Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der 1957 in Al Nasria (Südirak) geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger arabischer Volks- und schiitischer Glaubenszugehörigkeit und begehrt die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG.

Er reiste im Januar 2003 zusammen mit zwei Kindern auf dem Landweg über die Türkei in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte für sich und seine Familie am 14.1.2003 die Anerkennung als Asylberechtigte. Die Familie sei, nach dem der Vater des Klägers 1979 unter dem Verdacht der Opposition gegen die Regierung hingerichtet worden sei, mehrfach konkreten Bedrohungen ausgesetzt gewesen. Im Jahr 1972 sei er selbst unter dem Vorwurf, Mitglied des sog. Allgemeinen Studenten- bzw. Schulvereins zu sein, der in Verbindung mit der Irakischen Kommunistischen Partei stehe, festgenommen worden. Er sei nicht Mitglied gewesen, habe aber unter Folter ausgesagt, dies zu sein. Ebenso wie zwei seiner Brüder sei er an der sog. (schiitischen) Intifada im Jahr 1991 beteiligt gewesen, einer der Brüder befinde sich seit 1999 im Gefängnis. Bereits in jenem Jahr habe man versucht, ihn und seine Ehefrau festzunehmen. Sie hätten jedoch fliehen und sich in der Folgezeit in den Sumpfgebieten in der Nähe ihres Heimatortes verstecken können. Auch seine Mutter sei 1993 als „Faustpfand“ in Haft genommen und erst nach 6 Monaten entlassen worden. Vor seiner Ausreise habe die Armee die Gegend, in der sie sich aufgehalten hätten, bombardiert. Die Bombardements hätten sich allgemein gegen die Schiiten gerichtet. Nach dem letzten Bombardement am 16.12.2002 hätten sie sich zur Flucht gezwungen gesehen.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 20.01.2003 den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Irak vorliegen. Zur Begründung hieß es im Wesentlichen, als Angehöriger der schiitischen Bevölkerungsgruppe sei der Kläger einer besonderen Bedrohung durch das Regime Saddam Hussein ausgesetzt, ohne dass ihm eine inländische Fluchtalternative in den kurdischen Autonomiegebieten im Norden des Irak zur Verfügung stehe.

Mit Urteil vom 25.10.2005 - 12 K 109/05.A - wurde auf die Klage des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten der Bescheid der Beklagten insoweit aufgehoben, als darin festgestellt worden war, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Irak vorliegen. Zur Begründung wurde ausgeführt, aufgrund der eingetretenen Veränderung der Verhältnisse im Irak nach dem Sturz des Regimes Saddam Hussein habe der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland keine im Rahmen von § 60 Abs. 1 AufenthG beachtliche politische Verfolgung zu befürchten. Eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, nämlich gläubige Schiiten, die ihn für einen Verräter hielten, weil er aus einer kommunistischen Familie stamme und selbst Mitglied des Allgemeinen Schüler- und Studentenvereins gewesen sei, habe er nicht glaubhaft gemacht. In seiner Anhörung vor dem Bundesamt habe er noch angegeben, nur durch Folter zu einer entsprechenden (unwahren) Aussage gezwungen worden zu sein. Darüber hinaus habe er bis zur mündlichen Verhandlung auch nicht einmal ansatzweise vorgetragen, je von seinen schiitischen Glaubensbrüdern bedroht worden zu sein. Den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil hat das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes mit Beschluss vom 17.11.2006 - 3 Q 39/06 - zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 8.12.2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, es sei beabsichtigt, eine Abschiebungsandrohung zu erlassen und die Entscheidung, ob Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen, nachzuholen. Mit Schreiben vom 5.1.2007 machte der Kläger geltend, solche Abschiebungsverbote lägen mit Blick auf die immer katastrophaler werdende innenpolitische Situation im Irak vor, die eine Extremgefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG begründe.

Mit Bescheid vom 22.1.2007 stellte die Beklagte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen und forderte den Kläger unter Androhung der Abschiebung in den Irak zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland auf. Zur Begründung heißt es, eine individuelle konkrete Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Irak habe der Kläger nicht dargelegt. Die angespannte Sicherheits- und Versorgungslage im Irak stelle eine allgemeine Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG dar, die der gesamten Bevölkerung drohe. Daraus ergebe sich kein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG. Nicht zu verkennen sei zwar, dass die Sicherheitslage im Irak äußerst angespannt sei und Gewaltakte an der Tagesordnung seien. Die anhaltenden Anschläge gälten jedoch in aller Regel zielorientiert den multinationalen Truppen, irakischen Regierungsorganen, irakischen Sicherheitskräften und der irakischen Polizei, der Kollaboration verdächtiger Repräsentanten irakischer Institutionen, Einrichtungen und Personen, die mit der irakischen Regierung und den US-geführten Koalitionstruppen zusammenarbeiteten oder in den Verdacht einer solchen Zusammenarbeit geraten seien sowie ausländischen Zivileinrichtungen. Betroffen seien daher vor allem Städte, insbesondere im von sunnitischen Arabern bewohnten Zentrum des Landes (sog. sunnitisches Dreieck), in geringerem Maße auch im schiitischen Süden und bisweilen auch im mehrheitlich von Kurden bewohnten Norden. Seit dem Anschlag auf die goldene Moschee in der Stadt Samarra würden auch sunnitische und schiitische Zivilisten Opfer ethnisch-konfessionell motivierter Gewalt. Besonders hohe Verluste habe die neue irakische Polizei zu verzeichnen. Ziel solcher Angriffe sei es, den Wiederaufbau des Landes und die Bildung einer demokratischen politischen Neuordnung zu sabotieren.

Der Kläger habe nicht überzeugend dargetan noch sei sonst ersichtlich, dass gerade er aufgrund persönlicher Lebensumstände einer signifikant erhöhten Gefahr ausgesetzt sei, durch Anschläge oder Reaktionen auf solche Anschläge in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Von einer extremen Gefahrenlage könne insoweit nicht gesprochen werden.

Auch die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten sei nicht derartig schlecht, dass eine extreme Gefährdung angenommen werden müsste.

Gegen die Annahme einer extremen landesweiten Gefährdungslage spreche auch die freiwillige Rückkehr nicht weniger Iraker.

Die Abschiebungsandrohung sei in entsprechender Anwendung des § 39 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nachzuholen, wobei eine unmittelbare Anwendung des § 39 Abs. 1 AsylVfG nicht erfolgen könne. Die nachzuholende Abschiebungsandrohung könne auch nicht auf § 38 Abs. 1 AsylVfG gestützt werden, der Fälle betreffe, in denen im Bescheid der Beklagten eine Regelung zur Asylberechtigung bzw. Feststellung von Abschiebungsschutz getroffen werde, in denen also noch nicht unanfechtbar feststehe, dass dem Ausländer kein Asylanspruch und kein Feststellungsanspruch nach § 60 AufenthG zustehe. Die bestehende Regelungslücke lasse sich über eine analoge Anwendung des § 39 AsylVfG schließen.

Gegen den als Einschreiben am 23.1.2007 zur Post gegebenen Bescheid hat der Kläger am 7.2.2007 Klage erhoben und parallel hierzu einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt, der erfolglos blieb (vgl. Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 5.3.2007 - 2 L 308/07 -).

Zur Begründung hat der Kläger sein Vorbringen wiederholt, wonach sich die Situation im Irak, die durch täglich stattfindende Anschläge mit wesentlich mehr als 100 Toten und mehreren Hundert Verletzten pro Tag gekennzeichnet sei, weiter erheblich verschlechtere.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.1.2007 zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegt.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch Urteil vom 9.10.2007 - 2 K 307/07 - hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, hinsichtlich einer Abschiebung des Klägers in den Irak lägen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vor.

Insbesondere könne derzeit nicht festgestellt werden, dass einer Abschiebung des Klägers ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG entgegenstehe. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung seien die Tatbestandsvoraussetzungen der genannten Bestimmung auch unter Berücksichtigung der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie) nicht erfüllt, da die nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erforderliche konkret-individuelle Gefährdung des Klägers im Falle seiner Rückkehr in den Irak nicht feststellbar sei.

Nach dem Lagebericht Irak des Auswärtigen Amtes vom 11.1.2007 seien Polizisten, Soldaten, Intellektuelle, Professoren, Ärzte, Politiker und Repräsentanten des früheren Regimes, die inzwischen mit der Regierung zusammenarbeiteten, besonders gefährdet, Opfer von Anschlägen der militanten Opposition zu werden. Der Kläger sei keiner der genannten Personengruppen zuzurechnen.

Aus seiner Zugehörigkeit zu der ethnisch-religiösen Gruppe der Schiiten, die ausweislich des genannten Lageberichts 60 bis 65 % der Bevölkerung ausmacht, könne der Kläger schon deshalb keine individuelle Gefährdung herleiten, weil er insoweit als Mitglied einer Bevölkerungsgruppe i.S.v. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG betroffen und damit Gefahren ausgesetzt sei, die der schiitischen Bevölkerungsgruppe insbesondere durch Übergriffe seitens der Sunniten, die ihrerseits 17 bis 22 % der Bevölkerung ausmachen, drohten. Eine „Addition“ bestimmter Gefahrenmomente, auf die der Kläger in der mündlichen Verhandlung abgestellt habe, wobei das zusätzliche Risiko, seitens der schiitischen Milizen „zwangsrekrutiert“ zu werden, zu berücksichtigen sei, führe insoweit bei der gruppenbezogenen Betrachtung zu keiner anderen Einschätzung.

Mangels individueller Gefährdung könne der Kläger subsidiären Schutz auch nicht aus Artikel 15 der Qualifikationsrichtlinie herleiten. Nach dem 26. Erwägungsgrund der Richtlinie stellten Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt seien, für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung dar, die als ernsthafter Schaden zu beurteilen wäre.

Die Regelung über die Gewährung eines subsidiären Schutzstatus nach Artikel 15 lit. c der Richtlinie entspreche im Kern der bisherigen Rechtslage nach § 60 Abs. 7 AufenthG, soweit es darum gehe, eine individuelle Gefahrenlage für den betreffenden Ausländer von allgemeinen Gefahren, denen die Bevölkerung mehr oder weniger gleichartig ausgesetzt sei, abzugrenzen.

Mangels individueller Gefährdung könne sich daher der Kläger auf Artikel 15 Buchstabe c der Richtlinie nicht berufen.

Eine extreme Gefahrenlage dergestalt, dass es dem Kläger mit Blick auf den verfassungsrechtlich unabdingbar gebotenen Schutz insbesondere des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit nicht zuzumuten sei, in seinen Heimatstaat abgeschoben zu werden, habe die Beklagte in ihrem Bescheid zu Recht verneint.

Zwar sei die allgemeine Kriminalität im Irak nach dem Sturz des früheren Regimes Saddam Husseins stark angestiegen und mancherorts weiterhin außer Kontrolle. Überfälle und Entführungen seien an der Tagesordnung. Zudem seien täglich etwa 100 terroristische Anschläge zu verzeichnen und setzten sich offene Kampfhandlungen zwischen militanter Opposition einerseits sowie regulären Sicherheitskräften und Koalitionssicherheitskräften andererseits weiterhin fort, die auch zahlreiche Opfer unter der Zivilbevölkerung forderten. Dennoch sei nicht zu verkennen, dass sich die Terrorakte vor allem gegen Personen richteten, die mit dem politischen und wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes assoziiert würden. Überdies sei die Sicherheitslage im Nordirak im Allgemeinen besser als in Bagdad oder in den Hochburgen der Aufständischen wie Falludscha, Ramadi, Samarra oder Baquba in Zentralirak. Die Wahrscheinlichkeit, durch einen gegen Dritte gerichteten Anschlag getötet zu werden, sei dort geringer, wenngleich Anschläge auch im Nordirak stattfänden.

Auch wenn danach von den unvermindert anhaltenden Anschlägen im Irak eine nicht zu unterschätzende Gefährdung für die dort lebenden Menschen ausgehen möge, rechtfertige die Anzahl der durch Terrorakte sowie andauernde Kampfhandlungen zu beklagenden zivilen Opfer in Relation zu der ca. 27 Millionen betragenden Bevölkerungszahl des Irak offensichtlich nicht die Annahme, jeder Iraker werde im Falle seiner Rückkehr unmittelbar und landesweit Gefahr laufen, Opfer entsprechender terroristischer Anschläge zu werden.

Im Ergebnis nichts anderes gelte auch im Hinblick auf die allgemeine Versorgungslage im Irak.

Mit Beschluss vom 14.11.2007 wurde das Urteil wegen offenbarer Unrichtigkeiten gemäß § 118 Abs. 1 VwGO berichtigt.

Gegen das ihm am 8.11.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10.12.2007 - einem Montag - Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, dem der Senat mit Beschluss vom 3.12.2008 - 3 A 476/07 - entsprochen hat.

Zur Begründung der Berufung führt er im Wesentlichen aus, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass der europarechtliche Schutz nach Art. 15 lit. c. Qualifikationsrichtlinie (QRL) eine Schutzgewährung völlig neuen Typs darstelle, wie er in § 60 Abs. 7 AufenthG a.F. nicht vorgesehen gewesen sei. Mit der Erwähnung der „willkürlichen Gewalt“ in Art. 15 lit. c, die in der Neufassung des § 60 Abs. 7 AufenthG keinen Niederschlag gefunden habe, werde gerade auf Situationen verwiesen, in denen die Gefahr für den Einzelnen wegen des ungezielten und unberechenbaren Charakters der Bedrohung nicht eindeutig vorhersehbar sei. Daher sei bei der Anwendung des Art. 15 lit. c QRL ein deutlich herabgestufter Prognosemaßstab anzuwenden.

Besondere Bedeutung erhalte die Nichterwähnung der „willkürlichen Gewalt“ auch im Zusammenhang mit der in § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG angeordneten sog. Sperrwirkung. Da die QRL mit dem Begriff der willkürlichen Gewalt eine völlig andere Qualität der Bedrohung beschreibe, sei die Anwendung der Sperrwirkung auf die Gruppe der nach Art. 15 lit. c subsidiär Schutzberechtigten als gemeinschaftswidrig anzusehen. Zur Frage der Auslegung sei insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in seinen Urteilen vom 24.8.2008 - 10 C 43/07 - u.a. und des EuGH vom 17.2.2009 zu verweisen.

Einem irakischen Flüchtling drohe bei Abschiebung in den Irak eine extreme Gefahr für Leib und Leben.

Die Zahl der Anschläge, Ermordungen, Folterungen und Entführungen habe sich seit 2006 in einem erheblichen Maße von anfänglich 90 bis zunächst 100 am Tag und sich Ende 2006 auf ca. 200 pro Tag erhöht. Die interkonfessionellen Konflikte, insbesondere die Auseinandersetzungen zwischen Schiiten und Sunniten fordere mittlerweile die meisten Opfer unter der irakischen Bevölkerung. Bei den in den Lageberichten des Auswärtigen Amtes berichteten Morden, Verstümmelungen und Entführungen handele es sich auch um gezielte Verfolgungsmaßnahmen, die ausschließlich an die Religionszugehörigkeit des Betroffenen anknüpften. Darüber hinaus sei von einer hohen Dunkelziffer der Zahl der Getöteten auszugehen.

Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass er wegen seiner bekannt gewordenen Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei des Irak bei Rückkehr in sein Heimatland an Leib und Leben gefährdet sei. Mitglieder der Kommunistischen Partei gälten bei Islamisten sunnitischer und schiitischer Couleur als Gottlose.

Hierzu hat der Kläger eine Bescheinigung der Kommunistischen Partei des Iraks in Dhi Qar vom 13.7.2008 im arabisch-sprachigen Original nebst Übersetzung vorgelegt. Danach sei im Jahr 2006 das Hauptquartier der Kommunistischen Partei von Terroristen (Islamisten) erstürmt worden. Diese hätten Namenslisten und Informationen über Mitglieder der Partei gefunden, was zur Verfolgung von Mitgliedern und deren Familienangehörigen geführt habe. Die so bekannt gewordenen Mitglieder der Partei und ihre Angehörigen seien getötet und ihre Häuser in die Luft gesprengt worden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des aufgrund mündlicher Verhandlung vom 9.10.2007 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 2 K 307/07 - in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 14.11.2007 sowie unter Aufhebung ihres Bescheids vom 22.1.2007 zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Irak vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht geltend, bei schiitischen Religionszugehörigen handele es sich um die im Irak am stärksten vertretene Bevölkerungsgruppe mit etwa 60 bis 65 % Bevölkerungsanteil mit eigenem Hauptsiedlungsgebiet. Von einer besonderen Gefährdungslage gerade für diese Bevölkerungsgruppe sei nicht auszugehen. Auch der subsidiäre Schutzstatus nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, Art. 15 lit. c QRL setze eine individuelle Betroffenheit voraus, die mangels Gefahrendichte (analog der Verfolgungsdichte bei einer Gruppenverfolgung) nicht vorliege. Im Übrigen gebe es keinen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt i.S.d. Art. 15 lit. c QRL im Zusammenhang mit gewaltsamen Aktivitäten von schiitischen oder sunnitischen Milizen, Al Quaida Terroristen, Stammesgruppen oder Banden. Auch reiche das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts allein für die Schutzgewährung nach Art. 15 lit. c QRL nicht aus. Erforderlich sei ein besonders hoher individueller Gefährdungsgrad. Dies sei gegeben, wenn die willkürliche Gewalt im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt ein derart hohes Niveau erreiche, dass allein die Anwesenheit im fraglichen Gebiet genüge, um einer ernsthaften Bedrohung ausgesetzt zu sein. Kämen individuell gefahrenerhöhende Momente hinzu, könne auch ein niedrigeres Gefahrenniveau die subsidiäre Schutzgewährung rechtfertigen.

Eine Verdichtung allgemeiner Gefahren im danach erforderlichen Maß könne nach Bewertung des Gefährdungsgrades, dem die Zivilbevölkerung im Irak ausgesetzt sei, selbst bei Berücksichtigung einer Dunkelziffer und der Tatsache, dass die Betroffenheit nicht allein anhand der Todesfälle bewertet werden dürfe, nicht angenommen werden. Zwar lägen belastbare Zahlen oder Schätzungen zu anderen Menschenrechtsverletzungen nicht vor. Allein die dokumentierten Vorfälle mit Todesopfern belegten jedoch, dass die Zahl der Opfer im Verhältnis zur ansässigen Bevölkerung bei weitem nicht das nach den vergleichsweise heranzuziehenden Vorgaben für eine Gruppenverfolgung im Bereich Flüchtlingsschutz erforderliche Ausmaß erreichten. Selbst in den beiden am stärksten betroffenen Provinzen Bagdad und Mossul (Ninive) mit mehr als einem Vorfall pro Tag im Jahr 2008 bewegten sich die Zahl der Todesopfer im Promillebereich.

Auf individuelle gefahrerhöhende Umstände, wie sie für bestimmte Berufsgruppen oder bestimmte gefährliche Wohnumstände anerkannt seien, könne sich der Kläger nicht berufen. Zumindest in den Hauptsiedlungsgebieten der Schiiten sei er bei Rückkehr in den Irak keiner ernsthaften individuellen Gefahrenlage ausgesetzt. Hinsichtlich der geltend gemachten gefahrerhöhenden Umstände wegen Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei sei zu berücksichtigen, dass er im gerichtlichen Verfahren eine daraus resultierende individuelle Gefahrenlage nicht vorgetragen habe. Im Übrigen habe er eine hervorgehobene Funktion in der Kommunistischen Partei, die zu einer erhöhten Gefährdungswahrscheinlichkeit führen könnte, nicht ausgeübt.

Der Kläger wurde in der mündlichen Verhandlung zu seinen Asylgründen angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 1.6.2011 verwiesen.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten, deren Inhalt ebenso wie die in der Anlage zur Sitzungsniederschrift bezeichneten Teile der Dokumentation Irak zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 22.1.2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Dem Kläger steht nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) kein Anspruch auf die nach seinem Klageantrag in der mündlichen Verhandlung von ihm allein begehrte Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu.

Der Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG in Bezug auf den Irak ist dahin auszulegen, dass in erster Linie die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (sog. unionsrechtlich begründetes Abschiebungsverbot) und in zweiter Linie die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (sog. nationales Abschiebungsverbot) begehrt wird

vgl. BVerwG, Urteile vom 29.6.2010 - 10 C 10/09 -, vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, jeweils zitiert nach juris.

Die erst im bereits laufenden Gerichtsverfahren am 28.8.2007 in Kraft getretene - hier zu prüfende - Neuregelung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, die der Umsetzung der Regelung über subsidiären Schutz nach Art. 15 lit. c der Richtlinie 2004/83/EG - Qualifikationsrichtlinie (im Folgenden QRL) - dient,

vgl. BVerwG, Urteile vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 - und vom 24.6.2008 - 10 C 43/07 -, zitiert nach juris.

ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden,

vgl. in diesem Zusammenhang BVerwG, Urteile vom 29.6.2010 - 10 C 10.09 - und vom 27.4.2010 - 10 C 4.09 -, zitiert nach juris,

denn die Beklagte hat im angefochtenen Bescheid über sämtliche zielstaatsbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote entschieden und der Kläger hat die neuen, auf Unionsrecht beruhenden Abschiebungsverbote in das anhängige gerichtliche Verfahren einbezogen.

Bei der Prüfung der Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG ist der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Die zum Asylgrundrecht nach Art. 16 a GG in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe, je nach dem, ob der Ausländer seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt ausgereist ist

vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2.7.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, BVerfGE 54, 341, und vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 ff.

haben in die Qualifikationsrichtlinie (QL 2004/83/EG, im folgenden QRL) keinen Eingang gefunden. Der für den Ausländer günstigere sog. herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Sicherheit ist im Rahmen des subsidiären Schutzes nicht anzuwenden. Dieser herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist durch die Nachweiserleichterung in Art. 4 Abs. 4 QRL ersetzt worden, die sowohl für den Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG als auch für den subsidiären Schutz nach der Richtlinie gilt. Diese Nachweiserleichterung ist nach der vom deutschen Gesetzgeber getroffenen Regelung in § 60 Abs. 11 AufenthG auch im Rahmen der unionsrechtlich vorgezeichneten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG anzuwenden. Als Prognosemaßstab gilt daher für diese Abschiebungsverbote - ebenso wie für die sonstigen rein nationalen Abschiebungsverbote - allein der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit

vgl. BVerwG, Urteile vom 27.4.2010 - 10 C 5.09 - und vom 7.9.2010 - 10 C 11.09 -, siehe auch OVG Münster, Urteil vom 17.8.2010 - 8 A 4063/06.A -, jeweils zitiert nach juris.

Nach Art. 4 Abs. 4 QRL i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 5, Abs. 11 AufenthG ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Die genannten Bestimmungen privilegieren somit den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung

vgl. OVG Münster, Urteil vom 17.8.2010 - 8 A 4063/06.A -, zitiert nach juris.

Die Vorschrift des Art. 4 Abs. 4 QRL begründet mithin für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer Verfolgung oder einem sonstigen ernsthaften Schaden bedroht sind. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit einer Verfolgung bzw. des Eintritts eines sonstigen ernsthaften Schadens entkräften. Dies ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen

vgl. BVerwG, Urteile vom 27.4.2010 - 10 C 5.09 - und vom 7.9.2010 - 10 C 11.09 - m.w.N., zitiert nach juris.

Geht es um die Anwendung des Art. 4 Abs. 4 QRL bei der Feststellung eines unionsrechtlich vorgezeichneten subsidiären Abschiebungsverbots, greift die Vermutung nach dieser Vorschrift ein, wenn der Antragsteller vor seiner Ausreise aus dem Heimatland einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 der Richtlinie erlitten hat oder unmittelbar von einem solchen Schaden bedroht war

zum Begriff der Vorschädigung vgl. BVerwG, Urteil vom 27.4.2010 - BVerwG 10 C 4.09 -, zitiert nach juris.

Eine Vorverfolgung im flüchtlingsrechtlichen Sinne reicht für das Eingreifen der Vermutung im Rahmen des subsidiären Schutzes daher nur dann aus, wenn in ihr zugleich ein ernsthafter Schaden im Sinne des Art. 15 QRL liegt, etwa wenn die Verfolgungsmaßnahme in Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung besteht. Außerdem setzt die Vermutung nach Art. 4 Abs. 4 QRL einen inneren Zusammenhang zwischen der Vorschädigung und dem befürchteten künftigen Schaden voraus

vgl. BVerwG, Urteil vom 27.4.2010 - BVerwG 10 C 4.09 -, zitiert nach juris.

Denn die der Vorschrift zu Grunde liegende Vermutung, erneut von einer Verfolgung oder einem sonstigen ernsthaften Schaden bedroht zu sein, beruht wesentlich auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung - bei gleichbleibender Ausgangssituation - aus tatsächlichen Gründen naheliegt. Es ist deshalb im Einzelfall jeweils zu prüfen und festzustellen, auf welche tatsächlichen Schadensumstände sich die Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 QRL erstreckt

vgl. OVG Münster, Beschluss vom 29.10.2010 - 9 A 3642/06.A - m.w.N., zitiert nach juris.

Die bereits erlittener Verfolgung gleichzustellende unmittelbar drohende Verfolgung setzt eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen musste

vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2009 - 10 C 24.08 - m.w.N., zitiert nach juris.

Aus den in Art. 4 QRL geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Schutzsuchenden folgt, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er ist gehalten, unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung im genannten Sinne droht. Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Das Gericht muss dabei die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten individuellen Schicksals und von der Richtigkeit der Prognose drohender politischer Verfolgung gewinnen. Aufgrund der Beweisschwierigkeiten, in den sich der Schutzsuchende hinsichtlich der asylbegründenden Vorgänge im Heimatland regelmäßig befindet, muss sich das Gericht jedoch mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig ausgeschlossen werden können

vgl. BVerwG vom 16.4.1985 - 9 C 109.84 -, zitiert nach juris.

Hiervon ausgehend liegen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG im Falle des Klägers nicht vor.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.

Die von dem Kläger in seiner Berufungsbegründung vom 5.1.2009 angesprochenen Zweifelsfragen zur Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und des Art. 15 lit. c QRL, insbesondere des Verständnisses des von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG verwendeten Begriffs der „erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben“ der „ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit“ im Sinne des Art. 15 lit. c QRL sind durch die inzwischen ergangenen Urteile

des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 -, vom 27.4.2010 - 10 C 5.09 -, jeweils zitiert nach juris, sowie durch Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17.2.2009 - C-465/07 -, EuGRZ 2009, 111

nunmehr hinreichend geklärt. Die von ihm aufgeworfene Frage, ob § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes nach Art. 15 lit. c der Richtlinie eine Sperrwirkung entfaltet, ist durch das o.g. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.6.2008, a.a.O., ebenfalls in dem Sinne geklärt, dass § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 15 c QRL keine Sperrwirkung entfaltet.

Nach der o.g. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann sich eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, die zugleich die entsprechenden Voraussetzungen des Art. 15 lit. c QRL erfüllt, auch aus einer allgemeinen Gefahr für eine Vielzahl von Zivilpersonen im Rahmen eines bewaffneten Konflikts ergeben, wenn sich die Gefahr in der Person des Ausländers verdichtet. Eine derartige Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann sich insbesondere aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann aber unabhängig davon ausnahmsweise auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre

in diesem Sinne auch EuGH, Urteil vom 17.2.2009 - C - 465/07 -; vgl. dazu auch OVG Münster, Urteil vom 29.10.2010 - 9 A 3642/06.A -.

Der innerstaatliche bewaffnete Konflikt muss sich dabei nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken

vgl. BVerwG, Urteil vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, a.a.O..

Besteht ein bewaffneter Konflikt mit der beschriebenen Gefahrendichte nicht landesweit, kommt eine individuelle Bedrohung allerdings in der Regel nur in Betracht, wenn der Konflikt sich auf die Herkunftsregion des Antragstellers erstreckt, in die er typischerweise zurückkehren wird

vgl. EuGH, Urteil vom 17.2.2009, a.a.O..

Auf einen bewaffneten Konflikt außerhalb der Herkunftsregion des Ausländers kann es nur ausnahmsweise ankommen. Nach Art. 2 lit. e QRL muss der Ausländer bei einem regional begrenzten Konflikt außerhalb seiner Herkunftsregion vielmehr stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass für ihn eine Rückkehr in seine Herkunftsregion ausscheidet und nur eine Rückkehr gerade in die Gefahrenzone in Betracht kommt.

Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich für den Kläger eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Irak bzw. in dessen Teilen, insbesondere in seiner Herkunftsregion in der Provinz Dhi Qar nicht mit dem hier erforderlichen Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit feststellen.

Ob die aktuelle allgemeine Lage im Irak und insbesondere in Al Nasria, der Herkunftsstadt des Klägers in der Provinz Dhi Qar, überhaupt die Annahme eines landesweiten internationalen oder innerstaatlichen oder auch nur regionalen bewaffneten Konflikts im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG rechtfertigen kann, kann offenbleiben

ebenso offengelassen zum landesweiten Konflikt etwa OVG Münster, Urteil vom 29.10.2010 - 9 A 3642/06.A -, VGH München, Urteil vom 24.3.2011 - 20 B 10.30033 -, und VGH Mannheim, Urteil vom 12.8.2010 - A 2 S 1134/10 - zitiert nach juris.

Denn jedenfalls fehlt es vorliegend an der geforderten erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben des Klägers als Angehöriger der Zivilbevölkerung mit Blick auf die allgemeine Lage. Individuelle gefahrerhöhende Momente in seiner Person sind weder mit Blick auf seine schiitische Religionszugehörigkeit noch unter dem Aspekt der von ihm geltend gemachten früheren Mitgliedschaft in einer Jugendorganisation mit Verbindung zur Kommunistischen Partei Iraks anzunehmen

Der Kläger kann sich auch auf die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL nicht berufen. Hinsichtlich einer eventuellen Vorverfolgung wegen seiner schiitischen Religionszugehörigkeit, die ausweislich der Feststellungen in den Entscheidungen des VG vom 25.10.2005 - 12 K 109/05.A - und des OVG vom 17.11.2006 - 3 Q 39/06 - bereits zweifelhaft ist, wird die Vermutung eines erneuten ernsthaften Schadenseintritts nämlich angesichts der aktuellen Erkenntnisse über die (nachfolgend zu schildernde) Verfolgungssituation der Schiiten im Irak widerlegt. Gleiches gilt, wenn man zu seinen Gunsten unterstellt, dass es zu den von ihm geltend gemachten Bedrohungen im Irak wegen seiner Mitgliedschaft in einer Jugendorganisation mit Verbindung zu der Irakischen Kommunistischen Partei gekommen ist. Insoweit ist bereits der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderliche Zusammenhang zwischen der geltend gemachten (Vor-)Verfolgung und dem befürchteten künftigen Schaden sowie mit dem Zweck des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 c QRL, den Schutz des Betroffenen vor Gefahren im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts sicherzustellen, nicht erkennbar.

Auszugehen ist nach den vorliegenden Erkenntnissen von einer immer noch instabilen Sicherheitslage im Irak.

Nach den Feststellungen des Auswärtigen Amtes

in seinem jüngsten Lagebericht vom 28.11.2010

hat sich die Sicherheits- und Menschenrechtslage im Irak zwar in den letzten Jahren erheblich verbessert, sie ist aber - außer in der auf Grundlage von Art. 114 der Verfassung i.V.m. dem Gesetz vom 11.10.2006 anerkannten Region Kurdistan-Irak (KRG), wo sowohl die Sicherheitslage (auch für religiöse Minderheiten) als auch die Versorgungslage deutlich besser ist als im Rest des Landes - immer noch prekär. Nichtstaatliche Akteure, insbesondere Aufständische, sind für viele Menschenrechtsverletzungen im Irak verantwortlich. Angehörige staatlicher Organe (Polizei, Streitkräfte) begehen ebenfalls Menschenrechtsverletzungen. Die irakischen Sicherheitskräfte sind nach dem Abzug der US-Kampfverbände am 31.8.2010 nicht in der Lage, gefährdete oder verfolgte Bevölkerungsgruppen effektiv zu schützen.

Trotz einer signifikanten Abnahme der sicherheitsrelevanten Vorfälle seit Frühsommer 2007 sind nach Angaben des Auswärtigen Amtes auch im Jahresverlauf 2010 landesweit immer noch wöchentlich etwa 200 Anschläge festzustellen, mit einer - bei zum Teil großen Schwankungen im Einzelnen - nennenswerten Zahl von Todesopfern. Schwerpunkte terroristischer Anschläge bleiben weiterhin Bagdad und der Zentralirak, der Nordosten (Diyala, Salahaddin) sowie die Provinzen Tamin mit der Hauptstadt Kirkuk und Ninive mit der Hauptstadt Mossul.

Im schiitisch dominierten und heterogeneren Südirak hingegen gibt es weniger Anschläge als im Zentralirak. Anschläge ereignen sich jedoch auch in südirakischen Städten wie Hilla, Nadschaf, Kut und Basra.

Hinsichtlich religiöser Minderheiten und Gruppierungen stellt das Auswärtige Amt trotz der (formal) verfassungsrechtlichen Gleichberechtigung Maßnahmen von Diskriminierung und Verfolgung fest, in die selbst Angehörige der schiitischen Mehrheits-Bevölkerung einbezogen werden.

Eine unmittelbare Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nach Aussage des Auswärtigen Amtes allerdings nicht systematisch statt.

Mit dem Anschlag vom 22.2.2006 auf das schiitische Heiligtum in Samarra und den darauf folgenden wechselnden Vergeltungsaktionen begannen nach Feststelllungen des Auswärtigen Amtes im Irak bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen zwischen den Angehörigen der (sunnitischen und schiitischen) Konfessionen mit monatlich Tausenden von Toten. Durch das Eingreifen der Regierung gegen schiitische Milizen einerseits und die veränderte Strategie der US-Streitkräfte gegenüber den sunnitischen Stämmen andererseits wurde diese Entwicklung aber weitestgehend gestoppt. Es ist nach Feststellungen des Auswärtigen Amtes gelungen, die Gefahr eines offenen Bürgerkriegs zwischen der jahrzehntelang diskriminierten schiitischen Mehrheit und der bisherigen sunnitischen Führungsschicht abzuwenden. Seit dem Durchgreifen der Regierung gegenüber schiitischen Milizen ist eine politische Annäherung zwischen Teilen des sunnitischen und schiitischen Spektrums zu verzeichnen, wenngleich bis in die jüngste Zeit radikale Täter - bislang allerdings erfolglos - immer wieder durch gezielte Anschläge auf Vertreter der jeweils anderen Gruppe versuchen, den Kreislauf der Vergeltung „anzuheizen“.

Eine konkrete verlässliche Bewertung der Sicherheitslage für rückkehrende Flüchtlinge und Binnenvertriebene ist nach Aussage des Auswärtigen Amtes sehr schwierig, da sich aus der Befragung von Rückkehrern ein uneinheitliches und fragmentarisches Bild ergibt. Danach ist die Sicherheit von Rückkehrern von einer Vielzahl von Faktoren abhängig - u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung, den Verhältnissen am Ort der Rückkehr - und kann sich sogar von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Nach wie vor können Rückkehrer Ziel von allgemeiner Gewaltkriminalität, Bedrohungen und Anschlägen sein, insbesondere in Gegenden, in denen ihre Ethnie, bzw. religiöse Gruppierung nicht die Mehrheit darstellt.

Die im Lagebericht vom 28.11.2010 dargestellte allgemeine Sicherheitslage hat sich nach den Angaben des Auswärtigen Amtes bis in die jüngste Zeit

vgl. Reisewarnung, Stand 24.2.2011

fortgesetzt. So kommen insbesondere in Bagdad und den nördlich angrenzenden Provinzen Diyala, Ninive, Salah-Al-Din und Tamin monatlich immer noch mehrere hundert Menschen bei Anschlägen und Feuergefechten ums Leben.

In den westlichen Provinzen sowie im schiitischen Süden des Landes ist - wenngleich auch hier Anschläge und Entführungen nicht ausgeschlossen werden können – hingegen eine Stabilisierung der Sicherheitssituation zu verzeichnen.

In eine positive Richtung weisen ferner die nach Erstellung des (jüngsten) Lageberichts des Auswärtigen Amtes vom 28.11.2010 eingegangenen Erkenntnisse zur politischen Lage hin, insbesondere über die Einbindung der im Irak konkurrierenden Gruppierungen in die jetzige Regierung.

Am 21.12.2010 wurde eine neue Regierung unter dem früheren Premierminister al Maliki gebildet. Al Maliki und seiner Partei Nationale Allianz ist es gelungen, ein Regierungsbündnis zu bilden, das auch politische Gegner einbezieht, wie etwa die al-Iraquia Partei des säkularen Schiiten Alawi sowie die Anhänger von al-Sadr. Die säkulare al-Iraquia-Partei, die von vielen Sunniten unterstützt wurde, erhält zehn und die schiitische al-Sadr Bewegung acht Ministerposten. Auch die Kurden stellen Minister, so dass die drei größten Bevölkerungsgruppen in der Regierung re-präsentiert sind

vgl. BAMF, Briefing Notes vom 27.12.2010, taz 5.5.2011.

Dies könnte sich jedenfalls auf längere Sicht - durchaus „befriedend“ auf die interkonfessionellen Auseinandersetzungen auswirken und zu deren weiterer Abnahme beitragen .

Auch nach den Ausführungen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (im Folgenden SFH)

Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak - Update vom 5.11.2009 -

hat sich die Sicherheitslage im Zentral- und Südirak seit 2007 bedeutend verbessert, die Gewalt von sunnitischen und schiitischen Extremisten und Aufständischen im Vergleich zu 2006 oder 2007 abgenommen. Dennoch komme es weiterhin zu Anschlägen auf Militär, Polizei und Zivilisten. Wenn auch die militanten Gruppierungen geschwächt seien, seien sie jedoch noch immer in der Lage, Anschläge mit hohen Opferzahlen zu verüben. Bombenanschläge, Selbstmordanschläge und Sprengfallen gegen die Zivilbevölkerung führten zu Hunderten von Toten.

Auch im Jahr 2009 richteten sich Anschläge häufig gegen Minderheiten und Schiiten. Gezielten Anschlägen fielen auch nach Einschätzung der SFH vor allem Sicherheitspersonal, Beamte, religiöse und politische Führer, spezielle Berufsgruppen wie Journalisten, Lehrer, medizinisches Personal, Richter und Anwälte, aber auch Minderheiten zum Opfer.

In Übereinstimmung hiermit stellt auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden BAMF) in seiner Dokumentation

Irak, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Januar 2010

unter Berufung auf die CSIS (Center for Strategie und International Studies) von November 2009 sowie auf das US. Department of Defense von September 2009 fest, dass sich die Sicherheitslage im Irak insgesamt spürbar verbessert hat.

Laut der im o.g. Bericht angeführten Erkenntnisse der britischen Nichtregierungsorganisation Iraq Body Count, die seit dem Einmarsch der Koalitionsstreitkräfte in den Irak die Verluste unter der irakischen Zivilbevölkerung zählt, haben sich diese seit 2008 drastisch reduziert und sind im Jahr 2009 auf den niedrigsten Stand seit 2003 gefallen.

Amnesty international (im Folgenden ai) kommt ebenfalls zu dem Ergebnis

vgl. etwa ai-Report 2010,

dass die Gewalt im Irak seit 2009 abgenommen hat. Dennoch seien Regierungstruppen und bewaffnete politische Gruppierungen verantwortlich für schwere Menschenrechtsverletzungen wie Entführungen, Folter und Mord gewesen. Mit Selbstmordanschlägen und Attentaten an öffentlichen Orten sollten laut Angaben von ai offenbar gezielt Zivilisten getroffen werden. Viele Anschläge würden von Al Quaida und von sunnitischen Gruppen, aber auch schiitischen Milizen verübt. Unter den Opfern befänden sich Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten, Journalisten, Homosexuelle und andere Zivilpersonen.

Schließlich stellt auch der UNHCR in seinem Positionspapier

zum Schutzbedarf irakischer Asylbewerber und zu den Möglichkeiten der Rückkehr irakischer Staatsangehöriger in Sicherheit und Würde vom 13.5.2009

fest, dass sich die Lage - gerade - in den südirakischen Provinzen (u.a. Dhi Qar) sowie in der zentralirakischen Provinz Anbar seit Ende 2007 verbessert habe. Es hätten Entwicklungen stattgefunden, die darauf hindeuteten, dass die Situation vor allem nicht mehr von jener allgegenwärtigen Gewalt gekennzeichnet sei, die die Grundlage für die bisherige Position zum Schutzbedarf irakischer Staatsangehöriger aus diesen Gebieten gebildet habe. Asylanträge von Schutzsuchenden aus den südirakischen Provinzen sollten daher - im Gegensatz zu der früheren Empfehlung einer generellen Schutzbedürftigkeit von Schutzsuchenden aus dem Irak - nunmehr unter Berücksichtung des individuellen Verfolgungsschicksals entschieden werden.

Nach Feststellungen des UNHCR

in einer weiteren Stellungnahme vom 16.9.2009 an den Hessischen VGH

ist eine zentrale Ursache für die Verbesserung der Sicherheitslage und den Rückgang der Gewalt im Irak in der weitgehenden Entflechtung der Bevölkerung des Landes zu sehen. So habe sich seit den Bombenanschlägen auf die Goldene Moschee in Samara die demografische Struktur der Bevölkerung vor allem in vormals gemischt-konfessionellen Gebieten signifikant verändert. Besonders augenfällig seien diese Veränderungen in der irakischen Hauptstadt Bagdad. Während die Bevölkerung in Bagdad im Jahre 2003 mehrheitlich sunnitisch geprägt gewesen sei, stellten inzwischen schiitische Muslime in mehr als der Hälfte aller Bagdader Stadtteile die deutliche Bevölkerungsmehrheit dar. Die verbliebenen sunnitischen Enklaven seien von überwiegend schiitisch bewohnten Nachbargebieten eingeschlossen; mindestens elf der sunnitisch dominierten Stadtteile seien durch Betonmauern gegen die schiitischen Nachbarbezirke abgegrenzt, um Attacken schiitischer Milizen und Autobombenangriffen vorzubeugen. Dennoch hält der UNHCR eine interne Fluchtalternative für problematisch und weist darauf hin, dass Zuzugswillige etwa in den südirakischen Provinzen Dhi Qar, Wassit und Muthanna einen Sponsor bzw. Leumundszeugen vorweisen müssten, um Zugang zu erhalten.

Nach allem betrifft die von der dargestellten allgemeinen Lage im Irak ausgehende Gefährdung neben den Angehörigen der genannten speziellen Personengruppen, so insbesondere von Regierungs-, Streit- und Sicherheitskräften - ohne eindeutige Zuordnung - eine Vielzahl von Zivilpersonen und stellt damit eine Gefahr dar, der letztlich die gesamte Bevölkerung im Irak - vorbehaltlich allenfalls der in der kurdischen Autonomieregion wohnenden Personen - allgemein ausgesetzt ist.

Die für die Schutzgewährung nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG erforderliche erhebliche individuelle Gefahr kann ausgehend von den eingangs genannten Maßstäben indes erst dann bejaht werden, wenn sich allgemeine Gefahren des Konflikts mit der Folge einer ernsthaften individuellen bzw. persönlichen Betroffenheit aller Bewohner der maßgeblichen Region verdichten oder sich für den Einzelnen durch individuelle gefahrenerhöhende Umstände zuspitzen. Solche individuellen gefahrenerhöhenden Umstände können sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch aus einer Gruppenzugehörigkeit erheben. Dies setzt aber eine solche Gefahrendichte voraus, dass ein in sein Heimatland zurückkehrender Iraker ernsthaft befürchten muss, gezielt (oder auch zufällig) selbst Opfer eines Terroranschlages zu werden oder infolge stattfindender Kampfhandlungen am Leben oder seiner körperlichen Unversehrtheit beschädigt zu werden

vgl. BVerwG, Urteil vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, a.a.O.; OVG Münster, Urteil vom 29.10.2010, a.a.O..

Hiervon ausgehend sind die im Irak sowie in der Heimatstadt bzw. der Heimatregion des Klägers festzustellenden Anschläge, deren Hintergründe und Zuordnung zu bestimmten Gruppierungen oder Stellen nach der Erkenntnislage im Einzelnen kaum bzw. schwer zu klären sind, zwar häufig als Akte willkürlicher Gewalt zu bewerten. Indes lassen sich weder die für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG erforderliche Gefahrendichte bzw. der erforderliche hohe Gefahrengrad, noch besondere in der Person des Klägers liegende, sog. gefahrenerhöhende Umstände feststellen. Letzteres gilt für die von ihm angeführte Gefährdung wegen seiner schiitischen Religionszugehörigkeit ebenso wie für die von ihm behauptete Mitgliedschaft in einer Jugendorganisation mit Verbindung zur Kommunistischen Partei Iraks und die Abstammung aus einer „kommunistischen Familie“.

Ungeachtet der vorliegend gegebenen Schwierigkeiten der Ermittlung einer exakten Tatsachengrundlage ist im Irak - wie dargelegt - jedenfalls ein deutlicher Rückgang von sicherheitsrelevanten Vorfällen insgesamt erkennbar; insbesondere hat die vom Kläger angeführte interkonfessionelle Gewalt, die nach Einschätzung des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien (im folgenden: EZKS)

vgl. Bericht vom 20.1.2009 an VG München zu Az. M 4 K 08.50041/ M 4 K 08.5005

ihren Höhepunkt Ende 2006/Anfang 2007 erreicht hatte, nach 2007 in einem beachtlichen Umfang nachgelassen.

Den Lageberichten des Auswärtigen Amtes

vom 28.11.2010 vom 11.4.2010,

zufolge wird die Gesamtbevölkerung Iraks auf etwa 32,3 Mio. Menschen geschätzt. Hiervon machen die Schiiten, die vorwiegend den Südosten/Süden des Landes bewohnen, einen Anteil von 60 bis 65 %, (arabische) Sunniten, die mit Schwerpunkt im Zentral- und Westirak leben, einen Anteil von 17 bis 22 % und die vor allem im Norden lebenden Kurden einen Anteil von ca. 15 bis 20 % aus.

In Relation zu diesen Größenordnungen wird - wie noch auszuführen sein wird - die Zahl der dokumentierten Todesfälle den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts an die erforderliche Intensität der Verfolgung bzw. der Gefahrendichte offenkundig nicht gerecht. Selbst unter Berücksichtigung der fehlenden Einbeziehung von (Schwer)Verletzten, Traumatisierten und im Sinne des Art. 9 QRL Geschädigten in die vorliegenden Statistiken sowie der Unterstellung einer nachvollziehbaren erheblichen Dunkelziffer und Addition verschiedener Schädigungsformen ist eine in diesem Sinne beachtliche Gefahrendichte nicht feststellbar.

Im Einzelnen stellt sich die Entwicklung wie folgt dar:

Im Jahr 2006 waren nach Schätzung der regierungsunabhängigen (Menschenrechts)organisation Iraq Body Count (IBC) im Irak insgesamt ca. 27.796, im Jahr 2007 noch ca. 24.605 zivile Opfer zu beklagen, was ca. 0,08 % der geschätzten Gesamtbevölkerung entspricht. Im Jahr 2008 sanken die Opferzahlen in der Zivilbevölkerung auf 9.222 (= ca. 0,03 %). Vergleicht man die vom Iraq Body Count geschätzten Zivilopfer für das Jahr 2009 von insgesamt etwa 4.674 zivilen Opfern mit den entsprechenden Zahlen des Vorjahres, so sind die Opferzahlen nochmals um etwa die Hälfte gesunken

vgl. BAMF, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Januar 2010.

Diese Zahlen haben sich - wenngleich es in den verschiedenen Erkenntnisquellen divergierende Angaben gibt - im Jahr 2010 nochmals deutlich verringert.

Auch laut Aussagen des Bundesasylamtes (Österreich)

vgl. Bericht Irak, Die Sicherheitslage in Bagdad vom 26.1.2011,

hat sich bei Auswertung der Statistik des Iraq Body Count (IBC) die Lage 2010 im Vergleich insbesondere zu den Jahren 2006 und 2007 mit hohen Opferzahlen von weit über 27000 und 24000 Toten deutlich verbessert.

Sie verringerte sich im Jahr 2010 auf den bislang tiefsten Stand seit 2003 mit 4028 Opfern.

Allerdings hat sich das Gewaltniveau im Vergleich zu 2009 nicht mehr so stark reduziert, wobei die Zahlen für Dezember 2010 noch nicht endgültig sind. Die monatliche Zahl der toten Zivilisten für 2010 (soweit verfügbar) schwankt zwischen 209 (Dezember 2010) und 517 Toten und im Jahr zuvor zwischen 205 und 585 Toten. Von den getöteten mindestens 4021 Personen (Stand: 30.12.2010 - mittlerweile 4028 Tote) starben 66 % durch Bomben von Aufständischen. Bagdad und Mossul waren weiterhin am meisten von der Gewalt betroffen, aber insgesamt gab es in 13 von 18 Provinzen Anschläge. Hinzu kommt, dass bei großen Bombenanschlägen mindestens dreimal so viele Menschen verletzt wie getötet wurden.

Nach Angaben des Bundesasylamtes, .a.a.O., betont Iraq Body Count selbst den Rückgang der Gewalt. Die Organisation stellt aber auch fest, dass die Reduktion mit ca. 15 % im Vergleich zu 2009 viel niedriger war als bei früheren Jahresvergleichen und prognostiziert für die Zukunft eine sich auf niedrigem Niveau haltende vergleichbare Opferzahl.

Die vorgenannte Opferzahl wird in Presseberichten der

SZ vom 31.12.2010, der FAZ vom 31.12.2010 und der FR vom 31.12.2010

gleichfalls unter Berufung auf IBC mit geringfügigen Abweichungen (25.12.2010: 3976 Zivilisten) bestätigt, allerdings wird dort der Jahrestrend als positiv bezeichnet. Nach Ankündigung der USA am 31.8.2010, die Kampfeinsätze einzustellen, habe sich zwischen August und September die Zahl der getöteten Zivilisten halbiert. Insgesamt verlangsame sich der Rückgang zwar, so habe dieser im Jahr 2008 noch 63 % und 2009 50 % betragen. Allerdings weise die IBC darauf hin, dass die innenpolitische Lage im Irak, die derzeit durch eine Regierungsbildung unter Einbindung aller wichtigen und religiösen Kräfte geprägt sei, - bei aller gebotenen Zurückhaltung - Anlass gebe, mit bescheidenem Optimismus ins neue Jahr zu gehen.

Auch laut Angaben des irakischen Gesundheitsministeriums ist die Gesamtzahl der getöteten Zivilisten im Irak gesunken, so seien im Vergleich zum Vorjahr mit 2773 Toten im Jahr 2010 2.505 Menschen bei Anschlägen und anderen Angriffen gestorben

vgl. NZZ vom 3.1.2011.

Bei Auswertung der vorstehend im Einzelnen genannten Erkenntnisquellen und angesichts dieser Opferzahlen ist eine Gefährdungslage für den Kläger in dem Sinne, dass er als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (i.V.m. Art. 15 c QRL) im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt wäre, zu verneinen.

Denn angesichts der Relation der Opferzahlen zur Gesamtbevölkerung ist nicht mit dem hier erforderlichen Grad der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Gefahrendichte im Irak derart hoch ist, dass praktisch jede Zivilperson alleine aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre.

Die Zugehörigkeit des Klägers zur Religionsgemeinschaft der Schiiten wirkt sich weder landesweit noch bezogen auf seine Herkunftsregion gefahrerhöhend aus.

Bei Auswertung der genannten Erkenntnisse kann eine Gefährdungslage für Schiiten im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, die vergleichbar einer Gruppenverfolgung wäre, derzeit nicht angenommen werden.

Bei der dargestellten rückläufigen Entwicklung der Gesamtopferzahlen ist zu berücksichtigen, dass diese Zahlen nicht ausschließlich interkonfessionelle Übergriffe gegen Schiiten beinhalten, sondern auch konfessionelle Übergriffe gegen Sunniten, gegen andere Religions- und Volksgruppen sowie rein kriminelle Verbrechen und völlig ungezielte terroristische Anschläge mit Zufallsopfern, die allein die Destabilisierung der Lage im Irak bezwecken.

Auch muss eine „Dunkelziffer“ nicht in die Zählung eingegangener Fälle ebenso hinzugerechnet werden wie eine unbekannte Anzahl ethnisch-religiöser Übergriffe auf Schiiten, die nicht zum Tod des Opfers geführt haben.

Denn etwa die Dokumentation des Iraq Body Count weist Todesopfer aus, nicht aber (asyl- und abschiebungsrechtlich beachtliche) Menschenrechtsverletzungen wie Verwundungen, Entführungen, Vergewaltigungen und Ähnliches

hierzu BAMF, o.g. Bericht von Januar 2010, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte.

Derartige Menschenrechtsverletzungen werden auch in Berichterstattungen anderer Quellen nicht oder nur selten genannt.

Auszugehen ist davon, dass konfessionell motivierte Anschläge sich weiterhin landesweit ereignen. Dennoch hat nach den vorliegenden Erkenntnissen seit 2007 die Gesamtzahl aller sicherheitsrelevanten Vorfälle in einem signifikanten Maß abgenommen (2007: insgesamt 80 %). Die Zahl der erkennbar konfessionsbezogenen Anschläge, Übergriffe und Vertreibungen hat sodann insbesondere seit 2008 deutlich abgenommen

vgl. Lageberichte des Auswärtigen Amtes vom 28.11.2010 und vom 11.4.2010; EZKS, Bericht vom 20.1.2009 an VG München zu Az. 4 K 08.50041/M 4 K 08.50005.

So lassen sich etwa für das Jahr 2010 im Gegensatz insbesondere zu den Jahren 2006/2007 - relativ gesehen - nur in wenigen Fällen eindeutig Opfer schiitischer Glaubenszugehörigkeit feststellen.

Während etwa in der letzten Novemberwoche 2006 eine Reihe von Selbstmordattentaten im schiitischen Sadr-City in Bagdad verübt wurden, bei denen mindestens 220 Menschen starben und in der ersten Märzwoche 2007 infolge einer ganzen Reihe von Selbstmordattentaten auf schiitische Pilger auf dem Weg nach Kerbala ebenfalls mindestens 220 Menschen getötet und unzählige weitere verletzt wurden, nahmen Anschläge dieser Größenordnung kontinuierlich ab. Zwar kam es im Juni 2007 zu einer zweiten Attacke sunnitischer Terroristen auf die schiitische Moschee in Samarra, der im Gegenzug Angriffe auf Sunniten, etwa in Bagdad folgten. Allerdings nahmen schon diese Ausschreitungen nicht mehr die Ausmaße an wie noch wenige Monate zuvor, und ab November 2007 war erstmals ein klarer Rückgang interkonfessioneller Gewalt zu verzeichnen

hierzu etwa EZKS, Bericht vom 20.1.2009 an VG München, a.a.O..

Andere Erkenntnisquellen bestätigen im Wesentlichen diese Einschätzung und stellen für das Jahr 2010 - insgesamt betrachtet - eine deutlich geringere Anzahl eindeutig gegen Schiiten gerichteter Übergriffe fest.

Am 1.2.2010 wurden bei einem Angriff in Bagdad 57 Schiiten getötet und mehr als 100 verletzt. Am 3.2.2010 kam es in Kerbala bei einem Angriff zu 23 Toten und 147 Verletzten, am 5.2.2010 ebenfalls in Kerbala zu 42 Toten und 150 Verletzten

hierzu BAMF, Briefing Notes vom 8.2.2010.

Anfang April 2010 wurden südlich von Bagdad in Arab Jabour 6 Schiiten getötet

hierzu BAMF, Briefing Notes vom 6.4.2010.

Mitte April wurde zwar ein Anschlag auf schiitische Heiligtümer vereitelt, jedoch waren bei mehreren weiteren Anschlägen Todesopfer und Verletzte zu verzeichnen.

In Bagdad wurden bei einem Al Quaida zugeschriebenen Anschlag 69 Schiiten getötet

hierzu BAMF, Briefing Notes vom 26.4. und vom 19.4.2010.

Am 8.7.2010 wurden in Bagdad 70 Menschen getötet, davon 12 Schiiten, am 21.7.2010 kamen in Diyala 28 Schiiten ums Leben

hierzu BAMF, Briefing Notes vom 12.7. und 26.7.2010.

Ebenfalls in der Provinz Diyala wurden bei einem Anschlag am 29.10.2010 mehr als 30 Schiiten getötet

hierzu BAMF, Briefing Notes vom 2.11.2010.

Im November 2010 war die Zahl der Zivilopfer im 3. Monat in Folge rückläufig, sie fiel von 185 Toten im September und 120 Toten im Oktober auf 105 Tote im November, ohne dass diese eindeutig zuzuordnen sind

vgl. BAMF, Briefing Notes vom 6.12.2010.

Nach US-Angaben ist zuletzt durchschnittlich von 15 Anschlägen pro Tag mit einer unterschiedlichen Anzahl von Getöteten und/oder Verletzten auszugehen, die sich häufig nicht eindeutig zuordnen lassen

vgl. BAMF, Briefing Notes vom 4.10.2010.

Die (Gesamt-)Opferzahlen bis Mai 2011, belaufen sich, soweit bislang bekannt, auf mindestens 469 Tote und 496 Verletzte.

Die meisten Toten und Verletzten gab es im Januar/Februar 2011 bei Anschlägen auf schiitische Pilger in der Nähe von Kerbala (mindestens 45 Tote und 150 Verletzte) und Samarra (50 Tote, 80 Verletzte)

hierzu BAMF, Briefing Notes vom 7.3.2011, FR und taz vom 21.1.2011, FAZ vom 21. und 25.1.2011, NZZ vom 28.1.2011 und FR vom 14.2.2011, SZ vom 14.2.2011; zu den bisherigen Gesamtopferzahlen BAMF, Briefing Notes vom 17.1.2011, vom 14.3.2011, vom 4.4.2011, vom 11.4.2011, NZZ vom 12.4.2011, FAZ vom 13.4.2011, NZZ vom 18. und 19.4.2011, FAZ vom 30.4. und 6.5.2011.

Legt man bei einer Maximalbetrachtung die von Iraq Body Count festgestellten Zahlen von 4028 Toten für das Jahr 2010 zugrunde, denen nach der dargestellten Auskunftslage nur in wenigen Fällen eindeutig schiitische Glaubenszugehörige zugeordnet werden können, lässt sich - ausgehend von dem unteren geschätzten Wert des Bevölkerungsanteils der Schiiten von 60 %, also ca. 19,2 Millionen Menschen, selbst unter einer Hinzurechnung einer Dunkelziffer von nicht bekannten Todesfällen und Verletzten eine den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts genügende Verfolgungs- bzw. Gefahrendichte zur Überzeugung des Senats nicht feststellen. Aufgrund der kontinuierlich rückläufigen Tendenz solcher Vorfälle und Übergriffe in den vergangenen Jahren, insbesondere ab 2008, ist auch für die absehbare Zukunft eine einer Gruppenverfolgung vergleichbare Gefahrendichte für Schiiten im Irak nicht zu prognostizieren

vgl. hierzu auch VGH München, Urteile vom 24.3.2011 - 20 B 10.30033 und 20 B 10.30017- und Beschluss vom 20.4.2010 - 13 a ZB 10.30631 -, zitiert nach juris.

Die Zugehörigkeit des Klägers zur Gruppe der schiitischen Religionszugehörigen stellt somit kein gefahrerhöhendes Moment im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG dar. Dies gilt insbesondere für den Herkunftsort des Klägers Al Nasria in der Provinz Dhi Qar im Südirak, die nach der o.g. Rechtsprechung bei einer unterstellten - und ihm mit Blick auf die dortige Anwesenheit von Verwandten als potentiellen Leumundszeugen prinzipiell möglichen - Rückkehr des Klägers einer besonderen Betrachtung zu unterziehen ist.

Aus der Auskunftslage ergibt sich, dass der Herkunftsort des Klägers Al Nasria (An Nasiriyah) mit einer Einwohnerzahl von 535.000 Menschen die Hauptstadt der Provinz Dhi Qar im Zentrum der Südregion mit einer (geschätzten) Gesamtbevölkerungszahl von 1.616.226 – 1.687.000 ist. Die Bevölkerung dort besteht ganz überwiegend aus Schiiten. Laut Berichten des Iraq Body Count wurden im Jahr 2008 in der Provinz Dhi Qar 7 Vorfälle registriert, bei denen es zu 31 Toten kam. Hierbei kam es bei einem Anschlag im Januar zu 10 Toten, einem weiteren im März zu 9 Toten und nach einem Vorfall im August zu 9 Toten. Dies bedeutet eine Opferzahl von 2 Toten auf 100.000 Einwohner. Im Jahr 2009 wurden bei einem Anschlag 35 Menschen getötet, das bedeutet pro 100.000 Einwohner eine Opferzahl von 2,2 Toten. Für das Jahr 2010 liegen speziell auf diese Provinz bezogen keine verlässlichen konkreten Angaben vor. Wenngleich im Vergleich zum Jahr 2008 für 2009 ein leichter Anstieg der Opferzahlen festzustellen ist, ist zu gewichten, dass dieser auf einen einzigen Anschlag im ganzen Jahr mit einer höheren Opferzahl zurückzuführen ist. Eine relevante Erhöhung der zu beklagenden Opfer für das Jahr 2010 und die ersten fünf Monate 2011 lässt sich hieraus - auch unter einer Einrechnung einer Dunkelziffer - nicht prognostizieren. Zu sehen ist, dass die Provinz Dhi Qar neben den Provinzen Dohuk und Muthanna, die keine Todesopfer zu verzeichnen haben, und den Provinzen Maysan, Sulaimaniya, Najaf, Basra und Qadissiya zu den vergleichsweise ruhigsten Provinzen im Irak gehört

vgl. hierzu BAMF, Irak, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Januar 2010.

Eine im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG relevante Gefährdung mit Blick auf seine schiitische Religionszugehörigkeit, die dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen würde, ist daher nicht anzunehmen. Seine Zugehörigkeit zur Gruppe der Schiiten bei einer Rückkehr in seine Heimatregion Dhi Qar, die schiitisch dominiert wird, wirkt sich erkennbar nicht gefahrerhöhend aus.

Darüber hinaus sind zahlreiche irakische Städte bzw. Stadtviertel, insbesondere Bagdad, inzwischen konfessionell homogen. So stellen in Bagdad im Stadtteil Al-Kadhimiya die Schiiten 75 % der Bevölkerung, im Stadtteil Karrada 80 % der Bevölkerung, im Stadtteil Al Jadriya 70 %, in Sadr City ist die Bevölkerung ausschließlich schiitisch, in Hurriya City sind 80 % der Bevölkerung Schiiten, in Bagdad al Iadida, 80 % - 95 %, ebenso in Al-Shu’ala und Al Baya

vgl. hierzu EZKS an VG München vom 20.1.2009 zu Az. M 4 K 08.50041 u.a.

Sunniten wie Schiiten können dort, wo ihre konfessionelle Gruppe in der Mehrheit ist, relativ sicher vor konfessioneller Verfolgung leben. Daher könnte sich der Kläger abgesehen von seiner Heimatregion in weitere entsprechende Siedlungsgebiete im Zentralirak begeben.

Auch die von dem Kläger geltend gemachte (angebliche) frühere Mitgliedschaft in einer Jugendorganisation (Schülerverein) mit Verbindung zur Irakischen Kommunistischen Partei wirkt sich aus Sicht des Senats nicht gefahrerhöhend aus.

Angesichts der vagen, zum Teil ungereimten und in sich widersprüchlichen Aussagen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, die teilweise von seinen Angaben insbesondere im Verwaltungsverfahren abweichen, hat der Senat bereits Zweifel an der von ihm behaupteten Nähe oder sogar Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei Iraks. So hatte der Kläger bei seiner Anhörung im Januar 2003 noch angegeben, dem „Schülerverein“ mit Verbindung zur Irakischen Kommunistischen Partei nicht angehört, sondern nur unter Einwirkung von Folter solches ausgesagt zu haben. Die ursprünglich für das Jahr 1972 behauptete Festnahme wegen dieser angeblichen Mitgliedschaft (als immerhin einschneidendes Verfolgungserlebnis) konnte er bei seiner Befragung durch den Senat ebenso wie das Jahr der (angeblichen) Hinrichtung seines Vaters wegen dessen Eintretens für die Kommunistische Partei nicht eindeutig festlegen und gab insoweit unterschiedliche Jahreszahlen (1970, 1973 und 1979) an. Auf konkrete diesbezügliche Nachfragen und Vorhalte wich er darauf aus, nunmehr 53 Jahre alt zu sein und sich nicht genau erinnern zu können. Außer der vorerwähnten in jedem Falle lange zurückliegenden Inhaftnahme gab er keine weitere konkrete Festnahme und/oder deren Hintergrund an, sondern berief sich darauf, Spezialeinheiten hätten Regimegegner und ihn und seine Familie attackiert, weshalb er sich ab dem Jahr 1990 bis zu seiner Ausreise im Januar 2003 weitgehend versteckt gehalten habe. Letzter Anlass für die Ausreise sei ein gegen Schiiten allgemein gerichtetes Bombardement am 16.12.2003 gewesen. Auf weitere - wiederholte - Nachfragen legte der Kläger sich schließlich darauf fest, von 1990 bis zu seiner Ausreise nicht inhaftiert gewesen und gab im übrigen selbst an, seit 20 Jahren keinen Kontakt mehr zur Kommunistischen Partei gehabt zu haben.

Vor dem Hindergrund der Erkenntnisse des Senats ist davon auszugehen, dass dem Kläger - selbst wenn man ungeachtet der dargestellten Zweifel die von ihm behaupteten jahrelang zurückliegenden Kontakte zur Kommunistischen Partei Iraks als wahr unterstellt - im Rückkehrfall aktuell weder von staatlicher noch von nicht-staatlicher Seite mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine erhebliche individuelle Bedrohung i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 lit. c QRL zu erwarten hätte.

Die Irakische Kommunistische Partei wurde im Jahr 1934 gegründet. Sie war vor der Machtergreifung der Baath-Partei im Jahr 1968 und vor der Übernahme der „persönlichen“ Regierungsgewalt durch Saddam Hussein im Jahr 1978 zunächst eine einflussreiche Organisation, wurde aber seit Ende der 70er Jahre zunächst in den Untergrund gedrängt, sodann unter der Regierung Saddams völlig verboten und unnachsichtig verfolgt, und ist dann nach der Intifada des Jahres 1991 in die kurdischen Gebiete im Norden des Landes ausgewichen. In dem zentralirakischen Gebiet, das unter der Herrschaft Saddam Husseins stand, haben sich Aktivitäten der Irakischen Kommunistischen Partei spätestens seit Ende der 80er Jahre nicht mehr belegen lassen. Seit Mitte der 80er Jahre war sie nur noch im Norden aktiv. Im Jahre 1993 erfolgte dort die Gründung einer Kurdischen Kommunistischen (Arbeiter)Partei, die letztlich der reduzierten und in die kurdischen Gebiete immigrierten Führung der Irakischen Kommunistischen Partei entsprach.

Die „klassische“ Kommunistische Partei Iraks mit ihrer Parteizeitung Al-Tariq (Der Weg) ist heute offiziell erlaubt und nimmt aktiv am politischen Leben Iraks teil. Sie gehört zu dem säkularen Spektrum der irakischen Politik, die einen demokratischen, freiheitlichen Einheitsstaat jenseits ethnischer und religiöser Gruppengrenzen fordert. Die Partei befindet sich wegen ihrer wenngleich nicht antireligiösen, aber die Religion nicht als wertbildender Unterschied oder staatenbildende Regelungsmaterie ansehenden Eigenart zwar in Konflikt mit Islamisten. Dennoch gibt es nach den Erkenntnissen des Deutschen Orient - Instituts (im Folgenden DOI) nur einen einzigen Vorfall im November 2005, in dem eine konkret feststellbare Auseinandersetzung zwischen Islamisten und irakischen Kommunisten in Bagdad stattgefunden hat, bei welchem zwei kommunistische Beteiligte getötet wurden. Wenngleich eine Gefährdung seitens privater Gruppierungen - etwa islamistischer Prägung - daher nicht völlig auszuschließen sei, sei davon auszugehen, dass die Kommunistische Partei ihre kommunistisch-linksextremistische Herkunft aufgegeben habe, keine bewaffnete Macht mehr darstelle und deswegen in bewaffneten Auseinandersetzungen keine Rolle mehr spiele. Hieraus folgt nach Einschätzung des DOI, dass Islamisten sich derzeit für Kommunisten konkret und persönlich nur wenig interessieren. Eine staatliche Verfolgung wegen einer (früheren) Mitgliedschaft ist aktuell nicht mehr zu befürchten. Schon kurze Zeit nach dem Sturz Saddam Husseins durften Anhänger der Kommunistischen Partei Iraks - erstmals seit 35 Jahren - in Bagdad demonstrieren. Im Übrigen würde eine frühere Tätigkeit im Rahmen der Kommunistischen Partei unter den heutigen Umständen als „Widerstand gegen Saddam“ betrachtet und würde sich nicht schädigend für den Betroffenen auswirken. Auch die Tatsache, dass ein Asylbewerber aus einer linken oder auch kommunistischen Familie kommt und Verwandte von dem damaligen Regime umgebracht wurden, hat heute nach Angaben des DOI keine Auswirkungen mehr

vgl. hierzu DOI an VGH München vom 7.11.2006 - 2150 al/br -, vom 6.10.2006 an VG Göttingen - 2143 al/br - und vom 5.5.2000 an VG Dresden - 625 al/br -, FR vom 15.7.2003.

Dem EZKS sind trotz intensiver Recherchen ebenfalls keine Fälle bekannt, in denen Personen im Irak aufgrund ihrer früheren Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei Opfer staatlicher oder nichtstaatlicher Gewalt geworden wären. Die Irakische Kommunistische Partei hat nach seinen Feststellungen sowohl an den Wahlen im Januar 2005 als auch an denen im Dezember 2005 teilgenommen - im Januar 2005 war sie der wesentliche Teil eines Parteizusammenschlusses namens „Volksunion Irak“, der allerdings insgesamt nur 0,83 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte und zwei Sitze im irakischen Parlament erhielt. Nach diesem eklatanten Misserfolg - der angesichts der Tatsache, dass die Kommunistische Partei vor ihrer Bekämpfung durch das Baathregime eine außerordentlich einfluss- und mitgliedsreiche Partei gewesen ist, die insbesondere auch unter Schiiten hohen Zulauf hatte, in dieser Deutlichkeit nicht zu erwarten gewesen war - schloss sich die Kommunistische Partei Irak für die Wahlen im Dezember 2005 der Irakischen Nationalen Liste von Allawi an. Die Kommunistische Partei Kurdistan ihrerseits war eine der insgesamt 11 Parteien – unter ihnen auch die beiden großen kurdischen Parteien KDP und PUK – in der Kurdischen Allianz. Die Kommunistische Partei ist somit eine in das allgemeine Parteienspektrum integrierte, aber im Wesentlichen macht- und einflusslose Partei geworden; ihre Mitglieder bzw. ihre ehemaligen Mitglieder sind nach Einschätzung des EZKS keiner speziellen Verfolgung ausgesetzt

vgl. hierzu EZKS an VG Göttingen vom 14.5.2007 zu Az. A 571/05.

Anders ergibt sich auch nicht aus der von dem Kläger vorgelegten Bescheinigung der Kommunistischen Partei Iraks in Dhi Qar vom 13.7.2008. Ungeachtet dessen, dass nach der in der mündlichen Verhandlung erfolgten Übersetzung bei der (angeblichen) Erstürmung des Hauptquartiers der Partei durch Terroristen im Jahr 2006 keine Namenslisten mit eventuellem Hinweis auf den Namen des Klägers aufgefunden wurden und hinsichtlich der dort aufgeführten getöteten Verwandten des Klägers sich erhebliche Abweichungen und Ungereimtheiten ergeben, vermag diese Bescheinigung zur Überzeugung des Senats angesichts der dargestellten Erkenntnislage zur Gefährdung von Anhängern der Kommunistischen Partei Iraks und insbesondere angesichts des Umstandes, dass der Kläger nach eigenem Bekunden seit 20 Jahren keinerlei Kontakt zu dieser hatte, keine ihn betreffende Gefährdungssituation zu belegen.

Eine Gefährdung wegen der von dem Kläger behaupteten ehemaligen Mitgliedschaft in einer mit der Kommunistischen Partei in Verbindung stehenden Jugendorganisation ist mithin als gefahrerhöhendes Moment im Rahmen der Prüfung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zu verneinen. Sonstige gefahrerhöhende Momente in der Person des Klägers sind nicht geltend gemacht oder sonst ersichtlich.

Danach kann ein Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht angenommen werden.

Auch ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt in seiner Person nicht vor.

Nach dieser Regelung soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Vorschrift gewährt Schutz bei Gefahren, die nicht bereits vom Regelungsbereich der vorangegangenen Absätze erfasst werden. Sie betrifft nur solche Gefahren, die sich aus der Unzumutbarkeit des Aufenthalts im Zielland für diesen Ausländer herleiten und ausschließlich dort drohen (zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote). Unerheblich ist, ob die Gefahren von staatlichen oder nichtstaatlichen Akteuren ausgehen oder wodurch sie hervorgerufen werden. Zu diesen Gefahren für den Ausländer zählen auch die Existenzbedingungen im Zielstaat.

Zu unterscheiden ist die erhebliche konkrete Gefahr, die den Ausländer (allein) aus individuellen Gründen betrifft und die Gefahr, die - wenn auch in individualisierbarer Weise - aus allgemeinen Gefahren herrührt. Der Ausdruck „erheblich“ bezieht sich dabei auf die Gefährdungsintensität. Zusätzlich wird durch das Element der „konkreten Gefahr“ für „diesen“ Ausländer das Erfordernis einer einzelfallbezogenen und individuell bestimmten Gefährdungssituation aufgestellt

hierzu Huber, AufenthG, § 60 Rdnr. 105 m.w.N..

Vorliegend kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger bei Rückkehr in sein Heimatland aus allein in seiner Person liegenden individuellen Gründen einer beachtlichen Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt sein würde.

Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fallen die sich aus den genannten Erkenntnisquellen ergebenden schwierigen Existenzbedingungen einer Vielzahl von Irakern, insbesondere hinsichtlich der Erlangung eines Arbeitsplatzes und der Sicherstellung allgemeiner und medizinischer Versorgung, auch wenn sie den einzelnen Ausländer in individualisierbarer Weise betreffen sollten, hinsichtlich des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen prinzipiell nicht in die Entscheidungszuständigkeit des Bundesamtes. Bei derartigen - auch erheblichen - Gefährdungen ist die Anwendbarkeit des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG - anders als im Rahmen des hier verneinten § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG - durch Satz 3 der Vorschrift „gesperrt“, wenn diese Gefahren zugleich einer Vielzahl anderer Personen im Abschiebungszielstaat drohen

hierzu BVerwG, Entscheidungen vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 - u.a.; vom 23.8.2006 - 1 B 60.06 -, Urteil vom 8.112.1998 - 9 C 4.98 - u.a., sowie grundlegend bereits BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 -, NVwZ 1996, 199 zu der nahezu wortgleichen Bestimmung des § 53 Abs. 6 AuslG, zitiert nach juris.

Fehlt eine derartige Entscheidung nach § 60 a Abs. 1 AufenthG, ist aus verfassungsrechtlichen Gründen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Einzelfallentscheidung nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AuslG mit Blick auf Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ausnahmsweise dann zulässig und geboten, wenn die obersten Behörden der Bundesländer trotz einer – landesweiten - extremen Gefahrenlage von ihrer Ermessensermächtigung aus § 60 a AufenthG keinen Gebrauch gemacht haben (sog. „verfassungskonforme Überwindung der Sperrwirkung“)

vgl. auch hier BVerwG, Entscheidungen vom 29.6.2010 - 10 C 9.09 und 10 C 10.09 - und vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 -, zitiert nach juris.

Eine derartige landesweite Extremgefahr hat der Senat bereits in seinem - den Beteiligten bekannten - Urteil vom 29.9.2006 - 3 Q 6/06 - verneint. Eine durchgreifende Änderung der dort dargestellten allgemeinen Lebensverhältnisse zu Lasten des Klägers, ist nicht erkennbar. Derartiges wird von dem Kläger auch nicht vorgetragen.

Insoweit kann mit Blick auf die Frage einer Extremgefahr im Wesentlichen auf die Ausführungen im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG verwiesen werden.

Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die allgemeine Versorgungslage im Irak.

Zwar ergibt sich aus der Auskunftslage,

vgl. hierzu insbesondere Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 28.11.2010; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak vom 5.11.2009, UNHCR an Hess.VGH vom 16.9.2009

dass sich im Irak Einschränkungen beim Zugang zu Lebensmitteln, Unterkunft, Grundversorgungsdienstleistungen (wie Wasser, Strom), Einkommen, Beschäftigung, medizinischer Versorgung und Bildung feststellen lassen, die nach Einschätzung des UNHCR dazu führen, dass ein relativ normales Leben nicht geführt werden kann. Das 1995 eingeführte System zur Verteilung von Nahrungsmitteln (Public Distribution System) hat sich seit 2003 verschlechtert, viele Menschen erhalten nicht die festgelegte Ration, die Qualität der Nahrungsmittel ist oft minderwertig, auch kann es zu Schwierigkeiten bei der Erneuerung der Lebensmittelkarten kommen. Indes sind durchgreifende Anhaltspunkte für i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevante Gefahren wie eine drohende Nahrungsmittelknappheit oder eine bevorstehende Hungerkatastrophe nicht zu verzeichnen. Weiterhin fließen internationale Hilfsgelder in den Irak und werden vom Handelsministerium Lebensmittel verteilt. Zudem versucht die irakische Regierung finanzielle Anreize zu gewähren, um ins Ausland geflohene Iraker zu einer Rückkehr zu bewegen. Bis Ende 2008 sind 40.060 Familien zurückgekehrt. Im Jahr 2010 kehrten sodann 118.890 Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge in den Irak bzw. an ihre Heimatorte zurück. Dies waren zwar 40 % weniger als im Jahr 2009, belegt jedoch einen insgesamt aufstrebenden Rückkehrwillen irakischer Flüchtlinge

vgl. zu letzterem UNHCR: Iraq Refuges Return fell from in 2010, vom 28.1.2011.

Ein Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann daher nach allem nicht angenommen werden.

Die Berufung des Klägers wird daher zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83 b AsylVfG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

Gründe

Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 22.1.2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Dem Kläger steht nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) kein Anspruch auf die nach seinem Klageantrag in der mündlichen Verhandlung von ihm allein begehrte Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu.

Der Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG in Bezug auf den Irak ist dahin auszulegen, dass in erster Linie die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (sog. unionsrechtlich begründetes Abschiebungsverbot) und in zweiter Linie die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (sog. nationales Abschiebungsverbot) begehrt wird

vgl. BVerwG, Urteile vom 29.6.2010 - 10 C 10/09 -, vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, jeweils zitiert nach juris.

Die erst im bereits laufenden Gerichtsverfahren am 28.8.2007 in Kraft getretene - hier zu prüfende - Neuregelung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, die der Umsetzung der Regelung über subsidiären Schutz nach Art. 15 lit. c der Richtlinie 2004/83/EG - Qualifikationsrichtlinie (im Folgenden QRL) - dient,

vgl. BVerwG, Urteile vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 - und vom 24.6.2008 - 10 C 43/07 -, zitiert nach juris.

ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden,

vgl. in diesem Zusammenhang BVerwG, Urteile vom 29.6.2010 - 10 C 10.09 - und vom 27.4.2010 - 10 C 4.09 -, zitiert nach juris,

denn die Beklagte hat im angefochtenen Bescheid über sämtliche zielstaatsbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote entschieden und der Kläger hat die neuen, auf Unionsrecht beruhenden Abschiebungsverbote in das anhängige gerichtliche Verfahren einbezogen.

Bei der Prüfung der Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG ist der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Die zum Asylgrundrecht nach Art. 16 a GG in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe, je nach dem, ob der Ausländer seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt ausgereist ist

vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2.7.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, BVerfGE 54, 341, und vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 ff.

haben in die Qualifikationsrichtlinie (QL 2004/83/EG, im folgenden QRL) keinen Eingang gefunden. Der für den Ausländer günstigere sog. herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Sicherheit ist im Rahmen des subsidiären Schutzes nicht anzuwenden. Dieser herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist durch die Nachweiserleichterung in Art. 4 Abs. 4 QRL ersetzt worden, die sowohl für den Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG als auch für den subsidiären Schutz nach der Richtlinie gilt. Diese Nachweiserleichterung ist nach der vom deutschen Gesetzgeber getroffenen Regelung in § 60 Abs. 11 AufenthG auch im Rahmen der unionsrechtlich vorgezeichneten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG anzuwenden. Als Prognosemaßstab gilt daher für diese Abschiebungsverbote - ebenso wie für die sonstigen rein nationalen Abschiebungsverbote - allein der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit

vgl. BVerwG, Urteile vom 27.4.2010 - 10 C 5.09 - und vom 7.9.2010 - 10 C 11.09 -, siehe auch OVG Münster, Urteil vom 17.8.2010 - 8 A 4063/06.A -, jeweils zitiert nach juris.

Nach Art. 4 Abs. 4 QRL i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 5, Abs. 11 AufenthG ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Die genannten Bestimmungen privilegieren somit den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung

vgl. OVG Münster, Urteil vom 17.8.2010 - 8 A 4063/06.A -, zitiert nach juris.

Die Vorschrift des Art. 4 Abs. 4 QRL begründet mithin für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer Verfolgung oder einem sonstigen ernsthaften Schaden bedroht sind. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit einer Verfolgung bzw. des Eintritts eines sonstigen ernsthaften Schadens entkräften. Dies ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen

vgl. BVerwG, Urteile vom 27.4.2010 - 10 C 5.09 - und vom 7.9.2010 - 10 C 11.09 - m.w.N., zitiert nach juris.

Geht es um die Anwendung des Art. 4 Abs. 4 QRL bei der Feststellung eines unionsrechtlich vorgezeichneten subsidiären Abschiebungsverbots, greift die Vermutung nach dieser Vorschrift ein, wenn der Antragsteller vor seiner Ausreise aus dem Heimatland einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 der Richtlinie erlitten hat oder unmittelbar von einem solchen Schaden bedroht war

zum Begriff der Vorschädigung vgl. BVerwG, Urteil vom 27.4.2010 - BVerwG 10 C 4.09 -, zitiert nach juris.

Eine Vorverfolgung im flüchtlingsrechtlichen Sinne reicht für das Eingreifen der Vermutung im Rahmen des subsidiären Schutzes daher nur dann aus, wenn in ihr zugleich ein ernsthafter Schaden im Sinne des Art. 15 QRL liegt, etwa wenn die Verfolgungsmaßnahme in Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung besteht. Außerdem setzt die Vermutung nach Art. 4 Abs. 4 QRL einen inneren Zusammenhang zwischen der Vorschädigung und dem befürchteten künftigen Schaden voraus

vgl. BVerwG, Urteil vom 27.4.2010 - BVerwG 10 C 4.09 -, zitiert nach juris.

Denn die der Vorschrift zu Grunde liegende Vermutung, erneut von einer Verfolgung oder einem sonstigen ernsthaften Schaden bedroht zu sein, beruht wesentlich auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung - bei gleichbleibender Ausgangssituation - aus tatsächlichen Gründen naheliegt. Es ist deshalb im Einzelfall jeweils zu prüfen und festzustellen, auf welche tatsächlichen Schadensumstände sich die Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 QRL erstreckt

vgl. OVG Münster, Beschluss vom 29.10.2010 - 9 A 3642/06.A - m.w.N., zitiert nach juris.

Die bereits erlittener Verfolgung gleichzustellende unmittelbar drohende Verfolgung setzt eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen musste

vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2009 - 10 C 24.08 - m.w.N., zitiert nach juris.

Aus den in Art. 4 QRL geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Schutzsuchenden folgt, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er ist gehalten, unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung im genannten Sinne droht. Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Das Gericht muss dabei die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten individuellen Schicksals und von der Richtigkeit der Prognose drohender politischer Verfolgung gewinnen. Aufgrund der Beweisschwierigkeiten, in den sich der Schutzsuchende hinsichtlich der asylbegründenden Vorgänge im Heimatland regelmäßig befindet, muss sich das Gericht jedoch mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig ausgeschlossen werden können

vgl. BVerwG vom 16.4.1985 - 9 C 109.84 -, zitiert nach juris.

Hiervon ausgehend liegen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG im Falle des Klägers nicht vor.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.

Die von dem Kläger in seiner Berufungsbegründung vom 5.1.2009 angesprochenen Zweifelsfragen zur Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und des Art. 15 lit. c QRL, insbesondere des Verständnisses des von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG verwendeten Begriffs der „erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben“ der „ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit“ im Sinne des Art. 15 lit. c QRL sind durch die inzwischen ergangenen Urteile

des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 -, vom 27.4.2010 - 10 C 5.09 -, jeweils zitiert nach juris, sowie durch Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17.2.2009 - C-465/07 -, EuGRZ 2009, 111

nunmehr hinreichend geklärt. Die von ihm aufgeworfene Frage, ob § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes nach Art. 15 lit. c der Richtlinie eine Sperrwirkung entfaltet, ist durch das o.g. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.6.2008, a.a.O., ebenfalls in dem Sinne geklärt, dass § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 15 c QRL keine Sperrwirkung entfaltet.

Nach der o.g. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann sich eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, die zugleich die entsprechenden Voraussetzungen des Art. 15 lit. c QRL erfüllt, auch aus einer allgemeinen Gefahr für eine Vielzahl von Zivilpersonen im Rahmen eines bewaffneten Konflikts ergeben, wenn sich die Gefahr in der Person des Ausländers verdichtet. Eine derartige Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann sich insbesondere aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann aber unabhängig davon ausnahmsweise auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre

in diesem Sinne auch EuGH, Urteil vom 17.2.2009 - C - 465/07 -; vgl. dazu auch OVG Münster, Urteil vom 29.10.2010 - 9 A 3642/06.A -.

Der innerstaatliche bewaffnete Konflikt muss sich dabei nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken

vgl. BVerwG, Urteil vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, a.a.O..

Besteht ein bewaffneter Konflikt mit der beschriebenen Gefahrendichte nicht landesweit, kommt eine individuelle Bedrohung allerdings in der Regel nur in Betracht, wenn der Konflikt sich auf die Herkunftsregion des Antragstellers erstreckt, in die er typischerweise zurückkehren wird

vgl. EuGH, Urteil vom 17.2.2009, a.a.O..

Auf einen bewaffneten Konflikt außerhalb der Herkunftsregion des Ausländers kann es nur ausnahmsweise ankommen. Nach Art. 2 lit. e QRL muss der Ausländer bei einem regional begrenzten Konflikt außerhalb seiner Herkunftsregion vielmehr stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass für ihn eine Rückkehr in seine Herkunftsregion ausscheidet und nur eine Rückkehr gerade in die Gefahrenzone in Betracht kommt.

Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich für den Kläger eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Irak bzw. in dessen Teilen, insbesondere in seiner Herkunftsregion in der Provinz Dhi Qar nicht mit dem hier erforderlichen Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit feststellen.

Ob die aktuelle allgemeine Lage im Irak und insbesondere in Al Nasria, der Herkunftsstadt des Klägers in der Provinz Dhi Qar, überhaupt die Annahme eines landesweiten internationalen oder innerstaatlichen oder auch nur regionalen bewaffneten Konflikts im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG rechtfertigen kann, kann offenbleiben

ebenso offengelassen zum landesweiten Konflikt etwa OVG Münster, Urteil vom 29.10.2010 - 9 A 3642/06.A -, VGH München, Urteil vom 24.3.2011 - 20 B 10.30033 -, und VGH Mannheim, Urteil vom 12.8.2010 - A 2 S 1134/10 - zitiert nach juris.

Denn jedenfalls fehlt es vorliegend an der geforderten erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben des Klägers als Angehöriger der Zivilbevölkerung mit Blick auf die allgemeine Lage. Individuelle gefahrerhöhende Momente in seiner Person sind weder mit Blick auf seine schiitische Religionszugehörigkeit noch unter dem Aspekt der von ihm geltend gemachten früheren Mitgliedschaft in einer Jugendorganisation mit Verbindung zur Kommunistischen Partei Iraks anzunehmen

Der Kläger kann sich auch auf die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL nicht berufen. Hinsichtlich einer eventuellen Vorverfolgung wegen seiner schiitischen Religionszugehörigkeit, die ausweislich der Feststellungen in den Entscheidungen des VG vom 25.10.2005 - 12 K 109/05.A - und des OVG vom 17.11.2006 - 3 Q 39/06 - bereits zweifelhaft ist, wird die Vermutung eines erneuten ernsthaften Schadenseintritts nämlich angesichts der aktuellen Erkenntnisse über die (nachfolgend zu schildernde) Verfolgungssituation der Schiiten im Irak widerlegt. Gleiches gilt, wenn man zu seinen Gunsten unterstellt, dass es zu den von ihm geltend gemachten Bedrohungen im Irak wegen seiner Mitgliedschaft in einer Jugendorganisation mit Verbindung zu der Irakischen Kommunistischen Partei gekommen ist. Insoweit ist bereits der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderliche Zusammenhang zwischen der geltend gemachten (Vor-)Verfolgung und dem befürchteten künftigen Schaden sowie mit dem Zweck des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 c QRL, den Schutz des Betroffenen vor Gefahren im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts sicherzustellen, nicht erkennbar.

Auszugehen ist nach den vorliegenden Erkenntnissen von einer immer noch instabilen Sicherheitslage im Irak.

Nach den Feststellungen des Auswärtigen Amtes

in seinem jüngsten Lagebericht vom 28.11.2010

hat sich die Sicherheits- und Menschenrechtslage im Irak zwar in den letzten Jahren erheblich verbessert, sie ist aber - außer in der auf Grundlage von Art. 114 der Verfassung i.V.m. dem Gesetz vom 11.10.2006 anerkannten Region Kurdistan-Irak (KRG), wo sowohl die Sicherheitslage (auch für religiöse Minderheiten) als auch die Versorgungslage deutlich besser ist als im Rest des Landes - immer noch prekär. Nichtstaatliche Akteure, insbesondere Aufständische, sind für viele Menschenrechtsverletzungen im Irak verantwortlich. Angehörige staatlicher Organe (Polizei, Streitkräfte) begehen ebenfalls Menschenrechtsverletzungen. Die irakischen Sicherheitskräfte sind nach dem Abzug der US-Kampfverbände am 31.8.2010 nicht in der Lage, gefährdete oder verfolgte Bevölkerungsgruppen effektiv zu schützen.

Trotz einer signifikanten Abnahme der sicherheitsrelevanten Vorfälle seit Frühsommer 2007 sind nach Angaben des Auswärtigen Amtes auch im Jahresverlauf 2010 landesweit immer noch wöchentlich etwa 200 Anschläge festzustellen, mit einer - bei zum Teil großen Schwankungen im Einzelnen - nennenswerten Zahl von Todesopfern. Schwerpunkte terroristischer Anschläge bleiben weiterhin Bagdad und der Zentralirak, der Nordosten (Diyala, Salahaddin) sowie die Provinzen Tamin mit der Hauptstadt Kirkuk und Ninive mit der Hauptstadt Mossul.

Im schiitisch dominierten und heterogeneren Südirak hingegen gibt es weniger Anschläge als im Zentralirak. Anschläge ereignen sich jedoch auch in südirakischen Städten wie Hilla, Nadschaf, Kut und Basra.

Hinsichtlich religiöser Minderheiten und Gruppierungen stellt das Auswärtige Amt trotz der (formal) verfassungsrechtlichen Gleichberechtigung Maßnahmen von Diskriminierung und Verfolgung fest, in die selbst Angehörige der schiitischen Mehrheits-Bevölkerung einbezogen werden.

Eine unmittelbare Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nach Aussage des Auswärtigen Amtes allerdings nicht systematisch statt.

Mit dem Anschlag vom 22.2.2006 auf das schiitische Heiligtum in Samarra und den darauf folgenden wechselnden Vergeltungsaktionen begannen nach Feststelllungen des Auswärtigen Amtes im Irak bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen zwischen den Angehörigen der (sunnitischen und schiitischen) Konfessionen mit monatlich Tausenden von Toten. Durch das Eingreifen der Regierung gegen schiitische Milizen einerseits und die veränderte Strategie der US-Streitkräfte gegenüber den sunnitischen Stämmen andererseits wurde diese Entwicklung aber weitestgehend gestoppt. Es ist nach Feststellungen des Auswärtigen Amtes gelungen, die Gefahr eines offenen Bürgerkriegs zwischen der jahrzehntelang diskriminierten schiitischen Mehrheit und der bisherigen sunnitischen Führungsschicht abzuwenden. Seit dem Durchgreifen der Regierung gegenüber schiitischen Milizen ist eine politische Annäherung zwischen Teilen des sunnitischen und schiitischen Spektrums zu verzeichnen, wenngleich bis in die jüngste Zeit radikale Täter - bislang allerdings erfolglos - immer wieder durch gezielte Anschläge auf Vertreter der jeweils anderen Gruppe versuchen, den Kreislauf der Vergeltung „anzuheizen“.

Eine konkrete verlässliche Bewertung der Sicherheitslage für rückkehrende Flüchtlinge und Binnenvertriebene ist nach Aussage des Auswärtigen Amtes sehr schwierig, da sich aus der Befragung von Rückkehrern ein uneinheitliches und fragmentarisches Bild ergibt. Danach ist die Sicherheit von Rückkehrern von einer Vielzahl von Faktoren abhängig - u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung, den Verhältnissen am Ort der Rückkehr - und kann sich sogar von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Nach wie vor können Rückkehrer Ziel von allgemeiner Gewaltkriminalität, Bedrohungen und Anschlägen sein, insbesondere in Gegenden, in denen ihre Ethnie, bzw. religiöse Gruppierung nicht die Mehrheit darstellt.

Die im Lagebericht vom 28.11.2010 dargestellte allgemeine Sicherheitslage hat sich nach den Angaben des Auswärtigen Amtes bis in die jüngste Zeit

vgl. Reisewarnung, Stand 24.2.2011

fortgesetzt. So kommen insbesondere in Bagdad und den nördlich angrenzenden Provinzen Diyala, Ninive, Salah-Al-Din und Tamin monatlich immer noch mehrere hundert Menschen bei Anschlägen und Feuergefechten ums Leben.

In den westlichen Provinzen sowie im schiitischen Süden des Landes ist - wenngleich auch hier Anschläge und Entführungen nicht ausgeschlossen werden können – hingegen eine Stabilisierung der Sicherheitssituation zu verzeichnen.

In eine positive Richtung weisen ferner die nach Erstellung des (jüngsten) Lageberichts des Auswärtigen Amtes vom 28.11.2010 eingegangenen Erkenntnisse zur politischen Lage hin, insbesondere über die Einbindung der im Irak konkurrierenden Gruppierungen in die jetzige Regierung.

Am 21.12.2010 wurde eine neue Regierung unter dem früheren Premierminister al Maliki gebildet. Al Maliki und seiner Partei Nationale Allianz ist es gelungen, ein Regierungsbündnis zu bilden, das auch politische Gegner einbezieht, wie etwa die al-Iraquia Partei des säkularen Schiiten Alawi sowie die Anhänger von al-Sadr. Die säkulare al-Iraquia-Partei, die von vielen Sunniten unterstützt wurde, erhält zehn und die schiitische al-Sadr Bewegung acht Ministerposten. Auch die Kurden stellen Minister, so dass die drei größten Bevölkerungsgruppen in der Regierung re-präsentiert sind

vgl. BAMF, Briefing Notes vom 27.12.2010, taz 5.5.2011.

Dies könnte sich jedenfalls auf längere Sicht - durchaus „befriedend“ auf die interkonfessionellen Auseinandersetzungen auswirken und zu deren weiterer Abnahme beitragen .

Auch nach den Ausführungen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (im Folgenden SFH)

Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak - Update vom 5.11.2009 -

hat sich die Sicherheitslage im Zentral- und Südirak seit 2007 bedeutend verbessert, die Gewalt von sunnitischen und schiitischen Extremisten und Aufständischen im Vergleich zu 2006 oder 2007 abgenommen. Dennoch komme es weiterhin zu Anschlägen auf Militär, Polizei und Zivilisten. Wenn auch die militanten Gruppierungen geschwächt seien, seien sie jedoch noch immer in der Lage, Anschläge mit hohen Opferzahlen zu verüben. Bombenanschläge, Selbstmordanschläge und Sprengfallen gegen die Zivilbevölkerung führten zu Hunderten von Toten.

Auch im Jahr 2009 richteten sich Anschläge häufig gegen Minderheiten und Schiiten. Gezielten Anschlägen fielen auch nach Einschätzung der SFH vor allem Sicherheitspersonal, Beamte, religiöse und politische Führer, spezielle Berufsgruppen wie Journalisten, Lehrer, medizinisches Personal, Richter und Anwälte, aber auch Minderheiten zum Opfer.

In Übereinstimmung hiermit stellt auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden BAMF) in seiner Dokumentation

Irak, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Januar 2010

unter Berufung auf die CSIS (Center for Strategie und International Studies) von November 2009 sowie auf das US. Department of Defense von September 2009 fest, dass sich die Sicherheitslage im Irak insgesamt spürbar verbessert hat.

Laut der im o.g. Bericht angeführten Erkenntnisse der britischen Nichtregierungsorganisation Iraq Body Count, die seit dem Einmarsch der Koalitionsstreitkräfte in den Irak die Verluste unter der irakischen Zivilbevölkerung zählt, haben sich diese seit 2008 drastisch reduziert und sind im Jahr 2009 auf den niedrigsten Stand seit 2003 gefallen.

Amnesty international (im Folgenden ai) kommt ebenfalls zu dem Ergebnis

vgl. etwa ai-Report 2010,

dass die Gewalt im Irak seit 2009 abgenommen hat. Dennoch seien Regierungstruppen und bewaffnete politische Gruppierungen verantwortlich für schwere Menschenrechtsverletzungen wie Entführungen, Folter und Mord gewesen. Mit Selbstmordanschlägen und Attentaten an öffentlichen Orten sollten laut Angaben von ai offenbar gezielt Zivilisten getroffen werden. Viele Anschläge würden von Al Quaida und von sunnitischen Gruppen, aber auch schiitischen Milizen verübt. Unter den Opfern befänden sich Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten, Journalisten, Homosexuelle und andere Zivilpersonen.

Schließlich stellt auch der UNHCR in seinem Positionspapier

zum Schutzbedarf irakischer Asylbewerber und zu den Möglichkeiten der Rückkehr irakischer Staatsangehöriger in Sicherheit und Würde vom 13.5.2009

fest, dass sich die Lage - gerade - in den südirakischen Provinzen (u.a. Dhi Qar) sowie in der zentralirakischen Provinz Anbar seit Ende 2007 verbessert habe. Es hätten Entwicklungen stattgefunden, die darauf hindeuteten, dass die Situation vor allem nicht mehr von jener allgegenwärtigen Gewalt gekennzeichnet sei, die die Grundlage für die bisherige Position zum Schutzbedarf irakischer Staatsangehöriger aus diesen Gebieten gebildet habe. Asylanträge von Schutzsuchenden aus den südirakischen Provinzen sollten daher - im Gegensatz zu der früheren Empfehlung einer generellen Schutzbedürftigkeit von Schutzsuchenden aus dem Irak - nunmehr unter Berücksichtung des individuellen Verfolgungsschicksals entschieden werden.

Nach Feststellungen des UNHCR

in einer weiteren Stellungnahme vom 16.9.2009 an den Hessischen VGH

ist eine zentrale Ursache für die Verbesserung der Sicherheitslage und den Rückgang der Gewalt im Irak in der weitgehenden Entflechtung der Bevölkerung des Landes zu sehen. So habe sich seit den Bombenanschlägen auf die Goldene Moschee in Samara die demografische Struktur der Bevölkerung vor allem in vormals gemischt-konfessionellen Gebieten signifikant verändert. Besonders augenfällig seien diese Veränderungen in der irakischen Hauptstadt Bagdad. Während die Bevölkerung in Bagdad im Jahre 2003 mehrheitlich sunnitisch geprägt gewesen sei, stellten inzwischen schiitische Muslime in mehr als der Hälfte aller Bagdader Stadtteile die deutliche Bevölkerungsmehrheit dar. Die verbliebenen sunnitischen Enklaven seien von überwiegend schiitisch bewohnten Nachbargebieten eingeschlossen; mindestens elf der sunnitisch dominierten Stadtteile seien durch Betonmauern gegen die schiitischen Nachbarbezirke abgegrenzt, um Attacken schiitischer Milizen und Autobombenangriffen vorzubeugen. Dennoch hält der UNHCR eine interne Fluchtalternative für problematisch und weist darauf hin, dass Zuzugswillige etwa in den südirakischen Provinzen Dhi Qar, Wassit und Muthanna einen Sponsor bzw. Leumundszeugen vorweisen müssten, um Zugang zu erhalten.

Nach allem betrifft die von der dargestellten allgemeinen Lage im Irak ausgehende Gefährdung neben den Angehörigen der genannten speziellen Personengruppen, so insbesondere von Regierungs-, Streit- und Sicherheitskräften - ohne eindeutige Zuordnung - eine Vielzahl von Zivilpersonen und stellt damit eine Gefahr dar, der letztlich die gesamte Bevölkerung im Irak - vorbehaltlich allenfalls der in der kurdischen Autonomieregion wohnenden Personen - allgemein ausgesetzt ist.

Die für die Schutzgewährung nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG erforderliche erhebliche individuelle Gefahr kann ausgehend von den eingangs genannten Maßstäben indes erst dann bejaht werden, wenn sich allgemeine Gefahren des Konflikts mit der Folge einer ernsthaften individuellen bzw. persönlichen Betroffenheit aller Bewohner der maßgeblichen Region verdichten oder sich für den Einzelnen durch individuelle gefahrenerhöhende Umstände zuspitzen. Solche individuellen gefahrenerhöhenden Umstände können sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch aus einer Gruppenzugehörigkeit erheben. Dies setzt aber eine solche Gefahrendichte voraus, dass ein in sein Heimatland zurückkehrender Iraker ernsthaft befürchten muss, gezielt (oder auch zufällig) selbst Opfer eines Terroranschlages zu werden oder infolge stattfindender Kampfhandlungen am Leben oder seiner körperlichen Unversehrtheit beschädigt zu werden

vgl. BVerwG, Urteil vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, a.a.O.; OVG Münster, Urteil vom 29.10.2010, a.a.O..

Hiervon ausgehend sind die im Irak sowie in der Heimatstadt bzw. der Heimatregion des Klägers festzustellenden Anschläge, deren Hintergründe und Zuordnung zu bestimmten Gruppierungen oder Stellen nach der Erkenntnislage im Einzelnen kaum bzw. schwer zu klären sind, zwar häufig als Akte willkürlicher Gewalt zu bewerten. Indes lassen sich weder die für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG erforderliche Gefahrendichte bzw. der erforderliche hohe Gefahrengrad, noch besondere in der Person des Klägers liegende, sog. gefahrenerhöhende Umstände feststellen. Letzteres gilt für die von ihm angeführte Gefährdung wegen seiner schiitischen Religionszugehörigkeit ebenso wie für die von ihm behauptete Mitgliedschaft in einer Jugendorganisation mit Verbindung zur Kommunistischen Partei Iraks und die Abstammung aus einer „kommunistischen Familie“.

Ungeachtet der vorliegend gegebenen Schwierigkeiten der Ermittlung einer exakten Tatsachengrundlage ist im Irak - wie dargelegt - jedenfalls ein deutlicher Rückgang von sicherheitsrelevanten Vorfällen insgesamt erkennbar; insbesondere hat die vom Kläger angeführte interkonfessionelle Gewalt, die nach Einschätzung des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien (im folgenden: EZKS)

vgl. Bericht vom 20.1.2009 an VG München zu Az. M 4 K 08.50041/ M 4 K 08.5005

ihren Höhepunkt Ende 2006/Anfang 2007 erreicht hatte, nach 2007 in einem beachtlichen Umfang nachgelassen.

Den Lageberichten des Auswärtigen Amtes

vom 28.11.2010 vom 11.4.2010,

zufolge wird die Gesamtbevölkerung Iraks auf etwa 32,3 Mio. Menschen geschätzt. Hiervon machen die Schiiten, die vorwiegend den Südosten/Süden des Landes bewohnen, einen Anteil von 60 bis 65 %, (arabische) Sunniten, die mit Schwerpunkt im Zentral- und Westirak leben, einen Anteil von 17 bis 22 % und die vor allem im Norden lebenden Kurden einen Anteil von ca. 15 bis 20 % aus.

In Relation zu diesen Größenordnungen wird - wie noch auszuführen sein wird - die Zahl der dokumentierten Todesfälle den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts an die erforderliche Intensität der Verfolgung bzw. der Gefahrendichte offenkundig nicht gerecht. Selbst unter Berücksichtigung der fehlenden Einbeziehung von (Schwer)Verletzten, Traumatisierten und im Sinne des Art. 9 QRL Geschädigten in die vorliegenden Statistiken sowie der Unterstellung einer nachvollziehbaren erheblichen Dunkelziffer und Addition verschiedener Schädigungsformen ist eine in diesem Sinne beachtliche Gefahrendichte nicht feststellbar.

Im Einzelnen stellt sich die Entwicklung wie folgt dar:

Im Jahr 2006 waren nach Schätzung der regierungsunabhängigen (Menschenrechts)organisation Iraq Body Count (IBC) im Irak insgesamt ca. 27.796, im Jahr 2007 noch ca. 24.605 zivile Opfer zu beklagen, was ca. 0,08 % der geschätzten Gesamtbevölkerung entspricht. Im Jahr 2008 sanken die Opferzahlen in der Zivilbevölkerung auf 9.222 (= ca. 0,03 %). Vergleicht man die vom Iraq Body Count geschätzten Zivilopfer für das Jahr 2009 von insgesamt etwa 4.674 zivilen Opfern mit den entsprechenden Zahlen des Vorjahres, so sind die Opferzahlen nochmals um etwa die Hälfte gesunken

vgl. BAMF, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Januar 2010.

Diese Zahlen haben sich - wenngleich es in den verschiedenen Erkenntnisquellen divergierende Angaben gibt - im Jahr 2010 nochmals deutlich verringert.

Auch laut Aussagen des Bundesasylamtes (Österreich)

vgl. Bericht Irak, Die Sicherheitslage in Bagdad vom 26.1.2011,

hat sich bei Auswertung der Statistik des Iraq Body Count (IBC) die Lage 2010 im Vergleich insbesondere zu den Jahren 2006 und 2007 mit hohen Opferzahlen von weit über 27000 und 24000 Toten deutlich verbessert.

Sie verringerte sich im Jahr 2010 auf den bislang tiefsten Stand seit 2003 mit 4028 Opfern.

Allerdings hat sich das Gewaltniveau im Vergleich zu 2009 nicht mehr so stark reduziert, wobei die Zahlen für Dezember 2010 noch nicht endgültig sind. Die monatliche Zahl der toten Zivilisten für 2010 (soweit verfügbar) schwankt zwischen 209 (Dezember 2010) und 517 Toten und im Jahr zuvor zwischen 205 und 585 Toten. Von den getöteten mindestens 4021 Personen (Stand: 30.12.2010 - mittlerweile 4028 Tote) starben 66 % durch Bomben von Aufständischen. Bagdad und Mossul waren weiterhin am meisten von der Gewalt betroffen, aber insgesamt gab es in 13 von 18 Provinzen Anschläge. Hinzu kommt, dass bei großen Bombenanschlägen mindestens dreimal so viele Menschen verletzt wie getötet wurden.

Nach Angaben des Bundesasylamtes, .a.a.O., betont Iraq Body Count selbst den Rückgang der Gewalt. Die Organisation stellt aber auch fest, dass die Reduktion mit ca. 15 % im Vergleich zu 2009 viel niedriger war als bei früheren Jahresvergleichen und prognostiziert für die Zukunft eine sich auf niedrigem Niveau haltende vergleichbare Opferzahl.

Die vorgenannte Opferzahl wird in Presseberichten der

SZ vom 31.12.2010, der FAZ vom 31.12.2010 und der FR vom 31.12.2010

gleichfalls unter Berufung auf IBC mit geringfügigen Abweichungen (25.12.2010: 3976 Zivilisten) bestätigt, allerdings wird dort der Jahrestrend als positiv bezeichnet. Nach Ankündigung der USA am 31.8.2010, die Kampfeinsätze einzustellen, habe sich zwischen August und September die Zahl der getöteten Zivilisten halbiert. Insgesamt verlangsame sich der Rückgang zwar, so habe dieser im Jahr 2008 noch 63 % und 2009 50 % betragen. Allerdings weise die IBC darauf hin, dass die innenpolitische Lage im Irak, die derzeit durch eine Regierungsbildung unter Einbindung aller wichtigen und religiösen Kräfte geprägt sei, - bei aller gebotenen Zurückhaltung - Anlass gebe, mit bescheidenem Optimismus ins neue Jahr zu gehen.

Auch laut Angaben des irakischen Gesundheitsministeriums ist die Gesamtzahl der getöteten Zivilisten im Irak gesunken, so seien im Vergleich zum Vorjahr mit 2773 Toten im Jahr 2010 2.505 Menschen bei Anschlägen und anderen Angriffen gestorben

vgl. NZZ vom 3.1.2011.

Bei Auswertung der vorstehend im Einzelnen genannten Erkenntnisquellen und angesichts dieser Opferzahlen ist eine Gefährdungslage für den Kläger in dem Sinne, dass er als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (i.V.m. Art. 15 c QRL) im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt wäre, zu verneinen.

Denn angesichts der Relation der Opferzahlen zur Gesamtbevölkerung ist nicht mit dem hier erforderlichen Grad der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Gefahrendichte im Irak derart hoch ist, dass praktisch jede Zivilperson alleine aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre.

Die Zugehörigkeit des Klägers zur Religionsgemeinschaft der Schiiten wirkt sich weder landesweit noch bezogen auf seine Herkunftsregion gefahrerhöhend aus.

Bei Auswertung der genannten Erkenntnisse kann eine Gefährdungslage für Schiiten im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, die vergleichbar einer Gruppenverfolgung wäre, derzeit nicht angenommen werden.

Bei der dargestellten rückläufigen Entwicklung der Gesamtopferzahlen ist zu berücksichtigen, dass diese Zahlen nicht ausschließlich interkonfessionelle Übergriffe gegen Schiiten beinhalten, sondern auch konfessionelle Übergriffe gegen Sunniten, gegen andere Religions- und Volksgruppen sowie rein kriminelle Verbrechen und völlig ungezielte terroristische Anschläge mit Zufallsopfern, die allein die Destabilisierung der Lage im Irak bezwecken.

Auch muss eine „Dunkelziffer“ nicht in die Zählung eingegangener Fälle ebenso hinzugerechnet werden wie eine unbekannte Anzahl ethnisch-religiöser Übergriffe auf Schiiten, die nicht zum Tod des Opfers geführt haben.

Denn etwa die Dokumentation des Iraq Body Count weist Todesopfer aus, nicht aber (asyl- und abschiebungsrechtlich beachtliche) Menschenrechtsverletzungen wie Verwundungen, Entführungen, Vergewaltigungen und Ähnliches

hierzu BAMF, o.g. Bericht von Januar 2010, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte.

Derartige Menschenrechtsverletzungen werden auch in Berichterstattungen anderer Quellen nicht oder nur selten genannt.

Auszugehen ist davon, dass konfessionell motivierte Anschläge sich weiterhin landesweit ereignen. Dennoch hat nach den vorliegenden Erkenntnissen seit 2007 die Gesamtzahl aller sicherheitsrelevanten Vorfälle in einem signifikanten Maß abgenommen (2007: insgesamt 80 %). Die Zahl der erkennbar konfessionsbezogenen Anschläge, Übergriffe und Vertreibungen hat sodann insbesondere seit 2008 deutlich abgenommen

vgl. Lageberichte des Auswärtigen Amtes vom 28.11.2010 und vom 11.4.2010; EZKS, Bericht vom 20.1.2009 an VG München zu Az. 4 K 08.50041/M 4 K 08.50005.

So lassen sich etwa für das Jahr 2010 im Gegensatz insbesondere zu den Jahren 2006/2007 - relativ gesehen - nur in wenigen Fällen eindeutig Opfer schiitischer Glaubenszugehörigkeit feststellen.

Während etwa in der letzten Novemberwoche 2006 eine Reihe von Selbstmordattentaten im schiitischen Sadr-City in Bagdad verübt wurden, bei denen mindestens 220 Menschen starben und in der ersten Märzwoche 2007 infolge einer ganzen Reihe von Selbstmordattentaten auf schiitische Pilger auf dem Weg nach Kerbala ebenfalls mindestens 220 Menschen getötet und unzählige weitere verletzt wurden, nahmen Anschläge dieser Größenordnung kontinuierlich ab. Zwar kam es im Juni 2007 zu einer zweiten Attacke sunnitischer Terroristen auf die schiitische Moschee in Samarra, der im Gegenzug Angriffe auf Sunniten, etwa in Bagdad folgten. Allerdings nahmen schon diese Ausschreitungen nicht mehr die Ausmaße an wie noch wenige Monate zuvor, und ab November 2007 war erstmals ein klarer Rückgang interkonfessioneller Gewalt zu verzeichnen

hierzu etwa EZKS, Bericht vom 20.1.2009 an VG München, a.a.O..

Andere Erkenntnisquellen bestätigen im Wesentlichen diese Einschätzung und stellen für das Jahr 2010 - insgesamt betrachtet - eine deutlich geringere Anzahl eindeutig gegen Schiiten gerichteter Übergriffe fest.

Am 1.2.2010 wurden bei einem Angriff in Bagdad 57 Schiiten getötet und mehr als 100 verletzt. Am 3.2.2010 kam es in Kerbala bei einem Angriff zu 23 Toten und 147 Verletzten, am 5.2.2010 ebenfalls in Kerbala zu 42 Toten und 150 Verletzten

hierzu BAMF, Briefing Notes vom 8.2.2010.

Anfang April 2010 wurden südlich von Bagdad in Arab Jabour 6 Schiiten getötet

hierzu BAMF, Briefing Notes vom 6.4.2010.

Mitte April wurde zwar ein Anschlag auf schiitische Heiligtümer vereitelt, jedoch waren bei mehreren weiteren Anschlägen Todesopfer und Verletzte zu verzeichnen.

In Bagdad wurden bei einem Al Quaida zugeschriebenen Anschlag 69 Schiiten getötet

hierzu BAMF, Briefing Notes vom 26.4. und vom 19.4.2010.

Am 8.7.2010 wurden in Bagdad 70 Menschen getötet, davon 12 Schiiten, am 21.7.2010 kamen in Diyala 28 Schiiten ums Leben

hierzu BAMF, Briefing Notes vom 12.7. und 26.7.2010.

Ebenfalls in der Provinz Diyala wurden bei einem Anschlag am 29.10.2010 mehr als 30 Schiiten getötet

hierzu BAMF, Briefing Notes vom 2.11.2010.

Im November 2010 war die Zahl der Zivilopfer im 3. Monat in Folge rückläufig, sie fiel von 185 Toten im September und 120 Toten im Oktober auf 105 Tote im November, ohne dass diese eindeutig zuzuordnen sind

vgl. BAMF, Briefing Notes vom 6.12.2010.

Nach US-Angaben ist zuletzt durchschnittlich von 15 Anschlägen pro Tag mit einer unterschiedlichen Anzahl von Getöteten und/oder Verletzten auszugehen, die sich häufig nicht eindeutig zuordnen lassen

vgl. BAMF, Briefing Notes vom 4.10.2010.

Die (Gesamt-)Opferzahlen bis Mai 2011, belaufen sich, soweit bislang bekannt, auf mindestens 469 Tote und 496 Verletzte.

Die meisten Toten und Verletzten gab es im Januar/Februar 2011 bei Anschlägen auf schiitische Pilger in der Nähe von Kerbala (mindestens 45 Tote und 150 Verletzte) und Samarra (50 Tote, 80 Verletzte)

hierzu BAMF, Briefing Notes vom 7.3.2011, FR und taz vom 21.1.2011, FAZ vom 21. und 25.1.2011, NZZ vom 28.1.2011 und FR vom 14.2.2011, SZ vom 14.2.2011; zu den bisherigen Gesamtopferzahlen BAMF, Briefing Notes vom 17.1.2011, vom 14.3.2011, vom 4.4.2011, vom 11.4.2011, NZZ vom 12.4.2011, FAZ vom 13.4.2011, NZZ vom 18. und 19.4.2011, FAZ vom 30.4. und 6.5.2011.

Legt man bei einer Maximalbetrachtung die von Iraq Body Count festgestellten Zahlen von 4028 Toten für das Jahr 2010 zugrunde, denen nach der dargestellten Auskunftslage nur in wenigen Fällen eindeutig schiitische Glaubenszugehörige zugeordnet werden können, lässt sich - ausgehend von dem unteren geschätzten Wert des Bevölkerungsanteils der Schiiten von 60 %, also ca. 19,2 Millionen Menschen, selbst unter einer Hinzurechnung einer Dunkelziffer von nicht bekannten Todesfällen und Verletzten eine den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts genügende Verfolgungs- bzw. Gefahrendichte zur Überzeugung des Senats nicht feststellen. Aufgrund der kontinuierlich rückläufigen Tendenz solcher Vorfälle und Übergriffe in den vergangenen Jahren, insbesondere ab 2008, ist auch für die absehbare Zukunft eine einer Gruppenverfolgung vergleichbare Gefahrendichte für Schiiten im Irak nicht zu prognostizieren

vgl. hierzu auch VGH München, Urteile vom 24.3.2011 - 20 B 10.30033 und 20 B 10.30017- und Beschluss vom 20.4.2010 - 13 a ZB 10.30631 -, zitiert nach juris.

Die Zugehörigkeit des Klägers zur Gruppe der schiitischen Religionszugehörigen stellt somit kein gefahrerhöhendes Moment im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG dar. Dies gilt insbesondere für den Herkunftsort des Klägers Al Nasria in der Provinz Dhi Qar im Südirak, die nach der o.g. Rechtsprechung bei einer unterstellten - und ihm mit Blick auf die dortige Anwesenheit von Verwandten als potentiellen Leumundszeugen prinzipiell möglichen - Rückkehr des Klägers einer besonderen Betrachtung zu unterziehen ist.

Aus der Auskunftslage ergibt sich, dass der Herkunftsort des Klägers Al Nasria (An Nasiriyah) mit einer Einwohnerzahl von 535.000 Menschen die Hauptstadt der Provinz Dhi Qar im Zentrum der Südregion mit einer (geschätzten) Gesamtbevölkerungszahl von 1.616.226 – 1.687.000 ist. Die Bevölkerung dort besteht ganz überwiegend aus Schiiten. Laut Berichten des Iraq Body Count wurden im Jahr 2008 in der Provinz Dhi Qar 7 Vorfälle registriert, bei denen es zu 31 Toten kam. Hierbei kam es bei einem Anschlag im Januar zu 10 Toten, einem weiteren im März zu 9 Toten und nach einem Vorfall im August zu 9 Toten. Dies bedeutet eine Opferzahl von 2 Toten auf 100.000 Einwohner. Im Jahr 2009 wurden bei einem Anschlag 35 Menschen getötet, das bedeutet pro 100.000 Einwohner eine Opferzahl von 2,2 Toten. Für das Jahr 2010 liegen speziell auf diese Provinz bezogen keine verlässlichen konkreten Angaben vor. Wenngleich im Vergleich zum Jahr 2008 für 2009 ein leichter Anstieg der Opferzahlen festzustellen ist, ist zu gewichten, dass dieser auf einen einzigen Anschlag im ganzen Jahr mit einer höheren Opferzahl zurückzuführen ist. Eine relevante Erhöhung der zu beklagenden Opfer für das Jahr 2010 und die ersten fünf Monate 2011 lässt sich hieraus - auch unter einer Einrechnung einer Dunkelziffer - nicht prognostizieren. Zu sehen ist, dass die Provinz Dhi Qar neben den Provinzen Dohuk und Muthanna, die keine Todesopfer zu verzeichnen haben, und den Provinzen Maysan, Sulaimaniya, Najaf, Basra und Qadissiya zu den vergleichsweise ruhigsten Provinzen im Irak gehört

vgl. hierzu BAMF, Irak, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Januar 2010.

Eine im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG relevante Gefährdung mit Blick auf seine schiitische Religionszugehörigkeit, die dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen würde, ist daher nicht anzunehmen. Seine Zugehörigkeit zur Gruppe der Schiiten bei einer Rückkehr in seine Heimatregion Dhi Qar, die schiitisch dominiert wird, wirkt sich erkennbar nicht gefahrerhöhend aus.

Darüber hinaus sind zahlreiche irakische Städte bzw. Stadtviertel, insbesondere Bagdad, inzwischen konfessionell homogen. So stellen in Bagdad im Stadtteil Al-Kadhimiya die Schiiten 75 % der Bevölkerung, im Stadtteil Karrada 80 % der Bevölkerung, im Stadtteil Al Jadriya 70 %, in Sadr City ist die Bevölkerung ausschließlich schiitisch, in Hurriya City sind 80 % der Bevölkerung Schiiten, in Bagdad al Iadida, 80 % - 95 %, ebenso in Al-Shu’ala und Al Baya

vgl. hierzu EZKS an VG München vom 20.1.2009 zu Az. M 4 K 08.50041 u.a.

Sunniten wie Schiiten können dort, wo ihre konfessionelle Gruppe in der Mehrheit ist, relativ sicher vor konfessioneller Verfolgung leben. Daher könnte sich der Kläger abgesehen von seiner Heimatregion in weitere entsprechende Siedlungsgebiete im Zentralirak begeben.

Auch die von dem Kläger geltend gemachte (angebliche) frühere Mitgliedschaft in einer Jugendorganisation (Schülerverein) mit Verbindung zur Irakischen Kommunistischen Partei wirkt sich aus Sicht des Senats nicht gefahrerhöhend aus.

Angesichts der vagen, zum Teil ungereimten und in sich widersprüchlichen Aussagen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, die teilweise von seinen Angaben insbesondere im Verwaltungsverfahren abweichen, hat der Senat bereits Zweifel an der von ihm behaupteten Nähe oder sogar Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei Iraks. So hatte der Kläger bei seiner Anhörung im Januar 2003 noch angegeben, dem „Schülerverein“ mit Verbindung zur Irakischen Kommunistischen Partei nicht angehört, sondern nur unter Einwirkung von Folter solches ausgesagt zu haben. Die ursprünglich für das Jahr 1972 behauptete Festnahme wegen dieser angeblichen Mitgliedschaft (als immerhin einschneidendes Verfolgungserlebnis) konnte er bei seiner Befragung durch den Senat ebenso wie das Jahr der (angeblichen) Hinrichtung seines Vaters wegen dessen Eintretens für die Kommunistische Partei nicht eindeutig festlegen und gab insoweit unterschiedliche Jahreszahlen (1970, 1973 und 1979) an. Auf konkrete diesbezügliche Nachfragen und Vorhalte wich er darauf aus, nunmehr 53 Jahre alt zu sein und sich nicht genau erinnern zu können. Außer der vorerwähnten in jedem Falle lange zurückliegenden Inhaftnahme gab er keine weitere konkrete Festnahme und/oder deren Hintergrund an, sondern berief sich darauf, Spezialeinheiten hätten Regimegegner und ihn und seine Familie attackiert, weshalb er sich ab dem Jahr 1990 bis zu seiner Ausreise im Januar 2003 weitgehend versteckt gehalten habe. Letzter Anlass für die Ausreise sei ein gegen Schiiten allgemein gerichtetes Bombardement am 16.12.2003 gewesen. Auf weitere - wiederholte - Nachfragen legte der Kläger sich schließlich darauf fest, von 1990 bis zu seiner Ausreise nicht inhaftiert gewesen und gab im übrigen selbst an, seit 20 Jahren keinen Kontakt mehr zur Kommunistischen Partei gehabt zu haben.

Vor dem Hindergrund der Erkenntnisse des Senats ist davon auszugehen, dass dem Kläger - selbst wenn man ungeachtet der dargestellten Zweifel die von ihm behaupteten jahrelang zurückliegenden Kontakte zur Kommunistischen Partei Iraks als wahr unterstellt - im Rückkehrfall aktuell weder von staatlicher noch von nicht-staatlicher Seite mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine erhebliche individuelle Bedrohung i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 lit. c QRL zu erwarten hätte.

Die Irakische Kommunistische Partei wurde im Jahr 1934 gegründet. Sie war vor der Machtergreifung der Baath-Partei im Jahr 1968 und vor der Übernahme der „persönlichen“ Regierungsgewalt durch Saddam Hussein im Jahr 1978 zunächst eine einflussreiche Organisation, wurde aber seit Ende der 70er Jahre zunächst in den Untergrund gedrängt, sodann unter der Regierung Saddams völlig verboten und unnachsichtig verfolgt, und ist dann nach der Intifada des Jahres 1991 in die kurdischen Gebiete im Norden des Landes ausgewichen. In dem zentralirakischen Gebiet, das unter der Herrschaft Saddam Husseins stand, haben sich Aktivitäten der Irakischen Kommunistischen Partei spätestens seit Ende der 80er Jahre nicht mehr belegen lassen. Seit Mitte der 80er Jahre war sie nur noch im Norden aktiv. Im Jahre 1993 erfolgte dort die Gründung einer Kurdischen Kommunistischen (Arbeiter)Partei, die letztlich der reduzierten und in die kurdischen Gebiete immigrierten Führung der Irakischen Kommunistischen Partei entsprach.

Die „klassische“ Kommunistische Partei Iraks mit ihrer Parteizeitung Al-Tariq (Der Weg) ist heute offiziell erlaubt und nimmt aktiv am politischen Leben Iraks teil. Sie gehört zu dem säkularen Spektrum der irakischen Politik, die einen demokratischen, freiheitlichen Einheitsstaat jenseits ethnischer und religiöser Gruppengrenzen fordert. Die Partei befindet sich wegen ihrer wenngleich nicht antireligiösen, aber die Religion nicht als wertbildender Unterschied oder staatenbildende Regelungsmaterie ansehenden Eigenart zwar in Konflikt mit Islamisten. Dennoch gibt es nach den Erkenntnissen des Deutschen Orient - Instituts (im Folgenden DOI) nur einen einzigen Vorfall im November 2005, in dem eine konkret feststellbare Auseinandersetzung zwischen Islamisten und irakischen Kommunisten in Bagdad stattgefunden hat, bei welchem zwei kommunistische Beteiligte getötet wurden. Wenngleich eine Gefährdung seitens privater Gruppierungen - etwa islamistischer Prägung - daher nicht völlig auszuschließen sei, sei davon auszugehen, dass die Kommunistische Partei ihre kommunistisch-linksextremistische Herkunft aufgegeben habe, keine bewaffnete Macht mehr darstelle und deswegen in bewaffneten Auseinandersetzungen keine Rolle mehr spiele. Hieraus folgt nach Einschätzung des DOI, dass Islamisten sich derzeit für Kommunisten konkret und persönlich nur wenig interessieren. Eine staatliche Verfolgung wegen einer (früheren) Mitgliedschaft ist aktuell nicht mehr zu befürchten. Schon kurze Zeit nach dem Sturz Saddam Husseins durften Anhänger der Kommunistischen Partei Iraks - erstmals seit 35 Jahren - in Bagdad demonstrieren. Im Übrigen würde eine frühere Tätigkeit im Rahmen der Kommunistischen Partei unter den heutigen Umständen als „Widerstand gegen Saddam“ betrachtet und würde sich nicht schädigend für den Betroffenen auswirken. Auch die Tatsache, dass ein Asylbewerber aus einer linken oder auch kommunistischen Familie kommt und Verwandte von dem damaligen Regime umgebracht wurden, hat heute nach Angaben des DOI keine Auswirkungen mehr

vgl. hierzu DOI an VGH München vom 7.11.2006 - 2150 al/br -, vom 6.10.2006 an VG Göttingen - 2143 al/br - und vom 5.5.2000 an VG Dresden - 625 al/br -, FR vom 15.7.2003.

Dem EZKS sind trotz intensiver Recherchen ebenfalls keine Fälle bekannt, in denen Personen im Irak aufgrund ihrer früheren Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei Opfer staatlicher oder nichtstaatlicher Gewalt geworden wären. Die Irakische Kommunistische Partei hat nach seinen Feststellungen sowohl an den Wahlen im Januar 2005 als auch an denen im Dezember 2005 teilgenommen - im Januar 2005 war sie der wesentliche Teil eines Parteizusammenschlusses namens „Volksunion Irak“, der allerdings insgesamt nur 0,83 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte und zwei Sitze im irakischen Parlament erhielt. Nach diesem eklatanten Misserfolg - der angesichts der Tatsache, dass die Kommunistische Partei vor ihrer Bekämpfung durch das Baathregime eine außerordentlich einfluss- und mitgliedsreiche Partei gewesen ist, die insbesondere auch unter Schiiten hohen Zulauf hatte, in dieser Deutlichkeit nicht zu erwarten gewesen war - schloss sich die Kommunistische Partei Irak für die Wahlen im Dezember 2005 der Irakischen Nationalen Liste von Allawi an. Die Kommunistische Partei Kurdistan ihrerseits war eine der insgesamt 11 Parteien – unter ihnen auch die beiden großen kurdischen Parteien KDP und PUK – in der Kurdischen Allianz. Die Kommunistische Partei ist somit eine in das allgemeine Parteienspektrum integrierte, aber im Wesentlichen macht- und einflusslose Partei geworden; ihre Mitglieder bzw. ihre ehemaligen Mitglieder sind nach Einschätzung des EZKS keiner speziellen Verfolgung ausgesetzt

vgl. hierzu EZKS an VG Göttingen vom 14.5.2007 zu Az. A 571/05.

Anders ergibt sich auch nicht aus der von dem Kläger vorgelegten Bescheinigung der Kommunistischen Partei Iraks in Dhi Qar vom 13.7.2008. Ungeachtet dessen, dass nach der in der mündlichen Verhandlung erfolgten Übersetzung bei der (angeblichen) Erstürmung des Hauptquartiers der Partei durch Terroristen im Jahr 2006 keine Namenslisten mit eventuellem Hinweis auf den Namen des Klägers aufgefunden wurden und hinsichtlich der dort aufgeführten getöteten Verwandten des Klägers sich erhebliche Abweichungen und Ungereimtheiten ergeben, vermag diese Bescheinigung zur Überzeugung des Senats angesichts der dargestellten Erkenntnislage zur Gefährdung von Anhängern der Kommunistischen Partei Iraks und insbesondere angesichts des Umstandes, dass der Kläger nach eigenem Bekunden seit 20 Jahren keinerlei Kontakt zu dieser hatte, keine ihn betreffende Gefährdungssituation zu belegen.

Eine Gefährdung wegen der von dem Kläger behaupteten ehemaligen Mitgliedschaft in einer mit der Kommunistischen Partei in Verbindung stehenden Jugendorganisation ist mithin als gefahrerhöhendes Moment im Rahmen der Prüfung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zu verneinen. Sonstige gefahrerhöhende Momente in der Person des Klägers sind nicht geltend gemacht oder sonst ersichtlich.

Danach kann ein Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht angenommen werden.

Auch ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt in seiner Person nicht vor.

Nach dieser Regelung soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Vorschrift gewährt Schutz bei Gefahren, die nicht bereits vom Regelungsbereich der vorangegangenen Absätze erfasst werden. Sie betrifft nur solche Gefahren, die sich aus der Unzumutbarkeit des Aufenthalts im Zielland für diesen Ausländer herleiten und ausschließlich dort drohen (zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote). Unerheblich ist, ob die Gefahren von staatlichen oder nichtstaatlichen Akteuren ausgehen oder wodurch sie hervorgerufen werden. Zu diesen Gefahren für den Ausländer zählen auch die Existenzbedingungen im Zielstaat.

Zu unterscheiden ist die erhebliche konkrete Gefahr, die den Ausländer (allein) aus individuellen Gründen betrifft und die Gefahr, die - wenn auch in individualisierbarer Weise - aus allgemeinen Gefahren herrührt. Der Ausdruck „erheblich“ bezieht sich dabei auf die Gefährdungsintensität. Zusätzlich wird durch das Element der „konkreten Gefahr“ für „diesen“ Ausländer das Erfordernis einer einzelfallbezogenen und individuell bestimmten Gefährdungssituation aufgestellt

hierzu Huber, AufenthG, § 60 Rdnr. 105 m.w.N..

Vorliegend kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger bei Rückkehr in sein Heimatland aus allein in seiner Person liegenden individuellen Gründen einer beachtlichen Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt sein würde.

Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fallen die sich aus den genannten Erkenntnisquellen ergebenden schwierigen Existenzbedingungen einer Vielzahl von Irakern, insbesondere hinsichtlich der Erlangung eines Arbeitsplatzes und der Sicherstellung allgemeiner und medizinischer Versorgung, auch wenn sie den einzelnen Ausländer in individualisierbarer Weise betreffen sollten, hinsichtlich des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen prinzipiell nicht in die Entscheidungszuständigkeit des Bundesamtes. Bei derartigen - auch erheblichen - Gefährdungen ist die Anwendbarkeit des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG - anders als im Rahmen des hier verneinten § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG - durch Satz 3 der Vorschrift „gesperrt“, wenn diese Gefahren zugleich einer Vielzahl anderer Personen im Abschiebungszielstaat drohen

hierzu BVerwG, Entscheidungen vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 - u.a.; vom 23.8.2006 - 1 B 60.06 -, Urteil vom 8.112.1998 - 9 C 4.98 - u.a., sowie grundlegend bereits BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 -, NVwZ 1996, 199 zu der nahezu wortgleichen Bestimmung des § 53 Abs. 6 AuslG, zitiert nach juris.

Fehlt eine derartige Entscheidung nach § 60 a Abs. 1 AufenthG, ist aus verfassungsrechtlichen Gründen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Einzelfallentscheidung nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AuslG mit Blick auf Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ausnahmsweise dann zulässig und geboten, wenn die obersten Behörden der Bundesländer trotz einer – landesweiten - extremen Gefahrenlage von ihrer Ermessensermächtigung aus § 60 a AufenthG keinen Gebrauch gemacht haben (sog. „verfassungskonforme Überwindung der Sperrwirkung“)

vgl. auch hier BVerwG, Entscheidungen vom 29.6.2010 - 10 C 9.09 und 10 C 10.09 - und vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 -, zitiert nach juris.

Eine derartige landesweite Extremgefahr hat der Senat bereits in seinem - den Beteiligten bekannten - Urteil vom 29.9.2006 - 3 Q 6/06 - verneint. Eine durchgreifende Änderung der dort dargestellten allgemeinen Lebensverhältnisse zu Lasten des Klägers, ist nicht erkennbar. Derartiges wird von dem Kläger auch nicht vorgetragen.

Insoweit kann mit Blick auf die Frage einer Extremgefahr im Wesentlichen auf die Ausführungen im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG verwiesen werden.

Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die allgemeine Versorgungslage im Irak.

Zwar ergibt sich aus der Auskunftslage,

vgl. hierzu insbesondere Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 28.11.2010; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak vom 5.11.2009, UNHCR an Hess.VGH vom 16.9.2009

dass sich im Irak Einschränkungen beim Zugang zu Lebensmitteln, Unterkunft, Grundversorgungsdienstleistungen (wie Wasser, Strom), Einkommen, Beschäftigung, medizinischer Versorgung und Bildung feststellen lassen, die nach Einschätzung des UNHCR dazu führen, dass ein relativ normales Leben nicht geführt werden kann. Das 1995 eingeführte System zur Verteilung von Nahrungsmitteln (Public Distribution System) hat sich seit 2003 verschlechtert, viele Menschen erhalten nicht die festgelegte Ration, die Qualität der Nahrungsmittel ist oft minderwertig, auch kann es zu Schwierigkeiten bei der Erneuerung der Lebensmittelkarten kommen. Indes sind durchgreifende Anhaltspunkte für i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevante Gefahren wie eine drohende Nahrungsmittelknappheit oder eine bevorstehende Hungerkatastrophe nicht zu verzeichnen. Weiterhin fließen internationale Hilfsgelder in den Irak und werden vom Handelsministerium Lebensmittel verteilt. Zudem versucht die irakische Regierung finanzielle Anreize zu gewähren, um ins Ausland geflohene Iraker zu einer Rückkehr zu bewegen. Bis Ende 2008 sind 40.060 Familien zurückgekehrt. Im Jahr 2010 kehrten sodann 118.890 Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge in den Irak bzw. an ihre Heimatorte zurück. Dies waren zwar 40 % weniger als im Jahr 2009, belegt jedoch einen insgesamt aufstrebenden Rückkehrwillen irakischer Flüchtlinge

vgl. zu letzterem UNHCR: Iraq Refuges Return fell from in 2010, vom 28.1.2011.

Ein Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann daher nach allem nicht angenommen werden.

Die Berufung des Klägers wird daher zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83 b AsylVfG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

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bei uns veröffentlicht am 16.09.2011

Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen.Gerichtskosten werden nicht erhoben. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens.Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.Die Revision wird nicht zugelassen. Tat

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil sind jederzeit vom Gericht zu berichtigen.

(2) Über die Berichtigung kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschieden werden. Der Berichtigungsbeschluß wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Ist das Urteil elektronisch abgefasst, ist auch der Beschluss elektronisch abzufassen und mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt unionsrechtlich begründeten Abschiebungsschutz wegen Gefahren aufgrund eines bewaffneten innerstaatlichen Konflikts, hilfsweise nationalen Abschiebungsschutz wegen ihm drohender (extremer) Gefahr für Leib und Leben vor allem durch Mangelernährung.

2

Der 1981 geborene, ledige Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört zur Volksgruppe der Hazara und stammt aus der Provinz Ghazni. Er reiste im Februar 2003 nach Deutschland ein und betrieb hier erfolglos ein Asylverfahren. Im November 2006 stellte er einen Asylfolgeantrag. Mit Bescheid vom 21. Dezember 2006 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und eine Änderung seiner Feststellung zum Nichtvorliegen eines Abschiebungshindernisses ab. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht beschränkte der Kläger seine Klage auf die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im April 2007 stattgegeben.

3

Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren hat der Kläger geltend gemacht, dass auch die Voraussetzungen des Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG vorlägen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten im Mai 2008 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger sei in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG Abschiebungsschutz zu gewähren. Er sei zwar jung und gesund, verfüge aber nicht über eine Berufsausbildung. Angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt in Afghanistan sei die Wahrscheinlichkeit gering, dass der Kläger auf Dauer eine Arbeit finden und damit seinen eigenen Lebensunterhalt sichern könne. Auf familiäre Unterstützung könne er nicht rechnen. Unter diesen Umständen würden dem Kläger ausschließlich Tee und Brot als Nahrungsmittel zur Verfügung stehen. Diese Versorgungssituation werde durch Unterstützungsmaßnahmen der afghanischen Regierung oder internationaler Organisationen nicht wesentlich verbessert. Die Möglichkeit, eine winterfeste Unterkunft zu erlangen, sei für einen mittellosen Rückkehrer, der - wie der Kläger - nicht auf familiäre Hilfe zurückgreifen könne, minimal. Die medizinische Versorgung sei selbst in Kabul völlig unzureichend. Auch die hygienischen Verhältnisse, unter denen der Kläger als mittelloser Rückkehrer leben müsse, seien völlig unzulänglich. Angesichts dieser Lebensbedingungen bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger zwangsläufig in einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen geraten würde. Insbesondere die durch die Mangelernährung erhöhte Infektanfälligkeit werde in Verbindung mit dem ebenfalls ernährungsbedingten Eisenmangel zu schwerwiegenden Infektionen der Atmungs- und Verdauungsorgane führen. Den anderen Oberverwaltungsgerichten, die dies gegenteilig beurteilten, hätten die vom Berufungsgericht eingeholten Gutachten nicht vorgelegen. Angesichts dieser Einschätzung erübrige sich eine Entscheidung darüber, ob auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vorlägen und dem Kläger deshalb gemeinschaftsrechtlicher subsidiärer Schutz zu gewähren sei.

4

Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision beanstandet die Beklagte vor allem, dass sich das Berufungsgericht im Hinblick auf die vom Kläger befürchteten allgemeinen Gefahren auf zu schmaler Tatsachengrundlage über die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG hinweggesetzt habe.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt in mehrfacher Hinsicht Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil in der Sache nicht abschließend entscheiden kann, ist das Verfahren an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

6

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist zunächst das Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Feststellung eines - unionsrechtlich begründeten - Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Dieses Begehren ist mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union (BGBl I 2007, 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - im August 2007 Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Nach der Rechtsprechung des Senats gilt dies jedenfalls dann, wenn - wie hier - das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - in seinem Ablehnungsbescheid über sämtliche zielstaatsbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote sachlich entschieden und der Kläger die neuen, auf Unionsrecht beruhenden subsidiären Abschiebungsverbote in das anhängige gerichtliche Verfahren einbezogen hat (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 4.09 -, zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen). Gegenstand des Revisionsverfahrens ist ferner das Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Feststellung eines (nationalen) Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Nicht mehr Gegenstand des Verfahrens ist die Frage eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG, nachdem der Kläger seine Klage insoweit - vor der gesetzlichen Neuordnung der Streitgegenstände durch das Richtlinienumsetzungsgesetz - zurückgenommen und den Ablehnungsbescheid des Bundesamts damit hat bestandskräftig werden lassen. Eine Abschiebungsandrohung ist ebenfalls nicht Gegenstand des Verfahrens. Auch insoweit hat der Kläger seine Klage zurückgenommen.

7

Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht, weil es den Vorrang des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes vor dem nationalen Abschiebungsschutz nicht berücksichtigt hat (1.). Es verletzt ferner Bundesrecht, weil es beim nationalen Abschiebungsschutz den Anforderungen an die verfassungskonforme Auslegung und Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG im Fall allgemeiner Gefahren nicht hinreichend Rechnung getragen hat (2.). Schließlich verletzt es Bundesrecht, weil seine Feststellungen zur Gefahrenprognose bei verfassungskonformer Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht standhalten (3.).

8

1. Das Berufungsgericht hätte nicht offenlassen dürfen, ob der Kläger die Voraussetzungen für die Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots erfüllt. Im Entscheidungsfall kommt in diesem Zusammenhang allein ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in Betracht. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 oder 3 AufenthG scheiden auch nach Auffassung des Klägers von vornherein aus.

9

Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, der die Regelung des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 - sog. Qualifikationsrichtlinie - umgesetzt hat, ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Nach der Rechtsprechung des Senats bildet dieser unionsrechtlich begründete Abschiebungsschutz gegenüber dem sonstigen (nationalen) Abschiebungsschutz einen selbstständigen Streitgegenstand. Die Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG wird nach der typischen Interessenlage des Schutzsuchenden vorrangig vor der Feststellung eines sonstigen zielstaatsbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbots begehrt (vgl. Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 22, jeweils Rn. 10 ff.).

10

Dieses Rangverhältnis zwischen dem unionsrechtlichen und dem nationalen Abschiebungsschutz hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt. Es hätte das Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG der Sache nach nicht als Hilfsantrag behandeln dürfen, sondern darüber vor dem Begehren auf nationalen Abschiebungsschutz befinden müssen. Zwar hat der Kläger bei seiner Antragstellung im Berufungsverfahren kein bestimmtes Rangverhältnis kenntlich gemacht. Er hat aber auch nicht erkennen lassen, dass der unionsrechtliche Abschiebungsschutz nicht oder erst nach dem nationalen Abschiebungsschutz geprüft werden soll. Bei dieser Verfahrenskonstellation hätte das Berufungsgericht - entsprechend der typischen Interessenlage des Schutzsuchenden - das Begehren des Klägers dahingehend auslegen müssen, dass primär über dessen Hauptantrag auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots in Bezug auf Afghanistan gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG entschieden werden soll. Auf dieser rechtsfehlerhaften Behandlung der Anträge des Klägers beruht die Entscheidung des Berufungsgerichts. Daran ändert auch die hilfsweise angeführte Begründung des Berufungsgerichts nichts, dass die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG im Übrigen auch nicht erfüllt seien. Denn in dieser Begründung stellt das Berufungsgericht darauf ab, dass selbst bei Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in Afghanistan ein Abschiebungsverbot nach dieser Vorschrift wegen der auch in diesem Fall geltenden Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nur bei einer - hier offenbar nicht gegebenen - extremen Gefahr in Betracht komme. Diese Rechtsansicht ist nach dem inzwischen ergangenen Urteil des Senats vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - (a.a.O. Rn. 30 ff.) nicht mit Bundesrecht vereinbar, da § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG richtlinienkonform dahingehend auszulegen ist, dass er bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie bzw. des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG keine Sperrwirkung entfaltet. Mangels hinreichender Feststellungen im Berufungsurteil zum Vorliegen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist es dem Senat verwehrt, sich selbst näher mit den Voraussetzungen eines derartigen Abschiebungsverbots zu befassen. Im erneuten Berufungsverfahren wird das Oberverwaltungsgericht vorrangig über diesen Hauptantrag zu entscheiden haben.

11

2. Indem das Berufungsgericht dem Kläger Abschiebungsschutz nach nationalem Recht in verfassungskonformer Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG zugesprochen hat, ohne das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG rechtsfehlerfrei zu prüfen und auszuschließen, hat es auch die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Voraussetzungen für die verfassungskonforme Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in Fällen einer allgemeinen Gefahr verkannt. Auch insofern ist das Berufungsurteil nicht mit Bundesrecht vereinbar.

12

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine derartige Abschiebestopp-Anordnung besteht für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht (mehr). Mit seinem Hinweis auf die unzureichende Versorgungslage in Afghanistan, die für Rückkehrer ohne Berufsausbildung und familiäre Unterstützung besteht, macht der Kläger allgemeine Gefahren geltend, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen können. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann diese Sperrwirkung nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht (vgl. Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - a.a.O. Rn. 32 m.w.N.). Eine Schutzlücke besteht für den Kläger indes nicht, falls er die Feststellung eines unionsrechtlichen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG beanspruchen kann (vgl. hierzu nochmals Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - a.a.O. Rn. 32 m.w.N.). Das Berufungsgericht hätte sich daher auch aus diesem Grund mit der Frage des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes befassen müssen, ehe es sich mittels verfassungskonformer Auslegung über die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG hinwegsetzt.

13

3. Schließlich ist die Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG durch das Berufungsgericht auch deshalb mit Bundesrecht nicht vereinbar, weil seine Feststellungen zum Vorliegen einer extremen Gefahr im Falle einer Rückkehr des Klägers nach Afghanistan einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht standhalten. Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend erkannt, dass eine unmittelbare Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausscheidet, weil der Kläger keine individuellen, nur ihm drohenden Gefahren, sondern allgemeine Gefahren geltend macht. Es ist aber bei der verfassungskonformen Anwendung der Vorschrift in mehrfacher Hinsicht hinter den maßgeblichen rechtlichen Anforderungen zurückgeblieben. So hat es die vom Senat zum Vorliegen einer extremen Gefahrenlage entwickelten rechtlichen Maßstäbe verfehlt. Es ist in diesem Zusammenhang auch den Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung nicht gerecht geworden und hat seine Entscheidung auf eine zu schmale Tatsachengrundlage gestützt.

14

Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die den Kläger in Afghanistan erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann er Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren.

15

Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde" (vgl. Urteil vom 12. Juli 2001 - BVerwG 1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1 <9 f.> m.w.N.). Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. etwa Urteil vom 12. Juli 2001 - BVerwG 1 C 5.01 - a.a.O.).

16

Das Berufungsgericht hat diese rechtlichen Maßstäbe für die verfassungskonforme Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zwar im Wesentlichen zutreffend wiedergegeben. Seine rechtliche Subsumtion wird jedoch nicht von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen getragen. Vor allem fehlt eine tatrichterliche Gesamtwürdigung der den Kläger betreffenden Lebensbedingungen in Afghanistan insbesondere im Hinblick auf die bei der verfassungskonformen Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gebotene erhöhte Wahrscheinlichkeit des Eintritts der extremen Gefahren.

17

Das Berufungsgericht hat sich zwar ausdrücklich auf diesen hohen Wahrscheinlichkeitsmaßstab bezogen und in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung des Senats zitiert (UA S. 7). Auch spricht es am Ende seiner Entscheidung zusammenfassend von der "hohen Wahrscheinlichkeit", dass der Kläger durch seine Abschiebung nach Afghanistan zwangsläufig in einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen geraten würde (UA S. 15). Diese rechtliche Schlussfolgerung ist durch die getroffenen tatsächlichen Feststellungen und deren Würdigung aber nicht gedeckt. So ist das Berufungsgericht maßgeblich davon ausgegangen, dass der Kläger sich ausschließlich von Tee und Brot ernähren müsste. Auf der Grundlage dieser Prämisse hat sich das Berufungsgericht von einer Ernährungsmedizinerin die gesundheitlichen Risiken dieser Mangelernährung schildern lassen. Gleichzeitig hat es sich auf Erkenntnisquellen bezogen, nach denen sich jeder zweite Einwohner von Kabul nur von Tee und Brot ernähren kann, 8,9 % der Bevölkerung von Kabul unter akuter Unterernährung leiden und "fast ein Viertel aller Haushalte" in Afghanistan die Grundversorgung an Nahrungsmitteln nicht selbstständig sichern kann (UA S. 11). Das Berufungsgericht hat weiter erwähnt, dass dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 7. März 2008 zufolge internationale Hilfsorganisationen Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern versorgen und sich die Versorgungslage in Kabul grundsätzlich verbessert hat. Es ist dem aber nicht hinreichend nachgegangen, sondern hat ohne nähere Prüfung gefolgert, dass die Versorgungssituation durch Unterstützungsmaßnahmen der afghanischen Regierung oder internationaler Organisationen nicht wesentlich verbessert werde (UA S. 11 und 12). All dies macht deutlich, dass sich das Berufungsgericht schon bei der Würdigung dieses zentralen Teilkomplexes auf eine zu schmale Tatsachengrundlage gestützt und den erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeitsmaßstab verfehlt hat.

18

Dies gilt auch für die Würdigung der anderen Teilkomplexe. Bei der Möglichkeit, sich eine wirtschaftliche Existenz aus eigener Kraft zu sichern, spricht das Berufungsgericht zwar von einer "hohen Wahrscheinlichkeit", dass dem Kläger diese Sicherung nicht gelingen werde. Es stützt sich dabei aber zum Teil auf Erkenntnisquellen, die sich mit den Chancen befassen, "auf Dauer" eine Arbeit zu finden bzw. eine berufliche "Wiedereingliederung" zu erreichen (UA S. 9).

19

Das Berufungsgericht hat seine Prognose, dass dem Kläger extreme Gefahren drohen, zudem in der Weise gewonnen, dass es bei der Beurteilung der Lebensbedingungen in Afghanistan die erwähnten und weitere sachliche Teilkomplexe u.a. zur Problematik einer winterfesten Unterkunft, medizinischer Versorgung und hygienischer Verhältnisse gebildet hat. Es hat damit die Gefahrenprognose in mehrere hintereinander geschaltete Teilprognosen aufgespalten, deren Schlussfolgerungen aufeinander aufbauen. Die bei dieser Vorgehensweise erforderliche Gesamtprognose, mit der die Lebensbedingungen und die sich daraus für den Kläger ergebenden Risiken anhand des hohen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs insgesamt gewürdigt werden, ist nicht erfolgt. Der vom Berufungsgericht gezogene Gesamtschluss wäre selbst dann rechtsfehlerhaft, wenn dieses bei jedem der von ihm untersuchten Teilbereiche eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit festgestellt hätte. Denn eine hohe Wahrscheinlichkeit hinsichtlich der Verwirklichung jedes Einzelglieds einer Kausalkette rechtfertigt ohne wertende Gesamtbetrachtung nicht zwingend den Schluss, dass das am Ende stehende Ergebnis ebenfalls mit dem gleichen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad eintritt. Unverzichtbar ist vielmehr eine Gesamtwürdigung dahingehend, dass die von der Ernährungsmedizinerin beschriebenen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr des Klägers eintreten würden.

20

Dadurch, dass das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung den erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeitsmaßstab verfehlt hat, ist auch seine Aussage nicht tragfähig, dass der Kläger "alsbald" in eine extreme Gefahrenlage geraten würde. Im Übrigen spricht viel dafür, dass das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang einen zu weiten Maßstab angewendet hat. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts droht dem Kläger nicht der Hungertod, sondern ein körperlicher Verfallsprozess, der durch Mangelernährung und eine dadurch erhöhte Infektanfälligkeit ausgelöst werden kann. Dass die extreme Gefahr unter diesen Umständen mit hoher Wahrscheinlichkeit "alsbald" eintritt, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.

21

Dadurch, dass das Berufungsgericht die rechtlichen Maßstäbe fehlerhaft angewendet hat, hat es auch seine tatrichterliche Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) fehlerhaft gebildet. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Überzeugungsgrundsatz dann verletzt, wenn die Überzeugungsbildung - wie hier - an inneren Mängeln leidet (vgl. etwa Beschluss vom 14. August 1998 - BVerwG 4 B 81.98 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 280). Ein Mangel bei der Überzeugungsbildung liegt zusätzlich auch insoweit vor, als das Berufungsgericht von fehlender familiärer Unterstützung für den Kläger in Afghanistan ausgegangen ist. Der Umstand, ob ein Rückkehrer auf eine derartige Unterstützung rechnen kann, ist für das Berufungsgericht von wesentlicher Bedeutung gewesen. So führt es beispielsweise aus, da in Afghanistan staatliche soziale Sicherungssysteme nicht vorhanden seien, werde die "soziale Absicherung ... (von) Familien und Stammesverbänden" übernommen (UA S. 11). Das Berufungsurteil lässt jedoch nicht erkennen, worauf sich die Überzeugung gründen lässt, dass im Entscheidungsfall eine familiäre Unterstützung fehlt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat der Kläger ausweislich des Sitzungsprotokolls erklärt, er habe in Afghanistan keine Verwandten und auch keine Bekannten mehr. Jedenfalls habe er "insoweit keinerlei Kontakte mehr". Der Bedeutung dieser Äußerung ist das Berufungsgericht nicht weiter nachgegangen. Das Berufungsgericht hat sich auch nicht damit befasst, von wem der Kläger als Minderjähriger nach dem Tod seiner Eltern bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan unterstützt worden ist. Auch zu denkbaren Unterstützungsmaßnahmen seitens seines Stammes verhält sich das Berufungsurteil nicht.

22

Bei der Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts und der Darstellung der Gründe, die für seine Überzeugungsbildung leitend gewesen sind, ist schließlich zu beanstanden, dass sich das Berufungsgericht mit der gegenteiligen Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte nur unzureichend auseinandergesetzt hat. Vier - vom Berufungsgericht zitierte - Oberverwaltungsgerichte haben verneint, dass Rückkehrern wie dem Kläger extreme Gefahren in Afghanistan drohen. Sie haben insbesondere die Hilfsmaßnahmen internationaler Organisationen und auch die Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt in Afghanistan abweichend beurteilt. Zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung hat kein anderes Oberverwaltungsgericht die Einschätzung des Berufungsgerichts geteilt. Das Argument des Berufungsgerichts, den anderen Oberverwaltungsgerichten hätten die von ihm eingeholten Erkenntnismittel nicht vorgelegen, trägt jedenfalls insoweit nicht, als es um die für das Berufungsgericht zentralen Ausführungen der Ernährungsmedizinerin geht. Denn diese ist auf der Grundlage einer vom Berufungsgericht aus dem Gesamtzusammenhang herausgelösten (hypothetischen) Einzelprämisse gehört worden.

23

Bei der verfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist ein Gericht gehalten, den Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung und die gebotene Auseinandersetzung mit abweichender Tatsachen- und Lagebeurteilung anderer (Ober-)Verwaltungsgerichte in besonderer Weise gerecht zu werden. Dies ist dem Berufungsgericht, wie ausgeführt, in mehrfacher Hinsicht nicht gelungen.

24

Für das erneute Berufungsverfahren weist der Senat darauf hin, dass es sich vorliegend um ein Asylfolgeverfahren handelt und deshalb zunächst die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens zu prüfen sind (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2004 - BVerwG 1 C 15.03 - BVerwGE 122, 103 <105 ff.> m.w.N.). Diese Prüfung hat das Berufungsgericht bisher nicht durchgeführt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt unionsrechtlich begründeten Abschiebungsschutz wegen Gefahren aufgrund eines bewaffneten innerstaatlichen Konflikts, hilfsweise nationalen Abschiebungsschutz wegen ihm drohender (extremer) Gefahr für Leib und Leben vor allem durch Mangelernährung.

2

Der 1981 geborene, ledige Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört zur Volksgruppe der Hazara und stammt aus der Provinz Ghazni. Er reiste im Februar 2003 nach Deutschland ein und betrieb hier erfolglos ein Asylverfahren. Im November 2006 stellte er einen Asylfolgeantrag. Mit Bescheid vom 21. Dezember 2006 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und eine Änderung seiner Feststellung zum Nichtvorliegen eines Abschiebungshindernisses ab. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht beschränkte der Kläger seine Klage auf die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im April 2007 stattgegeben.

3

Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren hat der Kläger geltend gemacht, dass auch die Voraussetzungen des Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG vorlägen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten im Mai 2008 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger sei in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG Abschiebungsschutz zu gewähren. Er sei zwar jung und gesund, verfüge aber nicht über eine Berufsausbildung. Angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt in Afghanistan sei die Wahrscheinlichkeit gering, dass der Kläger auf Dauer eine Arbeit finden und damit seinen eigenen Lebensunterhalt sichern könne. Auf familiäre Unterstützung könne er nicht rechnen. Unter diesen Umständen würden dem Kläger ausschließlich Tee und Brot als Nahrungsmittel zur Verfügung stehen. Diese Versorgungssituation werde durch Unterstützungsmaßnahmen der afghanischen Regierung oder internationaler Organisationen nicht wesentlich verbessert. Die Möglichkeit, eine winterfeste Unterkunft zu erlangen, sei für einen mittellosen Rückkehrer, der - wie der Kläger - nicht auf familiäre Hilfe zurückgreifen könne, minimal. Die medizinische Versorgung sei selbst in Kabul völlig unzureichend. Auch die hygienischen Verhältnisse, unter denen der Kläger als mittelloser Rückkehrer leben müsse, seien völlig unzulänglich. Angesichts dieser Lebensbedingungen bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger zwangsläufig in einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen geraten würde. Insbesondere die durch die Mangelernährung erhöhte Infektanfälligkeit werde in Verbindung mit dem ebenfalls ernährungsbedingten Eisenmangel zu schwerwiegenden Infektionen der Atmungs- und Verdauungsorgane führen. Den anderen Oberverwaltungsgerichten, die dies gegenteilig beurteilten, hätten die vom Berufungsgericht eingeholten Gutachten nicht vorgelegen. Angesichts dieser Einschätzung erübrige sich eine Entscheidung darüber, ob auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vorlägen und dem Kläger deshalb gemeinschaftsrechtlicher subsidiärer Schutz zu gewähren sei.

4

Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision beanstandet die Beklagte vor allem, dass sich das Berufungsgericht im Hinblick auf die vom Kläger befürchteten allgemeinen Gefahren auf zu schmaler Tatsachengrundlage über die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG hinweggesetzt habe.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt in mehrfacher Hinsicht Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil in der Sache nicht abschließend entscheiden kann, ist das Verfahren an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

6

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist zunächst das Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Feststellung eines - unionsrechtlich begründeten - Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Dieses Begehren ist mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union (BGBl I 2007, 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - im August 2007 Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Nach der Rechtsprechung des Senats gilt dies jedenfalls dann, wenn - wie hier - das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - in seinem Ablehnungsbescheid über sämtliche zielstaatsbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote sachlich entschieden und der Kläger die neuen, auf Unionsrecht beruhenden subsidiären Abschiebungsverbote in das anhängige gerichtliche Verfahren einbezogen hat (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 4.09 -, zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen). Gegenstand des Revisionsverfahrens ist ferner das Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Feststellung eines (nationalen) Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Nicht mehr Gegenstand des Verfahrens ist die Frage eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG, nachdem der Kläger seine Klage insoweit - vor der gesetzlichen Neuordnung der Streitgegenstände durch das Richtlinienumsetzungsgesetz - zurückgenommen und den Ablehnungsbescheid des Bundesamts damit hat bestandskräftig werden lassen. Eine Abschiebungsandrohung ist ebenfalls nicht Gegenstand des Verfahrens. Auch insoweit hat der Kläger seine Klage zurückgenommen.

7

Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht, weil es den Vorrang des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes vor dem nationalen Abschiebungsschutz nicht berücksichtigt hat (1.). Es verletzt ferner Bundesrecht, weil es beim nationalen Abschiebungsschutz den Anforderungen an die verfassungskonforme Auslegung und Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG im Fall allgemeiner Gefahren nicht hinreichend Rechnung getragen hat (2.). Schließlich verletzt es Bundesrecht, weil seine Feststellungen zur Gefahrenprognose bei verfassungskonformer Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht standhalten (3.).

8

1. Das Berufungsgericht hätte nicht offenlassen dürfen, ob der Kläger die Voraussetzungen für die Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots erfüllt. Im Entscheidungsfall kommt in diesem Zusammenhang allein ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in Betracht. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 oder 3 AufenthG scheiden auch nach Auffassung des Klägers von vornherein aus.

9

Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, der die Regelung des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 - sog. Qualifikationsrichtlinie - umgesetzt hat, ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Nach der Rechtsprechung des Senats bildet dieser unionsrechtlich begründete Abschiebungsschutz gegenüber dem sonstigen (nationalen) Abschiebungsschutz einen selbstständigen Streitgegenstand. Die Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG wird nach der typischen Interessenlage des Schutzsuchenden vorrangig vor der Feststellung eines sonstigen zielstaatsbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbots begehrt (vgl. Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 22, jeweils Rn. 10 ff.).

10

Dieses Rangverhältnis zwischen dem unionsrechtlichen und dem nationalen Abschiebungsschutz hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt. Es hätte das Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG der Sache nach nicht als Hilfsantrag behandeln dürfen, sondern darüber vor dem Begehren auf nationalen Abschiebungsschutz befinden müssen. Zwar hat der Kläger bei seiner Antragstellung im Berufungsverfahren kein bestimmtes Rangverhältnis kenntlich gemacht. Er hat aber auch nicht erkennen lassen, dass der unionsrechtliche Abschiebungsschutz nicht oder erst nach dem nationalen Abschiebungsschutz geprüft werden soll. Bei dieser Verfahrenskonstellation hätte das Berufungsgericht - entsprechend der typischen Interessenlage des Schutzsuchenden - das Begehren des Klägers dahingehend auslegen müssen, dass primär über dessen Hauptantrag auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots in Bezug auf Afghanistan gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG entschieden werden soll. Auf dieser rechtsfehlerhaften Behandlung der Anträge des Klägers beruht die Entscheidung des Berufungsgerichts. Daran ändert auch die hilfsweise angeführte Begründung des Berufungsgerichts nichts, dass die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG im Übrigen auch nicht erfüllt seien. Denn in dieser Begründung stellt das Berufungsgericht darauf ab, dass selbst bei Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in Afghanistan ein Abschiebungsverbot nach dieser Vorschrift wegen der auch in diesem Fall geltenden Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nur bei einer - hier offenbar nicht gegebenen - extremen Gefahr in Betracht komme. Diese Rechtsansicht ist nach dem inzwischen ergangenen Urteil des Senats vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - (a.a.O. Rn. 30 ff.) nicht mit Bundesrecht vereinbar, da § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG richtlinienkonform dahingehend auszulegen ist, dass er bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie bzw. des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG keine Sperrwirkung entfaltet. Mangels hinreichender Feststellungen im Berufungsurteil zum Vorliegen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist es dem Senat verwehrt, sich selbst näher mit den Voraussetzungen eines derartigen Abschiebungsverbots zu befassen. Im erneuten Berufungsverfahren wird das Oberverwaltungsgericht vorrangig über diesen Hauptantrag zu entscheiden haben.

11

2. Indem das Berufungsgericht dem Kläger Abschiebungsschutz nach nationalem Recht in verfassungskonformer Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG zugesprochen hat, ohne das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG rechtsfehlerfrei zu prüfen und auszuschließen, hat es auch die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Voraussetzungen für die verfassungskonforme Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in Fällen einer allgemeinen Gefahr verkannt. Auch insofern ist das Berufungsurteil nicht mit Bundesrecht vereinbar.

12

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine derartige Abschiebestopp-Anordnung besteht für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht (mehr). Mit seinem Hinweis auf die unzureichende Versorgungslage in Afghanistan, die für Rückkehrer ohne Berufsausbildung und familiäre Unterstützung besteht, macht der Kläger allgemeine Gefahren geltend, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen können. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann diese Sperrwirkung nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht (vgl. Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - a.a.O. Rn. 32 m.w.N.). Eine Schutzlücke besteht für den Kläger indes nicht, falls er die Feststellung eines unionsrechtlichen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG beanspruchen kann (vgl. hierzu nochmals Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - a.a.O. Rn. 32 m.w.N.). Das Berufungsgericht hätte sich daher auch aus diesem Grund mit der Frage des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes befassen müssen, ehe es sich mittels verfassungskonformer Auslegung über die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG hinwegsetzt.

13

3. Schließlich ist die Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG durch das Berufungsgericht auch deshalb mit Bundesrecht nicht vereinbar, weil seine Feststellungen zum Vorliegen einer extremen Gefahr im Falle einer Rückkehr des Klägers nach Afghanistan einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht standhalten. Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend erkannt, dass eine unmittelbare Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausscheidet, weil der Kläger keine individuellen, nur ihm drohenden Gefahren, sondern allgemeine Gefahren geltend macht. Es ist aber bei der verfassungskonformen Anwendung der Vorschrift in mehrfacher Hinsicht hinter den maßgeblichen rechtlichen Anforderungen zurückgeblieben. So hat es die vom Senat zum Vorliegen einer extremen Gefahrenlage entwickelten rechtlichen Maßstäbe verfehlt. Es ist in diesem Zusammenhang auch den Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung nicht gerecht geworden und hat seine Entscheidung auf eine zu schmale Tatsachengrundlage gestützt.

14

Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die den Kläger in Afghanistan erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann er Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren.

15

Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde" (vgl. Urteil vom 12. Juli 2001 - BVerwG 1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1 <9 f.> m.w.N.). Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. etwa Urteil vom 12. Juli 2001 - BVerwG 1 C 5.01 - a.a.O.).

16

Das Berufungsgericht hat diese rechtlichen Maßstäbe für die verfassungskonforme Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zwar im Wesentlichen zutreffend wiedergegeben. Seine rechtliche Subsumtion wird jedoch nicht von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen getragen. Vor allem fehlt eine tatrichterliche Gesamtwürdigung der den Kläger betreffenden Lebensbedingungen in Afghanistan insbesondere im Hinblick auf die bei der verfassungskonformen Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gebotene erhöhte Wahrscheinlichkeit des Eintritts der extremen Gefahren.

17

Das Berufungsgericht hat sich zwar ausdrücklich auf diesen hohen Wahrscheinlichkeitsmaßstab bezogen und in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung des Senats zitiert (UA S. 7). Auch spricht es am Ende seiner Entscheidung zusammenfassend von der "hohen Wahrscheinlichkeit", dass der Kläger durch seine Abschiebung nach Afghanistan zwangsläufig in einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen geraten würde (UA S. 15). Diese rechtliche Schlussfolgerung ist durch die getroffenen tatsächlichen Feststellungen und deren Würdigung aber nicht gedeckt. So ist das Berufungsgericht maßgeblich davon ausgegangen, dass der Kläger sich ausschließlich von Tee und Brot ernähren müsste. Auf der Grundlage dieser Prämisse hat sich das Berufungsgericht von einer Ernährungsmedizinerin die gesundheitlichen Risiken dieser Mangelernährung schildern lassen. Gleichzeitig hat es sich auf Erkenntnisquellen bezogen, nach denen sich jeder zweite Einwohner von Kabul nur von Tee und Brot ernähren kann, 8,9 % der Bevölkerung von Kabul unter akuter Unterernährung leiden und "fast ein Viertel aller Haushalte" in Afghanistan die Grundversorgung an Nahrungsmitteln nicht selbstständig sichern kann (UA S. 11). Das Berufungsgericht hat weiter erwähnt, dass dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 7. März 2008 zufolge internationale Hilfsorganisationen Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern versorgen und sich die Versorgungslage in Kabul grundsätzlich verbessert hat. Es ist dem aber nicht hinreichend nachgegangen, sondern hat ohne nähere Prüfung gefolgert, dass die Versorgungssituation durch Unterstützungsmaßnahmen der afghanischen Regierung oder internationaler Organisationen nicht wesentlich verbessert werde (UA S. 11 und 12). All dies macht deutlich, dass sich das Berufungsgericht schon bei der Würdigung dieses zentralen Teilkomplexes auf eine zu schmale Tatsachengrundlage gestützt und den erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeitsmaßstab verfehlt hat.

18

Dies gilt auch für die Würdigung der anderen Teilkomplexe. Bei der Möglichkeit, sich eine wirtschaftliche Existenz aus eigener Kraft zu sichern, spricht das Berufungsgericht zwar von einer "hohen Wahrscheinlichkeit", dass dem Kläger diese Sicherung nicht gelingen werde. Es stützt sich dabei aber zum Teil auf Erkenntnisquellen, die sich mit den Chancen befassen, "auf Dauer" eine Arbeit zu finden bzw. eine berufliche "Wiedereingliederung" zu erreichen (UA S. 9).

19

Das Berufungsgericht hat seine Prognose, dass dem Kläger extreme Gefahren drohen, zudem in der Weise gewonnen, dass es bei der Beurteilung der Lebensbedingungen in Afghanistan die erwähnten und weitere sachliche Teilkomplexe u.a. zur Problematik einer winterfesten Unterkunft, medizinischer Versorgung und hygienischer Verhältnisse gebildet hat. Es hat damit die Gefahrenprognose in mehrere hintereinander geschaltete Teilprognosen aufgespalten, deren Schlussfolgerungen aufeinander aufbauen. Die bei dieser Vorgehensweise erforderliche Gesamtprognose, mit der die Lebensbedingungen und die sich daraus für den Kläger ergebenden Risiken anhand des hohen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs insgesamt gewürdigt werden, ist nicht erfolgt. Der vom Berufungsgericht gezogene Gesamtschluss wäre selbst dann rechtsfehlerhaft, wenn dieses bei jedem der von ihm untersuchten Teilbereiche eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit festgestellt hätte. Denn eine hohe Wahrscheinlichkeit hinsichtlich der Verwirklichung jedes Einzelglieds einer Kausalkette rechtfertigt ohne wertende Gesamtbetrachtung nicht zwingend den Schluss, dass das am Ende stehende Ergebnis ebenfalls mit dem gleichen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad eintritt. Unverzichtbar ist vielmehr eine Gesamtwürdigung dahingehend, dass die von der Ernährungsmedizinerin beschriebenen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr des Klägers eintreten würden.

20

Dadurch, dass das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung den erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeitsmaßstab verfehlt hat, ist auch seine Aussage nicht tragfähig, dass der Kläger "alsbald" in eine extreme Gefahrenlage geraten würde. Im Übrigen spricht viel dafür, dass das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang einen zu weiten Maßstab angewendet hat. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts droht dem Kläger nicht der Hungertod, sondern ein körperlicher Verfallsprozess, der durch Mangelernährung und eine dadurch erhöhte Infektanfälligkeit ausgelöst werden kann. Dass die extreme Gefahr unter diesen Umständen mit hoher Wahrscheinlichkeit "alsbald" eintritt, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.

21

Dadurch, dass das Berufungsgericht die rechtlichen Maßstäbe fehlerhaft angewendet hat, hat es auch seine tatrichterliche Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) fehlerhaft gebildet. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Überzeugungsgrundsatz dann verletzt, wenn die Überzeugungsbildung - wie hier - an inneren Mängeln leidet (vgl. etwa Beschluss vom 14. August 1998 - BVerwG 4 B 81.98 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 280). Ein Mangel bei der Überzeugungsbildung liegt zusätzlich auch insoweit vor, als das Berufungsgericht von fehlender familiärer Unterstützung für den Kläger in Afghanistan ausgegangen ist. Der Umstand, ob ein Rückkehrer auf eine derartige Unterstützung rechnen kann, ist für das Berufungsgericht von wesentlicher Bedeutung gewesen. So führt es beispielsweise aus, da in Afghanistan staatliche soziale Sicherungssysteme nicht vorhanden seien, werde die "soziale Absicherung ... (von) Familien und Stammesverbänden" übernommen (UA S. 11). Das Berufungsurteil lässt jedoch nicht erkennen, worauf sich die Überzeugung gründen lässt, dass im Entscheidungsfall eine familiäre Unterstützung fehlt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat der Kläger ausweislich des Sitzungsprotokolls erklärt, er habe in Afghanistan keine Verwandten und auch keine Bekannten mehr. Jedenfalls habe er "insoweit keinerlei Kontakte mehr". Der Bedeutung dieser Äußerung ist das Berufungsgericht nicht weiter nachgegangen. Das Berufungsgericht hat sich auch nicht damit befasst, von wem der Kläger als Minderjähriger nach dem Tod seiner Eltern bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan unterstützt worden ist. Auch zu denkbaren Unterstützungsmaßnahmen seitens seines Stammes verhält sich das Berufungsurteil nicht.

22

Bei der Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts und der Darstellung der Gründe, die für seine Überzeugungsbildung leitend gewesen sind, ist schließlich zu beanstanden, dass sich das Berufungsgericht mit der gegenteiligen Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte nur unzureichend auseinandergesetzt hat. Vier - vom Berufungsgericht zitierte - Oberverwaltungsgerichte haben verneint, dass Rückkehrern wie dem Kläger extreme Gefahren in Afghanistan drohen. Sie haben insbesondere die Hilfsmaßnahmen internationaler Organisationen und auch die Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt in Afghanistan abweichend beurteilt. Zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung hat kein anderes Oberverwaltungsgericht die Einschätzung des Berufungsgerichts geteilt. Das Argument des Berufungsgerichts, den anderen Oberverwaltungsgerichten hätten die von ihm eingeholten Erkenntnismittel nicht vorgelegen, trägt jedenfalls insoweit nicht, als es um die für das Berufungsgericht zentralen Ausführungen der Ernährungsmedizinerin geht. Denn diese ist auf der Grundlage einer vom Berufungsgericht aus dem Gesamtzusammenhang herausgelösten (hypothetischen) Einzelprämisse gehört worden.

23

Bei der verfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist ein Gericht gehalten, den Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung und die gebotene Auseinandersetzung mit abweichender Tatsachen- und Lagebeurteilung anderer (Ober-)Verwaltungsgerichte in besonderer Weise gerecht zu werden. Dies ist dem Berufungsgericht, wie ausgeführt, in mehrfacher Hinsicht nicht gelungen.

24

Für das erneute Berufungsverfahren weist der Senat darauf hin, dass es sich vorliegend um ein Asylfolgeverfahren handelt und deshalb zunächst die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens zu prüfen sind (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2004 - BVerwG 1 C 15.03 - BVerwGE 122, 103 <105 ff.> m.w.N.). Diese Prüfung hat das Berufungsgericht bisher nicht durchgeführt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.