Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 21. Juli 2016 - 2 MB 12/16

ECLI:ECLI:DE:OVGSH:2016:0721.2MB12.16.0A
21.07.2016

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 9. Kammer - vom 11.05.2016 geändert:

Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 16.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2015 anzuordnen, wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf

11.177,99 € Euro

festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den der Antragsgegnerin am 20. Mai 2016 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 11.05.2016 ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 16.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2015 zu Unrecht angeordnet.

2

Eine derartige Anordnung hat zu erfolgen, wenn die Anfechtungsklage der Antragstellerin keine aufschiebende Wirkung entfaltet – was angesichts des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO der Fall ist – und eine Interessenabwägung ergibt, dass das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin überwiegt, vgl. § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Var. VwGO.

3

Im Rahmen dieser Abwägung finden vor allem die Erfolgsaussichten in der Hauptsache bei einer summarischen Prüfung Berücksichtigung. Ist der Bescheid offensichtlich rechtswidrig bzw. bestehen in Anlehnung an § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides, so überwiegt in der Regel das Aussetzungsinteresse. Ist der Bescheid hingegen offensichtlich rechtmäßig, überwiegt in der Regel das Vollziehungsinteresse.

4

Vorliegend überwiegt das Aussetzungsinteresse nicht. Es ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides, mithin ist der Erfolg der Klage zumindest nicht ebenso wahrscheinlich wie ihr Misserfolg (Senatsbeschl. v. 24.06.1998 - 2 M 7/98 -).

5

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes handelt es sich bei dem Grundstück der Antragstellerin um ein i. S. d. Ausbaubeitragsrechts bevorteiltes sog. gefangenes Hinterliegergrundstück. Es liegt weder an der Uferstraße noch an der Mecklenburger Straße direkt an.

6

Grundsätzlich ist ein solchen Hinterliegergrundstück nur dann beitragspflichtig, wenn der Eigentümer des Hinterliegergrundstücks dauerhaft berechtigt ist, die ausgebaute Straße über das Anliegergrundstück in Anspruch zu nehmen (Thiem/Böttcher, Rn 579 zu § 8 KAG). Dies kann etwa bei einem dinglichen Wegerecht vorliegen, ein lediglich schuldrechtlicher Anspruch auf Benutzung des Anliegergrundstückes zwecks Verbindung zur Einrichtung genügt hingegen nicht (Thiem/Böttcher, Rn 581a zu § 8 KAG), Bei gefangenen Hinterliegergrundstücken sind die Anforderungen an die Sicherung der Zuwegung geringer, hier kann auch ein Notwegerecht genügen (Thiem/Böttcher, Rn 579 zu § 8 KAG).

7

Das Grundstück ist durch die Flurstücke ... und ... als Anliegergrundstücke, die im Eigentum des Bundes stehen, von der Einrichtung „Uferstraße“ getrennt. Ein dingliches Wegerecht über diese Grundstücke besteht nicht. Zur Mecklenburger Straße hin ist das Grundstück der Antragstellerin durch die Flurstücke ... und ... getrennt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes Schleswig handelt es sich bei diesen letztgenannten Flurstücken, auf denen sich ein Gehweg befindet, nicht um einen Teil der öffentlichen Straße „Mecklenburger Straße“.

8

Als diese beiden Flurstücke in das Eigentum der Antragsgegnerin fielen – Eintragung der Auflassung am 20.08.2009 –, wurden sie nicht gemäß § 6 Abs. 1 und 2 StrWG als öffentliche Straße gewidmet. Da die Mecklenburger Straße als öffentliche Straße zudem weder verbreitert, begradigt, durch Verkehrsanlagen ergänzt noch unwesentlich verlegt wurde, greift auch nicht die Widmungsfiktion des § 6 Abs. 5 StrWG hinsichtlich der Flurstücke... und ... .

9

Eine analoge Anwendung des § 6 Abs. 5 StrWG, wie sie das Verwaltungsgericht vornimmt, ist nicht statthaft. Zwar liegt, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, eine vergleichbare Interessenlage vor – ob die Stadt einen Gehweg an eine bestehende öffentliche Straße anbaut oder aber ein bestehender Gehweg, der an eine öffentliche Straße angrenzt, in das Eigentum der Stadt als Baulastträgerin fällt, stellt eine ähnliche Interessenlage dar –, es fehlt jedoch eine planwidrige Regelungslücke.

10

Ausnahmevorschriften wie die Vorschrift des § 6 Abs. 5 StrWG sind grundsätzlich nicht analogiefähig, weil es an der Planwidrigkeit der Regelungslücke fehlt. Der Gesetzgeber sah das Erfordernis von Ausnahmen von der Grundregelung – eine Widmung durch Verfügung gem. § 6 Abs. 1 und 2 StrWG - und hat diese in der Vorschrift § 6 Abs. 5 StrWG in nicht exemplarischer Art und Weise abschließend geregelt. Die Möglichkeit einer Widmungsfiktion qua Erwerb von Grundstücken, die an gewidmeten öffentlichen Straßen anliegen, wurde gerade nicht geregelt, obwohl diese Variante nicht fernliegend ist und dem Gesetzgeber bekannt gewesen sein dürfte. Gründe, dennoch ausnahmsweise eine Analogiefähigkeit der Vorschrift anzunehmen, sind nicht ersichtlich.

11

Die Flurstücke sind auch nicht qua § 2 Abs. 2 Nr. 1 StrWG Teil der öffentlichen Straße. Aus § 2 Abs. 1 StrWG und der ratio des Gesetzes ergibt sich, dass nur solche Gehwege gemäß 2 Abs. 2 Nr. 1 StrWG Teil der öffentlichen Straße sind, die bereits zum Zeitpunkt der Widmung der Straße vorhanden und im Eigentum der Stadt gewesen waren. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so ist § 6 Abs. 5 StrWG die speziellere Norm, die über
§ 2 Abs. 2 Nr. 1 StrWG nicht umgangen werden darf.

12

Ein dingliches Wegerecht besteht auch über die Flurstücke ... und ... nicht. Die Antragstellerin hat jedoch in Form von Notwegerechten gemäß § 917 Abs. 1 Satz 2 BGB einen rechtlich zulässigen und dauerhaften Zugang über Anliegergrundstücke zur Uferstraße.

13

Es besteht keine Verbindung des Grundstückes der Antragstellerin zu einem öffentlichen Weg, eine solche ist zur ordnungsgemäßen Benutzung des Grundstückes, auf dem sich ein Betrieb befindet, erforderlich und die Benutzung des Verbindungsgrundstückes ist ferner notwendig. Ob auch das für das Bestehen eines Notwegerechts konstitutive Duldungsverlangen – ggf. konkludent durch jahrelange einvernehmliche Nutzung – vorliegt, kann mit Blick auf die Beitragspflicht der Antragstellerin offen bleiben, da in dem Falle, dass ein Duldungsverlangen nicht vorliegt, dieses Hindernis zur Begründung eines Notwegerechtes allein von der Antragstellerin abhängig ist und dieses Hindernis somit beitragsrechtlich ohne Bedeutung ist (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 08.07.2015 - 4 LB 15/14 -).

14

Hinsichtlich der Ausübung des Notwegerechtes ergeben sich aufgrund der örtlichen Gegebenheiten drei mögliche Konstellationen. Die erste Variante führt vom westlichen Ende des Grundstückes der Antragstellerin – von der Einfahrt zum nördlich gelegenen Betriebsparkplatz – über das Flurstück ... zur Uferstraße. Die zweite Variante führt vom süd-östlichen Ende des Grundstückes der Antragstellerin – von der Einfahrt zum süd-östlichen Betriebsparkplatz – über das Flurstück ... zur Uferstraße (bei einem engen Wendekreis eventuell auch zur Mecklenburger Straße). Die dritte Variante führt vom östlichen Ende des Grundstückes der Antragstellerin durch ein Torhaus über die Flurstücke ... und ... zur Mecklenburger Straße.

15

Bei mehreren möglichen Verbindungen ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, (vgl. Palandt/Bassenge, Rn 61 zu § 917 BGB). Dem Interesse an einer möglichst geringen Belastung durch den Notweg ist das Interesse an einer möglichst großen Effektivität des Notweges gegenüberzustellen.

16

Die Belastung für die Grundstücke, über die das Notwegerecht führen könnte, ist in allen drei Varianten denkbar gering, da der Notweg jeweils nicht nur sehr kurz ist, sondern die Grundstücke ferner auch aufgrund ihrer geringen Tiefe und derzeitiger Verwendung kaum wirtschaftlich nutzbar sind. Welcher Weg auch unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange der effektivste ist, vermag der Senat auch angesichts der Tatsache, dass mit einem Wegerecht allein nicht beide Betriebsparkplätze erreicht werden können, nicht abschließend zu beurteilen. Bei der Abwägung ist ferner zu berücksichtigen, dass der nördliche Parkplatz zwar von der Mecklenburger Straße durch das Torhaus erreichbar ist, die maximale Durchfahrtshöhe durch das Torhaus jedoch nur 3,6 m beträgt und die Rangiermöglichkeiten für einen Lkw hinter dem Torhaus begrenzt sind. Eine Zufahrtsmöglichkeit von Westen aus ohne störendes Torhaus ist zudem aufgrund einer effektiven Brandbekämpfung – die Antragstellerin lagert Stoffe nach Nr. 13 des Anhanges I der 12. BImSchV (Erdölerzeugnisse) – erforderlich.

17

Angesichts der geringen Belastung für die Grundstücke, über die der Notweg führen könnte, der jahrelang geübten Praxis, diese Wege zu nutzen, und der wirtschaftlichen sowie sicherheitsbedingten Bedeutung der verschiedenen Zugangsmöglichkeiten zum Betriebsgelände ist ausnahmsweise von mehreren verschiedenen Notwegerechten – auch zur Uferstraße – auszugehen.

18

Den Notwegerechten steht § 918 BGB nicht entgegen, weil die Antragstellerin nicht eine bestehende Verbindung zu einem öffentlichen Weg, die Mecklenburger Straße, willkürlich aufgehoben hat. Willkür liegt nur vor, wenn die Antragstellerin gegen eine ordnungsgemäße Grundstücksbewirtschaftung ohne gebotene Rücksicht auf die Nachbarn verstößt (vgl. Palandt/Bassenge, Rn 1 zu § 918 BGB). Hierfür liegen keine Anhaltspunkte vor.

19

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 GKG.

20

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


ra.de-Urteilsbesprechung zu Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 21. Juli 2016 - 2 MB 12/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 21. Juli 2016 - 2 MB 12/16

Referenzen - Gesetze

Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 21. Juli 2016 - 2 MB 12/16 zitiert 10 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 53 Einstweiliger Rechtsschutz und Verfahren nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes


(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 68 Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts


(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Geri

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 66 Erinnerung gegen den Kostenansatz, Beschwerde


(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. W

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 917 Notweg


(1) Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 918 Ausschluss des Notwegrechts


(1) Die Verpflichtung zur Duldung des Notwegs tritt nicht ein, wenn die bisherige Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Wege durch eine willkürliche Handlung des Eigentümers aufgehoben wird. (2) Wird infolge der Veräußerung eines Teils

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 21. Juli 2016 - 2 MB 12/16 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 21. Juli 2016 - 2 MB 12/16 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 08. Juli 2015 - 4 LB 15/14

bei uns veröffentlicht am 08.07.2015

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 27. September 2013 geändert: Der Bescheid der Beklagten vom 4. April 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2011 wird
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 21. Juli 2016 - 2 MB 12/16.

Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 05. Dez. 2018 - 2 MB 26/18

bei uns veröffentlicht am 05.12.2018

Tenor Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 2. Kammer – vom 5. Oktober 2018 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird für das Besc

Referenzen

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt.

(2) Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 27. September 2013 geändert:

Der Bescheid der Beklagten vom 4. April 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2011 wird aufgehoben, soweit ein Ausbaubeitrag von mehr als 52.374,45 Euro festgesetzt wurde.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Kläger trägt 3/4, die Beklagte 1/4 der Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag.

2

Mit Bescheid vom 6. April 2011 zog die Beklagte den Kläger als „Eigentümer des in der Gemeinde Scharbeutz, Gemarkung A-Stadt, Flur 2, Flurstück 275/9, A-Straße, Campingplatz, A-Stadt liegenden Grundstückes“ wegen des Ausbaus der Strandallee zu einem Straßenausbaubeitrag in Höhe von 67.641,78 Euro heran.

3

Das Flurstück 275/9 ist eine 27.070 qm große Teilfläche eines unter Nr. 3 des Grundbuchs von Haffkrug-A-Stadt, Blatt 4683, gebuchten Grundstücks von insgesamt 28.919 qm Größe. Das Flurstück wird zusammen mit weiteren Flurstücken anderer Grundstücke, die teilweise im Eigentum Dritter stehen, als Campingplatz genutzt. Nießbraucher sind der Vater des Klägers und dessen Ehefrau. Die Zufahrt zum Campingplatz verläuft über das direkt an der Strandallee gelegene, ebenfalls im Eigentum des Klägers stehende Flurstück 115, auf dem sich ein Imbissbetrieb, ein Lagerraum und Parkplätze befinden, anschließend über das im Eigentum des Vaters des Klägers stehende Flurstück 120/19 und quert (u.a.) ein Flurstück des ehemaligen Verlaufs des Baches „Gösebeek“, das im Eigentum des Wasser- und Bodenverbandes Ostholstein steht.

4

Den Widerspruch des Klägers gegen den Beitragsbescheid wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2011 als unbegründet zurück.

5

Der Kläger hat am 17. Oktober 2011 Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen:

6

Der Ausbau der Strandallee vermittle dem Flurstück 275/9 keinen Vorteil, weil es an der erforderlichen qualifizierten Inanspruchnahmemöglichkeit fehle. Bei dem Flurstück 275/9 handele es sich um ein sogenanntes Hinterliegergrundstück, das nicht über einen rechtlich gesicherten Zugang zur ausgebauten Straße verfüge. Die Zufahrt über das Grundstück (Flurstück 120/19) seines Vaters sei nicht dinglich gesichert.

7

Die Beklagte gehe bereits im Ansatz unzutreffend davon aus, dass sein Vater als Eigentümer des hinterliegenden Flurstücks 120/19 in Form eines Notwegerechts über eine ausreichend gesicherte Zufahrt zur ausgebauten Straße „Strandallee“ über sein an der Strandallee gelegenes Flurstück 115 verfüge. Die tatbestandlichen Voraussetzungen gemäß § 917 BGB lägen nicht vor. Zum einen bestehe eine Zugangsmöglichkeit über die nördlich an das Grundstück 120/19 angrenzende Privatstraße „Strandwiese“, die ebenfalls im Eigentum seines Vaters stehe. Auf die tatsächliche Nutzung der Zugangsmöglichkeit komme es nicht an. Zum anderen fehle es an einem erforderlichen Duldungsverlangen seines Vaters an ihn als Eigentümer des Flurstücks 115.

8

Zudem sei die Berechnung des Beitrags fehlerhaft beziehungsweise ohne Grundlage in der Satzung. Von der tatsächlichen Grundstücksfläche seien die Flächen in Abzug zu bringen, die nicht als Campingplatz genutzt werden dürften. Dies gelte zum einen für den westlichen Teil des Grundstücks, der als geschütztes Biotop nach § 15 Landesnaturschutzgesetz jeglicher Nutzung entzogen sei und zum anderen für die Fläche, die er nach einem Planfeststellungsbeschluss des Kreises Ostholstein als Gewässerschutzstreifen der Gösebeek und der Heidebeek freizuhalten habe. Die Regelungen in der Satzung über die Anzahl der anzusetzenden Vollgeschosse in § 6 Abs. 3 der Ausbaubeitragssatzung der Beklagten seien sämtlich nicht einschlägig, sodass die Satzung keine Grundlage für die Veranlagung seines Grundstücks sein könne. Der rechnerische Ansatz eines Vervielfältigers von 1,0 sei überhöht. Grundstücke, die nur in einer der baulichen oder gewerblichen Nutzung vergleichbaren Weise genutzt werden könnten, seien wegen ihrer regelmäßigen Großflächigkeit allenfalls mit der Hälfte, besser nur mit einem Viertel des für eingeschossige Bebauung vorgesehenen Nutzungsfaktors in die Aufwandsverteilung einzustellen. Der Ansatz eines Artzuschlages sei unangemessen und finde in der Satzung ebenfalls keine Grundlage.

9

Der Kläger hat beantragt,

10

den Bescheid der Beklagten vom 06.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2011 aufzuheben.

11

Die Beklagte hat beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Das Flurstück 115 des Klägers, auf dem die ausschließliche Zufahrt und der ausschließliche Zugang zum einheitlich genutzten Campingplatz gelegen sei, grenze unmittelbar an die ausgebaute Strandallee an. Das sich daran nordwestlich direkt anschließende Grundstück des Vaters des Klägers (Flurstück 120/19) besitze als Hinterliegergrundstück über das vorgelagerte Anliegergrundstück (Flurstück 115) eine Verbindung zum öffentlichen Verkehrsnetz (zur ausgebauten Strandallee) in Form eines Notwegerechts nach Maßgabe des §917 BGB. Das Notwegerecht sei schon dann gegeben, wenn eine zweite Zufahrtsmöglichkeit (hier über die Privatstraße Strandwiese) tatsächlich nicht genutzt werde. Im Übrigen erfordere die Auswahl zwischen zwei Wegerechten beziehungsweise Anschlussmöglichkeiten eine Abwägung zwischen den Interessen an der geringsten Belastung und der größten Effektivität der jeweiligen Verbindung. Danach sei eindeutig ein Notwegerecht über das Anliegergrundstück (Flurstück 115) mit der tatsächlich vorhandenen Zufahrt beziehungsweise dem tatsächlich vorhandenen Zugang zum gesamten Campingplatzgelände gegeben. Wenn für das Grundstück des Vaters (Flurstück 120/19) ein Notwegerecht über das Flurstück 115 des Klägers gegeben sei, dann sei auch für den Kläger entsprechend im Hinblick auf seine Hinterliegergrundstücke (u.a. das Flurstück 275/9), für die es keine andere Erschließungsmöglichkeit gebe, ein Notwegerecht gemäß §917 BGB über das Flurstück des Vaters 120/19 einzuräumen. Ein tatsächlich und unter Umständen möglicher Zugang oder eine Zufahrt über die Privatstraße Strandwiese sei in diesem Zusammenhang rechtlich bedeutungslos, weil insgesamt für die Hinterliegergrundstücke des Klägers tatsächlich keine grundbuchrechtlichen dinglichen Sicherungen für eine dauerhafte Inanspruchnahme der Privatstraße bestellt worden seien.

14

Eine Flächenbegrenzung des Grundstücks sei rechtlich nicht geboten. Ausnutzungsbehinderungen, wie die hier vom Kläger angeführten öffentlich-rechtlichen Beschränkungen, hätten keinen Einfluss auf den Umfang der erschlossenen Grundstücksfläche.

15

Die maßgebliche Ausbaubeitragssatzung treffe in § 6 Abs. 3 Ziffer 3 a, c und d für das Flurstück 275/9 auch eine Vollgeschossregelung.

16

Die vom Kläger angenommene eingeschränkte (bauliche) Nutzbarkeit des Grundstücks führe nicht zur Anwendung eines niedrigeren Nutzungsfaktors. Grundstücke, bei denen es sich im Regelfall um Unterfälle einer Grünflächennutzung und nicht einer baulichen Nutzung handele, seien mit besonderen Nutzungsfaktoren belegt (hier 0,7 der Grundstücksfläche).

17

Auch für Grundstücke in anderen Gebieten als Kern-, Gewerbe-, Industrie- oder sonstigen Sondergebieten (§11 BauNVO), die überwiegend gewerblich oder industriell genutzt werden, sei ein Artzuschlag zu erheben. Die gewerbliche Nutzung des Campingplatzes könne nicht bestritten werden.

18

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 27. September 2013 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

19

Bei den durchgeführten Straßenbauarbeiten handele es sich um (beitragsfähige) Erneuerungs- beziehungsweise verbessernde Ausbaumaßnahmen. An der durch die Beklagte angenommenen Begrenzung der ausgebauten Einrichtung bestünden keine rechtlichen Bedenken.

20

Soweit die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid fehlerhaft davon ausgehe, dass das veranlagte Grundstück allein aus dem Flurstück 275/9 bestehe, werde der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.

21

Bei Eigentümerverschiedenheit von Anlieger- und Hinterliegergrundstück sei der Eigentümer des Hinterliegergrundstücks grundsätzlich nur dann beitragspflichtig, wenn er dauerhaft berechtigt sei, die ausgebaute Straße über das Vorderliegergrundstück zu betreten. Auch ein Notwegerecht sei eine ausreichende Sicherung.

22

Das Flurstück 275/9 könne von der Strandallee aus über mehrere im Eigentum des Klägers stehende Flurstücke sowie das im Eigentum seines Vaters stehende Flurstück 120/19 erreicht werden. Tatsächlich erfolge seit vielen Jahren auf diese Art die Zuwegung zum Flurstück 275/9. Ob darüber hinaus ein weiteres im Eigentum des Wasser- und Bodenverbandes Ostholstein stehendes Flurstück genutzt werde, könne dahinstehen, da sich hinsichtlich dieses Flurstücks rechtlich nichts anderes als hinsichtlich des Flurstücks 120/19 ergeben würde.

23

Eine dingliche Sicherung des Zugangsrechts zu dem Flurstück 275/9 über das Flurstück 120/19 bestehe nicht. Auch ein Notwegerecht im Sinne des §917 Abs. 1 Satz 1 BGB bestehe nicht. Es fehle an dem nach §917 Abs. 1 Satz 1 BGB vorausgesetzten Duldungsverlangen. Allein in der tatsächlichen Nutzung des Flurstücks 120/19 als Zufahrtsgrundstück könne ein Duldungsverlangen nicht gesehen werden.

24

Trotz des fehlenden Notwegerechts sei das Grundstück des Klägers zu den Grundstücken zu zählen, denen durch den Ausbau der Straße Strandallee ein (beitragsrechtlich relevanter) Vorteil erwachse. Als eine Art „letzter Korrekturansatz“ - dem Gedanken von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht unähnlich - gebiete die schutzwürdige Erwartung der anderen Beitragspflichtigen es billigerweise, auch das Flurstück 275/9 mit einem Beitrag zu belasten. Das Flurstück werde zusammen mit anderen Flurstücken einheitlich als Campingplatz genutzt, dessen Zufahrt von der Strandallee aus erfolge. Eine erkennbare Abgrenzung der verschiedenen Grundstücke bestehe nicht. Zudem habe es der Kläger in der Hand, durch die Äußerung des Verlangens ein Notwegerecht entstehen zu lassen und damit auch einen rechtlich gesicherten Zugang zu dem Flurstück 275/9.

25

Der angefochtene Bescheid sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die tatsächliche Größe des Flurstücks von 27.070 qm ergebe sich aus der Eintragung im Grundbuch. Das Grundstück liege im Gebiet des Bebauungsplanes Nr. 61, der unter anderem für das Flurstück 275/9 „Sondergebiet Camping“ im Sinne des § 10 Abs. 1 BauNVO ausweise. Nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 der Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten sei die Fläche in vollem Umfang (Vervielfältiger 1,0) zu berücksichtigen. Anstelle dieses Vervielfältigers werde die Grundstücksfläche bei einem Campingplatz mit einem Vervielfältiger von 0,7 berücksichtigt (§ 6 Abs. 2 Ziffer 4 Buchstabe e) der Satzung). Gegen diese Regelung bestünden keine rechtlichen Bedenken. Die vom Kläger angeführten Ausnutzungsbehinderungen hätten keinen Einfluss auf den Umfang der erschlossenen beziehungsweise bevorteilten Grundstücksfläche. Entsprechendes gelte für Beschränkungen, die auf einem Planfeststellungsbeschluss beruhten.

26

Der Auffassung des Klägers, die Beklagte hätte einen niedrigeren Nutzungsfaktor als 1,0 berücksichtigen müssen, sei nicht zu folgen.

27

Auch der Artzuschlag von 30 % nach § 6 Abs. 4 der Straßenausbaubeitragssatzung sei nicht zu beanstanden.

28

Der Senat hat auf Antrag des Klägers mit Beschluss vom 2. April 2014 die Berufung zugelassen.

29

Zur Begründung der Berufung führt der Kläger im Wesentlichen aus:

30

Das Verwaltungsgericht erkenne, dass das veranlagte Hinterliegergrundstück nicht nur durch das im Eigentum des Klägers stehende Anliegergrundstück (Flurstück 115), sondern darüber hinaus in östlicher Richtung durch weitere in fremdem Eigentum stehende Hinterliegergrundstücke des Wasser- und Bodenverbandes Ostholstein sowie dasjenige seines Vaters (Flurstück 120/19) von der ausgebauten Straße abgeschnitten sei, ohne über eine - die sachliche Beitragspflicht begründende - dinglich gesicherte Zugangsmöglichkeit zu verfügen. Es teile auch die Auffassung des Klägers, dass ein Notwegerecht nicht bestehe. Gleichwohl bejahe es die Beitragspflicht im Hinblick auf die schutzwürdige Erwartung der übrigen Beitragspflichtigen als „letzten Korrekturansatz“. Diese Einschätzung erweise sich als rechtlich nicht haltbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei (im Erschließungsbeitragsrecht) der Aspekt der schutzwürdigen Erwartung anderer Beitragspflichtiger nur im Rahmen des die sogenannte Verteilungsphase bestimmenden § 131 Abs. 1 BauGB relevant. Für eine Übertragung dieses Gedankens auf § 133 Abs. 1 BauGB, der die sogenannte Heranziehungsphase betreffe, bestehe kein sachlicher Grund, weil es hier nicht um die „gerechte“ Verteilung des Aufwandes auf die Grundstückseigentümer gehe. Im Rahmen der Heranziehung könne nicht die Erwartung anderer Beitragspflichtiger enttäuscht sein, sondern nur die der Gemeinde, weil der auf das im Sinne von § 133 Abs. 1 BauGB nicht erschlossene Hinterliegergrundstück entfallende Anteil am beitragsfähigen Aufwand letztlich zu ihren Lasten gehe. Entsprechendes müsste auch im Straßenausbaubeitragsrecht gelten.

31

Im Übrigen wiederholt und vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen zur Bemessung des Beitrages. Er trägt ergänzend vor:

32

§ 6 Abs. 2 Ziffer 4 der Straßenausbaubeitragssatzung hebe ausdrücklich auf die zulässige Nutzung des Grundstücks ab. Flächen, die der Nutzung als Campingplatz entzogen seien, seien deshalb in Abzug zu bringen.

33

Ungeachtet dessen lege das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung einen fehlerhaften Sachverhalt zugrunde. Das Grundstück des Klägers liege nicht im räumlichen Geltungsbereich eines Bebauungsplanes. Der Bebauungsplan Nr. 61 befinde sich in der Aufstellung und sei weit davon entfernt, auch nur den Stand nach § 33 BauGB erreicht zu haben. Das Grundstück liege im Außenbereich, was zur Anwendbarkeit des § 6 Abs. 2 Ziffer 3 Satz 2 der Straßenausbaubeitragssatzung führe. Demzufolge sei die Campingplatzfläche gemäß § 6 Abs. 2 Ziffer 4 e) der Straßenausbaubeitragssatzung mit dem modifizierten Vervielfältiger 0,4 zu berücksichtigen, die übrige Fläche dagegen nur mit dem Vervielfältiger 0,05.

34

Da das veranlagte Grundstück im Außenbereich gelegen sei, könne ein Artzuschlag nur gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz der Straßenausbaubeitragssatzung in Betracht kommen, wonach auch bei Grundstücken „in anderen Gebieten, die überwiegend gewerblich oder industriell genutzt werden", ein Artzuschlag zu berücksichtigen sei. Das Satzungsrecht verlange eine Belegenheit „in einem anderen Gebiet", das heiße in einem faktischen (vgl. § 34 Abs. 2 BauGB) oder planerisch festgesetzten (vgl. § 1 Abs. 2 BauNVO) Baugebiet. Hierzu gehöre der Außenbereich nicht.

35

Der Kläger beantragt,

36

das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 06.04.20111 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2011 aufzuheben.

37

Die Beklagte beantragt,

38

die Berufung zurückzuweisen.

39

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und wendet sich gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts zum Notwegerecht. Es käme allein darauf an, dass dem Kläger als Hinterlieger gegenüber seinen Vorderliegern ein Notwegeanspruch als Erweiterung des Inhalts seines Grundstückseigentums bestehe. Dies sei hier der Fall. Der Kläger, aber auch sein Vater und der Wasser- und Bodenverband Ostholstein und damit sämtliche Grundstückseigentümer des Campingplatzgeländes würden in gleicher Weise von einer Anfahrmöglichkeit ihrer Grundstücke abgeschnitten. Sie hätten allerdings faktisch durch die gemeinsame Mitbenutzung der jeweils einem anderen gehörenden Flächen eine Anfahr- und Zugangsmöglichkeit schon langjährig geschaffen. Im Übrigen bestehe auch Eigentümeridentität im Hinblick auf das im Eigentum des Klägers stehende, unmittelbar an die Strandallee angrenzende Flurstück 115. Jedenfalls sei im vorliegenden Fall ein Überwegungsrecht als Gewohnheitsrecht entstanden. Letztlich bedürfe es für die Annahme eines Notwegerechts auch nicht eines ausdrücklichen Duldungsverlangens des Notwegeberechtigten, da das konkludente Verlangen etwa durch die tatsächliche Nutzung der Grundstücke ausreichend sei.

40

Entgegen der Ansicht des Klägers komme es im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob der Bebauungsplan Nr. 61 der Beklagten rechtskräftig sei. Es würden die Flächenregelungen nach § 6 Abs. 2 Ziffer 2 Ausbaubeitragssatzung (unbeplanter Innenbereich) greifen. Der vom Kläger herangezogene § 6 Abs. 2 Nr. 3 Ausbaubeitragssatzung (Außenbereich) führe zu keinem anderen Ergebnis, weil es sich hier insgesamt tatsächlich um einen gewerblich genutzten Campingplatz handele, für den die Sonderregelung nach § 6 Abs. 2 Ziffer 4 e) Ausbaubeitragssatzung maßgeblich sei.

41

Der vom Verwaltungsgericht zum Nutzungsmaß herangezogene § 6 Abs. 3 Ziffer 1 a) Ausbaubeitragssatzung sei im Zusammenhang mit § 6 Abs. 3 Nr. 3 a) und c) Ausbaubeitragssatzung zu sehen. Danach sei zutreffend von einem Vollgeschoss ausgegangen worden.

42

Bei Campingplätzen, die anders als Grünflächennutzungen den Platz insgesamt zur baulichen Anlage machten, sei keine weitere Flächenreduzierung geboten, sie seien schon bei der Fläche durch den Faktor 0,7 begünstigt.

43

Das Grundstück des Klägers liege in einem Sondergebiet, das gewerblich und baulich genutzt werde. Damit unterfalle es auch der Regelung nach § 6 Abs. 4 Ausbaubeitragssatzung.

44

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingegangenen Schriftsätze und den Verwaltungsvorgang, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

45

Die zulässige Berufung ist teilweise - wie aus dem Tenor ersichtlich - begründet, weil eine Teilfläche des veranlagten Flurstücks 275/9 in einem Landschaftsschutzgebiet gelegen ist.

46

Der angefochtene Beitragsbescheid vom 6. April 2011 ist nicht bereits deshalb formell rechtswidrig, weil der Bescheid sich nur auf eine Teilfläche des klägerischen Grundstücks, das Flurstück 275/9, bezieht. Zwar gilt im Straßenausbaubeitragsrecht der grundbuchrechtliche Grundstücksbegriff, mit der Folge, dass sämtliche Flurstücke, die unter einer Nummer im Grundbuch gebucht sind, der Beitragsveranlagung unterliegen, sodass die Veranlagung nur einer Teilfläche fehlerhaft ist und zwar auch dann, wenn Teilflächen bei der Beitragsbemessung, weil sie jedweder Nutzung entzogen sind, ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben. Der Kläger wird durch diese fehlerhafte Heranziehung jedoch nicht in seinen Rechten verletzt. Ein Beitragsbescheid, der sich nur auf ein Flurstück von mehreren Flurstücken des Buchgrundstücks bezieht, genügt dem Bestimmtheitsgebot des § 11 Abs. 1 Satz 1 KAG i.V.m. § 108 Abs. 1 LVwG, weil für den Betroffenen zweifelsfrei ersichtlich ist, dass er für eine bestimmte Grundstücksteilfläche einen Beitrag leisten soll. Die öffentliche Last, die nach § 8 Abs. 7 KAG auf dem Grundstück ruht, erstreckt sich, auch wenn nur eine Teilfläche veranlagt wird, auf das Gesamtgrundstück. Dies folgt schon daraus, dass die öffentliche Last von dem Zeitpunkt an auf dem Grundstück ruht, in dem die sachliche Beitragspflicht entsteht (BVerwG, Urt. v. 22.02.1985 - 1 C 107.83 -, DVBl. 1985, 624). Die Fehlerhaftigkeit des Beitragsbescheides, mit dessen Erlass die persönliche Beitragspflicht entsteht, wirkt sich daher auch insoweit nicht aus.

47

Rechtsgrundlage des Heranziehungsbescheides vom 6. April 2011 ist §8 KAG in Verbindung mit der maßgeblichen Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten vom 23. November 2005 (ABS).

48

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG sind unter anderem von Grundstückseigentümern Straßenausbaubeiträge zu erheben, denen unter anderem durch die Erneuerung oder den Ausbau einer Straße in dieser Eigenschaft Vorteile erwachsen.

49

Die von der Beklagten in den Jahren 2005 bis 2007 durchgeführten Straßenbaumaßnahmen an der Strandallee sind, wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat, beitragsfähige Erneuerungsmaßnahmen beziehungsweise ein verbessernder Ausbau im Sinne des § 8 Abs. 1 KAG. Dies wird vom Kläger nicht in Frage gestellt. Der Senat teilt auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts. Auch die Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes steht außer Streit. Für den Senat sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die für eine fehlerhafte Aufwandsermittlung sprechen könnten.

50

Das Grundstück des Klägers, das im wesentlichen aus dem veranlagten Flurstück 275/9 besteht, ist durch die Straßenausbaumaßnahme bevorteilt, sodass der Kläger als Eigentümer dieses Grundstück zu Recht zu einem Straßenausbaubeitrag herangezogen wurde.

51

Das Grundstück des Klägers ist ein sogenanntes Hinterliegergrundstück, das über eine Zufahrt, die über (weitere) eigene Flächen des Klägers und über Grundstücke des Vaters des Klägers sowie des Wasser- und Bodenverbandes Ostholstein verläuft, an die Strandallee angebunden ist. Da die Zufahrt über die Fremdgrundstücke nicht dinglich gesichert ist und Eigentümeridentität nur im Hinblick auf das unmittelbar an die Strandallee grenzende ebenfalls im Eigentum des Klägers stehende Flurstück 115 besteht, scheidet - wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat - die Annahme einer dauerhaften Bevorteilung des veranlagten Grundstücks durch die Straßenbaumaßnahme unter dem Gesichtspunkt der Eigentümeridentität sowie der dinglichen Sicherung des Zugangsrechts aus.

52

Ausreichend für die dauerhafte Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Straße und damit die Vorteilslage ist aber ein Notwegerecht im Sinne des §917 BGB beziehungsweise ein Notwegeanspruch.

53

Der Senat hat sich bisher mit der Frage der ausreichenden dauerhaften Inanspruchmöglichkeit einer Straße von einem Hinterliegergrundstück aus wegen Bestehens eines Notwegerechts nicht auseinandergesetzt, folgt aber der Rechtsprechung des OVG Lüneburg (Urt. v. 24.09.1986 - 9 A 153/83 -, KSTZ 1987, 115), dass ein Notwegerecht zur Sicherung der Zugangsmöglichkeit ausreichend ist.

54

Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung zu einem öffentlichen Weg, so kann der Eigentümer von den Nachbarn gemäß § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Duldungsvoraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Das veranlagte Grundstück ist Teil eines sogenannten gefangenen Grundstücks, das über keine (unmittelbare) Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz verfügt. Zur ordnungsgemäßen Nutzung des Grundstücks bedarf es der Verbindung zum öffentlichen Wegenetz über die vorgelagerten Grundstücke des Vaters des Klägers und des Wasser- und Bodenverbandes Ostholstein. Der Umstand, dass das veranlagte Grundstück durch mehrere Fremdgrundstücke von dem öffentlichen Wegenetz getrennt ist, steht der Annahme eines Notwegerechts nicht entgegen. Wie schon der Wortlaut der Regelung des § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB deutlich macht, kann der Eigentümer eines gefangenen Grundstücks vonden Nachbarn (plural) die Hebung des Mangels der Verbindung zum öffentlichen Weg verlangen. Die Regelung soll die ordnungsgemäße Benutzung des gefangenen Grundstücks gewährleisten. Dies gilt auch für ein gefangenes Grundstück, das nur über mehrere Fremdgrundstücke eine Verbindung zum öffentlichen Wegenetz erhalten kann.

55

Die erstinstanzlich erörterte Frage, ob der Vater des Klägers als Eigentümer des vorgelagerten Flurstücks 120/19 gegenüber dem Kläger als Eigentümer des an die Strandallee angrenzenden Flurstücks 115 einen Notwegeanspruch hat, obwohl dieses Flurstück an die Privatstraße „Strandwiese“ angrenzt, die nach der Darstellung der Beklagten im Widerspruchsbescheid nur im Einmündungsbereich in die Strandallee eine öffentliche Straße ist, ist unerheblich. Sie kann nur für die Frage der Verbindung des veranlagten Grundstücks zum öffentlichen Wegenetz Bedeutung gewinnen. Nach §917 Abs. 1 Satz 2 BGB ist die Richtung des Notweges und der Umfang des Benutzungsrechts erforderlichenfalls durch Urteil zu bestimmen. Eine Querung des im Eigentum des Wasser- und Bodenverbandes stehenden Grundstücks ist unabhängig davon erforderlich, ob die Verbindung des gefangenen Grundstücks an das öffentliche Wegenetz im weiteren Verlauf direkt zur Strandallee oder zunächst über die Straße Strandwiese, die auch nach Darstellung der Beklagten jedenfalls im Einmündungsbereich zur Strandallee eine öffentliche Straße ist, zur Strandallee genommen wird. Der Campingplatz, der auch auf dem trennenden Grundstück des Vaters des Klägers (Flurstück 120/19) betrieben wird, verfügt tatsächlich seit längerer Zeit über eine Zufahrt direkt über das weitere Grundstück des Klägers (Flurstück 115), zur Strandallee. Bei mehreren möglichen Verbindungen hat eine Abwägung zwischen dem Interesse an geringster Belastung durch den Notweg und dem Interesse an größter Effektivität des Notweges zu erfolgen. Der Kläger und sein Vater haben sich für eine Anbindung direkt zur Strandallee entschieden. Auch objektiv erscheint diese Verbindung als die weniger belastende und jedenfalls effektivere, zumal in den Campingplatz auch das direkt an der Strandallee gelegene Grundstück des Klägers, für das sich die Frage eines Notwegerechts im Hinblick auf das veranlagte Flurstück nicht stellt, eingebunden ist.

56

Das Verwaltungsgericht hat das Bestehen eines Notwegerechts verneint, weil es an dem in § 917 Abs. 1 BGB vorausgesetzten Duldungsverlangen des Klägers gegenüber seinem Vater fehle. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urt. v. 19.04.1985 - V ZR 152/83 -, BGHZ 94, 160) ist das Verlangen des Eigentümers nach § 917 Abs. 1 BGB Tatbestandsmerkmal für das Entstehen einer Duldungspflicht. Das Duldungsverlangen ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Wie jede Willenserklärung kann auch das Duldungsverlangen konkludent abgegeben werden (siehe OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.07.2002 - 4 O 10/02 -, BauR 2003, 935). Davon ist hier auszugehen. Ob in der bloßen Nutzung einer Zufahrt über Jahre ein schlüssiges Verlangen gesehen werden kann (so Säcker in Münchner Kommentar, 6. Aufl., 2013, §917 Rn. 19), mag dahinstehen. Vorliegend betreibt der Kläger seinen Campingplatz auch auf dem Grundstück eines Vaters, der zudem Nießbraucher des veranlagten Grundstücks ist. Es liegt mithin nicht nur eine tatsächliche Nutzung des Grundstücks als Zufahrt zum veranlagten Grundstück vor, sondern eine einvernehmliche Nutzung der Grundstücke als Campingplatz einschließlich der erforderlichen Zufahrt zur Strandallee. Diese einvernehmliche Nutzung der Grundstücke ersetzt das Duldungsverlangen und geht darüber hinaus. Entsprechendes gilt für das Grundstück des Wasser- und Bodenverbandes. Auch insoweit ist von einer einvernehmlichen Nutzung der Grundstücke auszugehen. Der Wasser- und Bodenverband benötigt den Zugang über die Grundstücke des Klägers und seines Vaters zur Gewässerunterhaltung.

57

Selbst wenn man dem nicht folgt, ist das veranlagte Grundstück beitragspflichtig. Beitragsrechtlich ist ein tatsächliches oder rechtliches Hindernis der Inanspruchnahme einer Straße nur von Bedeutung, wenn der Fortbestand des Hindernisses nicht allein vom Willen des Grundstückseigentümers abhängig ist (OVG Schleswig, Urt. v. 26.09.2007 - 2 LB 20/07 -, SchlHA 2008, 63). Der Kläger kann, sofern nicht bereits konkludent geschehen, die Duldung der Nutzung der Grundstücke seines Vaters und des Wasser- und Bodenverbandes Ostholstein als Verbindung des veranlagten Grundstücks zur Strandallee jederzeit verlangen. Einer Zustimmung zur Nutzung bedarf es nicht. Bereits der Notwegeanspruch sichert mithin die Rechtsposition des Klägers über eine nur schuldrechtlich vereinbarte zeitweilige Gestattung der Überwegung beziehungsweise bloße Duldung hinaus (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 29.10.2003 - 2 L 32/02 -, Juris) und gewährleistet eine dauerhafte Sicherung der Inanspruchnahmemöglichkeit der öffentlichen Straße. Ob der Grundstückseigentümer von der Möglichkeit der Inanspruchnahme Gebrauch macht, ist grundsätzlich beitragsrechtlich irrelevant. Die Geltendmachung eines Notwegeanspruches ist deshalb für die Entstehung sachlicher Beitragspflichten für ein gefangenes Hinterliegergrundstück nicht Voraussetzung.

58

Auf die Frage der Anwendung des sogenannten „letzten Korrekturansatzes", wenn die übrigen Beitragspflichtigen schutzwürdig die Einbeziehung eines nicht erschlossenen Grundstücks erwarten können, kommt es nach alledem nicht an. Angemerkt sei nur, dass das Straßenausbaubeitragsrecht eine Unterscheidung des Erschlossenseins im Sinne von § 131 Abs. 1 BauGB und § 133 Abs. 1 BauGB nicht kennt. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist daher insoweit nicht anwendbar. Aber auch für das Straßenausbaubeitragsrecht gilt, dass ein Grundstückseigentümer nur zu einem Beitrag herangezogen werden kann, wenn sein Grundstück von einer Straßenbaumaßnahme bevorteilt ist. Ob die übrigen Beitragspflichtigen von der Gemeinde erwarten können, dass sie ein nicht bevorteiltes Grundstück in die Aufwandsverteilung einbezieht, ist für die Beitragspflichtigkeit des Grundstückseigentümers ohne Belang.

59

Der angefochtene Beitragsbescheid ist teilweise rechtswidrig, weil die westliche Teilfläche des veranlagten Flurstücks 275/9 im Landschaftsschutzgebiete liegt.

60

Nach § 6 Abs. 4 Ziffer 4 Buchstabe j) ABS sind Flächen für den Naturschutz und die Landespflege nur mit dem Faktor 0,02 bei der Beitragsbemessung in Ansatz zu bringen. Dies gilt auch dann, wenn es sich um Teilflächen eines Buchgrundstücks handelt. Im Straßenausbaubeitragsrecht sind Flächen, je nachdem, ob es sich um Grundstücke im beplanten oder unbeplanten Innenbereich, im Außenbereich oder Flächen, die nur in besonderer Weise genutzt werden können oder genutzt werden, handelt, nach dem Maß der Nutzung zu gewichten. Dem tragen die Regelungen des § 6 Abs. 2 Ziffer 1 - 4 sowie Abs. 3 ABS Rechnung.

61

Die Regelung des § 6 Abs. 2 Ziffer 4 ABS ist eine Spezialregelung für die dort angegebenen Nutzungen. Sie geht den übrigen Regelungen zum Flächenansatz nach § 6 Abs. 2 Ziffer 1 - 3 ABS vor. Nach § 6 Abs. 2 Ziffer 4 ABS finden anstelle der in Ziffer 1 - 3 geregelten Vervielfältiger zur Gewichtung der Flächen die Vervielfältiger der nachstehenden Tabelle (Buchstaben a -1) Anwendung. Ob § 6 Abs. 3 ABS, der eine (weitere) Gewichtung der nach Abs. 2 ermittelten Grundstücksfläche nach der Zahl der Vollgeschosse vorschreibt, und damit nach dem Wortlaut auch § 6 Abs. 2 Ziffer 4 ABS in Bezug nimmt, nach Sinn und Zweck der Maßstabsregelung überhaupt auf Flächen, die unter § 6 Abs. 2 Ziffer 4 ABS aufgeführt sind, Anwendung finden kann, mag im vorliegenden Fall dahinstehen. Soweit in § 6 Abs. 3 ABS keine weitere Gewichtung der unter § 6 Abs. 2 Ziffer 4 ABS aufgeführten Flächen vorgesehen ist, weil sie weder baulich, gewerblich oder industriell genutzt werden können, scheidet die Anwendung der Vorschrift aus. Für Grundstücke oder Grundstücksteilflächen, die nur mit einem Vollgeschoss bebaut werden können oder bebaut sind oder auf denen keine Bebauung zulässig ist, die aber gewerblich oder industriell genutzt werden können, ist ein Vervielfältiger von 1,0 vorgesehen. Zumindest rechnerisch ergibt sich daher für die unter § 6 Abs. 2 Ziffer 4 ABS aufgeführten Flächen keine Veränderung. Nur wenn ausnahmsweise eine unter § 6 Abs. 2 Ziffer 4 ABS aufgeführte Fläche mit mehr als einem Vollgeschoss bebaut werden kann oder bebaut ist, stellt sich die Frage einer weiteren Gewichtung nach § 6 Abs. 3 ABS. Da ein solcher Fall im Abrechnungsgebiet nicht vorliegt, bedarf dies keiner Erörterung.

62

Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf eine Kommentarstelle (Habermann in Habermann/Arndt, KAG, § 8, Rn. 268) meint, das veranlagte Flurstück dürfe allenfalls mit der Hälfte, besser nur mit einem Viertel des für eingeschossige Bebauung vorgesehenen Nutzungsfaktors in die Aufwandsverteilung eingestellt werden, übersieht er, dass sich diese Ausführungen auf bestimmte Grundstücke beziehen, die nur in einer der baulichen oder gewerblichen Nutzung vergleichbaren Weise genutzt werden können. Dazu zählt das als Campingplatz gewerblich genutzte Grundstück des Klägers nicht.

63

Die in § 6 Abs. 2 Ziffer 4 ABS geregelten Vervielfältiger von 0,7 für Campingplätze und 0,02 für Flächen des Naturschutzes und der Landespflege sind rechtlich nicht zu beanstanden. Der Vervielfältiger von 0,02 für Flächen des Naturschutzes und der Landespflege berücksichtigt, dass die Inanspruchnahme der Straße von derartigen Flächen aus noch geringer ist als die Inanspruchnahme von Flächen der Land- und Forstwirtschaft aus. Der Vervielfältiger steht auch zu den übrigen Vervielfältigern, insbesondere denen für baulich oder gewerblich genutzte Grundstücke, in einem ausgewogenen Verhältnis. Der Vervielfältiger für Campingplätze von 0,7 berücksichtigt die intensive Inanspruchnahme der Straße während der Saison, die über die Inanspruchnahme von Wohngrundstücken aus regelmäßig deutlich hinausgeht, sowie die geringere Inanspruchnahme außerhalb der Saison.

64

Die durch Kreisverordnung über das Landschaftsschutzgebiet „Pönitzer Seenplatte und Haffwiesen" im Kreis Ostholstein vom 26. Februar 2003 zum Landschaftsschutzgebiet erklärte Teilfläche des veranlagten Flurstücks unterfällt auch der Regelung des § 6 Abs. 2 Ziffer4 Buchstabe j) ABS. Nach dem hier maßgeblichen § 18 LNatSchG vom 6. März 2007 kann die Untere Naturschutzbehörde durch Verordnung Gebiete, in denen ein besonderer Schutz von Natur- und Landschaft zur Erhaltung des Naturhaushalts wegen der Vielfalt, Eigenart und Schönheit oder der besonderen kulturhistorischen Bedeutung der Landschaft oder wegen ihrer besonderen Bedeutung für die naturverträgliche Erholung erforderlich ist, zu Landschaftsschutzgebieten erklären. Danach steht für den Senat außer Zweifel, dass die Regelung des § 6 Abs. 2 Ziffer 4 j) ABS, nach der Flächen für den Naturschutz und die Landespflege besonders zu gewichten sind, gerade und in erster Linie ausgewiesene Landschaftschutzgebiete erfasst. Der Anwendung der Regelung steht nicht entgegen, dass der Kläger nach Einlassung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, der der Kläger entgegengetreten ist, die im Landschaftsschutzgebiet gelegene Teilfläche tatsächlich ebenfalls als Stellplatzfläche nutzt. Selbst wenn das der Fall sein sollte, führt diese widerrechtliche Nutzung (siehe § 4 Abs. 2 Nr. 3 der Verordnung) nicht zur Beitragspflicht, weil sie jederzeit unterbunden werden kann. Soweit sich aus dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Schreiben des Planungsbüros Ostholstein vom 16. März 2015 ergibt, dass eine Befreiung von dem Verbot der Landschaftsschutzgebietsverordnung für den Campingplatz des Klägers seitens der Beklagten im Hinblick auf die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 61 angestrebt wird, ist dies unbeachtlich, weil maßgeblich für die Beitragsveranlagung und -Bemessung die rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht sind.

65

Ein Flächenabzug wegen des freizuhaltenden Gewässerrandstreifens zur Gewässerunterhaltung der Gösebeek und der Heidebeek kommt nicht in Betracht. Insoweit ist den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu folgen, dass auch Baugrundstücke - außer in Kerngebieten - nicht in vollem Umfang überbaut werden können und Abstandsgebote einzuhalten sind. Zudem sind die Randstreifen nicht jeglicher Nutzung durch Campinggäste entzogen. Stellplätze an Gewässerrandstreifen sind wegen ihrer bevorzugten Lage vielmehr regelmäßig besonders attraktiv. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten hat, auch die Gewässerrandstreifen dienten ebenfalls dem Naturschutz, ist dem entgegenzuhalten, dass sie nicht unter Naturschutz stehen, sondern der Gewässerunterhaltung dienen. Die Gewässerunterhaltung als solche mag noch unter demn Begriff Naturschutz zu subsumieren sein, ändert aber nichts daran, dass Randstreifen selbst keine Flächen im Sinne des § 6 Abs. 2 Ziffer 4 ABS für den Naturschutz und die Landespflege sind.

66

Schließlich ist auch der Artzuschlag gemäß § 6 Abs. 4 ABS nicht zu beanstanden.

67

Die Regelung ist auslegungsbedürftig. Nach § 6 Abs. 4 Satz 1 1. Alternative ABS werden für Grundstücke in Kern-, Gewerbe-, Industriegebieten oder sonstigen Sondergebieten (§11 BauNVO) die nach Abs. 3 ermittelten Flächen um 30 % erhöht. Ob darunter auch Grundstücke fallen, die in einem unbeplanten entsprechend genutzten Gebiet (vgl. § 34 Abs. 2 BauGB) liegen, wird nicht ausdrücklich geregelt. Die Vorschrift ist aber entsprechend zu verstehen. Insoweit handelt es sich um einen gebietsbezogenen Artzuschlag, der von dem des grundstücksbezogenen Artzuschlages zu unterscheiden ist. Der grundstücksbezogene Artzuschlag ist in der 2. Alternative des § 6 Abs. 4 Satz 1 ABS zu sehen. Danach werden auch Grundstücke in anderen Gebieten, die überwiegend gewerblich oder industriell genutzt werden, mit einem Artzuschlag belegt. Der Relativsatz „die überwiegend gewerblich oder industriell genutzt werden“ bezieht sich nicht auf Gebiete, sondern Grundstücke. Dies folgt aus § 6 Abs. 4 Satz 2 ABS, der die Voraussetzung für ein „Überwiegen“ im Sinne des Abs. 1 der gewerblichen Nutzung bei Grundstücken (und nicht in Gebieten) regelt. Jedenfalls dieser grundstücksbezogenen Artzuschlagsregelung unterfällt das zweifelsfrei ausschließlich gewerblich genutzte Campingplatzgrundstück des Klägers, soweit es nicht im Landschaftsschutzgebiet gelegen ist, auch wenn es sich - wie der Kläger meint - um ein Außenbereichsgrundstück handelt, weil der Bebauungsplan Nr. 61 der Beklagten sich noch in Aufstellung befindet und auch noch keine Planreife im Sinne des § 33 BauGB erreicht ist.

68

Auch wenn man der Auffassung folgt, dass § 6 Abs. 3 ABS schon keine Anwendung auf Flächen der besonderen Nutzung gemäß § 6 Abs. 2 Ziffer 4 ABS (siehe oben) findet, steht der Anwendung der Artzuschlagsregelung nicht entgegen, dass diese sich auf die nach Abs. 3 ermittelten Flächen bezieht. Die Flächenermittlung nach Abs. 3 bezieht sich ihrerseits auf die ermittelte Grundstücksfläche nach Abs. 2, ist mithin keine isolierte Regelung, sodass im Falle der Nichtanwendbarkeit des Abs. 3 die Artzuschlagsregelung dahingehend zu verstehen ist, dass dann die nach Abs. 2 ermittelte Fläche um den Artzuschlag zu erhöhen ist. Der Anwendung des Artzuschlages lässt sich im vorliegenden Fall nicht entgegenhalten, die Nutzungsart als Campingplatz sei schon unter § 6 Abs. 2 Ziffer 4 e) ABS berücksichtigt. Die Gewichtung der Grundstücksfläche nach dem Maß der Nutzung in Abs. 2 ist von der nach der Art der Nutzung in Abs. 4 generell zu unterscheiden. Auch wenn man die Gewichtung nach Maß und Art insgesamt betrachtet, führt dies noch zu einer Reduzierung der anzusetzenden Beitragsfläche gegenüber der tatsächlichen Fläche und somit zu keiner unverhältnismäßigen Beitragsbelastung.

69

Nach alledem ist der streitgegenständliche Beitragsbescheid rechtswidrig, soweit ein höherer Beitrag als 52.374,45 Euro festgesetzt und vom Kläger verlangt wird. Insoweit wird auf die Vergleichsberechnung der Beklagten, überreicht mit Schriftsatz vom 7. Juli 2015, Bezug genommen. Die Vergleichsberechnung ist entsprechend den vorstehenden Ausführungen erstellt worden und rechnerisch nicht zu beanstanden.

70

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

71

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe hierfür im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.


(1) Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt.

(2) Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung.

(1) Die Verpflichtung zur Duldung des Notwegs tritt nicht ein, wenn die bisherige Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Wege durch eine willkürliche Handlung des Eigentümers aufgehoben wird.

(2) Wird infolge der Veräußerung eines Teils des Grundstücks der veräußerte oder der zurückbehaltene Teil von der Verbindung mit dem öffentlichen Wege abgeschnitten, so hat der Eigentümer desjenigen Teils, über welchen die Verbindung bisher stattgefunden hat, den Notweg zu dulden. Der Veräußerung eines Teils steht die Veräußerung eines von mehreren demselben Eigentümer gehörenden Grundstücken gleich.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.

(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.

(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.

(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.

(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.