Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 11. Jan. 2019 - 18 A 4750/18

ECLI:ECLI:DE:OVGNRW:2019:0111.18A4750.18.00
11.01.2019

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das zweitinstanzliche Verfahren wird abgelehnt.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.


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Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 11. Jan. 2019 - 18 A 4750/18 zitiert 16 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 166


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmäc

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen


(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlau

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 5 Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen


(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass 1. der Lebensunterhalt gesichert ist,1a. die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt is

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 53 Ausweisung


(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 54 Ausweisungsinteresse


(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 27 Grundsatz des Familiennachzugs


(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verläng

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 95 Strafvorschriften


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,2. ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet a

Strafgesetzbuch - StGB | § 13 Begehen durch Unterlassen


(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichun

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 10 Aufenthaltstitel bei Asylantrag


(1) Einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltstitel außer in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörde und nur dann ertei

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 38 Zusicherung


(1) Eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen (Zusicherung), bedarf zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Ist vor dem Erlass des zugesicherten Verwaltungsaktes die

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2017 - 10 C 17.1434

bei uns veröffentlicht am 19.09.2017

Tenor I. In Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 24. Mai 2017 wird dem Kläger Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren M 10 K 17.754 bewilligt und Rechtsanwältin S. H., M., beigeordnet, soweit si

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 06. Feb. 2017 - 2 L 119/15

bei uns veröffentlicht am 06.02.2017

Gründe I. 1 Der Kläger wendet sich gegen eine von dem Beklagten verfügte Ausweisung und begehrt die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. 2 Der am (…).1972 in Albanien geborene Kläger reiste am 24.08.1994 in das Bundesgebiet ein. Sein Ant

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 10. Okt. 2016 - 2 O 26/16

bei uns veröffentlicht am 10.10.2016

Gründe 1  I. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Unrecht abgelehnt. 2 Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaft
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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 12. März 2019 - 19 CS 18.2641

bei uns veröffentlicht am 12.03.2019

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt. Gründe

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(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

Tenor

I. In Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 24. Mai 2017 wird dem Kläger Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren M 10 K 17.754 bewilligt und Rechtsanwältin S. H., M., beigeordnet, soweit sich die Klage (hilfsweise) auf die behördliche Befristungsentscheidung bezieht.

Im Übrigen (d.i. bezüglich der gegen die Ausweisungsverfügung gerichteten Klage) wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, soweit seine Beschwerde zurückgewiesen wird; die Gebühr wird auf die Hälfte ermäßigt.

Gründe

Die Beschwerde, mit der sich der Kläger gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für seine Klage gegen den Ausweisungsbescheid des Beklagten vom 27. September 2016 (M 10 K 17.754) ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts wendet, ist teilweise begründet. Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe bezüglich der – im Hauptantrag – gegen die Ausweisungsverfügung gerichteten Anfechtungsklage des Klägers kommt nicht in Betracht, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung insoweit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO; 1.). Soweit sich das Klageverfahren hilfsweise auf die behördliche Befristungsentscheidung im angegriffenen Bescheid bezieht, liegen dagegen die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 2 ZPO) zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags vor (2.).

1. Bezüglich der gegen die Ausweisungsverfügung des Beklagten vom 27. September 2016 gerichteten Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO) hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach summarischer Prüfung im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Die Anfechtungsklage des Klägers vom 22. Februar 2017 dürfte allerdings entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieses Verwaltungsakts und damit innerhalb der Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO erhoben worden sein (1.1.). Die angefochtene Ausweisung des Klägers wird sich im Hauptsacheverfahren jedoch voraussichtlich als rechtmäßig erweisen und den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; 1.2.).

1.1. Wie im Schreiben des Verwaltungsgerichtshofs vom 1. September 2017 bereits ausgeführt, dürfte der angefochtene Bescheid vom 27. September 2016 entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts dem Kläger nicht wirksam durch öffentliche Bekanntmachung gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 1 VwZVG zugestellt worden sein. Nach ständiger Rechtsprechung ist die öffentliche Zustellung als „letztes Mittel“ der Bekanntgabe (nur) zulässig, wenn alle Möglichkeiten erschöpft sind, das Schriftstück dem Empfänger in anderer Weise – d.h. grundsätzlich auch durch Zustellung im Ausland (vgl. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. Art. 14 VwZVG) – zu übermitteln (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 18.4.1997 – 8 C 43.95 – NVwZ 1999,178; BayVGH, B.v. 20.1.2016 – 10 C 15.723 – juris Rn. 9). Da sich in der vorgelegten Behördenakte Angaben zum Wohnort des Klägers in Albanien befinden (vgl. insbes. Bl. 2,6 der Akte), ist die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Aufenthaltsort des Klägers sei dem Beklagten zum Zeitpunkt der öffentlichen Zustellung unbekannt gewesen, in dieser Form nicht haltbar. Jedenfalls hatte die Ausländerbehörde eine Nachforschungs- bzw. Ermittlungspflicht. Eine Behörde muss sich, bevor sie den Weg der öffentlichen Zustellung einschlägt, durch die nach Sachlage gebotenen Ermittlungen Gewissheit darüber verschaffen, dass der Aufenthaltsort des Zustellungsempfängers nicht nur ihr, sondern allgemein unbekannt ist (vgl. etwa Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 15. Aufl. 2014, § 41 Rn. 75 m.w.N.). Solche danach gebotenen Ermittlungen hat die Ausländerbehörde aber nach Aktenlage nicht durchgeführt. Damit wäre eine wirksame Bekanntgabe der Ausweisungsverfügung an den Kläger frühestens mit der Aushändigung des Ausweisungsbescheids des Beklagten durch die Bundespolizeiinspektion Flughafen München II am 1. Februar 2017 (vgl. den polizeilichen Bericht vom 1.2.2017, Bl. 76 f. der Behördenakte) erfolgt und demgemäß die Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO gewahrt.

1.2. Die angefochtene Ausweisung des Klägers wird sich aber im Hauptsacheverfahren voraussichtlich als rechtmäßig erweisen und den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Beklagte hat die verfügte Ausweisung zu Recht auf § 53 Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG gestützt und zutreffend ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse festgestellt, weil gegen den Kläger wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG durch Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 8. Juli 2015 rechtskräftig eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen verhängt worden ist. Das Ausweisungsinteresse wiegt nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG schwer, wenn der Ausländer einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat. Ein Rechtsverstoß ist demnach immer dann beachtlich, wenn er vereinzelt, aber nicht geringfügig, oder geringfügig, aber nicht vereinzelt ist. Eine vorsätzlich begangene Straftat ist grundsätzlich kein geringfügiger Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift (vgl. etwa zuletzt NdsOVG, B.v. 20.6.2017 – 13 LA 134/17 – juris Rn. 10 mit Rsprnachweisen zu § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG a.F.; BayVGH, B.v. 5.7.2016 – 10 ZB 14.1402 – juris Rn. 14 m.w.N.).

Der Einwand des Klägers, eine vorsätzliche schwere Straftat liege in seinem Fall nicht vor, weil er sich entgegen der Bescheidsbegründung nicht 14 Monate, sondern nur insgesamt 148 Tage und somit lediglich zwei Monate nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, greift nicht durch. Denn obwohl die Angaben zur Dauer des rechtswidrigen Aufenthalts des Klägers im angefochtenen Bescheid nicht widerspruchsfrei sind (vgl. einerseits die Sachverhaltswiedergabe unter I., S. 2 des Bescheids und andererseits die Gründe unter II. 1.2, S. 3 des Bescheids), hat der Beklagte die Straftat des Klägers gemessen an den oben dargelegten Grundsätzen und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats zu Recht als nicht geringfügigen Verstoß (vgl. dazu auch Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, AufenthG § 54 Rn. 80 m.w.N.; Graßhof in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, Kommentar, 2016, AufenthG § 54 Rn. 114 ff.) und damit als Anwendungsfall des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG bewertet.

Ebenso wenig durchgreifend ist der weitere Einwand, die Geringfügigkeit seines Verstoßes ergebe sich unter entsprechender Berücksichtigung der gesetzlichen Regelung in § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 und Abs. 1 Satz 3 StAG sowie der hierzu ergangenen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern. Denn vergleichbare Schwellenregelungen bei strafrechtlichen Verurteilungen hat der Gesetzgeber im Aufenthaltsrecht bei der Gewichtung des (früheren) Ausweisungsgrunds gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG a.F. bzw. des Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG gerade nicht vorgesehen (vgl. auch Nr. 55.2.2.2 AVwV zu § 55 AufenthG a.F.).

Vor diesem Hintergrund ist der Beklagte in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls das öffentliche Interesse an der Ausreise des Klägers dessen Interesse an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiegt (§ 53 Abs. 1 und 2 AufenthG). Neben dem spezialpräventiven Ausweisungsinteresse hat die Ausländerbehörde dabei zu Recht auch generalpräventive Gründe mit angeführt und zutreffend festgestellt, dass im Rahmen der Gesamtabwägung zu beachtende besondere persönliche, wirtschaftliche oder sonstige Bindungen des Klägers im Sinne von § 53 Abs. 2 AufenthG bzw. Art. 8 EMRK weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich sind.

2. Soweit sich das Klageverfahren auch ohne diesbezüglichen eigenen Antrag hilfsweise auf die behördliche Befristungsentscheidung im angegriffenen Bescheid bezieht (vgl. BayVGH, U.v. 20.6.2017 – 10 B 17.135 – juris Rn. 21), liegen dagegen die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 14.3.2017 – 10 C 17.260 – juris Rn. 2) vor. Bewilligungs- oder Entscheidungsreife tritt regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie nach einer Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO; BayVGH, B.v. 10.2.2017 – 10 C 16.2096 – juris Rn. 2) ein, also im vorliegenden Fall mit Eingang der vollständigen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers beim Verwaltungsgericht am 1. Mai 2017. Zum danach maßgeblichen Zeitpunkt hat bzw. hatte die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil zumindest offen ist, ob die im angefochtenen Bescheid vom 27. September 2016 (ursprünglich) getroffene Befristungsentscheidung des Beklagten mit den dort angestellten Ermessenserwägungen nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt und damit ermessensfehlerhaft im Sinne von § 114 Satz 1 VwGO ist. Dafür spricht, dass der Beklagte auf das Schreiben des Verwaltungsgerichtshofs vom 1. September 2017 hin mit Schriftsatz vom 6. September 2017 den streitgegenständlichen Bescheid in Nr. 2. geändert und die Wiedereinreise des Klägers in die Bundesrepublik Deutschland nunmehr auf die Dauer von drei Jahren untersagt hat. Ob die nunmehr unterhalb der Fünf-Jahres-Frist nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG bestimmte Sperrfrist zulasten des Klägers (noch) ermessensfehlerhaft ist, bedarf hier keiner Erörterung.

Soweit die Beschwerde des Klägers zurückgewiesen wird, folgt die Kostenentscheidung aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Gebühr anfällt, die der Senat bei der nur teilweisen Zurückweisung der Beschwerde nach billigem Ermessen auf die Hälfte ermäßigt.

Eine Kostenerstattung ist sowohl für das Bewilligungsals auch für das Beschwerdeverfahren ausgeschlossen (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4, § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

1

 I. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Unrecht abgelehnt.

2

Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

3

1. Aus der von Klägerin vorgelegten Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 23.11.2015 nebst beigefügtem Bescheid über die Gewährung von Leistungen nach AsylbLG ergibt sich, dass sie nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen.

4

2. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts bietet die Klage auch hinreichende Aussicht auf Erfolg.

5

Die Anforderungen an die Erfolgsaussichten dürfen nicht überspannt werden; es genügt bereits eine sich bei summarischer Überprüfung ergebende Offenheit des Erfolgs, zumindest soweit diese über eine bloß entfernte Erfolgschance hinausreicht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 166 RdNr. 8, m.w.N.). Nicht zulässig ist es, wenn schwierige Rechtsfragen, die in vertretbarer Weise auch anders beantwortet werden können, in Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens abschließend im Verfahren der Prozesskostenhilfe erörtert werden und damit der Zugang zu den Gerichten versagt wird. Steht eine höchstrichterliche Klärung einer Rechtsfrage noch aus, so läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussicht seines Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten; denn dadurch würde der unbemittelten Partei im Gegensatz zu der bemittelten die Möglichkeit genommen, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen und von dort aus in die höhere Instanz zu bringen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.06.2006 – 2 BvR 626/06, 2 BvR 62 BvR 656/06 –, NVwZ 2006, 1156, RdNr. 13 in Juris, m.w.N.). Gemessen daran sind hinreichende Erfolgsaussichten der Klage gegeben.

6

2.1. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage gegen die Ausweisungsverfügung der Beklagten vom 13.01.2014 die Regelungen des AufenthG in der seit dem 01.01.2016 geltenden Fassung vom 20.10.2015 (BGBl I S. 1722) zugrunde zu legen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 10.07.2012 – BVerwG 1 C 19.11 – BVerwGE 143, 277 [281], RdNr. 12, m.w.N.) ist für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts maßgeblich.

7

Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer ausgewiesen, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. § 54 AufenthG benennt die Fälle, in denen das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG besonders schwer oder schwer wiegt, und § 55 AufenthG bestimmt, wann das Bleibeinteresse des Ausländers besonders schwer oder schwer wiegt.

8

Die neuen gesetzlichen Regelungen zur Ausweisung differenzieren damit nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessensausweisung, sondern verlangen für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang überprüfbar (vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25.02.2015, BT-Drs. 18/4097, S. 49; BayVGH, Urt. v. 28.06.2016 – 10 B 15.1854 –, juris, RdNr. 29, m.w.N.). Ein Ermessen ist der Ausländerbehörde aufgrund des gesetzlichen Systemwechsels, hin zu einer gebundenen Entscheidung, nicht mehr eingeräumt mit der Folge, dass nicht mehr entscheidungserheblich ist, ob die von der Ausländerbehörde unter der Geltung der §§ 53 ff. AufenthG a.F. getroffene Entscheidung ermessensfehlerfrei gewesen ist (vgl. VGH BW, Urt. v. 13.01.2016 – 11 S 889/15 –, DVBl 2016, 387, RdNr. 49 in juris, m.w.N.; HessVGH, Beschl. v. 02.03.2016 – 9 B 1756/15 –, InfAuslR 2016, 228 [229], RdNr. 5 in juris).

9

2.2. Grundsätzlich sind die allgemeinen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 AufenthG erfüllt, wenn ein schwer wiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 AufenthG festgestellt wird; eine Prüfung der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder sonstiger erheblicher Interessen der Bundesrepublik Deutschland kann daher regelmäßig entfallen, wenn ein Ausweisungsinteresse nach § 54 AufenthG gegeben ist (vgl. Hailbronner, AuslR, A 1 AufenthG § 53 RdNr. 24, m.w.N.). Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass im Fall der Klägerin gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG schwer wiege, weil die Klägerin mit den durch sie verübten Straftaten (Diebstahl und Verstöße gegen das AufenthG) einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen habe. Zur Bestimmung des Tatbestandsmerkmals "nicht nur vereinzelt oder geringfügig" hat es dabei auf die zu § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG a.F. entwickelte Rechtsprechung zurückgegriffen, nach der eine vorsätzlich begangene Straftat grundsätzlich nicht mehr als geringfügig zu bewerten sei und eine Ausnahme nur unter engen Voraussetzungen in Betracht komme, etwa wenn die Straftat nur zu einer Verurteilung von 30 Tagessätzen geführt habe. Ob dem zu folgen ist, ist allerdings fraglich. § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG entspricht zwar – mit Ausnahme der Regelung zu Auslandstaten – dem Wortlaut des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG in der bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung. Die Entstehungsgeschichte und die Systematik der Neuregelungen zum Ausweisungsrecht legen jedoch nahe, dass die in der bisherigen Rechtsprechung zu § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG a.F. entwickelten Grundsätze auf die Regelung des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG nicht ohne weiteres übertragen werden können.

10

In der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25.02.2015 (BT-Drs. 18/4097, S. 52) wird zur Erläuterung der Regelung zwar lediglich ausgeführt, dass dem Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG eine Auffangfunktion zukomme und weshalb bezüglich der Auslandstaten eine Gesetzesänderung erfolgt sei. Der Bundesrat bat allerdings in seiner Stellungnahme vom 06.02.2015 zum Gesetzentwurf (BR-Drs. 642/14 [Beschluss], S. 25 f.) darum, im weiteren Gesetzgebungsverfahren das Verhältnis von § 54 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 AufenthG-E einerseits zu § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG andererseits zu prüfen. Nach § 54 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 AufenthG-E wiege das Ausweisungsinteresse schwer, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist, verurteilt wurde oder wenn er den Tatbestand des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG verwirklicht oder dies versucht hat. Nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG-E wiege das Ausweisungsinteresse aber auch generell bei jedem nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften schwer. Die gleichlautende Formulierung der mit § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG derzeit geltenden Fassung werde in der Praxis so verstanden, dass alle Straftaten erfasst werden, die oberhalb der Bagatellgrenze von 30 Tagessätzen Geldstrafe liegen (vgl. Nr. 55.2.2.3.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum AufenthG). Der Weite des Tatbestandes entsprechend habe dieser Ausweisungsgrund bislang auf der niedrigsten Stufe der Ausweisungsgründe – der Ermessensausweisung – rangiert. Der Gesetzentwurf werfe systematische Probleme auf: Wenn nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG-E schon jede nicht bagatellarische Straftat ein schwer wiegendes Ausweisungsinteresse begründen solle, wäre die Aufzählung bestimmter Verurteilungen bzw. Delikte in § 54 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 AufenthG-E überflüssig. Es erscheine außerdem prüfungsbedürftig, ob in allen Fällen der weit gefassten Nr. 9 in § 54 Abs. 2 AufenthG-E von einem "schwer wiegenden" Ausweisungsinteresse gesprochen werden könne.

11

In ihrer Gegenäußerung zu der Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drs. 18/4199, S. 6) sprach sich die Bundesregierung dafür aus, dass die Nummer 9 des § 54 Abs. 2 AufenthG im Gesetzentwurf verbleiben sollte. So könne z.B. über den Regelungsgehalt von Nummer 9 eine Ausweisung auch an ein schwer wiegendes strafrechtliches Verhalten des Ausländers, das noch nicht zu einer Verurteilung geführt habe, angeknüpft werden. Letztendlich beinhalte das Ausweisungsinteresse nach Nummer 9 auch eine Auffangfunktion innerhalb des schwer wiegenden Ausweisungsinteresses, da eine abschließende Aufzählung aller Interessen, die zur Ausweisung führen können, nicht möglich und nicht zielführend wäre. Dabei sei davon auszugehen, dass die Rechtsanwendung die Schwere des Ausweisungsinteresses nach Nummer 9 in der Praxis ausfüllen und dabei das Gleichgewicht zu den schwer wiegenden Ausweisungsinteressen z.B. nach den Nummern 1 bis 3 wahren werde. Die vom Bundesrat in Bezug genommene bisherige Auslegung der Vorschrift durch die Praxis dürfte aus Sicht der Bundesregierung damit kaum auf § 54 Absatz 2 Nummer 9 AufenthG-E zu übertragen sein, zumal sich die nunmehr gewählte Formulierung von der in § 55 Absatz 2 Nr. 2 AufenthG auch insoweit unterscheide, als künftig im letzten Halbsatz vorsätzliche schwere Straftaten in Bezug genommen würden.

12

Vor diesem Hintergrund erscheint – wie die Klägerin zu Recht einwendet – zweifelhaft, ob die rechtskräftigen Verurteilungen der Klägerin zu Geldstrafen von 10 Tagessätzen wegen Diebstahls und 50 Tagessätzen wegen Verstoßes gegen das AufenthG in fünf Fällen ein schwer wiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG begründen können.

13

2.3. Ein schwer wiegendes Ausweisungsinteresse dürfte auch nicht nach § 54 Abs. 2 Nr. 8 AufenthG bestehen. Nach dieser Bestimmung wiegt das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG schwer, wenn der Ausländer in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland a) falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder b) trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Regelung dürften hier schon deshalb nicht erfüllt sein, weil sich den Verwaltungsvorgängen nicht entnehmen lässt, dass die Klägerin bei Befragungen zu ihrer Identität und Staatsangehörigkeit darauf hingewiesen wurde, dass diesbezügliche falsche Angaben auch ihre Ausweisung zur Folge haben können (vgl. Bauer, in: Bergmann/Dienelt, AufenthG, 11. Aufl., § 54 RdNr. 74, m.w.N.). Die Hinweispflicht dürfte sich ungeachtet des Umstandes, dass sie nur in Buchstabe b der Nr. 8 des § 54 Abs. 2 AufenthG aufgeführt ist, auch auf die in Buchstabe a der Nr. 8 des § 54 Abs. 2 AufenthG genannten Handlungen des Ausländers beziehen. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf (BT-Drs. 18/4097, S. 52) entspricht § 54 Abs. 2 Nr. 8 AufenthG der bisherigen Regelung in § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG a.F., in der sich die Hinweispflicht sowohl auf die dort in Buchstabe a als auch auf die in Buchstabe b genannten Handlungen des Ausländers bezieht. Deshalb spricht vieles dafür, dass es sich bei der Beschränkung der Hinweispflicht auf Buchstabe b der Nr. 8 des § 54 Abs. 2 AufenthG um ein redaktionelles Versehen handelt (Bauer, a.a.O., § 54 RdNr. 72; Hailbronner, a.a.O., § 54 RdNr. 139). Eine Unterscheidung würde auch keinen Sinn machen, weil die fehlenden oder unvollständigen Angaben im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchstabe a AufenthG regelmäßig auch als Ausprägungen von Mitwirkungspflichten des Ausländers, der einen Aufenthaltstitel beantragt, angesehen werden können (Hailbronner, a.a.O., § 54 RdNr. 139).

14

2.4. Zwar schließt das Nichtvorliegen eines schwer wiegenden Ausweisungsinteresses im Sinne des § 54 Abs. 2 AufenthG die Annahme eines Ausweisungsinteresses nach § 53 Abs. 1 AufenthG nicht aus; dies entspricht der bisherigen Rechtslage, wonach die Aufzählung von Regelbeispielen in § 55 Abs. 2 AufenthG a.F. eine auf § 55 Abs. 1 AufenthG a.F. gestützte Ausweisung nicht ausgeschlossen habe (Hailbronner, a.a.O., § 53 RdNr. 24). Neben den explizit in den §§ 54 und 55 AufenthG aufgeführten Interessen sind noch weitere, nicht ausdrücklich benannte Bleibe- oder Ausweisungsinteressen denkbar; die Katalogisierung in den §§ 54 und 55 AufenthG schließt daher die Berücksichtigung weiterer Umstände nicht aus (vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25.02.2015, BT-Drs. 18/4097, S. 49).

15

Allerdings erscheint fraglich, ob eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder sonstiger öffentlicher Interessen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG bzw. ein "einfaches" Ausweisungsinteresse bejaht werden kann, wenn ein in § 54 AufenthG aufgeführter ausweisungserheblicher Lebenssachverhalt vorliegt, aber nicht alle Tatbestandsmerkmale der betreffenden Nummer erfüllt sind. Für die Generalklausel des § 55 Abs. 1 AufenthG a.F. wurde die Auffassung vertreten, dass auf diese Regelung nicht zurückgegriffen werden könne, wenn ein bestimmter Lebenssachverhalt in § 55 Abs. 2 AufenthG a.F. abschließend geregelt sei, die Ausweisung aber an bestimmte Voraussetzungen knüpfe, die im konkreten Fall nicht erfüllt seien (vgl. Discher, in: GK AufenthG II - § 55 RdNr. 81, m.w.N.). Zum neuen Regelungssystem im AufenthG wird in der Literatur (Bauer, a.a.O., § 53 RdNr. 13) die Auffassung vertreten, dass die Aufzählungen in § 54 AufenthG auch als verfassungsrechtlich notwendige Konkretisierungen für die in § 53 Abs. 1 AufenthG nicht näher definierten unbestimmten Rechtsbegriffe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und der sonstigen erheblichen Interessen der Bundesrepublik fungieren. Aufgrund des in § 54 AufenthG enthaltenen Kataloges liege eine so genau umschriebene gesetzliche Regelung vor, dass im Voraus zu erkennen sei, unter welchen Voraussetzungen eine Ausweisung in Betracht komme, die im Einzelfall zu einem Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens führen könne. Die in der Rechtsprechung noch ungeklärte Frage, ob bei Nichtvorliegen einzelner Tatbestandsmerkmale der in § 54 AufenthG aufgeführten Fallgruppen auf die Auffangnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG zurückgegriffen werden kann, kann indes im Rahmen des Verfahrens auf Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht abschließend beantwortet werden, sondern muss der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

16

II. Die Entscheidung über die Beiordnung folgt aus § 166 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 2 und 3 ZPO.

17

III. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht‚ weil Gerichtskosten nicht erhoben werden. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

18

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.


(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

Gründe

1

 I. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Unrecht abgelehnt.

2

Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

3

1. Aus der von Klägerin vorgelegten Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 23.11.2015 nebst beigefügtem Bescheid über die Gewährung von Leistungen nach AsylbLG ergibt sich, dass sie nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen.

4

2. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts bietet die Klage auch hinreichende Aussicht auf Erfolg.

5

Die Anforderungen an die Erfolgsaussichten dürfen nicht überspannt werden; es genügt bereits eine sich bei summarischer Überprüfung ergebende Offenheit des Erfolgs, zumindest soweit diese über eine bloß entfernte Erfolgschance hinausreicht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 166 RdNr. 8, m.w.N.). Nicht zulässig ist es, wenn schwierige Rechtsfragen, die in vertretbarer Weise auch anders beantwortet werden können, in Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens abschließend im Verfahren der Prozesskostenhilfe erörtert werden und damit der Zugang zu den Gerichten versagt wird. Steht eine höchstrichterliche Klärung einer Rechtsfrage noch aus, so läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussicht seines Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten; denn dadurch würde der unbemittelten Partei im Gegensatz zu der bemittelten die Möglichkeit genommen, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen und von dort aus in die höhere Instanz zu bringen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.06.2006 – 2 BvR 626/06, 2 BvR 62 BvR 656/06 –, NVwZ 2006, 1156, RdNr. 13 in Juris, m.w.N.). Gemessen daran sind hinreichende Erfolgsaussichten der Klage gegeben.

6

2.1. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage gegen die Ausweisungsverfügung der Beklagten vom 13.01.2014 die Regelungen des AufenthG in der seit dem 01.01.2016 geltenden Fassung vom 20.10.2015 (BGBl I S. 1722) zugrunde zu legen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 10.07.2012 – BVerwG 1 C 19.11 – BVerwGE 143, 277 [281], RdNr. 12, m.w.N.) ist für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts maßgeblich.

7

Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer ausgewiesen, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. § 54 AufenthG benennt die Fälle, in denen das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG besonders schwer oder schwer wiegt, und § 55 AufenthG bestimmt, wann das Bleibeinteresse des Ausländers besonders schwer oder schwer wiegt.

8

Die neuen gesetzlichen Regelungen zur Ausweisung differenzieren damit nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessensausweisung, sondern verlangen für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang überprüfbar (vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25.02.2015, BT-Drs. 18/4097, S. 49; BayVGH, Urt. v. 28.06.2016 – 10 B 15.1854 –, juris, RdNr. 29, m.w.N.). Ein Ermessen ist der Ausländerbehörde aufgrund des gesetzlichen Systemwechsels, hin zu einer gebundenen Entscheidung, nicht mehr eingeräumt mit der Folge, dass nicht mehr entscheidungserheblich ist, ob die von der Ausländerbehörde unter der Geltung der §§ 53 ff. AufenthG a.F. getroffene Entscheidung ermessensfehlerfrei gewesen ist (vgl. VGH BW, Urt. v. 13.01.2016 – 11 S 889/15 –, DVBl 2016, 387, RdNr. 49 in juris, m.w.N.; HessVGH, Beschl. v. 02.03.2016 – 9 B 1756/15 –, InfAuslR 2016, 228 [229], RdNr. 5 in juris).

9

2.2. Grundsätzlich sind die allgemeinen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 AufenthG erfüllt, wenn ein schwer wiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 AufenthG festgestellt wird; eine Prüfung der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder sonstiger erheblicher Interessen der Bundesrepublik Deutschland kann daher regelmäßig entfallen, wenn ein Ausweisungsinteresse nach § 54 AufenthG gegeben ist (vgl. Hailbronner, AuslR, A 1 AufenthG § 53 RdNr. 24, m.w.N.). Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass im Fall der Klägerin gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG schwer wiege, weil die Klägerin mit den durch sie verübten Straftaten (Diebstahl und Verstöße gegen das AufenthG) einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen habe. Zur Bestimmung des Tatbestandsmerkmals "nicht nur vereinzelt oder geringfügig" hat es dabei auf die zu § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG a.F. entwickelte Rechtsprechung zurückgegriffen, nach der eine vorsätzlich begangene Straftat grundsätzlich nicht mehr als geringfügig zu bewerten sei und eine Ausnahme nur unter engen Voraussetzungen in Betracht komme, etwa wenn die Straftat nur zu einer Verurteilung von 30 Tagessätzen geführt habe. Ob dem zu folgen ist, ist allerdings fraglich. § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG entspricht zwar – mit Ausnahme der Regelung zu Auslandstaten – dem Wortlaut des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG in der bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung. Die Entstehungsgeschichte und die Systematik der Neuregelungen zum Ausweisungsrecht legen jedoch nahe, dass die in der bisherigen Rechtsprechung zu § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG a.F. entwickelten Grundsätze auf die Regelung des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG nicht ohne weiteres übertragen werden können.

10

In der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25.02.2015 (BT-Drs. 18/4097, S. 52) wird zur Erläuterung der Regelung zwar lediglich ausgeführt, dass dem Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG eine Auffangfunktion zukomme und weshalb bezüglich der Auslandstaten eine Gesetzesänderung erfolgt sei. Der Bundesrat bat allerdings in seiner Stellungnahme vom 06.02.2015 zum Gesetzentwurf (BR-Drs. 642/14 [Beschluss], S. 25 f.) darum, im weiteren Gesetzgebungsverfahren das Verhältnis von § 54 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 AufenthG-E einerseits zu § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG andererseits zu prüfen. Nach § 54 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 AufenthG-E wiege das Ausweisungsinteresse schwer, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist, verurteilt wurde oder wenn er den Tatbestand des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG verwirklicht oder dies versucht hat. Nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG-E wiege das Ausweisungsinteresse aber auch generell bei jedem nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften schwer. Die gleichlautende Formulierung der mit § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG derzeit geltenden Fassung werde in der Praxis so verstanden, dass alle Straftaten erfasst werden, die oberhalb der Bagatellgrenze von 30 Tagessätzen Geldstrafe liegen (vgl. Nr. 55.2.2.3.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum AufenthG). Der Weite des Tatbestandes entsprechend habe dieser Ausweisungsgrund bislang auf der niedrigsten Stufe der Ausweisungsgründe – der Ermessensausweisung – rangiert. Der Gesetzentwurf werfe systematische Probleme auf: Wenn nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG-E schon jede nicht bagatellarische Straftat ein schwer wiegendes Ausweisungsinteresse begründen solle, wäre die Aufzählung bestimmter Verurteilungen bzw. Delikte in § 54 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 AufenthG-E überflüssig. Es erscheine außerdem prüfungsbedürftig, ob in allen Fällen der weit gefassten Nr. 9 in § 54 Abs. 2 AufenthG-E von einem "schwer wiegenden" Ausweisungsinteresse gesprochen werden könne.

11

In ihrer Gegenäußerung zu der Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drs. 18/4199, S. 6) sprach sich die Bundesregierung dafür aus, dass die Nummer 9 des § 54 Abs. 2 AufenthG im Gesetzentwurf verbleiben sollte. So könne z.B. über den Regelungsgehalt von Nummer 9 eine Ausweisung auch an ein schwer wiegendes strafrechtliches Verhalten des Ausländers, das noch nicht zu einer Verurteilung geführt habe, angeknüpft werden. Letztendlich beinhalte das Ausweisungsinteresse nach Nummer 9 auch eine Auffangfunktion innerhalb des schwer wiegenden Ausweisungsinteresses, da eine abschließende Aufzählung aller Interessen, die zur Ausweisung führen können, nicht möglich und nicht zielführend wäre. Dabei sei davon auszugehen, dass die Rechtsanwendung die Schwere des Ausweisungsinteresses nach Nummer 9 in der Praxis ausfüllen und dabei das Gleichgewicht zu den schwer wiegenden Ausweisungsinteressen z.B. nach den Nummern 1 bis 3 wahren werde. Die vom Bundesrat in Bezug genommene bisherige Auslegung der Vorschrift durch die Praxis dürfte aus Sicht der Bundesregierung damit kaum auf § 54 Absatz 2 Nummer 9 AufenthG-E zu übertragen sein, zumal sich die nunmehr gewählte Formulierung von der in § 55 Absatz 2 Nr. 2 AufenthG auch insoweit unterscheide, als künftig im letzten Halbsatz vorsätzliche schwere Straftaten in Bezug genommen würden.

12

Vor diesem Hintergrund erscheint – wie die Klägerin zu Recht einwendet – zweifelhaft, ob die rechtskräftigen Verurteilungen der Klägerin zu Geldstrafen von 10 Tagessätzen wegen Diebstahls und 50 Tagessätzen wegen Verstoßes gegen das AufenthG in fünf Fällen ein schwer wiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG begründen können.

13

2.3. Ein schwer wiegendes Ausweisungsinteresse dürfte auch nicht nach § 54 Abs. 2 Nr. 8 AufenthG bestehen. Nach dieser Bestimmung wiegt das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG schwer, wenn der Ausländer in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland a) falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder b) trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Regelung dürften hier schon deshalb nicht erfüllt sein, weil sich den Verwaltungsvorgängen nicht entnehmen lässt, dass die Klägerin bei Befragungen zu ihrer Identität und Staatsangehörigkeit darauf hingewiesen wurde, dass diesbezügliche falsche Angaben auch ihre Ausweisung zur Folge haben können (vgl. Bauer, in: Bergmann/Dienelt, AufenthG, 11. Aufl., § 54 RdNr. 74, m.w.N.). Die Hinweispflicht dürfte sich ungeachtet des Umstandes, dass sie nur in Buchstabe b der Nr. 8 des § 54 Abs. 2 AufenthG aufgeführt ist, auch auf die in Buchstabe a der Nr. 8 des § 54 Abs. 2 AufenthG genannten Handlungen des Ausländers beziehen. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf (BT-Drs. 18/4097, S. 52) entspricht § 54 Abs. 2 Nr. 8 AufenthG der bisherigen Regelung in § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG a.F., in der sich die Hinweispflicht sowohl auf die dort in Buchstabe a als auch auf die in Buchstabe b genannten Handlungen des Ausländers bezieht. Deshalb spricht vieles dafür, dass es sich bei der Beschränkung der Hinweispflicht auf Buchstabe b der Nr. 8 des § 54 Abs. 2 AufenthG um ein redaktionelles Versehen handelt (Bauer, a.a.O., § 54 RdNr. 72; Hailbronner, a.a.O., § 54 RdNr. 139). Eine Unterscheidung würde auch keinen Sinn machen, weil die fehlenden oder unvollständigen Angaben im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchstabe a AufenthG regelmäßig auch als Ausprägungen von Mitwirkungspflichten des Ausländers, der einen Aufenthaltstitel beantragt, angesehen werden können (Hailbronner, a.a.O., § 54 RdNr. 139).

14

2.4. Zwar schließt das Nichtvorliegen eines schwer wiegenden Ausweisungsinteresses im Sinne des § 54 Abs. 2 AufenthG die Annahme eines Ausweisungsinteresses nach § 53 Abs. 1 AufenthG nicht aus; dies entspricht der bisherigen Rechtslage, wonach die Aufzählung von Regelbeispielen in § 55 Abs. 2 AufenthG a.F. eine auf § 55 Abs. 1 AufenthG a.F. gestützte Ausweisung nicht ausgeschlossen habe (Hailbronner, a.a.O., § 53 RdNr. 24). Neben den explizit in den §§ 54 und 55 AufenthG aufgeführten Interessen sind noch weitere, nicht ausdrücklich benannte Bleibe- oder Ausweisungsinteressen denkbar; die Katalogisierung in den §§ 54 und 55 AufenthG schließt daher die Berücksichtigung weiterer Umstände nicht aus (vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25.02.2015, BT-Drs. 18/4097, S. 49).

15

Allerdings erscheint fraglich, ob eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder sonstiger öffentlicher Interessen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG bzw. ein "einfaches" Ausweisungsinteresse bejaht werden kann, wenn ein in § 54 AufenthG aufgeführter ausweisungserheblicher Lebenssachverhalt vorliegt, aber nicht alle Tatbestandsmerkmale der betreffenden Nummer erfüllt sind. Für die Generalklausel des § 55 Abs. 1 AufenthG a.F. wurde die Auffassung vertreten, dass auf diese Regelung nicht zurückgegriffen werden könne, wenn ein bestimmter Lebenssachverhalt in § 55 Abs. 2 AufenthG a.F. abschließend geregelt sei, die Ausweisung aber an bestimmte Voraussetzungen knüpfe, die im konkreten Fall nicht erfüllt seien (vgl. Discher, in: GK AufenthG II - § 55 RdNr. 81, m.w.N.). Zum neuen Regelungssystem im AufenthG wird in der Literatur (Bauer, a.a.O., § 53 RdNr. 13) die Auffassung vertreten, dass die Aufzählungen in § 54 AufenthG auch als verfassungsrechtlich notwendige Konkretisierungen für die in § 53 Abs. 1 AufenthG nicht näher definierten unbestimmten Rechtsbegriffe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und der sonstigen erheblichen Interessen der Bundesrepublik fungieren. Aufgrund des in § 54 AufenthG enthaltenen Kataloges liege eine so genau umschriebene gesetzliche Regelung vor, dass im Voraus zu erkennen sei, unter welchen Voraussetzungen eine Ausweisung in Betracht komme, die im Einzelfall zu einem Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens führen könne. Die in der Rechtsprechung noch ungeklärte Frage, ob bei Nichtvorliegen einzelner Tatbestandsmerkmale der in § 54 AufenthG aufgeführten Fallgruppen auf die Auffangnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG zurückgegriffen werden kann, kann indes im Rahmen des Verfahrens auf Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht abschließend beantwortet werden, sondern muss der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

16

II. Die Entscheidung über die Beiordnung folgt aus § 166 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 2 und 3 ZPO.

17

III. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht‚ weil Gerichtskosten nicht erhoben werden. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

18

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.


(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert.

(1a) Ein Familiennachzug wird nicht zugelassen, wenn

1.
feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, oder
2.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde.

(2) Für die Herstellung und Wahrung einer lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft im Bundesgebiet finden die Absätze 1a und 3, § 9 Abs. 3, § 9c Satz 2, die §§ 28 bis 31, 36a, 51 Absatz 2 und 10 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(3) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs kann versagt werden, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfindet, für den Unterhalt von anderen Familienangehörigen oder anderen Haushaltsangehörigen auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist. Von § 5 Abs. 1 Nr. 2 kann abgesehen werden.

(3a) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs ist zu versagen, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfinden soll,

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuches bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuches vorbereitet oder vorbereitet hat,
2.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
3.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
4.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs darf längstens für den Gültigkeitszeitraum der Aufenthaltserlaubnis des Ausländers erteilt werden, zu dem der Familiennachzug stattfindet. Sie ist für diesen Zeitraum zu erteilen, wenn der Ausländer, zu dem der Familiennachzug stattfindet, eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 38a besitzt, eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt oder sich gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet aufhält. Im Übrigen ist die Aufenthaltserlaubnis erstmals für mindestens ein Jahr zu erteilen.

(5) (weggefallen)

Gründe

I.

1

Der Kläger wendet sich gegen eine von dem Beklagten verfügte Ausweisung und begehrt die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis.

2

Der am (…).1972 in Albanien geborene Kläger reiste am 24.08.1994 in das Bundesgebiet ein. Sein Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter wurde abgelehnt. Am 30.04.1998 heiratete er die deutsche Staatangehörige (C.). Am ...2003 wurde die gemeinsame Tochter (...) geboren. Die Ehefrau des Klägers hat eine weitere 1997 geborene Tochter aus einer früheren Beziehung, die im gemeinsamen Haushalt lebt. Auf Grund der Eheschließung wurde dem Kläger am 09.06.1998 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, die vom Beklagten zuletzt am 02.09.2008 bis zum 02.09.2011 verlängert wurde.

3

Am 23.06.2011 wurde der Kläger festgenommen. Vom 24.06.2011 bis zum 22.11.2011 befand er sich aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Merseburg vom 24.06.2011 wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz in Untersuchungshaft in der JVA Halle. Mit Urteil vom 08.12.2011 verurteilte ihn das Amtsgericht Merseburg wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hob das Landgericht Halle das Urteil auf und verurteilte den Kläger wegen gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in fünf Fällen sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Das Urteil wurde am 13.09.2012 rechtskräftig, nachdem das Oberlandesgericht Naumburg mit Beschluss vom 12.09.2012 die Revision des Klägers als unbegründet verworfen hatte.

4

Aufgrund dieser Verurteilung befand sich der Kläger seit dem 30.10.2012 in Strafhaft in der JVA Burg. Die vorzeitige Entlassung erfolgte am 23.05.2014, nachdem das Landgericht Stendal mit Beschluss vom 13.05.2014 die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe nach Verbüßung von zwei Dritteln gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt hatte.

5

Der Kläger war zuvor wie folgt verurteilt worden:

6

-Mit Urteil des Amtsgerichts Laufen vom 12.01.1998 wegen Erschleichens einer Duldung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 15 DM.

7

-Mit Urteil des Amtsgerichts Rüdesheim vom 08.04.2003 wegen gemeinschaftlichen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 8 Euro.

8

-Mit Urteil des Amtsgerichts Halle-Saalkreis vom 17.05.2006 wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in einem besonders schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Bewährungszeit lief am 16.05.2008 ab.

9

Wegen der Verurteilung durch das Amtsgericht Laufen verbüßte der Kläger vom 12.11.1997 bis zum 03.03.1998 eine Ersatzfreiheitsstraße in der JVA Bernau.

10

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26.06.2013 wies der Beklagte den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus. Zugleich lehnte er den Antrag des Klägers vom 20.12.2011 auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab. Die Abschiebung nach Albanien aus der Haft wurde angeordnet. Die Wirkung der Ausweisung wurde auf zwei Jahre befristet und sollte mit der Ausreise oder Abschiebung beginnen. Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 31.03.2014 zurückgewiesen. Die Abschiebung des Klägers nach Albanien war für den 23.05.2014, dem Tag seiner vorzeitigen Entlassung, geplant.

11

Am 06.05.2014 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Halle Klage erhoben und zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Mit Beschluss vom 21.05.2014 – 1 B 150/14 HAL – hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage des Klägers gegen den Bescheid des Beklagten vom 26.06.2013 angeordnet.

12

Mit Urteil vom 29.05.2015 – 1 A 151/14 HAL – hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Beklagten vom 26.06.2013 sowie den Widerspruchsbescheid des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 31.03.2014 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 AufenthG zu erteilen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die Ausweisung des Klägers sei aus spezialpräventiven Gründen nicht erforderlich, denn es bestehe keine Wiederholungsgefahr. Es liege ein atypischer Sonderfall vor, da der Unrechtsgehalt der Tat gering sei. Der geringe Umfang der festgestellten Verkäufe und die enge Bindung des Handels des Klägers an den Zeugen (T.) als einzigen Kunden seien für einen „Drogendealer“ atypisch und gäben Anlass zu der Annahme, dass nach dessen Verschwinden eine Wiederholung ausgeschlossen sei. Zudem liege beim Kläger keine konsequente Fortführung einer strafrechtlichen Karriere vor, da die Abstände zwischen den einzelnen Verurteilungen jeweils mehrere Jahre betragen hätten. Auch mit Blick auf die Generalprävention liege ein atypischer Fall vor, da die Tat nicht besonders schwer wiege. Die vom Beklagten daher zu treffende Ermessensentscheidung genüge den an sie zu stellenden Anforderungen nicht. Der Beklagte habe zur Begründung der Ausweisung allein auf die Deliktsart und das Strafmaß Bezug genommen, ohne die konkreten Umstände der Tatbegehung und den Umfang der „Geschäftstätigkeit“ in die Wertung mit einzubeziehen. Der Beklagte messe den strafrechtlichen Umständen eine übermäßige Bedeutung zu. Er habe sich in keiner Weise mit dem Verhalten des Klägers in der Haft und nach der Haftentlassung auseinandergesetzt. Er habe auch die Stellungnahmen der JVA und den Beschluss der Strafvollstreckungskammer, insbesondere die positive Sozialprognose, nicht in seine Abwägung eingestellt. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Integration des Klägers habe er nicht zu dessen Gunsten berücksichtigt, dass dieser bereits wenige Wochen nach seiner Haftentlassung wieder in einem festen Arbeitsverhältnis beschäftigt gewesen sei. Der Beklagte habe auch die familiäre Beziehung des Klägers zu seiner deutschen Ehefrau und Tochter nicht hinreichend beachtet. Die Ausweisung stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht des Klägers auf Achtung des Privat- und Familienlebens dar. Der Kläger verfüge über intensive persönliche und familiäre Bindungen im Bundesgebiet. Die Ehefrau des Klägers und die Töchter hätten trotz der gravierenden psychischen und materiellen Probleme, in die sie durch die Folgen der Straftat gestürzt worden seien, unbeirrt zu ihm gehalten, was durch zahlreiche Besuche in der Haftanstalt und die vielfachen zusätzlichen Telefongespräche belegt werde. Der Kläger führe nunmehr mit seiner Ehefrau und der gemeinsamen Tochter wieder ein intaktes Familienleben. Ob sich diese Bindungen nach Ablauf der Befristung der Ausweisung von zwei Jahren wieder herstellen ließen, erscheine angesichts der Länge der vorgegebenen Trennungszeit als eher unwahrscheinlich. Der Kläger habe auch einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 AufenthG. Die Voraussetzungen lägen vor. § 11 Abs. 1 AufenthG stehe der Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen, weil die Ausweisung keinen Bestand haben könne. Zwar finde § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG auch im Falle des § 28 Abs. 1 Satz 1 AufenthG Anwendung. Bei der nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zu treffenden Ermessensentscheidung komme jedoch der besondere Ausweisungsschutz zum Tragen. Das Interesse des Klägers an der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis überwiege das öffentliche Interesse an der Versagung, weil den ehelichen und familiären Belangen des Klägers ein höheres Gewicht zukomme als den öffentlichen Interessen, da hier weder von einer Wiederholungsgefahr auszugehen sei noch von einer besonderen Schwere der Tat.

II.

13

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

14

1. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Solche Zweifel liegen nur dann vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.07.2013 – 1 BvR 3057/11 –, juris RdNr. 36). Dies ist hier nicht der Fall.

15

a) Es liegen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vor, soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, die Ausweisung sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten.

16

Die Beurteilung, ob ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt, richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts. Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ist daher zu berücksichtigen. Die Änderung der Sach- und Rechtslage ist allerdings grundsätzlich nur in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen relevant (vgl. BayVGH, Beschl. v. 11.10.2016 – 10 ZB 15.1378 –, juris RdNr. 11). Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.1.2013 – BVerwG 1 C 10.12 –, juris RdNr. 12), also hier der Entscheidung über den Zulassungsantrag; Rechtsänderungen während des Zulassungsverfahrens sind zu beachten. Der Senat hat daher die streitbefangene Ausweisungsverfügung unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens mangels entgegenstehender Übergangsregelung anhand der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 01.01.2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.07.2015 (BGBl. I S. 1386), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 11.03.2016 (BGBl. I S. 394) mit Wirkung vom 17.03.2016, zu überprüfen. Seit dieser Rechtsänderung differenziert das Aufenthaltsgesetz nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessensausweisung, sondern verlangt für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder sonstiger erheblicher Interessen der Bundesrepublik Deutschland und eine Interessenabwägung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang nachprüfbar (vgl. Beschl. d. Senats v. 10.10.2016 – 2 O 26/16 –, juris RdNr. 8; VGH BW, Beschl. v. 11.04.2016 – 11 S 393/16 –, juris RdNr. 19; BayVGH, Beschl. v. 11.10.2016 – 10 ZB 15.1378 –, a.a.O. RdNr. 12; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 53 AufenthG RdNr. 5 ff.; Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 53 AufenthG RdNr. 30; vgl. auch BT-Drs. 18/4097, S. 49 f.). Eine nach altem Recht verfügte Ausweisung wird nach Inkrafttreten der Neufassung der §§ 53 bis 55 AufenthG am 01.01.2016 nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitlich demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (vgl. BayVGH, Beschl. v. 11.10.2016 – 10 ZB 15.1378 –, a.a.O. RdNr. 12).

17

aa) § 53 Abs. 1 AufenthG setzt voraus, dass der Aufenthalt des Ausländers eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitlich demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland darstellt. Wenn eine solche Gefahr nicht vorliegt, ist eine Ausweisung unzulässig (vgl. BayVGH, Beschl. v. 11.10.2016 – 10 ZB 15.1378 –, a.a.O. RdNr. 13; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, a.a.O., § 53 AufenthG RdNr. 26.; Bauer/Beichel-Benedetti, NVwZ 2016, 416 <418 f.>; Cziersky-Reis, in: Hofmann, a.a.O., § 53 AufenthG RdNr. 20; vgl. auch BT-Drs. 18/4097, S. 49). Eine Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG aus spezialpräventiven Gründen setzt voraus, dass bei dem Ausländer eine konkrete Wiederholungsgefahr festgestellt wird (vgl. Bauer, in: Bergmann/Dienelt, a.a.O., § 53 AufenthG RdNr. 33; Cziersky-Reis, in: Hofmann, a.a.O., § 53 AufenthG RdNr. 22). Aus den Wertungen des § 54 Abs. 1 und 2 AufenthG können im Prinzip keine Rückschlüsse für eine Wiederholungsgefahr gezogen werden. Eine Ausnahme gilt für § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Ob und mit welchem Grad eine Wiederholungsgefahr vorliegt, ist nicht (mehr) normativ determiniert (vgl. Bauer, in: Bergmann/Dienelt, a.a.O., § 53 AufenthG RdNr. 28). Soweit der Senat die Auffassung vertreten hat, die allgemeinen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 AufenthG seien grundsätzlich erfüllt, wenn ein schwer wiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 AufenthG festgestellt worden sei, und dass eine Prüfung der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder sonstiger erheblicher Interessen der Bundesrepublik Deutschland regelmäßig entfallen könne, wenn ein Ausweisungsinteresse nach § 54 AufenthG gegeben sei (vgl. Beschl. d. Senats v. 10.10.2016 – 2 O 26/16 –, a.a.O. RdNr. 9 unter Bezugnahme auf Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: 94. Aktualisierung Januar 2016, § 53 AufenthG RdNr. 24), hält er hieran nicht mehr fest. Die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte haben bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung vielmehr stets eine eigenständige Prognoseentscheidung zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.12.2012 – BVerwG 1 C 20.11 –, juris RdNr. 23; Urt. v. 15.01.2013 – BVerwG 1 C 10.12 –, a.a.O. RdNr. 18; BayVGH, Beschl. v. 11.10.2016 – 10 ZB 15.1378 –, a.a.O. RdNr. 16). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, Urt. v. 28.06.2016 – 10 B 15.1854 –, juris RdNr. 30; Beschl. v. 11.10.2016 – 10 ZB 15.1378 –, a.a.O. RdNr. 16). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Das bedeutet aber nicht, dass bei hochrangigen Rechtsgütern bereits jede auch nur entfernte Möglichkeit eine Wiederholungsgefahr begründet (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.07.2012 – BVerwG 1 C 19.11 –, juris RdNr. 16; Urt. v. 15.01.2013 – BVerwG 1 C 10.12 –, a.a.O. RdNr. 16). Nicht ausreichend ist es, von der Begehung von Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz in jedem Fall ohne weiteres auf die Gefährdung höchster Gemeinwohlgüter und auf eine kaum widerlegliche Rückfallgefahr zu schließen. Vielmehr ist der konkrete, der Verurteilung zugrunde liegende Sachverhalt ebenso zu berücksichtigen wie das Nachtatverhalten und der Verlauf von Haft und – gegebenenfalls – Therapie. Auch bei Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz darf ein allgemeines Erfahrungswissen nicht zu einer schematischen Gesetzesanwendung führen, die die im Einzelfall für den Ausländer sprechenden Umstände ausblendet (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.10.2016 – 2 BvR 1943/16 –, juris RdNr. 19). Zudem kommt den Strafaussetzungsentscheidungen der Strafvollstreckungskammern eine erhebliche indizielle Bedeutung zu. Zwar geht von den Entscheidungen der Strafgerichte nach § 57 StGB keine Bindungswirkung aus. Sie sind jedoch von tatsächlichem Gewicht und stellen bei der ausländerrechtlichen Prognose ein wesentliches Indiz dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.01.2013 – BVerwG 1 C 10.12 –, a.a.O. RdNr. 18). Bei einer Prognose der Wiederholungsgefahr bedarf es einer substantiierten Begründung, wenn von der strafgerichtlichen Einschätzung über die Strafaussetzung zur Bewährung abgewichen werden soll (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.10.2016 – 2 BvR 1943/16 –, a.a.O. RdNr. 21).

18

Gemessen daran wird die Annahme des Verwaltungsgerichts, von dem Kläger gehe keine Wiederholungsgefahr aus, durch die in der Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung des Beklagten vorgebrachten Einwände nicht in Frage gestellt.

19

Zu Unrecht rügt der Beklagte, das Verwaltungsgericht folge, abweichend von den Feststellungen in dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Halle, der Einlassung des Klägers, der seinen Tatbeitrag bestreite und sich selbst als Opfer darstelle, dessen „Gutmütigkeit“ ausgenutzt worden sei, ohne den Vorfall besser aufzuklären und eigene Ermittlungen anzustellen. Diese Rüge geht ins Leere, denn das Verwaltungsgericht ist nicht von einem anderen als dem vom Landgericht festgestellten Sachverhalt ausgegangen. Zwar hat das Verwaltungsgericht von „nicht unerheblichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils“ gesprochen (UA S. 9). Gleichwohl legt es bei seiner Entscheidung die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts zugrunde.

20

Auch das weitere Vorbringen des Beklagten führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts, es liege keine Wiederholungsgefahr vor. Der Beklagte trägt insoweit vor, der Kläger sei aus Gewinnstreben und ohne selbst drogenabhängig zu sein am Handel mit den besonders gefährlichen Drogen Kokain und Crystal beteiligt gewesen. Der Kläger sei nicht verzogen, die Konsumenten existierten nach wie vor. Der Handel mit Crystal Meth habe nicht unerhebliche Auswirkungen auf die psychische und physische Unversehrtheit der Opfer. Der Kläger habe nicht davor zurückgeschreckt, aus Gewinnstreben das Leben und die Gesundheit anderer zu verletzen. Das Verwaltungsgericht habe die Umstände, die die Persönlichkeit des Klägers betreffen, unberücksichtigt gelassen. Der Kläger habe keine Bemühungen gezeigt, therapiert zu werden. Er habe weder therapeutische Betreuung noch sonst irgendwelche unterstützenden Maßnahme nachgewiesen. Vielmehr habe er nie Reue gezeigt und seinen Tatbeitrag nie zugegeben. Das Verwaltungsgericht hätte zu Ungunsten des Klägers bewerten müssen, dass sich die Umstände, auf denen die Straftat beruhe, sich nicht geändert hätten. Die Persönlichkeitseigenschaften des Klägers seien unverändert. Auch das Motiv – Gewinnstreben – sei unverändert. Auch die situativen Bedingungen seien unverändert. Der Kläger habe zwar nach der Haftentlassung zu seiner Familie zurückkehren können, jedoch sei die finanzielle Lage noch angespannter als vorher. Der Kläger habe nach der Haft nur einen Teilzeitjob erhalten, so dass die Gründe für die Straftat – Gewinnstreben – nicht entfallen seien, sondern weiterhin jederzeit zu einer Wiederholung führen könnten. Ebenso habe ihn die familiäre Verbundenheit zu seiner Ehefrau und Tochter auch damals nicht von der Straftat abhalten können. Das Verwaltungsgericht habe die Stellungnahmen der JVA sowie die Stellungnahme der Bewährungshelferin in überzogener Weise zugunsten des Klägers gewichtet. Es habe unbeachtet gelassen, dass hierin von "niedriger Kriminalität", "moderater Deliktsschwere" und "geringer krimineller Gewohnheitsbildung" ausgegangen werde. Der Beklagte verweist insoweit auf die Stellungnahmen des Leiters der JVA Burg vom 22.02.2013 (BA A Bl. 462), 02.10.2014 (BA A Bl. 542), 26.08.2014 (BA B Bl. 737) und 04.09.2014 (BA B Bl. 753). Der Kläger neige dazu, Schuldzuweisungen an andere zu tätigen (Externalisierungstendenz), eigene Anteile an Geschehnissen bzw. Erkenntnisse aus Problemsituationen nicht ausreichend zu reflektieren und im Sinne einer Verhaltenssteuerung anzunehmen (mangelndes Problem-und Unrechtsbewusstsein), weise eine mangelnde Orientierung an allgemein geltenden Normen und Regeln auf (verzerrte normative Orientierung) und zeige hinsichtlich der Denk- und Verhaltensmuster offensichtlich Verzerrungen und Abweichungen zur "normalen Variation" menschlichen Verhaltens. Der Kläger weise eine deutliche dissoziale Persönlichkeitsstruktur auf und erfülle möglicherweise sogar die Kriterien für eine dissoziale Persönlichkeitsstörung. Das Verwaltungsgericht habe auch hier unbeachtet gelassen, dass ursächlich für seine bisherigen Straftaten immer finanzielle Gründe gewesen seien und eine strafrechtliche Steigerung der Taten zu verzeichnen sei. Das Verwaltungsgericht habe weiterhin unbeachtet gelassen, dass der Kläger trotz mehrmaliger Aufforderungen keine Erklärung über die Entbindung der Bewährungshelferin von der Schweigepflicht vorgelegt habe, so dass insoweit keine Möglichkeit bestanden habe, Auskünfte zu erlangen. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung sei deutlich geworden, dass der Kläger seine Taten weiterhin verharmlose und sich nicht mit ihnen auseinandersetze.

21

Diese Einwände stellen die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, bei dem Kläger bestehe keine Wiederholungsgefahr, im Ergebnis nicht in Frage. Soweit der Beklagte geltend macht, der Kläger habe weder eine therapeutische Betreuung noch sonst irgendwelche unterstützenden Maßnahme nachgewiesen, ist dies nicht verständlich. Der Beklagte geht selbst davon aus, dass der Kläger nicht drogenabhängig ist. Dies stimmt mit dem Abschlussbericht des Sozialarbeiters (K.) vom 19.03.2014 (BA A Bl. 554) überein, in dem bestätigt wird, dass bei dem Kläger keine Abhängigkeit von Betäubungsmitteln vorliege. Vor diesem Hintergrund wird nicht klar, welche therapeutische Betreuung oder sonst unterstützenden Maßnahmen der Beklagte bei dem Kläger vermisst. Nicht schlüssig ist auch der Einwand des Beklagten, das Verwaltungsgericht habe unbeachtet gelassen, dass in den Stellungnahmen der JVA Burg von "niedriger Kriminalität", "moderater Deliktsschwere" und "geringer krimineller Gewohnheitsbildung" ausgegangen werde. Diese Einschätzungen bringen zum Ausdruck, dass der Kläger bislang nicht massiv straffällig geworden ist. Dies wird auch vom Verwaltungsgericht so gesehen, indem es ausführt, der Kläger habe zwar vor der für die Ausweisung entscheidenden Verurteilung bereits mehrere Straftaten begangen, jedoch liege keine konsequente Fortführung einer strafrechtlichen Karriere vor, da die Abstände zwischen den einzelnen Verurteilungen jeweils mehrere Jahre betragen hätten. Diese Überlegung stützt die auch vom Senat geteilte Annahme des Verwaltungsgerichts, bei dem Kläger bestehe keine Wiederholungsgefahr. Andererseits ist die Begründung des Verwaltungsgerichts, wonach bei dem Kläger keine Wiederholungsgefahr vorliege, weil es sich um einen "atypischen Sonderfall" handele, da der Umfang der durch das Urteil festgestellten Verkäufe gering und die Bindung des Handels des Klägers an den Zeugen (T.) als einzigen Kunden eng gewesen sei, für sich allein wenig überzeugend. Zu Recht geht der Beklagte davon aus, dass die von dem Kläger begangenen Straftaten schwer wiegen. Der Kläger wurde zu einer Freiheitsstraße von drei Jahren verurteilt. Dies begründet gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ein besonders schwer wiegendes Ausweisungsinteresse. Zudem gehören Rauschgiftdelikte zu den gefährlichen und schwer zu bekämpfenden Delikten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.07.1979 – 1 BvR 650/77 –, juris RdNr. 34). Die vom Kläger begangenen Drogendelikte – gewerbsmäßiges unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in fünf Fällen sowie unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge – wiegen daher schwer. Auch weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass drei wesentliche Umstände, die zu den Straftaten geführt haben, unverändert fortbestehen, nämlich die Persönlichkeit des Klägers, das Motiv für die Taten (finanzielle Probleme) sowie die Situation, da der Kläger nicht fortgezogen ist, sondern nach wie vor in A-Stadt wohnt, wo er auch die Straftaten begangen hat.

22

Gleichwohl geht der Senat davon aus, dass das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat, dass bei dem Kläger keine Wiederholungsgefahr besteht. Grundlage für diese Einschätzung ist zunächst der Beschluss des Landgerichts Stendal vom 13.05.2014 über die Aussetzung der Vollstreckung des Restes der gegen den Kläger verhängten Strafe zur Bewährung. Zur Begründung führte das Landgericht aus, für das Bestehen der Bewährung spreche, dass sich der Kläger erstmals und darüber hinaus seit fast zwei Jahren in Haft befinde, so dass zu vermuten stehe, dass ihn die spezialpräventive Wirkung des Strafvollzugs auch erreicht habe und der Begehung neuer Straftaten entgegenstehe. Anhaltspunkte, die diese Vermutung entkräfteten, habe die Kammer nicht feststellen können, insbesondere habe sich der Kläger auch nicht als Bewährungsversager oder notorischer Betäubungsmittelstraftäter erwiesen. Für das Bestehen der Bewährung spreche weiterhin, dass der Verurteilte über einen tragfähigen Empfangsraum verfüge, da er nach seiner Entlassung wieder im ehelichen Haushalt Aufnahme finden werde. Das von dem Kläger im Vollzug gezeigte beanstandungsfreie Verhalten, die ebenfalls gezeigten beanstandungsfreien Arbeitsleistungen und seine Eignung für den Wohngruppenvollzug, der höchsten Stufe des in der JVA Burg praktizierten Progressionsmodells, rundeten das Bild eines resozialisierungsfähigen und –willigen Straftäters ab. Diese Einschätzung wird bestätigt durch die Stellungnahmen des Leiters der JVA Burg. In der Stellungnahme vom 22.02.2013 wurde u.a. eingeschätzt, dass der Kläger keine erhebliche kriminelle Energie offenbare, die auf eine reale Wiederholungsgefahr hindeute. Er mache glaubhaft, dass er fortan rechtstreu leben möchte. In der Stellungnahme vom 02.10.2014 wurde ausgeführt, die Besuche seiner Ehefrau und seiner Tochter hätten ohne Beanstandungen stattgefunden. Während der Besuchsdurchführung sei erkennbar, dass der Kläger sich um seine Tochter und seine Ehefrau bemühe. Es sei ein guter Kontakt festgestellt worden. Der Kläger verhalte sich vollzugskonform, sei unauffällig und habe sich in den Gefangenenbestand integriert. Disziplinarmaßnahmen seien bisher nicht zur Anwendung gekommen. In der Stellungnahme vom 26.08.2014 hieß es u.a., der Kläger trete gegenüber Bediensteten höflich, korrekt und stets sachlich in Erscheinung. Erteilten Anordnungen des Vollzugspersonals sei er widerspruchslos nachgekommen. Im Gefangenenbestand sei er akzeptiert worden. Probleme seien nicht zu verzeichnen gewesen. Diese Einschätzung wurde in der Stellungnahme vom 04.09.2014 noch einmal bestätigt, in der auch die Stellungnahme vom 12.03.2014 an die Staatsanwaltschaft wiedergegeben wurde, mit der die Strafaussetzung zur Bewährung befürwortet wurde. Zwar habe der Kläger in den Straftaten eine erhebliche kriminelle Energie gezeigt, auch sei er strafrechtlich vorbelastet. Auf der anderen Seite erweise sich der soziale Empfangsraum des Klägers als insgesamt günstig, er habe erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt, das vollzugliche Verhalten sei beanstandungsfrei und er stehe einer Behandlung seiner Persönlichkeitsdefizite, die zur strafrechtlichen Devianz geführt hätten, nicht ablehnend gegenüber. Die günstigen Einschätzungen des Leiters der JVA Burg sowie des Landgerichts Stendal werden bestätigt durch die Stellungnahme der Bewährungshelferin (...) vom 26.05.2015 (GA Bl. 65), wonach zu dem Kläger regelmäßig Kontakt bestehe und sich der Bewährungsverlauf seit der Haftentlassung im Mai 2014 ohne Beanstandungen gestalte. Die Auflagen und Weisungen aus dem Bewährungsbeschluss würden korrekt erfüllt. Nach seiner Haftentlassung habe der Kläger wieder Wohnsitz bei seiner Familie, der Ehefrau und den beiden Töchtern, in A-Stadt genommen. Er lebe in stabilen und geordneten Verhältnissen und bestreite seinen Lebensunterhalt im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau und den Kindern durch Arbeitslosengeld II sowie durch die wechselnden Einkünfte aus seinem (saisonalen) Beschäftigungsverhältnis bei der Firma Eisen- und Baustahlsanierung "(…)" H-Stadt. Er habe in der Haft eine positive Entwicklung gezeigt, die er nach ihrer Einschätzung auch nach seiner Haftentlassung fortgesetzt habe. Nach ihrem Kenntnisstand lebe der Kläger straffrei und sei willens und aus ihrer Sicht auch in der Lage, diese positive Entwicklung beizubehalten.

23

Darüber hinaus ist für die Einschätzung des Senats auch die Stellungnahme der Ehefrau des Klägers gegenüber der Staatsanwaltschaft und der Strafvollstreckungskammer vom 13.01.2014 (BA B Bl. 632 – 633) bedeutsam, in der sie erklärte, dass sie dem Kläger zugesichert habe, ihn zu unterstützen, sofern er nicht noch einmal straffällig werde. Ihm sei bewusst, dass sie eine nochmalige Trennung aufgrund von Straftaten und Verurteilungen nicht mehr akzeptieren werde. In der Gesamtschau dieser Stellungnahmen ergibt sich das Bild, dass bei dem Kläger, insbesondere unter dem Eindruck der teilweise verbüßten Freiheitsstrafe von nahezu zwei Jahren und aufgrund der intensiven Bindung an seine Ehefrau und seine Tochter, trotz der weiterhin angespannten finanziellen Lage eine erneute Begehung von Straftaten, insbesondere von Drogendelikten, nicht zu erwarten ist.

24

bb) Es bestehen auch nicht deshalb ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, soweit die Ausweisung aufgehoben worden ist, weil das Verwaltungsgericht – wie der Beklagte meint – ignoriert habe, dass sich die Ausweisung auch auf generalpräventive Gründe stütze.

25

Es ist bereits zweifelhaft, ob eine Ausweisung nach neuem Recht für den Fall, dass es an einer Wiederholungsgefahr – und damit an spezialpräventiven Gründen – fehlt, allein auf den Gesichtspunkt der Generalprävention gestützt werden kann (vgl. Cziersky-Reis, in: Hofmann, a.a.O., § 53 AufenthG RdNr. 24 ff.). Zwar heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, die Ausweisungsentscheidung könne grundsätzlich auch auf generalpräventive Erwägungen gestützt werden (vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 49). Hiernach bleibt aber unklar, ob generalpräventive Aspekte lediglich Teil des im Rahmen der Interessenabwägung nach § 53 Abs. 1 AufenthG zu berücksichtigenden öffentlichen Ausweisungsinteresses sind (vgl. BayVGH, Urt. v. 28.06.2016 – 10 B 15.1854 –, a.a.O. RdNr. 38; unklar OVG BB, Beschl. v. 04.01.2017 – OVG 11 N 58.16 –, juris RdNr. 5), oder ob die Ausweisung auch eigenständig auf generalpräventive Gründe gestützt werden kann (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 11.11.2016 – 7 K 3435/15 –, juris RdNr. 50 ff.; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, a.a.O., § 53 AufenthG RdNr. 34).

26

Selbst wenn anzunehmen sein sollte, dass eine Ausweisung auch nach neuem Recht unabhängig vom Vorliegen einer Wiederholungsgefahr und damit bei Fehlen spezialpräventiver Gründe allein auf generalpräventive Erwägungen gestützt werden kann, ergeben sich aus dem Vorbringen des Beklagten auch insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.

27

Unverständlich ist der Vorwurf des Beklagten, das Verwaltungsgericht habe ignoriert, dass sich die Ausweisung auch auf generalpräventive Gründe stütze. Das Gegenteil ist der Fall. Das Verwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen (UA S. 10 – 11) ausgeführt, auch bei der Ausweisung aus Gründen der Generalprävention sei von einem atypischen Fall auszugehen, da die Tat nicht besonders schwer wiege. Zwar geht der Senat – anders als das Verwaltungsgericht – davon aus, dass die von dem Kläger begangenen Straftaten – wie bereits ausgeführt – schwer wiegen. Gleichwohl ist die Ausweisung des Klägers (allein) aus generalpräventiven Gründen unzulässig.

28

An generalpräventiv begründete Ausweisungen sind im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besonders hohe Anforderungen zu stellen. In diesen Fällen ist erforderlich, dass die den Ausweisungsanlass bildende Straftat besonders schwer wiegt und deshalb ein dringendes Bedürfnis daran besteht, über die strafrechtliche Sanktion hinaus durch die Ausweisung andere Ausländer von Straftaten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten. Dabei kommt es stets auf die besondere Schwere der Straftat im Einzelfall an. Dies setzt voraus, dass die konkreten Umstände der begangenen Straftat oder Straftaten, wie sie sich aus dem Strafurteil und dem vorangegangenen Strafverfahren ergeben, ermittelt und individuell gewürdigt werden. Die besondere Schwere der Straftat im Hinblick auf die verhaltenssteuernde Wirkung der Ausweisung auf andere Ausländer erfordert, dass von einer derartigen Straftat eine besonders hohe Gefahr für den Staat oder die Gesellschaft ausgeht, wie dies insbesondere bei Drogendelikten oder Straftaten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität der Fall sein kann. Sind diese Anforderungen an eine generalpräventiv begründete Ausweisung erfüllt, ist darüber hinaus zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Ausweisung mit dem Gewicht des schutzwürdigen privaten Interesses des Ausländers an dem Verbleib in Deutschland abzuwägen. Dadurch wird sichergestellt, dass gerade die Belange "verwurzelter" Ausländer je nach ihrem Gewicht im Einzelfall zum Tragen kommen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.07.1979 – 1 BvR 650/77 –, a.a.O. RdNr. 34; BVerwG, Urt. v. 14.02.2012 – BVerwG 1 C 7.11 –, juris RdNr. 24 f.; Beschl. d. Senats v. 05.09.2012 – 2 M 92/12 –, juris RdNr. 12). Eine rein generalpräventive Ausweisung kann dabei insbesondere in den Fällen, in denen das Bleibeinteresse des Ausländers gemäß § 55 Abs. 1 AufenthG besonders schwer wiegt, unverhältnismäßig sein (vgl. Bauer, in: Bergmann/Dienelt, a.a.O., § 53 AufenthG RdNr. 53).

29

Gemessen daran ist die Ausweisung des Klägers (allein) aus generalpräventiven Gründen unzulässig. Zwar wiegt die den Anlass für die Ausweisung bildende Straftat schwer. Gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG wiegt das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG u.a. dann besonders schwer, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist. Das ist bei dem Kläger der Fall. Gleichzeitig streitet zu seinen Gunsten ein besonders schwer wiegendes Bleibeinteresse. Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG wiegt gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG u.a. dann besonders schwer, wenn der Ausländer mit einem deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt oder sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen ausübt. Auch diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Im Rahmen der nach § 53 Abs. 1 AufenthG vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das Interesse des Klägers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet das öffentliche Interesse an der Ausreise, da insbesondere die intensiven Bindungen des Klägers zu seiner Ehefrau und seiner Tochter, die auch in der Zeit seiner Inhaftierung zu ihm gestanden haben, nach Maßgabe von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK außergewöhnlich schutzwürdig sind und von dem Kläger selbst keine Gefahr ausgeht. Angesichts dieser erhöhten Schutzwürdigkeit der privaten Interessen des Klägers hat das öffentliche Interesse, zur Abschreckung anderer Ausländer an dem Kläger ein "Exempel zu statuieren", im vorliegenden Fall zurückzustehen.

30

cc) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen auch nicht deshalb, weil das Verwaltungsgericht einen Ermessensfehler des Beklagten angenommen hat. Diese Rüge des Beklagten ist überholt, da nach neuem Recht bei der Ausweisung – wie bereits ausgeführt – für eine Ermessensentscheidung der Behörde kein Raum mehr ist.

31

b) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen auch nicht vor, soweit das Verwaltungsgericht einen Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 AufenthG angenommen hat.

32

Zu Unrecht macht der Beklagte geltend, das Verwaltungsgericht habe ignoriert, dass es sich bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG bei Vorliegen eines Ausweisungsinteresses um eine Ermessensentscheidung handele. Hierbei übersieht er, dass das Verwaltungsgericht durchaus davon ausgegangen ist, dass im vorliegenden Fall gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eine Ermessensentscheidung zu treffen war (UA S. 16). Im Ergebnis zu Recht hat das Verwaltungsgericht erkannt, dass der Kläger einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 AufenthG hat.

33

Nach der Rechtsprechung des Senats sind die familiären Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet und die Wertentscheidung des Art. 6 GG in den Fällen des Familiennachzugs nicht auf der Ebene des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG durch Einordnung als Regel- oder Ausnahmefall, sondern allein im Rahmen der Ermessensausübung nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zu berücksichtigen (vgl. Beschl. v. 05.09.2012 – 2 M 92/12 –, a.a.O. RdNr. 9). Nach dieser Vorschrift kann von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in den Fällen des Familiennachzugs und damit auch im Fall des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 AufenthG abgesehen werden. Ein Ausweisungsinteresse i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG besteht dann, wenn der Ausländer einen der in § 54 Abs. 1 oder 2 AufenthG genannten Tatbestände verwirklicht (vgl. OVG NW, Beschl. v. 16.08.2016 – 18 B 754/16 –, juris RdNr. 11). Bei der nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zu treffenden Ermessensentscheidung kommt dem besonders schwer wiegenden Bleibeinteresse des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG für Ausländer, die mit einem deutschen Familienangehörigen in familiärer Gemeinschaft leben und ihr Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen ausüben, zum Tragen. Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob das Ausweisungsinteresse nach dessen Art, Aktualität und Gewicht die Versagung der Familienzusammenführung bzw. der weiteren Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft zu rechtfertigen vermag. Dabei ist das durch das Ausweisungsinteresse hervorgerufene öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsversagung mit dem individuellen, grundrechtlich geschützten Interesse des Ausländers und seiner Familienangehörigen abzuwägen. Die Behörde hat hierbei das besondere Gewicht, das Ehe und Familie verfassungsrechtlich wie auch konventionsrechtlich beizumessen ist, zu beachten, und die Folgen der Versagung des Aufenthalts für den Nachziehenden, insbesondere aber für seine von ihm abhängigen Familienangehörigen in die Ermessensabwägung einzustellen (vgl. OVG BB, Urt. v. 27.08.2009 – OVG 11 B 1.09 –, juris RdNr. 44; Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, a.a.O., § 27 AufenthG RdNr. 86). Ob diesen die mit der Trennung verbundenen Folgen zuzumuten sind, beurteilt sich nicht allein nach dem Grad der dadurch verursachten Härten, sondern wesentlich auch nach dem Gewicht des öffentlichen Interesses an der Ausreise des Ausländers. Je gewichtiger dieses öffentliche Interesse ist, umso eher dürfen dem Ausländer und seiner Familie auch schwerwiegende Folgen zugemutet werden. Der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG greift in derartigen Fällen dann ein, wenn die Folgen der Beendigung des Aufenthalts im Hinblick auf eheliche und familiäre Belange unverhältnismäßig hart wären (vgl. Beschl. d. Senats v. 04.05.2011 – 2 M 44/11 –‚ juris RdNr. 14).

34

Gemessen hieran ist nur die begehrte Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ermessensfehlerfrei. Der Kläger kann sich gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG auf ein besonders schwer wiegendes Bleibeinteresse berufen, welches – wie bereits ausgeführt – bei der Abwägung mit dem besonders schwer wiegenden Ausweisungsinteresse i.S.d. § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG überwiegt. Grundlage dieser Abwägung ist die Erwägung, dass die intensiven Bindungen des Klägers zu seiner Ehefrau und seiner Tochter nach Maßgabe von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK außergewöhnlich schutzwürdig sind und von ihm selbst keine Gefahr ausgeht. Angesichts dieser besonderen Situation ist es – entgegen der Ansicht des Beklagten – dem Kläger nicht zuzumuten, ihn auf eine "Duldung für den Zeitraum der Angewiesenheit auf Betreuung der Familienmitglieder" oder einen Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen zu verweisen.

35

2. Die Berufung ist auch nicht wegen der geltend gemachten Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) zuzulassen. Nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist die Berufung zuzulassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Der Zulassungsgrund der Divergenz ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn die Zulassungsschrift einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines anderen der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Die nach Auffassung des Rechtsmittelführers divergierenden Rechtssätze müssen einander gegenübergestellt werden und die entscheidungstragende Abweichung muss darauf bezogen konkret herausgearbeitet werden. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen genügt den Anforderungen an die Darlegung einer Divergenz nicht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.03.2016 – BVerwG 1 B 29.16 –, juris RdNr. 9).

36

Diesen Anforderungen genügt die Zulassungsbegründung nicht. Der Beklagte legt weder dar, von welchem abstrakten Rechtssatz das Verwaltungsgericht tragend ausgegangen, noch, von welchem Rechtssatz, den ein im Instanzenzug übergeordneten Gerichts in Anwendung derselben Vorschrift gebildet hat, es hierbei abgewichen sein soll. Die Zulassungsbegründung benennt bereits nicht die maßgebliche gesetzliche Vorschrift, auf die sich die geltend gemachte Divergenz beziehen soll. Sie zeigt auch nicht auf, inwiefern der vom Verwaltungsgericht vermeintlich zu Grunde gelegte Rechtssatz, "dass es sich bei Ausweisung und Befristung nicht um zwei getrennt zu beurteilende Akte handelt", für die Entscheidung tragend gewesen ist. Vielmehr gibt der Beklagte lediglich Ausführungen des Verwaltungsgerichts wieder, wonach es unwahrscheinlich erscheine, dass sich die Bindungen des Klägers zu seiner Ehefrau und seiner Tochter nach Ablauf von zwei Jahren, d.h. nach Ablauf der Befristung der Ausweisung, wieder herstellen ließen. Hieraus folgert er, das Verwaltungsgericht verkenne, dass die Ausweisung und die Befristung zwei voneinander getrennte Verwaltungsakte seien und eine fehlerhafte Befristung die Ausweisung nicht "unwirksam" mache. Damit ist jedoch keine Differenz i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat den Gesichtspunkt der Trennung des Klägers von seiner Ehefrau und seiner Tochter über einen Zeitraum von zwei Jahren lediglich als eines von mehreren Kriterien im Rahmen der einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung einer Ausweisung behandelt. Es hat keineswegs von der Fehlerhaftigkeit der Befristung auf die Fehlerhaftigkeit der Ausweisung geschlossen. Eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist hiernach nicht ersichtlich.

37

3. Die Berufung ist auch nicht wegen der behaupteten Verfahrensmängel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zuzulassen. Nach dieser Vorschrift ist die Berufung zuzulassen, wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

38

a) Soweit der Beklagte rügt, das Verwaltungsgericht habe seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts gemäß § 86 Abs. 1 VwGO verletzt, da es keine Stellungnahme der Bewährungshelferin eingeholt habe, so ist dies nicht nachvollziehbar. Das Verwaltungsgericht hat die Stellungnahme der Bewährungshelferin (...) vom 26.05.2015 bei seiner Entscheidung berücksichtigt.

39

b) Ohne Erfolg rügt der Beklagte ferner ein Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Der Beklagte macht geltend, das Verwaltungsgericht sei davon ausgegangen, dass er sich weder mit dem Verhalten des Klägers während seines Aufenthalts im Gefängnis noch nach der Haftentlassung auseinandergesetzt habe. Ebenso wenig habe er die Feststellungen der JVA bzw. den Beschluss der Strafvollstreckungskammer in seine Abwägung mit eingestellt. Tatsächlich habe er jedoch sowohl in seinem Schreiben vom 15.05.2014 im Verfahren 1 B 150/14 HAL als auch in seinem Schreiben vom 12.09.2014 im Verfahren 1 A 151/14 HAL ausführlich hierzu Stellung genommen. Diese Rüge führt nicht zur Zulassung der Berufung, da die Entscheidung auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel nicht beruhen kann. Soweit das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, der Beklagte habe sich mit den genannten Umständen nicht auseinandergesetzt, diente dies zur Begründung eines Ermessensfehlers. Nach den nunmehr anwendbaren Vorschriften der §§ 53 ff. AufenthG in der ab dem 01.01.2016 geltenden Fassung ist für ein Ermessen der Behörde indessen – wie bereits ausgeführt – kein Raum mehr.

40

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

41

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG.

42

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.


(1) Einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltstitel außer in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörde und nur dann erteilt werden, wenn wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland es erfordern.

(2) Ein nach der Einreise des Ausländers von der Ausländerbehörde erteilter oder verlängerter Aufenthaltstitel kann nach den Vorschriften dieses Gesetzes ungeachtet des Umstandes verlängert werden, dass der Ausländer einen Asylantrag gestellt hat.

(3) Einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, darf vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden. Sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 Nummer 1 bis 6 des Asylgesetzes abgelehnt wurde, darf vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Die Sätze 1 und 2 finden im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung; Satz 2 ist ferner nicht anzuwenden, wenn der Ausländer die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 erfüllt.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen (Zusicherung), bedarf zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Ist vor dem Erlass des zugesicherten Verwaltungsaktes die Anhörung Beteiligter oder die Mitwirkung einer anderen Behörde oder eines Ausschusses auf Grund einer Rechtsvorschrift erforderlich, so darf die Zusicherung erst nach Anhörung der Beteiligten oder nach Mitwirkung dieser Behörde oder des Ausschusses gegeben werden.

(2) Auf die Unwirksamkeit der Zusicherung finden, unbeschadet des Absatzes 1 Satz 1, § 44, auf die Heilung von Mängeln bei der Anhörung Beteiligter und der Mitwirkung anderer Behörden oder Ausschüsse § 45 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 sowie Abs. 2, auf die Rücknahme § 48, auf den Widerruf, unbeschadet des Absatzes 3, § 49 entsprechende Anwendung.

(3) Ändert sich nach Abgabe der Zusicherung die Sach- oder Rechtslage derart, dass die Behörde bei Kenntnis der nachträglich eingetretenen Änderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen, ist die Behörde an die Zusicherung nicht mehr gebunden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.