Zahlen offensichtlich nicht; um zahlenmäßig nicht ins Gewicht fallende Ausnahmen handelt es sich bei denjenigen, die fälschlich Neubrandenburg als Nebenwohnsitz angegeben haben, ersichtlich nicht.

115

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

116

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

117

Die Revision war zuzulassen, weil die Rechtssache im Hinblick auf den bundesrechtlichen Begriff der Aufwandsteuer, der vorliegend die Auslegung des Ortsrechts, der Begriffe der Erst- und Zweitwohnung sowie des Begriffs des Innehabens maßgeblich geprägt hat, bzw. im Hinblick auf die Beantwortung der in der dazu vorliegenden Rechtsprechung gegensätzlich beantworteten Fragen, ob ein "Kinderzimmer" in der elterlichen Wohnung als zweitwohnungssteuererhebliche Erstwohnung betrachtet und ob ein Empfänger von Leistungen nach dem BAföG der Zweitwohnungssteuer unterworfen werden darf, grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr.1 VwGO).

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 20. August 2008 – 3 A 831/06 – wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 45,76 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Zweitwohnungssteuern für den Zeitraum Juni bis Dezember 2004 (33,00 €) und für das Jahr 2005 (66,00 €).

2

Der in A-Stadt wohnhafte Kläger ist Eigentümer des vor dem 03. Oktober 1990 errichteten Bungalows Nr. … in W., …. . Der Bungalow besitzt eine Wohnfläche von 22 m² und ist mit einem Wasser- und Stromanschluss sowie Toilette und Kochgelegenheit ausgestattet, weist jedoch keine Heizungsanlage auf.

3

Das Verwaltungsgericht hat der Klage gegen den Bescheid vom 22. November 2005 insoweit stattgegeben, als die Steuerfestsetzung den Betrag von 45,76 € übersteigt, und im Übrigen die Klage abgewiesen.

4

Der nach Zustellung des Urteils an den Kläger am 03. September 2008 fristgemäß (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO) am 02. Oktober 2008 gestellte und unter dem 28. Oktober 2008 ebenso fristgerecht begründete (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

5

Die geltend gemachten Zulassungsgründe rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung; dabei berücksichtigt der Senat, dass die Voraussetzungen an eine Berufungszulassung mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht überspannt werden dürfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.09.2009 – 1 BvR 814/09 –, NJW 2009, 3642, Beschl. v. 08.12.2009 – 2 BvR 758/07 –, NVwZ 2010, 634 [640] m. w. N.).

6

Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), auf den sich der Kläger zunächst beruft, ist nicht hinreichend dargelegt bzw. liegt jedenfalls der Sache nach nicht vor.

7

Nach Maßgabe der ständigen Rechtsprechung des Senats muss sich ein auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel gestützter Antrag im Hinblick auf das Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und im einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernsthaften Zweifeln bezüglich ihrer Richtigkeit begegnen. Erforderlich dafür ist, dass sich unmittelbar aus der Antragsbegründung sowie der angegriffenen Entscheidung selbst schlüssig Gesichtspunkte ergeben, die ohne Aufarbeitung und Durchdringung des gesamten bisherigen Prozessstoffes – vorbehaltlich späterer Erkenntnisse – eine hinreichend verlässliche Aussage dahingehend ermöglichen, das noch zuzulassende Rechtsmittel werde voraussichtlich zum Erfolg führen. Ist eine Entscheidung in je selbständig tragender Weise mehrfach begründet, so muss im Hinblick auf jeden der Begründungsteile ein Zulassungsgrund dargelegt werden und gegeben sein (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zum Ganzen etwa Beschl. v. 15.10.2008 – 1 L 104/05 –).

8

In der Sache sieht der Senat diesen Zulassungsgrund als gegeben an, wenn die Zulassungsschrift – gegebenenfalls i.V.m. einem weiteren innerhalb der Antragsfrist eingegangenen Schriftsatz – Anlass gibt, das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Damit ist gesagt, dass sich der Begriff der ernstlichen Zweifel nicht ausschließlich auf die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung beziehen kann, sondern zusätzlich das Ergebnis, zu dem das Verwaltungsgericht gelangt ist, mit in den Blick zu nehmen hat. So liegen etwa in den Fällen, in denen zwar die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung ersichtlich unzutreffend ist, eine andere tragfähige Begründung sich dem Senat aber ohne weiteres aufdrängt, ernstliche Zweifel im Sinne des Zulassungsrechts nicht vor. Ernstliche Zweifel können schon dann vorliegen, wenn sich die Erfolgsaussichten zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend überschauen lassen, die Zulassungsschrift aber dem Senat die Einsicht vermittelt, dem Rechtsmittel seien durchaus hinreichende Erfolgsaussichten zuzusprechen (ebenfalls ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. a. a. O.).

9

Nach diesem Maßstab führt das Zulassungsvorbringen nicht zur Zulassung der Berufung.

10

Der Kläger macht zunächst im Wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Gemeinde Wustrow vom 29. Juni 2005 i. d. F. der 1. Änderungssatzung vom 07. Juni 2007 (jeweils rückwirkend zum 22. Mai 2004 in Kraft getreten; nachfolgend: ZWS) nichtig. Der Steuermaßstab der Satzung sei nichtig, da eine Berechnung auf seiner Grundlage objektiv undurchführbar und somit unmöglich sei. Die Fakten, die den Steuermaßstab bestimmten, würden zum Teil erst im Laufe des Jahres erkennbar, so dass zum Zeitpunkt, zu dem die Steuer satzungsmäßig fällig werde, nämlich nach § 6 Abs. 1 ZWS am 01.01. des jeweiligen Kalenderjahres, noch gar keine exakte Berechnung möglich sei. Dies sei eine Erkenntnis, „die sich aus der Rechtsprechung zur Zweitwohnungssteuer“ ergebe, konkret aus dem Urteil des OVG Schleswig vom 20. April 2005 – 2 LB 61/04 –.

11

Dieses Vorbringen genügt schon nicht dem Darlegungserfordernis. Es wendet sich pauschal gegen „den Steuermaßstab“, macht also nicht deutlich, gegen welche der einzelnen Regelungen des § 4 ZWS zum Steuermaßstab es sich im Besonderen wendet und ob insbesondere die Regelung des Abs. 2 oder 3 angegriffen werden soll.

12

Selbst wenn man das Zulassungsvorbringen dahingehend deutet, dass sich der Kläger gegen die Bestimmung des § 4 Abs. 2 ZWS wenden will, obwohl er selbst auf der Grundlage von § 4 Abs. 3 ZWS veranlagt worden ist, geht es an der Regelungssystematik der Zweitwohnungssteuersatzung vorbei und weckt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Der in ihrem § 4 geregelte Steuermaßstab knüpft nämlich nicht an eine exakte Berechnung des konkreten jährlichen Mietaufwandes im Einzelfall an, sondern pauschalisiert diesen Mietaufwand ausgehend von den vertraglichen Vereinbarungen des Wohnungsinhabers: Die Steuerschuld wird nach dem jährlichen Mietaufwand berechnet (§ 4 Abs. 1 ZWS). Der jährliche Mietaufwand ist nach § 4 Abs. 2 ZWS das Gesamtentgelt, das der Steuerpflichtige für die Benutzung der Wohnung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für ein Jahr zu entrichten hat (Jahresrohmiete). § 4 Abs. 4 ZWS ordnet die entsprechende Anwendung des § 79 Bewertungsgesetz sowie der §§ 42 bis 44 der zweiten Berechnungsverordnung in bestimmten Fassungen an. Die Steuerpflicht entsteht am 01. Januar des jeweiligen Kalenderjahres, frühestens jedoch mit Inkrafttreten der Satzung (§ 6 Abs. 1 Satz 1 ZWS). Da der in diesem Zeitpunkt bestehende Stand der vertraglichen Vereinbarungen grundsätzlich ohne weiteres ermittelt werden kann, ist auch der jährliche Mietaufwand im Sinne eines pauschalierten tatsächlichen Mietaufwandes ohne weiteres bestimmbar. Mit dem Ziel der Verwaltungsvereinfachung bzw. Verwaltungspraktikabilität sieht die Zweitwohnungssteuersatzung von einer konkreten Ermittlung des im Laufe des Jahres ggf. in Abweichung von den vertraglichen Vereinbarungen getätigten Mietaufwandes ab. Diese Ausgestaltung des Steuermaßstabes begegnet mit Blick auf das Vorbringen zur Begründung des Zulassungsantrages keinen durchgreifenden Bedenken; insbesondere steht Verfassungsrecht nicht entgegen.

13

Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Normgeber bei der Ordnung von Massenerscheinungen berechtigt ist, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu gestalten, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt. Auf dieser Grundlage darf er generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Dabei hat der Normgeber einfache, für die Betroffenen verständliche Regelungen zu wählen, die verlässlich und effizient vollzogen werden können. In diesem Rahmen ist auch eine pauschalierte Erfassung eines tatsächlichen Aufwands grundsätzlich zulässig.

14

Der Charakter der Zweitwohnungssteuer als Aufwandsteuer zwingt die Steuer erhebende Gemeinde insoweit nicht, den vom Steuerpflichtigen getätigten Aufwand in jedem einzelnen Fall konkret zu ermitteln. Ebenso wie der Steuertatbestand allein auf das Innehaben einer Zweitwohnung wegen der darin regelmäßig zum Ausdruck kommenden besonderen Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners und seines hierfür vermutlich betriebenen Aufwands abstellen darf, kann auch der Umfang dieses Aufwands nach äußerlich erkennbaren Merkmalen der Zweitwohnungsnutzung pauschalierend bestimmt werden. Dabei ist die Gemeinde in der Wahl der Maßstabsgröße grundsätzlich frei, sofern diese den betriebenen Aufwand der Zweitwohnungsnutzung hinreichend realitätsnah abzubilden in der Lage ist. Demzufolge kann die Gemeinde der Steuerbemessung den durch den Zweitwohnungsnutzer tatsächlich geschuldeten Mietzins zugrunde legen. Ebenso steht es ihr frei, auf die nach Maßgabe des Bewertungsgesetzes ermittelte Jahresrohmiete zurückzugreifen. Ihr ist es grundsätzlich auch nicht verwehrt, die Zweitwohnungssteuer etwa nach der Flächengröße der Zweitwohnung zu bestimmen. Zulässig ist schließlich auch eine Kombination verschiedener der zuvor genannten Maßstäbe. Dabei ist die Gemeinde nicht gezwungen, für jede atypische Fallgestaltung eine Sonderregelung zu schaffen.

15

Demnach widerspricht es nicht dem Charakter der Aufwandsteuer, wenn eine Gemeinde aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und zur Verhinderung von Umgehungsgeschäften die Zweitwohnungssteuer auch gegenüber Mietern von Zweitwohnungen anhand eines realitätsnah pauschalierten Maßstabs – hier der nach dem Bewertungsgesetz ermittelten Jahresrohmiete – bestimmt. Der Mieter einer Zweitwohnung kann demgegenüber nicht eine niedrigere, nach dem von ihm tatsächlich geschuldeten Mietzins berechnete Steuerbemessung verlangen (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 29.01.2003 – 9 C 3.02 –, BVerwGE 117, 345 – zitiert nach juris). Schließlich wird von der Pauschalierung mit den Mietern von Zweitwohnungen im Gemeindegebiet des Beklagten nach Maßgabe der Ausführungen des Verwaltungsgerichts insbesondere nur eine relativ geringe Zahl der Zweitwohnungssteuerpflichtigen betroffen. Denn danach bilden eigengenutzte Bungalows oder sog. Datschen auf Erholungsgrundstücken im Sinne der §§ 312 bis 315 ZGB-DDR ca. 90 % der Zweitwohnungen im Gemeindegebiet und sind folglich höchstens 10 % der Zweitwohnungen im Gemeindegebiet vermietet. Für die ganz überwiegende Zahl der Zweitwohnungen kann demnach zur Bestimmung des betriebenen Aufwands ohnehin nicht auf einen konkret geschuldeten Mietzins zurückgegriffen werden (vgl. zu einem ähnlichen Sachverhalt BVerwG, Urt. v. 29.01.2003 – 9 C 3.02 –, a. a. O.). Schließlich werden Abweichungen des konkreten tatsächlichen Mietaufwandes von dem pauschalierten Mietaufwand nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarung und ein sich daraus ergebender Unterschied in der Steuerbemessung durch den relativen Steuersatz von 10 % gemäß § 5 ZWS stark nivelliert.

16

Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 15. Dezember 1989 – 2 BvR 436/88 – (BVerfGE 65, 325 – zitiert nach juris) keine verfassungsrechtlichen Einwände gegen eine mit dem hier in Streit stehenden § 4 Abs. 2 ZWS bzw. § 6 Abs. 1 Satz 1 ZWS im Wesentlichen gleich lautende pauschalierende Regelung der Bemessungsgrundlage erhoben.

17

Eine andere rechtliche Bewertung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Urteils des OVG Schleswig vom 20. April 2005 – 2 LB 61/04 – (juris) zum Landesrecht in Schleswig-Holstein, wonach dort die Zweitwohnungssteuer mit Ablauf des Erhebungsjahres entsteht. Das Bundesverwaltungsgericht geht jedenfalls davon aus, dass einer Entstehung der Steuer zu Beginn des Jahres bundesrechtlich nichts entgegensteht, wenn Landesrecht eine entsprechende Regel enthält (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.09.2001 – 9 C 1.01 –, BVerwGE 115, 165 – zitiert nach juris). Wenn der Kläger darauf hinweist, dass letztlich erst am Jahresende festgestellt werden könne, ob der Wohnungsinhaber die Zweitwohnung sich selbst vorhält oder ganzjährig vermietet, fehlt ein Eingehen auf die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Satz 2, 3 ZWS: Ist eine Wohnung erst nach dem 01. Januar des jeweiligen Kalenderjahres als Zweitwohnung zu beurteilen, so entsteht nach § 6 Abs. 1 Satz 2 ZWS die Steuerschuld am ersten Tag des darauf folgenden Kalendervierteljahres. Die Steuerpflicht endet nach § 6 Abs. 1 Satz 3 ZWS mit Ablauf des Kalendervierteljahres, in dem der Steuerpflichtige die Wohnung aufgibt. Zudem muss die Satzung nicht jeden atypischen Fall gesondert regeln bzw. können die vorstehend wiedergegebenen Bestimmungen hinreichend Anhaltspunkte bieten, wie in Auslegung der Satzung Sonderfälle zu lösen wären.

18

Soweit der Kläger auf § 38 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V verweist, ist darauf hinzuweisen, dass § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V gerade vorgibt, dass die Abgabensatzung den Zeitpunkt der Entstehung der Abgabe angeben muss. Das KAG M-V enthält damit eine gegenüber der AO vorrangige Regelung, § 38 AO ist nur subsidiär anzuwenden und steht einer abweichenden Benennung des Entstehungszeitpunkts in kommunalen Abgabensatzungen nicht entgegen (vgl. Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand: August 2010, § 12 KAG M-V Anm. 9). Anderenfalls wäre § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V im vorstehend angesprochenen Umfang obsolet.

19

Auch die an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 2005 – 1 BvR 1232/00, 1 BvR 2627/03 – (BVerfGE 114, 316 – zitiert nach juris), wonach die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer auf die Innehabung einer aus beruflichen Gründen gehaltenen Wohnung eines nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten, dessen eheliche Wohnung sich in einer anderen Gemeinde befindet, die Ehe diskriminiert und gegen Art 6 Abs. 1 GG verstößt, anknüpfende Rüge der Nichtigkeit der Zweitwohnungssteuersatzung führt nicht zur Zulassung der Berufung. Das Zulassungsvorbringen übersieht bereits, dass mit der 1. Satzung zur Änderung der Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Gemeinde Wustrow vom 07. Juni 2007 – rückwirkend zum 22. Mai 2004 in Kraft getreten – eine entsprechende Ausnahmeregelung in Gestalt des § 2 Abs. 5 in die Satzung eingefügt worden ist. Die ursprüngliche Zweitwohnungssteuersatzung der Gemeinde Wustrow hätte im Übrigen verfassungskonform einschränkend so ausgelegt werden können, dass sie von Ehegatten berufsbedingt vorgehaltene Zweitwohnungen nicht steuerlich erfasst hätte und damit nicht verfassungswidrig gewesen wäre. Im Sinne geltungserhaltender Reduktion (vgl. zum Grundsatz der Normerhaltung auch OVG Greifswald, Urt. v. 24.03.2004 – 1 L 58/02 –, juris) hätte § 2 ZWS entsprechend einschränkend ausgelegt werden können (vgl. VGH München, Urt. v. 04.04.2006 – 4 N 05.2249 –, BayVBl. 2006, 504 – zitiert nach juris; VG Augsburg, Urt. v. 19.07.2007 – Au 6 K 06.1223 –, juris; vgl. dazu auch BVerwG, Beschl. v. 21.03.2007 – 10 BN 4.06 –, BayVBl. 2007, 536 – zitiert nach juris). Nach alledem liegt auch der ergänzend vom Kläger herangezogene Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Divergenz) nicht vor.

20

Der darüber hinaus geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist schon nicht hinreichend dargelegt. Insoweit wären Darlegungen (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) dazu erforderlich gewesen, dass die Rechtssache in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine Frage aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich und fallübergreifender Klärung zugänglich ist und deren Klärung der Weiterentwicklung des Rechts förderlich ist. Hierzu gehört, dass die klärungsbedürftige konkrete Rechtsfrage bezeichnet und dargestellt wird, woraus sich die grundsätzliche Bedeutung dieser speziellen Rechtsfrage ergibt. Der Antragsbegründung muss entnommen werden können, warum prinzipielle Bedenken gegen einen vom Verwaltungsgericht in einer bestimmten Rechts- oder Tatsachenfrage eingenommenen Standpunkt bestehen und es deshalb erforderlich ist, dass sich das Berufungsgericht noch einmal klärend mit der aufgeworfenen Frage auseinandersetzt. Dazu bedarf es einer substantiierten Darlegung, aus welchen Gründen ein von dem Verwaltungsgericht eingenommener Rechtsstandpunkt bzw. die vom Verwaltungsgericht festgestellten Tatsachen zweifelhaft geworden sind (ständige Rspr. des Senats, vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 20.11.2007 – 1 L 195/07 – und zuletzt etwa Beschl. v. 11.01.2011 – 1 L 145/07 –).

21

Das Vorbringen des Klägers zu diesem Zulassungsgrund erschöpft sich zunächst im Wesentlichen in mehr rechtspolitischen als (verfassungs-) rechtlichen Ausführungen, um anschließend die Wohnungseigenschaft des klägerischen Bungalow zu thematisieren. Dieser Vortrag mündet schließlich in folgende Fragestellung:

22

„5. Von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO sind also die Fragen, ob überhaupt in Fällen wie dem vorliegenden, in denen das Innehaben einer Laube nicht Ausdruck einer besonderen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist, eine Zweitwohnungssteuer erhoben werden kann und ob die hier vorliegende primitive Laube als Zweitwohnung angesehen werden kann. …“

23

Diese Fragestellung geht zum einen von unzutreffenden Prämissen – unabhängig von der ursprünglichen Motivation für die Errichtung von „Datschen“ in der damaligen DDR stellt sich das aktuell fortdauernde Vorhalten derselben ohne Weiteres als ein besonderer Aufwand dar, der mit der Zweitwohnungssteuer belegt werden kann – aus und ist offensichtlich jedenfalls keiner fallübergreifenden Klärung zugänglich, sondern kann lediglich für den konkreten Einzelfall beantwortet werden.

24

Wenn der Kläger schließlich unter Bezugnahme auf verschiedene Besonderheiten seines Bungalows geltend macht, diese müssten bei der Bestimmung der Miethöhe dergestalt berücksichtigt werden, dass jährlich lediglich eine Zweitwohnungssteuer in Höhe von 13,20 € anfalle, geht dies unter dem Blickwinkel des Darlegungserfordernisses schon nicht hinreichend darauf ein, dass das Verwaltungsgericht insoweit von einer zulässigen Pauschalierung seitens des Beklagten ausgegangen ist. Dies ist der Sache nach auch nicht zu beanstanden, da es im Rahmen der Erhebung der Zweitwohnungssteuer aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität nicht erforderlich ist, für jede Zweitwohnung eine Art Wertgutachten zu erstellen. Der Kläger setzt sich nicht damit auseinander, dass § 4 Abs. 3 Satz 2 ZWS in diesem Sinne lediglich dieSchätzung der üblichen Miete „in Anlehnung“ an die Jahresrohmiete, die für Räume „ähnlicher“ Art, Lage und Ausstattung „regelmäßig“ gezahlt werden, erfordert. Dies führt auch grundsätzlich nicht zu unzumutbaren Ergebnissen, da dabei resultierende Ungenauigkeiten durch den Steuersatz von 10 % sehr weitgehend nivelliert werden. Auch der Kläger legt nicht dar, dass ihn die jährliche Erhebung der Zweitwohnungssteuer in der Höhe (45,76 €), wie sie das Verwaltungsgericht als rechtmäßig erachtet hat, unzumutbar belasten könnte. Soweit er in diesem Zusammenhang ebenfalls eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, fehlt es wiederum an einer hinreichenden Darlegung bzw. ist wiederum nicht ersichtlich, dass eine über den Einzelfall hinausweisende Klärung einer Rechts- oder Tatsachenfrage möglich wäre.

25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

26

Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 47 Abs. 3, 52 Abs. 1, 3 GKG.

27

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

28

Hinweis:

29

Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.