Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 21. Juni 2016 - 13 A 604/16.A

ECLI:ECLI:DE:OVGNRW:2016:0621.13A604.16A.00
bei uns veröffentlicht am21.06.2016

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 27. Januar 2016 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 21. Juni 2016 - 13 A 604/16.A

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 21. Juni 2016 - 13 A 604/16.A

Referenzen - Gesetze

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 21. Juni 2016 - 13 A 604/16.A zitiert 17 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 86


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 78 Rechtsmittel


(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen di

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34a Abschiebungsanordnung


(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 31 Entscheidung des Bundesamtes über Asylanträge


(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80b


(1) Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Anfechtungsklage endet mit der Unanfechtbarkeit oder, wenn die Anfechtungsklage im ersten Rechtszug abgewiesen worden ist, drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 21. Juni 2016 - 13 A 604/16.A zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 21. Juni 2016 - 13 A 604/16.A zitiert 10 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 29. Jan. 2015 - 13a B 14.50039

bei uns veröffentlicht am 29.01.2015

Tenor I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 30. Juli 2014 wird die Klage abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. III. Das Urteil ist im

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 28. Feb. 2014 - 13a B 13.30295

bei uns veröffentlicht am 28.02.2014

Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungserfahrens zu tragen. III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Siche

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 18. Feb. 2016 - 1 A 11081/14

bei uns veröffentlicht am 18.02.2016

Diese Entscheidung wird zitiert Diese Entscheidung zitiert Tenor Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 20. Mai 2014 wird der Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2014 aufgehoben, soweit dieser die Abschiebung

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 16. Juni 2015 - 11 A 890/14.A

bei uns veröffentlicht am 16.06.2015

Tenor Das angefochtene Urteil wird geändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen; das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die V

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 24. Apr. 2015 - 14 A 2356/12.A

bei uns veröffentlicht am 24.04.2015

Tenor Das angegriffene Urteil wird geändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstrec

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 16. Apr. 2014 - A 11 S 1721/13

bei uns veröffentlicht am 16.04.2014

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.Die Revisio

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 07. März 2014 - 1 A 21/12.A

bei uns veröffentlicht am 07.03.2014

Tenor Das angefochtene Urteil wird geändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläg

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 26. Feb. 2014 - A 3 S 698/13

bei uns veröffentlicht am 26.02.2014

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30. Juni 2011 - A 1 K 3583/09 - geändert. Die Klagen werden abgewiesen.Die Kläger tragen die Kosten des - gerichtskostenfreien - Verfahrens in beiden Rechtszü

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 21. Feb. 2014 - 10 A 10656/13

bei uns veröffentlicht am 21.02.2014

Diese Entscheidung wird zitiert Diese Entscheidung zitiert Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 22. Mai 2013 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger. D

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 19. Juni 2012 - A 2 S 1355/11

bei uns veröffentlicht am 19.06.2012

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. September 2009 - A 6 K 3484/08 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.Die Revision wird ni

Referenzen

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der 1985 geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Pakistan und gehört zu den Punjabi. Er verließ nach seinen Angaben Pakistan am 25.02.2012 und kam am 26.03.2012 nach Italien, wo er erkennungsdienstlich behandelt wurde. Am 03.06.2012 reiste er nach seinen Angaben auf dem Landweg über die Schweiz oder Frankreich nach Deutschland.
Am 18.06.2012 stellte er einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellte daraufhin am 18.10.2012 ein auf Art. 16 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien. Am 30.11.2012 erfolgte die Zustimmung Italiens zur Rücküberstellung des Klägers.
Mit Bescheid vom 03.12.2012 erklärte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag für unzulässig und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Ein Zustellungsnachweis befindet sich nicht bei den Akten; jedenfalls wurde der Bescheid mit einem Begleitschreiben vom 15.01.2013 zur Post gegeben. Die für den 31.01.2013 vorgesehene Überstellung nach Italien konnte nicht durchgeführt werden, da der Kläger nicht angetroffen wurde.
Am 28.01.2013 erhob der Kläger Klage und machte geltend, eine Abschiebung nach Italien sei nicht zulässig. Er habe in Italien gar keinen Asylantrag gestellt. Auch bestehe die Gefahr der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung in Italien. Die Beklagte hätte von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen.
Mit Beschluss vom 14.03.2013 (A 12 K 332/13) ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 03.12.2012 enthaltene Abschiebungsanordnung an und gab der Beklagten auf, dem Regierungspräsidium Karlsruhe die Anordnung der aufschiebenden Wirkung mitzuteilen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vom 17.06.2013 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 03.12.2012 auf und verpflichtete die Bundesrepublik Deutschland auf den ausdrücklichen Antrag des Klägers, sein Asylverfahren fortzuführen. Zur Begründung führte es aus: Zwar sei Italien der zuständige Mitgliedstaat. Allerdings leide das Asylsystem Italiens unter sog. systemischen Mängeln im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, sodass die Bundesrepublik von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müsse.
Auf den rechtzeitig gestellten Antrag der Beklagten ließ der Senat durch Beschluss vom 14.08.2013 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.
Am 05.09.2013 hat der Beklagte unter Stellung eines Antrags die Berufung begründet: Zunächst sei davon auszugehen, dass das Zuständigkeitsregime der Dublin-Verordnung keine subjektiven Rechte der Asylbewerber begründe. Im Übrigen gelte nach der Rechtsprechung des EuGH eine generelle Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention erfolge. Dass in Bezug auf Italien ernsthaft und erwiesenermaßen zu befürchten sei, dass systemische Mängel zwangsläufig mit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung der überstellten Asylbewerber einhergingen, könne nicht eingewandt werden. Nach den vorliegenden Quellen, insbesondere von UNHCR, seien derartige Befürchtungen nicht gerechtfertigt.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.06.2013 - A 12 K 331/13 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten verweist der Senat auf die gewechselten Schriftsätze. Dem Senat liegen die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

Gründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Das Bundesamt informiert mit der Entscheidung über die Rechte und Pflichten, die sich aus ihr ergeben.

(2) In Entscheidungen über zulässige Asylanträge und nach § 30 Absatz 5 ist ausdrücklich festzustellen, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird. In den Fällen des § 13 Absatz 2 Satz 2 ist nur über den beschränkten Antrag zu entscheiden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird. Von der Feststellung nach Satz 1 kann auch abgesehen werden, wenn das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden hat und die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen.

(4) Wird der Asylantrag nur nach § 26a als unzulässig abgelehnt, bleibt § 26 Absatz 5 in den Fällen des § 26 Absatz 1 bis 4 unberührt.

(5) Wird ein Ausländer nach § 26 Absatz 1 bis 3 als Asylberechtigter anerkannt oder wird ihm nach § 26 Absatz 5 internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt, soll von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen werden.

(6) Wird der Asylantrag nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig abgelehnt, wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

(7) In der Entscheidung des Bundesamtes ist die AZR-Nummer nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister zu nennen.

(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Das Bundesamt informiert mit der Entscheidung über die Rechte und Pflichten, die sich aus ihr ergeben.

(2) In Entscheidungen über zulässige Asylanträge und nach § 30 Absatz 5 ist ausdrücklich festzustellen, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird. In den Fällen des § 13 Absatz 2 Satz 2 ist nur über den beschränkten Antrag zu entscheiden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird. Von der Feststellung nach Satz 1 kann auch abgesehen werden, wenn das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden hat und die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen.

(4) Wird der Asylantrag nur nach § 26a als unzulässig abgelehnt, bleibt § 26 Absatz 5 in den Fällen des § 26 Absatz 1 bis 4 unberührt.

(5) Wird ein Ausländer nach § 26 Absatz 1 bis 3 als Asylberechtigter anerkannt oder wird ihm nach § 26 Absatz 5 internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt, soll von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen werden.

(6) Wird der Asylantrag nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig abgelehnt, wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

(7) In der Entscheidung des Bundesamtes ist die AZR-Nummer nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister zu nennen.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen; das Verfahren ist gerichtskostenfrei.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. September 2009 - A 6 K 3484/08 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt seine Anerkennung als Asylberechtigter.
Der Kläger, ein nach seinen Angaben am ...1985 in Sheikhan geborener irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und yezidischen Glaubens, reiste am 3.2.2008 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung machte er geltend, er stamme aus dem im Sheikhan gelegenen Dorf Essya (gemeint wohl Esyan). Seine Familie, zu der außer seinen Eltern sieben Brüder und sechs Schwestern gehörten, lebe noch mit Ausnahme eines Bruders im Sheikhan. Er habe den Irak im Dezember 2004 verlassen und sich zunächst einige Monate in Griechenland aufgehalten. Er sei dann nach Holland geflogen und habe dort einen Asylantrag gestellt. Die holländischen Behörden hätten den Antrag im Mai 2006 abgelehnt und ihn zurück nach Griechenland geschickt, wo er zunächst in Abschiebehaft genommen worden sei. Nach seiner Freilassung sei er in den Irak zurückgekehrt. Am 22.1.2008 habe er den Irak wieder verlassen und sei über die Türkei nach Deutschland gereist. Der Grund dafür sei, dass er als Yezide von den Leuten merkwürdig angeschaut worden sei. Er habe auch schon gehört, dass in anderen yezidischen Dörfern Leute überfallen worden seien. Er selbst sei aber weder bedroht noch in anderer Weise behelligt worden.
Nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) festgestellt hatte, dass der Kläger bereits am 23.5.2006 einen Asylantrag in Griechenland gestellt hatte, ersuchte es mit Schreiben vom 10.4.2008 die griechischen Behörden um Aufnahme des Klägers. Das Ersuchen blieb trotz einer mit Schreiben vom 14.5.2008 erfolgten Erinnerung unbeantwortet.
Das Bundesamt lehnte daraufhin mit Bescheid vom 8.9.2008 den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Griechenland an. Zur Begründung führte es aus, der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Griechenland aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. e Dublin II-VO für die Behandlung des Antrags zuständig sei.
Der Kläger hat am 9.9.2008 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und beantragt, den Bescheid des Bundesamts vom 8.9.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG zuzuerkennen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 7 S. 2 AufenthG festzustellen, weiter hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 S. 1 AufenthG festzustellen. Der Kläger hat ferner am gleichen Tag einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, auf den das Verwaltungsgericht die Beklagte mit Beschluss vom 16.10.2008 durch eine einstweilige Anordnung verpflichtet hat, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Antragstellers nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen und für den Fall, dass die zuständige Ausländerbehörde von der Abschiebungsanordnung bereits in Kenntnis gesetzt worden sei, dieser mitzuteilen, dass eine Abschiebung nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten nicht durchgeführt werden dürfe.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Mit Urteil vom 29.9.2009 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Bundesamts vom 8.9.2008 aufgehoben und die Beklagte zu der Feststellung verpflichtet, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Asylantrag des Klägers sei nicht mehr gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, da die Beklagte inzwischen für das Asylverfahren des Klägers zuständig geworden sei. Zwar sei ursprünglich Griechenland für das Asylverfahren des Klägers zuständig gewesen, da der Kläger bereits am 23.5.2006 auf dem Flughafen von Athen einen Asylantrag gestellt habe. Die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers sei jedoch gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO von Griechenland auf die beklagte Bundesrepublik Deutschland übergangen, da der Kläger nicht innerhalb der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist an Griechenland überstellt worden sei. Zwar habe die erkennende Kammer die Beklagte mit Beschluss vom 16.10.2008 durch eine einstweilige Anordnung verpflichtet, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Antragstellers nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen. Diese einstweilige Anordnung stelle jedoch keinen Rechtsbehelf dar, der aufschiebende Wirkung habe. Der Beschluss habe daher keinen Einfluss auf den Ablauf der für die Überstellung geltenden Frist. Der zulässig gewordene Asylantrag des Klägers sei auch begründet, da dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak eine religiös motivierte Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure im Sinne des § 60 Abs. 1 S. 4 Buchst. c AufenthG drohe. Die Beklagte gehe bei Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, grundsätzlich von einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure aus. Nach dem Gutachten des Europäischen Zentrums für kurdische Studien vom 26.5.2008 liege das Sheikhan-Gebiet im Grenzgebiet zwischen Zentral- und Nordirak. Es gehöre verwaltungstechnisch und rechtlich zur Provinz Niniwe/Mosul und stehe damit de jure unter zentralirakischer Verwaltung. Mithin treffe die von der Beklagten für Yeziden aus dem Zentralirak angenommene Gruppenverfolgung auch für die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden zu.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 2.2.2010 zugelassene Berufung der Beklagten. Auf Antrag der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 29.6.2010 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Die Beklagte hat das Verfahren am 25.3.2011 wieder angerufen.
Die Beklagte macht geltend, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht der Ansicht, dass die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO von Griechenland auf Deutschland übergangen sei. Die sechsmonatige Frist für den Übergang der Zuständigkeit beginne erst ab dem Zeitpunkt zu laufen, ab dem die Behörde den Bescheid auch vollziehen könne und sich dabei ausschließlich den technischen Problemen der Überstellung widmen könne. Unabhängig davon halte das Verwaltungsgericht den Asylantrag auch zu Unrecht für in der Sache begründet. Nach dem Vorbringen des Klägers sei nicht ersichtlich, dass dieser den Irak unter dem Druck individuell erlittener oder unmittelbar drohender Verfolgung verlassen habe. Eine gruppenspezifische Gefährdung der Yeziden im Irak lasse sich nicht feststellen.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. September 2009 - A 6 K 3484/08 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Verwaltungsgerichts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Hauptantrag des Klägers zu Unrecht entsprochen. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG liegen entgegen seiner Ansicht nicht vor (unten I). Die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 S. 2 AufenthG bzw. § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben, so dass die Klage auch mit den vom Kläger gestellten Hilfsanträgen keinen Erfolg haben kann (unten II).
I.
17 
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht zu der Feststellung verpflichtet, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist.
18 
1. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die beklagte Bundesrepublik Deutschland sei für das Asylverfahren des Klägers zuständig, auch wenn der Kläger zuvor einen Asylantrag in Griechenland gestellt habe. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen.
19 
a) Der Kläger hat am 23.5.2006 in Griechenland einen ersten und nach seiner zwischenzeitlichen Rückkehr in den Irak am 3.2.2008 einen weiteren Asylantrag in Deutschland gestellt. Wegen des zuvor in Griechenland durchgeführten Asylverfahrens hat das Bundesamt mit Schreiben vom 10.4.2008 ein Aufnahmeersuchen an Griechenland gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.2.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, (im Folgenden: Dublin II-VO) gestellt, auf das Griechenland nicht innerhalb von zwei Monaten geantwortet hat. Nach Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO ist in einem solchen Fall davon auszugehen, dass der ersuchte Mitgliedstaat die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiert, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.
20 
Das hat auch das Verwaltungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt. Es hat gleichwohl angenommen, dass die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO von Griechenland auf die Beklagte übergangen sei, da der Kläger nicht innerhalb der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist an Griechenland überstellt worden sei. Den Umstand, dass die erkennende Kammer die Beklagte mit Beschluss vom 16.10.2008 durch eine einstweilige Anordnung verpflichtet hat, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Antragstellers nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen, hat das Verwaltungsgericht dabei für unerheblich erklärt, da diese Anordnung keinen Rechtsbehelf darstelle, der aufschiebende Wirkung habe. Der Beschluss habe daher keinen Einfluss auf den Ablauf der für die Überstellung geltenden Frist. Das steht, wie die Beklagte zu Recht beanstandet, mit Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO nicht in Einklang.
21 
aa) Die Überstellung des Asylbewerbers von dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des ersteren Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, „sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch den anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat“ (Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO). Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde (Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO).
22 
Nach der im deutschen (nationalen) Recht geltenden Regelung in § 34 a Abs. 2 AsylVfG darf die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat nicht nach § 80 oder § 123 VwGO ausgesetzt werden. Das Gleiche gilt nach der Neufassung dieser Vorschrift durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 für die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat. Im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93 - (BVerfGE 94, 49) hat sich das Verwaltungsgericht trotz dieser Regelung für berechtigt gehalten, die Abschiebung des Klägers nach Griechenland auf dessen Antrag auszusetzen, da nach den vorliegenden Erkenntnisquellen zur Situation und Behandlung von Flüchtlingen in Griechenland davon auszugehen sei, dass dem Kläger dort kein Asylverfahren offen stehe, das die Mindestnormen für Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß der Europäischen Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1.12.2005 einhalte. Ebenso wenig sei gewährleistet, dass in Griechenland die Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern gemäß der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.1.2003 eingehalten würden. Die Verletzung der genannten Normen und die damit einher gehenden Grundrechts- und Menschenrechtsverletzungen seien als Sonderfall anzusehen, in dem § 34 a Abs. 2 AsylVfG nicht anzuwenden sei.
23 
bb) Mit dieser Entscheidung ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts der Lauf der Frist für die Überstellung des Klägers an Griechenland gehemmt worden.
24 
Die in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehene Frist berücksichtigt die organisatorischen Schwierigkeiten, die mit der Durchführung der Überstellung verbunden sind, und verfolgt das Ziel, es den beiden betroffenen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, sich im Hinblick auf die Durchführung abzustimmen, und es insbesondere dem ersuchenden Mitgliedstaat zu erlauben, die Modalitäten für die Durchführung der Überstellung zu regeln, die nach den nationalen Rechtsvorschriften dieses letztgenannten Staates erfolgt. Das gilt auch für den in der Vorschrift genannten Fall, dass der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt, da auch in diesem Fall jeder der beiden betroffenen Mitgliedstaaten bei der Organisation der Überstellung den gleichen praktischen Schwierigkeiten gegenübersteht und deshalb über die gleiche Frist von sechs Monaten verfügen soll, um die Überstellung des Asylbewerbers zu bewerkstelligen. Der Lauf der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist beginnt daher in dem genannten Fall nicht bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung, mit der die Durchführung des Überstellungsverfahrens ausgesetzt wird, sondern erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die der Durchführung dieses Verfahrens nicht mehr entgegenstehen kann (EuGH, Urt. v. 29.1.2009 - C-19/08 - NVwZ 2009, 639).
25 
Für den Beginn der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist kann es danach entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht auf den in den §§ 80, 123 VwGO gemachten Unterschied zwischen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs und einer einstweiligen Anordnung ankommen. Dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 16.10.2008 liegt die Auffassung zu Grunde, dass das deutsche (nationale) Recht es unter bestimmten, vom Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall bejahten Voraussetzungen gestattet, die Abschiebung eines Asylbewerbers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat und damit die Durchführung des in der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vorgesehenen Überstellungsverfahrens auszusetzen. Damit greift die genannte Überlegung, wonach die betroffenen Mitgliedstaaten auch für den Fall, dass der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt, eine Frist von sechs Monaten verfügen sollen, um die Überstellung des Asylbewerbers zu bewerkstelligen. Ob die Durchführung des Überstellungsverfahrens in Folge einer nach § 80 VwGO oder in Folge einer nach § 123 VwGO getroffenen gerichtlichen Entscheidung ausgesetzt ist, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.
26 
b) Die Zuständigkeit der Beklagten für die Prüfung des Asylantrags des Klägers ergibt sich jedoch aus Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO.
27 
Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist, und wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung. Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 21.12.2011, aaO) lässt dieses Asylsystem die Annahme zu, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention finden. Es gilt daher die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden. Sie ist widerlegt, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren. Der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, ist in einem solchen Fall verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann.
28 
Nach dem in Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21.1.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland) ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21.12.2011 (aaO) ist davon auszugehen, dass die große Zahl von Asylbewerbern, die in den letzten Jahren über Griechenland in die Union gelangt sind, es den griechischen Behörden unmöglich gemacht hat, diesen Zustrom zu bewältigen. Der Europäische Gerichtshof ist deshalb der Meinung, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Griechenland grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren. Die Beklagte hätte danach den Asylantrag des Klägers nicht als unzulässig abweisen dürfen, sondern den Antrag sachlich prüfen müssen.
29 
2. Das Verwaltungsgericht hat die somit notwendige sachliche Prüfung des Asylantrags des Klägers selbst vorgenommen. Das entspricht der Rechtslage.
30 
Nach § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO spricht das Gericht, soweit die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten begünstigenden Verwaltungsaktes rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde zum Erlass dieses Verwaltungsakts aus, wenn die Sache spruchreif ist. Nach § 86 Abs. 1 VwGO hat das Gericht im Rahmen des Klagebegehrens alle für die Entscheidung maßgebenden tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs in eigener Verantwortung festzustellen. Das Gericht muss danach die Streitsache im Sinne des § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO in vollem Umfang spruchreif machen. Es ist deshalb grundsätzlich nicht zulässig, dass das Verwaltungsgericht bei rechtswidriger Verweigerung des begehrten Verwaltungsakts lediglich die Ablehnung aufhebt und der Behörde mit gewissermaßen zurückverweisender Wirkung die Prüfung und Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen aufgibt. Vielmehr hat es die notwendigen Prüfungen und Feststellungen selbst vorzunehmen und sodann abschließend in der Sache zu entscheiden (stRspr, vgl. BVerwG, Urt. v. 10.2.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Die Pflicht des Gerichts, die Streitsache spruchreif zu machen, gilt auch in Verfahren, in denen das Bundesamt - wie hier - einen Asylantrag zu Unrecht als unzulässig abgewiesen hat.
31 
3. Das Verwaltungsgericht ist jedoch bei seiner Prüfung zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen liegen entgegen seiner Ansicht nicht vor.
32 
a) Nach § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Anders als im Anwendungsbereich des Art. 16a Abs. 1 GG, der grundsätzlich nur Schutz vor staatlicher Verfolgung gewährt, kann eine Verfolgung in diesem Sinne gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ausgehen von (a) dem Staat, (b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder (c) „nichtstaatlichen Akteuren“, sofern die unter den Buchstaben a) und b) genannten „Akteure“ einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten. Für die Feststellung, ob eine solche Verfolgung vorliegt, sind gemäß § 60 Abs. 1 S. 5 AufenthG Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Qualifikationsrichtlinie, ABl. EU 2004 Nr. L 304 S. 12) ergänzend anzuwenden.
33 
Die Gefahr eigener Verfolgung kann sich nicht nur aus gegen den Ausländer selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms - eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die Vermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss. Diese für die staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind auch auf die private Verfolgung durch „nichtstaatliche Akteure“ übertragbar (BVerwG, Urt. v. 21.04.2009 - 10 C 11.08 - NVwZ 2009, 1237).
34 
b) In Anwendung dieser Grundsätze hat das Verwaltungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG mit der Begründung bejaht, dass die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt seien. Es hat dazu näher ausgeführt, die Beklagte gehe bei Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, von einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure aus. Nach dem Gutachten des Europäischen Zentrums für kurdische Studien (EZKS) vom 26.5.2008 liege das Sheikhan-Gebiet im Grenzgebiet zwischen Zentral- und Nordirak. Es gehöre verwaltungstechnisch und rechtlich zur Provinz Niniwe/Mosul und stehe damit de jure unter zentralirakischer Verwaltung. Mithin treffe die von der Beklagten für Yeziden aus dem Zentralirak angenommene Gruppenverfolgung auch für die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden zu.
35 
Das reicht als Begründung schon für sich genommen nicht aus. Das Verwaltungsgericht hat zum einen nicht geprüft, ob die Annahme der Beklagten zutrifft, dass Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt sind, sondern hat diese Annahme ohne weiteres als feststehende Tatsache übernommen. Es hat zum anderen hieraus geschlossen, dass auch die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt seien, da das Sheikhan-Gebiet de jure unter zentralirakischer Verwaltung stehe, ohne der sich aufdrängenden Frage nachzugehen, ob eine de jure bestehende Verwaltungshoheit auch bedeutet, dass die betreffenden Gebiete de facto unter zentralirakischer Verwaltung stehen. Das ist umso weniger zu verstehen, als in dem auch vom Verwaltungsgericht zitierten Gutachten des EZKS vom 26.5.2008 ausführlich auf diesen Unterschied eingegangen wird.
36 
c) Die Begründung des Verwaltungsgericht trifft davon abgesehen auch in der Sache nicht zu.
37 
aa) Das EZKS unterscheidet in seinen Gutachten vom 26.5.2008 und 17.2.2010 zur Gefährdung der im Irak lebenden Yeziden zwischen verschiedenen Gebieten, nämlich zum einen den de jure (und de facto) von der Kurdischen Regionalverwaltung verwalteten Gebieten, d.h. den - aus Teilen der Provinzen Dohuk, Erbil, Suleymaniya, Kirkuk, Diyala und Niniveh zusammengesetzten - Gebieten, die bereits im Zeitpunkt des Einmarschs der alliierten Truppen in den Irak (19.3.2003) von den damals noch zwei kurdischen Regionalregierungen kontrolliert wurden, sowie den „umstrittenen Gebieten“, d.h. den Gebieten, die sowohl von der Kurdischen Regionalverwaltung als auch der irakischen Zentralregierung beansprucht werden. Was die zuletzt genannten Gebiete betrifft, wird weiter unterschieden zwischen de facto von der Kurdischen Regionalverwaltung verwalteten Gebieten, d.h. Gebieten, in denen bestimmte Verwaltungs- bzw. Schutzaufgaben von der Kurdischen Regionalverwaltung bzw. den kurdischen Parteien KDP und PUK übernommen werden, sowie Gebieten, in denen dies nicht der Fall ist und die somit nicht nur de jure, sondern auch de facto von der irakischen Zentralregierung verwaltet werden.
38 
Eine exakte Benennung der Gebiete, die de facto von der Kurdischen Regionalverwaltung verwaltet werden, ist nach den Ausführungen des EZKS nur mit großen Schwierigkeiten möglich. Nach dem Gutachten vom 17.2.2010 kann jedoch als sicher gelten, dass die Distrikte Sheikhan und al-Sheikhan insgesamt de facto unter kurdischer Kontrolle stehen (Gutachten, S. 12).
39 
bb) Zu der Frage, ob und inwieweit im Sheikhan-Gebiet lebende Yeziden durch andere Bevölkerungsgruppen gefährdet sind, heißt es im Gutachten des EZKS vom 17.2.2010 (S. 23), die Sicherheitslage im Sheikhan sei insbesondere wegen seiner direkten Verbindung zu den de jure kurdisch verwalteten Gebieten grundsätzlich besser als im Sindjar. Auch der Bericht der UNAMI (United Nations Assistance Mission for Iraq) zur Lage in den umstrittenen Gebieten bezeichne die Sicherheitslage im Sheikhan als vergleichsweise stabil. Für die Zeit zwischen Februar 2007 und September 2008 würden in diesem Bericht nur fünf registrierte Sicherheitsvorfälle genannt. Auch in den diversen Menschenrechtsberichten etc. fänden sich keine Hinweise darauf, dass es im Sheikhan Übergriffe sunnitischer Extremisten auf Yeziden oder Christen gegeben habe. Auch zu Auseinandersetzungen zwischen muslimischen und yezidischen Kurden wie am 15.2.2007 in Ain Sifni im Anschluss an einen Konflikt zwischen Eheleuten solle es seither nicht mehr gekommen sein. Übergriffe gegenüber Yeziden, die in Opposition zur Politik der kurdischen Allianz stünden, seien ebenfalls nicht dokumentiert. In dem genannten Gutachten werden lediglich Klagen einzelner Yeziden zitiert, nach denen sie von den Kurden aus Dohuk, Erbil und Suleymaniya wie Bürger zweiter Klasse behandelt würden. Von yezidischer Seite werde ferner kritisiert, dass Yeziden innerhalb der Sicherheitskräfte (Peschmerga, Polizei, Geheimdienst) nicht hinreichend repräsentiert seien. Darüber hinaus hätten sich Mitglieder der antikurdischen Yezidischen Bewegung darüber beklagt, dass sie in Sheikhan kein Parteibüro eröffnen dürften (S. 23 f.).
40 
Von einer der aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden drohenden Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure kann danach offensichtlich keine Rede sein, da es an der dafür erforderlichen Verfolgungsdichte fehlt (im Ergebnis ebenso OVG Saarland, Urt. v. 29.3.2012 - 3 A 456/11 - Juris; OVG NRW, Beschl. v. 28.3.2011 - 9 A 2563/10.A - Juris).
II.
41 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Das bedarf, was die in § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG geregelten Abschiebungsverbote betrifft, keiner näheren Begründung. In Betracht zu ziehen ist allein das Bestehen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 2 oder § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG.
42 
1. Nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG, mit dem die sich aus Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie ergebenden Verpflichtungen auf Gewährung eines „subsidiären Schutzstatus“ bzw. „subsidiären Schutzes“ in nationales Recht umgesetzt werden, ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u. a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wofür Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe typische Beispiele sind (BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO).
43 
Die Frage, ob die derzeitige Situation im Irak die landesweit oder auch nur regional gültige Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts rechtfertigt, dürfte hiervon ausgehend zu verneinen sein. Die Frage kann jedoch auf sich beruhen, da selbst bei der Annahme eines solchen Konflikts ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG nur besteht, wenn der Ausländer einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben „im Rahmen“ dieses Konflikts ausgesetzt ist. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers nicht gegeben.
44 
Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 - (BVerwGE 134, 188) kann sich die nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG erforderliche Individualisierung der sich aus einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt ergebenden allgemeinen Gefahr nicht nur aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann vielmehr unabhängig davon auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind nach den oben gemachten Ausführungen zu verneinen. Die erforderliche Individualisierung könnte sich daher nur durch einen besonders hohen Grad der dem Kläger in seiner Heimatregion drohenden allgemeinen Gefahren ergeben, vor denen er auch in den übrigen Teilen des Irak keinen Schutz finden kann. Nach den dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen lässt sich jedoch für die Gegend des Sheikhan, aus welcher der Kläger nach seinen Angaben stammt, ein so hoher Gefahrengrad, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in diesem Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre, nicht feststellen.
45 
2. Auch ein (national begründetes) Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG ist im Falle des Klägers nicht erkennbar.
46 
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder seine Bevölkerungsgruppe allgemein treffen, wird - abgesehen von Fällen der richtlinienkonformen Auslegung bei Anwendung von Art. 15 lit. c der Qualifikationsrichtlinie für internationale oder innerstaatliche bewaffnete Konflikte - der Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG gewährt. Beim Fehlen einer solchen Regelung kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke in Betracht, d.h. nur zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage in dem Sinne, dass dem Ausländer sehenden Auges der sichere Tod droht oder er schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO). Eine solche extreme konkrete Gefahrenlage besteht für den Kläger im Hinblick auf das oben Ausgeführte nicht.
47 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
48 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
16 
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Hauptantrag des Klägers zu Unrecht entsprochen. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG liegen entgegen seiner Ansicht nicht vor (unten I). Die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 S. 2 AufenthG bzw. § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben, so dass die Klage auch mit den vom Kläger gestellten Hilfsanträgen keinen Erfolg haben kann (unten II).
I.
17 
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht zu der Feststellung verpflichtet, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist.
18 
1. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die beklagte Bundesrepublik Deutschland sei für das Asylverfahren des Klägers zuständig, auch wenn der Kläger zuvor einen Asylantrag in Griechenland gestellt habe. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen.
19 
a) Der Kläger hat am 23.5.2006 in Griechenland einen ersten und nach seiner zwischenzeitlichen Rückkehr in den Irak am 3.2.2008 einen weiteren Asylantrag in Deutschland gestellt. Wegen des zuvor in Griechenland durchgeführten Asylverfahrens hat das Bundesamt mit Schreiben vom 10.4.2008 ein Aufnahmeersuchen an Griechenland gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.2.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, (im Folgenden: Dublin II-VO) gestellt, auf das Griechenland nicht innerhalb von zwei Monaten geantwortet hat. Nach Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO ist in einem solchen Fall davon auszugehen, dass der ersuchte Mitgliedstaat die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiert, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.
20 
Das hat auch das Verwaltungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt. Es hat gleichwohl angenommen, dass die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO von Griechenland auf die Beklagte übergangen sei, da der Kläger nicht innerhalb der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist an Griechenland überstellt worden sei. Den Umstand, dass die erkennende Kammer die Beklagte mit Beschluss vom 16.10.2008 durch eine einstweilige Anordnung verpflichtet hat, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Antragstellers nach Griechenland vorläufig für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen, hat das Verwaltungsgericht dabei für unerheblich erklärt, da diese Anordnung keinen Rechtsbehelf darstelle, der aufschiebende Wirkung habe. Der Beschluss habe daher keinen Einfluss auf den Ablauf der für die Überstellung geltenden Frist. Das steht, wie die Beklagte zu Recht beanstandet, mit Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO nicht in Einklang.
21 
aa) Die Überstellung des Asylbewerbers von dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des ersteren Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, „sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch den anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat“ (Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO). Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde (Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO).
22 
Nach der im deutschen (nationalen) Recht geltenden Regelung in § 34 a Abs. 2 AsylVfG darf die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat nicht nach § 80 oder § 123 VwGO ausgesetzt werden. Das Gleiche gilt nach der Neufassung dieser Vorschrift durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 für die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat. Im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93 - (BVerfGE 94, 49) hat sich das Verwaltungsgericht trotz dieser Regelung für berechtigt gehalten, die Abschiebung des Klägers nach Griechenland auf dessen Antrag auszusetzen, da nach den vorliegenden Erkenntnisquellen zur Situation und Behandlung von Flüchtlingen in Griechenland davon auszugehen sei, dass dem Kläger dort kein Asylverfahren offen stehe, das die Mindestnormen für Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß der Europäischen Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1.12.2005 einhalte. Ebenso wenig sei gewährleistet, dass in Griechenland die Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern gemäß der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.1.2003 eingehalten würden. Die Verletzung der genannten Normen und die damit einher gehenden Grundrechts- und Menschenrechtsverletzungen seien als Sonderfall anzusehen, in dem § 34 a Abs. 2 AsylVfG nicht anzuwenden sei.
23 
bb) Mit dieser Entscheidung ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts der Lauf der Frist für die Überstellung des Klägers an Griechenland gehemmt worden.
24 
Die in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehene Frist berücksichtigt die organisatorischen Schwierigkeiten, die mit der Durchführung der Überstellung verbunden sind, und verfolgt das Ziel, es den beiden betroffenen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, sich im Hinblick auf die Durchführung abzustimmen, und es insbesondere dem ersuchenden Mitgliedstaat zu erlauben, die Modalitäten für die Durchführung der Überstellung zu regeln, die nach den nationalen Rechtsvorschriften dieses letztgenannten Staates erfolgt. Das gilt auch für den in der Vorschrift genannten Fall, dass der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt, da auch in diesem Fall jeder der beiden betroffenen Mitgliedstaaten bei der Organisation der Überstellung den gleichen praktischen Schwierigkeiten gegenübersteht und deshalb über die gleiche Frist von sechs Monaten verfügen soll, um die Überstellung des Asylbewerbers zu bewerkstelligen. Der Lauf der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist beginnt daher in dem genannten Fall nicht bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung, mit der die Durchführung des Überstellungsverfahrens ausgesetzt wird, sondern erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die der Durchführung dieses Verfahrens nicht mehr entgegenstehen kann (EuGH, Urt. v. 29.1.2009 - C-19/08 - NVwZ 2009, 639).
25 
Für den Beginn der in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO vorgesehenen Frist kann es danach entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht auf den in den §§ 80, 123 VwGO gemachten Unterschied zwischen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs und einer einstweiligen Anordnung ankommen. Dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 16.10.2008 liegt die Auffassung zu Grunde, dass das deutsche (nationale) Recht es unter bestimmten, vom Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall bejahten Voraussetzungen gestattet, die Abschiebung eines Asylbewerbers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat und damit die Durchführung des in der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vorgesehenen Überstellungsverfahrens auszusetzen. Damit greift die genannte Überlegung, wonach die betroffenen Mitgliedstaaten auch für den Fall, dass der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt, eine Frist von sechs Monaten verfügen sollen, um die Überstellung des Asylbewerbers zu bewerkstelligen. Ob die Durchführung des Überstellungsverfahrens in Folge einer nach § 80 VwGO oder in Folge einer nach § 123 VwGO getroffenen gerichtlichen Entscheidung ausgesetzt ist, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.
26 
b) Die Zuständigkeit der Beklagten für die Prüfung des Asylantrags des Klägers ergibt sich jedoch aus Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO.
27 
Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist, und wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung. Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 21.12.2011, aaO) lässt dieses Asylsystem die Annahme zu, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention finden. Es gilt daher die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden. Sie ist widerlegt, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren. Der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, ist in einem solchen Fall verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann.
28 
Nach dem in Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21.1.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland) ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21.12.2011 (aaO) ist davon auszugehen, dass die große Zahl von Asylbewerbern, die in den letzten Jahren über Griechenland in die Union gelangt sind, es den griechischen Behörden unmöglich gemacht hat, diesen Zustrom zu bewältigen. Der Europäische Gerichtshof ist deshalb der Meinung, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Griechenland grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren. Die Beklagte hätte danach den Asylantrag des Klägers nicht als unzulässig abweisen dürfen, sondern den Antrag sachlich prüfen müssen.
29 
2. Das Verwaltungsgericht hat die somit notwendige sachliche Prüfung des Asylantrags des Klägers selbst vorgenommen. Das entspricht der Rechtslage.
30 
Nach § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO spricht das Gericht, soweit die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten begünstigenden Verwaltungsaktes rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde zum Erlass dieses Verwaltungsakts aus, wenn die Sache spruchreif ist. Nach § 86 Abs. 1 VwGO hat das Gericht im Rahmen des Klagebegehrens alle für die Entscheidung maßgebenden tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs in eigener Verantwortung festzustellen. Das Gericht muss danach die Streitsache im Sinne des § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO in vollem Umfang spruchreif machen. Es ist deshalb grundsätzlich nicht zulässig, dass das Verwaltungsgericht bei rechtswidriger Verweigerung des begehrten Verwaltungsakts lediglich die Ablehnung aufhebt und der Behörde mit gewissermaßen zurückverweisender Wirkung die Prüfung und Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen aufgibt. Vielmehr hat es die notwendigen Prüfungen und Feststellungen selbst vorzunehmen und sodann abschließend in der Sache zu entscheiden (stRspr, vgl. BVerwG, Urt. v. 10.2.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Die Pflicht des Gerichts, die Streitsache spruchreif zu machen, gilt auch in Verfahren, in denen das Bundesamt - wie hier - einen Asylantrag zu Unrecht als unzulässig abgewiesen hat.
31 
3. Das Verwaltungsgericht ist jedoch bei seiner Prüfung zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen liegen entgegen seiner Ansicht nicht vor.
32 
a) Nach § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Anders als im Anwendungsbereich des Art. 16a Abs. 1 GG, der grundsätzlich nur Schutz vor staatlicher Verfolgung gewährt, kann eine Verfolgung in diesem Sinne gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ausgehen von (a) dem Staat, (b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder (c) „nichtstaatlichen Akteuren“, sofern die unter den Buchstaben a) und b) genannten „Akteure“ einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten. Für die Feststellung, ob eine solche Verfolgung vorliegt, sind gemäß § 60 Abs. 1 S. 5 AufenthG Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Qualifikationsrichtlinie, ABl. EU 2004 Nr. L 304 S. 12) ergänzend anzuwenden.
33 
Die Gefahr eigener Verfolgung kann sich nicht nur aus gegen den Ausländer selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms - eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die Vermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss. Diese für die staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind auch auf die private Verfolgung durch „nichtstaatliche Akteure“ übertragbar (BVerwG, Urt. v. 21.04.2009 - 10 C 11.08 - NVwZ 2009, 1237).
34 
b) In Anwendung dieser Grundsätze hat das Verwaltungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG mit der Begründung bejaht, dass die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt seien. Es hat dazu näher ausgeführt, die Beklagte gehe bei Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, von einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure aus. Nach dem Gutachten des Europäischen Zentrums für kurdische Studien (EZKS) vom 26.5.2008 liege das Sheikhan-Gebiet im Grenzgebiet zwischen Zentral- und Nordirak. Es gehöre verwaltungstechnisch und rechtlich zur Provinz Niniwe/Mosul und stehe damit de jure unter zentralirakischer Verwaltung. Mithin treffe die von der Beklagten für Yeziden aus dem Zentralirak angenommene Gruppenverfolgung auch für die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden zu.
35 
Das reicht als Begründung schon für sich genommen nicht aus. Das Verwaltungsgericht hat zum einen nicht geprüft, ob die Annahme der Beklagten zutrifft, dass Yeziden, soweit sie aus dem Zentralirak oder dem Süden des Landes stammten, einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt sind, sondern hat diese Annahme ohne weiteres als feststehende Tatsache übernommen. Es hat zum anderen hieraus geschlossen, dass auch die aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt seien, da das Sheikhan-Gebiet de jure unter zentralirakischer Verwaltung stehe, ohne der sich aufdrängenden Frage nachzugehen, ob eine de jure bestehende Verwaltungshoheit auch bedeutet, dass die betreffenden Gebiete de facto unter zentralirakischer Verwaltung stehen. Das ist umso weniger zu verstehen, als in dem auch vom Verwaltungsgericht zitierten Gutachten des EZKS vom 26.5.2008 ausführlich auf diesen Unterschied eingegangen wird.
36 
c) Die Begründung des Verwaltungsgericht trifft davon abgesehen auch in der Sache nicht zu.
37 
aa) Das EZKS unterscheidet in seinen Gutachten vom 26.5.2008 und 17.2.2010 zur Gefährdung der im Irak lebenden Yeziden zwischen verschiedenen Gebieten, nämlich zum einen den de jure (und de facto) von der Kurdischen Regionalverwaltung verwalteten Gebieten, d.h. den - aus Teilen der Provinzen Dohuk, Erbil, Suleymaniya, Kirkuk, Diyala und Niniveh zusammengesetzten - Gebieten, die bereits im Zeitpunkt des Einmarschs der alliierten Truppen in den Irak (19.3.2003) von den damals noch zwei kurdischen Regionalregierungen kontrolliert wurden, sowie den „umstrittenen Gebieten“, d.h. den Gebieten, die sowohl von der Kurdischen Regionalverwaltung als auch der irakischen Zentralregierung beansprucht werden. Was die zuletzt genannten Gebiete betrifft, wird weiter unterschieden zwischen de facto von der Kurdischen Regionalverwaltung verwalteten Gebieten, d.h. Gebieten, in denen bestimmte Verwaltungs- bzw. Schutzaufgaben von der Kurdischen Regionalverwaltung bzw. den kurdischen Parteien KDP und PUK übernommen werden, sowie Gebieten, in denen dies nicht der Fall ist und die somit nicht nur de jure, sondern auch de facto von der irakischen Zentralregierung verwaltet werden.
38 
Eine exakte Benennung der Gebiete, die de facto von der Kurdischen Regionalverwaltung verwaltet werden, ist nach den Ausführungen des EZKS nur mit großen Schwierigkeiten möglich. Nach dem Gutachten vom 17.2.2010 kann jedoch als sicher gelten, dass die Distrikte Sheikhan und al-Sheikhan insgesamt de facto unter kurdischer Kontrolle stehen (Gutachten, S. 12).
39 
bb) Zu der Frage, ob und inwieweit im Sheikhan-Gebiet lebende Yeziden durch andere Bevölkerungsgruppen gefährdet sind, heißt es im Gutachten des EZKS vom 17.2.2010 (S. 23), die Sicherheitslage im Sheikhan sei insbesondere wegen seiner direkten Verbindung zu den de jure kurdisch verwalteten Gebieten grundsätzlich besser als im Sindjar. Auch der Bericht der UNAMI (United Nations Assistance Mission for Iraq) zur Lage in den umstrittenen Gebieten bezeichne die Sicherheitslage im Sheikhan als vergleichsweise stabil. Für die Zeit zwischen Februar 2007 und September 2008 würden in diesem Bericht nur fünf registrierte Sicherheitsvorfälle genannt. Auch in den diversen Menschenrechtsberichten etc. fänden sich keine Hinweise darauf, dass es im Sheikhan Übergriffe sunnitischer Extremisten auf Yeziden oder Christen gegeben habe. Auch zu Auseinandersetzungen zwischen muslimischen und yezidischen Kurden wie am 15.2.2007 in Ain Sifni im Anschluss an einen Konflikt zwischen Eheleuten solle es seither nicht mehr gekommen sein. Übergriffe gegenüber Yeziden, die in Opposition zur Politik der kurdischen Allianz stünden, seien ebenfalls nicht dokumentiert. In dem genannten Gutachten werden lediglich Klagen einzelner Yeziden zitiert, nach denen sie von den Kurden aus Dohuk, Erbil und Suleymaniya wie Bürger zweiter Klasse behandelt würden. Von yezidischer Seite werde ferner kritisiert, dass Yeziden innerhalb der Sicherheitskräfte (Peschmerga, Polizei, Geheimdienst) nicht hinreichend repräsentiert seien. Darüber hinaus hätten sich Mitglieder der antikurdischen Yezidischen Bewegung darüber beklagt, dass sie in Sheikhan kein Parteibüro eröffnen dürften (S. 23 f.).
40 
Von einer der aus dem Sheikhan-Gebiet stammenden Yeziden drohenden Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure kann danach offensichtlich keine Rede sein, da es an der dafür erforderlichen Verfolgungsdichte fehlt (im Ergebnis ebenso OVG Saarland, Urt. v. 29.3.2012 - 3 A 456/11 - Juris; OVG NRW, Beschl. v. 28.3.2011 - 9 A 2563/10.A - Juris).
II.
41 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Das bedarf, was die in § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG geregelten Abschiebungsverbote betrifft, keiner näheren Begründung. In Betracht zu ziehen ist allein das Bestehen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 2 oder § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG.
42 
1. Nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG, mit dem die sich aus Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie ergebenden Verpflichtungen auf Gewährung eines „subsidiären Schutzstatus“ bzw. „subsidiären Schutzes“ in nationales Recht umgesetzt werden, ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u. a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wofür Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe typische Beispiele sind (BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO).
43 
Die Frage, ob die derzeitige Situation im Irak die landesweit oder auch nur regional gültige Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts rechtfertigt, dürfte hiervon ausgehend zu verneinen sein. Die Frage kann jedoch auf sich beruhen, da selbst bei der Annahme eines solchen Konflikts ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG nur besteht, wenn der Ausländer einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben „im Rahmen“ dieses Konflikts ausgesetzt ist. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers nicht gegeben.
44 
Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 - (BVerwGE 134, 188) kann sich die nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG erforderliche Individualisierung der sich aus einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt ergebenden allgemeinen Gefahr nicht nur aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann vielmehr unabhängig davon auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind nach den oben gemachten Ausführungen zu verneinen. Die erforderliche Individualisierung könnte sich daher nur durch einen besonders hohen Grad der dem Kläger in seiner Heimatregion drohenden allgemeinen Gefahren ergeben, vor denen er auch in den übrigen Teilen des Irak keinen Schutz finden kann. Nach den dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen lässt sich jedoch für die Gegend des Sheikhan, aus welcher der Kläger nach seinen Angaben stammt, ein so hoher Gefahrengrad, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in diesem Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre, nicht feststellen.
45 
2. Auch ein (national begründetes) Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG ist im Falle des Klägers nicht erkennbar.
46 
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder seine Bevölkerungsgruppe allgemein treffen, wird - abgesehen von Fällen der richtlinienkonformen Auslegung bei Anwendung von Art. 15 lit. c der Qualifikationsrichtlinie für internationale oder innerstaatliche bewaffnete Konflikte - der Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG gewährt. Beim Fehlen einer solchen Regelung kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke in Betracht, d.h. nur zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage in dem Sinne, dass dem Ausländer sehenden Auges der sichere Tod droht oder er schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO). Eine solche extreme konkrete Gefahrenlage besteht für den Kläger im Hinblick auf das oben Ausgeführte nicht.
47 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
48 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

(1) Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Anfechtungsklage endet mit der Unanfechtbarkeit oder, wenn die Anfechtungsklage im ersten Rechtszug abgewiesen worden ist, drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels. Dies gilt auch, wenn die Vollziehung durch die Behörde ausgesetzt oder die aufschiebende Wirkung durch das Gericht wiederhergestellt oder angeordnet worden ist, es sei denn, die Behörde hat die Vollziehung bis zur Unanfechtbarkeit ausgesetzt.

(2) Das Rechtsmittelgericht kann auf Antrag anordnen, daß die aufschiebende Wirkung fortdauert.

(3) § 80 Abs. 5 bis 8 und die §§ 80a und 80c gelten entsprechend.

(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.

(1) Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Anfechtungsklage endet mit der Unanfechtbarkeit oder, wenn die Anfechtungsklage im ersten Rechtszug abgewiesen worden ist, drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels. Dies gilt auch, wenn die Vollziehung durch die Behörde ausgesetzt oder die aufschiebende Wirkung durch das Gericht wiederhergestellt oder angeordnet worden ist, es sei denn, die Behörde hat die Vollziehung bis zur Unanfechtbarkeit ausgesetzt.

(2) Das Rechtsmittelgericht kann auf Antrag anordnen, daß die aufschiebende Wirkung fortdauert.

(3) § 80 Abs. 5 bis 8 und die §§ 80a und 80c gelten entsprechend.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198

Tenor

I.

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 30. Juli 2014 wird die Klage abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der im Jahr 1991 in Herat geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger und Tadschike. Er reiste seinen Angaben zufolge im Februar 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein.

Bei der Anhörung vor der Regierung von Oberbayern am 26. Februar 2014 führte der Kläger aus, er sei in der Stadt Herat geboren und nunmehr 23 Jahre alt. Neben Dari spreche er noch Farsi. Seine Mutter lebe im Iran; sein Vater sei letztes Jahr verstorben, als er, der Kläger, in der Türkei gewesen sei. Die letzten sechs oder sieben Jahre habe er ebenfalls im Iran, in der Stadt Karaj, gelebt. Vor ungefähr drei Monaten habe er den Iran verlassen.

Am 3. März 2014 stellte er Asylantrag. Beim Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gab der Kläger an, Afghanistan vor ca. sieben Jahren verlassen zu haben. Über Iran, die Türkei, Griechenland, Bulgarien, Serbien und Ungarn sei er nach Deutschland gekommen. Einen Asylantrag habe er nicht gestellt, aber in Ungarn seien ihm Fingerabdrücke abgenommen worden.

Aufgrund Übernahmeersuchens der Bundesrepublik Deutschland vom 8. April 2014 erklärte sich die Republik Bulgarien hiermit am 3. Juni 2014 einverstanden.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 4. Juni 2014 wurde der Antrag als unzulässig abgelehnt (1.) und die Abschiebung nach Bulgarien angeordnet (2.). Zur Begründung ist ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Bulgarien zur Prüfung des Asylantrags zuständig sei aufgrund der Einreise über dieses Land nach Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die zu einem Selbsteintrittsrecht führen könnten, seien nicht ersichtlich. Der Asylantrag werde daher nicht materiell geprüft.

Hiergegen erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht München am 17. Juni 2014 Klage mit der Begründung, er laufe Gefahr, in Bulgarien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Er würde dort nur unzureichend mit Basisleistungen versorgt. Außerdem herrschten extrem schlechte hygienische Bedingungen. Eine Abschiebung nach Bulgarien sei daher nicht durchzuführen und der Bescheid deshalb aufzuheben.

Auf seinen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 9. Juli 2014 (Verfahren M 24 S 14.50336) die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung mit Zielstaat Bulgarien angeordnet. Mit Urteil vom 30. Juli 2014, das im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung erging, hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Bundesamts vom 4. Juni 2014 aufgehoben. Eine Abschiebung in den primär zuständigen Staat, Griechenland, komme aufgrund der dort bestehenden systemischen Mängel nicht in Betracht. Nachdem der somit zuständige Mitgliedstaat, Bulgarien, zugestimmt habe, könne der Kläger zwar nur geltend machen, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen dort bestünden, jedoch sei dies in Bulgarien der Fall. Es seien systemische Schwachstellen vorhanden, welche die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung mit sich brächten. Grundlegend hierfür sei der Bericht des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) vom April 2014. Die dortigen Feststellungen würden durch weitere Berichte belegt. Allein die Tatsache, dass Bulgarien demnach nicht zuständig sei, führe zur Aufhebung des angefochtenen Bescheids, unabhängig davon, ob eine Abschiebungsanordnung in einen weiteren Mitgliedstaat möglich wäre.

Auf Antrag der Beklagten hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 30. Oktober 2014 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Bulgarien systemische Mängel aufweisen.

Zur Begründung ihrer Berufung bezieht sich die Beklagte auf die Ausführungen im Zulassungsantrag und führt ergänzend aus, dass jedenfalls zwischenzeitlich systemische Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen nicht mehr zu erkennen seien, insbesondere seien Unterbringungskapazitäten und entsprechende Versorgung gegeben. Hierzu wird eine Ausarbeitung des „State Agency for Refugees with the Council of Ministers“ des bulgarischen Staats vorgelegt, die belegten, dass systemische Schwachstellen nicht vorhanden seien. Ergänzend trägt die Beklagte vor, ein Klagebegehren, das nicht auf die Zuerkennung des in der Sache erstrebten Status gerichtet sei, sei nicht statthaft. Besonders deutlich werde dies bei einem in einem anderen Mitgliedstaat erfolglos durchgeführten Asylverfahren. Ein dann im Bundesgebiet gestellter Asylantrag sei zugleich ein Zweitantrag im Sinn des § 71a Abs. 1 AsylVfG, gegen den in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Folgeantrag nach § 71 AsylVfG(U.v. 10.2.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 = NVwZ 1998, 861) allein die auf Statuszuerkennung gerichtete Verpflichtungsklage statthaft sei.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils vom 30. Juli 2014 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist begründet (§ 125 Abs. 1, § 128 Abs. 1 VwGO). Nach der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) ist der Bescheid des Bundesamts vom 4. Juni 2014 rechtmäßig und die Klage deshalb unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 30. Juli 2014 abzuweisen.

Die Klage ist zulässig.

Gegen den Bescheid des Bundesamts vom 4. Juni 2014, mit dem der Asylantrag nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung angeordnet wird, ist eine Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt.1 VwGO) die statthafte Klageart (BayVGH, U.v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 - BayVBl 2014, 628; ebenso OVG Hamburg, B.v. 2.2.2015 - 1 Bf 208/14.AZ - juris; VGH BW, U.v. 18.11.2014 - A 3 S 265/14 - n.v. und U.v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293; NdsOVG, B.v. 6.11.2014 - 13 LA 66/14 - AuAS 2014, 273; OVG Saarl, B.v. 12.9.2014 - 2 A 191/14 - juris; OVG NRW, U.v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - AuAS 2014, 118 = DVBl 2014, 790; OVG LSA, U.v. 2.10.2013 - 3 L 643/12 - juris). Die Zuständigkeitsprüfung nach der Dublin II-VO (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist) bzw. der Dublin III-VO ist der Prüfung des Asylantrags vorgelagert und von dem Verfahren zur inhaltlichen Prüfung des Asylverfahrens zu unterscheiden. Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht (U.v. 5.9.2013 - 10 C 1.13 - BVerwGE 147, 329 = NVwZ 2014, 158; U.v. 7.3.1995 - 9 C 264.94 - NVwZ 1996, 80) im vergleichbaren Fall einer Einstellungsverfügung durch das Bundesamt nach §§ 32, 33 AsylVfG die vom Kläger beantragte (bloße) Aufhebung des Einstellungsbescheids für ausreichend erachtet mit der Folge, dass die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt vorbehalten bleibt. Das Bundesverwaltungsgericht weist darauf hin, dass das Verwaltungsgericht zwar die Sache grundsätzlich spruchreif zu machen habe, dies aber nicht ausnahmslos gelte. Es könne nicht generell Aufgabe des Verwaltungsgerichts sein, anstelle des mit besonderer Sachkunde versehenen Bundesamts, das mit der Sache noch gar nicht befasst gewesen sei und demgemäß auch eine Entscheidung über das Asylbegehren noch gar nicht habe treffen können, über den Asylanspruch zu befinden. § 113 Abs. 3 VwGO lasse sich jedenfalls der Rechtsgedanke entnehmen, dass die Verwaltungsgerichte auch bei der Kontrolle eines rechtlich gebundenen Verwaltungsakts nicht in jedem Falle selbst die Spruchreife herbeiführen müssten, sondern bei erheblichen Aufklärungsdefiziten zunächst der Behörde Gelegenheit geben könnten, eine den Streitstoff erschöpfende Sachentscheidung zu treffen. Die besondere - auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde gerichtete - Ausgestaltung des Asylverfahrens durch das Asylverfahrensgesetz stehe im Falle versäumter Sachentscheidung durch das Bundesamt der Annahme entgegen, dass nur eine auf die Asylanerkennung gerichtete Verpflichtungsklage, auf die hin das Verwaltungsgericht die Sache spruchreif zu machen hätte, in Betracht käme. Darüber hinaus ginge dem Asylantragsteller eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien wie persönliche Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) und Amtsermittlungsgrundsatz (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ausgestattet sei. Die Regelungen des Asylverfahrensgesetzes ließen darauf schließen, dass die sachliche Prüfung vorrangig von der Fachbehörde nachzuholen sei und nicht generell eine Pflicht zum „Durchentscheiden“ angenommen werden könne. Diese Ausführungen können auf vorliegende Konstellation übertragen werden.

Die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage wird auch nicht durch die Grundsätze des Bundesverwaltungsgerichts zum Folgeantrag in Frage gestellt (U.v. 10.2.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 = NVwZ 1998, 861), die die Beklagte auf die Konstellation eines Zweitantrags gemäß § 71a AsylVfG übertragen möchte. In diesem Urteil ist ausgeführt, dass der Aspekt, ob das Asylverfahren wieder aufgenommen werden müsse, lediglich den geltend gemachten Anspruch auf Asylanerkennung betreffe. Dass die Anforderungen für die Durchbrechung der Bestandskraft des Erstbescheids erfüllt seien, sei Voraussetzung für den Anspruch auf Asyl, nicht aber gebe es einen selbstständig neben diesem stehenden und eigenständig einklagbaren Wiederaufgreifensanspruch. Damit könne weder lediglich auf „Wiederaufgreifen“ geklagt noch vom Gericht „isoliert“ über die Frage, ob wiederaufzugreifen sei, entschieden werden. Eine derartige Fallkonstellation ist vorliegend aber nicht gegeben, weil hier lediglich als Vorfrage zum Anerkennungsanspruch des Klägers die Zuständigkeit zur Durchführung eines Asylverfahrens nach den Anforderungen der Dublin III-VO im Streit steht. Zudem weist die Beklagte selbst darauf hin, dass die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Folgeantragsregelung nach § 71 AsylVfG ergangen ist, wohingegen vorliegend eine Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 27a AsylVfG Klagegegenstand ist. Das Bundesamt hat nur darüber entschieden und im Übrigen darauf verwiesen, dass eine materielle Prüfung nicht erfolgt ist.

Die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO ist gegeben.

Der Kläger kann geltend machen, durch die vom Bundesamt getroffene Feststellung möglicherweise in seinen Rechten verletzt zu sein. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind die Normen der Dublin-VO eigentlich organisatorische Vorschriften. Gleichwohl kann ein Asylbewerber im Rahmen des nach Art. 27 Dublin III-VO garantierten Rechtsschutzes geltend machen, dass in dem zuständigen Mitgliedstaat systemische Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen bestehen, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr liefe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-Grundrechte-Charta ausgesetzt zu sein (EuGH, U.v. 10.12.2013 - Abdullahi, C-394/12 - NVwZ 2014, 208 Rn. 56 ff. zur Dublin II-VO).

Die somit zulässige Anfechtungsklage ist aber unbegründet.

Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts ist rechtmäßig. Das Bundesamt hat zu Recht festgestellt, dass der Asylantrag des Klägers unzulässig ist (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Eine solche Zuständigkeit ergibt sich aus der Dublin III-VO, auf die sich das Bundesamt im Bescheid gestützt hat. Diese Verordnung ist gemäß Art. 49 Abs. 2 auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten, also ab dem 1. Januar 2014, gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt - ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Letzteres ist vorliegend einschlägig, da das Übernahmeersuchen an Bulgarien am 8. April 2014 gestellt wurde.

Das Verfahren nach der Dublin III-VO dient zuerst dazu, den zur Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat zu bestimmen. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind übereingekommen, dass auf kurze Sicht eine klare und praktikable Form für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats geschaffen werden sollte. Ziel der Dublin III-VO ist die Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist (Erwägungsgründe Nr. 2, 3, 4, 5 und 40). Im Verfahren nach der Dublin III-VO steht deshalb insbesondere die Zuständigkeitsfrage im Raum. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO wird der Antrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft.

Die Reihenfolge der Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats richtet sich nach Kapitel III der Verordnung (vgl. Art. 7 Abs. 1 Dublin III-VO). Nach Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO wird bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat gestellt hat.

Gemessen hieran ist der beim Bundesamt gestellte Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, weil der Kläger aus einem Drittstaat kommend die Grenze eines Mitgliedstaats, Bulgarien, überschritten hat, der damit nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies hat zur Folge, dass Bulgarien nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. a Dublin III-VO verpflichtet ist, den Kläger aufzunehmen. Aufgrund Übernahmeersuchens der Bundesrepublik Deutschland vom 8. April 2014 erklärte sich die Republik Bulgarien hiermit am 3. Juni 2014 einverstanden. Entsprechend der Konzeption der Dublin III-VO hat das Bundesamt zu Recht den Asylantrag nicht inhaltlich geprüft, sondern die Unzulässigkeit festgestellt und die Abschiebung nach Bulgarien angeordnet.

Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit über die prinzipielle Zuständigkeit Bulgariens. Der Kläger befürchtet allerdings, dass ihm im Fall einer Abschiebung in Bulgarien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S.v. Art. 3 EMRK drohen würde. Davon ist jedoch nicht auszugehen.

Wenn ein Mitgliedstaat der Aufnahme des betreffenden Asylbewerbers zugestimmt (bzw. nicht geantwortet hat), so kann der Asylbewerber der Bestimmung dieses Mitgliedstaats nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs zur Dublin II-VO damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S.v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - GR-Charta - ausgesetzt zu werden (EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; EuGH, U.v. 21.12.2011 - N.S., C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417; U.v. 10.12.2013 - Abdullahi, C-394/12 - NVwZ 2014, 208). Art. 3 Abs. 2 der hier maßgeblichen Dublin III-VO regelt nunmehr ausdrücklich, dass der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der im dortigen Kapitel III vorgesehenen Kriterien fortsetzt, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen. Das gemeinsame europäische Asylsystem stützt sich ebenso wie das deutsche Konzept der „normativen Vergewisserung“ hinsichtlich der Sicherheit von Drittstaaten (siehe hierzu EuGH, U.v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 75 ff.; BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49) auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und die Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Es wird vermutet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie mit dem am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichneten Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) und der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) steht.

Vorliegend ist es nach diesen Grundsätzen nicht geboten, eine Überstellung nach Bulgarien zu unterlassen, weil dort nach den grundlegenden Veränderungen im Jahr 2014 derzeit nicht von systemischen Schwachstellen im dargestellten Sinn auszugehen ist. Der Senat ist auf der Grundlage des ihm vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern sowie von Dublin-Rückkehrern zu der Überzeugung gelangt, dass bei dem Kläger eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Fall der Überstellung/Abschiebung nach Bulgarien nicht ernsthaft zu befürchten ist.

Nachdem im Juli/August 2013 bei der Anzahl der Asylanträge in Bulgarien ein großer Anstieg zu verzeichnen gewesen war, nahm die Lage in der zweiten Jahreshälfte 2013 eine äußerst kritische Entwicklung an. Die bulgarische Regierung hatte sich deshalb mit der Bitte um Hilfe an das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office - EASO) gewandt, das durch die Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen geschaffen wurde (siehe zusammenfassende Darstellung von EASO im „Operating Plan to Bulgaria, Stock taking report on the asylum situation in Bulgaria, Zwischenbilanz Mitte Februar 2014, S. 1 - EASO-Feb). In der Folge wurde am 17. Oktober 2013 der „EASO Operating Plan to Bulgaria” für den Zeitraum von November 2013 bis September 2014 beschlossen.

Noch im Januar 2014 ging UNHCR (Bulgaria, As a Country of Asylum, UNHCR Observations on the Moldova Turkey Current Situation of Asylum in Bulgaria vom 2.1.2014 - UNHCR-Jan) davon aus, dass in Bulgarien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen bestünden. Aufgrund fehlender gesetzlicher Regelungen seien Asylbewerber - auch über längere Zeiträume - der Gefahr willkürlicher Verhaftung ausgesetzt; sie hätten keinen Zugang zu einem fairen und effektiven Asylverfahren und das Refoulement-Verbot werde nicht beachtet. Unter diesen Umständen plädierte UNHCR dafür, Abschiebungen nach Bulgarien zunächst auszusetzen und die Situation am 1. April 2014 erneut zu überprüfen. Damit sollte UNHCR zufolge Bulgarien die Gelegenheit zur Verbesserung der Aufnahmebedingungen und zur Verstärkung der Kapazitäten des Staatlichen Flüchtlingsamts (SAR) gegeben werden. Dieser Einschätzung schlossen sich amnesty international (Suspension of Returns of Asylum-Seekers to Bulgaria Must Continue vom 31.3.2014 - ai), European Council on Refugees and Exiles (ECRE reaffirms its call for the suspension of transfers of asylum seekers to Bulgaria under the recast Dublin Regulation vom 7.4.2014 - ecre) und Pro Asyl (Presseerklärung vom 23.5.2014: Schwere Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen in Bulgarien; News vom 23.5.2014: Flüchtlinge in Bulgarien: misshandelt, erniedrigt, im Stich gelassen; News vom 15.4.2014: Flüchtlinge in Bulgarien: Zurückgewiesen, inhaftiert oder katastrophal untergebracht) an.

Zur Halbzeit des erwähnten „Operating Plan“ überprüfte EASO mit einer Expertengruppe im Februar 2014 die Situation in Bulgarien und zog eine Zwischenbilanz (EASO-Feb). Hierin wird ausgeführt, dass im Parlament ein Gesetzesentwurf mit Verbesserungen unter Teilnahme internationaler Organisationen (einschließlich UNHCR und dem Bulgarischen Helsinki Komitee) erörtert worden sei, insbesondere hinsichtlich unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge und besonders verletzlicher Personengruppen, sowie betreffend das Recht auf Information, Rechtsberatung und das Recht, im Land bleiben zu dürfen. Im Gegensatz zum Herbst 2013 sei die ordnungsgemäße Registrierung Asylsuchender einschließlich der notwenigen Information über den Zugang zum Asylverfahren gewährleistet; ein Rückstau bestehe nicht mehr. Die Durchführung der Asylverfahren sei - mit Ausnahme der Einrichtung Harmanli - verbessert worden, auch wenn noch viele Punkte offen seien. Eine sehr hohe Anerkennungsrate sei beobachtet worden, allerdings könne diese Personengruppe mangels Integrationsprogrammen die Zentren nicht verlassen. Syrische Asylbewerber würden bevorzugt behandelt, so dass die Verfahrensdauer im Übrigen länger sei. Eine gerichtliche Überprüfung sei gesetzlich vorgesehen; gegen eine negative Entscheidung könnten die Verwaltungsgerichte angerufen werden. Bei den Aufnahmebedingungen sei in einer kurzen Zeitspanne ein großer Fortschritt erzielt worden. Im Wesentlichen seien die Zentren in einem vernünftigen Zustand. Ein Hauptfortschritt sei, dass seit 1. Februar 2014 mindestens eine warme Mahlzeit in allen Aufnahmeeinrichtungen vorgesehen sei. Allerdings sei die Qualität der Aufnahmebedingungen noch uneinheitlich, insbesondere genügten sie bei unbegleiteten Minderjährigen und besonders verletzlichen Personengruppen noch nicht den Anforderungen. Zusammenfassend kommt EASO zum Ergebnis, dass in einer kurzen Zeitspanne viele Fortschritte stattgefunden hätten. Es habe sich gezeigt, dass Bulgarien konkrete Schritte zur Verbesserung des Asylsystems und der Aufnahmebedingungen unternommen habe.

Asylum Information Database (National Country Report Bulgaria vom 18.4.2014, S. 9 - aida) berichtete mit dem Stand vom 18. April 2014, dass die Praxis der Bestrafung für eine illegale Einreise mit der Folge einer Inhaftierung beendet worden sei. Die Registrierung sei stark verbessert worden, lediglich in Ausnahmefällen träten Verzögerungen auf. Nach einer Gesetzesänderung seien gegen ablehnende Entscheidungen Rechtsmittel zu den regionalen Gerichten möglich. Die sieben Aufnahmezentren wiesen zum Stand 27. März 2014 eine Kapazität von 4.150 Plätzen mit einer Belegungsquote von 82% auf, wobei insgesamt 6.000 Plätze erreicht werden sollten. Gegenüber Dezember 2013 hätten sich die Bedingungen in den Zentren erheblich verbessert, insbesondere in Harmanli. Seit Februar 2014 sei durch die Regierung die Essensversorgung mit zwei warmen Mahlzeiten am Tag in allen Zentren sichergestellt. Asylsuchende hätten Zugang zu medizinischer Versorgung und zu sanitären Einrichtungen; im Asylverfahren würden Dolmetscher zur Verfügung gestellt und es werde eine monatliche finanzielle Grundversorgung geleistet, auch wenn es hierbei noch zu logistischen Verzögerungen komme. Banya sei als Zentrum für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ausgebildet worden. Noch auftretende Schwierigkeiten sollten durch ein geplantes Gesetz behoben werden. Ein Integrationsprogramm für anerkannte Flüchtlinge bestehe noch nicht. Nach den gesetzlichen Vorgaben müssten Asylbewerber, die an der Grenze einen Antrag stellen, binnen 24 Stunden in eine Aufnahmeeinrichtung gebracht werden. Tatsächlich würden sie aber erst in das neu errichtete Haftzentrum Elhovo gebracht und nach drei bis sieben Tagen in eine SAR-Einrichtung. Insgesamt seien die im Oktober 2013 initiierten Gesetzesänderungen betreffend die Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen noch nicht vollständig umgesetzt.

Im April 2014 nahm UNHCR eine erneute Einschätzung vor (Bulgarien als Asylland, UNHCR Anmerkungen zur aktuellen Asylsituation in Bulgarien vom April 2014 - UNHCR-April). Danach waren zwischen dem 1. Januar und dem 31. März 2014 erhebliche Verbesserungen in Bulgarien bei der Registrierung, Bearbeitung von Anträgen auf internationalen Schutz und den allgemeinen Aufnahmebedingungen für Asylsuchende in den Aufnahmezentren festzustellen. Ausschlaggebend sei, dass die Regierung ein umfassendes Integrationsprogramm für Personen, die internationalen Schutz genießen, entwickle und es umsetze. Schwächen bestünden noch im Hinblick auf den Zugang nach Bulgarien an den Grenzen, in zwei von sieben Zentren seien die Aufnahmebedingungen ungeeignet, auf Personen mit besonderen Bedürfnissen könne nicht entsprechend reagiert werden und die Asylverfahren müssten nach wie vor qualitativ verbessert werden, einschließlich der Bereitstellung von Informationen in einer Sprache, die die Asylsuchenden verstünden. Dringend notwendig sei es, den Personen mit Schutzstatus Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung und Integrationsmaßnahmen zu gewähren. Die Mängel seien aber nicht mehr derart, dass eine allgemeine Aussetzung der Dublin-Überstellungen nach Bulgarien gerechtfertigt wäre. Allerdings könnten Gründe vorliegen, Überstellungen für bestimmte Gruppen oder Einzelpersonen auszuschließen. Empfohlen wurde, eine Einzelfallbewertung durchzuführen, insbesondere im Hinblick auf Asylsuchende mit besonderen Bedürfnissen oder Vulnerabilitäten.

Auch die Bundesregierung (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan van Aken, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 18/1446 vom 20.5.2014 - BReg) ging im Mai 2014 unter Bezugnahme auf den UNHCR davon aus, dass bereits deutliche Verbesserungen im Asylverfahren und in den Aufnahmebedingungen eingetreten seien. Bulgarien unternehme u. a. mit Hilfe von EASO und in Kooperation mit dem UNHCR große Anstrengungen, insbesondere seien Maßnahmen zur Verbesserung des Aufnahmesystems, der Herkunftsländerinformationen, der Ausbildung neuer Kräfte, der Versorgung schutzbedürftiger Personen und der Registrierung von Schutzsuchenden getroffen worden. Es bestünden sieben Aufnahmeeinrichtungen mit einer Aufnahmekapazität von ca. 4.150 Plätzen bei einer Belegungsrate von 82%. Zusätzliche Mitarbeiter, auch Sozialarbeiter, seien eingestellt, Unterkünfte renoviert und Sanitärbereiche erneuert worden. Täglich würden zwei warme Mahlzeiten bereitgestellt, in vier Zentren gebe es Gemeinschaftsküchen. Eine monatliche Grundsicherung werde ausbezahlt. Jeder Antragsteller werde krankenversichert und erhalte eine kostenlose medizinische Behandlung im gleichen Umfang wie ein bulgarischer Staatsbürger. Bei unbegleiteten Minderjährigen und besonders Schutzbedürftigen leiste EASO seit Februar 2014 Unterstützung. Illegal eingereiste Personen würden bei der ersten Befragung polizeilich registriert; dabei könnten sie ihr Asylbegehren vorbringen. Jeder Asylantragsteller könne sich sowohl innerhalb als auch außerhalb der Aufnahmeeinrichtungen zu jeder Zeit frei bewegen. Bei Rückkehrern mit noch nicht abgeschlossenem Verfahren werde der jeweilige Antrag weitergeprüft. Sei das Verfahren unterbrochen worden und spreche der Antragsteller nicht innerhalb von drei Monaten bei der staatlichen Flüchtlingsagentur vor, werde das Verfahren in seiner Abwesenheit beendet. Falls noch keine Anhörung stattgefunden habe, werde diese nachgeholt, da nach bulgarischem Recht grundsätzlich keine Entscheidung ohne Anhörung erfolgen könne. Sei der Antrag bereits rechtskräftig abgelehnt worden, bestehe bei Rückkehr die Möglichkeit, einen Folgeantrag zu stellen, ohne dass eine Abschiebehaft erfolge. Über den Asylantrag werde in drei Phasen - Zuständigkeit Bulgariens, Prüfung der offensichtlichen Unzulässigkeit oder Unbegründetheit und allgemeines Verfahren - innerhalb von drei Monaten entschieden, die jeweils einer gerichtlichen Kontrolle unterlägen. Bei laufenden Asylverfahren finde keine Inhaftierung statt. Das bulgarische Recht sehe Haft nur zur Abschiebung und grundsätzlich nicht für Asylbewerber vor.

Im Anschluss an den „Operating Plan” vom 17. Oktober 2013 wurde am 5. Dezember 2014 zwischen EASO und Bulgarien der „Special Support Plan“ (EASO-Dez) unterzeichnet. EASO stellte darin fest, dass die Kapazitäten zur Aufnahme und Registrierung von Asylbewerbern signifikant angestiegen und entsprechende Reaktionsmöglichkeiten vorhanden seien. Trotz dieses bedeutenden Fortschritts sei Bulgarien aber wegen seiner EU-Außengrenzen weiterhin einem starken Druck ausgesetzt. Die Evaluation des „Operating Plan“ habe deshalb dazu geführt, dass ergänzende bzw. Folgeaktionen vorgeschlagen würden, vor allem für besonders schutzbedürftige Personen. Angesichts der Gesamtumstände bestehe noch - zunächst bis Juni 2016 - die Notwendigkeit zu weiterer, spezieller Unterstützung, deren Ausgestaltung im Einzelnen dargelegt wird. In Erwartung eines im Jahr 2015 weiter ansteigenden Migrationsdrucks sollen der laufende Aktionsplan fortgesetzt und ergänzende Aktionsmöglichkeiten geschaffen werden. Bereits während der letzten zwölf Monate habe das bulgarische Asylsystem wichtige Entwicklungen vollzogen, insbesondere bei der personellen und technischen Ausstattung sowie bei den Aufnahmeeinrichtungen, die derzeit eine Kapazität von 6000 Plätzen aufwiesen. Die dortigen Lebensbedingungen seien deutlich verbessert worden. Die Verpflegung sei mit entsprechenden neuen Küchen und Personal sichergestellt; medizinische Versorgung sei gewährleistet. Im Oktober 2015 solle auch beim „Special Support Plan“ eine Halbzeitbilanz erstellt werden.

Diese dargestellten Entwicklungen im Laufe des Jahres 2014 zeigen, dass derzeit bei der Durchführung des Asylverfahrens und bei den Aufnahmebedingungen systemische Schwachstellen nicht mehr zu erkennen sind.

Soweit es die Asylverfahren betrifft, sind die Kapazitäten signifikant gestiegen (EASO-Dez; aida) durch eine technische und personelle Aufrüstung (EASO-Feb; UNHCR-April; BReg) sowie eine gezielte Ausbildung neuer Kräfte. Damit ist zwischenzeitlich sowohl eine ordnungsgemäße Registrierung einschließlich der notwenigen Information der Asylbewerber über den Zugang zum Verfahren gewährleistet (EASO-Feb; UNHCR-Apr) als auch eine regelgerechte Durchführung der Asylverfahren. Die eingereisten Flüchtlinge können bei der Registrierung mit der ersten Befragung ihr Asylbegehren vorbringen; sie haben Zugang zu Dolmetschern (aida; BReg). Haft ist für Asylbewerber während des laufenden Asylverfahrens gesetzlich nicht mehr vorgesehen (BReg). Auch bei Rückkehrern ist eine Weiterprüfung ihres Verfahrens bzw. ein Folgeverfahren bei rechtskräftiger Ablehnung sichergestellt, ohne dass eine Abschiebehaft erfolgt. Der Zugang zu regionalen Gerichten ist eröffnet (aida).

Hinsichtlich der Aufnahmebedingungen hat EASO bereits im Februar 2014 die Zentren im Wesentlichen in einem vernünftigen Zustand vorgefunden. Die Unterkünfte wurden renoviert und die Sanitärbereiche erneuert (BReg). Nachdem UNHCR im April 2014 noch berichtet hatte, dass in zwei von sieben Zentren ungeeignete Rahmenbedingungen vorhanden seien, und aida im April 2014 sowie die Bundesregierung im Mai 2014 von einer Aufnahmekapazität von ca. 4.150 Plätzen bei einer Belegungsrate von 82% ausgegangen waren (BReg), stellte EASO im Dezember 2014 fest, dass die Kapazitäten signifikant auf nunmehr 6000 Plätze angestiegen und die dortigen Lebensbedingungen deutlich verbessert worden seien. Die Verpflegung sei mit entsprechenden neuen Küchen und Personal mit täglich zwei warmen Mahlzeiten sichergestellt; in vier Zentren gebe es Gemeinschaftsküchen. Zusätzliche Mitarbeiter, auch Sozialarbeiter, seien eingearbeitet worden (BReg). Zum Lebensunterhalt werde eine monatliche Grundsicherung ausbezahlt (aida; BReg). Da jeder Asylantragsteller krankenversichert wird und eine kostenlose medizinische Behandlung im gleichen Umfang wie ein bulgarischer Staatsbürger erhält, ist die medizinische Versorgung ebenfalls gewährleistet (aida; BReg; EASO-Dez).

Soweit demgegenüber von ai und ecre noch ein Überstellungsstopp gefordert wurde, beruht dies auf dem diesen Berichten zugrundeliegenden Stand der Entwicklung im Frühjahr 2014. Die oben erwähnten Anstrengungen des bulgarischen Staats zur Verbesserung der Situation werden auch von ai und ecre dargestellt; allerdings waren zu diesem Zeitpunkt die gesetzlichen Vorgaben in der Praxis erst zum Teil umgesetzt und in den Aufnahmezentren noch Baumaßnahmen im Gange. Das Gleiche gilt für die Ausarbeitung von Human Rights Watch (Containment Plan - Bulgaria’s Pushbacks and Detention of Syrian and Other Asylum Seekers and Migrants, April 2014 - HRW). Zudem befasst sich diese im Wesentlichen mit der Zuspitzung der Lage in der zweiten Jahreshälfte 2013. Schließlich trifft das auch auf die Berichte von Pro Asyl zu. Auch wenn deren Veröffentlichungen vom April, Mai und August 2014 datieren, nehmen sie auf die Lage im November 2013 Bezug und sind damit überholt.

Neueren Datums ist zwar die Darstellung von bordermonitoring (Trapped in Europe’s Quagmire: The Situation of Asylum Seekers and Refugees in Bulgaria vom 7.7.2014 - deutsche Übersetzung vom 22.12.2014: Gefangen in Europas Morast, Die Situation von Asylsuchenden und Flüchtlingen in Bulgarien). Sie befasst sich aber überwiegend mit den Problemen, denen sich Inhaber eines Aufenthaltstitels ausgesetzt sehen. Zudem basiert die Untersuchung ihrem Vorwort zufolge auf Interviews mit Asylsuchenden und Statusinhabern einerseits und mit Beamten, NGO-Vertretern, Anwälten und Freiwilligen andererseits. Zugleich werden Teile des öffentlichen Diskurses über Asylsuchende und Flüchtlinge analysiert. Der Bericht ist damit schon nach seiner eigenen Intention nicht auf eine systematische Gesamtanalyse ausgerichtet, sondern greift lediglich Einzelschicksale heraus und weist in diesem Zusammenhang auf vielfältige Unzulänglichkeiten der Situation in Bulgarien hin. Hieraus lässt sich nach Auffassung des Senats aber nicht der Schluss ziehen, dass systemische Schwachstellen vorlägen, welche mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefährdung von Dublin-Rückkehrern zur Folge hätten.

Ausgehend von diesen Erkenntnissen schließt die Einschätzung des Senats mit ein, dass nach wie vor in bestimmten Bereichen Schwächen vorhanden und noch nicht alle gesetzlich vorgesehenen Änderungen vollständig umgesetzt sind.

Das gilt für das Problem der zum Teil noch vorkommenden - kurzfristigen - Inhaftierungen und für die Aufnahmebedingungen für besonders verletzliche Personengruppen, die den übereinstimmenden Aussagen der Erkenntnismittel zufolge nach wie vor nicht zufriedenstellend sind (EASO-Feb; UNHCR-April; BReg). EASO legt deshalb hierauf in den ergänzenden Unterstützungsmaßnahmen, die noch bis zum Jahr 2016 vorgesehen sind, ein besonderes Augenmerk. Schwächen bestehen weiterhin nach übereinstimmenden Aussagen im Hinblick auf den Zugang nach Bulgarien an den Grenzen (UNHCR-April). Die Tatsache, dass Bulgarien wegen seiner EU-Außengrenzen weiterhin einem starken Druck ausgesetzt ist, hat EASO im „Special Support Plan“ vom 5. Dezember 2014 berücksichtigt. In Erwartung eines im Jahr 2015 weiter ansteigenden Migrationsdrucks wurde der „Operating Plan“ fortgesetzt. Es ist ausdrücklich festgehalten, dass angesichts der Gesamtumstände noch - zunächst bis Juni 2016 - die Notwendigkeit zu weiterer, spezieller Unterstützung besteht. Unbefriedigend ist möglicherweise auch die Situation von Personen, denen ein Schutzstatus zuerkannt wurde. Für diese Personen endet der Anspruch auf Gewährleistung der Grundbedürfnisse, auch wenn ihnen wohl noch für eine gewisse Zeit Aufenthalt in einem Zentrum gewährt wird. Hierbei handelt es sich aber nicht um Probleme während des Asylverfahrens, sondern - da insoweit den Quellen zufolge kein Unterschied zu bulgarischen Staatsbürgern besteht - um die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Bulgarien und eine allgemeine soziale Problematik. Ein hinreichendes Indiz für systemische Schwachstellen im Asylverfahren wird dadurch nicht begründet.

Punktuelle Defizite vermögen nicht die Mangelhaftigkeit des Gesamtsystems zu begründen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U.v. 21.12.2011 - N.S., C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417) wäre es nämlich nicht mit den Zielen und dem System der Dublin II- bzw. III-VO vereinbar, wenn geringste Verstöße genügen würden, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Vielmehr würde damit den in Kapitel III der Dublin II- bzw. III-VO genannten Kriterien ein zusätzliches Ausschlusskriterium hinzugefügt, wenn jeder Verstoß zur Folge hätte, dass eine Überstellung unterbleiben müsste. Dies würde die betreffenden Verpflichtungen in ihrem Kern aushöhlen und die Verwirklichung des Ziels gefährden, rasch den Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen in der Union gestellten Asylantrag zuständig ist. Da der Kläger vorliegend nicht zu einem schützenswerten Personenkreis gehört, bedarf es auch keiner gesonderten Überprüfung, ob ausnahmsweise von einer Überstellung abgesehen werden müsste.

Soweit sich der Kläger auf die Zustände im Lager Harmanli berufen hat, decken sich seine Aussagen mit der Darstellung in den Erkenntnismitteln. Wie dort beschrieben, hat auch der Kläger vorgetragen, dass die Einrichtung überbelegt, die hygienischen Bedingungen unakzeptabel gewesen seien und er nicht die nötigen Basisleistungen erhalten habe. Harmanli wurde aida (S. 41; siehe auch ai S. 6, 7; EASO-Feb S. 9) zufolge als eine von vier neuen Einrichtungen im September/Oktober 2013 eröffnet, jedoch war sie völlig überfüllt und weder die Infrastruktur noch die materiellen Bedingungen entsprachen zu diesem Zeitpunkt den Minimalanforderungen an angemessene Lebensbedingungen, insbesondere in Bezug auf Existenzsicherung sowie physische und mentale Gesundheit. In Harmanli, einer ehemaligen Militärkaserne, seien die Asylsuchenden unter extrem einfachen Lebensbedingungen und hygienischen Verhältnissen in Zelten und Containern ohne Strom und Kanalanschluss in einer geschlossenen Einrichtung untergebracht worden (siehe auch UNHCR-Jan S. 9). Die Missstände seien so gravierend gewesen, dass die Gefahr von Epidemien bestanden habe. Das berichtete auch UNHCR im Januar 2014, der das Lager als die schlechteste aller Einrichtungen bezeichnete (S. 9 f.).

Allerdings haben dort gravierende Veränderungen stattgefunden, insbesondere auch bauliche Maßnahmen. So haben aida und ai (S. 10 bzw. 6) im März 2014 festgestellt, dass sich die Situation dort gegenüber Dezember 2013 wesentlich verbessert habe, wenngleich noch Bauarbeiten im Gange seien (S. 42; auch EASO-Feb S. 10). Das Zentrum werde auch nicht mehr als geschlossene Einrichtung betrieben. Weitergehende Verbesserungen werden von EASO im Dezember 2014 bestätigt (S. 7). Bei einer Rückkehr zum jetzigen Zeitpunkt ist deshalb eine unmenschliche Behandlung nicht mehr zu erwarten. Ebenso sind die zum damaligen Zeitpunkt noch vorhandenen Schwachstellen im Asylverfahren mittlerweile behoben. In der Gesamtschau ist damit derzeit in Bulgarien nicht von systemischen Schwachstellen im dargestellten Sinn auszugehen.

Die hier vertretene Einschätzung der Situation von Asylbewerbern in Bulgarien entspricht auch der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (U.v. 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - InfAuslR 2015, 77) und des österreichischen Bundesverwaltungsgerichts (BVwG, U.v. 3.10.2014 - W212 2009059-1 - RIS).

Die Befugnis zur Anordnung der Abschiebung ergibt sich aus § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der 1985 geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Pakistan und gehört zu den Punjabi. Er verließ nach seinen Angaben Pakistan am 25.02.2012 und kam am 26.03.2012 nach Italien, wo er erkennungsdienstlich behandelt wurde. Am 03.06.2012 reiste er nach seinen Angaben auf dem Landweg über die Schweiz oder Frankreich nach Deutschland.
Am 18.06.2012 stellte er einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellte daraufhin am 18.10.2012 ein auf Art. 16 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien. Am 30.11.2012 erfolgte die Zustimmung Italiens zur Rücküberstellung des Klägers.
Mit Bescheid vom 03.12.2012 erklärte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag für unzulässig und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Ein Zustellungsnachweis befindet sich nicht bei den Akten; jedenfalls wurde der Bescheid mit einem Begleitschreiben vom 15.01.2013 zur Post gegeben. Die für den 31.01.2013 vorgesehene Überstellung nach Italien konnte nicht durchgeführt werden, da der Kläger nicht angetroffen wurde.
Am 28.01.2013 erhob der Kläger Klage und machte geltend, eine Abschiebung nach Italien sei nicht zulässig. Er habe in Italien gar keinen Asylantrag gestellt. Auch bestehe die Gefahr der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung in Italien. Die Beklagte hätte von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen.
Mit Beschluss vom 14.03.2013 (A 12 K 332/13) ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 03.12.2012 enthaltene Abschiebungsanordnung an und gab der Beklagten auf, dem Regierungspräsidium Karlsruhe die Anordnung der aufschiebenden Wirkung mitzuteilen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vom 17.06.2013 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 03.12.2012 auf und verpflichtete die Bundesrepublik Deutschland auf den ausdrücklichen Antrag des Klägers, sein Asylverfahren fortzuführen. Zur Begründung führte es aus: Zwar sei Italien der zuständige Mitgliedstaat. Allerdings leide das Asylsystem Italiens unter sog. systemischen Mängeln im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, sodass die Bundesrepublik von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müsse.
Auf den rechtzeitig gestellten Antrag der Beklagten ließ der Senat durch Beschluss vom 14.08.2013 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.
Am 05.09.2013 hat der Beklagte unter Stellung eines Antrags die Berufung begründet: Zunächst sei davon auszugehen, dass das Zuständigkeitsregime der Dublin-Verordnung keine subjektiven Rechte der Asylbewerber begründe. Im Übrigen gelte nach der Rechtsprechung des EuGH eine generelle Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention erfolge. Dass in Bezug auf Italien ernsthaft und erwiesenermaßen zu befürchten sei, dass systemische Mängel zwangsläufig mit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung der überstellten Asylbewerber einhergingen, könne nicht eingewandt werden. Nach den vorliegenden Quellen, insbesondere von UNHCR, seien derartige Befürchtungen nicht gerechtfertigt.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.06.2013 - A 12 K 331/13 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten verweist der Senat auf die gewechselten Schriftsätze. Dem Senat liegen die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

Gründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungserfahrens zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger, der nach eigenen Angaben am 1. Januar 1989 im Dorf Baba, Bezirk Jaghuri, Provinz Ghazni, geboren wurde, ist afghanischer Staatsangehöriger und hazarischer Volkszugehöriger. Er reiste am 25. April 2011 ins Bundesgebiet ein. Am 12. Mai 2011 stellte er Asylantrag. Bei der Vorprüfung stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF - Bundesamt) anhand von Eurodac-Daten (Nr. IT1BZ017F6) fest, dass der Kläger am 7. November 2008 bereits in Bozen (Italien) einen Asylantrag gestellt hatte.

Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 14. Juni 2011 gab der Kläger Folgendes an: Er sei Ende 2007 aus Afghanistan ausgereist und dann über Iran, Türkei und Griechenland nach Italien gelangt. Dort sei er Ende 2008 angekommen. Anfang 2011 sei er nach Griechenland abgeschoben worden. Im April 2011 sei er dann von Athen aus nach München geflogen. Während seines Aufenthalts in Griechenland habe er keinen Asylantrag gestellt. In Italien habe er zwar Asylantrag gestellt, es sei aber nicht zu einer Anhörung gekommen. Die italienischen Behörden hätten festgestellt, dass er bereits in Griechenland seine Fingerabdrücke abgegeben habe, weswegen er dann von Italien aus nach Griechenland abgeschoben worden sei. Er sei aus Angst vor Bedrohung aus Afghanistan geflüchtet. Ein Soldat der afghanischen Streitkräfte habe seine Schwester vergewaltigt. Diese habe später aufgrund der dadurch erlittenen Schande Selbstmord begangen. Danach sei er selbst in den Verdacht geraten, seine Schwester wegen der Familienehre umgebracht zu haben. Er sei dann von dem betreffenden Soldaten geschlagen und verletzt worden. Aus Angst vor weiteren Misshandlungen sei er zunächst nach Kandahar ausgewichen. Dort habe er erfahren, dass ein Bruder von ihm den Vergewaltiger getötet habe. Da dieser ein Soldat gewesen sei, habe er Angst davor bekommen, staatlich verfolgt zu werden. Außerdem habe er auch Angst vor dessen Angehörigen gehabt.

Das Bundesamt erließ am 26. Juli 2011 folgenden Bescheid:

1. Der Asylantrag ist unzulässig.

2. Die Abschiebung nach Italien wird angeordnet.

Zur Begründung ist ausgeführt, dass Italien gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. c Dublin-II-Verordnung zuständig sei. Es sei am 29. April 2011 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin-II-VO an Italien gerichtet worden; dieses sei von den italienischen Behörden aber nicht fristgerecht beantwortet worden. Infolge dessen sei Italien am 14. Mai 2011 durch Zustimmungsfiktion zuständig geworden. Deshalb sei der Asylantrag nach § 27a AsylVfG unzulässig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, welche die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung auszuüben, seien nicht ersichtlich. Dieser Bescheid wurde der Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 12. August 2011 übersandt.

Das Landratsamt F.-G. als Ausländerbehörde terminierte die zwangsweise Überstellung des Klägers nach Rom (Italien) auf den 8. September 2011.

Auf Antrag des Klägers erließ das Verwaltungsgericht Regensburg (RN 9 E 11.30436) am 7. September 2011 nach § 123 VwGO folgenden Beschluss:

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Klägers nach Italien vorläufig auszusetzen und die zuständige Ausländerbehörde entsprechend zu unterrichten.

Durch Gerichtsbescheid vom 26. Februar 2013 wies das Verwaltungsgericht Regensburg die auf die Aufhebung des Bundesamtsbescheids und die Durchführung des Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland gerichtete Klage ab (RN 9 K 11.30445). In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, dass das hier als reine Anfechtungsklage auszulegende Rechtsschutzbegehren zwar zulässig, aber unbegründet sei. Nach Art. 10 VO (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-VO) sei zwar eigentlich Griechenland für die Prüfung des Asylantrags zuständig, aber eine Überstellung dorthin scheide angesichts der nach wie vor unzumutbaren Aufnahmebedingungen für Asylbewerber aus. Somit sei nach Art. 13 Dublin-II-VO Italien als erster Mitgliedstaat zuständig, in dem der (bisher nicht geprüfte) Asylantrag gestellt worden sei. Nach Art. 20 Dublin-II-VO sei Italien zur Wiederaufnahme verpflichtet. Es bestehe auch kein Anspruch darauf, dass die Bundesrepublik von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch mache. Nach der heutigen Auskunftslage sei nicht zu befürchten, dass dem Kläger im Fall seiner Rücküberstellung nach Italien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder die Verelendung drohen würde. Außerdem sei es unwahrscheinlich, dass die italienischen Behörden erneut eine Weiterverschiebung des Klägers nach Griechenland betreiben würden. Zuständig für den Kläger sei die Quästur in Bozen gewesen. Gerade in Norditalien seien aber die Aufnahmekapazitäten für Asylbewerber nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts nicht ausgeschöpft.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers durch Beschluss vom 30. September 2013, dem Kläger zugestellt am 8. Oktober 2013, gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (13a ZB 13.30079).

In der am 8. November 2013 eingereichten Berufungsbegründung macht der Kläger folgendes geltend: Italien sei für die Durchführung des Asylverfahrens nicht zuständig. Der Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin-II-VO sei hier nicht einschlägig, da Griechenland als zuständiger Mitgliedstaat feststehe, wenngleich eine Rückführung dorthin unzumutbar und derzeit undurchführbar sei. Außerdem sei das Übernahmeersuchen des Bundesamts vom 29. April 2011 nicht ordnungsgemäß ergangen. Nach Art. 18 und Art. 20 Dublin-II-VO sowie nach Art. 21 und Art. 23 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) hätten neben den dort genannten Beweismitteln auch die Erklärungen des Klägers dem Ersuchen beigefügt werden müssen. Das vom Bundesamt verwendete kurze Standardformular sei für den vorliegenden Fall unzulänglich gewesen. Außerdem habe das Bundesamt die in Art. 21 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-VO normierten kurzen Fristen für ein Aufnahmeersuchen überschritten. Das hier bewusst fehlerhaft gestellte Ersuchen sei eine Täuschungshandlung und folglich unwirksam. Aus Art. 27 Abs. 1 Dublin-III-VO und Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergebe sich ein subjektives Recht auf sachgerechte Zuständigkeitsprüfung. Im Übrigen müsse die Beklagte im vorliegenden Fall aufgrund der systemischen Mängel im italienischen Asylsystem von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch machen. Es bestünden erhebliche Zweifel daran, dass in Italien ein effektiver Zugang zum Asylverfahren gewährleistet sei. Darüber hinaus seien in Italien die materiellen Grundbedürfnisse und Versorgungsleistungen von Asylsuchenden nicht sichergestellt. Das Asylsystem Italiens sei völlig überlastet. Nach den Erkenntnissen von UNHCR liege die Kapazitätsgrenze für die Unterbringung von Asylsuchenden im Durchschnitt bei ca. 5.000 Personen. Es sei davon auszugehen, dass die Unterkunft, Ernährung und medizinische Versorgung von Asylsuchenden in Italien nur sichergestellt sei, wenn ein formaler Antrag gestellt worden sei, solange der Zeitraum von sechs Monaten Verfahrensdauer nicht überschritten werde und die aktuellen Zahlen der Asylbewerber die Kapazitäten der Einrichtungen nicht überstiegen. Derzeit sei allerdings davon auszugehen, dass die Mehrzahl der Verfahren nicht innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen werden könne. Außerdem gebe es Berichte darüber, dass von den im Dublin-System rückgeführten Personen nur etwa 12% im staatlichen Aufnahmesystem unterkämen, die Übrigen aber obdachlos seien. Die vielfach vorzufindenden Lebensbedingungen der Asylsuchenden und Flüchtlinge in besetzten Häusern, Slums und auf der Straße seien unwürdig. Die Wartezeit, um überhaupt einen Platz in einem kommunalen Unterbringungszentrum zu erhalten, betrage etwa drei bis sechs Monate. Während dieser Zeit seien die Betroffenen faktisch obdachlos. Aufgrund dieser Umstände wäre bei einer Abschiebung eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung i. S. v. Art. 4 der Charta zu befürchten.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 2011 unter Abänderung des Gerichtsbescheids des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 26. Februar 2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Gemäß der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U. v. 14.11.2013 - Rs. C-4/11) verleihe die Dublin-II-VO dem Asylbewerber keinen Anspruch darauf, dass er von einem Mitgliedstaat die Prüfung seines Antrags verlangen kann, wenn dieser Staat ihn aufgrund der Gefahr einer Verletzung seiner Grundrechte nicht an den ursprünglich als zuständig bestimmten Mitgliedstaat überstellen könne. Die Situation der Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers führe nicht zur Verpflichtung des Selbsteintritts auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO. Falls der eigentlich zuständige Mitgliedstaat wegen systemischer Mängel ausscheide, stehe zunächst lediglich fest, dass die Beklagte dorthin nicht überstellen dürfe. Daher sei die Prüfung auf der Basis der Dublin-Kriterien in der vorgesehenen Reihenfolge fortzusetzen, d. h. auch Art. 13 Dublin-II-VO als Auffangtatbestand heranzuziehen. Das italienische Asylverfahren weise entgegen der Auffassung des Klägers keine systemischen Mängel auf. Im Übrigen sei nochmals klarzustellen, dass bei dem Kläger ein Kategorie 1-Treffer für Italien vorliege (Asylantrag am 7.11.2008) und die italienischen Behörden hinsichtlich des Klägers somit vom Bundesamt nicht getäuscht worden seien. Das Bundesamt sei nicht verpflichtet, den italienischen Behörden mitzuteilen, was in deren eigenen Akten stehe, wie z. B. hier die bereits erfolgte frühere Überstellung des Klägers nach Griechenland.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen verwiesen.

Gründe

Die Berufung hat keinen Erfolg (§ 125 Abs. 1, § 128 Abs. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Rechtslage (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) zu Recht abgewiesen.

Die Klage ist zulässig.

Die ausdrücklich erhobene Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt.1 VwGO) gegen den Bescheid des Bundesamts vom 26. Juli 2011 ist statthaft.

Die Feststellung des Bundesamts, dass der Asylantrag unzulässig ist, und die Anordnung der Abschiebung sind Verwaltungsakte i. S. v. § 35 Satz 1 VwVfG (zum Begriff der regelnden Feststellung vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 35 Rn. 51). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei Asylrechtsklagen in aller Regel davon auszugehen, dass der jeweilige Kläger das für ihn typischerweise weitestgehende Rechtsschutzziel mit den für ihn jeweils günstigsten Rechtsschutzformen anstrebt. Dies bedeutet, dass eine sog. isolierte Anfechtungsklage regelmäßig so auszulegen ist (§ 88 VwGO), dass ein solcher Antrag nur zusammen mit den Hilfsanträgen auf Verpflichtung zur Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG und/oder als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG (a. F.) sowie auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG (a. F.) und auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz als gestellt anzusehen ist. Eine andere Auslegung ist bei einem Bescheid, welcher eine negative Feststellung enthält, möglich, wenn der Kläger bewusst nur einen isolierten Anfechtungsantrag gestellt hat und dies auch in Ansehung der materiellrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen ein sinnvolles Klageziel ist (BVerwG, U. v. 21.11.2006 - 1 C 10.06 - BVerwGE 127, 161). Im vorliegenden Fall wäre die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsakte sinnvoll, weil das Bundesamt im Fall der Aufhebung der Feststellung der Unzulässigkeit bereits nach § 31 Abs. 2 AsylVfG von Gesetzes wegen zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet wäre (OVG LSA, U. v. 2.10.2013 - 3 L 645/12 UA S. 5). Außerdem ginge dem Kläger ansonsten eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenden Verfahrensgarantien ausgestattet ist (BVerwG, U. v. 7.3.1995 - 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 = NVwZ 1996, 80). Eine Verpflichtungsklage im Sinn eines Bescheidungsurteils nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO kommt hier somit nicht in Betracht.

Die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO ist gegeben.

Der Kläger kann geltend machen, durch die vom Bundesamt getroffene Feststellung möglicherweise in seinen Rechten verletzt zu sein. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind die Normen der Dublin-II-VO eigentlich organisatorische Vorschriften, welche die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten regeln und u. a. den Zweck haben, eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats zu schaffen; gleichwohl kann ein Asylbewerber im Rahmen des nach Art. 19 Abs. 2 Satz 3 Dublin-II-VO garantierten Rechtsschutzes geltend machen, dass in dem zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen bestehen, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr liefe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-Grundrechte-Charta ausgesetzt zu sein (EuGH, U. v. 10.12.2013 - Abdullahi, C-394/12 - NVwZ 2014, 208 Rn. 56 ff.).

Die Klage ist aber unbegründet.

Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts ist rechtmäßig. Das Bundesamt hat zu Recht festgestellt, dass der Asylantrag des Klägers unzulässig ist (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Eine solche Zuständigkeit ergibt sich aus der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin-II-VO), auf die sich das Bundesamt im Bescheid gestützt hat. Auch wenn mittlerweile die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin-III-VO) gemäß Art. 49 Abs. 1 dieser Verordnung am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist, ist für sog. „Altanträge“ wie den vorliegenden nach wie vor die Dublin-II-VO anzuwenden (BVerwG, U. v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - juris Rn. 13). Für einen Antrag auf internationalen Schutz i. S. v. Art. 2 Buchst. d Dublin-II-VO, der vor dem ersten Tag des sechsten Monats nach Inkrafttreten der Dublin-III-VO, also vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden ist, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO nach den Kriterien der Dublin-II-Verordnung.

Das Verfahren nach der Dublin-II-Verordnung dient zuerst allein dazu, den zur Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat zu bestimmen. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind übereingekommen, dass auf kurze Sicht eine klare und praktikable Form für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats geschaffen werden sollte. Ziel der Dublin-II-Verordnung ist die Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist (Erwägungsgründe Nr. 1, 2, 3, 4 und 16). Im Verfahren nach der Dublin-II-Verordnung steht deshalb allein die Zuständigkeitsfrage im Raum. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO wird der Antrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft.

Die Reihenfolge der Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats richtet sich nach Kapitel III der Verordnung (vgl. Art. 5 Abs. 1 Dublin-II-VO). Nach Art. 5 Abs. 2 Dublin-II-VO wird bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat gestellt hat.

Gemessen hieran ist der beim Bundesamt gestellte Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, weil der Mitgliedstaat Italien nach Art. 13 Dublin-II-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies hat zur Folge, dass Italien nach Art. 16 Abs. 1 Buchstabe c Dublin-II-VO verpflichtet ist, den Kläger nach Maßgabe des Art. 20 Dublin-II-VO wieder aufzunehmen. Gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. c Dublin-II-VO wird davon ausgegangen, dass der ersuchte Mitgliedstaat die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiert, wenn - wie im vorliegenden Fall - innerhalb einer Frist von zwei Wochen keine Antwort erteilt worden ist. Entsprechend der Konzeption der Dublin-II-Verordnung hat das Bundesamt zu Recht den Asylantrag nicht inhaltlich geprüft, sondern die Unzulässigkeit festgestellt und die Abschiebung nach Italien angeordnet.

Für die Beklagte ergibt sich aus Kapitel III der Dublin-II-Verordnung keine Zuständigkeit. Die am 12. Mai 2011 erteilte Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG begründet die Zuständigkeit nach Art. 9 Abs. 1 Dublin-II-VO nicht (Asylbewerber mit gültigem Aufenthaltstitel), weil diese Vorschrift nach Art. 2 Buchst. j Dublin-II-VO nicht für Aufenthaltstitel gilt, die während der zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates entsprechend dieser Verordnung erforderlichen Frist erteilt wurden. Auch Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO ist nicht einschlägig. Zwar hatte der Kläger die Luftgrenze der Bundesrepublik Deutschland illegal überschritten, er kam hierbei aber nicht aus einem Drittstaat, sondern aus einem Mitgliedstaat (Griechenland).

Aus der Feststellung, dass der Kläger ursprünglich (2008) aus einem Drittstaat (Türkei) kommend die Grenze Griechenlands illegal überschritten hatte, ergibt sich gemäß Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO die Erstzuständigkeit der Hellenischen Republik. Eine Abschiebung dorthin käme allerdings nicht in Betracht, weil die Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens nicht gewährleistet wäre und Obdachlosigkeit drohen würde. Infolge dessen wäre eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. v. Art. 3 EMRK gegeben (EGMR, E. v. 21.1.2011 - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413).

Da sich aus den übrigen Kriterien des Kapitels III der Dublin-II-Verordnung nicht bestimmen lässt, welchem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrags obliegt, ist nach der Generalklausel des Art. 13 Dublin-II-VO der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Dies ist hier die Italienische Republik (Italien). Ausweislich der Bundesamtsakte (Bl. 50) hat der Kläger dort im November 2008 den Asylantrag gestellt. Trotz der Erkenntnis, dass nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO eigentlich von der vorrangigen Zuständigkeit Griechenlands auszugehen wäre, scheidet der Ersteintritt als Anknüpfungskriterium hier aus, weil eine Abschiebung dorthin unzumutbar wäre, da das Asylwesen in Griechenland derzeit an sog. systemischen Mängeln leidet (vgl. EGMR, E. v. 21.1.2011 a. a. O.). Art. 13 Dublin-II-VO greift auch dann, wenn sich aus den Kriterien des Kapitels III zwar eine anderweitige Zuständigkeit ergibt, eine Überstellung des Antragstellers dorthin aber nicht möglich ist (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417). Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an den ursprünglich als zuständig bestimmten Mitgliedstaat hat als solche nicht zur Folge, dass der den zuständigen Mitgliedstaat bestimmende Mitgliedstaat verpflichtet ist, den Asylantrag auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO selbst zu prüfen (EuGH, U. v. 14.11.2013 - C- 4/11 - NVwZ 2014, 129 Rn. 37).

Das vom Bundesamt an die italienische Dublin-Einheit (Unità Dublino) gerichtete Wiederaufnahmegesuch entspricht den Anforderungen des Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 vom 2. September 2003 (Durchführungsbestimmungen zur Dublin-II-VO). Im vorliegenden Fall liegt entgegen der Auffassung des Klägers kein Übernahmegesuch i. S. v. Art. 17 Dublin-II-VO, sondern ein Wiederaufnahmegesuch i. S. v. Art. 20 Dublin-II-VO vor, da die Zuständigkeit nicht erst noch geklärt werden musste, sondern schon feststand (Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung, 3. Aufl. 2010, Art. 16 K4 und K5). Da der Kläger bereits in Italien einen Asylantrag gestellt hatte, geht es hier nicht um eine Aufnahme nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. a Dublin-II-VO, sondern um eine Wiederaufnahme nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. c und d Dublin-II-VO (OVG LSA, U. v. 2.10.2013 - 3 L 645/12 UA S. 9). Das Bundesamt hat entsprechend Art. 2 der Durchführungsbestimmungen das vorgeschriebene Formblatt verwendet. Dieses umfasst auch das Ergebnis des Vergleichs der Fingerabdrücke (Hinweis auf die Eurodac-Nummer mit italienischer Kennung). Außerdem hat das Bundesamt unter der Rubrik „Frühere Asylverfahren“ darauf hingewiesen, dass am 7.11.2008 in „Bolzano/Italy“ schon einmal Asyl beantragt worden sei (s. Bl. 5 der Bundesamtsakte). Die Rüge des Klägers, das Bundesamt habe die italienische Dublin-Behörde absichtlich getäuscht, geht fehl. Die Frage, welche Rechtsfolgen eintreten könnten, falls der ersuchende Mitgliedstaat dem ersuchten Mitgliedstaat wichtige Informationen vorenthält (vgl. hierzu Filzwieser/Sprung, a. a. O. Art. 19 K11), hat sich hier nicht gestellt.

Im Übrigen ist die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens nicht nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen, weil die Überstellung nach Italien nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten erfolgt ist. Diese Frist beginnt gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Alt. 2 Dublin-II-VO erst nach der (rechtskräftigen) Entscheidung über den Rechtsbehelf zu laufen, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat (vgl. Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Dublin-II-VO, § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG n. F.). Im vorliegenden Fall ist ausschlaggebend, dass das Verwaltungsgericht Regensburg den Vollzug der Abschiebung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durch Beschluss vom 7. September 2011 vorläufig ausgesetzt hat. Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann die Sechs-Monats-Frist erst zu laufen beginnen, wenn sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird, und wenn lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben. Dass die Überstellung erfolgen wird, kann nicht als sichergestellt angesehen werden, wenn ein Gericht des ersuchenden Mitgliedstaats, bei dem ein Rechtsbehelf anhängig ist, über die Frage in der Sache nicht entschieden hat, sondern sich darauf beschränkt, zu einem Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung Stellung zu nehmen. Daraus ergibt sich, dass zur Wahrung der praktischen Wirksamkeit von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin-II-VO diese Frist nicht bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung läuft, sondern erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird (EuGH, U. v. 21.9.2009 - C-19/08 - NVwZ 2009, 639). Die Regelung über das Entfallen der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kommt hier folglich nicht zum Tragen (so auch OVG LSA, U. v. 2.10.2013 a. a. O.; OVG NRW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris).

Schließlich ergibt sich die Zuständigkeit der Beklagten für die Prüfung des Asylantrags des Klägers auch nicht aus Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO (sog. Selbsteintrittsrecht).

Wenn ein Mitgliedstaat der Aufnahme des betreffenden Asylbewerbers - wie im vorliegenden Fall - zugestimmt (bzw. nicht geantwortet hat), so kann der Asylbewerber der Bestimmung dieses Mitgliedstaats nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - GR-Charta - ausgesetzt zu werden (EuGH, U. v. 10.12.2013 - C-394.12 - NVwZ 2014, 208).

Ebenso wie das deutsche Konzept der „normativen Vergewisserung“ hinsichtlich der Sicherheit von Drittstaaten (BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49) stützt sich das gemeinsame europäische Asylsystem nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (grundlegend: U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417 Rn. 75 ff.) auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und die Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist. Das gemeinsame europäische Asylsystem wurde dem Gerichtshof zufolge in einem Kontext entworfen, der die Annahme zulässt, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Unter diesen Bedingungen muss die Vermutung gelten, das die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie mit dem am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichneten Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) und der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) steht. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist. Wenn aber jeder Verstoß des zuständigen Mitgliedstaats gegen einzelne Bestimmungen zur Folge hätte, dass der Mitgliedstaat, in dem ein Asylantrag eingereicht wurde, daran gehindert wäre, den Antragsteller an den erstgenannten Staat zu überstellen, würde damit den in Kapitel III der Dublin-II-Verordnung genannten Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ein zusätzliches Ausschlusskriterium hinzugefügt, nach dem geringfügige Verstöße gegen die Vorschriften dieser Richtlinien in einem bestimmten Mitgliedstaat dazu führen könnten, dass er von den in dieser Verordnung vorgesehenen Verpflichtungen entbunden wäre. Dies würde die betreffenden Verpflichtungen in ihrem Kern aushöhlen und die Verwirklichung des Ziels gefährden, rasch den Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen in der Union gestellten Asylantrag zuständig ist. Falls dagegen ernsthaft zu befürchten wäre, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber implizieren, so wäre die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar. Damit die Union und ihre Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen in Bezug auf die Grundrechte der Asylbewerber nachkommen können, obliegt es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den „zuständigen Mitgliedstaat“ im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihm nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden.

Für das verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK (s. neuerdings BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 Rn. 9 - darauf abstellend, dass sich solche Mängel wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren lassen).

Gemäß diesen Grundsätzen besteht für die Beklagte keine Verpflichtung zum Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO. Im Hinblick auf den Charakter dieser Vorschrift als Ermessensnorm (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 65) kann der Kläger allenfalls ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nach § 40 VwVfG haben (Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand Januar 2014, § 27a Rn. 52). Das Ermessen verdichtet sich nur dann zu einer Verpflichtung zum Selbsteintritt, wenn der eigentlich zuständige Mitgliedstaat wegen systemischer Mängel außer Betracht bleiben muss und keine anderweitige Zuständigkeit eines Mitgliedstaats besteht (ders., a. a. O. Rn. 68). Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist der den zuständigen Mitgliedstaat bestimmende Mitgliedstaat verpflichtet, den Asylantrag auf der Grundlage des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO selbst zu prüfen, wenn ansonsten Grundrechte - hier: Verbot der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung nach Art. 4 und Recht auf Asyl nach Art. 18 GR-Charta - des Asylbewerbers verletzt wären (EuGH, U. v. 14.11.2013 - Puid, C-4/11- NVwZ 2014, 129).

Der Senat ist auf der Grundlage des ihm vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern sowie von Dublin-II-Rückkehrern in Italien zu der Überzeugung gelangt, dass bei dem Kläger eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Fall der Überstellung/Abschiebung nicht ernsthaft zu befürchten ist.

Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts für Menschenrechte (EGMR) ist in Italien nicht von systemischen Mängeln auszugehen. Dieser hat bei seinen aktuellen Entscheidungen unter Heranziehung der UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien (Juli 2012), des Berichts des Kommissars für Menschenrechte des Europarates (September 2012) sowie der Berichte von Nichtregierungsorganisationen und unter Würdigung des gesamten Asylsystems in Italien (Verfahrensmodalitäten, Organisation der Unterbringung, Anzahl der Einrichtungen und Unterkunftsplätze, medizinische Versorgung, Bereitstellung von Mahlzeiten, Kleidung etc.) folgende Erkenntnisse zugrunde gelegt: Es gebe in Italien ein System von Aufnahmeeinrichtungen: Neun staatliche CARA-Zentren für die Erstaufnahme während fünf Wochen, ca. 150 SPRAR-Einrichtungen von Gemeinden, Provinzen und wohltätigen Organisationen für die Zeit des Asylverfahrens während sechs Monaten; außerdem die in Großstädten angesiedelten Metropolitan- Aufnahmezentren und eine große Anzahl von Notunterkünften auf regionallokaler Basis. Landesweit könnten je nach Bedarf bis zu 50.000 Plätze bereitgestellt werden, tatsächlich sei die gegenwärtige Anzahl aber erheblich niedriger. Schwierigkeiten bereiteten speziell die prompte Erkennung von Personen mit besonderem Schutzbedürfnis und die Wahrung der Familieneinheit im Rahmen der Verteilung. In einigen Einrichtungen, namentlich in Kalabrien und in der Lombardei, gebe es ganz gravierende Probleme. In den letzten Jahren seien mit Unterstützung des Europäischen Flüchtlingsfonds Aufnahmeeinrichtungen für Dublin-Rückkehrer geschaffen worden. Diese würden im Allgemeinen wieder in den früheren Stand ihres Asylverfahrens eingesetzt werden. Hierfür würde die Grenzpolizei das jeweils zuständige Amt für Einwanderung ausfindig machen und den Rückkehrer auffordern, sich dorthin zu begeben. Wenngleich die allgemeine Lage und die Lebensbedingungen der Asylbewerber in Italien einige Unzulänglichkeiten aufzeigten, seien aber keine systemischen Mängel bei der Bereitstellung von Hilfe und Einrichtungen für Asylbewerber zutage getreten. Vor diesem Hintergrund sei nicht anzunehmen, dass ein nach Italien zurückkehrender Asylbewerber, sei es in materieller, physischer oder psychischer Hinsicht, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der konkreten Gefahr einer menschenunwürdigen Notlage ausgesetzt wäre - „ … has not shown that … future prospects if returned to Italy whether taken from a material, physical or psychological perspective, disclose a sufficiently real and imminent risk of hardship severe enough to fall within the scope of Article 3“ - (EGMR, E. v. 2.4.2013 - Nr. 27725/10 - ZAR 2013, 336 Rn. 43 ff., 78; B. v. 18.6.2013 - Nr. 53852/11 - ZAR 2013, 338; E. v. 10.9.2013 - Nr. 2314/10 - www.hudoc.echr.coe.int Rn. 139; s. auch BVerwG, U. v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22 Rn. 22, wonach der Begriff „real risk“ dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entspricht).

Dieser Einschätzung entspricht die Auskunftslage gemäß den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts. Nach der Auskunft vom 11. Juli 2012 an das Verwaltungsgericht Freiburg könnten „derzeit“ alle Asylbewerber in öffentlichen Zentren untergebracht werden. Es gebe lokale/regionale Überbelegungen (z. B. Rom/Latium). Landesweit seien aber genügend Plätze vorhanden. Insbesondere in Norditalien seien die Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Zusätzlich zu den staatlichen und öffentlichen Einrichtungen gebe es kommunale und karitative Einrichtungen. Sofern sich Dublin-Rückkehrer noch im Asylverfahren befänden, werde ihnen eine Unterkunft in einer Aufnahmeeinrichtung zugeteilt (ebenso: Auskunft vom 11.9.2013 an das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen). Auch die UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien vom Juli 2013 (S. 10 ff.) stellen die Erkenntnis, dass das Asylsystem keine systemischen Mängel aufweist, nicht in Frage. Die italienische Regierung habe ab 2011 erhebliche Anstrengungen zur Verbesserung der teilweise unzulänglichen Aufnahmeverhältnisse unternommen. Die als Asylbewerber registrierten Dublin-Rückkehrer hätten im Allgemeinen Zugang zu den Transitaufnahmezentren. Da deren Kapazitäten aber sehr begrenzt seien, könne es vorkommen, dass diese Personen u.U. einige Tage am Flughafen ausharren müssten, bis ein Platz in einem solchen Zentrum frei wird. Nach den Erkenntnissen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe erhalten Personen, deren Asylverfahren in Italien noch nicht abgeschlossen war, am Flughafen ein Bahnticket zur Weiterreise in die zuständige Region (Italien: Aufnahmebedingungen - aktuelle Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden, Oktober 2013, S. 13).

Demgegenüber berichten die Schweizerische Flüchtlingshilfe (a. a. O.) und borderlineeurope e.V. (Judith Gleitze, Gutachten vom Dezember 2012 für das Verwaltungsgericht Braunschweig) von vielfältigen Unzulänglichkeiten bei der Unterbringung von Asylsuchenden in Italien. Aus den geschilderten zahlreichen Einzelfällen lässt sich nach Auffassung des Senats aber nicht der Schluss ziehen, dass hier systemische Schwächen vorliegen, welche mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefährdung von Dublin-Rückkehrern zur Folge hätten. Aus den Berichten von UNHCR (a. a. O. S. 14 f.), der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (a. a. O. S. 69) und borderlineeurope (a. a. O. S. 50 f.) geht zudem auch übereinstimmend hervor, dass die größten Probleme nicht während des Asylverfahrens auftreten, sondern bei denjenigen Personen, deren Asylverfahren mit oder ohne Zuerkennung eines Schutzstatus geschlossen worden sind. Für diese Personen endet der Anspruch auf Gewährleistung der Grundbedürfnisse im Allgemeinen mit dem Abschluss des Asylverfahrens. Nur unter bestimmten Umständen dürfen Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, danach noch bis zu sechs Monaten in einer SPRAR-Einrichtung bleiben (EGMR, E. v. 2.4.2013, a. a. O. Rn. 43). Da es in Italien kein staatliches Sozialhilfesystem gibt (Auswärtiges Amt vom 11.7.2012, a. a. O. Nr. I 1 b), seien diese Personen - ebenso wie italienische Staatsangehörige - im Fall der Mittellosigkeit auf sich allein gestellt, wodurch in italienischen Großstädten vielfach Armutsviertel mit arbeits- und mittellosen Flüchtlingen entstanden seien. Berichte über diese allgemeine soziale Problematik sind somit kein hinreichendes Indiz für systemische Mängel im Asylverfahren.

Die genaue Zahl der Unterkunftsplätze lässt sich aus verschiedenen Gründen nur schwer bestimmen. UNHCR (24.4.2012, S. 3) ist für das Jahr 2012 davon ausgegangen, dass in zentralen Einrichtungen wie CARA und SPRAR insgesamt 8.000 Plätze vorhanden seien. Im Jahr 2011 sei zwischen den regionalen Regierungen und den örtlich zuständigen Behörden eine Vereinbarung getroffen worden, dergemäß Kriterien für die landesweite Verteilung von bis zu 50.000 Personen festgelegt wurden. Bis Anfang 2012 seien im Rahmen dieses Verteilungsplans tatsächlich 20.000 Personen untergebracht worden. Die Verantwortung hierfür obliege dem Leiter des Zivilschutzes. Bezüglich der Kapazität allein der SPRAR-Einrichtungen sei mittlerweile aber eine Aufstockung auf 8.000 Plätze vorgesehen (UNHCR, Juli 2013, S. 12). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe hat für das Jahr 2013 die Zahl der CARA-Plätze und die Zahl der SPRAR-Plätze mit jeweils ca. 5.000 beziffert und darüber hinaus auf ein Dekret des italienischen Innenministeriums vom September 2013 hingewiesen, demgemäß die SPRAR-Kapazität von 2014 bis 2016 auf 16.000 Plätze erhöht werden soll (a. a. O. S. 18, 22). Unter Berücksichtigung der Fluktuation (Wechsel in der Belegung) dürfte die tatsächliche Kapazität höher als die Zahl der Unterkunftsplätze sein. Im Hinblick auf die Zahl der in Italien im Jahr 2013 registrierten Asylanträge (28.000 - s. eurostatpressemitteilung Nr. 46/2014) und die für das Jahr 2012 verfügbare Zahl der Dublin-Überstellungen nach Italien (3.551 - s. Schweizerische Flüchtlingshilfe, a. a. O. S. 8) besteht zwischen dem Bedarf und der Kapazität an Unterkunftsplätzen jedenfalls keine solche Diskrepanz, dass die Möglichkeit der Unterbringung von Dublin-Rückkehren als unrealistisch zu erachten wäre.

Die Annahme von borderlineeurope (a. a. O. S. 23 ff., S. 59), dass die Unterbringungsquote für Dublin-Rückkehrer von 2010 bis 2012 maximal nur 12% pro Jahr betragen habe, begegnet erheblichen Bedenken. Das Auswärtige Amt hat darauf hingewiesen, dass diesbezüglich belastbares statistisches Zahlenmaterial nicht vorhanden sei. Die (von borderlineeurope zitierte) Aussage einer Mitarbeiterin der am Flughafen Roma Fiumicino tätigen Arciconfraternita sei eine auf Erfahrungswerten basierende subjektive Feststellung (11.9.2013, S. 3). Der angegebene Prozentsatz bezieht sich auf die besondere Situation in Rom, welche nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts wegen der lokalen und regionalen Überbelegung in Rom und Latium (11.7.2012, S. 6) allerdings nicht repräsentativ erscheint. Hinzu kommt, dass die von borderlineeurope beschriebene Gruppe etwa zur Hälfte aus Personen besteht, die sich nicht im Asyl- bzw. Klageverfahren befinden, also keinen Anspruch auf Versorgung haben. Im Übrigen wäre noch zu berücksichtigen, dass nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts viele Dublin-Rückkehrer keinen Asyl- oder Schutzantrag stellen, da sie häufig nicht in Italien bleiben wollen. Somit stünden ihnen die Aufnahmeeinrichtungen nicht mehr offen (11.7.2012, S. 5). Diese Personen können folglich ebenfalls nicht zum Kreis der nicht untergebrachten Anspruchsberechtigten gezählt werden.

Außerdem sprechen die besonderen Umstände des vorliegenden Falls gegen die Annahme, dass der Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der konkreten Gefahr der Obdachlosigkeit und des Hungerns ausgesetzt wäre. Da ursprünglich die Quästur Bozen für seinen Asylantrag zuständig war, ist anzunehmen, dass er im Fall der Rückkehr nach Italien dorthin weitergeleitet werden würde. Gemäß den bisherigen, vom Kläger nicht in Frage gestellten Erkenntnissen des Auswärtigen Amts sind in Norditalien die Unterbringungskapazitäten noch nicht ausgeschöpft, so dass dort ohnehin nicht mit einer Mangelsituation zu rechnen wäre.

Auch der Hinweis des Klägers auf die Stellungnahme von UNHCR an das Verwaltungsgericht Braunschweig (24.4.2012) führt nicht zu einer anderen Einschätzung. Die darin geäußerten Bedenken, dass die Versorgung besonders schutzbedürftiger Personen häufig unzureichend sei (Buchstabe vii) und dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass Asylsuchende, die im Rahmen des Dublin-Systems nach Italien überstellt werden und dort zuvor keinen formalen Asylantrag gestellt hatten, keinen sofortigen Zugang zur Aufnahmebedingungen erhielten (ix), treffen auf die Umstände des vorliegenden Falls nicht zu.

Für die Befürchtung des Klägers, er würde im Fall der Abschiebung nach Italien ohne Durchführung eines Asylverfahrens sogleich nach Griechenland weitergeschoben werden, gibt es keinen konkreten Anhaltspunkt (vgl. UNHCR v. 24.4.2012, a. a. O. zu 4.). Der Vortrag des Klägers, er sei etwa im Jahr 2010 von der Polizei in Bozen bei einer Vorsprache zwecks Erteilung eines Monatsausweises festgenommen und anschließend in einem versperrten Schiffsraum nach Griechenland verbracht worden, vermag die Annahme einer Wiederholungsgefahr nicht zu begründen.

Die hier vertretene Einschätzung, dass das italienische Asylwesen nicht an systemischen Mängeln leidet, wird von anderen Oberverwaltungsgerichten geteilt (OVG NRW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris; OVG Rh-Pf, U. v. 21.2.2014 - 10 A 10656/13. OVG - juris; NdsOVG, B. v. 30.1.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG LSA, U. v. 2.10.2013 - 3 L 645/12 - juris; OVG Berlin-Bbg, B. v. 17.6.2013 - OVG 7 S 33.13 - juris).

Die Befugnis zur Anordnung der Abschiebung ergibt sich aus § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben.

Diese Entscheidung wird zitiert ausblendenDiese Entscheidung wird zitiert


Diese Entscheidung zitiert ausblendenDiese Entscheidung zitiert


Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 22. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem die Unzulässigkeit eines von ihm in Deutschland gestellten Asylantrags festgestellt und die Abschiebung nach Italien angeordnet wird. Er begehrt die Ausübung des Selbsteintrittsrechts und die sachliche Prüfung des Asylantrags in Deutschland.

2

Der Kläger stellte am 2. August 2012 bei der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Trier (Bundesamt) einen Asylantrag, nachdem er am 17. Juli 2012 als Asylbewerber erfasst worden war. Bei der Antragstellung gab er an, am 5. August 1988 in Mogadischu geboren zu sein und die somalische Staatsangehörigkeit zu besitzen. Er sei Mitglied der Volksgruppe der Hawadle und sunnitischer Religionszugehörigkeit.

3

Bei der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 29. August 2012 trug der Kläger vor, zwei Jahre lang als Schneider ausgebildet worden zu sein und diesen Beruf ein Jahr lang selbständig ausgeübt zu haben. Seine Schneiderei habe in der Nähe einer Fabrikruine gelegen, auf deren Gelände äthiopische Soldaten campiert hätten. Immer wieder seien diese von Mitgliedern der Al Shabaab attackiert worden. Auch die äthiopischen Soldaten hätten angegriffen. Die Al Shabaab sei zu ihm gekommen und habe gesagt, sie brauche Hilfe. Er habe nicht kämpfen wollen und sei im August 2008 geflohen. Hierzu habe er Mogadischu mit einem Kraftfahrzeug verlassen und sei über Addis Abeba und Khartum nach Tripolis gelangt, wo er am 18. November 2008 angekommen sei. Von dort aus sei er mit einem Boot nach Sizilien gefahren und am 25. Mai 2009 gelandet. Auf seinen Asylantrag hin habe er in Italien den Status eines subsidiär Schutzberechtigten erhalten. Danach habe er das Flüchtlingslager verlassen müssen und sei nach Florenz gegangen. Dort habe ihm die Caritas einmal am Tag etwas zu essen gegeben. Einen Monat lang habe er in einem verlassenen Haus ohne Wasser und Strom gelebt. Dann sei er insgesamt zwei Mal in die Niederlande gefahren und habe versucht, dort Asyl zu bekommen. Er sei aber jedesmal nach Italien zurückgeflogen worden. Die Polizisten am Flughafen Rom hätten ihm gesagt, er solle zum Bahnhof gehen. Dort seien viele Somalis gewesen, die ihn zur somalischen Botschaft in Rom gebracht hätten. Die Botschaft sei aufgegeben und von Flüchtlingen zum Übernachten genutzt worden. Es sei furchtbar dreckig gewesen und man habe krank werden können. Es habe Wasser, aber keinen Strom gegeben. Schließlich habe er sich auf den Weg nach Deutschland gemacht, wo er am 14. Juli 2012 angekommen sei.

4

Er sei krank. Er leide an einer schiefen Wirbelsäule und könne manchmal nicht gehen, außerdem habe er einen Vitamin-D-Mangel und eine Magenerkrankung. In Italien habe man ihm im Krankenhaus nur eine Schmerzspritze gegeben, weil er keinen Gesundheitsausweis habe vorzeigen können.

5

Die niederländischen Behörden wiesen ein Übernahmeersuchen der Beklagten zurück und teilten mit, dass sie den Kläger ihrerseits am 23. Dezember 2010 und 10. Oktober 2011 nach Italien überstellt hätten.

6

Auf entsprechenden Antrag vom 17. Dezember 2012 akzeptierten die italienischen Behörden mit Schreiben vom 20. Dezember 2012 unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 - Dublin-II-VO - ihre Zuständigkeit, wobei der Kläger dort mit syrischer Staatsangehörigkeit und dem Geburtsdatum 1. Januar 1988 geführt wurde, und stimmten einer Überstellung bis zum 20. Juni 2013 zu.

7

Vom 14. bis 24. Oktober 2012 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung wegen Schmerzen im Hüftbereich. Entzündliche sowie autoimmune Erkrankungen konnten laborchemisch ausgeschlossen werden. In einer Magnetresonanztomographie zeigten sich arthropische Veränderungen des Hüftgelenks. Es wurden eine ausgewogene eiweißreiche Ernährung und ambulante Krankengymnastik-Maßnahmen beziehungsweise Reha-Sport sowie eine ambulante psychiatrische Betreuung empfohlen. Am 6. und 7. Januar 2013 befand sich der Kläger wegen epigastrischer Schmerzen unklarer Genese erneut in stationärer Krankenhausbehandlung. Nachdem die Laborbefunde sowie eine Gastroskopie keine Auffälligkeiten aufwiesen und der Patient sich subjektiv beschwerdegebessert zeigte, wurde er ohne weitere Medikation entlassen. In privatärztlichen Attesten einer allgemeinmedizinischen Praxis vom 7. Februar 2013 und 29. Januar 2014 werden als Diagnosen Oberbauschschmerzen bei rezidivierender Gastritis, Lws-Syndrom, Coxalgie, Vitamin-D-Mangel und Mangelernährung bei Appetitlosigkeit aufgezählt. Der Patient sei auf regelmäßige medizinische Behandlung und Medikamente angewiesen. Eine Abschiebung nach Italien wäre mit einem hohen Risiko der Verschlechterung des Gesundheitszustandes verbunden.

8

Mit Bescheid vom 13. Februar 2013 erklärte die Beklagte den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a AsylVfG für unzulässig. Italien sei für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig und habe seine Zuständigkeit auch anerkannt. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, seien nicht ersichtlich. Insbesondere hinderten die vorgelegten Atteste eine Überstellung des Klägers nach Italien nicht, denn in Italien habe der Kläger wie jeder italienischer Staatsbürger Zugang zum dortigen Gesundheitssystem.

9

Am 19. Februar 2013 hat der Kläger Klage erhoben. Die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens sei auf die Beklagte übergegangen, da der Übernahmeantrag an Italien erst nach Ablauf der Frist des Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO gestellt worden sei. Im Übrigen dürfe der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht nach Italien überstellt werden, weil er sich in ständiger ärztlicher Behandlung befinde. Schließlich sei die Beklagte zur Prüfung des Antrags verpflichtet, weil in Italien systemische Mängel im Asylverfahren herrschten. Die Mindeststandards in Bezug auf Unterbringung, soziale und medizinische Versorgung würden erheblich unterschritten. Das gelte insbesondere für Sizilien, wohin der Kläger abgeschoben werden sollte. Ihm drohte daher nach seiner Rückführung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ohne Perspektive auf Arbeit oder Obdach.

10

Der Kläger hat beantragt,

11

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Februar 2013 zu verpflichten, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Verordnung (EG) 343/2003 Gebrauch zu machen,

12

hilfsweise,

13

die Beklagte zu verpflichten, über die Ausübung des vorgenannten Selbsteintrittsrechts erneut zu entscheiden.

14

Die Beklagte hat beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Sie weist darauf hin, dass Personen mit Schutzstatus hinsichtlich der Unterbringung und der medizinischen Versorgung die gleichen Rechte genössen wie italienische Staatsangehörige. Damit seien Unterkunft und Wohnung in eigener Verantwortung zu besorgen. Die entsprechenden Kosten seien selbst zu tragen. Nach Meldung bei dem „Servizio Sanitario Nazionale“ erhielten Personen mit Schutzstatus eine „Tessera Sanitaria“, mit deren Hilfe Zugang zu allen ärztlichen Leistungen erfolge. Die Kosten der Behandlungen würden vom italienischen Staat getragen. Nach Auskunft der deutschen Liaisonbeamtin des Bundesamtes in Rom sei die Gewährung dieser medizinischen Versorgung unabhängig von einem festen Wohnsitz. Alle Personen, die in Italien einen Schutzstatus erhielten, hätten das Recht zu arbeiten (guida practica per i titolari di protezione internazionale). Nach Auskunft der Liaisionbeamtin sei die Arbeitserlaubnis eigentlich an eine „residenza“, also einen festen Wohnsitz geknüpft. Viele Vereinigungen böten den betroffenen Personen aber ihre Adresse als Briefkastenadresse an. Schließlich habe der Kläger auch keine Krankheit substantiiert, die ihn reiseunfähig machen beziehungsweise besondere Lebens- oder Gesundheitsgefahren begründen würde.

17

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. Mai 2013 abgewiesen. Die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung des Asylantrags ergebe sich aus Art. 16 Abs. 2 Dublin-II-Verordnung, da Italien dem Kläger einen Aufenthaltstitel ausgestellt habe. Die Fristvorschriften des Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO begründeten keine subjektiven Rechte, so dass es auf deren Versäumung nicht ankomme. Zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts sei die Beklagte nicht verpflichtet. Es sei nach Auswertung der vorliegenden Auskünfte, Gutachten sowie Berichte und unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung weder zu befürchten, dass dem Kläger keine hinreichende soziale beziehungsweise medizinische Versorgung zugute käme, noch herrschten systemische Mängel im italienischen Asylverfahren, die befürchten ließen, dass dem Kläger in Italien eine menschenunwürdige Behandlung drohte.

18

Auf entsprechenden Antrag ließ der Senat die Berufung zu und untersagte der Beklagten mit Beschluss vom 19. Juni 2013, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Berufungsverfahrens aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchzuführen.

19

Der Kläger wiederholt und vertieft zur Begründung der Berufung seinen Vortrag aus dem Klageverfahren. Als Schutzberechtigtem stünde ihm weder Anspruch auf Unterkunft, noch auf staatliche Sozialleistungen zu. Er habe auch keinen Anspruch auf Integrationsmaßnahmen und könne allenfalls in ländlichen Gebieten zeitlich befristet und schlecht bezahlt als Erntehelfer arbeiten. Außerhalb von Rom habe er keine Möglichkeit, sich eine virtuelle Adresse geben zu lassen, so dass er vermutlich auch keinen Zugang zum Gesundheitssystem habe. In Not geratene italienische Staatsangehörige könnten in der Regel auf Hilfe durch die (Groß-) Familie hoffen. Diese Möglichkeit hätten Flüchtlinge nicht.

20

Der Kläger beantragt,

21

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Februar 2013 zu verpflichten, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Verordnung (EG) 343/2003 Gebrauch zu machen,

22

hilfsweise,

23

die Beklagte zu verpflichten, über die Ausübung des vorgenannten Selbsteintrittsrechts erneut zu entscheiden.

24

Die Beklagte beantragt,

25

die Berufung zurückzuweisen.

26

Sie macht sich im Wesentlichen eine Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern im vorliegenden Verfahren zu Eigen. Danach liegen außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, nicht vor. Italien erfülle seine Verpflichtung nach den Artikeln 20 bis 24 Genfer Flüchtlingskonvention, Flüchtlinge im Sozial- und Arbeitsrecht ebenso zu behandeln wie eigene Staatsangehörige. Eine Besserstellung von Asylbewerbern sei danach nicht vorgesehen. Aus dem Umstand, dass Italien kein ähnliches soziales Netz biete wie Deutschland und andere Mitgliedstaaten, könne nicht geschlossen werden, dass es sich von seiner Verpflichtung aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention gelöst habe. Die von dem Kläger zitierten Gutachten ergäben keine neuen Erkenntnisse, insbesondere kein belastbares Zahlenmaterial darüber, welcher Anteil der Schutzberechtigten für wie lange tatsächlich der Obdachlosigkeit anheimgefallen sei.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte, die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

28

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Er hat keinen Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland. Die Beklagte ist weder nach den allgemeinen Regeln zuständig (I), noch besteht ein Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts (II). Daher ist auch die Abschiebungsanordnung nach Italien rechtlich nicht zu beanstanden (III).

I.

29

Die Frage, welcher Staat für das Asylverfahren des Klägers zuständig ist, bestimmt sich vorliegend nach den Regeln der Dublin-II-Verordnung (1). Danach ist Italien der zuständige Mitgliedstaat (2). Die Zuständigkeit ist nachträglich weder nach der Vorschrift des Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO (3), noch nach der Vorschrift des Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO (4) auf die Beklagte übergegangen.

30

1. Im vorliegenden Fall kommt unbeschadet der Vorschrift des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG noch die Dublin-II-Verordnung und nicht die mittlerweile in Kraft getretene Nachfolgeverordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin-III-VO) zur Anwendung. Gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 49 Dublin-III-VO gilt diese nämlich erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme, die nach dem 1. Januar 2014 gestellt wurden. Vorliegend hat der Kläger seinen Asylantrag bei der Beklagten bereits im Jahr 2012 gestellt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien mit Schreiben vom 20. Dezember 2012 akzeptiert.

31

2. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien nach der Vorschrift des Art. 16 Abs. 2 Dublin-II-VO zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Danach fallen dem Mitgliedstaat die Pflichten zur Wiederaufnahme und abschließenden Prüfung eines Asylverfahrens zu, sofern er einem Antragsteller einen Aufenthaltstitel erteilt. Italien hat dem Kläger in Folge der Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter einen Aufenthaltstitel erteilt und diesen im Jahr 2012 nochmals verlängert.

32

3. Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens ist auch nicht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen. Nach dieser Vorschrift sind Aufnahmegesuche an andere Mitgliedstaaten spätestens innerhalb von drei Monaten nach Einreichung des Asylantrags zu stellen. Wird das Gesuch nicht innerhalb dieser Frist unterbreitet, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für die Prüfung zuständig.

33

Zum einen vermittelt diese Vorschrift dem Asylbewerber aber keine subjektiven Rechte, sondern dient als innerstaatliche Organisationsvorschrift in erster Linie der klaren und praktikablen Bestimmung der Zuständigkeit innerhalb der Mitgliedstaaten (vgl. hierzu die Erwägungsgründe 3 und 16 der Verordnung). Im Vordergrund steht daher das Interesse, die Zuständigkeit zeitnah festzustellen und den Asylantrag durch einzig den zuständigen Mitgliedstaat prüfen zu lassen, nicht aber, die Prüfung einem ganz bestimmten Mitgliedstaat zuzusprechen, in dem der Antragsteller einen (weiteren) Asylantrag gestellt hat.

34

Zum anderen ist die Vorschrift auf den vorliegenden Fall schon nicht anwendbar. Die Beklagte hat kein Aufnahmegesuch nach Art. 17, sondern ein Wiederaufnahmegesuch nach den Art. 16. Abs. 2, Abs. 1 lit. c), 20 Abs. 1 Dublin-II-VO gestellt. Für Wiederaufnahmegesuche sieht die Dublin-II-VO aber keine Frist vor.

35

4. Schließlich ist die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens auch nicht deshalb nach Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen, weil die Überstellung nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten erfolgt ist. Diese Frist beginnt gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. d) nämlich erst nach rechtskräftigem Abschluss eines Rechtsbehelfsverfahrens zu laufen, sofern diesem aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. EuGH, Urteil vom 29.01.2009 – C 19/08 –, Juris-Rn. 44 ff.; OVG Niedersachen, Urteil vom 04.07.2012 – 2 LB 163/10 – Juris-Rn. 36 m.w.Nw.). Vorliegend hatte der Senat noch vor Ablauf der Frist der Beklagten untersagt, den Kläger nach Italien abzuschieben.

II.

36

Es besteht auch kein Anspruch des Klägers auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO.

37

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die mittlerweile ihren Niederschlag in Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO gefunden hat, kann ein Mitgliedstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet sein, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtscharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten haben bei der Ausübung ihres Ermessens diese Grundsätze daher zu beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011-0000, Rn. 68 ff.).

38

Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen (sogenanntes Prinzip gegenseitigen Vertrauens beziehungsweise normativer Vergewisserung, vgl. grundlegend BVerfG, Urteil vom 15.05.1996, 2 BvR 1938/93, Juris-Rn. 179 ff.). Es gilt daher die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht. Diese Vermutung ist jedoch nicht unwiderleglich. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass das System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.

39

Allerdings berührt nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat das in der Dublin-II- bzw. Dublin-III-Verordnung niedergelegte Zuständigkeitssystem. Der Europäische Gerichtshof macht deutlich, dass nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel steht (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs deshalb nur dann auszusetzen, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Grundrechtecharta ausgesetzt zu sein (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 bis Rn. 106).

40

Anhaltspunkte dafür, wann eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung anzunehmen ist, lassen sich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK entnehmen, der mit Art. 4 der Europäischen Grundrechtecharta übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21. Januar 2011 hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden (Urteil vom 21.01.2011, M.S.S. gegen Belgien und Griechenland, Beschwerde-Nr. 30696/09, Rn. 226 und Rn. 254 ff.).

41

Der Senat kommt nach Auswertung der vorliegenden Gutachten, Auskünfte und Berichte und unter Würdigung des Vortrags des Klägers zu dem Ergebnis, dass das italienische Asylsystem nicht an systemischen Mängeln leidet, auf Grund derer dem Antragstellers nach seiner Rückführung eine menschenunwürdige Behandlung droht (ebenso OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, OVG Nds, Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - und vom 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - und vom 24.06.2013 - OVG 7 S 58.13 -; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 -; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 -; VG Ansbach, Beschluss vom 18.09.2013 - An 2 K 13.30675 -; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me -; VG Lüneburg, Urteil vom 04.06.2013 - 6 A 176/11 - (n.V.); VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 -; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A -; VG Osnabrück, Urteil vom 02.04.2012 - 5 A 309/11 - (n.V.) a.A. OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A -; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A -; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As -; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. -; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A -; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A, soweit veröffentlicht zitiert nach Juris).

42

Italien verfügt über ein planvolles und ausdifferenziertes Asylsystem (a). Dieses System leidet zwar an Mängeln (b), nicht aber an systemischen Mängel (c). Das gilt auch für Personen mit Schutzstatus (d).

43

(a) Zunächst ist festzuhalten, dass Italien über ein planvolles und ausdifferenziertes Aufnahmesystem für Asylbewerber verfügt, das in zwei Phasen gegliedert ist. Nach Stellung des Asylantrags ist die Unterbringung in Aufnahmezentren für Asylsuchende, den sogenannten CARA (Centri di Accoglienza per Richiedenti Asilo) vorgesehen. Die maximale Aufenthaltsdauer dort soll grundsätzlich 35 Tage betragen. Daneben gibt es noch Aufnahmeeinrichtungen für Migranten, die keine Asylsuchenden sind, die so genannten CDA (Centri di Accoglienza). Diese werden in der Praxis ebenfalls für die Erstaufnahme von Asylsuchenden verwendet. In der zweiten Phase sollen die Antragsteller in einer Einrichtung des Aufnahmesystems SPRAR (Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugiati) untergebracht werden. Dabei handelt es sich um ein Netzwerk von Unterkünften, das auf einer Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium, den Gemeinden und verschiedenen NGOs basiert. Die SPRAR-Projekte umfassen nicht nur eine Wohnmöglichkeit, sondern ein individualisiertes Integrationsprojekt mit Sprachkursen, Berufsbildung und Unterstützung bei der Arbeitssuche. Die Aufenthaltsdauer im einem SPRAR beträgt normalerweise 6 Monate und kann bis zu einem Jahr verlängert werden (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.).

44

Endet das Asylverfahren mit der Zuerkennung eines Schutzstatus, werden den Schutzsuchenden Aufenthaltsberechtigungen („permessi die soggiorno“) ausgestellt. Danach genießen sie in Italien formal dieselben Rechte wie italienische Staatsangehörige. Sie haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und kostenfreien Zugang zu allen öffentlichen medizinischen Leistungen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an VG Freiburg vom 11.07.2012). In den Erstaufnahmeeinrichtungen werden sie nicht mehr aufgenommen. In Einrichtungen des SPRAR können sie Unterkunft finden, sofern sie die vorgesehene maximale Aufenthaltsdauer noch nicht ausgeschöpft haben und ein Platz frei ist (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 und S. 25; borderline-europe e.V., Gutachten zum Beweisbeschluss des VG Braunschweig vom 28.09.2012, S. 50).

45

(b) In der Praxis litt - und leidet - das italienische Aufnahmesystem an Mängeln. Die Berichtslage zeigt übereinstimmen, dass es insbesondere auf die sehr hohen Antragszahlen in den Jahren 2008 und 2011 nicht ausreichend vorbereitet war (Bethke & Bender, Zur Situation von Flüchtlingen in Italien - Bericht über die Recherchereise nach Rom und Turin im Oktober 2010 -; Schweizer Flüchtlingshilfe/Juss-Buss: Situation von Asylsuchenden, Flüchtlingen und „Dublin-Rückkehrern“, Bericht vom Mai 2011; borderline-europe/Judith Gleitze: Zur Lage von Asylsuchenden und „Dublin-Rückkehrern“, Stellungnahme vom Dezember 2012; Auskunft des Auswärtigen Amtes an VG Darmstadt vom 29.11.2011 und an VG Braunschweig vom 09.12.2011). In der Folge verlängerten sich die Verfahrenszeiten deutlich über die vorgesehenen Fristen hinaus. Die zeitliche Lücke zwischen der Stellung des Asylantrags und dessen formeller Registrierung (verbalizzazione) führte zu der Gefahr der Obdachlosigkeit, da in der Praxis Zugang zu den Erstaufnahmeeinrichtungen erst ab dem Zeitpunkt der Registrierung gewährt wurde (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 12). Zudem waren die Aufnahmekapazitäten der staatlicherseits zur Verfügung gestellten Plätze überlastet. Für Personen mit Schutzstatus bedeutete dies, dass sie Schwierigkeiten hatten, im SPRAR-Aufnahmesystem unterzukommen, auch wenn sie die maximale Verweildauer noch nicht ausgeschöpft hatten. Hinzu kam die wirtschaftliche schwierige Lage, in der sich auch Italien nach der Wirtschaftskrise befand und noch befindet. Nach den Informationen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe lebt vor allem in Rom eine ganz erhebliche Zahl von Asylbewerbern und Personen mit Schutzstatus (die Schätzungen sprechen von 1.200 bis 1.700) in Slums oder besetzten Häusern (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, a.a.O., S. 36).

46

(c) Diese Mängel begründen aber keine systemischen Mängel im oben dargestellten Sinne. Dabei versteht der Senat unter systemischen Mängeln solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar betroffen sind oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem faktisch in weiten Teilen funktionsunfähig wird. Nach Auswertung der vorliegenden Auskünfte kommt der Senat zu der Überzeugung, dass die systembedingten Missstände von den italienischen Behörden angegangen werden und sich die Situation deshalb verbessert hat und aller Voraussicht nach weiter verbessern wird. Außerdem ist festzustellen, dass die Zustände punktuell, aber nicht flächendeckend unzureichend sind, so dass nicht davon gesprochen werden kann, dass das Asyl- und Aufnahmesystem faktisch außer Kraft gesetzt ist.

47

Ein im System angelegter Mangel ist die Tatsache, dass der Zugang zum Erstaufnahmesystem offensichtlich von der Registrierung (verbalizzazione) abhängt und dies bei einer Verzögerung des Verfahrens zur Obdachlosigkeit führen kann. Allerdings hat das italienische Innenministerium in der ersten Jahreshälfte 2013 eine Weisung herausgegeben, wonach die Registrierung zeitlich mit der Asylgesuchstellung zusammenfallen soll (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 12). Auch die Überlastung des Aufnahmesystems nimmt Italien nicht tatenlos hin. Auf die hohen Asylbewerberzahlen im Jahr 2011 reagierte das Land zunächst mit einem Notstandskonzept, bei dem unter Führung des Zivilschutzes (Protezione Civile) Aufnahmestrukturen in der Größenordnung von 26.000 Plätzen bereitgestellt wurden (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; UNHCR an VG Braunschweig, S. 3; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 9). Daneben wurden und werden die Plätze, die im SPRAR-Projekt zur Verfügung stehen, in erheblichem Umfang aufgestockt (siehe zur Bedeutung dieser Plätze für das Aufnahmesystem den Report von Nils Muižnieks, Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, 18.09.2012, Abs. 152). Standen ursprünglich 3.000 Plätze zur Verfügung, waren es Anfang Juni 2013 bereits 4.800 Plätze, wobei hierzu auch bereits vorhandene Unterkunftsplätze gezählt wurden, die um die im SPRAR-System vorgesehen Integrationsleistungen ergänzt wurden. Aufgrund eines im September 2013 erlassenen Dekrets des Innenministeriums soll die Kapazität im Zeitraum 2014 bis 2016 nochmals auf insgesamt 16.000 Plätze erhöht werden (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 22). Außerdem wurde ein neues Informatiksystem „Vestanet“ eingeführt, das ebenfalls zu einer Verbesserung des Verfahrens beitragen soll (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 12). In seiner Antwort an das Verwaltungsgericht Braunschweig vom 24. April 2012 hat der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen ausdrücklich anerkannt, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des Aufnahmesystems stattgefunden haben. Gleiches gilt für die Auskunft des Auswärtige Amtes vom 21. Januar 2013 an das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt.

48

Der Senat geht außerdem davon aus, dass die aufgezeigten Missstände in bestimmten Städten und Regionen auftreten, die Funktionsfähigkeit des Asyl- und Aufnahmesystems aber nicht insgesamt in Frage stellen. Es liegt in der Natur der Sache, dass Aufklärungsreisen die Problemschwerpunkte in den Blick nehmen (so ausdrücklich der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe mit Schwerpunkt Rom und Mailand, S. 1; in der Sache nicht anders der Bericht von Maria Bethke & Dominik Bender mit Schwerpunkt Rom und Turin; Gutachten von borderline-europe e.V. mit Schwerpunkt Rom und Sizilien). Diese Situationen sind aber nicht ohne Weiteres verallgemeinerbar. So geht der UNHCR, dessen Dokumente bei der Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften von besonderer Relevanz sind (vgl. EuGH, Urteil vom 30.05.2013 - C-528/11 - Rn. 44), in seiner Antwort an das Verwaltungsgericht Braunschweig davon aus, dass die CARA, CDA und SPRAR-Projekte in der Lage sind, dem Aufnahmebedarf einer signifikanten Anzahl an Asylsuchenden nachzukommen (UNHCR an VG Braunschweig vom 24. April 2012, S. 3). Anders als im Falle Griechenlands oder jüngst Bulgariens (UNHCR Briefing Notes vom 03.01.2014) hat der UNHCR bislang in keiner seiner Stellungnahmen eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten ausgesprochen, Überstellungen nach Italien nicht mehr vorzunehmen (siehe zuletzt UNHCR, Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy, July 2013). Auch die Auskünfte des Auswärtigen Amtes sprechen gegen die Annahme eines systemischen Mangels des italienischen Asylsystems. Sie basieren auf laufenden Gesprächen der Botschaft Rom mit dem italienischen Flüchtlingsrat CIR und UNHCR in Rom, grenzpolizeilicher Verbindungsbeamter der Bundespolizei im italienischen Innenministerium, Präsentationen des italienischen Innenministeriums und des statistischen Landesamtes ISTAT, Kontakten zu nichtstaatlichen karitativen Organisationen sowie Informationen des SPRAR und sind daher geeignet, einen Überblick über die Situation im Land zu geben. Nach der Auskunft an das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt konnten seinerzeit (Januar 2013) alle Asylbewerber und Flüchtlinge in öffentlichen Zentren untergebracht werden. Gegebenenfalls gebe es lokale und regionale Überbelegungen, italienweit seien aber genügen Plätze vorhanden. Insbesondere in Norditalien seien die Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Zusätzlich zu den staatlichen/öffentlichen Einrichtungen gebe es kommunale und karitative Einrichtungen, so dass meist ein Unterbringungsplatz in der Nähe gefunden werden könne. Es sei nicht davon auszugehen, dass Personen, die in den staatlichen Aufnahmeeinrichtungen und staatlichen Unterkünften keinen Platz fänden, regelmäßig oder überwiegend obdachlos auf der Straße oder in Elendsquartieren leben müssten.

49

(d) Mit Blick auf den hier vorliegenden Fall ist weiter festzuhalten, dass sich aus der Auskunftslage auch keine systemischen Mängel für Personen ergeben, denen bereits ein Schutzstatus zugesprochen wurde. Die mit der Anerkennung verbundene Erteilung eines Aufenthaltsrechts (permession di soggiorno) bedeutet in der Praxis, dass sich die Personen mit Schutzstatus grundsätzlich selbst um eine Unterkunft und eine Arbeit kümmern müssen. Sie können nicht mehr in CARA unterkommen, da diese nur Asylbewerbern offenstehen. Sie können sich aber für Plätze im SPRAR-System bewerben, sofern sie die maximale Verweildauer noch nicht überschritten haben. Tatsächlich wird eine große Zahl der Plätze im SPRAR-System von Personen mit Schutzstatus belegt. Allerdings bestehen zum Teil lange Wartezeiten (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 22). Hier dürfte die geplante Ausweitung der SPRAR-Plätze eine deutliche Entlastung bringen. Daneben bieten die Gemeinden Unterkünfte an. Jedenfalls in Rom betrug die durchschnittliche Wartezeit auf einen solchen Platz allerdings drei Monate und in Mailand einen bis drei Monate (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 27 und S. 30). Schließlich können sich Personen mit Schutzstatus, die keine Unterkunft finden, an kirchliche Organisationen und Nichtregierungsorganisationen wie die Caritas oder das Consiglio Italiano per i Rifugiati wenden (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.01.2013 an das OVG des Landes Sachsen-Anhalt). Verlässliche Zahlen, wie viele Schutzberechtigte von keiner dieser Möglichkeiten Gebrauch machen können und letztlich obdachlos werden, fehlen. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes ist im Regelfall oder gar überwiegend aber nicht davon auszugehen, dass Flüchtlinge in Italien beziehungsweise Rückkehrer nach der Dublin-II-Verordnung dort unter Verhältnissen leben müssen, welche man gemeinhin als „Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums (Betteln, Leben auf der Straße etc.)“ bezeichnen könne. Hierbei handle es sich eher um Einzelfälle (Auswärtiges Amtes an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).

50

In Italien gibt es auch für italienische Staatsangehörige kein national garantiertes Recht auf Fürsorgeleistungen zur Lebensunterhaltssicherung vor dem 65. Lebensjahr. Die Zuständigkeit für die Festsetzung von Sozialhilfeleistungen liegt grundsätzlich im Kompetenzbereich der Regionen. In bestimmten Regionen wird die Höhe des Sozialgeldes durch die Kommune festgesetzt. Öffentliche Fürsorgeleistungen weisen daher deutliche Unterschiede je nach regionaler und kommunaler Finanzkraft auf (Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern im vorliegenden Fall; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 48).

51

Auch wenn sich die Situation damit deutlich schlechter und unsicherer darstellt als in der Bundesrepublik Deutschland, begründet dies für sich genommen keinen systemischen Mangel. Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat ausdrücklich festgehalten, dass Art. 3 EMRK die Vertragsparteien nicht verpflichte, jede Person innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs mit einem Obdach zu versorgen. Die Norm enthalte auch keine allgemeine Pflicht, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu bieten, um ihnen einen bestimmen Lebensstandard zu bieten. Ausländer, die von einer Ausweisung betroffen seien, gewähre die Konvention grundsätzlich keinen Anspruch mit dem Ziel, im Hoheitsgebiet des Vertragsstaates zu verbleiben, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren, die vom ausweisenden Staat zur Verfügung gestellt werde. Wenn keine außergewöhnlichen zwingenden humanitären Gründe vorlägen, die gegen eine Ausweisung sprächen, sei allein die Tatsache, dass die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse des Antragstellers bedeutend geschmälert würden, falls er oder sie ausgewiesen würde, nicht ausreichend, einen Verstoß gegen Art. 3 EMR zu begründen (Beschluss vom 02.04.2013, Mohammed Hussein u.a. gegen Niederlande und Italien, a.a.O. Rn. 70 f.).

52

Keine systematischen Mängel bestehen schließlich auch im Hinblick auf den Zugang zum Gesundheitssystem. Personen mit Schutzstatus sind in Fragen der Gesundheitsversorgung den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt. Die Anmeldung beim Nationalen Gesundheitsdienst ermöglicht die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Behandlung bei einem praktischen Arzt, Kinderarzt, in Ambulanzen und zur Aufnahme in ein Krankenhaus berechtigt. Hierzu benötigen Schutzberechtigte den Aufenthaltstitel, die Steuernummer sowie eine feste Adresse. Personen ohne festen Wohnsitz können sich zumindest in Rom unter Sammeladressen karitativer Einrichtungen melden, die von den Behörden akzeptiert werden. Eine aktuelle Vereinbarung zwischen der italienischen Zentralregierung und den Regionen garantiert die Not- und Grundversorgung auch von Personen, die sich illegal im Land aufhalten. Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei (Auswärtiges Amt an OVG des Landes Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).

53

(e) Die Einschätzung, dass das italienische Asylsystem nicht an systemischen Mängeln leidet, wird durch die jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs für Menschenrechte bestätigt. In seinem Beschluss vom 2. April 2013 hat er die Überstellung der dortigen Beschwerdeführerin, der - wie dem Kläger - in Italien bereits ein Schutzstatus zugesprochen worden war, mit Art. 3 EMRK für vereinbar gehalten. Dabei hat er - neben der konkreten Situation der Antragstellerin - eine Vielzahl von Stellungnahmen sowie Berichten von Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen über die generelle Situation in Italien ausgewertet. Er kommt nach ausführlicher Würdigung der festzustellenden Mängel - und keineswegs nur unter Bezug auf den ihm vorgelegten konkreten Sachverhalt - zu dem Schluss, dass die allgemeine Situation und die Lebensbedingungen in Italien für Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge und Ausländer, die aus Gründen des internationalen Schutzes oder zu humanitären Zwecken eine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben, kein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für Asylbewerber als Mitglieder einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe aufzeigen (Beschluss vom 02.04.2013, Mohammed Hussein u.a. gegen Niederlande und Italien, Rn. 70 ff., in Teilen übersetzt von Wischrath, ZAR 2013, 336, besprochen von Thym in ZAR 2013, 331; siehe auch Hailbronner, AuslR, Dezember 2013, § 34a Rn. 29 f.; ebenso Beschluss vom 18.06.2013, Halimi gegen Österreich und Italien, Rn. 68, in Teilen übersetzt von Wischrath, ZAR 2013, 338). Diese Einschätzung hat er jüngst nochmals ausdrücklich bestätigt (Beschluss vom 10.09.2013 - Nr. 2314/10 -, Hussein Diirshi u.a. gegen Niederlande und Italien, zitiert nach HUDOC).

54

(f) Es sind auch keine besonderen Umstände des Einzelfalles ersichtlich, die befürchten ließen, dass gerade dem Kläger in Italien eine mit Art. 4 der Grundrechtecharta nicht vereinbare Behandlung drohen würde. Er leidet insbesondere nicht an außerordentlich schweren oder seltenen Krankheiten, deren Behandlung in Italien nicht möglich erschiene. Nach seiner Schilderung bekam er in Italien in Notfallsituationen zumindest Schmerzmittel verabreicht. Die Probleme bei einer weiterführenden Behandlung resultierten offenbar daraus, dass er mangels festen Wohnsitzes keine Gesundheitskarte beantragt hat. Dem hätte der Kläger nach der Auskunftslage aber zumindest in Rom dadurch abhelfen können, dass er sich bei einer gemeinnützigen Organisation eine fiktive Meldeadresse hätte geben lassen. Aus den Angaben des Klägers lässt sich außerdem schließen, dass er noch keinen Platz im SPRAR-System beansprucht hat. Damit steht ihm nach seiner Rückkehr die Möglichkeit offen, sich für einen solchen Platz zu bewerben. Auf die von dem Kläger zuletzt aufgeworfene Frage, ob die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt vom 21. August 2013 zutrifft, nach der alle im Rahmen der Dublin-Verordnung zurückgeführten Personen von der Questura in eine Unterkunft verteilt werden, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Diese Auskunft dürfte sich auf Personen ohne Schutzstatus bezogen haben, die - wie oben dargestellt - ohnehin einem anderen Aufnahmeregime unterfallen.

III.

55

Die Abschiebungsanordnung ist nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen nach § 27a AsylVfG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies ist der Fall, nachdem Italien seine Zuständigkeit akzeptiert hat und der Abschiebung keine relevanten Hindernisgründe entgegenstehen.

IV.

56

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.

57

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

58

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen. Streitentscheidend ist vorliegend die Würdigung der tatsächlichen Umstände in Italien.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der 1985 geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Pakistan und gehört zu den Punjabi. Er verließ nach seinen Angaben Pakistan am 25.02.2012 und kam am 26.03.2012 nach Italien, wo er erkennungsdienstlich behandelt wurde. Am 03.06.2012 reiste er nach seinen Angaben auf dem Landweg über die Schweiz oder Frankreich nach Deutschland.
Am 18.06.2012 stellte er einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellte daraufhin am 18.10.2012 ein auf Art. 16 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien. Am 30.11.2012 erfolgte die Zustimmung Italiens zur Rücküberstellung des Klägers.
Mit Bescheid vom 03.12.2012 erklärte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag für unzulässig und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Ein Zustellungsnachweis befindet sich nicht bei den Akten; jedenfalls wurde der Bescheid mit einem Begleitschreiben vom 15.01.2013 zur Post gegeben. Die für den 31.01.2013 vorgesehene Überstellung nach Italien konnte nicht durchgeführt werden, da der Kläger nicht angetroffen wurde.
Am 28.01.2013 erhob der Kläger Klage und machte geltend, eine Abschiebung nach Italien sei nicht zulässig. Er habe in Italien gar keinen Asylantrag gestellt. Auch bestehe die Gefahr der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung in Italien. Die Beklagte hätte von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen.
Mit Beschluss vom 14.03.2013 (A 12 K 332/13) ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 03.12.2012 enthaltene Abschiebungsanordnung an und gab der Beklagten auf, dem Regierungspräsidium Karlsruhe die Anordnung der aufschiebenden Wirkung mitzuteilen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vom 17.06.2013 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 03.12.2012 auf und verpflichtete die Bundesrepublik Deutschland auf den ausdrücklichen Antrag des Klägers, sein Asylverfahren fortzuführen. Zur Begründung führte es aus: Zwar sei Italien der zuständige Mitgliedstaat. Allerdings leide das Asylsystem Italiens unter sog. systemischen Mängeln im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, sodass die Bundesrepublik von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müsse.
Auf den rechtzeitig gestellten Antrag der Beklagten ließ der Senat durch Beschluss vom 14.08.2013 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.
Am 05.09.2013 hat der Beklagte unter Stellung eines Antrags die Berufung begründet: Zunächst sei davon auszugehen, dass das Zuständigkeitsregime der Dublin-Verordnung keine subjektiven Rechte der Asylbewerber begründe. Im Übrigen gelte nach der Rechtsprechung des EuGH eine generelle Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention erfolge. Dass in Bezug auf Italien ernsthaft und erwiesenermaßen zu befürchten sei, dass systemische Mängel zwangsläufig mit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung der überstellten Asylbewerber einhergingen, könne nicht eingewandt werden. Nach den vorliegenden Quellen, insbesondere von UNHCR, seien derartige Befürchtungen nicht gerechtfertigt.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.06.2013 - A 12 K 331/13 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten verweist der Senat auf die gewechselten Schriftsätze. Dem Senat liegen die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

Gründe

 
16 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
17 
Die zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27a AsylVfG gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
I.
18 
Die Klage ist allerdings schon unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird (wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2013 - 1 A 21.12.A - juris). Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde; solches ist hier jedoch nicht erkennbar. Abgesehen davon muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 96; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170 Rn. 33) zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist (hier die Schweiz oder Frankreich) zu ersuchen. Aus diesem Grund käme auch ein Verpflichtungsausspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus nicht in Betracht. Hinzukommt im Übrigen in diesem Zusammenhang weiter: Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 07.03.1995 (9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80) und vom 05.09.2013 (10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) entschieden, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein Durchentscheiden, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Folgeantragsverfahren noch für richtig gehalten hat, ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861; vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 295 ff.). Dieses muss aber gleichermaßen in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat (a.A. noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213, aber durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts überholt). Ungeachtet dessen scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
II.
19 
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
20 
Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat und daher der Asylantrag unzulässig ist, weshalb auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet wurde.
21 
1. Die Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist, beantwortet hier die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II).
22 
Auch wenn von der Bestimmung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen ist, kommt die zwischenzeitlich erlassene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) noch nicht zur Anwendung. Nach Art. 49 VO Dublin III ist die Neuregelung erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden, die ab dem 01.01.2014 gestellt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Bundesgebiet bereits im Jahr 2012 Asyl beantragt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien im gleichen Jahr positiv beschieden.
23 
Die Zuständigkeit Italiens ergibt sich aus Folgendem, wobei offen bleiben kann, ob es sich vorliegend um einen Aufnahmefall handelt, was der Fall wäre, wenn der Kläger, wie er durchgängig geltend macht, in Italien keinen Asylantrag gestellt hätte, oder ob von der Fallkonstellation einer Wiederaufnahme auszugehen ist, wenn der Mitteilung von Italien zu folgen wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II vorliegen:
24 
Falls ein Fall der Aufnahme vorliegt, gilt Folgendes: Nach den Angaben des Klägers war dieser von der Türkei kommend mit einem Boot über eine „Insel“ nach Italien gekommen. Sollte er dabei Griechenland berührt haben, so wäre an sich gem. Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Griechenland (in erster Linie) zuständig. Da aber Überstellungen nach Griechenland wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens nicht mehr durchgeführt werden können und dürfen, war zunächst ebenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO Dublin II Italien zuständig (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 96). Allerdings ist in der Folgezeit die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil diese die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens von drei Monaten nach Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II nicht eingehalten hatte. Indem jedoch Italien der Aufnahme ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO Dublin II), ist Italien wiederum zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
25 
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) ist davon auszugehen, dass sich der Kläger nach der erfolgten Zustimmung durch Italien nicht auf die Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens berufen und diesen Umstand nicht gegen eine Überstellung einwenden kann. Die jeweiligen Fristbestimmungen dienen hiernach ebenfalls einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne aber den Antragstellern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
26 
Damit sind die Betroffenen aber nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untätig bleiben und weder ein Ersuchen an den anderen Mitgliedstaat stellen noch in eine Sachprüfung eintreten sollte. Um nicht mit dem unionsrechtlichen Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens auf Prüfung des Asylantrags (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O. Rn. 79; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - a.a.O. Rn. 35 und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O. Rn. 59), das auch im Interesse der Betroffenen in der Verordnung Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 79), in einen unauflösbaren Konflikt zu geraten, ist es der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gestattet, durch die Stellung eines verspäteten Übernahmeersuchens eine vom Antragsteller oder der Antragstellerin bereits in zulässiger Weise in die Wege geleitete Sachprüfung abzubrechen; erst recht gilt dies, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits eine sachliche Prüfung begonnen hatte, sofern man nicht ohnehin hierin die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bzw. ein Gebrauchmachen von der Souveränitätsklausel sehen will (vgl. zu Einzelheiten GK-AsylVfG § 27a Rn. 177). Andernfalls wäre ein wesentlicher Geltungsgrund des Dublinsystems selbst grundsätzlich infrage gestellt (a.A. etwa OVG Rheinl.-Pfalz., Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris, ohne sich aber mit dem Problem weiter auseinanderzusetzen), wobei die zentrale Bedeutung des Beschleunigungsgebots nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Fristenregime nach der VO (EU) 604/2013 (VO Dublin III) noch verschärft wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 UA 2).
27 
Hat daher der Antragsteller oder die Antragstellerin während der Zeit, während der die Bundesrepublik im Hinblick auf die Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens zuständig war, den Anspruch auf sachliche Prüfung geltend gemacht und insoweit eine zulässige und unmittelbar eine sachliche Entscheidung des Gerichts eröffnende Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben (vgl. hierzu noch unten) und damit in uneingeschränkter Konformität mit dem nationalen Verfahrensrecht, das insoweit selbst nicht in Widerspruch mit den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II steht, die Grundlage einer inhaltlichen Prüfung gelegt, kann der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ einer Verweigerung oder gar einem Abbruch der sachlichen Prüfung und der Stellung eines Aufnahmeersuchens während die Bundesrepublik Deutschland wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Aufnahmeersuchens noch zuständig ist, entgegenstehen. Bei dieser Ausgangslage würde sich nämlich bei einer typisierenden Betrachtungsweise der Zeitpunkt einer sachlichen Prüfung durch den anderen Mitgliedstaat in einer Weise verzögern, die dem Beschleunigungsanliegen des Dublinsystems grundlegend zuwiderliefe, da voraussetzungsgemäß eine Zustimmung des anderen Mitgliedstaats (noch) nicht vorliegt. Insoweit wird man ein subjektives Recht auf Unterlassen der Stellung eines Aufnahmeersuchens, jedenfalls aber einer späteren Überstellung, nicht verneinen können. Wurde hingegen im vorgenannten Sinn die Grundlage für eine sachliche Prüfung während der Zuständigkeit der Bundesrepublik noch nicht gelegt, so ist zwar das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot grundsätzlich auch negativ berührt. Liegt jedoch mittlerweile eine Zustimmung des ersuchten (an sich unzuständigen) Mitgliedstaat vor, so kann im Falle einer zeitnahen Überstellung noch mit einer ebenfalls zumutbaren und zeitnahen Sachprüfung durch diesen gerechnet werden, zumal die Betroffenen ohnehin die bisherige Untätigkeit klaglos hingenommen hatten und sie es im Übrigen in der Hand haben, durch eine schnelle und zügige Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat das Verfahren zusätzlich zu beschleunigen. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass diese Untätigkeitsklage nach den allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus zu richten wäre und nicht auf die Verpflichtung zur Bescheidung oder gar die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 3 m.w.N.),
28 
Eine zulässige und eine gerichtliche Sachprüfung eröffnende Untätigkeitsklage (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) kann allerdings nicht vor Ablauf der für die Stellung eines Aufnahmeersuchens maßgeblichen Frist von drei Monaten (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II) erhoben werden (nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 bzw. 2 VO Dublin III beträgt die Freist nunmehr drei bzw. zwei Monate), wobei diese Frist zufällig identisch mit der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO ist. Ist die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden, weil die Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens abgelaufen ist, so ist allerdings schon aus verwaltungsorganisatorischen Gründen ein Beginn der Sachprüfung nicht unmittelbar geboten mit der Folge, dass für eine im Einzelfall zu bestimmende Übergangszeit noch ein zureichender Grund für eine Untätigkeit im Sinne des § 75 Satz 2 VwGO vorliegen wird. Das unionsrechtliche Beschleunigungsgebot wäre im Übrigen hier noch nicht im Kern berührt, wenn das Bundesamt noch unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens während der vorgenannten Übergangszeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Stellung eines Übernahmeersuchens nachholen würde, über dessen Erfolg oder Misserfolg dann ohnehin regelmäßig binnen zweier Monate Klarheit bestünde (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), und zwar ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen die auf eine Sachprüfung hinführende Untätigkeitsklage bereits erhoben hatten oder sie nunmehr erst noch erheben. Hatte der oder die Betreffende die Untätigkeitsklage bei Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens bzw. der des § 75 Satz 2 VwGO bereits erhoben, hat es das Verwaltungsgericht in der Hand, durch die Setzung einer angemessenen und ausreichenden Frist nach § 75 Satz 3 VwGO die zeitliche Dimension für die Möglichkeit einer Nachholung des Aufnahmeersuchens für die Bundesrepublik Deutschland zu konkretisieren. Bleibt die Bundesrepublik in dieser Übergangszeit untätig, d.h. stellt sie nicht ihrerseits unverzüglich ein Aufnahmeersuchen, so liegt kein zureichender Grund mehr vor mit der Folge, dass dann die Untätigkeitsklage uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 25).
29 
Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 3 VwGO zu oder läuft die Frist für die Beantwortung des Ersuchens ab (vgl. Art. 18 Abs. 7 VO Dublin II bzw. Art. 22 Abs. 7 VO Dublin III), so würde der ersuchte Mitgliedstaat noch zuständig und eine Überstellung wäre nach dem Regime von Dublin II (wie auch nach Dublin III) ungeachtet einer möglicherweise bereits erhobenen Untätigkeitsklage noch zulässig, eine gerichtliche Sachprüfung wäre durch einen nach wie vor bestehenden zureichenden Grund auch mit Blick auf das System bzw. den Mechanismus von Dublin gesperrt. Dies wäre jedoch spätestens dann nicht mehr der Fall, wenn die Bundesrepublik die Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung nach Art. 19 Abs. 4 VO Dublin II (Art. 28 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III) nunmehr fruchtlos verstreichen lassen würde mit der Folge, dass sie wieder für die Prüfung des Gesuchs zuständig geworden wäre.
30 
Ausgehend hiervon kann der Kläger bei der gegebenen Sachlage unter keinen Umständen für ihn günstige Schlussfolgerungen aus der Versäumung der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens herleiten, ungeachtet der Tatsache, dass er zu keinem Zeitpunkt eine Untätigkeitsklage erhoben hatte. Denn hier hatte die Bundesrepublik Deutschland das Übernahmeersuchen zwar nach Ablauf der Frist für die Stellung des Aufnahmeersuchens, aber noch unverzüglich nach deren Ablauf gestellt. Der Senat kann offen lassen, ob es eine absolute zeitliche Obergrenze für die Stellung eines (verspäteten) Übernahmeersuchens geben muss, auf die sich der oder die Betroffene auch berufen kann, selbst wenn er oder sie eine Untätigkeitsklage nicht erhoben hat oder erhebt. Allerdings wird dagegen sprechen, dass im Falle einer hier zu unterstellenden Untätigkeit des oder der Betroffenen infolge der sehr kurzen Beantwortungsfristen nach Stellung eines Übernahmeersuchens in einem solchen Fall ohnehin nur eine marginale weitere Verzögerung eintreten kann, die der oder die Betroffene aber bislang klaglos hingenommen hatte.
31 
Geht man davon aus, dass der Kläger in Italien schon einen Asylantrag gestellt hatte, so ergibt sich für ihn keine günstigere Sichtweise. Denn in diesem Fall war das Wiederaufnahmeersuchen der zweifellos unzuständigen Bundesrepublik nach Art. 20 VO Dublin II nicht fristgebunden. Für alle ab dem 01.01.2014 gestellten Wiederaufnahmeersuchen wäre aber mit Rücksicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III nunmehr eine Frist von zwei bzw. drei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III) einzuhalten, weshalb zukünftig die oben dargestellten Grundsätze ebenfalls gelten werden.
32 
Wenn teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis hier die Frist des Art. 17 Abs. 1 VO Dublin II analog angewandt wird (so etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 - 25 K 8830/13.A - juris), so sieht der Senat hierfür keine tragfähige Grundlage, fehlt es doch schon an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass eine durch einen Analogieschluss zu schließende systemwidrige Lücke vorliegen könnte, und nicht vielmehr eine politische Entscheidung des Normsetzers. Der Senat lässt auch offen, ob hier eine äußerste Grenze besteht, nach deren Überschreitung es der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots nicht mehr erlaubt wäre, den oder die Betroffene noch zu überstellen, und dann aufgrund eines Selbsteintritts auch eine Sachentscheidung treffen müsste, die auch von den Betroffenen durchgesetzt werden könnte. Denn diese Frage würde sich bei einer Stellung des Wiederaufnahmeersuchens nach - wie hier - nur vier Monaten schon von vornherein nicht stellen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall eine grundlegend andere Ausgangssituation, weil - mögliche systemische Mängel einmal hinweggedacht - es die Betroffenen, die voraussetzungsgemäß in dem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, durch eine zeitnahe Rückkehr dorthin in der Hand haben, eine baldige Sachentscheidung herbeizuführen. Von weiteren Ausführungen in diesem Zusammenhang sieht der Senat ab, da sich diese Fragen, wie dargelegt, nicht mehr stellen werden.
33 
Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 20 Abs. 2 VO Dublin II, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Bundesrepublik zurückgefallen. Nachdem das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 14.03.2013 die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte, ist, solange dieser Beschluss Bestand hat, der Lauf der Frist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gehemmt, falls sie überhaupt in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Frist nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II EuGH, Urteil vom 29.01.2009 - C-19/08, Petrosian - NVwZ 2009, 639, Rn. 53; vgl. auch GK-AsylVfG § 27a Rn. 227 ff.).
34 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II.
35 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - a.a.O.).
36 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
37 
Allerdings stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff.).
38 
Systemische Mängel sind solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber generell oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
39 
Wesentliche Kriterien für die zu treffende Feststellung, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413) hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
40 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30696/09, M.S.S. -, a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat auf Grund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 - Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31/18) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt. Hier sind die konkreten Anforderungen an die festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen.
41 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass diese Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
42 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Mängel des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren.
43 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Italien jedenfalls heute unter systemischen Mängeln leidet, die den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Italien einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein.
44 
aa) Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Italien durchaus ein ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahren installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine zweckentsprechende Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht.
45 
Zunächst ist festzuhalten, dass das eigentliche materielle Prüfungsverfahren selbst als effektiv beschrieben wird, keine wesentlichen strukturellen Mängel aufweist und zu einer durchaus zufriedenstellenden Schutzquote führt (vgl. UNHCR, UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 8 ff.).
46 
Das in Italien installierte Asyl- und Aufnahmeverfahren kann wie folgt beschrieben werden: Nach Einreichung des Asylantrags werden die Asylbewerber zunächst für maximal 35 Tage in den sog. CARA („Centri di Accoglienza per Richiendenti Asilo“) unterbracht. Teilweise werden allerdings Asylsuchende auch in den für Migranten, die nicht um Asyl nachgesucht haben, bereitgehaltenen Aufnahmeeinrichtungen (CDA - „Centri di Accoglienza“) aufgenommen. Im Anschluss hieran ist ein Übergang in das Aufnahmesystem SPRAR („Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugati“) vorgesehen, das nicht nur aus staatlichen Einrichtungen besteht, sondern aus einer Vielzahl von Unterkünften, die von den Kommunen, den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sowie von anderen Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen auch zahlreiche differenzierte Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Der regelmäßige Aufenthalt ist auf sechs Monate begrenzt, kann aber bis zu einem Jahr ausgedehnt werden (vgl. hierzu SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.; CIR und Ecre, Asylum Information Database, National Country Report Italy, November 2013, S. 43). Die Tatsache, dass das System offensichtlich nur funktionieren kann, weil der italienische Staat auf eine Palette nicht-staatlicher Ressourcen zurückgreifen kann, wobei es dabei aber auch zu unübersehbaren durch Informationsdefizite verursachten Koordinierungsproblemen gekommen ist, die erst in jüngster Zeit in Angriff genommen wurden (vgl. SFH, a.a.O., S. 12), ist unerheblich und führt zu keinem relevanten Mangel des italienischen Asylsystems. Denn aus der Sicht des Unionsrechts, namentlich des hierdurch geforderten Grundrechtsschutzes, ist gewissermaßen der Erfolg geschuldet, der auch auf eine Umsetzung eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips gründen kann.
47 
Nach einem positiven Abschluss des Verfahrens sind die international Schutzberechtigten grundsätzlich den italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sie erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung („Permesso di Soggiorno“), haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu den Leistungen des öffentlichen Gesundheitssystems (mit allen Mängeln und Defiziten, wie sie auch für die eigenen Staatsangehörigen gelten). Eine staatlich organisierte Unterbringung ist dabei nicht mehr vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa SFH, a.a.O., S. 22, 25; UNHCR, a.a.O., S. 14 f.).
48 
bb) Demgegenüber sind allerdings Mängel des Aufnahmeverfahrens sowie seines Vollzugs nicht zu übersehen, ohne dass - jedenfalls heute - diese Mängel insgesamt zu dessen weitgehender Funktionsunfähigkeit führen würden.
49 
Ein übereinstimmend beschriebener struktureller Mangel bestand darin, dass die Erstaufnahme nach einer Asylantragstellung bei der Questura erst dann erfolgte, wenn die offizielle förmliche Registrierung (sog. „verbalizzazione“) vorgenommen worden war. Zwischen beiden Akten konnte - im Wesentlichen aber nur in den Großstädten, insbesondere in Rom und Mailand - ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen, in dem wegen des noch fehlenden Zugangs zum Aufnahmesystem die Asylbewerber auf sich gestellt waren und daher konkret Obdachlosigkeit drohen konnte (vgl. SFH, a.a.O., S., 12; CIR und Ecre, a.a.O., S. 13 f.). Mittlerweile wurden allerdings die zuständigen Behörden im Sommer 2013 nach einer Intervention der EU-Kommission angewiesen, dass die Registrierung bereits bei der Stellung des Asylantrags zu erfolgen hat (vgl. SFH, a.a.O., S. 12). Nicht unbedenklich und schwer nachvollziehbar ist es auch, dass schon die Stellung des Antrags (und daher der Zugang zum gesamten Asylsystem) überhaupt von einigen Behörden zumindest davon abhängig gemacht wird, dass die Betroffenen eine Wohnbescheinigung bzw. eine Kontaktadresse vorlegen, jedenfalls soweit der Antrag nicht an der Grenze, insbesondere auf einem Flughafen gestellt wird. Allerdings werden von den zuständigen Behörden auch von Nichtregierungsorganisationen ausgestellte (teils „virtuelle“) Adressen akzeptiert, wobei vermutlich diese dann als eine Art Briefkasten fungieren (vgl. SFH, a.a.O., S. 11 f.; CIR und ECRE, a.a.O., S. 13).
50 
In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
51 
Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
52 
Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
53 
cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.
54 
dd) Dass die relevante Teilgruppe der Familien mit Kindern, zu der der Kläger nicht rechnet, besonders nachteilig betroffen wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. SFH (a.a.O, S. 41) berichtet sogar, dass Mütter mit Kindern vornehmlich durch kirchliche Stellen eher bevorzugt aufgenommen werden, es dann aber - bedingt durch die knappen Aufnahmekapazitäten - auch zu vorübergehenden Familientrennungen kommen könne (vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 13, wonach Familien und andere besonders verletzliche Personen vermehrt in den CARAs verblieben, aber jedenfalls untergebracht werden).
55 
Auch wenn kein förmliches System der Früherkennung besonders verletzlicher Personen in das italienische Asylsystem implementiert ist, so wird insgesamt deren Behandlung als zufriedenstellend beschrieben (CIR und ECRE, a.a.O., S. 33).
56 
ee) Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Die oben beschriebene rechtliche Situation dieses Personenkreises, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dieser den italienischen Staatsbürgern umfassend gleichgestellt ist, bedingt aber faktisch, dass die Betroffenen, was Unterkunft und Erzielung des Lebensunterhalts betrifft, ein Stück weit auf sich selbst gestellt sind. Sie können teilweise (mit nicht unerheblichen Wartezeiten) im SPRAR-System unterkommen, wobei im Hinblick auf die betriebene Vermehrung von Unterkunftsplätzen hier eine Verbesserung eintreten wird. Zudem stellen die Gemeinden und Kirchen bzw. den Kirchen nahestehende Organisationen landesweit (Not-)Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, a.a.O., 22, 27, 30). Auch wenn hier selbst Familien mit Kindern gelegentlich in Notunterkünften, Obdachloseneinrichtungen und Behelfssiedlungen unterkommen müssen und im Jahre 2012 rund 1700 international Schutzberechtigte (in Rom, Florenz und Mailand) in verlassenen bzw. besetzten Häusern lebten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 15; vgl. hierzu auch oben bb), davon gelegentlich auch Frauen, so kann insgesamt und landesweit gesehen nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Asylbewerber bei einem Verweis auf das Asylsystem Italiens im Falle der Anerkennung der Schutzberechtigung tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (SFH, a.a.O., S. 47 ff.). Es gibt nach allen verwerteten Erkenntnismitteln keinen Anhalt dafür, dass Asylbewerber von Einzelfällen abgesehen am Rande des Existenzminimums oder gar darunter leben müssten.
57 
Wenn die Situation psychisch Kranker (während des Asylverfahrens wie auch danach) als besonders prekär bezeichnet wird (vgl. SFH, a.a.O., S. 38), so bedarf es für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob insoweit ggf. regelhaft ein nicht befriedigter Schutz- und Betreuungsbedarf besteht, da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis rechnet. Im Übrigen ist der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem auch tatsächlich im Wesentlichen gewährleistet, wenn es auch bei der Erlangung der sog. Gesundheitskarte gelegentlich zu Problemen kommt, bis eine offizielle Wohnanschrift sowie eine Steuernummer mitgeteilt werden kann; hier werden aber auch „virtuelle Adressen“ akzeptiert (vgl. SFH, a.a.O., S. 49 f.). SFH beschreibt in diesem Zusammenhang eine unzureichende Informationslage der Flüchtlinge hinsichtlich der ihnen zustehenden Rechte; dieses Problem geht im Übrigen über den Aspekt der Gesundheitswesens hinaus und kann grundsätzlich alle Aspekte des Asylsystems betreffen (vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 14, 50 und 54).
58 
Diese Einschätzung des Senats, wonach systemische Mängel im Asylsystem Italiens nicht festgestellt werden können, steht im Einklang mit den jüngsten Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders.OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a.A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris).
59 
3. Sonstige zur Aufhebung der Abschiebungsanordnung vom 03.12.2012, die - anders als die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a AsylVfG - keine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 darstellt (vgl. GK-AufenthG § 59 Rn. 268), führende Mängel sind nicht ersichtlich. Auch ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er aus ganz speziellen und nur ihn individuell betreffenden Gründen in Italien einer unmenschlichen Behandlung etc. ausgesetzt sein könnte oder dass man sich in Italien seiner ohne Prüfung des Asylgesuchs und unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen könnte, und deshalb eine Rückführung nach Italien unzulässig wäre.
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung vor, weil eine weitergehende Schutzwirkung des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots als sie der Senat für richtig und geboten hält, offensichtlich ausscheiden muss.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198

Tenor

Das angegriffene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46

Diese Entscheidung wird zitiert ausblendenDiese Entscheidung wird zitiert


Diese Entscheidung zitiert ausblendenDiese Entscheidung zitiert


Tenor

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 20. Mai 2014 wird der Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2014 aufgehoben, soweit dieser die Abschiebung der Kläger nach Bulgarien anordnet.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge tragen die Kläger zu jeweils 1/10 und die Beklagte zu 1/2.

Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der jeweils festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen die Feststellung, dass ihnen aufgrund ihrer Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht, sowie gegen die Anordnung ihrer Abschiebung nach Bulgarien.

2

Die Kläger, Eltern und drei minderjährige Kinder, sind eigenen Angaben zufolge Staatenlose palästinensischer Volkszugehörigkeit aus Syrien. Nachdem sie Syrien im Jahre 2012 verlassen hatten und über die Türkei nach Bulgarien gelangt waren, wurde ihnen dort mit Entscheidung vom 26. Februar 2013 subsidiärer Schutz gewährt. Im November 2013 reisten die Kläger auf dem Landweg über Rumänien, Ungarn und Österreich weiter in die Bundesrepublik Deutschland, wo sie am 29. November 2013 einen Asylantrag stellten.

3

Ein vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 22. Januar 2014 an die bulgarische Staatliche Flüchtlingsverwaltung gestelltes Wiederaufnahmegesuch lehnte diese mit Schreiben vom 10. Februar 2014 ab. Aufgrund des den Klägern in Bulgarien bereits gewährten subsidiären Schutzes seien die Wiederaufnahmeregelungen der Dublin III-Verordnung vorliegend nicht anwendbar. Zuständige bulgarische Behörde sei vielmehr die dortige Grenzpolizei.

4

Mit Bescheid vom 27. Februar 2014 stellte das Bundesamt fest, dass den Klägern aufgrund ihrer Einreise aus Bulgarien als einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zustehe, und ordnete deren Abschiebung nach Bulgarien an.

5

Am 4. April 2014 hat die bulgarische Grenzpolizei einer Übernahme der Kläger im Rahmen des deutsch-bulgarischen Rückübernahmeabkommens zugestimmt.

6

Das Verwaltungsgericht Trier hat die gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. Februar 2014 erhobene Klage mit Urteil vom 20. Mai 2014 – 1 K 483/14.TR – abgewiesen. Rechtsgrundlage für die Feststellung, dass den Klägern kein Asylrecht zustehe, sei § 26a AsylVfG. Europarechtliche Bestimmungen stünden dessen Anwendung vorliegend nicht entgegen. Bulgarien sei, wenn auch die dortigen Lebensbedingungen schlechter und unsicherer seien als die in der Bundesrepublik, ein sicherer Drittstaat im Sinne der Vorschrift.

7

Gegen das am 26. Mai 2014 zugestellte Urteil haben die Kläger am 25. Juni 2014 die Zulassung der Berufung beantragt. Die mit Beschluss des Senats vom 27. November 2014 – 1 A 10586/14.OVG –, der Prozessbevollmächtigten der Kläger zugestellt am 3. Dezember 2014, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung haben die Kläger am 2. Januar 2015 begründet.

8

Sie machen geltend, dass auf den vorliegenden Fall noch die Dublin II-Verordnung zur Anwendung gelange. Da ihnen in Bulgarien lediglich subsidiärer Schutz gewährt worden sei, seien ihre Asylanträge im Sinne der Dublin II-Verordnung erfolglos geblieben, weshalb § 26a AsylVfG keine Anwendung finde. Zudem sei Bulgarien wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens auch kein sicherer Drittstaat im Sinne des § 26a AsylVfG. Überdies stehe einer Abschiebung nach dort entgegen, dass der Kläger 1) an einer psychovegetativen Störung leide und die minderjährigen Kläger 3) – 5) besonders schutzwürdig und in besonderem Maße auf den Zugang zu medizinischer Behandlung, Unterbringung und Bildung angewiesen seien.

9

Die Kläger beantragen,

10

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 20. Mai 2014 den Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2014 aufzuheben.

11

Die zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienene Beklagte hat schriftsätzlich den Antrag angekündigt,

12

die Berufung zurückzuweisen.

13

Sie bezieht sich im Wesentlichen auf den angefochtenen Bescheid und das erstinstanzliche Urteil.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie die Verwaltungsakte der Beklagten (1 Heft) Bezug genommen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

15

Die Berufung, über die der Senat nach entsprechendem Hinweis in der Ladung gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) trotz des Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden konnte, ist begründet, soweit das Verwaltungsgericht die Klage gegen die Abschiebungsanordnung abgewiesen hat (II.), im Übrigen ist sie unbegründet (I.).

16

I. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die in Ziffer 1 des Bescheides vom 27. Februar 2014 getroffene Feststellung, dass den Klägern in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht, zu Recht abgewiesen.

17

1. Nach § 26a Abs. 1 Sätze 1 und 2 Asylgesetz (AsylG; bis zum 23. Oktober 2015: Asylverfahrensgesetz – AsylVfG –) kann sich ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) – sog. sicherer Drittstaat – eingereist ist, nicht auf Artikel 16a Abs. 1 GG berufen; er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Wird der Asylantrag nur nach § 26a AsylG abgelehnt, so ist gemäß § 31 Abs. 4 Satz 1 AsylG lediglich festzustellen, dass dem Ausländer aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht. So ist es vorliegend zu Recht geschehen.

18

a. Einer Anwendung des § 26a AsylG steht nicht bereits § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylG entgegen, wonach § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylG u. a. dann nicht gilt, wenn die Bundesrepublik Deutschland aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Eine solche Zuständigkeit der Beklagten ist nämlich nicht begründet worden.

19

Die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats erfolgt vorliegend gemäß Art. 49 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L 180 S. 31 – Dublin III-VO) vom Grundsatz her nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (ABl EG L 50 S. 1 – Dublin II-VO), da der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland noch vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden ist (vgl. dazu näher BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 C 7/13 –, juris, Rn. 27).

20

Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin II-VO ist zunächst Bulgarien als der Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig geworden, dessen Grenze die Kläger aus einem Drittstaat – hier der Türkei – kommend im Jahr 2012 illegal überschritten haben. Die so begründete Zuständigkeit endete zwar gemäß Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts, jedoch hat Bulgarien den Klägern mit Entscheidung vom 26. Februar 2013 subsidiären Schutz gewährt und damit seine weitere Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrages gemäß Art. 9 Abs. 1 Dublin II-VO begründet.

21

Für einen späteren Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte ist nichts ersichtlich. Insbesondere ergibt sich hierfür nichts aus der Dublin III-VO, welche nach ihrem Art. 49 Abs. 2 für das nach dem 1. Januar 2014 gestellte Wiederaufnahmeersuchen an Bulgarien jedenfalls im Hinblick auf das zu beachtende Verfahren maßgeblich ist (vgl. näher BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014, a. a. O., m. w. N.). Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO legt zwar fest, dass in den Fällen eines vom ersuchten Mitgliedstaat akzeptierten Wiederaufnahmegesuchs die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat übergeht, wenn die Überstellung des Asylbewerbers an den ersuchten Staat nicht innerhalb der in Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO vorgesehenen Frist von sechs Monaten erfolgt. Vorliegend fehlt es jedoch bereits an einer Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch Bulgarien. Die dortige Staatliche Flüchtlingsverwaltung hat eine Rückübernahme der Kläger nach den Regelungen der Dublin III-VO vielmehr mit Schreiben von 10. Februar 2014 unter Hinweis auf den in Bulgarien bereits gewährten subsidiären Schutz ausdrücklich abgelehnt und auf eine Zuständigkeit der Grenzpolizei verwiesen.

22

b. Die angefochtene behördliche Feststellung ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil § 27a AsylG als speziellere Regelung einer Anwendung des § 26a AsylG entgegenstünde. Nach § 27a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

23

Vorliegend bedarf die Frage einer eventuellen Konkurrenz zwischen den beiden Vorschriften jedoch keiner vertieften Betrachtung. § 26a Abs. 1 AsylG i. V. m. Art. 16a Abs. 2 Satz 1 / 1. Alt. GG erfasst tatbestandlich ebenso wie § 27a / 1. Alt. AsylG die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft. Während Art. 27a AsylG als unmittelbare Rechtsfolge der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates aufgrund von Rechtvorschriften der Europäischen Gemeinschaft eine Ablehnung des Asylantrages als unzulässig vorsieht, ist im Falle einer Ablehnung nach § 26a Abs. 1 i. V. m. § 31 Abs. 4 Satz 1 AsylG festzustellen, dass dem Ausländer aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat – hier: einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 / 1. Alt. GG) – kein Asylrecht zusteht. Beide Normen sehen mithin insoweit auf der Tatbestandseite einen konkreten Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat vor und auf der Rechtsfolgenseite, dass der Asylantrag wegen des jeweiligen Drittstaatenbezugs nicht inhaltlich geprüft werden soll. Dies setzt europarechtlich in dem einen wie auch in dem anderen Falle voraus, dass in dem betreffenden Mitgliedstaat keine sog. systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen gegeben sind, aufgrund derer der Asylbewerber Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden (vgl. dazu näher EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 –, und BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 – 1 C 32/14 –, beide in juris, sowie etwa BeckOK/Günther AsylG § 26a Rn. 9). Neben der insoweit gegebenen Identität in Tatbestand und Rechtsfolgen im Falle der – hier wie bereits unter 1. a. dargelegt vorliegenden – Einreise aus einem aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat sind auch die weiteren Rechtsfolgen der §§ 26a und 27a AsylG gemäß § 34a AsylG identisch. Nach alledem wären die Kläger auch im Falle einer die Anwendung des § 26a AsylG ausschließenden Spezialität des § 27a AsylG durch die hier nach § 26a AsylG getroffene Feststellung, dass ihnen kein Asylrecht zusteht, jedenfalls nicht in ihren Rechten verletzt.

24

c. Einer Anwendbarkeit des § 26a AsylG steht des Weiteren nicht der Umstand entgegen, dass den Klägern vor ihrer Einreise in die Bundesrepublik bereits in Bulgarien mit Entscheidung vom 26. Februar 2013 subsidiärer Schutz gewährt worden war.

25

Das Konzept sicherer Drittstaaten beruht auf dem Gedanken, dass in Deutschland keine Schutzwürdigkeit besitzt, wer in einem sicheren Drittstaat Schutz hätte finden können (BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938.93, juris Rn. 157 m. w. N.). Daraus wird vereinzelt gefolgert, die Drittstaatenregelung sei nur auf noch nicht schutzberechtigte Personen anwendbar (VG Aachen, Beschluss vom 11. März 2015 – 5 L 736/14.A –, juris, und Funke-Kaiser, Asylmagazin 2015, S. 148 ff.).

26

Nach ganz überwiegender Auffassung (vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 11. Mai 2015 – 14 A 926/15 –, VG Berlin, Urteil vom 20. November 2015 – 23 K 864/14.A –, VG Aachen, Urteil vom 28. Oktober 2015 – 8 K 299/15.A –, VG Ansbach, Urteil vom 25. Juni 2015 – AN 3 K 14.30864 –, VG Düsseldorf, Urteil vom 3. Juni 2015 – 13 K 1028/15.A –, VG München, Beschluss vom 22. Juli 2015 – M 12 S 15.30952 –, VG Magdeburg, Urteil vom 6. August 2015 – 3 A 120/15 MD –, alle in juris, sowie Bender/Bethke, Asylmagazin 2013, 358, und BeckOK AuslR/Günther, AsylG § 27a Rn. 9), der sich auch der Senat anschließt, steht die Gewährung von subsidiärem Schutz der Anwendbarkeit des § 26a AsylG jedoch nicht entgegen. Hierfür spricht zum einen, dass Fallgestaltungen der vorliegenden Art vom Wortlaut der Vorschrift ohne weiteres erfasst werden. Zum anderen verlangen auch nicht etwa Sinn und Zweck des § 26a AsylG, dessen Anwendungsbereich auf die Fälle zu beschränken, in denen der sichere Drittstaat noch keinen Schutz gewährt hat. Wenn nach dem Konzept der Drittstaatenregelung in Deutschland derjenige keine Schutzbedürftigkeit besitzt, der in einem sicheren Drittstaat Schutz hätte finden können, muss dies erst recht für den gelten, der dort sogar bereits Schutz gefunden hat.

27

Etwas anderes ergibt sich insoweit auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach vor dem 20. Juli 2015 gestellte Asylanträge nicht allein deshalb als unzulässig behandelt werden dürfen, weil dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat bereits subsidiärer Schutz gewährt worden ist (Beschluss vom 23. Oktober 2015 – 1 B 41.15 –, juris). Diese verhält sich nicht zur Ablehnung eines Asylantrages nach der Drittstaatenregelung des § 26a AsylG, sondern „zum Umfang der aus § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abzuleitenden Unzulässigkeit eines materiellen Prüfverfahrens“. Die hierzu angestellten Erwägungen lassen sich nicht auf die Drittstaatenregelung übertragen, nach der der Antrag nicht als unzulässig abgelehnt, sondern nur festgestellt wird, dass dem Ausländer aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht. § 26a AsylG, der erst nach der erstmaligen Regelung des Abschiebungsschutzes für die außerhalb des Bundesgebietes anerkannten Flüchtlinge (vgl. § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Ausländergesetzes 1990) in Kraft getreten ist, stellt eine speziellere Regelung für eine Teilmenge der von § 60 Abs. 1 AufenthG erfassten Personengruppe dar, nämlich die der aus einem sicheren Drittstaat eingereisten Ausländer (vgl. zum Ganzen auch VG Berlin, Urteil vom 20. November 2015 – 23 K 864.14 A –, juris, m. w. N.).

28

d. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des sonach vom Grundsatz her hier anwendbaren § 26a Abs. 1 AsylG sind erfüllt; die Kläger sind aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 GG in die Bundesrepublik Deutschland eingereist.

29

Dabei kann die in der jüngsten Rechtsprechung umstrittene Frage offen bleiben, ob es sich bei Bulgarien um einen sicheren Drittstaat in diesem Sinne handelt (so etwa VG Magdeburg, Gerichtsbescheid vom 23. November 2015 – 7 A 278/14 –, VG Schleswig, Urteil vom 29. Oktober 2015 – 12 A 286/15 – , VG Ansbach, Urteil vom 7. Oktober 2015 – AN 11 K 15.50067 –, VG Düsseldorf, Urteil vom 18. September 2015 – 13 K 2288/15.A –, alle in juris) oder aber die durch § 26a Abs. 1 AsylG i. V. m. Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG begründete Vermutung, dass die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Grundrechtecharta der Europäischen Union in den Mitgliedstaaten der EU sichergestellt ist, aufgrund systemischer Mängel des bulgarischen Asylverfahrens und der dortigen Aufnahmebedingungen als widerlegt gelten muss (so etwa VG Köln, Urteil vom 26. November 2015 – 20 K 712/15.A –, VG Oldenburg, Urteil vom 4. November 2015 – 12 A 498/15 – und VG Münster, Urteil vom 22. Oktober 2015 – 8 K 436/15.A –, sowie in Bezug auf bestimmte Personengruppen z. B. VG Meiningen, Urteil vom 7. Oktober 2015 – 5 K 20146/14 Me – VG Schleswig, Urteil vom 1. Oktober 2015 – 12 A 229/15 – und VG München, Urteil vom 12. August 2015 – M 16 K 14.50547 –, alle in juris).

30

Auch wenn es sich bei Bulgarien nicht um einen sicheren Drittstaat im Sinne des § 26a Abs. 1 AsylG handeln sollte, wären die Kläger gleichwohl über einen solchen eingereist. Nach ihrem eigenen Vorbringen (vgl. dazu die Niederschriften über die persönlichen Gespräche am 22. November und am 2. Dezember 2013, Bl. 47 ff. und 127 ff. der Verwaltungsakte) sind sie nämlich von Bulgarien aus mit dem PKW über Rumänien, Ungarn und Österreich in das Bundesgebiet gelangt. Jedenfalls Österreich ist unstreitig ein sicherer Drittstaat nach § 26a Abs. 1 AsylG. Bereits dort hätten die Kläger die Möglichkeit gehabt, mit der Begründung, dass es sich bei Bulgarien nicht um einen sicheren Drittstaat handele, um Schutz nachzusuchen.

31

e. Der Beklagten ist es schließlich auch nicht wegen einer die Grundrechte der Kläger beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer (vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 – 1 C 34/14 –, juris) verwehrt, sich auf § 26a AsylG zu berufen.

32

Das Verwaltungsverfahren hat vorliegend von der Asylantragstellung am 29. November 2013 bis zum Zustellung des hier streitgegenständlichen Bescheides vom 27. Februar 2014 am 7. März 2014 nur wenig länger als 3 Monate gedauert und weist daher jedenfalls für sich genommen keine Überlänge auf.

33

Eine solche ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Dauer des gerichtlichen Verfahrens. Deren Einbeziehung zu Lasten der Beklagten erscheint jedenfalls dann nicht geboten, wenn der Asylbewerber – wie hier in Bezug auf Ziffer 1 des Bescheides vom 27. Februar 2014 der Fall – eine rechtmäßige Verwaltungsentscheidung angreift. Denn in diesem Fall hat bei normativer Betrachtung nicht die Beklagte die Ursache für die lange Verfahrensdauer gesetzt, sondern der Schutzsuchende, der es selbst in der Hand hat, die Prüfung seines Antrages dadurch voranzutreiben, dass er sich freiwillig in den hierfür zuständigen Mitgliedstaat begibt. Zudem bestünde anderenfalls die Gefahr, dass derjenige, der sich gegen eine rechtmäßige Behördenentscheidung u. U. jahrelang gerichtlich zur Wehr setzt, aufgrund § 77 Abs. 1 AsylG im Endeffekt unbilligerweise besser gestellt wird als der, der die rechtmäßige Entscheidung akzeptiert und sich danach verhält.

34

II. Aufzuheben ist demgegenüber die in Ziffer 2 des Bescheides vom 27. Februar 2014 ausgesprochene Anordnung der Abschiebung nach Bulgarien.

35

Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet, wenn ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylG) abgeschoben werden soll, das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

36

Nach dieser Vorschrift ist es allein Aufgabe des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, zu prüfen, ob „feststeht“, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 1795/14 –, juris, m. w. N.).

37

Zu den tatsächlichen Vollzugshindernissen, die einen Duldungsanspruch auslösen, gehört der Umstand, dass die Abschiebung aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Fehlende Übernahmebereitschaft des Staates, in den abgeschoben werden soll, ist ein solcher Umstand. Da die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht etwa nur zu unterlassen ist, wenn ein solcher Duldungsgrund vorliegt, sondern erst ergehen kann, wenn der Duldungsgrund ausgeschlossen ist („feststeht, dass sie durchgeführt werden kann“), muss die Übernahmebereitschaft positiv geklärt sein (vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 28. April 2015 – 14 B 502/15.A –, juris, m. w. N.).

38

Daran fehlt es hier in Bezug auf Bulgarien unabhängig davon, ob einer Abschiebung nach dort nicht bereits systemische Mängel des bulgarischen Asylwesens entgegenstünden (s. o.), bereits deshalb, weil die Durchführbarkeit auch im Hinblick auf die Übernahmebereitschaft des bulgarischen Staates ungeklärt ist.

39

Die bulgarische Staatliche Flüchtlingsverwaltung hat die auf der Grundlage der Dublin II-VO gestellten Übernahmeersuchen der Beklagten vom 22. Januar 2014 mit Schreiben vom 10. Februar 2014 abgelehnt, weil aufgrund des in Bulgarien bereits gewährten subsidiären Schutzes die Wiederaufnahmeregelungen der Dublin III-Verordnung vorliegend nicht anwendbar seien, und auf die Zuständigkeit der bulgarischen Grenzpolizei verwiesen. Die bulgarische Grenzpolizei hat sodann auf entsprechenden Antrag des Bundespolizeipräsidiums mit Schreiben vom 4. April 2014 zwar einer Übernahme der Kläger im Rahmen des deutsch-bulgarischen Rückübernahmeabkommens zugestimmt. Im gemäß § 77 Abs. 1 AsylG für die der Entscheidung des Senats zugrunde zu legende Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung steht jedoch nicht (mehr) fest, dass diese Übernahme (noch) durchführbar ist.

40

Nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 des deutsch-bulgarischen Abkommens über die Übernahme und Durchbeförderung von Personen (Rückübernahmeabkommen) vom 7. März 2006 (BGBl. II, S. 259) hat die Übernahme unverzüglich, spätestens innerhalb einer Frist von drei Monaten, nachdem die ersuchte Vertragspartei der Übernahme zugestimmt hat, zu erfolgen. Diese Frist wird zwar gemäß Satz 2 der Vorschrift auf Antrag der ersuchenden Vertragspartei im Falle rechtlicher oder tatsächlicher Hindernisse für die Übergabe verlängert. Vorliegend ist jedoch die Dreimonatsfrist Anfang Juli 2014 abgelaufen, ohne dass die Beklagte auch nur einen Antrag auf deren Verlängerung gestellt, geschweige denn rechtliche oder tatsächliche Hindernisse für die Übergabe geltend gemacht hätte.

41

Danach erscheint im gemäß § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung jedenfalls ungeklärt, ob eine Übernahmebereitschaft Bulgariens trotz alledem noch besteht.

42

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 83b AsylG; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

43

IV. Gründe, aus denen gemäß § 132 Abs. 2 VwGO die Revision zuzulassen wäre, liegen nicht vor.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30. Juni 2011 - A 1 K 3583/09 - geändert. Die Klagen werden abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des - gerichtskostenfreien - Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger begehren ihre Anerkennung als Asylberechtigte.
Die am 11.3.1973 geborene Klägerin 1 und ihre vier zwischen 1994 und 2004 geborenen Kinder, die Kläger 2 bis 5, sind nach ihren Angaben russische Staatsangehörige. Sie reisten am 24.4.2009 über Polen in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten am 23.6.2009 ihre Anerkennung als Asylberechtigte.
Aufgrund eines Vergleichs der Fingerabdrücke der Kläger stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) fest, dass die Kläger bereits zuvor am 27.3.2009 in Polen einen Asylantrag gestellt hatten. Auf ein deshalb am 17.6.2009 gestelltes Übernahmeersuchen erklärten die polnischen Behörden mit Schreiben vom 18.6.2009 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge der Kläger gemäß Art. 16 Abs. 1 Dublin II-VO.
Mit Schreiben vom 1.9.2009 beantragte der Verfahrensbevollmächtigte der Kläger, das Asylverfahren in Deutschland durchzuführen, da die Klägerin 1 unter einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie unter Depressionen leide und deshalb auf die Unterstützung von Familienangehörigen angewiesen sei. In Köln lebten mehrere Verwandte, darunter der Bruder der Klägerin, der durch Bescheid vom 24.4.2003 als „politischer Flüchtling“ anerkannt worden sei. Mit Schreiben vom 14.9.2009 legte der Verfahrensbevollmächtigte der Kläger ferner eine fachärztliche Stellungnahme vor, aus der sich mit hinreichender Deutlichkeit ergebe, dass die Klägerin 1 dringend der Unterstützung durch nahe Familienangehörige bedürfe. In dem Schreiben wurde ferner mitgeteilt, dass die in Köln lebende Mutter der Klägerin ebenfalls als „politischer Flüchtling“ im Bundesgebiet anerkannt worden sei.
Mit Bescheid vom 8.9.2009 erklärte das Bundesamt die Asylanträge der Kläger für unzulässig und ordnete die Abschiebung der Kläger nach Polen an. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Asylanträge seien gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Polen aufgrund der dort bereits gestellten Asylanträge für deren Bearbeitung zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.
Im November 2009 wurden die Kläger nach Polen überstellt, am 3.12.2009 wurde ihnen der Bescheid vom 8.9.2009 zugestellt.
Die Kläger haben am 9.12.2009 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben und beantragt, den Bescheid des Bundesamts vom 8.9.2009 aufzuheben. Zur Begründung ließen sie vortragen, die Klägerin 1 leide unter einer posttraumatischen Belastungsstörung als Folge einer in ihrem Heimatland erlittenen politischen Verfolgung und sei deswegen von Mai bis Juni (in Deutschland) stationär behandelt worden. Sie sei aus diesem Grund in besonderem Maße auf die Unterstützung ihrer Mutter, die als „politischer Flüchtling“ in Deutschland lebe, sowie auf die Unterstützung anderer Familienangehörigen angewiesen. Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO sehe in einem solchen Fall die Abweichung von den Zuständigkeitskriterien aus humanitären Gründen vor. Bei den Familienangehörigen der Kläger handele es sich zwar nicht um „Familienangehörige“ im Sinne des Art. 2 Buchst. i) Dublin II-VO. Der Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO sei jedoch nicht auf die Kernfamilie beschränkt, sondern beziehe sich auf alle Familienangehörigen im Sinne des Art. 8 EMRK. Auf Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO sowie auf die Möglichkeit des Selbsteintritts gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO könnten die Kläger sich berufen. Die Kläger hätten zumindest Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Ausübung des Selbsteintrittsrechts.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Mit Urteil vom 30.6.2011 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Bescheid des Bundesamts vom 8.9.2009 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der angegriffene Bescheid sei rechtswidrig und verletzte daher die Kläger in ihren Rechten. Nach § 27a AsylVfG sei ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei. Eine nach Art. 16 Dublin II-VO gegebene Zuständigkeit reiche indessen allein nicht aus, um den Asylantrag unzulässig zu machen. Vielmehr sei auch zu prüfen, ob humanitäre Gründe im Sinne des Art. 15 dieser Verordnung vorlägen und daher das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 dieser Verordnung auszuüben sein könnte, wobei nach § 77 Abs. 1 AsylVfG auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen sei. Im Fall der Kläger lägen humanitäre Gründe nach Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO vor, aufgrund deren die Beklagte das Selbsteintrittsrecht auszuüben habe. Nach dieser Bestimmung entschieden die Mitgliedstaaten in Fällen, in denen die betroffene Person wegen einer schweren Krankheit auf die Unterstützung der anderen Person angewiesen sei, im Regelfall, den Asylbewerber und den anderen Familienangehörigen, der sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhalte, nicht zu trennen bzw. sie zusammenführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden habe. Die Klägerin 1 leide, wie sich zuletzt aus der Bescheinigung der Medizinischen Station der polnischen Ausländerbehörde vom 16.6.2010 ergebe, an einer schweren Krankheit, nämlich an einem depressiven Syndrom mit Konversionskomponente, wegen dem sie in ständiger psychiatrischen Behandlung sei. Aus dieser Bescheinigung ergebe sich auch, dass die Klägerin 1 insbesondere der Unterstützung ihrer hier als Flüchtling anerkannten Mutter bedürfe, da dort ausgeführt werde, dass sich das „Funktionieren“ bessern würde, wenn die Klägerin 1 im Kreis ihrer Nächsten leben könnte. Auch die weitere tatbestandliche Voraussetzung, dass die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden haben müsse, sei gegeben. Denn damit sei allein gemeint, dass das entsprechende Verwandtschaftsverhältnis bereits bestanden haben müsse, was hier unzweifelhaft zu bejahen sei. Für eine Atypik sei nichts ersichtlich oder dargetan. Eine Trennung der Kläger 2 bis 5 von der Klägerin 1 verbiete sich in Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG.
10 
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 25.3.2013 zugelassene Berufung der Beklagten. Zu deren Begründung macht die Beklagte geltend, aus der Dublin II-Verordnung ergäben sich keine subjektiven Rechte des Asylbewerbers. Ein Recht auf Durchführung des Asylverfahrens in einem bestimmten Land bestehe daher nicht.
11 
Die Beklagte beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30.6.2011 - A 1 K 3583/09 - zu ändern und die Klagen abzuweisen.
13 
Die Kläger beantragen,
14 
die Berufung zurückzuweisen.
15 
Sie verteidigen das angefochtene Urteil.
16 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Verwaltungsgerichts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
17 
Der Senat konnte gemäß § 102 Abs. 2 VwGO trotz des Ausbleibens der Kläger sowie eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung über die Sache verhandeln und entscheiden. Die Beteiligten sind ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
18 
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Klagen zu Unrecht stattgegeben. Der angefochtene Bescheid, mit dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Asylanträge der Kläger als unzulässig abgelehnt und ihre Abschiebung nach Polen angeordnet hat, ist rechtmäßig und verletzt die Kläger daher nicht in ihren Rechten.
19 
Die Entscheidung über die Asylanträge der Kläger stützt sich auf § 27a AsylVfG. Nach dieser - durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 in das Asylverfahrensgesetz eingefügten - Bestimmung ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Nach § 31 Abs. 6 AsylVfG wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Soll der Ausländer in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt ferner gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
20 
Die angefochtene Entscheidung des Bundesamts ist danach nicht zu beanstanden. Der für die Durchführung der Asylverfahren der Kläger zuständige Staat ist nicht die Bundesrepublik Deutschland, sondern die Republik Polen.
21 
1. Die Frage, welcher Mitgliedstaat der Europäischen Union für die Durchführung der Asylverfahren der Kläger zuständig ist, bestimmt sich nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.2.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (im Folgenden: Dublin II-VO). Die Dublin II-Verordnung ist zwar zum 19.7.2013 aufgehoben und durch die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 (im Folgenden: Dublin III-VO) ersetzt worden. Die Dublin III-Verordnung findet jedoch gemäß ihrem Art. 49 Abs. 2 Satz 1 nur auf Asylanträge Anwendung, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten gestellt werden. Für vor diesem Datum gestellte Asylanträge erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO auch weiterhin nach den Kriterien der Dublin II-Verordnung.
22 
2. Der nach den Kriterien der Dublin II-Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist die Republik Polen.
23 
Für den Fall, dass auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den in Art. 18 Abs. 3 Dublin II-VO genannten Verzeichnissen festgestellt wird, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, ist gemäß Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Da die Kläger unstreitig über Polen eingereist sind und dort auch vor ihrer Weiterreise nach Deutschland Anträge auf Asyl gestellt hatten, ist nach dieser Vorschrift die Republik Polen für die Prüfung der Asylanträge der Kläger zuständig.
24 
Der Umstand, dass die Mutter und der Bruder der Klägerin 1 in Deutschland leben und beide als Asylberechtigte anerkannt worden sind, ändert daran nichts. Hat der Asylbewerber einen Familienangehörigen, dem das Recht auf Aufenthalt in einem Mitgliedstaat in seiner Eigenschaft als Flüchtling gewährt wurde, so ist zwar gemäß Art. 7 Dublin II-VO dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, sofern die betroffenen Personen dies wünschen. Nach Art. 2 Buchst. i) Dublin II-VO sind „Familienangehörige“ im Sinne dieser Vorschrift aber nur der Ehegatte (oder unter bestimmten Voraussetzungen der nicht verheiratete Partner), die minderjährigen Kinder, sofern diese ledig und unterhaltsberechtigt sind, sowie bei unverheirateten minderjährigen Antragstellern der Vater, die Mutter oder der Vormund des Antragstellers. Die Mutter und der Bruder der Klägerin 1 gelten somit nicht als „Familienangehörige“ der Kläger im Sinne des Art. 7 Dublin II-VO.
25 
Der zur Prüfung des Asylantrags zuständige Mitgliedstaat ist nach Art. 16 Abs. 1 Dublin II-VO gehalten, einen Asylbewerber, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, aufzunehmen (Buchst. a) und die Prüfung des Asylantrags abzuschließen (Buchst. b). Auf das mit Schreiben vom 17.6.2009 gestellte (Wieder-)Aufnahmegesuch haben dementsprechend die polnischen Behörden mit Schreiben vom 18.6.2009 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge der Kläger erklärt.
26 
3. Das Verwaltungsgericht ist der Meinung, eine nach Art. 16 Dublin II-VO gegebene Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union reiche nicht aus, um einen Asylantrag im Sinne des § 27a AsylVfG unzulässig zu machen. Vielmehr sei auch zu prüfen, ob humanitäre Gründe im Sinne des Art. 15 Dublin II-VO vorlägen und daher das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO auszuüben sein könnte, wobei nach § 77 Abs. 1 AsylVfG auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen sei. Im Fall der Kläger lägen humanitäre Gründe nach Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO vor, aufgrund deren die Beklagte das Selbsteintrittsrecht auszuüben habe. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
27 
a) Nach Art. 15 Abs. 1 Dublin II-VO kann jeder Mitgliedstaat aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, Familienmitglieder und andere abhängige Familienangehörige zusammenführen, auch wenn er dafür nach den Kriterien dieser Verordnung nicht zuständig ist. In diesem Fall prüft jener Mitgliedstaat auf Ersuchen eines anderen Mitgliedstaats den Asylantrag der betroffenen Person. Die betroffenen Personen müssen dem zustimmen. Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO bestimmt ferner, dass in Fällen, in denen die betroffene Person wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, einer schweren Krankheit, einer ernsthaften Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung der anderen Person angewiesen ist, die Mitgliedstaaten im Regelfall entscheiden, den Asylbewerber und den anderen Familienangehörigen, der sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhält, nicht zu trennen bzw. sie zusammenführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat. Unabhängig von diesen Regelungen kann nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO jeder Mitgliedsstaat einen bei ihm eingereichten Asylantrag prüfen (sogenanntes Selbsteintrittsrecht) mit der Folge, dass er dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat wird und die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen übernimmt.
28 
b) Die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO, unter denen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 6.11.2012 - C-245/11 - NVwZ-RR 2013, 69) ein nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin II-Verordnung nicht für die Prüfung eines Asylantrags zuständiger Mitgliedstaat zuständig wird, sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.
29 
Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO ist im Zusammenhang mit der allgemeineren Regelung in Art. 15 Abs. 1 Dublin II-VO zu sehen. Art. 15 Abs.1 Dublin II-VO ist eine fakultative Bestimmung, die den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen bei der Entscheidung einräumt, ob sie aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, Familienmitglieder und andere abhängige Familienangehörige „zusammenführen“. Durch Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO wird dieses Ermessen in der Weise eingeschränkt, dass die Mitgliedstaaten, wenn die dort genannten Voraussetzungen vorliegen, den Asylbewerber und den anderen Familienangehörigen „im Regelfall … nicht … trennen“. Der Anwendung dieser Vorschrift im Fall der Kläger steht nicht entgegen, dass sowohl die Mutter der Klägerin 1 als auch deren Bruder keine „Familienangehörigen“ im Sinne des Art. 2 Buchst. i) Dublin II-VO sind, da beide unter den in Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO verwendeten Begriff „anderer Familienangehöriger“ fallen, der in Anbetracht der humanitären Zielsetzung der Regelung sowie im Hinblick auf die verschiedenen und zum Teil voneinander abweichenden Sprachfassungen dieser Vorschrift dahin zu verstehen ist, dass er außer den „Familienangehörigen“ im Sinne des Art. 2 Buchst. i) Dublin II-VO auch andere Familienmitglieder umfasst (EuGH, Urt. v. 6.11.2012, a.a.O.; im Ergebnis ebenso OVG Niedersachsen, Urt. v. 4.7.2012 - 2 LB 163/10 - Juris; Hailbronner, Ausländerrecht, § 27a AsylVfG, Rn. 68 f; Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, § 27a Rn. 158, 165 ff; Marx, AsylVfG, 7. Aufl., § 27a Rn. 55). Der Umstand, dass die Mutter und der Bruder der Klägerin 1 bereits seit 2000 bzw. 2001 in Deutschland leben, während die Klägerin 1 und ihre Kinder ihr Heimatland erst 2009 verlassen haben, ist ebenfalls unschädlich, da Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO nur verlangt, dass die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat.
30 
Der Senat vermag jedoch nicht zu erkennen, dass die Klägerin 1 wegen ihrer psychischen Erkrankung auf die Unterstützung ihrer in Deutschland lebenden Verwandten im Sinne dieser Vorschrift „angewiesen“ ist. Dass eine solche Unterstützung nützlich oder förderlich ist, reicht dafür nicht aus. In dem bei den Akten des Bundesamts befindlichen Entlassungsbericht des Psychiatrischen Zentrums Nordbaden vom 19.6.2009 wird der Klägerin 1 eine Posttraumatischen Belastungsstörung sowie eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome bescheinigt. Der Facharzt für Psychiatrie K... spricht in seinem Bericht vom 9.9.2009 von einer schweren depressiven Störung mit Angstzuständen bei posttraumatischer Belastungsstörung, wegen der die Klägerin dringend einer intensiven und regelmäßigen psychiatrischen Behandlung mit Psychopharmaka bedürfe. In dem von der Klägerin 1 während des erstinstanzlichen Verfahrens vorgelegten Schreiben einer polnischen Psychologin vom 29.1.2010 heißt es, die Klägerin 1 leide an einem depressiven Syndrom mit Konversionskomponente. Wegen ihrer Lebenssituation (alleinerziehende Mutter mit vier Kindern) und ihres Gesundheitszustands benötige sie die Hilfe ihrer Mutter. Der Nachweis, dass die Klägerin 1 (gerade) wegen ihrer Erkrankung auf diese Hilfe im Sinne des Art. 15 Abs. 2 Dublin-II-VO „angewiesen“ ist, ist damit nicht geführt.
31 
c) Das sich aus Art. 15 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO ergebende Recht der Bundesrepublik Deutschland, die bei ihr eingereichten Asylanträge der Kläger aus humanitären Gründen zu prüfen, bleibt von dem Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO unberührt. Rechte der Kläger werden jedoch von diesen Vorschriften nicht begründet. Die Kläger können sich daher nicht darauf berufen, die Beklagte habe das ihr im Rahmen dieser Vorschriften zustehende Ermessen nicht oder fehlerhaft ausgeübt.
32 
aa) Art. 15 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO sollen die „Prärogativen“ der Mitgliedstaaten wahren, das Recht auf Asylgewährung unabhängig von dem Mitgliedstaat auszuüben, der nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien für die Prüfung eines Antrags zuständig ist. Da es sich dabei um fakultative Bestimmungen handelt, räumen sie den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen ein (EuGH, Urt. v. 6.11.2012, a.a.O.; Urt. v. 10.12.2013 - C-394/12 - NVwZ 2014, 208). In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob aus diesen Vorschriften ein subjektives Recht des Asylbewerbers auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts oder wenigstens ein Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung abgeleitet werden kann (dafür: VG Gießen, Urt. v. 25.4.2008 - 2 L 201/08 - InfAuslR 2008, 327; Funke-Kaiser, a.a.O., § 27a AsylVfG Rn. 123 ff./134; Marx, a.a.O., § 27a AsylVfG Rn. 13; a. M. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - Juris; VG Berlin, Beschl. v. 7.10.2013 - 33 L 403.13 A - Juris; Hailbronner, a.a.O., § 27a AsylVfG Rn. 62). Durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 10.12.2013 - C-394/12 - (a.a.O.) ist diese Frage nunmehr in dem Sinne geklärt, dass ein Asylbewerber grundsätzlich keinen Anspruch gegen einen Mitgliedstaat der Europäischen Union hat, dass dieser von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch macht. Nach dem Urteil hat das jedenfalls für den hier gegebenen Fall zu gelten, dass ein Mitgliedstaat der Aufnahme des Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II -VO niedergelegten Kriteriums zugestimmt hat.
33 
Zur Begründung weist der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil zunächst darauf hin, dass die für Asylanträge geltenden Regelungen in weitem Umfang auf Unionsebene harmonisiert worden seien, so insbesondere jüngst durch die Richtlinien 2011/95 und 2013/32. Der von einem Asylbewerber gestellte Antrag werde daher weitgehend nach den gleichen Regelungen geprüft, welcher Mitgliedstaat auch immer für seine Prüfung nach der Dublin II-Verordnung zuständig sei. Zu den Regelungen in Art. 3 Abs. 2 und Art. 15 Abs. 1 Dublin II-VO heißt es weiter, dass diese Vorschriften den Mitgliedstaaten aus den bereits genannten Gründen ein weites Ermessen einräumten. Im dem Urteil wird ferner betont, aus den Erwägungsgründen 3 und 4 der Dublin II-Verordnung gehe hervor, dass die Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats einer der Hauptzwecke der Verordnung sei, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden. Der Gerichtshof der Europäischen Union schließt hieraus, dass in einem Fall, in dem ein anderer Mitgliedstaat als der Mitgliedstaat der ersten Einreise der Aufnahme des Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO zugestimmt habe, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums (d.h. das Kriterium der ersten Einreise) nur damit entgegentreten könne, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend mache, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass er tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Europäischen Grundrechtscharta ausgesetzt zu werden. Dem schließt sich der Senat an.
34 
bb) Die Kläger könnten danach gegen den angefochtenen Bescheid nur einwenden, dass es in Polen systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber mit der im Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union genannten Folge für ihre eigene Person gebe. Ein solcher Einwand wird von den Kläger jedoch nicht erhoben. Die Frage, ob es in Polen systemische Mängel in dem genannten Sinn gibt, wird im Übrigen, soweit ersichtlich, allgemein verneint (vgl. u. a. VG Kassel, Beschl. v. 26.8.2013 - 9 L 984/13.KS.A - Juris; VG Schleswig, Beschl. v. 27.8.2013 - 1 B 43/13 - Juris; VG Lüneburg, Urt. v. 10.10.2013 - 2 B 47.13 - Juris; VG Düsseldorf, Urt. v. 19.11.2013 - 25 L 2154/13.A - Juris).
35 
4. Offen bleiben kann, ob ein Asylbewerber seiner Überstellung in den für die Prüfung seines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat weitere die Verhältnisse in diesem Staat betreffende Gründe entgegen halten kann.
36 
So stellt sich die Frage, ob auch das Drohen einer Verletzung von Art. 3 der Europäischen Grundrechtscharta im Einzelfall eine Ausnahme von der innereuropäischen Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht, zu begründen vermag. Diese Frage braucht jedoch im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht entschieden zu werden, da den Klägern keine Verletzung ihres durch diese Vorschrift gewährleisteten Rechts auf körperliche und geistige Unversehrtheit droht. Anhaltspunkte dafür, dass die psychische Erkrankung der Klägerin 1 in Polen nicht behandelt werden kann, sind nicht zu erkennen. Dies wird auch von den Klägern nicht behauptet.
37 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO und § 83b AsylVfG.
38 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
17 
Der Senat konnte gemäß § 102 Abs. 2 VwGO trotz des Ausbleibens der Kläger sowie eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung über die Sache verhandeln und entscheiden. Die Beteiligten sind ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
18 
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Klagen zu Unrecht stattgegeben. Der angefochtene Bescheid, mit dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Asylanträge der Kläger als unzulässig abgelehnt und ihre Abschiebung nach Polen angeordnet hat, ist rechtmäßig und verletzt die Kläger daher nicht in ihren Rechten.
19 
Die Entscheidung über die Asylanträge der Kläger stützt sich auf § 27a AsylVfG. Nach dieser - durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 in das Asylverfahrensgesetz eingefügten - Bestimmung ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Nach § 31 Abs. 6 AsylVfG wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Soll der Ausländer in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt ferner gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
20 
Die angefochtene Entscheidung des Bundesamts ist danach nicht zu beanstanden. Der für die Durchführung der Asylverfahren der Kläger zuständige Staat ist nicht die Bundesrepublik Deutschland, sondern die Republik Polen.
21 
1. Die Frage, welcher Mitgliedstaat der Europäischen Union für die Durchführung der Asylverfahren der Kläger zuständig ist, bestimmt sich nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.2.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (im Folgenden: Dublin II-VO). Die Dublin II-Verordnung ist zwar zum 19.7.2013 aufgehoben und durch die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 (im Folgenden: Dublin III-VO) ersetzt worden. Die Dublin III-Verordnung findet jedoch gemäß ihrem Art. 49 Abs. 2 Satz 1 nur auf Asylanträge Anwendung, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten gestellt werden. Für vor diesem Datum gestellte Asylanträge erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO auch weiterhin nach den Kriterien der Dublin II-Verordnung.
22 
2. Der nach den Kriterien der Dublin II-Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist die Republik Polen.
23 
Für den Fall, dass auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den in Art. 18 Abs. 3 Dublin II-VO genannten Verzeichnissen festgestellt wird, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, ist gemäß Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Da die Kläger unstreitig über Polen eingereist sind und dort auch vor ihrer Weiterreise nach Deutschland Anträge auf Asyl gestellt hatten, ist nach dieser Vorschrift die Republik Polen für die Prüfung der Asylanträge der Kläger zuständig.
24 
Der Umstand, dass die Mutter und der Bruder der Klägerin 1 in Deutschland leben und beide als Asylberechtigte anerkannt worden sind, ändert daran nichts. Hat der Asylbewerber einen Familienangehörigen, dem das Recht auf Aufenthalt in einem Mitgliedstaat in seiner Eigenschaft als Flüchtling gewährt wurde, so ist zwar gemäß Art. 7 Dublin II-VO dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, sofern die betroffenen Personen dies wünschen. Nach Art. 2 Buchst. i) Dublin II-VO sind „Familienangehörige“ im Sinne dieser Vorschrift aber nur der Ehegatte (oder unter bestimmten Voraussetzungen der nicht verheiratete Partner), die minderjährigen Kinder, sofern diese ledig und unterhaltsberechtigt sind, sowie bei unverheirateten minderjährigen Antragstellern der Vater, die Mutter oder der Vormund des Antragstellers. Die Mutter und der Bruder der Klägerin 1 gelten somit nicht als „Familienangehörige“ der Kläger im Sinne des Art. 7 Dublin II-VO.
25 
Der zur Prüfung des Asylantrags zuständige Mitgliedstaat ist nach Art. 16 Abs. 1 Dublin II-VO gehalten, einen Asylbewerber, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, aufzunehmen (Buchst. a) und die Prüfung des Asylantrags abzuschließen (Buchst. b). Auf das mit Schreiben vom 17.6.2009 gestellte (Wieder-)Aufnahmegesuch haben dementsprechend die polnischen Behörden mit Schreiben vom 18.6.2009 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge der Kläger erklärt.
26 
3. Das Verwaltungsgericht ist der Meinung, eine nach Art. 16 Dublin II-VO gegebene Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union reiche nicht aus, um einen Asylantrag im Sinne des § 27a AsylVfG unzulässig zu machen. Vielmehr sei auch zu prüfen, ob humanitäre Gründe im Sinne des Art. 15 Dublin II-VO vorlägen und daher das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO auszuüben sein könnte, wobei nach § 77 Abs. 1 AsylVfG auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen sei. Im Fall der Kläger lägen humanitäre Gründe nach Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO vor, aufgrund deren die Beklagte das Selbsteintrittsrecht auszuüben habe. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
27 
a) Nach Art. 15 Abs. 1 Dublin II-VO kann jeder Mitgliedstaat aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, Familienmitglieder und andere abhängige Familienangehörige zusammenführen, auch wenn er dafür nach den Kriterien dieser Verordnung nicht zuständig ist. In diesem Fall prüft jener Mitgliedstaat auf Ersuchen eines anderen Mitgliedstaats den Asylantrag der betroffenen Person. Die betroffenen Personen müssen dem zustimmen. Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO bestimmt ferner, dass in Fällen, in denen die betroffene Person wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, einer schweren Krankheit, einer ernsthaften Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung der anderen Person angewiesen ist, die Mitgliedstaaten im Regelfall entscheiden, den Asylbewerber und den anderen Familienangehörigen, der sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhält, nicht zu trennen bzw. sie zusammenführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat. Unabhängig von diesen Regelungen kann nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO jeder Mitgliedsstaat einen bei ihm eingereichten Asylantrag prüfen (sogenanntes Selbsteintrittsrecht) mit der Folge, dass er dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat wird und die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen übernimmt.
28 
b) Die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO, unter denen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 6.11.2012 - C-245/11 - NVwZ-RR 2013, 69) ein nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin II-Verordnung nicht für die Prüfung eines Asylantrags zuständiger Mitgliedstaat zuständig wird, sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.
29 
Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO ist im Zusammenhang mit der allgemeineren Regelung in Art. 15 Abs. 1 Dublin II-VO zu sehen. Art. 15 Abs.1 Dublin II-VO ist eine fakultative Bestimmung, die den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen bei der Entscheidung einräumt, ob sie aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, Familienmitglieder und andere abhängige Familienangehörige „zusammenführen“. Durch Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO wird dieses Ermessen in der Weise eingeschränkt, dass die Mitgliedstaaten, wenn die dort genannten Voraussetzungen vorliegen, den Asylbewerber und den anderen Familienangehörigen „im Regelfall … nicht … trennen“. Der Anwendung dieser Vorschrift im Fall der Kläger steht nicht entgegen, dass sowohl die Mutter der Klägerin 1 als auch deren Bruder keine „Familienangehörigen“ im Sinne des Art. 2 Buchst. i) Dublin II-VO sind, da beide unter den in Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO verwendeten Begriff „anderer Familienangehöriger“ fallen, der in Anbetracht der humanitären Zielsetzung der Regelung sowie im Hinblick auf die verschiedenen und zum Teil voneinander abweichenden Sprachfassungen dieser Vorschrift dahin zu verstehen ist, dass er außer den „Familienangehörigen“ im Sinne des Art. 2 Buchst. i) Dublin II-VO auch andere Familienmitglieder umfasst (EuGH, Urt. v. 6.11.2012, a.a.O.; im Ergebnis ebenso OVG Niedersachsen, Urt. v. 4.7.2012 - 2 LB 163/10 - Juris; Hailbronner, Ausländerrecht, § 27a AsylVfG, Rn. 68 f; Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, § 27a Rn. 158, 165 ff; Marx, AsylVfG, 7. Aufl., § 27a Rn. 55). Der Umstand, dass die Mutter und der Bruder der Klägerin 1 bereits seit 2000 bzw. 2001 in Deutschland leben, während die Klägerin 1 und ihre Kinder ihr Heimatland erst 2009 verlassen haben, ist ebenfalls unschädlich, da Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO nur verlangt, dass die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat.
30 
Der Senat vermag jedoch nicht zu erkennen, dass die Klägerin 1 wegen ihrer psychischen Erkrankung auf die Unterstützung ihrer in Deutschland lebenden Verwandten im Sinne dieser Vorschrift „angewiesen“ ist. Dass eine solche Unterstützung nützlich oder förderlich ist, reicht dafür nicht aus. In dem bei den Akten des Bundesamts befindlichen Entlassungsbericht des Psychiatrischen Zentrums Nordbaden vom 19.6.2009 wird der Klägerin 1 eine Posttraumatischen Belastungsstörung sowie eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome bescheinigt. Der Facharzt für Psychiatrie K... spricht in seinem Bericht vom 9.9.2009 von einer schweren depressiven Störung mit Angstzuständen bei posttraumatischer Belastungsstörung, wegen der die Klägerin dringend einer intensiven und regelmäßigen psychiatrischen Behandlung mit Psychopharmaka bedürfe. In dem von der Klägerin 1 während des erstinstanzlichen Verfahrens vorgelegten Schreiben einer polnischen Psychologin vom 29.1.2010 heißt es, die Klägerin 1 leide an einem depressiven Syndrom mit Konversionskomponente. Wegen ihrer Lebenssituation (alleinerziehende Mutter mit vier Kindern) und ihres Gesundheitszustands benötige sie die Hilfe ihrer Mutter. Der Nachweis, dass die Klägerin 1 (gerade) wegen ihrer Erkrankung auf diese Hilfe im Sinne des Art. 15 Abs. 2 Dublin-II-VO „angewiesen“ ist, ist damit nicht geführt.
31 
c) Das sich aus Art. 15 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO ergebende Recht der Bundesrepublik Deutschland, die bei ihr eingereichten Asylanträge der Kläger aus humanitären Gründen zu prüfen, bleibt von dem Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO unberührt. Rechte der Kläger werden jedoch von diesen Vorschriften nicht begründet. Die Kläger können sich daher nicht darauf berufen, die Beklagte habe das ihr im Rahmen dieser Vorschriften zustehende Ermessen nicht oder fehlerhaft ausgeübt.
32 
aa) Art. 15 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO sollen die „Prärogativen“ der Mitgliedstaaten wahren, das Recht auf Asylgewährung unabhängig von dem Mitgliedstaat auszuüben, der nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien für die Prüfung eines Antrags zuständig ist. Da es sich dabei um fakultative Bestimmungen handelt, räumen sie den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen ein (EuGH, Urt. v. 6.11.2012, a.a.O.; Urt. v. 10.12.2013 - C-394/12 - NVwZ 2014, 208). In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob aus diesen Vorschriften ein subjektives Recht des Asylbewerbers auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts oder wenigstens ein Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung abgeleitet werden kann (dafür: VG Gießen, Urt. v. 25.4.2008 - 2 L 201/08 - InfAuslR 2008, 327; Funke-Kaiser, a.a.O., § 27a AsylVfG Rn. 123 ff./134; Marx, a.a.O., § 27a AsylVfG Rn. 13; a. M. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - Juris; VG Berlin, Beschl. v. 7.10.2013 - 33 L 403.13 A - Juris; Hailbronner, a.a.O., § 27a AsylVfG Rn. 62). Durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 10.12.2013 - C-394/12 - (a.a.O.) ist diese Frage nunmehr in dem Sinne geklärt, dass ein Asylbewerber grundsätzlich keinen Anspruch gegen einen Mitgliedstaat der Europäischen Union hat, dass dieser von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch macht. Nach dem Urteil hat das jedenfalls für den hier gegebenen Fall zu gelten, dass ein Mitgliedstaat der Aufnahme des Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II -VO niedergelegten Kriteriums zugestimmt hat.
33 
Zur Begründung weist der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil zunächst darauf hin, dass die für Asylanträge geltenden Regelungen in weitem Umfang auf Unionsebene harmonisiert worden seien, so insbesondere jüngst durch die Richtlinien 2011/95 und 2013/32. Der von einem Asylbewerber gestellte Antrag werde daher weitgehend nach den gleichen Regelungen geprüft, welcher Mitgliedstaat auch immer für seine Prüfung nach der Dublin II-Verordnung zuständig sei. Zu den Regelungen in Art. 3 Abs. 2 und Art. 15 Abs. 1 Dublin II-VO heißt es weiter, dass diese Vorschriften den Mitgliedstaaten aus den bereits genannten Gründen ein weites Ermessen einräumten. Im dem Urteil wird ferner betont, aus den Erwägungsgründen 3 und 4 der Dublin II-Verordnung gehe hervor, dass die Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats einer der Hauptzwecke der Verordnung sei, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden. Der Gerichtshof der Europäischen Union schließt hieraus, dass in einem Fall, in dem ein anderer Mitgliedstaat als der Mitgliedstaat der ersten Einreise der Aufnahme des Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO zugestimmt habe, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums (d.h. das Kriterium der ersten Einreise) nur damit entgegentreten könne, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend mache, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass er tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Europäischen Grundrechtscharta ausgesetzt zu werden. Dem schließt sich der Senat an.
34 
bb) Die Kläger könnten danach gegen den angefochtenen Bescheid nur einwenden, dass es in Polen systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber mit der im Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union genannten Folge für ihre eigene Person gebe. Ein solcher Einwand wird von den Kläger jedoch nicht erhoben. Die Frage, ob es in Polen systemische Mängel in dem genannten Sinn gibt, wird im Übrigen, soweit ersichtlich, allgemein verneint (vgl. u. a. VG Kassel, Beschl. v. 26.8.2013 - 9 L 984/13.KS.A - Juris; VG Schleswig, Beschl. v. 27.8.2013 - 1 B 43/13 - Juris; VG Lüneburg, Urt. v. 10.10.2013 - 2 B 47.13 - Juris; VG Düsseldorf, Urt. v. 19.11.2013 - 25 L 2154/13.A - Juris).
35 
4. Offen bleiben kann, ob ein Asylbewerber seiner Überstellung in den für die Prüfung seines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat weitere die Verhältnisse in diesem Staat betreffende Gründe entgegen halten kann.
36 
So stellt sich die Frage, ob auch das Drohen einer Verletzung von Art. 3 der Europäischen Grundrechtscharta im Einzelfall eine Ausnahme von der innereuropäischen Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht, zu begründen vermag. Diese Frage braucht jedoch im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht entschieden zu werden, da den Klägern keine Verletzung ihres durch diese Vorschrift gewährleisteten Rechts auf körperliche und geistige Unversehrtheit droht. Anhaltspunkte dafür, dass die psychische Erkrankung der Klägerin 1 in Polen nicht behandelt werden kann, sind nicht zu erkennen. Dies wird auch von den Klägern nicht behauptet.
37 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO und § 83b AsylVfG.
38 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.