Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 20. Apr. 2018 - 3 L 5/17
Gründe
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I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 1. Kammer - vom 29. November 2016 hat keinen Erfolg.
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1. Die von der Klägerin geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht.
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„Ernstliche Zweifel“ an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen nur dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Da gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO der Zulassungsgrund zudem in der gebotenen Weise darzulegen ist, erfordert dies, dass sich der Zulassungsantrag substantiiert inhaltlich mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt und u. a. konkret ausgeführt wird, dass die erhobenen Einwände entscheidungserheblich sind (vgl. OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 3. Januar 2007 - 1 L 245/06 -, juris [m. w. N.]). Dabei reicht es nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4.03 -, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 33).
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1.1. Der Einwand der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe die Regelung des Art. 10 lit. b Ziffer i der am 4. März 2011 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 (Abl. L 300 vom 14. November 2009, S. 1 ff., im Folgenden: VO [EG] 1069/2009) unzutreffend ausgelegt, greift nicht durch.
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Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass bei der Geflügelschlachtung die Durchführung der Fleischuntersuchung (weiterhin) zwingende Voraussetzung für die Einordnung der tierischen Nebenprodukte als Material der Kategorie 3 nach Art. 10 lit. b Ziffer i VO (EG) 1069/2009 ist (so auch VGH BW, Urteil vom 16. Dezember 2013 - 9 S 882/12 -, juris Rn. 22; Nds. OVG, Beschluss vom 15. November 2012 - 13 LA 175/12 -, juris Rn. 8 ff.; Beschluss vom 21. November 2011 - 13 ME 154/11 -, juris Rn. 15).
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Die Auslegung der Klägerin, dass das für die Zuordnung der Materialien bisher nach Art. 6 Abs. 1 lit. b der durch die VO (EG) 1069/2009 abgelösten Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Oktober 2002 (Abl. L 273 vom 10. Oktober 2002, S. 1 ff., im Folgenden: VO [EG] 1774/2002) entscheidende Kriterium der „Genusstauglichkeit“ durch das Entscheidungskriterium „Schlachttauglichkeit“ in Art. 10 Abs. 1 lit. b Ziffer i VO (EG) 1069/2009 ersetzt worden bzw. weggefallen sei, greift zu kurz. Zwar ist eine Voraussetzung für die - gewinnbringende, weil der Tierfutterproduktion zuführbaren - Klassifizierung als Material der Kategorie 3 nach Art. 10 Abs. 1 lit. b Ziffer i VO (EG) 1069/2009, dass der Schlachtkörper nach der Schlachttieruntersuchung als zum menschlichen Verzehr schlachttauglich eingestuft worden ist. Dass das Ergebnis der Fleischuntersuchung für die Einordnung ohne Bedeutung sei, weil der Verordnungsgeber bewusst und fachlich zutreffend die maßgebliche Risikobeurteilung der Feststellung von Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten in die Schlachttieruntersuchung verlagert hätte, kann auch nicht unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens der Klägerin unter Ziffer I.1 bis I.8 - unterstellt werden. Das von der Klägerin vertretene Verständnis ist unvereinbar mit dem Wortlaut, der Systematik und der erkennbaren Regelungsintension der einschlägigen Bestimmungen der VO (EG) 1069/2009. Vielmehr ist die Geflügelschlachttieruntersuchung (ante mortem) auch nach Ablösung der vorangegangen Regelung in Art. 6 Abs. 1 Buchst. b) VO (EG) 1774/2002 durch Art. 10 Buchst. b) Nr. i VO (EG) 1069/2009 keineswegs das alleinige Einordnungskriterium geworden, das ungeachtet des Ergebnisses der Fleischuntersuchung (post mortem) unmittelbar die Einstufung von in Schlachthöfen anfallenden tierischen Nebenprodukten von Geflügel als Material der Kategorie 3 zur Folge hätte (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 15. November 2012, a. a. O., Rn. 8).
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1.1.1. Gerade der Wortlaut der streitbefangenen Norm steht einer solchen Auslegung entgegen. Art. 10 Abs. 1 lit. b Ziffer i VO (EG) 1069/2009 bestimmt:
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„Material der Kategorie 3 umfasst folgende tierische Nebenprodukte:
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a) …
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b) Schlachtkörper und folgende Teile die entweder von Tieren stammen, die in einem Schlachthof geschlachtet und nach einer Schlachttieruntersuchung als zum menschlichen Verzehr schlachttauglich eingestuft wurden oder …:
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i) Schlachtkörper oder ganze Körper und Teile von Tieren, die gemäß Gemeinschaftsvorschriften als genussuntauglich zurückgewiesen wurden, jedoch keine Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufwiesen;
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… .“
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Demgegenüber greift die Klägerin mit dem Ziel, ein bestimmtes Auslegungsergebnis zu erreichen, in den Satzbau ein. Ihrer Leseweise nach „gelten die Schlachtkörper oder ganze Körper und Teile von Tieren, die in einem Schlachthof geschlachtet und nach einer Schlachttieruntersuchung als zum menschlichen Verzehr schlachttauglich eingestuft wurden und keine Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufwiesen, auch wenn diese als genussuntauglich zurückgewiesen wurden, als Material der Kategorie 3.“ Sie zieht sodann den unrichtigen Schluss, dass der Verordnungsgeber ausschließlich auf die Schlachttieruntersuchung abstelle und begründet dies damit, dass die Fleischuntersuchung im Verordnungstext nicht erwähnt werde und die Genussuntauglichkeit der Einstufung als Material der Kategorie 3 nicht entgegenstehe. Richtig ist, dass der Begriff „Fleischuntersuchung“ nicht verwendet wird. Indes wird ein mögliches Ergebnis der Fleischuntersuchung, nämlich die „Zurückweisung als genussuntauglich“ sehr wohl benannt. Diese Feststellung setzt die Fleischuntersuchung voraus. Unberücksichtigt bei ihrer Auslegung bleibt, dass für die Einstufung in die Kategorie 3 zudem „… keine Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheiten“ vorliegen dürfen. Eine solche Prüfung findet jedenfalls auch im Rahmen der Fleischuntersuchung und nicht etwa nur im Rahmen der Prüfung der Schlachttauglichkeit statt. Der Aufbau der Norm offenbart bereits, dass Voraussetzung für die Kategorisierung neben der bei der Schlachttieruntersuchung erfolgten Feststellung der Schlachttauglichkeit die Fleischuntersuchung ist, wobei trotz der Einordnung als genussuntauglich keine Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheiten vorliegen dürfen, damit tierische Nebenprodukte Material der Kategorie 3 sind.
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Die Verwendung der Vergangenheitsform („aufwiesen“) lässt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht darauf schließen, dass sich die Überprüfung, ob Anzeichen übertragbarer Krankheiten vorliegen, nur auf das lebende Tier bezieht, mithin den Zeitpunkt der Schlachttieruntersuchung in den Blick nimmt. Anzeichen einer übertragbaren Krankheit sind - wie bereits dargestellt - nicht nur bei der Schlachttieruntersuchung zu suchen, sondern zweifellos auch im Rahmen der Fleischuntersuchung in den Blick zu nehmen. Die Vergangenheitsform weist nicht auf die Schlachttieruntersuchung zurück, sondern belegt den von der Norm hergestellten Zusammenhang mit der Genusstauglichkeitsprüfung, bei der ebenfalls die Vergangenheitsform verwendet wird („…als genussuntauglich zurückgewiesen wurde“). Im Rahmen der Fleischuntersuchung wird die Genusstauglichkeit festgestellt (vgl. VGH BW, Urteil vom 16. Dezember 2013 - 9 S 882/12 -, juris Rn. 22; Nds. OVG, Beschluss vom 15. November 2012, a. a. O., Rn. 9). Die von der Klägerin favorisierte Auslegung würde zudem dazu führen, dass bei der Schlachttieruntersuchung neben der Feststellung der Schlachttauglichkeit „jedoch keine Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheiten“ vorliegen dürften. Ist ein Tier jedoch schlachttauglich, steht Entsprechendes bereits fest, so dass die Benennung des Tatbestandsmerkmales (an dieser Stelle) nicht notwendig wäre. Im Gegensatz dazu besteht nach der Schlachtung eines schlachttauglichen Tieres die Notwendigkeit aus tierseuchenrechtlicher Sicht im Rahmen der Genusstauglichkeitsprüfung (Fleischuntersuchung) auf Anzeichen für übertragbare Krankheiten zu achten. Soweit die Klägerin einwendet, dass ein Tier nach seiner Schlachtung keine Anzeichen einer übertragbaren Krankheit mehr aufweisen könne, verkennt sie bereits, dass nach Wortlaut der Vorschrift nicht das Tier, sondern der Schlachtkörper oder ganze Körper oder Teile von Tieren den Bezugspunkt bilden und eine Unterscheidung zwischen Anzeichen für übertragbare und nicht übertragbare Krankheiten durch die Vorschrift nicht verlangt wird. Abgesehen davon verweist die Verwendung des Präteritums („aufwiesen) auch deshalb nicht auf die Schlachttieruntersuchung zurück, weil es lediglich die Selbstverständlichkeit ausdrückt, dass zunächst das Ergebnis der Fleischuntersuchung feststehen muss, bevor eine Zuordnung zu einer Kategorie erfolgen kann (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 15. März 2012 - 4 K 3474/11 -, juris Rn 23).
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Angesichts des Vorsorgegrundsatzes, der die Abwehr von Gefahren durch tierische Nebenprodukte in den Blick nimmt, leuchtet es auch ein, dass es nicht allein auf die Schlachttieruntersuchung, sondern auf jegliche Untersuchung der zu schlachtenden und geschlachteten Tiere ankommt. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Urteil vom 16. Dezember 2013, a. a. O, Rn. 22) führt hierzu zutreffend aus: „Ein alleiniges Abstellen auf die Schlachttieruntersuchung (ante mortem) würde schließlich zu einer mit dem Normzweck unvereinbaren Schutzlücke führen. Denn im Bereich der Geflügelschlachtung findet die Schlachttieruntersuchung im Herkunftsbestand statt, wobei - entgegen der Schlachttieruntersuchung bei Klauentieren - nicht jedes einzelne Tier untersucht, sondern immer die gesamte Herde begutachtet wird. Eine Beschränkung auf die Schlachttieruntersuchung wäre mit Blick auf den der VO (EG) Nr. 1069/2009 zugrunde liegenden Vorsorgegrundsatz, der auf eine Verringerung (sämtlicher) mit tierischen Nebenprodukten verbundenen Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt sowie auf den Schutz der Sicherheit der Lebens- und Futtermittelkette gerichtet ist (vgl. die Erwägungsgründe (1), (2), (6), (8) und (11) der VO (EG) Nr. 1069/2009), offensichtlich unzulänglich (zum Vorsorgegrundsatz vgl. BayVGH, Urteil vom 27. September 2012 - 20 BV 11.2690 -, Juris).“
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1.1.2. Auch die Auslegung im Zusammenhang mit der nach Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 854/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (Abl. L 139 vom 30. April 2004, S. 206 ff.; im Folgenden: VO [EG] 854/2004) geregelten Aufgabenverteilung führt zu keiner anderen Betrachtung. Nur weil die Schlachttieruntersuchung zwingend durch einen amtlichen oder zugelassenen Tierarzt zu erfolgen hat (vgl. Anhang I Abschnitt IV Kapitel V lit. A VO [EG] 854/2004), folgt hieraus nicht, dass der späteren Fleischuntersuchung nur noch eine geringe Bedeutung beizumessen wäre, weil die in diesem Zusammenhang anfallenden Tätigkeiten mit Ausnahme der in Anhang I Abschnitt IV Kapitel V lit. B Ziffer 1 VO (EG) 854/2004 bezeichneten Untersuchungen auch den sog. amtlichen Fachassistenten, mithin besonders geschulten Personen überlassen werden können, die keine Tierärzte sind.
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Die Möglichkeit, die (optische) Einschätzung am Fließband den amtlichen Fachassistenten zu überlassen, ist offensichtlich dem Umstand geschuldet, dass jeder einzelne Schlachtkörper oder ganze Körper und Teile von Tieren einer Fleischuntersuchung zu unterziehen ist (vgl. Anhang I Abschnitt IV Kapitel V lit. B Ziffer 1. Satz 1 VO [EG] 854/2004) und die Anzahl der geschlachteten Tiere eine deutlich höhere ist als etwa bei Schweinen oder Rindern. Hierbei hat der amtliche Fachassistent, wenn der amtliche Tierarzt nicht anwesend sein muss („bestimmter Schlachthof“- wie die Klägerin -; vgl. Anhang I Abschnitt III Kapitel II Ziffer 2 VO [EG] 854/2004), jegliches Fleisch, das Anomalien aufweist, und alles andere Fleisch desselben Tieres abzusondern, wobei der amtliche Tierarzt solches Fleisch anschließend zu untersuchen hat (vgl. Anhang I Abschnitt III Kapitel II Ziffer 2 lit. b Ziffer i, ii VO [EG] 854/2004). Zwar kann der amtliche Fachassistent im Falle von Geflügel, Fleisch, das Anomalitäten aufweist, aussondern, ohne dass der amtliche Tierarzt - vorbehaltlich des Abschnittes IV ([Pflicht-]Untersuchungen durch den amtlichen Tierarzt: tägliche Besichtigung der Eingeweide und Leibeshöhlen einer repräsentativen Stichprobe, bei jeder Geflügelpartie ein und derselben Herkunft eingehende Stichprobenuntersuchung von Teilen von Tieren oder von ganzen Tieren, deren Fleisch bei der Fleischuntersuchung als genussuntauglich erklärt wurde und sonstige erforderliche Untersuchungen, wenn der Verdacht besteht, dass das Fleisch der betreffenden Tiere genussuntauglich sein könnte; vgl. Anhang I Abschnitt IV Kapitel V lit. B Ziffer 1. Satz 2 lit. a bis c VO [EG] 854/2004]) - systematisch solches Fleisch untersuchen muss (vgl. Anhang I Abschnitt III Kapitel II Ziffer 2. letzter Satz VO [EG] 854/2004). Diese Möglichkeit berechtigt jedoch nicht zu der Annahme, dass das vom amtlichen Fachassistenten als genussuntauglich ausgesonderte Fleisch automatisch Material der Kategorie 3 ist. Vielmehr wird dem Schlachtbetrieb für bestimmte Fleischarten die Gelegenheit einräumt, auf (produktionskostenerhöhende) Untersuchungen des amtlichen Tierarztes zu verzichten. Will der Schlachtbetrieb jedoch das ausgesonderte und damit durch den Fachassistenten für genussuntauglich erklärte Fleisch gleichwohl gewinnbringend als Material der Kategorie 3 einordnen und nicht nur entsorgen, darf das Anomalie behaftete Fleisch daneben keine Anzeichen von für Mensch oder Tier übertragbare Krankheiten aufweisen.
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Soweit die Klägerin unter Verweis auf eine Stellungnahmen von Dr. (L.) vom 17. Juni 2011 (Anlage K 11, Gerichtsakte Bl. 205) und von Dr. (H.) vom 4. März 2011 (K 9, Gerichtsakte Bl. 153 ff.) einwendet, auf Mensch und Tier übertragbare Krankheiten (bspw. Zoonosen) könnten nur zuverlässig durch Tierärzte in der Haltungsumgebung des Tieres, in seiner Tiergruppe und unter Berücksichtigung einer umfassenden Betrachtung der Dokumentenlage im Herkunftsbestand und nicht etwa von amtlichen Fachassistenten bei der Fleischuntersuchung durch optische Kontrolle erkannt werden, kommt es hierauf nicht entscheidend an. Denn die Regelung des Art. 10 Abs. 1 lit. b Ziffer i VO (EG) 1069/2009 fordert schon nicht eine zuverlässige Feststellung, sondern lässt es für den Ausschluss der Einordnung in die Kategorie 3 ausdrücklich genügen, dass der Schlachtkörper oder ganze Körper und Teile von Tieren (bloße) Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufweisen (vgl. so bereits VGH BW, Urteil vom 16. Dezember 2013, a. a. O., Rn. 25). Hierzu führt der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (vgl. a. a. O.) insbesondere unter Hinweis auf die tendenziell noch geringeren Anforderungen in der englischen und in der französischen Fassung der Verordnung („…any signs of disease …“, „…de tout signe de maladie…“) aus: „Damit reichen auf das Vorliegen einer übertragbaren Krankheit hindeutende Anhaltspunkte aus, nicht erforderlich ist es hingegen, dass die übertragbare Krankheit abschließend diagnostiziert oder nachgewiesen sein muss. Auch diese erleichterten Voraussetzungen für die Verwerfung als Material der Kategorie 2 erfahren ihre Rechtfertigung durch die Zielsetzung der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009, Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt soweit als möglich zu minimieren. Dabei räumt der Beklagte ein, dass es im Einzelfall zur Verwerfung als Material der Kategorie 2 kommen kann, obwohl sich der bei der Fleischuntersuchung ergebende Verdacht einer Krankheit bei einer genaueren (Labor-) Untersuchung nicht hätte erhärten lassen. Dies nimmt die Verordnung indes ersichtlich in Kauf und kann angesichts des Rangs der mit ihr geschützten Rechtsgüter auch mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht beanstandet werden. Dies gilt umso mehr, als die für den vollen Nachweis einer übertragbaren Krankheit notwendige Laboruntersuchung in der Praxis zu einem Verarbeitungsstopp und damit möglicherweise gravierenderen wirtschaftlichen Nachteilen für die Klägerin führen würde, als sie mit der derzeit praktizierten Vorgehensweise verbunden sind.“ Diese Ausführungen macht sich der beschließende Senat zu Eigen.
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Eine Herabqualifizierung der Fleischuntersuchung kann auch nicht gelingen, indem darauf verwiesen wird, dass „ein Schlachtkörper mit sichtbaren Entzündungen unter Umständen weniger mit Keimen belastet ist, als ein Schlachtkörper ohne sichtbare pathologische Anomalien, da das Tier im letzten Fall die Infektion längst überstanden hat“. Wenn die Klägerin damit etwa einräumen will, nicht ausschließen zu können, dass stärker mit Keimen belastete Tiere sogar für die menschliche Ernährung verwendet werden, wäre dies zwar in der Sache gravierend, könnte für sie aber nicht zugleich zu Erleichterungen bei der Zuordnung der tierischen Nebenprodukte zu Material der Kategorie 3 führen (so bereits Nds. OVG, Beschluss vom 15. November 2012, a. a O. Rn. 9). Bei der Geflügelschlachtung können - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch im Rahmen der Fleischuntersuchung durch den amtlichen Fachassistenten am Schlachtkörper bzw. an Teilen vom Schlachtkörper Anzeichen einer auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheit festgestellt werden. Beispielhaft sind hierbei sichtbare Veränderungen am Luftsack zu benennen, die Ausdruck einer auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheit sein können. Dies betritt folgende Erkrankungen: Ornithobacterium-Rhinotracheale-Infektion ebenso wie bei Mycoplasmen-, Coliinfektionen und der Turkey Rhinotracheitis (vgl. VGH BW, Urteil vom 16. Dezember 2013, a. a. O., Rn 26).
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Mit ihrem Einwand, dass die Fleischuntersuchung ausschließlich dem Zweck diene, auszusondern, was mit bloßem Auge als für den menschlichen Verzehr genussuntauglich ist, verkennt die Klägerin bereits, dass die von ihr benannten Beispiele, wie Hautabschürfungen, Blutergüsse, Knochenbrüche, soweit sie durch den Schlachtprozess hervorgerufen worden sind, die Genusstauglichkeit nicht in Frage stellen und nach Art. 10 Abs. 1 lit. a VO (EG) 1069/2009 zur Aussonderung aus kommerziellen Gründen führt. Die (Geflügel-)Fleischuntersuchung dient neben dem Schutz des Verbrauchers vor Übervorteilung durch Qualitätsmängel des Fleisches (Farbe, Geruch, Geschmack, Haltbarkeit) auch dem Schutz des Menschen und der Tiere vor Krankheiten, die durch Geflügelfleisch übertragen werden (Infektionserreger). Hauptaugenmerk bei der Fleischuntersuchung liegt auf Zoonosen und Krankheiten, die Gegenstand tierseuchenrechtlicher Vorschriften der Europäischen Union sind. Durch die Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen (gute Licht- und Sichtverhältnisse [Klimatisierung], Möglichkeit der Reduzierung der Bandgeschwindigkeit bei hoher Beanstandungsrate) und die Bereitstellung technischer Hilfsmittel (Kamerasystem, Spiegel, Arbeitsbühnen etc.) können bei arbeitsteiliger Fleischuntersuchung durchaus Krankheiten, die zu einer Gesundheitsgefährdung führen könnten (z. B. Tiefe Dermatitis) erkannt werden. Beispielsweise wird in dem durch das Statische Bundesamt herausgegebenen Statistischen Jahrbuch 2017 die „Tiefe Dermatitis“ ausdrücklich als einen (wesentlichen) Grund für den Verwurf bezeichnet https://www.destatis.de/DE/Publikationen /StatistischesJahrbuch/LandForstwirtschaft.pdf?__blob=publicationFile). Mag das derzeitige Fleischbeschauverfahren auch Schwächen aufweisen, weil es möglicherweise nicht genügt, um die wichtigsten biologischen Gefahren für die öffentliche Gesundheit in vollem Umfang zu begegnen (so Europäische Behörde für Lebensmittelrecht in ihrem am 29. Juni 2012 veröffentlichten Gutachten, https://www.efsa.europa.eu/de/ press/news/120629), folgt hieraus jedoch nicht, dass die Frage, ob Schlachtabfälle Anzeichen von auf Mensch und Tier übertragbare Krankheiten aufweisen, für die (Risiko-)Einordnung von Schlachtabfällen ohne Bedeutung ist.
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Ebenfalls bedarf es nach der Regelung des Art. 10 Abs. 1 lit. b Ziffer i VO (EG) 1069/2009 keiner abschließenden Unterscheidung zwischen übertragbaren und nicht übertragbaren Krankheiten. Dies zugrunde gelegt überzeugt der Einwand der Klägerin nicht, Anwendungsfall für die Rückausnahme des Art. 10 Abs. 1 lit. b Ziffer i VO (EG) 1069/2009 sei (allein), dass der amtliche Tierarzt nach Anhang I Abschnitt IV Kapitel V Ziffer 1 lit. b VO (EG) 854/2004 bei jeder Geflügelpartie ein und derselben Herkunft bei der Stichprobenuntersuchung von Teilen von Tieren oder von ganzen Tieren, deren Fleisch bei der Fleischuntersuchung für genussuntauglich erklärt wurde, zum Ergebnis gelangt, dass der Verdacht einer übertragbaren Krankheit bestehe.
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1.1.3. Die Auslegung im Zusammenhang mit der nach Anhang I VO (EG) 854/2004 erfolgten Verwendung des Begriffes „genussuntauglich“ führt zu keiner anderen Betrachtung. Mit ihrem Einwand, die Verwendung des Begriffes „genussuntauglich“ diene ausschließlich der Klarstellung, dass im Gegensatz zur früheren Regelung des Art. 6 Abs. 1 lit. b VO (EG) 1774/2002 nunmehr auch als genussuntauglich beurteilte Schlachtkörper als Material der Kategorie 3 gelten sollten, übersieht die Klägerin bereits, dass in der Vorgängernorm sowohl der Begriff „genussuntauglich“ als auch der Begriff „genusstauglich“ verwendet wird. Bereits nach dem Wortlaut der vormaligen Regelung konnten Schlachtkörper, die als genussuntauglich abgelehnt werden und keine Anzeichen einer auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheit zeigen, als Material der Kategorie 3 eingestuft werden, wenn sie von Schlachtköpern stammen, die nach dem Gemeinschaftsrecht genusstauglich sind.
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Der Verweis auf die Regelung des Anhang I Abschnitt IV Kapitel V A. Ziffer 2 lit. b Ziffer ii VO (EG) 854/2004, wonach ebenfalls der Begriff „genussuntauglich“ im Rahmen der Schlachttieruntersuchung verwendet wird, führt zu keiner anderen Auslegung. Es offenbart lediglich, dass der europäische Verordnungsgeber die Begrifflichkeit im Rahmen der Schlachttier- und der Fleischuntersuchung (vgl. zu Letzterem: Anhang I Abschnitt IV Kapitel V B. Ziffer 1 lit. b und c VO [EG] 854/2004) verwendet hat. Erst mit der Neufassung der Kategorisierungsvorschrift durch die VO (EG) 1069/2009 wird klarstellend nunmehr die Bezeichnung Schlacht(un)tauglichkeit genutzt. Dass der Verordnungsgeber (in der Vergangenheit) den Begriff „genussuntauglich“ nicht zwingend in Verbindung mit der Durchführung einer Fleischuntersuchung verwandt hat, erlaubt nicht den Schluss, die Fleischuntersuchung sei für die Einstufung in die Kategorie 3 ohne Bedeutung.
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1.1.4. Soweit die Klägerin ihre Auslegung darauf stützt, dass nicht nachvollziehbar sei, dass bestimmte Teile eines geschlachteten Tieres als potentiell krankheitsübertragend nicht an Hunde, Katzen etc. verfüttert werden dürften, während andere Teile desselben Tierkörpers unbedenklich als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden dürften (vgl. Ziffer I.4 ihre Zulassungsantragsbegründungsschrift), ist dieser Einwand schon vor dem Hintergrund des Anhangs I Abschnitt III Kapitel II B. Ziffer 2 lit. b Ziffer i VO (EG) 854/2004 nicht verständlich. Denn danach ist der amtliche Fachassistent bei der durch ihn durchgeführten Fleischuntersuchung verpflichtet, jegliches Fleisch, das Anomalien aufweist, und alles andere Fleisch desselben Tieres abzusondern. Soweit die Klägerin hiermit Körperteile wie Geflügelköpfe und -füße in den Blick nehmen wollte, findet deren Einordnung in der Risikodifferenzierung ihre Rechtfertigung (vgl. dazu folgende Ausführungen unter 1.1.6.).
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1.1.5. Auch die Auslegung nach der Zielsetzung der Schlachttier- und Fleischuntersuchung führt zu keinem abweichenden Auslegungsergebnis. Denn die Klägerin beschränkt sich darauf, dass die Beurteilung im Rahmen der Fleischuntersuchung dahingehend erfolge, ob das Fleisch für den menschlichen Verzehr geeignet ist und ergänzt, dass dies bereits aus ästhetischen Gesichtspunkten der Fall sein könne bzw. dann, wenn es Fremdkörper enthalte, von abgemagerten Tieren stamme, pathophysiologische Veränderungen, Anomalien der Konsistenz, unzureichende Ausblutungen, organoleptische Anomalien, Parasitenbefall, Verunreinigungen, Verschmutzungen oder Kontaminationen aufweise. Unberücksichtigt bleibt dabei, dass - wie bereits dargestellt - an einem Schlachtkörper auch Anzeichen einer auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheit festgestellt werden können (siehe Darstellung oben unter 1.1.2.), die der Qualifizierung von Material der Kategorie 3 entgegenstehen.
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1.1.6. Auch unter dem Blickwinkel der Intention des Verordnungsgebers kann nicht darauf geschlossen werden, dass ungeachtet des Ergebnisses der Fleischuntersuchung (post mortem) unmittelbar die Einstufung von in Schlachthöfen anfallenden tierischen Nebenprodukten von Geflügel als Material der Kategorie 3 zur Folge hätte. Denn, dass die VO (EG) 1774/2002 erst gar nicht geändert worden wäre, folgt - entgegen der Annahme der Klägerin - nicht daraus, dass nach Art. 6 Abs. 1 lit. b VO (EG) 1774/2002 nur Schlachtkörper als Material der Kategorie 3 gegolten hätten, die von Schlachtkörpern stammten, die nach dem Gemeinschaftsrecht als genusstauglich beurteilt worden seien. Die Klägerin gibt die Regelung unvollständig wieder, indem sie unberücksichtigt lässt, dass das Material zudem von Schlachtkörperteilen stammen musste, „die als genussuntauglich abgelehnt werden, die jedoch keine Anzeichen einer auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheit zeigen“. Die Neufassung der Vorschrift in Art. 10 Abs. 1 lit. b Ziffer i VO (EG) 1069/2009 offenbart die Beibehaltung der Regelungssystematik. Denn ungeachtet der redaktionellen Ausgestaltung bleibt der Kern der Vorgaben für die Geflügelschlachtung letztlich unverändert, indem eine „zweistufige“ Prüfung vorgesehen bleibt, deren Ergebnis im Rahmen der Fleischuntersuchung sein muss, dass Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten nicht vorliegen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 15. November 2012, a. a. O., Rn. 7).
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Auch die unter Ziffer I.7 der Antragsbegründungsschrift geführten weiteren Annahmen greifen nicht durch. Der normsystematische Vergleich mit bestimmten Tierkörperteilen, die kraft Verordnung automatisch als Material der Kategorie 3 eingestuft werden (Köpfe, Füße, Haut und Federn), lässt keinen anderen Schluss zu. Vielmehr ist das gewählte Regelungsgefüge gerade Beweis dafür, dass sich der Verordnungsgeber bewusst war, dass es neben der Feststellung der Schlachttauglichkeit im Rahmen der Schlachttieruntersuchung einer Fleischuntersuchung für bestimmte Schlachtkörper oder ganze Körper und Teile von Tieren bedarf. Denn in systematischer Hinsicht ergibt sich insbesondere daraus, dass die Verordnung lediglich bestimmte Tierkörperteile (Geflügelköpfe, Häute, Füße, Federn) automatisch als Material der Kategorie 3 einstuft (vgl. Art. 10 Buchstabe b Ziffer ii, iii, v VO (EG) 1069/2009), im Umkehrschluss, dass im Übrigen kein solcher Automatismus greift, sondern die Einstufung, wie im Falle des Art. 10 lit. b Ziffer i VO (EG) 1069/2009, eine Prüfung anhand der dort aufgestellten Anforderungen voraussetzt (vgl. VGH BW, Urteil vom 16. Dezember 2013, a. a. O., Rn. 22; Nds. OVG, Beschluss vom 15. November 2012, a. a. O. Rn. 9). Wäre es tatsächlich Regelungsabsicht des Verordnungsgebers gewesen, dass sämtliche Geflügelschlachtreste von als schlachttauglich eingestuftem Geflügel ohne weitere Prüfung Material der Kategorie 3 sein sollen, hätte es nahe gelegen, nicht nur - die in der Neuregelung erstmals bezeichneten - Geflügelköpfe (bzw. Füße), automatisch der Kategorie 3 zuzuordnen, sondern alle tierischen Nebenprodukte von Geflügel (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 15. November 2012, a. a. O. Rn. 9). Soweit die Klägerin unter Verweis auf die Stellungnahmen von Herrn Dr. (H.) und Herrn Dr. (L.) (a. a. O.) in diesem Zusammenhang einwendet, dass die Erreger nicht auf das entzündliche (vereiterte) Material beschränkt, sondern oft im gesamten Tierkörper verteilt seien, wird in der den Beteiligten bekannten Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes nachvollziehbar ausgeführt, dass der automatischen Einordnung von Geflügelköpfen, Häuten, Füßen und Federn von schlachttauglichem Geflügel als Material der Kategorie 3 eine Risikodifferenzierung zugrunde liegt und der Verordnungsgeber davon ausgeht, dass vom gut durchbluteten und damit infektiösen Erregern einen guten Nährboden bietenden Fleischgewebe sowie den inneren Organen ein viel höheres Gefährdungspotential ausgehe, als von peripheren, größtenteils verhornten Körpergeweben wie Köpfen, Füßen und Federn (vgl. a. a. O.). Das überzeugt ohne weiteres.
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Dass in Ziffer 21. der Leitlinien zur Anwendung der neuen Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 über tierische Nebenprodukte, die im April 2004 durch das Referat Biologische Risiken der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz der Europäischen Kommission herausgegeben worden sind (vgl. Gerichtsakte Bl. 208, 219 f.), dargestellt wird, dass für Geflügelköpfe und Füße, die nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt seien, keine Schlachtkörperuntersuchung verlangt werde, steht der Auslegung des Verwaltungsgerichtes nicht entgegen. Es wird lediglich ausgeführt, dass diese konkreten Schlachtkörperteile keiner spezifischen (Fleisch-)Untersuchung bedürften, sondern bereits dann in den Geltungsbereich des Art. 6 Abs. 1 lit. b VO (EG) 1774/2002 fielen, soweit sie von geschlachtetem Geflügel stammten, das als genussuntauglich abgelehnt werde, jedoch keine Anzeichen einer auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheit zeige und von einem Schlachtkörper stamme, die nach den Bestimmungen der Richtlinie über frisches Geflügelfleisch genusstauglich seien. Eine Fleischuntersuchung am Stammkörper wurde folglich gleichwohl vorausgesetzt, um die Zuordnung zu ermöglichen. Auch die Ausführungen in Ziffer 22. der vorbezeichneten Leitlinie führen zu keiner anderen Bewertung. Denn es wird zu Recht darauf hingewiesen, dass Magen und Därme von Geflügel, das normal geschlachtet wurde, mit oder ohne Inhalt im Rahmen der Kategorie 3 und nicht etwa nach den Vorschriften über die Kategorie 2 (vgl. Art. 5 Abs. 1 lit. a VO [EG] 1774/2002) zu prüfen sind, da der dort bezeichnete Magen- und Darminhalt nur Säugetiere und Laufvögel (vgl. Anhang I Ziffer 21. VO [EG] 1774/2002) betrifft. Sodann kommt es wiederum auf die in Art. 6 Abs. 1 lit. b VO [EG] 1774/2002 aufgestellten Anforderungen an.
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Dass der Verordnungsgeber das vom Beklagten und von der Kammer angenommene Gefährdungspotential eines Schlachtkörpers im Falle der durchgeführten Schlachtkörperuntersuchung nicht für gegeben halte, folgt auch nicht aus der Regelung des Art. 10 Abs. 1 lit. d VO (EG) 1069/2009. Hiernach kommt es für die weitere Verwendbarkeit von Blut (nur) auf die Schlachttieruntersuchung an. Es überzeugt aber nicht, von einer solchen expliziten - offenbar von bestimmten Risikoerwägungen getragenen - Ausnahme auf die generelle Maßgeblichkeit lediglich der Schlachttieruntersuchung zu schließen (so bereits Nds. OVG, Beschluss vom 15. November 2012, a. a. O., Rn. 9), insbesondere wenn - wie hier - der Wortlaut und die Regelungssystematik eindeutig dagegen sprechen.
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Der Verordnungsgeber bringt auch nicht mit dem Erwägungsgrund (35) der VO (EG) 1069/2009 zum Ausdruck, auf die Durchführung der Fleischuntersuchung unter Beachtung von Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbarer Krankheiten verzichten zu wollen. Hiernach werden seit dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 bestimmte tierische Nebenprodukte automatisch der Kategorie 2 zugeordnet; dies beschränkt ihre Verwendungsmöglichkeit erheblich - und in Anbetracht der betreffenden Risiken - möglicherweise unverhältnismäßig. Folglich sollten die genannten tierischen Nebenprodukte nun als Material 3 gelten, damit sie für bestimmte Fütterungszwecke verwendet werden dürfen. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang angesprochene langjährige Lobbyarbeit ist - angesichts der beibehaltenen Regelungssystema-tik - offensichtlich nicht in dem Maße erfolgreich gewesen, wie sie es nunmehr vorgibt (vgl. so bereits: Nds. OVG, Beschluss vom 15. November 2012, a. a. O., Rn. 9). Festzustellen ist vielmehr, dass der Verordnungsgeber in Bezug auf die Geflügelschlachtung für bestimmte Körperteile - Geflügelköpfe und Füße - erstmals die Schlachttieruntersuchung ausreichen lässt, im Übrigen jedoch die Regelungssystematik beibehielt. Die normative Differenzierung zwischen Schlachtkörpern, Schlachtkörperteilen bzw. Teilen von Tieren und - nunmehr neu - ganzen Körpern sind ohnehin eher auf größere Nutztiere wie Rinder und Schweine zugeschnitten, bei denen nach Anhang I Abschnitt IV Kapitel I und IV VO (EG) Nr. 854/2004 ein einer Obduktion nahekommendes und ungleich komplexeres Prüfungsprogramm für jedes einzelne Tier vorgesehen ist als für Geflügel, bei dem sich die zwingenden Vorgaben für die Fleischuntersuchung nach Anhang I Abschnitt I Kapitel II Teil D und Abschnitt IV Kapitel V Teil B VO (EG) Nr. 854/2004 - mit Ausnahme von Stichproben - zunächst auf eine äußere Inspektion beschränken (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 15. November 2012, a. a. O., Rn. 7).
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1.2. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben sich auch nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht - unter Bezugnahme auf die in einem Eilverfahren getroffene Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes (Beschluss vom 21. November 2011, a. a. O.) - ausgeführt hat, dass bei genussuntauglichem Material nur dann keine Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten bestünden, wenn dies sicher ausgeschlossen werden kann. Wie bereits unter 1.1.2. dargestellt, fordert die Regelung des Art. 10 Abs. 1 lit. b Ziffer i VO (EG) 1069/2009 keine zuverlässige Feststellung, sondern lässt es für den Ausschluss der Einordnung in die Kategorie 3 ausdrücklich genügen, dass der Schlachtkörper oder ganze Körper und Teile von Tieren (bloße) Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufweisen. Hindeutende Anhaltspunkte genügen. Will die Klägerin gleichwohl eine Zuordnung zur Kategorie 3 erreichen, muss sie in weitere Untersuchungen eintreten. Mithin scheidet auch bei „doppeldeutigen Anzeichen“ (vgl. Urteilsabdruck S. 17), also solchen, die für eine auf Mensch oder Tier übertragbare Erkrankung sprechen, aber auch auf andere Ursachen zurückgeführt werden könnten, eine Einordnung in die Kategorie 3 aus, solange die konkrete Ursache nicht abgeklärt ist. Woraus die Klägerin schöpft, dass Anzeichen (nur) dann gegeben sind, wenn sie eindeutig vorliegen, legt sie nicht zulassungsbegründend dar.
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Auch der von der Klägerin gezogene Schluss, die von dem Verwaltungsgericht vertretene Sichtweise würde dazu führen, dass die Neuregelung in Art. 10 Abs. 1 lit. b VO (EG) 1069/2009 ersatzlos gestrichen werden könne, verfängt mit Blick auf die vorstehenden Darstellung unter Ziffer 1.1. nicht.
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1.3. Der Einwand der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe außerdem verkannt, dass der Beklagte sein sich nach § 12 Abs. 2 TierNebG ergebendes Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt habe, rechtfertigt die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel ebenfalls nicht.
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Zu Recht führt das Verwaltungsgericht aus, dass die Verfügung des Beklagten auf die Betriebssituation der Klägerin im Zeitpunkt des Erlasses streitbefangenen Verfügung zugeschnitten war, bei der eine nähere Selektion des als genussuntauglich beurteilten Verwurfes nicht stattfand oder (mangels betrieblicher Vorkehrungen) nicht stattfinden konnte. Indem der Beklagte in der streitbefangenen Ziffer 12. der Anordnung bestimmt hat, dass eine getrennte Entsorgung von Kategorie 2 und 3 Material zu erfolgen hat, indem die Verwürfe aus dem Bereich der amtlichen Fleischuntersuchung (Untersuchungspunkte 1, 2 und 3) sowie der betrieblichen Vorkontrolle getrennt erfasst und als Kategorie 2 Material entsorgt werden müssen, stellt er ausweislich der Begründung seiner Anordnung allein auf die bei der durchgeführten Vor-Ort-Kontrolle vorgefundene Betriebssituation ab. Denn das - zu diesem Zeitpunkt - ausgesonderte und aufgrund der Ablaufprozesse des Betriebes nicht im Rahmen der Fleischuntersuchung auf Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten begutachtete Material war der Kategorie 2 zuzuordnen, da - mangels Prüfprozesses - nicht ausgeschlossen werden konnte, dass insoweit Anzeichen von auf den Mensch oder Tier übertragbare Krankheiten vorlagen. Solange die Ablaufprozesse der Klägerin, wofür - auch nicht nach ihrem Zulassungsvorbringen - bis heute kein Anhalt besteht, keine Änderung erfahren, hat eine entsprechende Einordnung zu erfolgen. Nicht anders kann die Anordnung des Beklagten verstanden werden.
- 35
Für die betrieblichen Abläufe bleibt hinsichtlich der Beachtung der Vorgaben der VO (EG) 1069/2009 allein der Unternehmer verantwortlich (vgl. etwa Erwägungsgrund 20 VO [EG] 1069/2009). Ob bei geänderten technischen und organisatorischen Voraussetzungen bei der Fleischuntersuchung eine Trennung in Material der Kategorie 2 einerseits und der Kategorie 3 andererseits möglich wäre, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Die Klägerin kann sich demgegenüber nicht mit Erfolg darauf zurückziehen, dass es nach ihrer Auffassung Aufgabe des Beklagten sei, für die amtlichen Kontrolleure übertragbare Krankheiten und deren Merkmale zu definieren und Arbeitsanweisungen zu erteilen, so dass eine eindeutigere Zuordnung zu den Kategorien 2 und 3 möglich gemacht wird. Fest steht, dass jedenfalls bei den vorgefundenen Betriebsabläufen, für die die unternehmerische Verantwortung hinsichtlich der Einhaltung der Vorgaben der VO (EG) 1069/2009 bei der Klägerin liegt, der gesammelte Verwurf eine Mischung aus Materialien der Kategorien 2 und 3 und damit Material der Kategorie 2 darstellte. Nicht mehr und nicht weniger als dieser konkret vorgefundene Zustand war Anlass der Verfügung des Beklagten (vgl. zum Ganzen: Nds. OVG, Beschluss vom 15. November 2012, a. a. O., Rn 10 f.).
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Soweit die Klägerin einwendet, als milderes Mittel komme eine Anordnung in Betracht, die als genussuntauglich beurteilten Schlachtkörper mit Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten als Material der Kategorie 2 einzuordnen, setzt dies voraus, dass die Kläger bei hindeutenden Anhaltspunkten tatsächlich das ausgesonderte Material sogleich der Kategorie 2 zuordnen will. Indes wären auch Betriebsabläufe denkbar, bei denen beispielsweise die vom amtlichen Fachassistenten ausgesonderten Schlachtkörper(teile) einem amtlichen Tierarzt für weitere Untersuchungen zugeführt werden, bevor eine endgültige Einordnung in die maßgebende Risikogruppe von Schlachtabfällen erfolgt. Hiernach kommt es auf die von der Klägerin beabsichtigten Veränderungen im Betriebsablauf an, die der Beklagte offensichtlich nicht vorwegnehmen wollte.
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2. Die Zulassung der Berufung rechtfertigt sich auch nicht, soweit die Klägerin Verfahrensmängel nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO rügt.
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2.1. Ein Verfahrensmangel kann nicht darin erblickt werden, dass das Verwaltungsgericht die von der Klägerin im Schriftsatz vom 14. August 2014 (der angegebene Schriftsatz vom "16.02.2012" existiert - naturgemäß im Hinblick auf den Zeitpunkt der Klageerhebung am 15. Mai 2012 - nicht) formulierten Fragen nicht dem Europäischen
Gerichtshof vorgelegt hat. Eine Vorlageverpflichtung bestand nicht. Gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV sind nur letztinstanzliche Gerichte zur Vorlage verpflichtet. Letztinstanzliche Gerichte sind die Gerichte, gegen deren Entscheidungen kein Rechtsmittel mehr zulässig ist. (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 28. August 2014 - 2 BvR 2639/09 -, Rn. 46, juris; OVG NRW, Urteil vom 25. September 2017 - 2 A 2286/15 -, juris, Rn. 38). Das Verwaltungsgericht ist kein letztinstanzliches Gericht im vorbezeichneten Sinne, weil ein Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt werden kann. Es kommt - entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin - mithin nicht maßgebend darauf an, dass das Verwaltungsgericht die Berufung nicht zugelassen hat.
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Ein Verfahrensmangel folgt auch nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht sein sich nach Art. 267 Abs. 2 AEUV ergebendes (Vorlage-)Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt hat. Nach Art. 267 Abs. 2 AEUV kann ein Gericht eines Mitgliedstaates dem Europäischen Gerichtshof eine unionsrechtliche Frage, die bei ihm gestellt wurde, zur Entscheidung vorlegen, wenn es eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich hält. Angesichts der an dem Wortlaut, der Systematik und dem erkennbaren Regelungszweck der maßgeblichen Bestimmungen der VO (EG) 1069/2009 orientierten Auslegung durch das Verwaltungsgericht besteht schon kein Anhalt dafür, dass die Kammer zum Erlass ihrer Entscheidung die Vorlage an den Europäischen Gerichtshof hätte erwägen müssen (vgl. zu den gleichlautenden Vorlagefragen: Nds. OVG, Beschluss vom 15. November 2012, a. a. O, Rn. 14 bis 17).
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Besteht - wie hier - keine Vorlageverpflichtung, ist für eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nichts ersichtlich.
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2.2. Auch die Ablehnung der von der Klägerin hilfsweise gestellten Beweisanträge führt nicht zur Zulassung der Berufung. Ein Verfahrensmangel in Gestalt einer Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör wird durch die Ablehnung eines Beweisantrages nur dann verwirklicht, wenn die Ablehnung im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 11. August 2007 - 10 C 8.07 -, juris Rn. 12). Dies ist dann der Fall, wenn die Ablehnung aus Gründen erfolgt, aus denen der Beweisantrag schlechthin nicht hätte abgelehnt werden dürfen. Die hinreichende Darlegung eines Verfahrensmangels, der in einer unterlassenen Aufklärung bzw. Beweiserhebung bestehen soll und auf dem die Entscheidung beruhen kann, erfordert auch Angaben dazu, welches Ergebnis die Sachverhaltsaufklärung bzw. Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte und inwiefern dies zu einer für den Zulassungsantragsteller günstigeren Entscheidung hätte führen können. Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob die angegriffene Entscheidung auf einem geltend gemachten und vorliegenden Verfahrensmangel beruhen kann, ist allein der materiell-rechtliche Standpunkt des Verwaltungsgerichtes (vgl. zum Ganzen: Nds. OVG, Beschluss vom 15. November 2012, a. a. O., Rn. 21 [m. w. N.]).
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Die von der Klägerin ausweislich der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2016 lediglich hilfsweise gestellten und mehrere Beweismittel im Einzelnen bezeichneten Beweisanträge zum Beweis der Tatsachen,
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1. dass durch die umfangreichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der stetigen amtsärztlichen Überwachung im Herkunftsbetrieb sowie der Schlachttieruntersuchung nach Anlieferung der Tiere im Schlachtbetrieb ausgeschlossen ist, dass solche Tierkörper und Nebenprodukte der Schlachtung, die als Material der Kategorie 2 auf Grund von Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten zu qualifizieren und entsprechend zu entsorgen sind, die Schlachtung überhaupt erreichen,
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2. zum Beweis der Tatsachen, dass die Unterscheidung des genussuntauglichen Materials hinsichtlich übertragbarer oder nicht übertragbarer Krankheiten am Schlachtband, daher insbesondere auch bei der Fleischuntersuchung nicht möglich ist,
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stellen schon keine Beweisanträge i. S. v. § 86 Abs. 2 VwGO dar, sondern lediglich Beweisanregungen (vgl. dazu: BVerwG, Beschluss vom 19. August 2013 - 9 Bv 1.13 -, juris Rn. 14). Unabhängig davon hat das Verwaltungsgericht die Beweisanregungen ohne Rechtsfehler abgelehnt.
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Selbst unterstellt, dass hinsichtlich des unter Ziffer 1. gestellten "Beweisantrages" die „umfangreichen Maßnahmen“ durch die Bezugnahme der Klägerin auf ihre Anlagen K 5 und K 11 näher bestimmt worden sind, hat das Gericht zur fehlenden Entscheidungserheblichkeit zutreffend und unwidersprochen ausgeführt, dass im Rahmen der Überwachung im Herkunftsbetrieb und bei der Schlachttieruntersuchung nicht jedes einzelne Tier untersucht wird und dies nur bei der Fleischuntersuchung geschieht. Das Verwaltungsgericht geht damit zu Recht davon aus, dass bezogen auf den einzelnen Schlachtkörper ein Ausschluss (noch) nicht erfolgt sein kann, so dass der Beweisantrag insoweit ins Leere geht. Hinsichtlich des unter Ziffer 2. gestellten "Beweisantrages" fehlt es ebenfalls an der Entscheidungserheblichkeit, da es - wie es das Verwaltungsgericht zutreffend darstellt - einer Unterscheidung zwischen übertragbaren und nicht übertragbaren Krankheiten nicht bedarf. Es genügen (hindeutende) Anzeichen (vgl. zum Ganzen: Darstellung unter 1.1.2. und 1.3.). Auf die von der Klägerin hierzu vorgetragenen Erwägungen kommt es somit nicht an.
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3. Überdies rechtfertigt sich die Zulassung der Berufung nicht wegen der von der Klägerin geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.
- 48
„Grundsätzliche Bedeutung“ im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO besitzt eine Rechtssache nur dann, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung im angestrebten Rechtsmittelverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechts- oder Tatsachenfragen beitragen kann, die eine über den Einzelfall hinausgehende Tragweite besitzen und die im Interesse der Rechtseinheit oder Weiterentwicklung des Rechts einer Klärung bedürfen (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 28. April 2014 - 1 L 75/13 -, juris Rn. 39 m. w. N.). Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO zudem im Zulassungsantrag darzulegen. „Dargelegt“ im Sinne der genannten Vorschrift ist eine grundsätzliche Bedeutung nur dann, wenn in der Antragsbegründung eine konkrete rechtliche oder tatsächliche Frage formuliert und zugleich substantiiert vorgetragen wird, inwiefern der Klärung dieser Frage eine im Interesse der Rechtssicherheit, Vereinheitlichung oder Fortbildung des Rechts über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung zukommt und warum es auf die Klärung der zur Überprüfung gestellten Frage im konkreten Fall entscheidungserheblich ankommt. Hiernach ist es zunächst erforderlich, dass in der Antragsschrift eine konkrete - entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige - rechtliche oder tatsächliche Frage „aufgeworfen und ausformuliert” wird. Darüber hinaus obliegt es dem Rechtsschutzsuchenden, im Einzelnen darzulegen, inwiefern die aufgeworfene Frage im Interesse der Rechtssicherheit, Vereinheitlichung oder Fortbildung des Rechts über den Einzelfall hinaus einer fallübergreifenden Klärung bedarf und im konkreten Fall entscheidungserheblich ist (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 28. April 2014, a. a. O.).
- 49
In Anlegung dieser Maßstäbe wird die Klägerin den Darlegungsanforderungen nicht gerecht.
- 50
Die Klägerin wirft die im Kern im Wesentlichen übereinstimmenden Fragen auf, „ob für die Einordnung der Schlachtkörper oder ganzer Körper und Teile von Tieren, die in einem Schlachthof geschlachtet wurden, als Material der Kategorie 3 allein die Feststellung von Anzeichen von übertragbaren Krankheiten bei der Schlachttieruntersuchung maßgebend sein soll oder für die Qualifikation als Material der Kategorie 3 auch die Durchführung der Fleischuntersuchung erforderlich ist“ bzw. „ob Ergebnisse der Fleischuntersuchung für die Kategorisierung der Schlachtkörper und Schlachtkörperteile als Material der Kategorie 3 im Sinne des Art. 10 lit. b Ziffer i der VO (EG) Nr. 1069/2009 maßgebend sein soll oder dabei allein auf die Ergebnisse der Schlachttieruntersuchung abzustellen ist“, und macht geltend, dass die Fragen nicht höchstrichterlich entschieden seien.
- 51
Nicht nur das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat sich in einem Berufungszulassungsverfahren mit diesen Fragenstellungen auseinandergesetzt (vgl. Beschluss vom 15. November 2012, a. a. O.), sondern auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat in einem Berufungsverfahren die Notwendigkeit der Fleischuntersuchung für die Qualifikation als Material der Kategorie 3 attestiert (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2013, a. a. O.). Mit diesen Entscheidungen setzt sich die Klägerin schon nicht auseinander, sondern beschränkt sich darauf, die vom Verwaltungsgericht in Bezug genommene Beschwerdeentscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes (Beschluss vom 21. November 2011, a. a. O.) in den Blick zu nehmen. Die Zulassung des Rechtsmittels erfordert allerdings auch die Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung, damit das Berufungsgericht hierdurch in die Lage versetzt wird, anhand der Antragsschrift darüber zu befinden, ob die Zulassung des Rechtsmittels wegen grundsätzlicher Bedeutung gerechtfertigt ist.
- 52
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
- 53
III. Die Streitwertänderung und -festsetzung folgt aus §§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 47, 52 Abs.1 GKG i. V. m. Ziffer 25.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Danach ist der Jahresbetrag der wirtschaftlichen Auswirkung anzusetzen, die die Klägerin im Zulassungsverfahren in sechsstelliger Höhe beziffert (vgl. Antragsbegründungsschrift, S. 13).
- 54
III. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124a Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Urteil einreichenOberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 20. Apr. 2018 - 3 L 5/17 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 15. März 2012 - 4 K 3474/11 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
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(1) Die Einhaltung der Vorschriften der in § 1 genannten unmittelbar geltenden Rechtsakte, die Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen sowie der nach den in § 1 genannten unmittelbar geltenden Rechtsakten, diesem Gesetz oder nach einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung getroffenen vollziehbaren Anordnungen werden durch die zuständige Behörde, im Bereich der Bundeswehr durch die vom Bundesministerium der Verteidigung bestimmten Dienststellen, überwacht.
(2) Die zuständige Behörde kann im Einzelfall die Anordnungen treffen, die zur Einhaltung der Vorschriften der in § 1 genannten unmittelbar geltenden Rechtsakte, dieses Gesetzes sowie der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen erforderlich sind. Dies gilt auch nach erfolgter Registrierung nach Artikel 23 der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 oder der Erteilung einer Zulassung nach Artikel 24 der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009.
(3) Natürliche und juristische Personen und nicht rechtsfähige Personenvereinigungen haben den zuständigen Behörden auf Verlangen die Auskünfte zu erteilen, die zur Durchführung der den Behörden durch dieses Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes übertragenen Aufgaben erforderlich sind. Eine auskunftspflichtige Person kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung sie selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozessordnung genannten Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde.
(4) Personen, die von der zuständigen Behörde beauftragt sind, sowie in ihrer Begleitung befindliche Sachverständige des Bundes, der Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission dürfen im Rahmen der Absätze 1 und 2 Grundstücke, Wirtschaftsgebäude, Geschäfts-, Betriebs- und Lagerräume sowie Transportmittel während der Geschäfts- und Betriebszeiten betreten, dort Besichtigungen vornehmen und geschäftliche Unterlagen einsehen und prüfen.
(5) Die von der zuständigen Behörde mit der Durchführung der Überwachung beauftragten Personen dürfen im Rahmen ihres Auftrages während der Geschäfts- und Betriebszeiten Grundstücke, Wirtschaftsgebäude, Geschäfts-, Betriebs- und Lagerräume sowie Transportmittel betreten und dort Untersuchungen durchführen. Auf Anforderung sind den beauftragten Personen tierische Nebenprodukte und Folgeprodukte zur Untersuchung zu überlassen.
(6) Zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dürfen die in den Absätzen 4 und 5 genannten Personen Grundstücke, Wirtschaftsgebäude, Geschäfts-, Betriebs- und Lagerräume sowie Transportmittel auch außerhalb der Geschäfts- und Betriebszeiten betreten; das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt.
(7) Die verfügungsberechtigte Person oder der Besitzer hat die Maßnahmen nach den Absätzen 4 bis 6 zu dulden, die mit diesen Maßnahmen beauftragten Personen zu unterstützen und auf deren Verlangen die geschäftlichen Unterlagen vorzulegen.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Gründe
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Die Beschwerdeführerin, ein Unternehmen der privaten Abfallentsorgung, wendet sich gegen eine Verfügung, mit der ihr das Einsammeln von Altpapier untersagt worden ist.
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I.
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1. Die Beschwerdeführerin führte bis zum 31. Dezember 2003 in Teilen der Stadt Kiel die Altpapiererfassung aus. Nach einer Neuausschreibung wurde diese Aufgabe einem anderen Unternehmen zur gemeinsamen Erledigung mit der Stadt Kiel übertragen. Die Beschwerdeführerin betrieb weiterhin Altpapier-Sammel-container. Sie schloss mit Hausverwaltungen und Wohnungsbaugesellschaften Verträge über die Übernahme von Altpapier und stellte Container vor Supermärkten auf. Die Verwertung des Altpapiers sollte unter anderem in den Niederlanden erfolgen.
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2. Die Stadt Kiel untersagte der Beschwerdeführerin unter Berufung auf § 13 Abs. 1 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes in der Fassung vom 27. September 1994 (KrW-/AbfG) die Sammeltätigkeit und forderte sie auf, ihre Sammelcontainer zu entfernen. Private Haushalte seien verpflichtet, ihr Altpapier der Stadt Kiel zu überlassen. § 13 KrW-/AbfG 1994 lautete auszugsweise:
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§ 13 Überlassungspflichten
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(1) 1Abweichend von § 5 Abs. 2 und § 11 Abs. 1 sind Erzeuger oder Besitzer von Abfällen aus privaten Haushaltungen verpflichtet, diese den nach Landesrecht zur Entsorgung verpflichteten juristischen Personen (öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger) zu überlassen, soweit sie zu einer Verwertung nicht in der Lage sind oder diese nicht beabsichtigen. (…)
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(2) …
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(3) 1Die Überlassungspflicht besteht nicht für Abfälle, (…)
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3. die durch gewerbliche Sammlung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden, soweit dies den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern nachgewiesen wird und nicht überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.
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(…)
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(4) 1Die Länder können zur Sicherstellung der umweltverträglichen Beseitigung Andienungs- und Überlassungspflichten für besonders überwachungsbedürftige Abfälle zur Beseitigung bestimmen. 2Sie können zur Sicherstellung der umweltverträglichen Abfallentsorgung Andienungs- und Überlassungspflichten für besonders überwachungsbedürftige Abfälle zur Verwertung bestimmen, soweit eine ordnungsgemäße Verwertung nicht anderweitig gewährleistet werden kann. (…)
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Eine die Überlassungspflicht ausschließende Eigenverwertung im Sinne von § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG 1994 liege nicht vor, wenn das Altpapier der Beschwerdeführerin von den Abfallbesitzern zur Verwertung überlassen werde. Die Beschwerdeführerin betreibe auch keine gewerbliche Sammlung entsprechend § 13 Abs. 3 Nr. 3 KrW-AbfG 1994, da ihr das Altpapier nicht freiwillig, sondern aufgrund vertraglicher Bindungen überlassen werde. Der Tätigkeit der Beschwerdeführerin stünden zudem überwiegende öffentliche Interessen entgegen. Die Stadt könne die ihr obliegende Abfallentsorgung nicht wirtschaftlich planen und durchführen, wenn sie wegen privater Konkurrenz Reserve- und Bereitschaftsvorkehrungen in ungewissem Umfang treffen müsse. Die Grundlage der Gebührenkalkulation würde zerstört, denn private Konkurrenten würden sich auf die lukrativen Gegenden konzentrieren, so dass für den städtischen Entsorgungsbetrieb nur finanziell unattraktive Randbezirke verblieben. Die nach erfolglosem Widerspruch von der Beschwerdeführerin erhobene Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht zurückgewiesen.
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3. Das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht hat die Untersagungsverfügung mit Urteil vom 22. April 2008 aufgehoben. Die Sammlung der Beschwerdeführerin sei als eine die Überlassungspflicht ausschließende Eigenverwertung im Sinne von § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG 1994 anzusehen. Es sei allgemein zulässig, Pflichten - soweit sie keine unvertretbaren Handlungen beträfen - durch Dritte erfüllen zu lassen. Die privaten Abfallbesitzer würden das Altpapier daher auch dann selbst im Sinne dieser Vorschrift verwerten, wenn sie es einem Dritten überließen.
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Das Altpapier sei auch deshalb von der Überlassungspflicht ausgenommen, weil die Beschwerdeführerin eine gewerbliche Sammlung im Sinne von § 13 Abs. 3 KrW-/AbfG 1994 betreibe, der keine überwiegenden öffentlichen Interessen entgegenstünden. Um die Erfüllung seiner Aufgaben sicherzustellen, müsse ein öffentlicher Abfallentsorger notfalls seinen Betrieb umstrukturieren oder die Gebühren erhöhen.
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4. Im Revisionsverfahren hat die Beschwerdeführerin vorgetragen, eine Überlassungspflicht für Altpapier zugunsten der öffentlichen Entsorger verstoße gegen Unionsrecht. Die angegriffene Verfügung bedeute eine nach Art. 12 der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen (Abfallverbringungsverordnung - AbfVerbrV) unzulässige Verbringungsbeschränkung. Verbringungsbeschränkungen seien zwar nicht absolut unzulässig. Die von der Abfallverbringungsverordnung zugelassenen Ausnahmen lägen jedoch nicht vor. Dementsprechend habe der Europäische Gerichtshof eine auf § 13 Abs. 4 KrW-/AbfG 1994 gestützte Andienungspflicht für gefährliche Abfälle für unzulässig erklärt. Angesichts der abschließenden Regelung der Verordnung könne zur Rechtfertigung der Wettbewerbsbeschränkung nicht auf das Primärrecht zurückgegriffen werden. Die Voraussetzungen von Art. 86 Abs. 2 EG [heute Art. 106 Abs. 2 AEUV] lägen im Übrigen nicht vor.
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5. Mit Urteil vom 18. Juni 2009 hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
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a) Der Überlassungspflicht könnten Abfallbesitzer gemäß § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG 1994 nur entgehen, wenn sie die Abfälle selbst verwerten würden. Aus Systematik, Entstehungsgeschichte und Telos der Regelung folge, dass die Hinzuziehung eines Dritten kein Fall der Entsorgung durch den Abfallbesitzer selbst sei. Der Gesetzgeber habe vielmehr eine Grundentscheidung zugunsten der öffentlich-rechtlichen Entsorgung des Abfalls aus privaten Haushaltungen getroffen.
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b) Ob eine gewerbliche Sammlung im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG 1994 vorliege, sei danach zu beurteilen, ob sich die Tätigkeit nach ihrem Gesamtbild eindeutig von der eines beauftragten Entsorgungsunternehmens unterscheide. Es komme darauf an, ob die Sammlung eher auf vertraglicher Grundlage und in dauerhaften Strukturen erfolge oder ob sie eher dem Bild einer freiwilligen unentgeltlichen Überlassung entspreche. Nur im letzteren Fall könne es sich um eine gewerbliche Sammlung handeln, die von der Überlassungspflicht ausgenommen sei. Diese Auslegung entspreche insbesondere dem Ziel des Gesetzgebers, die - Mitte der 1980er Jahre - geläufige Praxis bei den gemeinnützigen und gewerblichen Sammlungen zu erhalten. Nur soweit die Tätigkeit der Beschwerdeführerin nach diesen Maßstäben als gewerbliche Sammlung anzusehen sei, könne sie weiter ausgeübt werden. Zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat das Bundesverwaltungsgericht die Rechtssache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
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c) Bei Prüfung der Frage, ob der Durchführung einer gewerblichen Sammlung überwiegende öffentliche Interessen entgegenstünden (§ 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG 1994), habe das Oberverwaltungsgericht einen unzutreffenden Maßstab angelegt. Das öffentliche Interesse könne überwiegen, wenn die Sammlung sich nach ihrer konkreten Ausgestaltung mehr als nur geringfügig auf Organisation und Planungssicherheit des öffentlichen Entsorgungsträgers auswirke.
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d) Das sekundäre Gemeinschafts- beziehungsweise Unionsrecht könne der Untersagungsverfügung schon deshalb nicht entgegenstehen, weil es für sortenreine Abfälle wie Altpapier keine Regelungen enthalte. Insbesondere die Abfallverbringungsverordnung betreffe nicht das Einsammeln, sondern das Verbringen von Abfällen. Auch primäres Gemeinschafts- beziehungsweise Unionsrecht stehe der angegriffenen Verfügung nicht entgegen. Die Verfügung verstoße daher nicht gegen die Regeln der Wettbewerbsfreiheit. Nach Art. 86 Abs. 2 EG [heute Art. 106 Abs. 2 AEUV] gälten die europäischen Wettbewerbsregeln für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, nur, soweit ihre Anwendung nicht die Erfüllung der Aufgaben der Daseinsvorsorge rechtlich oder tatsächlich verhindert. Der Europäische Gerichtshof habe insofern entschieden, dass das Abholen und Behandeln von Abfällen zur Daseinsvorsorge zähle.
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Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin verhindere die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung des öffentlichen Entsorgungsträgers. Eine derartige Verhinderung der Aufgabenerfüllung liege nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bereits vor, wenn die Aufgabe unter den Voraussetzungen des freien Wettbewerbs zu wirtschaftlich annehmbaren Bedingungen nicht erfüllt werden könne. So lägen die Dinge hier: Bei ungehinderter Konkurrenz durch die Zulassung privater Altpapierentsorger sei das erforderliche Mindestmaß an wirtschaftlicher Planbarkeit nicht mehr gewahrt, und die Erfüllung der Aufgabe des Abfallentsorgers zu wirtschaftlich annehmbaren Bedingungen werde verhindert. Auch ein etwaiger Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit sei damit gerechtfertigt.
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6. Mit Beschluss vom 30. September 2009 hat das Bundesverwaltungsgericht eine Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin als unzulässig verworfen.
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7. Das erneut befasste Oberverwaltungsgericht bestätigte die Untersagungsverfügung, soweit sie das Einsammeln von Altpapier aus privaten Haushaltungen sowie die Durchführung grundstücksnaher Straßenbündelsammlungen betraf. Insoweit entspreche die Tätigkeit der Beschwerdeführerin dem Bild eines dauerhaft beauftragten Entsorgungsunternehmens und nicht dem einer gewerblichen Sammlung. Zulässig sei es aber, Altpapiercontainer vor Supermärkten aufzustellen, da dies nicht dem Bild eines dauerhaft Beauftragten entspreche. Auf vertragliche Vereinbarungen komme es dabei nicht an. Auch grundstücksferne Straßenbündelsammlungen seien zulässig.
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Das Oberverwaltungsgericht habe die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zum primären und sekundären Gemeinschaftsrecht zur Kenntnis genommen und in seine Entscheidungsfindung einbezogen. Als nicht letztinstanzliches Gericht sei es zu einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht verpflichtet. Die Revision hat es nicht zugelassen.
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8. Mit Beschluss vom 4. Juli 2011 hat das Bundesverwaltungsgericht eine Nichtzulassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin als unbegründet zurückgewiesen. Die Beschwerdeführerin habe keine rechtsgrundsätzlichen Fragen vorgetragen, die eine Zulassung der Revision rechtfertigten. Insbesondere sei die Frage der Vereinbarkeit der Untersagungsverfügung mit dem Unionsrecht nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, weil das Bundesverwaltungsgericht dies bereits im ersten Rechtszug getan habe und nun an diese Auffassung gebunden sei; es beabsichtige nicht, von dieser Meinung abzurücken. Das Oberverwaltungsgericht habe sein Vorlageermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt.
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9. Nach dem Willen des Gesetzgebers des inzwischen an die Stelle des KrW-/AbfG getretenen Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) vom 24. Februar 2012 stehen - entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts - vertragliche Bindungen zwischen dem Sammler und den Abfallbesitzern der Annahme einer gewerblichen Sammlung nicht entgegen (vgl. BTDrucks 17/6052, S. 74). Überlassungspflichten für getrennt gesammelte Abfälle zur Verwertung könnten allerdings nach Art. 106 Abs. 2 AEUV (ex-Art. 86 Abs. 2 EG) gerechtfertigt werden (vgl. BTDrucks 17/6052, S. 85).
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II.
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Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juni 2009, vom 30. September 2009 und vom 4. Juli 2011. Sie rügt eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) sowie der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG).
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1. Das Bundesverwaltungsgericht habe Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, da es von einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof abgesehen habe. Die europarechtlichen Fragen seien entscheidungserheblich gewesen. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof sei jedenfalls nicht im Sinne der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, ob die enge Auslegung des Begriffs der gewerblichen Sammlung in § 13 Abs. 3 KrW-/AbfG 1994 durch das Bundesverwaltungsgericht mit der Abfallverbringungsordnung, der Abfallrahmenrichtlinie sowie den Artikeln 29, 86 und 82 EG [heute Art. 28, 106 und 102 AEUV] vereinbar sei. Jedenfalls gebe es keine Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die das Verständnis des Bundesverwaltungsgerichts stütze. Art. 86 Abs. 2 EG [Art. 106 Abs. 2 AEUV] gestatte keine Abweichungen von Vorschriften des Sekundärrechts. Die Beschwerdeführerin habe in dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht auf die entsprechende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hingewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht sei als letztinstanzliches Gericht zur Vorlage verpflichtet gewesen.
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Auch durch die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde habe das Bundesverwaltungsgericht gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter verstoßen. Dadurch habe es die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts geduldet, dieses sei kein letztinstanzliches Gericht und deshalb zu einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht verpflichtet. Ein Oberverwaltungsgericht sei jedoch dann als letztinstanzliches Gericht anzusehen, wenn es gegen seine Entscheidung die Revision nicht zulasse.
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2. Art. 103 Abs. 1 GG sei verletzt, da sich das Bundesverwaltungsgericht nicht mit der von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Auslegung der maßgeblichen Rechtsnormen durch den Europäischen Gerichtshof auseinandergesetzt habe. Das Bundesverwaltungsgericht sei auf die wesentlichen Punkte des Vortrags der Beschwerdeführerin nicht eingegangen. Dies betreffe den Vortrag zum europäischen Sekundärrecht und zum Primärrecht. Die Voraussetzungen des Art. 86 Abs. 2 EG [Art. 106 Abs. 2 AEUV], der Wettbewerbsbeschränkungen rechtfertigen könnte, lägen nicht vor.
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3. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts greife unverhältnismäßig in die Berufsfreiheit ein. Der Beschwerdeführerin seien nur noch Tätigkeiten erlaubt, die sich geringfügig auf die Organisation und die Planungssicherheit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers auswirkten. Praktisch sei die Tätigkeit als gewerblicher Abfallsammler damit unrentabel.
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III.
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, da ihr keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und die Annahme auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin angezeigt ist (vgl. § 93a Abs. 2 BVerfGG).
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1. Die Entscheidung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung anzunehmen. Die Beschwerdeführerin hat keine neue, grundlegende verfassungsrechtliche Frage aufgezeigt, zu der eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geboten wäre. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind die hier maßgeblichen Fragen zur Einordnung des Europäischen Gerichtshofs als gesetzlichem Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 73, 339 <366 f.>; 82, 159 <195>; zuletzt BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 12 BvR 1563/12, 2 BvR 12 BvR 1564/12 -, juris, Rn. 177 ff.) und zur Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG durch Nichtbeachtung von Beteiligtenvorbringen (vgl. BVerfGE 21, 191 <194>; 46, 315 <319>; 96, 205 <216>; 105, 279 <311>) geklärt. Auch hinsichtlich Art. 12 Abs. 1 GG hat die Beschwerdeführerin keine ungeklärte Verfassungsrechtsfrage aufgezeigt.
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2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt. Sie ist jedenfalls unbegründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin nicht in ihren Grundrechten.
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a) Das Bundesverwaltungsgericht hat nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, indem es von einer Vorlage an den Gerichtshof abgesehen hat.
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aa) Der Gerichtshof der Europäischen Union ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 73, 339 <366>; 82, 159 <192>; 126, 286 <315>; 128, 157 <186 f.>; 129, 78 <105>). Unter den Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 AEUV sind die nationalen Gerichte von Amts wegen gehalten, den Gerichtshof anzurufen (vgl. BVerfGE 82, 159 <192 f.>; 128, 157 <187>; 129, 78 <105>; stRspr). Kommt ein deutsches Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des Gerichtshofs im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens daher nicht nach oder stellt es ein Vorabentscheidungsersuchen, obwohl eine Zuständigkeit des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht gegeben ist (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 24. April 2013 - 1 BvR 1215/07 -, NJW 2013, S. 1499 <1501>, Rn. 91), kann dem Rechtsschutzsuchenden des Ausgangsrechtsstreits der gesetzliche Richter entzogen sein (vgl. BVerfGE 73, 339 <366 ff.>; 126, 286 <315>).
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Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, Rs. C-283/81, C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, S. 3415 ff., Rn. 21) muss ein nationales letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. auch BVerfGE 82, 159 <193>; 128, 157 <187>; 129, 78 <105 f.>).
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bb) Das Bundesverfassungsgericht beanstandet die Auslegung und Anwendung von Normen, die die gerichtliche Zuständigkeitsverteilung regeln, jedoch nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind (vgl. BVerfGE 29, 198 <207>; 82, 159 <194>). Durch die grundrechtsähnliche Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wird das Bundesverfassungsgericht nicht zu einem Kontrollorgan, das jeden einem Gericht unterlaufenen, die Zuständigkeit des Gerichts berührenden Verfahrensfehler korrigieren müsste. Vielmehr ist das Bundesverfassungsgericht gehalten, seinerseits die Kompetenzregeln zu beachten, die den Fachgerichten die Kontrolle über die Befolgung der Zuständigkeitsordnung übertragen (vgl. BVerfGE 82, 159 <194>).
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Diese Grundsätze gelten auch für die unionsrechtliche Zuständigkeitsvorschrift des Art. 267 Abs. 3 AEUV. Daher stellt nicht jede Verletzung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht zugleich einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. BVerfGE 126, 286 <315>). Das Bundesverfassungsgericht überprüft nur, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 126, 286 <315 f.>; 128, 157 <187>; 129, 78 <106>). Durch die zurückgenommene verfassungsrechtliche Prüfung behalten die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung von Unionsrecht einen Spielraum eigener Einschätzung und Beurteilung, der demjenigen bei der Handhabung einfachrechtlicher Bestimmungen der deutschen Rechtsordnung entspricht. Das Bundesverfassungsgericht wacht allein über die Einhaltung der Grenzen dieses Spielraums (vgl. BVerfGE 126, 286 <316> m.w.N.). Ein "oberstes Vorlagenkontrollgericht" ist es nicht (vgl. BVerfGE 126, 286 <316>; BVerfGK 13, 506 <512>; 14, 230 <233>; 16, 328 <336>;BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. November 1987 - 2 BvR 808/82 -, NJW 1988, S. 1456 <1457>).
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(1) Die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV wird in den Fällen offensichtlich unhaltbar gehandhabt, in denen ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der - seiner Auffassung nach bestehenden - Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt und das Unionsrecht somit eigenständig fortbildet (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht; vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>).
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(2) Gleiches gilt in den Fällen, in denen das letztinstanzliche Hauptsachegericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft; vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>).
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(3) Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs hingegen noch nicht vor oder hat eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit (Unvollständigkeit der Rechtsprechung), wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschreitet (vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>). Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Fachgerichte das Vorliegen eines "acte clair" oder eines "acte éclairé" willkürlich bejahen.
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Das Gericht muss sich daher hinsichtlich des materiellen Unionsrechts hinreichend kundig machen. Etwaige einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union muss es auswerten und seine Entscheidung hieran orientieren (vgl. BVerfGE 82, 159 <196>; 128, 157 <189>). Auf dieser Grundlage muss das Fachgericht unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts (vgl. BVerfGE 75, 223 <234>; 128, 157 <188>; 129, 78 <107>) die vertretbare Überzeugung bilden, dass die Rechtslage entweder von vornherein eindeutig ("acte clair") oder durch Rechtsprechung in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offen lässt ("acte éclairé"; vgl. BVerfGE 129, 78 <107>).
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Unvertretbar gehandhabt wird Art. 267 Abs. 3 AEUV im Falle der Unvollständigkeit der Rechtsprechung insbesondere dann, wenn das Fachgericht eine von vornherein eindeutige oder zweifelsfrei geklärte Rechtslage ohne sachlich einleuchtende Begründung für gegeben hält (vgl. BVerfGE 82, 159 <196>; zum Vorliegen eines solchen Falles, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts gegenüber der vom Gericht zugrunde gelegten Meinung eindeutig vorzuziehen sind, vgl. BVerfGE 82, 159 <196>; 126, 286 <317>).
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b) Eine nicht mehr verständliche oder unhaltbare Auslegung und Anwendung des Art. 267 Abs. 3 AEUV liegt danach nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht hat weder das Institut der Vorlage an den Gerichtshof grundsätzlich übersehen, noch ist es bewusst von dessen Rechtsprechung abgewichen, sondern hat sich damit ausdrücklich auseinandergesetzt. Die Auslegung von § 13 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG 1994 durch das Bundesverwaltungsgericht überschreitet auch nicht den richterlichen Beurteilungsrahmen mit Blick auf das Unionsrecht. Es ist - ohne den Begriff zu verwenden - von einem "acte clair" ausgegangen und hat dies mit der Anwendbarkeit von Art. 86 Abs. 2 EG [Art. 106 Abs. 2 AEUV] begründet (aa), diese Vorschrift in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angewandt (bb) und dies mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs der Europäischen Union begründet (cc).
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aa) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist ein Rückgriff auf das Primärrecht zulässig, soweit eine Materie sekundärrechtlich nicht abschließend geregelt ist (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Dezember 2001, Rs. C-324/99, Daimler-Chrysler, Slg. 2001, S. I-9897 Rn. 32). Das Bundesverwaltungsgericht geht insoweit davon aus, dass Art. 16 der Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG sortenreine Abfallfraktionen aus privaten Haushaltungen nicht erfasse und die Abfallverbringungsverordnung Nr. 1013/2006 nicht das Einsammeln, sondern nur das Verbringen von Abfällen aus privaten Haushaltungen regele. Das mag im Schrifttum umstritten sein (vgl. Giesberts, in: Giesberts/Reinhardt, Beck'scher Online-Kommentar, Umweltrecht, 1. Juli 2014, KrWG § 17 Rn. 64 f. - April 2013 - mit Nachweis zur Gegenauffassung), scheint für das Bundesverwaltungsgericht jedoch unzweifelhaft festzustehen.
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Hinzu kommt, dass auch der vom Bundesverwaltungsgericht als unzweifelhaft zulässig angesehene Rückgriff auf Art. 106 Abs. 2 AEUV [Art. 86 Abs. 2 EG] jedenfalls nicht willkürlich ist. Unabhängig von der Frage, ob sich das Primärrecht insoweit nicht schon wegen seiner Höherrangigkeit durchsetzt, strahlt Art. 106 Abs. 2 AEUV (Art. 86 Abs. 2 EG) nach überwiegender Meinung jedenfalls auf sekundärrechtlich geregelte Bereiche aus (vgl. z.B. Wernicke, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 106 AEUV Rn. 62 - März 2011 -; Ehricke, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, 2. Aufl. 2009, Art. 86 EG Rn. 87 ff.; Voet van Vormizeele, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo, EU-Kommentar, 3. Aufl. 2012, Art. 106 AEUV Rn. 55; a.A. unter Berufung auf den Wortlaut Koenig/Paul, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 106 Rn. 42). Das wird durch die teleologische Überlegung bestätigt, dass der Generalvorbehalt zugunsten der in Art. 106 Abs. 2 AEUV (Art. 86 Abs. 2 EG) genannten Unternehmen sicherstellen soll, dass diese die ihnen übertragenen besonderen Aufgaben auch tatsächlich erfüllen können, es für die Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben aber keine Rolle spielen kann, ob sie durch primär- oder durch sekundärrechtliche Regelungen gefährdet wird (vgl. Voet van Vormizeele, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo, EU-Kommentar, 3. Aufl. 2012, Art. 106 AEUV Rn. 55). Auch der Gesetzgeber des neuen KrWG (vgl. BTDrucks 17/6052, S. 85) und die Europäische Kommission (vgl. SG(2011) D/51545 vom 29. Juni 2011, S. 6 f.) sind der Auffassung, dass Überlassungspflichten für Hausabfälle über Art. 106 Abs. 2 AEUV [Art. 86 Abs. 2 EG] gerechtfertigt werden können.
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bb) Die konkrete Anwendung von Art. 106 Abs. 2 AEUV [Art. 86 Abs. 2 EG] begegnet mit Blick auf die Auslegung von § 13 KrW-/AbfG 1994 ebenfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
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(1) Nach Art. 106 Abs. 2 AEUV [Art. 86 Abs. 2 EG] kann die Wettbewerbsfreiheit zugunsten von Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, beschränkt werden, wenn anderenfalls die Erfüllung der übertragenen besonderen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich verhindert wird.
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Abholen und die Behandlung von Haushaltsabfällen sind im Allgemeininteresse liegende öffentliche Aufgaben, die ein Staat von Behörden wahrnehmen lassen kann und auf die er entscheidenden Einfluss behalten darf (vgl. EuGH, Urteil vom 10. November 1998, Rs. C-360/96, BFI Holding, Slg. 1998, S. I-6821 Rn. 52; Urteil vom 23. Mai 2000, Rs. C-209/98, Sydhavnens Sten & Grus, Slg. 2000, S. I-3743 Rn. 75).
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Eine Verhinderung der Aufgabenerfüllung im Sinne von Art. 106 Abs. 2 AEUV [Art. 86 Abs. 2 EG] liegt vor, wenn das öffentliche Unternehmen seine Tätigkeit unter Wettbewerbsbedingungen nicht zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen ausüben kann. Eine Existenzgefährdung durch die Zulassung von Wettbewerb ist dabei nicht Voraussetzung für die Anwendung von Art. 86 Abs. 2 EG beziehungsweise Art. 106 Abs. 2 AEUV (vgl. EuGH, Urteil vom 23. Oktober 1997, Rs. C-157/94, Kommission/Niederlande, Slg. 1997, S. I-5699 Rn. 43; Urteil vom 17. Mai 2001, Rs. C-340/99, TNT Traco/Poste Italiane, Slg. 2001, S. I-4109 Rn. 54; Urteil vom 19. Mai 1993, Rs. C-320/91, Corbeau, Slg. 1993, S. I-2563 Rn. 14 ff.). Entscheidend ist, ob es für das begünstigte Unternehmen einen anderen wirtschaftlich zumutbaren Weg gibt, seine Aufgabe zu erfüllen, wobei auch die Möglichkeit eines Ausgleichs zwischen den rentablen und den weniger rentablen Tätigkeitsbereichen einzubeziehen ist (vgl. EuGH, Rs. C-320/91, Corbeau, a.a.O. Rn. 14 ff.; Rs. C-157/94, Kommission/Niederlande, a.a.O. Rn. 53). Beschränkungen können auch dann gerechtfertigt sein, wenn sie dazu dienen, dass eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu möglichst niedrigen, sozialverträglichen Gebühren erbracht werden kann (vgl. EuGH, C-157/94, Kommission/Niederlande, a.a.O. Rn. 53 ff.).
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(2) Von diesen Maßstäben ist das Bundesverwaltungsgericht ausgegangen. Es hat darauf abgestellt, dass eine wirtschaftliche Aufgabenerfüllung bei freiem Zugang Privater zum Altpapiersammeln nicht gewährleistet werden könne. Die kontinuierliche und verlässliche Aufgabenerfüllung der Hausmüllentsorgung durch den öffentlichen Entsorgungsträger setze ein Mindestmaß an Planbarkeit voraus, das bei einem ungehinderten Zugriff privater Dritter nicht gewährleistet wäre. Im Ergebnis ist es daher nicht entscheidend, ob das Bundesverwaltungsgericht den Begriff der gewerblichen Sammlung in § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG 1994 möglicherweise zu eng ausgelegt hat, wie es der Gesetzgeber des neuen KrWG annimmt. Denn auch einer gewerblichen Sammlung kann nach § 13 Abs. 3 KrW-/AbfG 1994 im Sinne von Art. 106 Abs. 2 AEUV [Art. 86 Abs. 2 EG] der Einwand der wirtschaftlich unzumutbaren Aufgabenerfüllung entgegengehalten werden.
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cc) Der Überlassungspflicht steht es nicht entgegen, dass der Europäische Gerichtshof eine kommunale Andienungspflicht für gefährliche Abfälle aufgrund der auf § 13 Abs. 4 KrW-/AbfG 1994 gestützten baden-württembergischen Sonderabfallverordnung als unzulässig angesehen hat. Zum einen diente diese Andienungspflicht dem Umweltschutz (vgl. § 13 Abs. 4 KrW-/AbfG 1994 und EuGH, Rs. C-324/99, Daimler Chrysler, a.a.O. Rn. 54, 57 ff.), während die Überlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG 1994 dem Erhalt der abfallwirtschaftlichen Daseinsvorsorge dient. Zum anderen bezieht der Europäische Gerichtshof seine Ausführungen ausdrücklich auf Abfälle, die zur Beseitigung bestimmt sind (vgl. EuGH, Rs. C-324/99, Daimler Chrysler, a.a.O. Rn. 28). Dies erfasst nicht solche Abfälle, die - wie im vorliegenden Fall das Altpapier - nicht zur Beseitigung, sondern zur Verwertung bestimmt sind.
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c) Auch das Oberverwaltungsgericht - dessen Entscheidung nicht ausdrücklich angegriffen ist - hat nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, indem es nach der Zurückverweisung von einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof abgesehen hat. Gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV sind nur letztinstanzliche Gerichte zur Vorlage verpflichtet. Letztinstanzliche Gerichte sind die Gerichte, gegen deren Entscheidungen kein Rechtsmittel mehr zulässig ist. Gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts war jedoch die Nichtzulassungsbeschwerde statthaft, die zu den Rechtsmitteln im Sinne von Art. 267 AEUV zählt (vgl. BVerfGE 82, 159 <196>). Daher ist auch die von der Beschwerdeführerin angegriffene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Juli 2011, mit der die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen wurde, insoweit nicht zu beanstanden.
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d) Das Bundesverwaltungsgericht hat auch den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 46, 315 <319>; 105, 279 <311>). Art. 103 Abs. 1 GG ist erst verletzt, wenn sich klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen, namentlich nicht in letztinstanzlichen, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbaren Entscheidungen. Deshalb müssen, damit das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG feststellen kann, im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfGE 65, 293 <295>; 70, 288 <293>; 86, 133 <145 f.>). Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz davor, dass ein Gericht Vortrag eines Verfahrensbeteiligten aus Rechtsgründen unberücksichtigt lässt (vgl. BVerfGE 21, 191 <194>; 60, 305 <310>; 96, 205 <216>).
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Zwar hat sich das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 18. Juni 2009 nicht vertieft mit der europarechtlichen Argumentation der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt. Darin liegt jedoch kein Verstoß gegen das rechtliche Gehör. Da es nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts entscheidend auf die Anwendung des primären Unionsrechts ankam, waren die Ausführungen der Beschwerdeführerin zum Sekundärrecht nicht entscheidungserheblich. Im Übrigen wäre ein etwaiger Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. September 2009 über die Anhörungsrüge geheilt.
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e) Auch Art. 12 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Die Auslegung der Überlassungspflicht (§ 13 Abs. 1 KrW-/AbfG 1994) sowie des Begriffs der gewerblichen Sammlung (§ 13 Abs. 3 KrW-/AbfG 1994) durch das Bundesverwaltungsgericht sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Wie das Bundesverwaltungsgericht ausführt, betrifft der partielle Ausschluss privater Entsorgungsunternehmen aus der Verwertung von Hausmüllbestandteilen nur einen Ausschnitt aus dem Tätigkeitsfeld der Abfallsammlung und -entsorgung und ist daher als eine Berufsausübungsregelung zu qualifizieren (vgl. BVerfGE 46, 120 <149 ff.>), die durch vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls - Sicherstellung der jederzeitigen Abfallbeseitigung - gerechtfertigt ist. Dass der Gesetzgeber des neuen Kreislaufwirtschaftsgesetzes die Auslegung des Begriffs der gewerblichen Sammlung in § 13 Abs. 3 Nr. 3 KrW-/AbfG 1994 durch das Bundesverwaltungsgericht offenbar für nicht europarechtskonform gehalten hat, ist insbesondere mit Blick auf § 90 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG unerheblich.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.
(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.
(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Gründe
- 1
Der zulässige Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 5. Kammer - vom 4. Juni 2013 hat in der Sache keinen Erfolg.
- 2
Die Zulassung der Berufung rechtfertigt sich nicht wegen der von der Beklagten gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung.
- 3
„Ernstliche Zweifel“ an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen nur dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Da gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO der Zulassungsgrund zudem in der gebotenen Weise darzulegen ist, erfordert dies, dass sich der Zulassungsantrag substantiiert inhaltlich mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt und u. a. konkret ausgeführt wird, dass die erhobenen Einwände entscheidungserheblich sind (OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 3. Januar 2007 - 1 L 245/06 -, juris [m. w. N.]). Dabei reicht es nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen (BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4.03 -, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 33).
- 4
Das Antragsvorbringen begründet im vorbezeichneten Sinne keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses der angefochtenen Entscheidung.
- 5
Die Antragsbegründungsschrift trägt vor, das Verwaltungsgericht stütze seine Rechtsauffassung zur Beihilfefähigkeit des streitgegenständlichen Therapietandems auf das Rezept des praktischen Arztes Dr. med. B. vom 11. November 2011, ohne sich mit dem entgegenstehenden Beklagtenvortrag auseinanderzusetzen und mangels eigener Sachkunde gutachterlichen Sachverstand einzuholen, zumal das vorgenannte Rezept nicht mit dem Bericht der Dipl.-Psychologin K. vom 17. Mai 2013 übereinstimme.
- 6
Eine Ergebnisunrichtigkeit des angefochtenen Urteils legt dieses Vorbringen nicht schlüssig dar. Mit der geltend gemachten unzureichenden Auseinandersetzung mit dem Beklagtenvorbringen und fehlenden Einholung eines Sachverständigengutachtens werden Mängel des Verfahrens gerügt, die nicht geeignet sind, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteiles zu begründen, weil sich die in § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO genannten „ernstlichen Zweifel“ auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen, nicht auf das Verfahren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Juli 2009 - 2 B 38.09 -, juris; OVG LSA, Beschluss vom 21. Januar 2008 - 1 L 166/07 -, juris = LKV 2008, 517 [m. w. N.]). Das Antragsvorbringen genügt insoweit auch nicht den bestehenden Darlegungsanforderungen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO für die Bezeichnung eines Verfahrensmangels im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Denn es muss der Mangel in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. November 1992 - 3 B 52.92 -, Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5; OVG LSA, Beschluss vom 19. April 2006 - 1 L 256/05 -, JMBl. LSA S. 57 [m. w. N.]). Das ist hier nicht geschehen, denn die Antragsbegründungsschrift legt nicht dar, gegen welche prozessordnungsrechtliche Bestimmung oder welchen anderen konkreten Rechtsanspruch der Beklagten das Verwaltungsgericht mit seinem Verfahren verstoßen haben soll. Erst recht erfolgt keine schlüssige Darlegung des Verfahrensmangels in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht.
- 7
Die weiteren Ausführungen der Antragsbegründungsschrift zur fehlenden formellen Beihilfefähigkeit des Therapietandems bzw. zur Nichtanwendbarkeit der Härtefallregelung des § 25 Abs. 4 BBhV erweisen sich als nicht entscheidungserheblich, weil das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil diesen Rechtsstandpunkt teilt und den Beihilfeanspruch der Klägerin unmittelbar aus der Fürsorgepflicht der Beklagten herleitet. Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit durch Anlage 6 (zu § 25 BBhV in der Fassung vom 13. Februar 2009) erweise sich ausnahmsweise als rechtswidrig, weil eine solche Entscheidung mit dem Wesenskern der verfassungsrechtlich sanktionierten Fürsorgepflicht nicht in Einklang zu bringen sei. Das Therapietandem könne wegen der Besonderheiten der bei der Tochter der Klägerin vorliegenden Behinderung nicht der allgemeinen Lebenshaltung zugerechnet werden, sondern stelle ein notwendiges Hilfsmittel im Verständnis des § 25 Abs. 1 Satz 1 BBhV dar. Diese Rechtsauffassung wird mit dem Vorbringen der Beklagten, die Beihilfevorschriften stellten eine Konkretisierung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn dar, sowie mit den Ausführungen zur verfassungsrechtlichen Einordnung der Beihilfe nicht schlüssig in Frage gestellt, zumal die in diesem Zusammenhang von der Antragsbegründungsschrift zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13. Dezember 2012 (- 5 C 3.12 -, juris) ausdrücklich feststellt, dass die Beihilfefähigkeit nicht ausgeschlossen werden darf, wenn der nicht zur Disposition des Dienstherrn stehende Wesenskern der Fürsorgepflicht betroffen ist. Von genau diesem Fall geht das angefochtene Urteil indes aus.
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Auch die weiteren in der Antragsbegründungsschrift zitierten Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes (a. a. O.) dazu, weshalb der Ausschluss behindertengerechter Einbauten in Kraftfahrzeugen nicht den Wesenskern der Fürsorgepflicht berühre, machen noch nicht plausibel, inwiefern diese auf die vorliegende Fallgestaltung übertragbar sind. Mit der schlichten Behauptung, entgegen der erstinstanzlichen Auffassung sei das streitige Tandem-Therapie-Fahrrad der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen und damit nicht notwendig, nimmt die Antragsbegründungsschrift lediglich eine Gegenposition ein, ohne die eigene Rechtsauffassung - wie es erforderlich gewesen wäre - in der gebotenen Weise zu begründen.
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Auch der Einwand, das Therapietandem sei der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen, weil es der Tochter der Klägerin kein selbständiges Bewegen im Nahbereich ermögliche und Radfahren einschließlich der damit verbundenen Empfindungen - wie Glücksgefühl, Freude an der Bewegung - nicht zu den Grundbedürfnissen im Sinne von § 33 SGB V gehöre, der aufgrund seines nahezu identischen Wortlautes zur Auslegung des § 7 Abs. 1 Satz 1 BBhV heranzuziehen sei, greift nicht durch.
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So macht die Antragsbegründungsschrift schon nicht plausibel, weshalb es auf die Selbständigkeit der Bewegung entscheidungserheblich ankommt. Das Bundessozialgericht (Urteil vom 8. Juni 1994 - 3/1 RK 13/93 -, juris) hat für einen „Rollstuhl-Boy“ (Fahrrad-Rollstuhl-Kombination, durch die der im Rollstuhl sitzende Behinderte mittels Pedalkraft von einer auf dem Sattel des Rollstuhl-Boy’s sitzenden Pflegeperson fortbewegt werden kann) jedenfalls festgestellt, dass dessen Einsatz zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse nötig und damit erforderlich im Sinne des § 33 SGB V sein könne, weil zu den allgemeinen Grundbedürfnissen auch ein gewisser körperlicher und geistiger Freiraum zu rechnen sei, der die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben umfasse. Der zusätzlich gewonnene Freiraum durch die erwartete Nutzungsmöglichkeit des Rollstuhls und die damit einhergehende Bewegungsfreiheit gehöre zu den Grundbedürfnissen.
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Nach dem angefochtenen Urteil kommt es auch nicht entscheidend auf die mit dem Radfahren verbundenen Empfindungen bei der Tochter der Klägerin an. Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass das Therapietandem Defizite im körperlichen und geistigen Bereich mindere und insgesamt auf die Linderung der Folgen eines mehrfach regelwidrigen Körperzustandes abziele, weshalb es nicht als Gegenstand der allgemeinen Lebenshaltung angesehen werden könne. Zudem sei die Nutzung des Therapietandems als einzige von der Tochter akzeptierte sportliche Betätigung auch mit Blick auf das zunehmende Übergewicht und die damit einhergehenden chronischen Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates (Skoliose der Wirbelsäule) aus medizinischer Sicht erforderlich. Diese Feststellungen des Verwaltungsgerichtes werden mit dem Vortrag der Beklagten zu den Grundbedürfnissen im Sinne von § 33 SGB V nicht schlüssig in Frage gestellt.
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Weiter macht die Antragsbegründungsschrift geltend, das Therapietandem sei nicht die einzige von der Tochter der Klägerin akzeptierte sportliche Betätigung. Ausweislich des Entwicklungsberichtes des Autismus-Therapie- und Beratungszentrum W. vom 4. April 2012 nutze sie auch das Trampolin und spiele gern Ball. Ballspielen und Trampolinspringen seien ebenfalls sportliche Betätigungen, die durch Anregung des Verbrennungsapparates geeignet seien, zu einer Gewichtsreduzierung zu führen.
- 13
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteilsergebnisses begründet auch dieses Vorbringen nicht. So lässt sich dem Entwicklungsbericht vom 4. April 2012 nicht entnehmen, dass die Nutzung des Trampolins und das Ballspiel, die beide in der schützenden Umgebung (des Psycho-Motorik-Raumes) des Therapiezentrums erfolgen, auch nur ansatzweise einen vergleichbaren therapeutischen Effekt erzielen, wie das vorliegend vorgesehene Radfahren („ bis dreimal wöchentlich bis zu 20 km in 2 Stunden, in den Ferien täglich“, vgl. Attest des Dr. med. B. vom 13. Mai 2013). Es ist auch weder schlüssig dargetan noch sonst ersichtlich, dass die beiden vorgenannten körperlichen Bewegungsmöglichkeiten im Therapiezentrum oder anderenorts in erforderlichem Maße ausgebaut und intensiviert werden können und von der Tochter der Klägerin angenommen werden. Die Nutzung des Therapietandems hat sich dagegen in der Vergangenheit bereits bewährt. Die Tochter der Klägerin habe gut mitgemacht und Freude gezeigt (vgl. S. 2 des Entwicklungsberichtes vom 4. April 2012, Bl. 26 der GA), was die Annahme rechtfertigt, dass sie diese Form der sportlichen Betätigung auch weiterhin akzeptieren wird.
- 14
Soweit die Antragsbegründungsschrift für den Fall, dass sich die Tochter der Klägerin „fahren-lässt“, einen therapeutischen Zweck und eine Gewichtsreduktion durch das Tandemfahren verneint, dient der entsprechende Passus im Attest des Dr. med. B. vom 28. Februar 2012 zur Begründung, weshalb die begleitende Person auf elektrische Unterstützung angewiesen ist. Der ärztlich festgestellte Umstand, dass das Leistungsvermögen der Tochter der Klägerin während des Fahrens nicht gleichmäßig sei und es zeitweise dazu kommen könne, dass sie sich fahren lasse, rechtfertigt indes noch nicht die Schlussfolgerung, dass diese Verweigerungshaltung einen Umfang einnimmt, der den therapeutischen Zweck des Radfahrens in Frage stellt bzw. beseitigt. Dagegen spricht schon die Einschätzung im Entwicklungsbericht vom 4. April 2012 (S. 2), dass die Tochter der Klägerin bei Ausflügen mit dem Tandem „gut mitmacht und einfach Freude zeigt“.
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Ferner bemängelt die Antragsbegründungsschrift das Aufzeigen von Alternativen. Es sei nur eine einzige Marke eines Therapietandems verschrieben worden, so dass denkbar sei, dass es vergleichbare Alternativen gebe und das Gebot der Wirtschaftlichkeit nicht beachtet worden sei, was der Beihilfefähigkeit entgegenstehe.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteilsergebnisses ergeben sich hieraus nicht. Das mögliche Vorhandensein von Therapietandem-Alternativen sagt nichts über deren gleichwertige Eignung und erst recht nichts darüber aus, dass diese preisgünstiger sind. Die Beklagte äußert insofern lediglich eine Vermutung, ohne schlüssig darzulegen, dass eine gleichwertige und kostengünstigere Alternative zum streitgegenständlichen Therapietandem besteht. Soweit der Einwand auf eine unzureichende gerichtliche Sachverhaltsaufklärung abzielt, handelt es sich um einen Verfahrensmangel, der eine materielle Ergebnisunrichtigkeit des angefochtenen Urteils, auf die es für den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Entscheidung entscheidungserheblich ankommt, noch nicht schlüssig darzulegen vermag. Zur Darlegung des Zulassungsgrundes des Verfahrensmangels gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO reicht das Vorbringen nicht aus (vgl. die nachfolgenden Ausführungen zur Sachaufklärungsrüge).
- 17
Soweit die Antragsbegründungsschrift die Ausführungen im Attest der Dipl.-Psychologin K. vom 17. Mai 2013 zu den therapeutischen Auswirkungen des Tandemfahrens als „erstaunlich“ einstuft, weil sie keine Ärztin sei, wird damit weder die Fehlerhaftigkeit dieser Feststellungen noch des Urteilsergebnisses schlüssig dargelegt.
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Auch der Einwand, es fehle vorliegend eine genaue Begutachtung, die vorliegenden Atteste seien zu allgemein gehalten, der Sachverhalt noch nicht entscheidungsreif, begründet - weil den Verfahrensfehler der unzureichenden gerichtlichen Sachverhaltsaufklärung betreffend - keine ernstlichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils. Entsprechendes gilt für den Vortrag, das Verwaltungsgericht hätte sich zu weiteren medizinischen Ermittlungen gedrängt fühlen müssen und den Kläger (gemeint ist die Tochter der Klägerin) hinsichtlich des Vorliegens einer gesundheitlichen Schädigung und der Möglichkeiten hier Abhilfe zu schaffen, von einem Facharzt, z. B. einem Orthopäden, begutachten lassen müssen. Es habe der Einholung eines gerichtlichen Gutachtens zur Frage der Therapiewirkung eines Therapietandems bedurft. Das Verwaltungsgericht habe sich eine ihm nicht zukommende medizinische Sachkunde angemaßt und gegen seine Amtsermittlungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen. Das Attest des Dr. med. B. vom 13. Mai 2013 sei fachgebietsfremd, die darin enthaltene Nutzungsanweisung, insbesondere in den Wintermonaten, bei schlechter Witterung und unterschiedlichen Verkehrsverhältnissen, nicht nachvollziehbar und nehme den Therapieerfolg vorweg.
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Soweit mit diesem Vorbringen zugleich ein Aufklärungsmangel und damit der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geltend gemacht werden soll, genügt es nicht den Darlegungsanforderungen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.
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Der Umfang der Sachverhaltserforschungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO wird nämlich entscheidend durch das Klagebegehren im Sinne von § 88 VwGO, den Streitgegenstand und vor allem nach dem anzuwendenden materiellen Recht bestimmt (vgl.: BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 1992 - 5 B 134.91 -, Buchholz 310 § 86 VwGO Nr. 246; vgl. auch Urteil vom 22. Oktober 1987 - 7 C 4.85 -, DVBl. 1988, 148; Urteil vom 7. Oktober 1990 - 7 C 55 und 56.89 -, BVerwGE 85, 368 [379 f.]). Die Sachverhaltserforschungspflicht geht mithin nur soweit, als dies für die Entscheidung des Gerichtes erforderlich ist (vgl.: BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 1998 - 1 B 103.98 -, Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 42; Urteil vom 22. Oktober 1987, a. a. O.; Urteil vom 19. Januar 1989 - 7 C 31.87 -, NVwZ 1989, 864), also wenn und soweit es nach der Rechtsauffassung des Gerichtes (siehe hierzu: BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 1993 - 1 B 82.92 -, juris) - selbst wenn diese unzutreffend sein sollte (so ausdrücklich: BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 1984 - 6 C 49.84 -, BVerwGE 70, 216 [221 f.]; siehe auch Urteil vom 24. November 1982 - 6 C 64.82 -, juris) - hierauf entscheidungserheblich ankommt (siehe: BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 1984, a. a. O.). Ein Gericht verletzt seine Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO daher grundsätzlich nicht, wenn es den aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Sachverhalt aufgrund der beigezogenen Verwaltungsvorgänge oder einer Beweisaufnahme für aufgeklärt hält und von einer Beweiserhebung absieht, die ein Rechtsanwalt oder sonst sachkundig vertretener Verfahrensbeteiligter nicht in der gemäß § 86 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Form beantragt hat (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes, vgl. etwa: Beschluss vom 5. August 1997 - 1 B 144/97 -, NVwZ-RR 1998, 784; Beschluss vom 13. Mai 2004 - 4 B 27/04 -, juris; siehe zum Vorstehenden im Übrigen auch: OVG LSA, Beschluss vom 6. Juni 2006 - 1 L 35/06 -, JMBl. LSA 2006, 386; Beschluss vom 21. Januar 2008 - 1 L 166/07 -, juris).
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Dementsprechend hätte vorliegend u. a. dargelegt werden müssen, dass bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl.: BVerwG, Beschluss vom 31. Mai 2010 - 4 BN 15.10 -, juris [m. w. N.]). Dem genügt das Antragsvorbringen indes nicht. Es ist seitens der Beklagten nicht dargelegt, dass das Verwaltungsgericht die ihm gemäß § 86 Abs. 1 VwGO obliegende Sachverhaltserforschungspflicht verletzt hat. Die Beklagte legt schon nicht substantiiert dar, dass das Verwaltungsgericht, ausgehend von seiner rechtlichen Ausgangsbetrachtung, den Sachverhalt weiter aufzuklären hatte.
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Unabhängig vom Vorstehenden kann die Beklagte insoweit auch deshalb kein Gehör finden, weil sie es versäumt hat, in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht entsprechende Beweisanträge im Sinne von § 86 Abs. 2 VwGO zu stellen (siehe zum Rügeverlust ausdrücklich: BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1996 - 3 B 42.96 -; Buchholz 451.74 § 8 KHG Nr. 14). Die schon seinerzeit durch einen Behördenbediensteten mit der Befähigung zum Richteramt vertretene Beklagte hat sich damit der Möglichkeit begeben, durch Beweisanträge auf eine weitere und von ihr als geboten angesehene Sachverhaltsaufklärung hinzuwirken. Die Aufklärungsrüge stellt jedenfalls kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen von Beweisanträgen, zu kompensieren (so ausdrücklich: BVerwG, Beschluss vom 31. Mai 2010 - 4 BN 15.10 -, juris [m. w. N.]; Beschluss vom 28. August 2007 - 2 BN 3.07 -, juris [m. w. N.]). Bei dieser Sachlage könnte ein Verfahrensmangel nur vorliegen, wenn sich dem Gericht trotz fehlenden Beweisantrages die weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl.: BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 2003 - 8 B 57.03 -, ZOV 2003, 341 [m. w. N.]; siehe auch OVG LSA, a. a. O.). Substantiierte Ausführungen hierzu lässt das Antragsvorbringen indes vermissen. Denn die ordnungsgemäße Verfahrensrüge setzt in diesem Zusammenhang voraus, dass unter Auseinandersetzung mit dem Prozessgeschehen und der Begründung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung schlüssig aufgezeigt wird, dass sich dem Gericht auch ohne förmlichen Beweisantrag eine weitere Sachverhaltsermittlung aufdrängen musste (vgl.: BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 -, NJW 1997, 3328; Beschluss vom 9. Dezember 1997 - 9 B 505.97 -, juris; Beschluss vom 13. Mai 2004 - 4 B 27/04 -, juris). Dementsprechend muss angegeben werden, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichtes ermittlungsbedürftig gewesen wären, welche Beweismittel zu welchen Beweisthemen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis die Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte, inwiefern das verwaltungsgerichtliche Urteil unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichtes auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann und dass die Nichterhebung der Beweise vor dem Tatsachengericht rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund welcher sonstigen Anhaltspunkte sich die unterbliebene Beweisaufnahme dem Gericht hätte aufdrängen müssen (BVerwG, Beschluss vom 10. Dezember 2003 - 8 B 154.03 -, NVwZ 2004, 627; OVG LSA, a. a. O. [m. w. N.]). Hieran mangelt es aber dem Antragsvorbringen. Dieses setzt sich insbesondere nicht mit dem Attest der Fachärztin für Orthopädie, Dr. med. H., vom 30. April 2013 auseinander, das das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung ebenfalls zu Grunde gelegt hat, und legt nicht schlüssig dar, weshalb sich dem Gericht hier die Einholung eines weiteren fachärztlichen Gutachtens eines Orthopäden hätte aufdrängen müssen.
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Soweit die Antragsbegründungsschrift vorträgt, aus den von der Klägerin eingereichten Unterlagen gehe nicht hervor, dass die genannten Ärzte sowie die Dipl.-Psychologin K. über einschlägige nachweisbare berufliche Erfahrung in der ärztlichen Untersuchung, Behandlung und Begutachtung von Menschen mit autistischer Behinderung verfügen, setzt sich die Beklagte nicht in der gebotenen Weise mit dem Umstand auseinander, dass das Verwaltungsgericht seine tatrichterliche Würdigung auf verschiedene Erkenntnismittel stützt, die sich gegenseitig ergänzen. So ist die Dipl.-Psychologin K. in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin des Kindes- und Jugendalters der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität am Klinikum M. gGmbH tätig und ihre Berichte vom 20. März 2012, 7. Dezember 2012 und 17. Mai 2013 basieren auf einer rund 28monatigen Behandlung der Tochter der Klägerin in kinder- und jugendpsychiatrischer Hinsicht. Inwiefern die fachärztlichen Feststellungen der Orthopädin Dr. med. H. vom 30. April 2013 spezielle Kenntnisse zum Krankheitsbild des „Autismus“ voraussetzen bzw. sie sich bei der Einschätzung, dass die Tochter der Klägerin keiner allgemeinen Physiotherapie zugänglich sei und der Autismus jegliche kontaktverbundene Anleitung verhindere, nicht auf eigene Beobachtungen und/oder auf Sekundärinformationen stützen konnte, macht die Antragsbegründungsschrift ebenfalls nicht plausibel. Letzteres gilt auch für die Feststellung des Praktischen Arztes Dr. med. B. im ärztlichen Attest vom 28. Februar 2012, wonach für die Tochter der Klägerin „wegen einer bekannten schweren autistischen Störung … die Compliance für eine Krankengymnastik bzw. Reha-Sport nicht gegeben“ sei, bzw. für die Einschätzungen im Attest vom 13. Mai 2013, die sich in Bezug auf das Fortbestehen der autistischen Störung und die positiven Effekte des Tandemfahrens mit dem Bericht der Dipl.-Psychologin K. vom 17. Mai 2013 decken.
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Die Antragsbegründungsschrift legt jedenfalls nicht schlüssig dar, dass die vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegten Erkenntnismittel auch für den nicht Sachkundigen erkennbare Mängel aufweisen, insbesondere von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen, unlösbare Widersprüche aufweisen, ein Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Glaubhaftigkeit der Aussteller besteht, es Sachverständige gibt, die über bessere Forschungsmittel verfügen oder es sich um besonders schwierige (medizinische) Fragen handelt, die umstritten sind oder zu denen einander widersprechende Gutachten vorliegen.
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Soweit die Beklagte wegen der Ausführungen zum zeitlichen Umfang der Nutzung des Therapietandems im Attest des Dr. med. B. vom 13. Mai 2013 auf schlechte Witterungsverhältnisse verweist, stellt dies im Hinblick darauf, dass es sich hierbei ebenso wie in Bezug auf den prognostizierten therapeutischen Effekt um Erfahrungswerte aufgrund der bisherigen Tandemnutzung handeln dürfte, die Sachkunde des Arztes nicht zwingend in Frage. Im Übrigen ist schon nicht ersichtlich, dass die von der Beklagten angeführten Umstände, die auf das Kalenderjahr bezogen einer Tandemnutzung entgegenstehen können, mehr als nur marginale Auswirkungen auf den prognostizierten Nutzungsumfang haben und sich insoweit dem Verwaltungsgericht eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen.
- 26
Der Vortrag in der Antragsbegründungsschrift, dass die Klägerin fortlaufend und wiederholt die vorgelegten Erkenntnismittel angepasst und ergänzt habe, lässt nicht erkennen, inwiefern und bezogen auf welchen Zulassungsgrund dieser Umstand relevant sein soll. Entsprechendes gilt für den „vorsorglichen Einwand“ der Beklagten, dass nicht habe dargelegt werden können, dass es sich bei dem Therapiefahrrad mit Elektroantrieb um ein Pedelac und damit um ein Fahrrad handele. Welche Schlussfolgerungen sich aus diesen Bedenken ergeben und inwiefern sie geeignet sind, einen Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 VwGO schlüssig darzutun, ergibt sich aus der Antragsbegründungsschrift nicht.
- 27
Soweit die Antragsbegründungsschrift einen Verstoß gegen die richterliche Überzeugungsbildung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO wegen nicht ordnungsgemäßer Sachverhaltsklärung geltend macht, begründet das Vorbringen der Beklagten keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung.
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Die Beweiswürdigung ist dem materiellen Recht zuzuordnen und kann deshalb im Rahmen des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gerügt werden. Als Teil der freien Beweiswürdigung obliegt die zum Wesen der richterlichen Rechtsfindung zählende Bewertung der erhobenen Beweise originär dem Verwaltungsgericht. Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es darf bei seiner Überzeugungsbildung allerdings nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse nicht zur Kenntnis nimmt oder nicht in Erwägung zieht. Bei Einwänden gegen die freie, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnene richterliche Überzeugung als tatsächliche Grundlage eines Urteiles ist von einer schlüssigen Gegenargumentation daher erst dann auszugehen, wenn gute Gründe dafür aufgezeigt werden, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung mit Blick auf eine entscheidungserhebliche Tatsache von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist oder wenn die vom Erstrichter vorgenommene Sachverhaltswürdigung im Lichte der Begründung des Zulassungsantrags fragwürdig erscheint, weil die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft ist, insbesondere bei Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen, bei aktenwidrig angenommenem Sachverhalt oder offensichtlich sachwidriger und damit willkürlicher Beweiswürdigung. Allein die Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. Denn die Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (so OVG LSA, Beschluss vom 28. Februar 2012 - 1 L 159/11 -, juris m. w. N.).
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Hiervon ausgehend zeigt das Antragsvorbringen keine durchgreifenden Gründe dafür auf, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist bzw. dessen tatsächliche Feststellungen augenscheinlich nicht zutreffen, insbesondere gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten unter Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen festzustellen sind. Die Behauptung der Antragsbegründungsschrift, unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten sei mit hoher Wahrscheinlichkeit durch Einholung eines Sachverständigengutachtens ein anderes Ergebnis erzielt worden, ist unsubstantiiert. Auch die Behauptung, es fehle an einem Beleg, dass die die Berichte, Atteste und das Rezept ausstellenden Personen über die erforderliche Fachkunde für die vorliegend relevante Autismuserkrankung verfügen, und das zugesprochene Hilfsmittel sei von den Ausstellern nicht identisch beurteilt und befürwortet worden, begründet nicht die Annahme, das Verwaltungsgericht sei von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Die aus den Behandlungsberichten der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin des Kindes- und Jugendalters der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität am Klinikum M. gGmbH vom 20. März 2012, vom 7. Dezember 2012 sowie vom 17. Mai 2013 entnommenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes, dass die Tochter der Klägerin an einem atypischen Autismus bei gleichzeitig bestehender schwerer Intelligenzminderung mit deutlicher Verhaltensstörung leide, sich hieraus schwere und durchgängige soziale Beeinträchtigungen ergeben, die Tochter ständige Aufsicht oder Betreuung zur Alltagsbewältigung benötige und schwere Beeinträchtigungen in allen Bereichen der qualitativen und quantitativen Kommunikation und Interaktion bestünden sowie die Tochter in der Gruppensituation aufgrund des Schweregrades der geistigen Behinderung und autistischen Störung nicht anleitbar sei, werden mit der schlichten Behauptung, ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger komme zu einem anderen Ergebnis, nicht schlüssig in Frage gestellt. Auch hinsichtlich der weiteren Feststellungen des Verwaltungsgerichtes zu den Auswirkungen des Tandemfahrens auf die gesamte Entwicklung des Kindes, insbesondere dessen Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Konzentration, Motorik, Selbstkontrolle und Emotionsregulation (vgl. S. 9 Abs. 2 der Urteilsausfertigung) sowie zu dem von einer Fachärztin für Orthopädie bescheinigten medizinischen Nutzen des Fahrradfahrens, um einer orthopädischen Wirbelsäulenerkrankung (Skoliose der Wirbelsäule) und einer Gewichtszunahme bei der Tochter der Klägerin entgegenzuwirken, lässt das Antragsvorbringen nicht erkennen, dass das Verwaltungsgericht von augenscheinlich falschen tatsächlichen Feststellungen ausgegangen ist bzw. worin diese bestehen sollen. Ferner ist weder nachvollziehbar dargelegt noch sonst ersichtlich, dass sich die vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Erkenntnismittel in entscheidungserheblicher Weise widersprechen. Dass sich nicht jedes Erkenntnismittel explizit mit der Frage des therapeutischen Nutzens des hier streitgegenständlichen Hilfsmittels befasst, ist angesichts des Umstandes, dass sich die in ihnen enthaltenen Informationen ergänzen und das Verwaltungsgericht sie in einer Gesamtschau tatrichterlich gewürdigt hat, rechtlich nicht zu beanstanden.
- 30
Soweit die Antragsbegründungsschrift geltend macht, der Entwicklungsbericht des Autismus-Therapie- und Beratungszentrums W. - Berichtszeitraum Juli 2011 bis Juni 2012 - weise im Gegensatz zum Rezept des Dr. med. B. vom 11. November 2011 keine Anschaffungsempfehlung für das streitgegenständliche Therapietandem auf, wird weder nachvollziehbar dargelegt, weshalb dies entscheidungserheblich ist, noch werden die Feststellungen des Verwaltungsgerichtes hierzu im angefochtenen Urteil (S. 9 letzter Absatz, S. 10 Abs. 1) mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt. Erst recht rechtfertigt allein der Umstand, dass sich eines von mehreren Erkenntnismitteln nicht zu der Anschaffung des Therapietandems verhält, nicht die Annahme, es läge ein Widerspruch vor.
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Auch der Einwand, der Bericht der Dipl.-Psychologin K. vom 17. Mai 2013 äußere sich lediglich zum „Tandemfahren als ideale Möglichkeit der körperlichen Bewegung“, nicht aber zu einem Therapietandem bzw. zu dem von der Klägerin beantragten „Copilot-Therapie-Fahrrad mit Doppellenkung, Elektromotor und zuschaltbarem Leerlauf vorne“, lässt keine Entscheidungsrelevanz in Bezug auf die Richtigkeit des Urteilsergebnisses erkennen. Der Bericht vom 17. Mai 2013 befasst sich mit dem vorbeugenden und therapeutischen Effekt körperlicher Aktivität in Form von Tandemfahren bezogen auf die Tochter der Klägerin, wohingegen die konkrete Ausgestaltung des beantragten Tandems die Begleitperson betrifft, damit diese das Fahrzeug unter Kontrolle und in Bewegung zu halten vermag, wenn die Tochter nicht in der gebotenen Weise mitwirkt.
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Auch dass der vorgenannte Bericht bei seiner Empfehlung der körperlichen Bewegung für das übergewichtige Kind nicht ausschließlich und allein auf das Tandemfahren abstellte, macht - zumal im Hinblick auf die weiteren vom Verwaltungsgericht herangezogenen Erkenntnismittel - noch nicht plausibel, dass die Feststellung des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Urteil, die Nutzung des Therapietandems sei die einzige von der Tochter akzeptierte sportliche Betätigung, unzutreffend ist.
- 33
Soweit die Antragsbegründungsschrift erneut eine Aufklärungsrüge erhebt und damit sinngemäß der Zulassungsgrund eines Verfahrensfehlers gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geltend gemacht werden soll, rechtfertigt sich auch hiernach nicht die Zulassung der Berufung. Das Vorbringen der Beklagten, das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens die Erforderlichkeit und Geeignetheit der Anschaffung eines Therapietandems für die Tochter der Klägerin zu ermitteln, legt eine Verletzung der gerichtlichen Sachverhaltsaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht schlüssig dar. Die Beklagte hat ihrer Mitwirkungspflicht durch Stellung eines förmlichen Beweisantrages gemäß § 86 Abs. 2 VwGO in der mündlichen Verhandlung nicht genügt und insoweit einen Rügeverlust hinzunehmen. Denn die Antragsbegründungsschrift legt auch nicht schlüssig dar, dass sich dem Verwaltungsgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens hätte aufdrängen müssen. So kann im Hinblick auf die dem Verwaltungsgericht vorliegenden und von ihm zur Grundlage seiner tatrichterlichen Würdigung gemachten Erkenntnismittel keine Rede davon sein, dass das Verwaltungsgericht medizinische Sachverhalte eigenständig und aus eigener Sachkunde beurteilt hat. Das Vorbringen der Antragsbegründungsschrift macht auch nicht plausibel, welches Erkenntnismittel, in Bezug auf welche Tatsache und mit welchen konkreten Einwänden erstinstanzlich substantiiert bestritten wurde und inwiefern sich dies aufgrund der vom Verwaltungsgericht vertretenen Rechtsauffassung als entscheidungserheblich darstellt.
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Die Zulassung der Berufung rechtfertigt sich ferner nicht wegen des von der Beklagten geltend gemachten Zulassungsgrundes der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO; denn dieser ist nicht entsprechend den Darlegungserfordernissen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO dargelegt.
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„Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten“ der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO bestehen dann, wenn die Rechtssache wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder aufgrund der zugrunde liegenden Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, also das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht, mithin signifikant vom Spektrum der in verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entscheidenden Streitsachen abweicht (OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 6. Juni 2006 - 1 L 35/06 -, JMBl. LSA 2006, 386 [m. w. N.]). Im Hinblick auf die Darlegungsanforderungen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ist es erforderlich, im Einzelnen darzulegen, hinsichtlich welcher Fragen und aus welchen Gründen aus der Sicht des Rechtsschutzsuchenden die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist (OVG LSA, a. a. O. [m. w. N.]), denn der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO soll eine allgemeine Fehlerkontrolle nur in solchen Fällen ermöglichen, die dazu besonderen Anlass geben (vgl.: BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des 1. Senates vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163). Außerdem bedarf es Darlegungen dazu, dass die aufgeworfenen Fragen für den zu entscheidenden Rechtsstreit entscheidungserheblich sind (vgl.: BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des 1. Senates vom 8. März 2001 - 1 BvR 1653/99 -, NVwZ 2001, 552). Nur wenn sich schon aus dem Begründungsaufwand des erstinstanzlichen Urteiles ergibt, dass eine Sache in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht schwierig ist, genügt ein Antragsteller der ihm gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO obliegenden Darlegungslast bereits regelmäßig mit erläuternden Hinweisen auf die einschlägigen Passagen des Urteiles (vgl.: BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des 1. Senates vom 23. Juni 2000, a. a. O.). Soweit der Antragsteller hingegen die Schwierigkeiten des Falles darin erblickt, dass das Gericht auf bestimmte tatsächliche Aspekte nicht eingegangen ist oder notwendige Rechtsfragen nicht oder unzutreffend beantwortet hat, hat er diese Gesichtspunkte in nachvollziehbarer Weise darzustellen und ihren Schwierigkeitsgrad plausibel zu machen (BVerfG, a. a. O.).
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Den vorstehenden Anforderungen wird das Vorbringen in der Antragsbegründungsschrift zum Vorliegen besonderer tatsächlicher wie rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache nicht gerecht. Das Antragsvorbringen zeigt insofern schon keine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage auf. Vielmehr erschöpft sich das Antragsvorbringen - das Krankheitsbild des atypischen Autismus sei sehr vielschichtig und kompliziert zu beurteilen und zu therapieren, was nicht durch Vorlage einzelner voneinander unabhängig erstellter kurzer Rezepte eines praktischen Arztes, eines ärztlichen Attestes einer Orthopädin und dreier nahezu inhaltsgleicher einseitiger Berichte einer Diplom-Psychologin fundiert zu Grunde zu legen sei, um diesem schwerwiegenden Krankheitsbild gerecht werden zu können, zumal eine gebotene ganzheitliche Sichtweise des dreizehnjährigen übergewichtigen an Autismus erkrankten Kindes vollständig außer Betracht bleibe - in reinen Behauptungen und einer Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung, ohne dass für den aufgeworfenen Problemkreis ein konkreter Klärungsbedarf substantiiert aufgezeigt und dessen besonderer Schwierigkeitsgrad in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht plausibel gemacht wird. Im Weiteren stützt sich die Antragsbegründungsschrift auf die vorhandenen Diagnosen und verweist auf Verbesserungen in der Diagnostik und Veränderungen in der Gehirnforschung, ohne dass allerdings für die hier in Rede stehende hirnorganische Störung eine vollständige Normalisierung erreicht werden könne. Die von der Beklagten gezogene Schlussfolgerung, dass deshalb bei der Beurteilung der Notwendigkeit und des therapeutischen Nutzens des streitgegenständlichen Therapietandems ein besonders intensives Prüfungslevel erforderlich sei, ist weder schlüssig noch wurden insoweit besondere Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht aufgezeigt. Das streitgegenständliche Therapietandem dient ersichtlich nicht der Heilung der autistischen Störung der Tochter der Klägerin, sondern soll mit dieser Erkrankung einhergehenden physischen und psychischen Beeinträchtigungen entgegenwirken. Entsprechend führt das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil aus, dass mit dem Therapietandem Defizite im körperlichen und geistigen Bereich gemindert würden und es insgesamt gesehen auf die Linderung der Folgen eines mehrfach regelwidrigen Körperzustandes abziele. Dass es in diesem Zusammenhang entscheidungserheblich auf die neuesten Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten des hier streitgegenständlichen Krankheitsbildes ankommt, macht die Antragsbegründungsschrift nicht plausibel.
- 37
Das weitere Antragsvorbringen wendet sich gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes, ohne dass ersichtlich wird, inwiefern sich hieraus besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache ergeben sollen. Soweit die Antragsbegründungsschrift geltend macht, die Schwierigkeit der Rechtssache bestehe darin, dass der Fall nicht unmittelbar aus dem Gesetz lösbar und keine unmittelbare höchstrichterliche Rechtsprechung vorhanden sei, rechtfertigt dieser Umstand noch nicht die Annahme, dass die hier maßgebliche Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, also das normale Maß nicht unerheblich übersteigende Schwierigkeiten verursacht. Ebenso wenig ergibt sich aus dem Begründungsaufwand des angefochtenen Urteiles, dass die Sache in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht besonders schwierig ist. Entsprechendes wird in der Antragsbegründungsschrift jedenfalls nicht zulassungsbegründend dargelegt.
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Die Zulassung der Berufung rechtfertigt sich schließlich nicht wegen der gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, denn dies ist nicht entsprechend den Darlegungserfordernissen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO dargelegt.
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„Grundsätzliche Bedeutung“ im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO besitzt eine Rechtssache nur dann, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung im angestrebten Rechtsmittelverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechts- oder Tatsachenfragen beitragen kann, die eine über den Einzelfall hinausgehende Tragweite besitzen und die im Interesse der Rechtseinheit oder Weiterentwicklung des Rechts einer Klärung bedürfen (OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 21. Januar 2008 - 1 L 166/07 -, juris [m. w. N.]; vgl. zudem: BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 1987 - 1 B 23.87 -, InfAuslR 1987, 278). Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO zudem im Zulassungsantrag darzulegen. „Dargelegt" im Sinne der genannten Vorschrift ist eine grundsätzliche Bedeutung nur dann, wenn in der Antragsbegründung eine konkrete rechtliche oder tatsächliche Frage formuliert und zugleich substantiiert vorgetragen wird, inwiefern der Klärung dieser Frage eine im Interesse der Rechtssicherheit, Vereinheitlichung oder Fortbildung des Rechts über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung zukommt und warum es auf die Klärung der zur Überprüfung gestellten Frage im konkreten Fall entscheidungserheblich ankommt (OVG LSA, a. a. O. [m. w. N.]; vgl. zudem BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961, BVerwGE 13, 90, vom 9. März 1993, Buchholz 310 § 133 n. F. VwGO Nr.11, Beschluss vom 10. November 1992, Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5). Hiernach ist es zunächst erforderlich, dass in der Antragsschrift eine konkrete - entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige - rechtliche oder tatsächliche Frage „aufgeworfen und ausformuliert” wird (vgl.: BVerwG, Beschluss vom 26. September 1995, Der Personalrat 1996, 27). Darüber hinaus obliegt es dem Rechtsschutzsuchenden, im Einzelnen darzulegen, inwiefern die aufgeworfene Frage im Interesse der Rechtssicherheit, Vereinheitlichung oder Fortbildung des Rechts über den Einzelfall hinaus einer fallübergreifenden Klärung bedarf und im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Hierbei sind - neben der Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes, welche die Begründung erkennen lassen muss - die genannten Voraussetzungen für die Zulassung des Rechtsmittels in der Weise unter Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung, der einschlägigen Rechtsprechung sowie unter Angabe der maßgeblichen tatsächlichen und/oder rechtlichen Überlegungen zu erläutern und aufzuarbeiten, dass das Berufungsgericht hierdurch in die Lage versetzt wird, anhand der Antragsschrift darüber zu befinden, ob die Zulassung des Rechtsmittels gerechtfertigt ist (OVG LSA, a. a. O. [m. w. N.]; vgl. zudem: BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 -, Buchholz 310 VwGO § 133 (n. F.) Nr. 26, Beschluss vom 9. März 1993 - 3 B 105.92 -, NJW 1993, 2825).
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In Anlegung dieser Maßstäbe ist eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Rechtssache von der Beklagten nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden. Hinsichtlich sämtlicher als klärungsbedürftig bezeichneter Fragen mangelt es bereits an der gebotenen Aufbereitung des Sach- und Streitstoffes anhand der einschlägigen Rechtsprechung und Fachliteratur mit der Folge, dass das Gericht durch die Antragsbegründungsschrift nicht in die Lage versetzt wird, anhand dieser darüber zu befinden, ob die Zulassung des Rechtsmittels gerechtfertigt ist. Auch macht die Antragsbegründungsschrift keine allgemeine, von den Besonderheiten des Einzelfalles unabhängige Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Fragen plausibel. Soweit die Antragsbegründungsschrift unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes die Erforderlichkeit eines Therapietandems verneint, weil die therapeutischen Ziele auf einfachere und kostengünstigere Weise - etwa durch Krankengymnastik bzw. Diät - erreicht werden könnten, stellt sich der vorliegende Sachverhalt schon deshalb als nicht vergleichbar dar, weil das Verwaltungsgericht die Nutzung des Therapietandems als einzige von der Tochter der Klägerin akzeptierte sportliche Betätigung ansieht und diese Feststellung ebenso wie die festgestellten Auswirkungen des Tandemfahrens auf den psychischen Zustand der Tochter der Klägerin nicht in zulassungsbegründender Weise angefochten werden. Dass sich die vom Verwaltungsgericht infolge des Tandemfahrens angeführten Defizitminderungen und -linderungen nicht mit einer Diät erreichen lassen, bedarf keiner Vertiefung. Soweit im Übrigen mit dem Verweis auf die Rechtsprechung der Sozialgerichte sowie der Kritik an der Sachverhaltsermittlung und Beweiswürdigung des Erstgerichtes die Richtigkeit des Ergebnisses des angefochtenen Urteiles in Frage gestellt wird, kann mit bloßen Angriffen gegen die tatsächliche oder rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichtes bzw. einem reinen zur Überprüfung stellen der erstinstanzlichen Rechtsauffassung die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nicht ausreichend dargelegt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. September 1995 - 6 B 61.95 -, Der Personalrat 1996, 27; Beschluss vom 24. Februar 1977 - II B 60.76 -, Buchholz 232 § 5 BBG Nr. 2).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Zulassungsverfahren beruht auf §§ 52 Abs. 3, 40, 47 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124a Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.
(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.
(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.
(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.