Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 31. Mai 2018 - 5 KM 213/18 OVG

bei uns veröffentlicht am31.05.2018

Tenor

Der Antrag der Antragsteller auf vorläufigen Rechtsschutz wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen jeweils zur Hälfte.

Der Streitwert wird auf 30.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Mit Planfeststellungsbeschluss vom 31. Januar 2018 – Az. 663/NordStream2/04 – hat der Antragsgegner den Plan für den Bau und Betrieb der Gasversorgungsleitung "Nord Stream 2" im Abschnitt des deutschen Küstenmeeres (KP 31,065 bis KP 84,500 der Trassenmittellinie von zwei Pipelines) einschließlich des Landfalls westlich des Industriehafens Lubmin mit den sich aus dem Beschluss ergebenden Änderungen, Ergänzungen, Nebenbestimmungen und Vorbehalten festgestellt. Unter B.8 wird auf die sofortige Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses nach Maßgabe von § 43e Abs. 1 Satz 1 EnWG hingewiesen.

2

Gegen den Planfeststellungsbeschluss haben die Antragsteller am 2. März 2018 Klage erhoben (Az. 5 K 212/18 OVG) und unter demselben Datum den vorliegenden Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt.

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Die Antragsteller beantragen,

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die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller vom 2. März 2018 gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 31. Januar 2018 zum Aktenzeichen 663/NordStream2/04 für das Vorhaben „Energierechtliches Planfeststellungsverfahren für die Errichtung und den Betrieb der Gasversorgungsleitung "Nord Stream 2" durch die Ostsee von der Narva-Bucht (RUS) nach Lubmin (DEU) im Abschnitt des deutschen Küstenmeeres“ anzuordnen,

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hilfsweise,

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die aufschiebende Wirkung der Klage jedenfalls so lange anzuordnen, bis seitens des Antragsgegners und/oder des Vorhabenträgers der Nachweis geführt worden ist, dass sämtliche der in den von der Trassenführung betroffenen Staaten erforderlichen Genehmigungen für den Bau der geplanten Leitung Nord Stream 2, die Erdgasempfangsstation Lubmin 2 sowie die geplante Fortführung der Leitung als Projekt EUGAL erteilt worden sind und dass diese Genehmigungen ihrerseits mindestens sofort vollziehbar sind.

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Ergänzend beantragen die Antragsteller inzwischen,

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der Beigeladenen im Wege einer gerichtlichen Zwischenverfügung vorläufig bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu untersagen, das planfestgestellte Vorhaben vorläufig zu vollziehen.

9

Antragsgegner und Beigeladene haben jeweils die Ablehnung der Anträge beantragt.

II.

10

Der Antrag der Antragsteller auf vorläufigen Rechtsschutz nach den §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO hat sowohl im Haupt- wie auch im Hilfsantrag keinen Erfolg.

1.

11

Der Prüfungsmaßstab für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sind die allgemeinen Grundsätze einer Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO in Verfahren, in denen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen einen von Gesetzes wegen sofortig vollziehbaren Verwaltungsakt begehrt wird. § 4a Abs. 3 UmwRG a.F. ist durch Artikel 1 des Gesetzes zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben (UmwRGuaAnpG) v. 29.05.2017 (BGBl. I S. 1298, berichtigt BGBl. I 2018 S. 471) mit Geltung ab 02.Juni 2017 aufgehoben worden.

12

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. i. V. m. § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO (vgl. dazu Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl., § 80a Rn. 17) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Abs. 2 Nr. 1 bis 3 ganz oder teilweise anordnen. Die gerichtliche Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ergeht auf der Grundlage einer Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind auf der einen Seite das (private) Interesse des Antragstellers, vorläufig vom Vollzug des Verwaltungsaktes verschont zu bleiben bzw. die Aussetzung der Vollziehung zu erreichen (Aussetzungsinteresse), und auf der anderen Seite das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes (Vollziehungsinteresse) bzw. – im Falle des § 80a VwGO – das entsprechende private Vollziehungsinteresse. Im Rahmen der Interessenabwägung ist der Gesichtspunkt der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bzw. der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. In der Regel überwiegt das öffentliche/private Vollziehungsinteresse, wenn sich der angegriffene Verwaltungsakt nach dem Prüfungsmaßstab des – summarischen – vorläufigen Rechtsschutzverfahrens als rechtmäßig erweist und der Rechtsbehelf in der Hauptsache ohne Aussicht auf Erfolg sein dürfte. Demgegenüber überwiegt grundsätzlich das private Aussetzungsinteresse bzw. das Aussetzungsinteresse einer nach § 3 UmwRG anerkannten Vereinigung, wenn sich der Verwaltungsakt nach diesem Maßstab als rechtswidrig erweist und der Rechtsbehelf in der Hauptsache voraussichtlich Erfolg haben wird; an der Vollziehung eines rechtswidrigen Bescheides besteht regelmäßig kein schutzwürdiges öffentliches Interesse. Lässt sich die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes im vorläufigen Rechtsschutzverfahren – wegen der besonderen Dringlichkeit einer alsbaldigen Entscheidung oder wegen der Komplexität der Sach- und Rechtsfragen – nicht in diesem Sinne klären bzw. ist der Ausgang der Hauptsache offen, bedarf es einer Abwägung der (sonstigen) wechselseitigen Interessen (vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 19.12.2014 – 7 VR 5.14 – zitiert nach juris Rn. 9).

13

Hiernach rechtfertigt der Antrag insgesamt nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Der Antrag ist unbegründet.

14

Das Interesse des Antragsgegners und der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses überwiegt das Interesse der Antragsteller am Unterbleiben von Vollzugsmaßnahmen bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens.

15

Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses kann im Rahmen der summarischen Prüfung nicht festgestellt werden. Der Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache ist offen. Auf der Grundlage des umfangreichen, insbesondere mit zahlreichen Anlagen (etwa gutachterlicher Stellungnahmen) versehenen Antragstellervorbringens sowie der diesbezüglichen, ebenso umfangreichen Erwiderungen von Antragsgegner und Beigeladener stellen sich zahlreiche schwierige Tatsachen- und Rechtsfragen, die in formeller Hinsicht das Planfeststellungsverfahren und in materieller Hinsicht den Gewässer-​, Gebiets- und Artenschutz betreffen. Eine Beantwortung dieser Fragen kann im vorläufigen Rechtsschutzverfahren im Wege einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht hinreichend sicher prognostiziert werden.

16

In der Abwägung ist die Gewichtungsvorgabe in § 43e Abs. 1 Satz 1 EnWG zu beachten. Mit ihr hat der Bundesgesetzgeber der Verwirklichung des Vorhabens auf eigenes Risiko des Vorhabenträgers insoweit den Vorrang eingeräumt bzw. das öffentliche Interesse an einem zügigen Ausbau auch von Gasversorgungsleitungen anerkannt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.02.2017 – 4 VR 20.16 –, juris Rn. 22).

17

Dieses gesteigerte Vollzugsinteresses tritt auch nicht deshalb zurück, weil die Schaffung vollendeter Tatsachen drohte, die zur Folge haben könnten, dass gewichtige, auch unionsrechtlich geschützte Gemeinwohlbelange des Gewässer-, Gebiets- und Artenschutzes irreversibel beeinträchtigt werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.10.2012 – 7 VR 7.12 u.a. –, juris).

18

Der von den Antragstellern sinngemäß zitierte Grundsatz der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach es an einem das Suspensivinteresse überwiegenden Vollzugsinteresse bereits dann fehlt, wenn und soweit während eines längeren Zeitraums keine Vollzugsmaßnahmen anstehen und es deshalb von Anfang an nahegelegen hätte, die gesetzlich angeordnete sofortige Vollziehung des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses gemäß § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO ganz oder teilweise auszusetzen, um unnötigen Rechtsschutzverfahren vorzubeugen, die ansonsten wegen der Fristbindung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes eingeleitet werden (BVerwG, Beschl. v. 13.06.2013 – 9 VR 3.13 –, NVwZ 2013, 101), greift hier nicht. Der Antragsgegner hat den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss gerade nicht mit der von den Antragstellern geforderten aufschiebenden Bedingung versehen, dass die vorgesehenen Maßnahmen erst nach Vollziehbarkeit der Zulassungsentscheidung zu einem anderen Abschnitt des Gesamtvorhabens realisiert werden dürfen. Dies ist rechtlich nicht geboten (dazu 3. b).

2.

19

Im Hinblick auf das Gewicht der von den Antragstellern umfangreich geltend gemachten und in die Abwägung einzustellenden Umweltbelange, kann der Senat auch unter Berücksichtigung der von Antragstellerseite vorgelegten Unterlagen, insbesondere sachverständiger Stellungnahmen, zunächst nicht feststellen, dass die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes zu einer irreversiblen Beeinträchtigung dieser Belange führen würde.

20

Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss bzw. Antragsgegner und Beigeladene gehen gerade davon aus bzw. machen geltend, dass die (laufende und bis zur gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren erfolgende) Verwirklichung des Pipelinevorhabens weder irreversible Schäden in Natur und Umwelt, insbesondere hinsichtlich des Gebietsschutzes, bewirke, noch auch „nur“ schwere und unabwendbare Nachteile auszulösen geeignet sei. Die Reversibilität der in erster Linie mit dem Leitungsbau verbundenen Folgen ist (ein) zentraler Streitpunkt zwischen den Beteiligten. Im Zentrum des Vorbringens der Antragsteller steht dabei der Gebietsschutz.

21

Auch das Antragstellervorbringen lässt jedoch keinesfalls die Schlussfolgerung zu, der Eintritt irreversibler Zustände bzw. schwerer und unabwendbarer Nachteile stehe fest. Die Antragsteller bestreiten im Wesentlichen „nur“, dass die Annahmen des Antragsgegners im angefochtenen Planfeststellungsbeschluss, es komme zu einer relativ raschen Regenerierung des Pipelinekorridors, verfahrensfehlerhaft zustande gekommen und auf einer unzureichenden bzw. fehlerhaften Grundlage getroffen worden sei. Dies gilt insbesondere mit Blick auf den Vortrag, der sich um das Monitoring betreffend das frühere, bereits verwirklichte Vorhaben Nord Stream und die daraus vom Vorhabenträger und dem Antragsgegner insoweit gezogenen Schlussfolgerungen dreht.

22

Zu beachten ist allerdings, dass im Hinblick auf die Auswirkungen des planfestgestellten Vorhabens vom Antragsgegner nicht etwa eine Prognose getroffen worden ist, die auf keinerlei Erfahrungen mit vergleichbaren Vorhaben, gewissermaßen auf „rein (wissenschafts-) theoretischer“ Basis beruhte. Vielmehr existiert mit der Gasversorgungsleitung Nord Stream bereits ein Vorhaben, das in räumlicher Nähe sowie mit identischer Verlegetechnik verwirklicht worden ist und gleichsam ein Vorbild darstellt. Unabhängig davon, ob und inwieweit das über mehrere Jahre verlaufene Monitoring betreffend Nord Stream – so die Antragsteller – angreifbar ist, ändert dies im Prinzip betreffend die Prognosegrundlage für das nunmehr planfestgestellte Vorhaben in dem Sinne nichts, als dass jedenfalls feststeht, dass letzteres auf einer mit konkreten tatsächlichen Feststellungen unterlegten – „besseren“ – Prognosegrundlage beruht, also nicht nur auf einer „rein (wissenschafts-) theoretischen“ Basis (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.10.2014 – 7 VR 4.13 –, juris, Rn. 24 zur Heranziehung von Erfahrungen mit vergleichbaren Vorhaben aus der Vergangenheit). Aus Sicht des Senats ist damit jedenfalls für den vorliegend anzuwendenden Prüfungsmaßstab das Gewicht der Prognose des Antragsgegners zur Reversibilität der Vorhabenauswirkungen prinzipiell erhöht. Soweit die Antragsteller, die einerseits die Nichtvorlage der vollständigen Monitoring-Unterlagen aus den Jahren 2010 bis 2014 für das Nord Stream Vorhaben rügen, andererseits aber auch grundsätzlich eine Vergleichbarkeit der verwirklichten Nord Stream-Pipeline und des planfestgestellten Vorhabens bestreiten, erfolgt dies aus Sicht des Senats auch unter Berücksichtigung einer entsprechenden sachverständigen Stellungnahme nicht hinreichend substantiiert bzw. erscheint dies nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht hinreichend nachvollziehbar. Wenn etwa Frau PD Dr. H. in ihrer Stellungnahme vom 27. Februar 2018 entsprechende Aussagen trifft, handelt es sich letztlich um unsubstantiierte Behauptungen. Sie räumt eingangs ihrer Stellungnahme selbst ein, sie habe die Unterlagen zu Nord Stream 2 nur „überschlägig“ durchgesehen. Sie spricht zudem nur eine „Möglichkeit“ an, dass in der Nachbarschaft zur beeinträchtigten Zone von Nord Stream 1 bessere Makrophytenbestände und/oder günstigere Umweltbedingungen vorhanden gewesen seien, so dass von dort aus eine schnellere Wiederbesiedlung der beeinträchtigten Zone habe erfolgen können, während dies bei der Trasse für Nord Stream 2 gerade nicht der Fall sei. Konkrete diesbezügliche Tatsachenfeststellungen fehlen offensichtlich. Nicht zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass der Antragsgegner sich für seine Beurteilung der Regenerierbarkeit auch auf mehrere andere (umfangreiche) wissenschaftliche Untersuchungen gestützt hat (vgl. unter Ziff. B.4.9.7.2, S. 594 f. PFB).

23

Diese Erwägungen gelten entsprechend für die weiteren von den Antragstellern angeführten Umweltbelange.

24

Danach stellt sich eine antragstellerseitig behauptete irreversible Beeinträchtigung gewichtiger, auch unionsrechtlich geschützte Gemeinwohlbelange des Gewässer-, Gebiets- und Artenschutzes als nicht in gleicher Weise substantiell unterlegte Möglichkeit dar. Schon eine solche eher abstrakte, gerade nicht hinreichend konkrete Möglichkeit für die beantragte Anordnung der aufschiebenden Wirkung ausreichen zu lassen, hieße die in§ 43e Abs. 1 Satz 1 EnWG zum Ausdruck kommende Annahme eines gesteigerten Vollzugsinteresses durch den Gesetzgeber zu konterkarieren.

3.

25

Zudem stehen dem mit (unionsrechtlich) geschützten Gemeinwohlbelangen des Gewässer-, Gebiets- und Artenschutzes im Detail begründeten Aussetzungsinteresse der Antragsteller die für das Gericht ersichtlichen öffentlichen Interessen und die privaten Interessen der Beigeladenen an einer sofortigen Vollziehung entgegen, die das Aussetzungsinteresse jedenfalls in der Summe überwiegen. Letztere hat einen Anspruch darauf, dass mit Rücksicht auf die ihr vom Gesetzgeber eingeräumte Rechtsposition der sofortigen Vollziehbarkeit bzw. sofortigen Ausnutzbarkeit der Genehmigung ihre Interessen angemessen berücksichtigt werden.

a)

26

Das mit dem allgemeinen teilweise identische besondere öffentliche Vollziehungsinteresse bzw. Interesse an der umgehenden Errichtung und anschließend planmäßigen Inbetriebnahme der geplanten Gasversorgungsleitung ist im Planfeststellungsbeschluss namentlich mit dem Ziel der Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit und der Gewährleistung einer auch zukünftigen sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten, umweltverträglichen und leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Erdgas im Sinne des § 1 Abs. 1 EnWG benannt. In der Planrechtfertigung (B.4.1 PFB) ist dieses Ziel dahingehend konkretisiert, dass mit dem Vorhaben ein zusätzlicher Transportweg zur Verbindung der russischen Erdgasreserven mit dem europäischen Transportnetz errichtet werden soll, um den nach den Annahmen des Vorhabenträgers und des Antragsgegners bereits ab 2020 bestehenden gestiegenen Erdgasbedarf in der EU zu decken. Damit werde eine bedarfsgerechte Versorgung von Deutschland und Europa mit Erdgas sichergestellt. Der Sicherheit der Energieversorgung diene das Vorhaben, indem eine zusätzliche Erdgasmenge von ca. 55 Mrd. m³/Jahr auf aus technischer Sicht sicherem Weg nach Deutschland und Europa importiert werde und die Erdgasreserven Russlands mit dem bestehenden und geplanten Erdgastransportsystem in Europa vernetzt werden. Die bestehende Gastransportroute werde in erforderlichem Maße verstärkt und ergänzt. Das Vorhaben leiste einen wichtigen Beitrag zur Schließung der in der Bundesrepublik Deutschland und der EU entstehenden Versorgungslücke mit Erdgas, ergänzt um erwartete Erdgasimporte der Schweiz und der Ukraine aus der EU 28. Dabei werde prognostiziert, dass die Erdgasnachfrage in der EU 28 zwischen 2015 und 2050 nahezu stabil bleibe. Der Erdgasbedarf der Schweiz steige im gleichen Zeitraum um ca. 3 Mrd. m³/Jahr, der ukrainische Bedarf an zu importierenden Erdgas betrage ab 2020 etwa 16 Mrd./Jahr. Die Nachfrage der EU 28 einschließlich der Schweiz und der Ukraine werde daher ab 2020 etwa 494 Mrd. m³/Jahr betragen. Da dem voraussichtlich eine stark sinkende Erdgasproduktion in der EU gegenüberstehe, die voraussichtlich nicht durch die Steigerung der Erdgasproduktion in anderen EU-Ländern oder durch die Erhöhung der Erdgasimporte in die EU aus Drittländern aufgefangen werden könne, entstehe bei der gebotenen konservativen Betrachtung voraussichtlich ein zusätzlicher Erdgasimportbedarf von bereits 30 Mrd. m³ im Jahr 2020 und 57 Mrd. m³ im Jahr 2025, der auf einen Spitzenwert von 123 Mrd. m³ im Jahr 2045 steige und sich im Anschluss auf einen zusätzlichen Importbedarf von immer noch 110 Mrd. m³ im Jahr 2050 reduziere. Um die schon kurzfristig, d.h. ab dem Jahr 2020 entstehende Deckungslücke schließen zu können, müssten zusätzliche Erdgaslieferungen verfügbar gemacht werden. Einer Steigerung der Pipelinegas-Importe aus Norwegen, Nordafrika oder über den sog. Südlichen Korridor stünden – neben abnehmenden Erdgasvorkommen – grundsätzlich auch technische, wirtschaftliche und/oder politische Hindernisse entgegen. Eine Steigerung des Imports aus Russland über den sog. Zentralen Korridor bzw. die Ukraine stehe dessen Marodität und Sanierungsbedürftigkeit entgegen. Auch LNG sei infolge einer prognostizierten LNG-Unterversorgung in den frühen 2020er Jahren nicht geeignet, den entstehenden Netto-Importbedarf bzw. den zusätzlichen Importbedarf preisgünstig zu decken. Durch die Diversifizierung der Transportrouten bestehe nicht nur die Möglichkeit, zusätzliche Gasmengen in die süd- und osteuropäischen Märkte zu verbringen, sondern im Falle eines Lieferausfalls könne auch auf diese Transportroute umgeschwenkt werden. Auch aufgrund der „Asymmetrie der Risiken“, die bei Nichteintritt der prognostizierten Entwicklungen unter Zugrundelegung von Zielszenarien als erheblicher bewertete Auswirkungen nach sich ziehe als im Fall des Nichteintritts der von den Referenzszenarien prognostizierten Entwicklungen, basiere die festgestellte Planung richtigerweise auf konservativen Referenzszenarien. Die Versorgungssicherheit werde durch Schaffung zusätzlicher Transportkapazitäten erhöht, es würden Redundanzen für den Ausfall anderer Importleitungen geschaffen werden. Der Ausbau der Transportinfrastruktur und die Diversifizierung der Transportwege erhöhten auch den Wettbewerb. Zusammen mit der Vermeidung zukünftiger Versorgungsengpässe diene das Vorhaben daher dem Ziel der Preisgünstigkeit der Energieversorgung. Schließlich handele es sich bei der Gasversorgung um eine umweltverträgliche Energieversorgung. Die vermehrte Verwendung von Erdgas als Energieträger leiste auch unter Beachtung des Ziels, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, einen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele.

27

Die mit dem Planfeststellungsbeschluss bzw. der Genehmigung des Vorhabens im vorstehenden Sinne verfolgte Sicherstellung der Energieversorgung eines Staates bzw. von Europa stellt – was offensichtlich ist – eine öffentliche Aufgabe von größter Bedeutung dar, weil die Energieversorgung als Bestandteil der Daseinsvorsorge eine Leistung ist, derer der Einzelne zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unumgänglich bedarf (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.10.2002 – 4 C 7.01 –, BVerwGE 117, 138 – zitiert nach juris, Rn. 9). Die diesbezüglich nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen vom Antragsgegner seiner Zulassungsentscheidung zugrunde gelegten Prognosen, Wertungen und Einschätzungen zur Begründung des öffentlichen Interesses an der Verwirklichung des Vorhabens unterliegen nur einer eingeschränkten rechtlichen Überprüfung durch das Gericht. Die Entscheidung darüber, ob das Vorhaben mehr schadet als nützt oder ob das Vorhaben in geeigneter Weise auch anders verwirklicht werden könnte, setzt wertende Einschätzungen, Prognosen und Abwägungen voraus, die vom Gericht nicht durch eigene zu ersetzen, sondern als rechtmäßig hinzunehmen sind, soweit sie methodisch einwandfrei zustande gekommen und in der Sache vernünftig sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.01.1986 – 4 C 6.84, 4 C 7.84 –, BVerwGE 72, 365 – zitiert nach juris, Rn. 21). Bei derartigen Prognoseentscheidungen besteht danach ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer energiewirtschaftsrechtlicher Prognose-, Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum (vgl. OVG Münster, Urt. v. 21.12.2007 – 11 A 1194/02 –, DVBl. 2008, 452 – zitiert nach juris, Rn. 95).

28

Hiervon ausgehend begegnet die energiewirtschaftsrechtliche Bewertung des Vorhabens durch den Antragsgegner im vorstehenden Sinne jedenfalls nach dem summarischen Maßstab des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens keinen durchgreifenden Bedenken. Sie knüpft wesentlich an die der Vorhabenbeschreibung insoweit zugrunde liegende Studie der Prognos AG „Status und Perspektiven der europäischen Gasbilanz“ an (vgl. Antragsunterlage Teil A.01, Kapitel 5.3.2.2, S. 45); die Prognos AG hat in einem Addendum (Bl. 4273 ff. der Verwaltungsakte) im weiteren Verfahren gutachterlich nochmals Stellung genommen zur Einordnung der Entwicklungen des Jahres 2017 und an den Grundaussagen der Ursprungsstudie festgehalten. Die Ursprungsstudie betrachtet nachvollziehbar unter Einbeziehung zahlreicher weiterer Studien zur Entwicklung insbesondere der Förderkapazitäten sowie der Nachfrageseite differenziert die Chancen und Risiken für die europäische Gasbilanz und kommt zu den in der Antragsunterlage und auch im Planfeststellungbeschluss in Bezug genommen Ergebnissen und Prognosen. Die von Antragstellerseite vorgelegte Stellungnahme von Frau Prof. Dr. I. („Stellungnahme zur Bedarfsbegründung im Planfeststellungsbeschluss für die Errichtung und den Betrieb der Gasversorgungsleitung ‚Nord Stream‘ durch die Ostsee von der Narva-Bucht (RUS) nach Lubmin (DEU) im Abschnitt des deutschen Küstenmeeres“) setzt sich mit der Prognos-Studie selbst nicht unmittelbar auseinander bzw. hat diese offensichtlich bei ihrer eigenen Beurteilung in keiner Weise in ihren Detailaussagen herangezogen: Letzteres zeigt der Umstand, dass die Prognos-Studie nicht einmal im Literaturverzeichnis der Stellungnahme auftaucht. Zudem erreicht die 13 Seiten umfassende Stellungnahme von Frau Prof. Dr. I. bei weitem nicht die Beurteilungstiefe der Prognos-Studie. Letztlich stellt jedenfalls ihre Stellungnahme lediglich eine energiewirtschaftsfachliche Meinung dar, die der ebenfalls entsprechend wissenschaftlich unterlegten Meinung bzw. Prognose des Antragsgegners gegenüber gestellt wird, ohne dass auch nur ansatzweise ersichtlich wäre, dass diese Stellungnahme der Prognos-Studie (samt Addendum) überlegen oder ihr gegenüber vorzugswürdig wäre. Die Behörde kann sich auch auf gutachtliche Stellungnahmen stützen, die der Vorhabenträger beigebracht hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.06.2010 – 2 B 72.09 –, juris Rn. 5). Deshalb muss es dabei bleiben, dass es dem Gericht mangels besserer Erkenntnis nicht zusteht, die Prognose der sachverständig beratenen Genehmigungsbehörde als „falsch“ oder „nicht rechtens“ zu beanstanden.

29

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt ohne weiteres ein besonderes öffentliches Interesse am Fortbestehen der sofortigen Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses bis zur gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren. Bei der durch eine aufgrund einer im vorläufigen Rechtsschutzverfahren stattgebenden Entscheidung eintretenden bzw. zu erwartenden zeitlichen Verzögerung der Ausführung des Bauvorhabens bestünde die Gefahr, dass die prognostizierte Gasversorgungslücke ab 2020 eintreten würde. Bei der aktuellen Geschäftslage des Gerichts wäre mit einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren selbst im günstigsten Fall kaum vor Ablauf von zwei Jahren zu rechnen und die zeitliche Verzögerung entsprechend groß ausfallen. Auch wenn die Beigeladene dann obsiegte, sich kein Rechtsmittelverfahren mehr anschließen und das Vorhaben rasch verwirklicht würde, wäre ausgehend von den Prognose des Antragsgegners bereits von einer größer gewordenen Versorgungslücke auszugehen. Im bezogen auf diese Prognose worst-case würde möglicherweise wegen veränderter wirtschaftlicher und/oder (geo-) politischer Veränderungen eine Verwirklichung des Vorhabens gänzlich unterbleiben. Die zeitliche Verzögerung würde sich dadurch in ihren Auswirkungen wahrscheinlich verschärfen, dass die Bagger- und Verlegeschiffkapazitäten, die die Beigeladene nach ihrem glaubhaft gemachten Vortrag vertraglich an sich gebunden hat, nur in begrenztem Maße zur Verfügung stehen. Fraglich erscheint zudem, ob es der Beigeladenen gelingen würde, diese Kapazitäten ggfs. bei einer schließlich zu ihren Gunsten ergehenden Entscheidung im Hauptsacheverfahren zeitnah erneut beauftragen zu können.

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Das besondere öffentliche Vollziehungsinteresse bzw. die mit Blick auf die prognostizierte Versorgungslücke ab 2020 bestehende Eilbedürftigkeit des Vorhabens ist entgegen dem Vorbringen der Antragsteller – insoweit ist insbesondere ihr Hilfsantrag angesprochen – jedenfalls auch nicht dadurch in Frage gestellt, weil derzeit nicht hinreichend konkret absehbar wäre, ob die Zulassungsentscheidungen in anderen Mitgliedstaaten durchgängig und zeitnah erteilt werden. Die Antragsteller tragen insoweit vor, sie stellten nicht die Frage der Zulässigkeit einer Abschnittsbildung in Frage. Maßgeblich sei aber, dass sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur geplanten Elbquerung der A 20 (Urt. v. 28.04.2016 – 9 A 9.15 – und Urt. v. 10.11.2016 – 9 A 18.15 –) ergebe, dass dann, wenn ein einzelner Abschnitt ohne die Realisierung der folgenden Abschnitte funktionslos sei, der Baubeginn mit der Vorlage vollziehbarer Genehmigungen für diejenigen Abschnitte, die erst zur Funktion des Teilabschnitts führten, mittels aufschiebender Wirkung verknüpft werden müsse. Es geht um die Verklammerung von Abschnitten, denen keine eigene Verkehrsbedeutung zukommt (BVerwG, Urt. v. 28.04.2016 – 9 A 9.15 –, BVerwGE 155, 91 – zitiert nach juris, Rn. 43).

31

Dieser Sichtweise, die an die fernstraßenrechtliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anknüpft, ist für das Energieleitungsrecht nicht zu folgen. In seinem Urteil vom 15. Dezember 2016 – 4 A 4.15 – (BVerwGE 157, 73 – zitiert nach juris, Rn. 28) hat das Bundesverwaltungsgericht die bis dahin von ihm offen gelassene Frage, ob ein Leitungsabschnitt nur dann vor dem Hintergrund der Gesamtplanung sachlich gerechtfertigt ist, wenn er auch eine selbständige Versorgungsfunktion besitzt (vgl. zum Fernstraßenrecht etwa BVerwG, Beschl. v. 05.06.1992 – 4 NB 21.92 –, Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 55 S. 60 und v. 26.06.1992 – 4 B 1-11.92 –, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 S. 89 f.: "selbständige Verkehrsfunktion"), für das Energieleitungsrecht aus denselben Gründen verneint wie für die Abschnittsbildung bei schienengebundenen Anlagen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.12.1995 – 11 VR 6.95 –, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 8 und v. 30.12.1996 – 11 VR 25.95 –, NVwZ-RR 1997, 525 <526> = juris Rn. 22).

32

Für das Recht der schienengebundenen Anlagen hat das Bundesverwaltungsgericht der Auffassung, jeder Planungsabschnitt sei inhaltlich nur dann gerechtfertigt, wenn er eine eigenständige Verkehrsfunktion aufweise, eine Absage erteilt. Es sei zu berücksichtigen, dass die Auffassung, jedem Planfeststellungsabschnitt müsse eine selbständige Verkehrsfunktion zukommen, weil nur so ein im Einzelfall denkbarer Planungstorso vermieden werden könne, unter den besonderen Bedingungen des Straßenrechts entwickelt worden sei. Selbst wenn der planfestgestellte Abschnitt einer Eisenbahntrasse nutzlos wäre, könne diese Sichtweise auf das Eisenbahnrecht nicht übertragen werden. Dies gelte insbesondere für die Planung einer Neubautrasse, die sonst – wegen des im Vergleich zum Straßennetz viel weitmaschiger geflochtenen Schienennetzes – nur "in einem Stück" auf der Grundlage eines unüberschaubaren Planfeststellungsverfahrens möglich wäre (vgl. zum Ganzen BVerwG, Beschl. v. 21.12.1995 – 11 VR 6.95 –, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 8 = juris, Rn. 26). Diese Grundsätze gelten entsprechend folglich für das Energieleitungsrecht in gleicher Weise. Ist Anknüpfungspunkt der Ansicht der Antragsteller, der Baubeginn für den streitgegenständlichen Abschnitt der Gasversorgungsleitung müsse mit der Vorlage vollziehbarer Genehmigungen für diejenigen Abschnitte, die erst zur Funktion des Teilabschnitts führten, mittels aufschiebender Wirkung verknüpft werden, die spezifisch fernstraßenrechtliche Forderung des Bundesverwaltungsgerichts nach einer selbständigen Verkehrsfunktion, gilt also diese Forderung für das Energieleitungsrecht nach Maßgabe des Vorstehenden gerade nicht.

33

Hinzu kommt hier, dass die Zulassungskompetenz des Antragsgegners an der Abschnittsgrenze endet. Bei einem bundesländerübergreifenden Energieleitungsvorhaben liegt die Bildung von an der Landesgrenze orientierten Planungsabschnitten im Interesse einer effizienten Verfahrensgestaltung nahe. Die für die Planfeststellung zuständige Behörde ist gemäß § 43 Satz 1 EnWG nach Landesrecht zu bestimmen. Damit endet die Kompetenz zur Planfeststellung eines länderübergreifenden Vorhabens grundsätzlich an der Landesgrenze (BVerwG, Urt. v. 14.06.2017 – 4 A 11.16, 4 A 13/16, 4 A 11/16, 4 A 13/16 –, BVerwGE 159, 121 = NVwZ 2018, 264 – zitiert nach juris, Rn. 32). Das gilt erst recht, wenn die Fortführung der Leitung außerhalb des Hoheitsgebiets der Bundesrepublik Deutschland liegt.

34

Korrektiv der damit grundsätzlich zulässigen Bildung eines Leitungsabschnitts ohne eigene Versorgungsfunktion ist die Prüfung, ob der Verwirklichung des Gesamtvorhabens absehbar unüberwindliche Hindernisse entgegenstehen. Entgegen der Ansicht der Antragsteller macht die vorläufige Vollziehung nicht „in jedweder Hinsicht nur Sinn, wenn mindestens die vorläufige Vollziehbarkeit der funktional erforderlichen Teile wechselseitig gesichert wird.“ Erforderlich, aber auch ausreichend ist insofern eine Vorausschau auf nachfolgende Abschnitte nach Art eines vorläufigen positiven Gesamturteils, wonach dem Gesamtvorhaben in den nachfolgenden Abschnitten keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.12.2016 – 4 A 4.15 –, BVerwGE 157, 73 – zitiert nach juris, Rn. 29; BVerwG, U. v. 14.06.2017 a.a.O. Rn. 34; BVerwG, U. v. 29.06.2017 - 3 A 1/16 - DVBl 2018, 187 – zitiert nach juris Rn. 52). Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts betrifft gerade auch Energieleitungen.

35

Die vorstehenden Erwägungen gelten entsprechend für die landseitige Anbindung des Vorhabens (vgl. insoweit Ziff. B.4.2.3.2 PFB).

36

Dass dem Gesamtvorhaben Nord Stream 2 absehbar unüberwindliche Hindernisse entgegenstehen, kann jedenfalls derzeit nicht gesagt werden; maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses ist insoweit im Übrigen die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.06.2017 – 3 A 1.16 –, DVBl. 2018, 187 – zitiert nach juris, Rn. 87). Der Antragsgegner hat im angegriffenen Planfeststellungsbeschluss (unter B.4.2 – dazu näher unten) die erforderliche Vorausschau auf nachfolgende Abschnitte bzw. das Gesamtvorhaben vorgenommen und ist dabei zu einem vorläufigen positiven Gesamturteil gelangt; die betreffenden Erwägungen sind – soweit sie gerichtlich überprüfbar sind – nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Auch die Ausführungen der Antragsteller in der Antragschrift und weiteren Schriftsätzen widerlegen diese nicht.

37

Ist nach alledem eine Abschnittsbildung materiell-rechtlich zulässig, gilt auch für den planfestgestellten Teilabschnitt ohne weiteres § 43e Abs. 1 Satz 1 EnWG bzw. die gesetzgeberische Entscheidung für eine sofortige Vollziehbarkeit.

b)

38

Neben das öffentliche Vollziehungsinteresse tritt in der Abwägung das entsprechende private Interesse der Beigeladenen, das das Abwägungsergebnis mitbestimmt. Abgesehen von der zeitlichen Verzögerung des Vorhabens würden als Folge der Anordnung der aufschiebenden Wirkung auf Seiten der Beigeladenen täglich Stillstandzahlungen für die beauftragten Baggerschiffe von rund 710.000 EUR auflaufen, für die Verlegeschiffe (ggfs. zusätzlich) im Falle des verspäteten Beginns der Pipelineverlegung von rund 390.000 EUR; die Beigeladene hat die entsprechenden Angaben glaubhaft gemacht. Bei einer durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Ergebnis bedingten Verzögerung des Vorhabens um ein Jahr macht die Beigeladene Zusatzkosten in Höhe von ca. 570 Mio. EUR geltend.

c)

39

Das Ergebnis der Abwägung fällt auch nicht deshalb zu Gunsten der Antragsteller aus, weil bei der Abwägung der für und gegen das Vorhaben sprechenden öffentlichen und privaten Belange die Betrachtung nicht auf den Bereich beschränkt bleiben darf, für den der angefochtene Planfeststellungsbeschluss eine Entscheidung trifft. Das gilt zunächst, wenn sich ein Planfeststellungsverfahren anschließt, das eine andere deutsche Behörde durchzuführen hat. Dem wird Rechnung getragen, wenn die gebildeten Teilabschnitte in enger sachlicher und zeitlicher Abstimmung untersucht und planfestgestellt werden, erst recht, wenn beide Behörden die Baufreigabe ihrer Planfeststellungsbeschlüsse überdies wechselseitig durch aufschiebende Bedingungen von der Vollziehbarkeit des jeweils anderen abhängig gemacht haben (BVerwG, U. v. 14.06.2017 – a.a.O. – zitiert nach juris Rn. 34). Wenn das Vorhaben sich im weiteren Verlauf nicht auf das deutsche Staatsgebiet beschränkt, weil es gerade um den Anschluss mit einer Leitung auf fremdem Staatsgebiet geht, kann nicht allein national geplant werden. Eine Abwägung, insbesondere eine Variantenuntersuchung, die sich allein auf eine Betrachtung der von dem Vorhaben betroffenen Belange auf deutschem Staatsgebiet beschränkte, griffe zu kurz. In diesen Fällen wird die Abwägung vielmehr maßgeblich auch davon bestimmt, ob und wie die allen Belangen gerecht werdende Trassenführung jenseits der Bundesgrenze gestaltet werden soll. Es muss eine mit Anhörung der betroffenen Behörden und der Öffentlichkeit in der betroffenen Staaten durchgeführtes Verfahren durchgeführt werden, das der Sache einer Umweltprüfung im Sinne des deutschen Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) gleichkommt (zur UVP-Pflicht grenzüberschreitender Vorhaben vgl. EuGH, Urt. v. 10.12.2009 – Rs. C-205/08 – ZUR 2010, 255 ). Auch im Rahmen der Abwägung selbst muss der Planfeststellungsbeschluss sowohl die auf deutscher als auch zumindest die auf dänischem Gebiet durch das Vorhaben berührten Belange in die Betrachtung einbeziehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.2010 – 9 A 13/08 –, BVerwGE 136, 332 = NVwZ 2010, 1295 – zitiert nach juris, Rn. 23).

40

Der Antragsgegner hat derartig erforderliche Abwägungen in seine Planfeststellungsentscheidung eingestellt.

41

Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie hat am 27. März 2018 den Genehmigungsbescheid für die Gas-Rohrleitung Nord Stream 2 in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) in der Ostsee erteilt. Der Antragsgegner berücksichtigt, dass die Erteilung der Genehmigung nach § 133 Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 BBergG für den innerhalb des deutschen Festlandsockels belegenen Abschnitt der Nord Stream 2 Pipeline einer Genehmigung durch das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie bedarf. Unter Abschnitt B 4.2.3.1.des Planfeststellungsbeschlusses wird hierzu ausgeführt: Eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Personen oder Sachgütern oder eine Beeinträchtigung überwiegender öffentlicher Interessen, die zur Versagung der beantragten Genehmigung führen könnten, weil sie nicht durch eine Befristung, Bedingungen oder Auflagen verhütet oder ausgeglichen werden könnten, stellten prognostische kein unüberwindbares Hindernis für den in der AWZ belegenen Abschnitt der Leitung dar. Gleiches gelte für die Genehmigung in bergbaulicher Hinsicht nach § 133 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBergG. Es wird auf die Antragsunterlagen Teil A. 01, Kapitel 5.4.3. verwiesen.

42

Unter Abschnitt B 4.2.3.1. wird weiter ausgeführt, in den Antragsunterlagen sei eine Untersuchung der Frage enthalten, ob der Errichtung der Pipeline unüberwindliche Hindernisse in Hinblick auf die Notwendigkeit der Entscheidung anderer Staaten, namentlich Dänemarks, Schwedens, Finnlands und Russlands entgegenstünden. Hier wird auf die Antragsunterlagen Teil A. 01. Kapitel 5.5.1 sowie den Teil Gesamtplanerische Vorausschau Kapitel 2-5 verwiesen. Zudem würde sich aus dem unter Abschnitt B.2.2. näher dargelegte Stand der Genehmigungen ergeben, dass die Erteilung der Genehmigungen in den vorgenannten Staaten jeweils kurz bevorstünde. Das gelte für den Trassenverlauf in Dänemark unabhängig davon, ob die Pipeline, wie bisher geplant, durch die dänische 12 sm-Zone verlaufen werde oder in die AWZ verlegt werden müsse. Eine Umtrassierung in Dänemark werde voraussichtlich nicht zu einer anderen Trassenführung in Deutschland führen. Im Rahmen des schwedischen Genehmigungsverfahrens seien bereits potentielle Auswirkungen des Baus und des Betriebs der Pipeline auf das neu vorgeschlagene Natura 2000-Gebiet „Hobox Bank und Norra Midjsöbanken“ in der Ostsee berücksichtigt. Auch die auf russischer Seite erforderliche Erdgas-Infrastruktur zur Zuleitung des Erdgases hin zum Startpunkt der Nord Stream 2 sei bereits errichtet und im Betrieb bzw. werde jedenfalls spätestens parallel zur geplanten Inbetriebnahme der Pipeline im Jahre 2019 (voraussichtlich 3. Quartal) in Betrieb genommen.

43

In den genannten Erläuterungen wird weiter auf die Erfahrungen mit dem Nord Stream-Vorhaben und den in diesen Rahmen gewonnenen Erkenntnissen zu den Möglichkeiten der Reduzierung von von dem Vorhaben ausgehenden, beeinträchtigenden Wirkungen, unter anderem auf den Naturhaushalt verwiesen. Es wird andererseits auf die auf der Grundlage der Espoo-Konvention durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung für das Gesamtprojekt Nord Stream 2, die strategische Meeresplanung sowie die in der Unterlage J. 01 im Übrigen dargelegten Vorgehensweise der Pipelineplanung und -errichtung in den außerhalb der deutschen Jurisdiktion belegenen Abschnitten der Pipeline verwiesen. Die dem Antragsgegner im Planfeststellungsverfahren vorliegenden Unterlagen berücksichtigten neben den Themen der Umweltverträglichkeit des Vorhabens, des Arten- und Habitatschutzes sowie des Naturschutzes auch sonstige Belange, die unüberwindliche Hindernisse für das Vorgaben bilden könnten. Der Antragsgegner sei am Espoo Verfahren beteiligt gewesen.

44

Unter Abschnitt B.4.8.2.1 werden die grenzüberschreitenden Umweltauswirkungen und Belange dargestellt. Hinsichtlich der Länder Russland, Finnland, Schweden, Dänemark, Estland, Lettland, Litauen und Polen wird jeweils dargestellt, dass die ermittelten nachteiligen Umweltauswirkungen in diesen Ländern für die Bewertung der Planfeststellung nicht relevant seien. In den Abschnitten B.4.8.21.1 ff. werden die Einwendungen gegen das Vorhaben im Hinblick auf den Verlauf der Pipeline außerhalb Deutschlands behandelt.

45

Aus alledem ergibt sich, dass im Rahmen des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses die Auswirkungen auf die vom Planfeststellungsbeschluss nicht umfassten Gebiete Deutschlands sowie des Verlaufs der Pipelines außerhalb Deutschlands gesehen und behandelt worden sind. Im Rahmen der hier nur möglichen summarischen Prüfung kann nicht der Frage näher nachgegangen werden, ob im einzelnen Bedenken gegen die hier niedergelegten Bewertungen bestehen.

4.

46

Mit der Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat sich der weitere Antrag auf Erlass einer Zwischenverfügung erledigt und bedarf es insoweit keiner gesonderten Beschlussfassung mehr.

47

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 und 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Antragsteller die Kosten der Beigeladenen tragen, da diese sich mit ihrer Antragstellung einem Kostenrisiko ausgesetzt und obsiegt hat.

48

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG (vgl. Ziff. 1.2, 1.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

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(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden: 1. die Art und das Maß der baulichen Nutzung;2. die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;2a. vom

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80a


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Energiewirtschaftsgesetz - EnWG 2005 | § 1 Zweck und Ziele des Gesetzes


(1) Zweck des Gesetzes ist eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente, umweltverträgliche und treibhausgasneutrale leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität, Gas und Wasserstoff, die zunehmend auf

Allgemeines Eisenbahngesetz - AEG 1994 | § 18 Erfordernis der Planfeststellung und vorläufige Anordnung


(1) Betriebsanlagen einer Eisenbahn einschließlich der Bahnfernstromleitungen dürfen nur gebaut oder geändert werden, wenn der Plan vorher festgestellt ist. Bei der Planfeststellung sind die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belang

Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz - UmwRG | § 3 Anerkennung von Vereinigungen


(1) Auf Antrag wird einer inländischen oder ausländischen Vereinigung die Anerkennung zur Einlegung von Rechtbehelfen nach diesem Gesetz erteilt. Die Anerkennung ist zu erteilen, wenn die Vereinigung 1. nach ihrer Satzung ideell und nicht nur vorüber

Energiewirtschaftsgesetz - EnWG 2005 | § 43 Erfordernis der Planfeststellung


(1) Die Errichtung und der Betrieb sowie die Änderung von folgenden Anlagen bedürfen der Planfeststellung durch die nach Landesrecht zuständige Behörde:1.Hochspannungsfreileitungen, ausgenommen Bahnstromfernleitungen, mit einer Nennspannung von 110 K

Energiewirtschaftsgesetz - EnWG 2005 | § 43e Rechtsbehelfe


(1) Die Anfechtungsklage gegen einen Planfeststellungsbeschluss oder eine Plangenehmigung hat keine aufschiebende Wirkung. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen einen Planfeststellungsbeschluss oder eine Plang

Bundesberggesetz - BBergG | § 133 Unterwasserkabel und Transit-Rohrleitungen


(1) Die Errichtung und der Betrieb einer Transit-Rohrleitung in oder auf dem Festlandsockel bedarf einer Genehmigung 1. in bergbaulicher Hinsicht und2. hinsichtlich der Ordnung der Nutzung und Benutzung der Gewässer über dem Festlandsockel und des Lu

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Tatbestand 1 Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 13. November 2015 für das Vorhaben "Ausbau Knoten Berlin, Berlin S

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(1) Die Anfechtungsklage gegen einen Planfeststellungsbeschluss oder eine Plangenehmigung hat keine aufschiebende Wirkung. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen einen Planfeststellungsbeschluss oder eine Plangenehmigung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung kann nur innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Planfeststellungsbeschlusses oder der Plangenehmigung gestellt und begründet werden. Darauf ist in der Rechtsbehelfsbelehrung hinzuweisen. § 58 der Verwaltungsgerichtsordnung gilt entsprechend.

(2) Treten später Tatsachen ein, die die Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen, so kann der durch den Planfeststellungsbeschluss oder die Plangenehmigung Beschwerte einen hierauf gestützten Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung innerhalb einer Frist von einem Monat stellen und begründen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Beschwerte von den Tatsachen Kenntnis erlangt.

(3)Der Kläger hat innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung die zur Begründung seiner Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn der Kläger die Verspätung genügend entschuldigt. Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen. Satz 2 gilt nicht, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Klägers zu ermitteln. Die Frist nach Satz 1 kann durch den Vorsitzenden oder den Berichterstatter auf Antrag verlängert werden, wenn der Kläger in dem Verfahren, in dem die angefochtene Entscheidung ergangen ist, keine Möglichkeit der Beteiligung hatte.

(4) Für Energieleitungen, die nach § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 planfestgestellt werden, sowie für Anlagen, die für den Betrieb dieser Energieleitungen notwendig sind und die nach § 43 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 planfestgestellt werden, ist § 50 Absatz 1 Nummer 6 der Verwaltungsgerichtsordnung anzuwenden. § 50 Absatz 1 Nummer 6 der Verwaltungsgerichtsordnung ist auch anzuwenden für auf diese Energieleitungen und auf für deren Betrieb notwendige Anlagen bezogene Zulassungen des vorzeitigen Baubeginns und Anzeigeverfahren sowie für Genehmigungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz für Anlagen, die für den Betrieb dieser Energieleitungen notwendig sind.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde

1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen,
2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.

(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.

(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.

(1) Auf Antrag wird einer inländischen oder ausländischen Vereinigung die Anerkennung zur Einlegung von Rechtbehelfen nach diesem Gesetz erteilt. Die Anerkennung ist zu erteilen, wenn die Vereinigung

1.
nach ihrer Satzung ideell und nicht nur vorübergehend vorwiegend die Ziele des Umweltschutzes fördert,
2.
im Zeitpunkt der Anerkennung mindestens drei Jahre besteht und in diesem Zeitraum im Sinne der Nummer 1 tätig gewesen ist,
3.
die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung, insbesondere für eine sachgerechte Beteiligung an behördlichen Entscheidungsverfahren, bietet; dabei sind Art und Umfang ihrer bisherigen Tätigkeit, der Mitgliederkreis sowie die Leistungsfähigkeit der Vereinigung zu berücksichtigen,
4.
gemeinnützige Zwecke im Sinne von § 52 der Abgabenordnung verfolgt und
5.
jeder Person den Eintritt als Mitglied ermöglicht, die die Ziele der Vereinigung unterstützt; Mitglieder sind Personen, die mit dem Eintritt volles Stimmrecht in der Mitgliederversammlung der Vereinigung erhalten; bei Vereinigungen, deren Mitgliederkreis zu mindestens drei Vierteln aus juristischen Personen besteht, kann von der Voraussetzung nach Halbsatz 1 abgesehen werden, sofern die Mehrzahl dieser juristischen Personen diese Voraussetzung erfüllt.
In der Anerkennung ist der satzungsgemäße Aufgabenbereich, für den die Anerkennung gilt, zu bezeichnen; dabei sind insbesondere anzugeben, ob die Vereinigung im Schwerpunkt die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert, sowie der räumliche Bereich, auf den sich die Anerkennung bezieht. Die Anerkennung kann, auch nachträglich, mit der Auflage verbunden werden, dass Satzungsänderungen mitzuteilen sind. Sie ist von der zuständigen Behörde im Internet zu veröffentlichen.

(2) Für eine ausländische Vereinigung sowie für eine Vereinigung mit einem Tätigkeitsbereich, der über das Gebiet eines Landes hinausgeht, wird die Anerkennung durch das Umweltbundesamt ausgesprochen. Bei der Anerkennung einer Vereinigung nach Satz 1, die im Schwerpunkt die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert, ergeht diese Anerkennung im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Naturschutz. Für die Anerkennung werden keine Gebühren und Auslagen erhoben.

(3) Für eine inländische Vereinigung mit einem Tätigkeitsbereich, der nicht über das Gebiet eines Landes hinausgeht, wird die Anerkennung durch die zuständige Behörde des Landes ausgesprochen.

(1) Die Anfechtungsklage gegen einen Planfeststellungsbeschluss oder eine Plangenehmigung hat keine aufschiebende Wirkung. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen einen Planfeststellungsbeschluss oder eine Plangenehmigung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung kann nur innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Planfeststellungsbeschlusses oder der Plangenehmigung gestellt und begründet werden. Darauf ist in der Rechtsbehelfsbelehrung hinzuweisen. § 58 der Verwaltungsgerichtsordnung gilt entsprechend.

(2) Treten später Tatsachen ein, die die Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen, so kann der durch den Planfeststellungsbeschluss oder die Plangenehmigung Beschwerte einen hierauf gestützten Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung innerhalb einer Frist von einem Monat stellen und begründen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Beschwerte von den Tatsachen Kenntnis erlangt.

(3)Der Kläger hat innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung die zur Begründung seiner Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn der Kläger die Verspätung genügend entschuldigt. Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen. Satz 2 gilt nicht, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Klägers zu ermitteln. Die Frist nach Satz 1 kann durch den Vorsitzenden oder den Berichterstatter auf Antrag verlängert werden, wenn der Kläger in dem Verfahren, in dem die angefochtene Entscheidung ergangen ist, keine Möglichkeit der Beteiligung hatte.

(4) Für Energieleitungen, die nach § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 planfestgestellt werden, sowie für Anlagen, die für den Betrieb dieser Energieleitungen notwendig sind und die nach § 43 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 planfestgestellt werden, ist § 50 Absatz 1 Nummer 6 der Verwaltungsgerichtsordnung anzuwenden. § 50 Absatz 1 Nummer 6 der Verwaltungsgerichtsordnung ist auch anzuwenden für auf diese Energieleitungen und auf für deren Betrieb notwendige Anlagen bezogene Zulassungen des vorzeitigen Baubeginns und Anzeigeverfahren sowie für Genehmigungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz für Anlagen, die für den Betrieb dieser Energieleitungen notwendig sind.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die Anfechtungsklage gegen einen Planfeststellungsbeschluss oder eine Plangenehmigung hat keine aufschiebende Wirkung. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen einen Planfeststellungsbeschluss oder eine Plangenehmigung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung kann nur innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Planfeststellungsbeschlusses oder der Plangenehmigung gestellt und begründet werden. Darauf ist in der Rechtsbehelfsbelehrung hinzuweisen. § 58 der Verwaltungsgerichtsordnung gilt entsprechend.

(2) Treten später Tatsachen ein, die die Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen, so kann der durch den Planfeststellungsbeschluss oder die Plangenehmigung Beschwerte einen hierauf gestützten Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung innerhalb einer Frist von einem Monat stellen und begründen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Beschwerte von den Tatsachen Kenntnis erlangt.

(3)Der Kläger hat innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung die zur Begründung seiner Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn der Kläger die Verspätung genügend entschuldigt. Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen. Satz 2 gilt nicht, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Klägers zu ermitteln. Die Frist nach Satz 1 kann durch den Vorsitzenden oder den Berichterstatter auf Antrag verlängert werden, wenn der Kläger in dem Verfahren, in dem die angefochtene Entscheidung ergangen ist, keine Möglichkeit der Beteiligung hatte.

(4) Für Energieleitungen, die nach § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 planfestgestellt werden, sowie für Anlagen, die für den Betrieb dieser Energieleitungen notwendig sind und die nach § 43 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 planfestgestellt werden, ist § 50 Absatz 1 Nummer 6 der Verwaltungsgerichtsordnung anzuwenden. § 50 Absatz 1 Nummer 6 der Verwaltungsgerichtsordnung ist auch anzuwenden für auf diese Energieleitungen und auf für deren Betrieb notwendige Anlagen bezogene Zulassungen des vorzeitigen Baubeginns und Anzeigeverfahren sowie für Genehmigungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz für Anlagen, die für den Betrieb dieser Energieleitungen notwendig sind.

(1) Zweck des Gesetzes ist eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente, umweltverträgliche und treibhausgasneutrale leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität, Gas und Wasserstoff, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht.

(2) Die Regulierung der Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetze dient den Zielen der Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas und der Sicherung eines langfristig angelegten leistungsfähigen und zuverlässigen Betriebs von Energieversorgungsnetzen.

(3) Zweck dieses Gesetzes ist ferner die Umsetzung und Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf dem Gebiet der leitungsgebundenen Energieversorgung.

(4) Um den Zweck des Absatzes 1 auf dem Gebiet der leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität zu erreichen, verfolgt dieses Gesetz insbesondere die Ziele,

1.
die freie Preisbildung für Elektrizität durch wettbewerbliche Marktmechanismen zu stärken,
2.
den Ausgleich von Angebot und Nachfrage nach Elektrizität an den Strommärkten jederzeit zu ermöglichen,
3.
dass Erzeugungsanlagen, Anlagen zur Speicherung elektrischer Energie und Lasten insbesondere möglichst umweltverträglich, netzverträglich, effizient und flexibel in dem Umfang eingesetzt werden, der erforderlich ist, um die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu gewährleisten, und
4.
den Elektrizitätsbinnenmarkt zu stärken sowie die Zusammenarbeit insbesondere mit den an das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland angrenzenden Staaten sowie mit dem Königreich Norwegen und dem Königreich Schweden zu intensivieren.

(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden:

1.
die Art und das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
2a.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
3.
für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke Mindestmaße und aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße;
4.
die Flächen für Nebenanlagen, die auf Grund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie die Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten;
5.
die Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen;
6.
die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden;
7.
die Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet werden dürfen;
8.
einzelne Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind;
9.
der besondere Nutzungszweck von Flächen;
10.
die Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung;
11.
die Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, wie Fußgängerbereiche, Flächen für das Parken von Fahrzeugen, Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern sowie den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen; die Flächen können auch als öffentliche oder private Flächen festgesetzt werden;
12.
die Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung;
13.
die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen;
14.
die Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen;
15.
die öffentlichen und privaten Grünflächen, wie Parkanlagen, Naturerfahrungsräume, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze, Friedhöfe;
16.
a)
die Wasserflächen und die Flächen für die Wasserwirtschaft,
b)
die Flächen für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses,
c)
Gebiete, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen,
d)
die Flächen, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müssen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen, vorzubeugen;
17.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen;
18.
a)
die Flächen für die Landwirtschaft und
b)
Wald;
19.
die Flächen für die Errichtung von Anlagen für die Kleintierhaltung wie Ausstellungs- und Zuchtanlagen, Zwinger, Koppeln und dergleichen;
20.
die Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft;
21.
die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkreises zu belastenden Flächen;
22.
die Flächen für Gemeinschaftsanlagen für bestimmte räumliche Bereiche wie Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze und Garagen;
23.
Gebiete, in denen
a)
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen,
b)
bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen,
c)
bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmenden Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen, die der Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen, getroffen werden müssen;
24.
die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben;
25.
für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald festgesetzten Flächen
a)
das Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen,
b)
Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern;
26.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern, soweit sie zur Herstellung des Straßenkörpers erforderlich sind.

(1a) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Absatz 3 können auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden. Die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle können den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden; dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen.

(2) Im Bebauungsplan kann in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur

1.
für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder
2.
bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig
sind. Die Folgenutzung soll festgesetzt werden.

(2a) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Versorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorgesehen sein.

(2b) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann in einem Bebauungsplan, auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, um

1.
eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder
2.
eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten,
zu verhindern.

(2c) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann zur Vermeidung oder Verringerung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden.

(2d) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) können in einem Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:

1.
Flächen, auf denen Wohngebäude errichtet werden dürfen;
2.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erfüllen, oder
3.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird.
Ergänzend können eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:
1.
das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
3.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
4.
Mindestmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke;
5.
Höchstmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Wohnbaugrundstücke, aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden.
Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 und 2 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans getroffen werden. Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 bis 3 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans oder für Geschosse, Ebenen oder sonstige Teile baulicher Anlagen unterschiedlich getroffen werden. Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans nach diesem Absatz kann nur bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 förmlich eingeleitet werden. Der Satzungsbeschluss nach § 10 Absatz 1 ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 zu fassen.

(3) Bei Festsetzungen nach Absatz 1 kann auch die Höhenlage festgesetzt werden. Festsetzungen nach Absatz 1 für übereinanderliegende Geschosse und Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen können gesondert getroffen werden; dies gilt auch, soweit Geschosse, Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche vorgesehen sind.

(4) Die Länder können durch Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden.

(5) Im Bebauungsplan sollen gekennzeichnet werden:

1.
Flächen, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind;
2.
Flächen, unter denen der Bergbau umgeht oder die für den Abbau von Mineralien bestimmt sind;
3.
Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.

(6) Nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffene Festsetzungen, gemeindliche Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang sowie Denkmäler nach Landesrecht sollen in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden, soweit sie zu seinem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind.

(6a) Festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes, Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Hochwasserentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sollen nachrichtlich übernommen werden. Noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie als Risikogebiete im Sinne des § 73 Absatz 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes bestimmte Gebiete sollen im Bebauungsplan vermerkt werden.

(7) Der Bebauungsplan setzt die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest.

(8) Dem Bebauungsplan ist eine Begründung mit den Angaben nach § 2a beizufügen.

(1) Bundesfernstraßen dürfen nur gebaut oder geändert werden, wenn der Plan vorher festgestellt ist. Eine Änderung liegt vor, wenn eine Bundesfernstraße

1.
um einen oder mehrere durchgehende Fahrstreifen für den Kraftfahrzeugverkehr baulich erweitert wird oder
2.
in sonstiger Weise erheblich baulich umgestaltet wird.
Eine Änderung im Sinne von Satz 2 liegt insbesondere nicht vor, wenn sie im Zuge des Wiederaufbaus nach einer Naturkatastrophe erforderlich ist, um die Bundesfernstraße vor Naturereignissen zu schützen, und in einem räumlich begrenzten Korridor entlang des Trassenverlaufs erfolgt. Bei der Planfeststellung sind die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Für das Planfeststellungsverfahren gelten die §§ 72 bis 78 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nach Maßgabe dieses Gesetzes. Die Maßgaben gelten entsprechend, soweit das Verfahren landesrechtlich durch ein Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt ist.

(2) Ist das Planfeststellungsverfahren eingeleitet, kann die Planfeststellungsbehörde nach Anhörung der betroffenen Gemeinde eine vorläufige Anordnung erlassen, in der vorbereitende Maßnahmen oder Teilmaßnahmen zum Bau oder zur Änderung festgesetzt werden,

1.
soweit es sich um reversible Maßnahmen handelt,
2.
wenn an dem vorzeitigen Beginn ein öffentliches Interesse besteht,
3.
wenn mit einer Entscheidung zugunsten des Trägers des Vorhabens gerechnet werden kann und
4.
wenn die nach § 74 Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes zu berücksichtigenden Interessen gewahrt werden.
In der vorläufigen Anordnung sind die Auflagen zur Sicherung dieser Interessen und der Umfang der vorläufig zulässigen Maßnahmen festzulegen. Sie ist den anliegenden Gemeinden sowie den Beteiligten zuzustellen oder ortsüblich bekannt zu machen. Sie ersetzt nicht die Planfeststellung. § 16a bleibt unberührt. Soweit die vorbereitenden Maßnahmen oder Teilmaßnahmen zum Bau oder zur Änderung durch die Planfeststellung für unzulässig erklärt sind, ordnet die Planfeststellungsbehörde gegenüber dem Träger des Vorhabens an, den früheren Zustand wiederherzustellen. Dies gilt auch, wenn der Antrag auf Planfeststellung zurückgenommen wurde. Der Betroffene ist durch den Träger der Straßenbaulast zu entschädigen, soweit die Wiederherstellung des früheren Zustands nicht möglich oder mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden oder ein Schaden eingetreten ist, der durch die Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht ausgeglichen wird. Rechtsbehelfe gegen die vorläufige Anordnung haben keine aufschiebende Wirkung; ein Vorverfahren findet nicht statt. Betrifft die vorläufige Anordnung ein Vorhaben im Sinne des § 17e Absatz 1, ist § 17e Absatz 1 und 5 in Bezug auf Rechtsbehelfe gegen die vorläufige Anordnung entsprechend anzuwenden.

(1) Betriebsanlagen einer Eisenbahn einschließlich der Bahnfernstromleitungen dürfen nur gebaut oder geändert werden, wenn der Plan vorher festgestellt ist. Bei der Planfeststellung sind die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Für das Planfeststellungsverfahren gelten die §§ 72 bis 78 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nach Maßgabe dieses Gesetzes. Wird eine bestehende Betriebsanlage einer Eisenbahn erneuert, liegt nur dann eine Änderung im Sinne von Satz 1 vor, wenn der Grundriss oder der Aufriss der Betriebsanlage oder beides wesentlich geändert wird. Eine wesentliche Änderung des Grundrisses oder Aufrisses einer Betriebsanlage im Sinne von Satz 4 liegt insbesondere nicht vor, wenn sie im Zuge des Wiederaufbaus nach einer Naturkatastrophe erforderlich ist, um diese vor Naturereignissen zu schützen, und in einem räumlich begrenzten Korridor entlang des Trassenverlaufs erfolgt.

(1a) Für folgende Einzelmaßnahmen, die den Bau oder die Änderung von Betriebsanlagen einer Eisenbahn vorsehen, bedarf es keiner vorherigen Planfeststellung oder Plangenehmigung, sofern keine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht:

1.
die Ausstattung einer bestehenden Bahnstrecke mit einer Oberleitung einschließlich dafür notwendiger räumlich begrenzter baulicher Anpassungen, insbesondere von Tunneln mit geringer Länge oder von Kreuzungsbauwerken,
2.
die im Rahmen der Digitalisierung einer Bahnstrecke erforderlichen Baumaßnahmen, insbesondere die Ausstattung einer Bahnstrecke mit Signal- und Sicherungstechnik des Standards European Rail Traffic Management System (ERTMS),
3.
der barrierefreie Umbau, die Erhöhung oder die Verlängerung von Bahnsteigen,
4.
die Errichtung von Lärmschutzwänden zur Lärmsanierung,
5.
die Herstellung von Überleitstellen für Gleiswechselbetriebe,
6.
die Herstellung von Gleisanschlüssen bis 2 000 Meter und von Zuführungs- und Industriestammgleisen bis 3 000 Meter.
Für die in Satz 1 Nummer 1 bis 6 genannten Einzelmaßnahmen ist keine weitere baurechtliche Zulassung erforderlich; landesrechtliche Regelungen bleiben unberührt. Werden durch das Vorhaben private oder öffentliche Belange einschließlich der Belange der Umwelt berührt, kann der Träger des Vorhabens die Feststellung des Planes nach Absatz 1 Satz 1 beantragen. Ungeachtet dessen hat sich der Träger des Vorhabens vor Durchführung einer Einzelmaßnahme im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 und 2 durch das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr vor der Durchführung bestätigen zu lassen, dass keine militärischen Belange entgegenstehen. Kann für das Vorhaben die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen, hat der Träger des Vorhabens bei der Planfeststellungsbehörde den Antrag nach § 5 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung zu stellen. Satz 1 Nummer 1 und 2 ist nur anzuwenden, wenn die zuständige Behörde feststellt, dass Vorgaben über die Errichtung und über wesentliche Änderungen von Anlagen eingehalten sind, die in einer elektrische, magnetische oder elektromagnetische Felder betreffenden und auf Grund von § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 in Verbindung mit § 48b des Bundes-Immissionsschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 2002 erlassenen Rechtsverordnung enthalten sind.

(2) Ist das Planfeststellungsverfahren eingeleitet, kann die Planfeststellungsbehörde nach Anhörung der betroffenen Gemeinde eine vorläufige Anordnung erlassen, in der vorbereitende Maßnahmen oder Teilmaßnahmen zum Bau oder zur Änderung festgesetzt werden,

1.
soweit es sich um reversible Maßnahmen handelt,
2.
wenn an dem vorzeitigen Beginn ein öffentliches Interesse besteht,
3.
wenn mit einer Entscheidung zugunsten des Trägers des Vorhabens gerechnet werden kann und
4.
wenn die nach § 74 Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes zu berücksichtigenden Interessen gewahrt werden.
In der vorläufigen Anordnung sind die Auflagen zur Sicherung dieser Interessen und der Umfang der vorläufig zulässigen Maßnahmen festzulegen. Sie ist den anliegenden Gemeinden sowie den Beteiligten zuzustellen oder öffentlich bekannt zu machen. Sie ersetzt nicht die Planfeststellung. § 17 bleibt unberührt. Soweit die vorbereitenden Maßnahmen oder Teilmaßnahmen zum Bau oder zur Änderung durch die Planfeststellung für unzulässig erklärt sind, ordnet die Planfeststellungsbehörde gegenüber dem Träger des Vorhabens an, den früheren Zustand wiederherzustellen. Dies gilt auch, wenn der Antrag auf Planfeststellung zurückgenommen wurde. Der Betroffene ist durch den Vorhabenträger zu entschädigen, soweit die Wiederherstellung des früheren Zustands nicht möglich oder mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden oder ein Schaden eingetreten ist, der durch die Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht ausgeglichen wird. Rechtsbehelfe gegen die vorläufige Anordnung haben keine aufschiebende Wirkung; ein Vorverfahren findet nicht statt. Betrifft die vorläufige Anordnung ein Vorhaben im Sinne des § 18e Absatz 1, ist § 18e Absatz 1 und 5 in Bezug auf Rechtsbehelfe gegen die vorläufige Anordnung entsprechend anzuwenden.

(3) Unterhaltungsmaßnahmen bedürfen keiner vorherigen Planfeststellung oder Plangenehmigung.

(1) Die Errichtung und der Betrieb sowie die Änderung von folgenden Anlagen bedürfen der Planfeststellung durch die nach Landesrecht zuständige Behörde:

1.
Hochspannungsfreileitungen, ausgenommen Bahnstromfernleitungen, mit einer Nennspannung von 110 Kilovolt oder mehr,
2.
Hochspannungsleitungen, die zur Netzanbindung von Windenergieanlagen auf See im Sinne des § 3 Nummer 49 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Küstenmeer als Seekabel und landeinwärts als Freileitung oder Erdkabel bis zu dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunkt des nächsten Übertragungs- oder Verteilernetzes verlegt werden sollen, mit Ausnahme von Nebeneinrichtungen zu Offshore-Anbindungsleitungen,
3.
grenzüberschreitende Gleichstrom-Hochspannungsleitungen, die nicht unter Nummer 2 fallen und die im Küstenmeer als Seekabel verlegt werden sollen, sowie deren Fortführung landeinwärts als Freileitung oder Erdkabel bis zu dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunkt des nächsten Übertragungs- oder Verteilernetzes,
4.
Hochspannungsleitungen nach § 2 Absatz 5 und 6 des Bundesbedarfsplangesetzes,
5.
Gasversorgungsleitungen mit einem Durchmesser von mehr als 300 Millimetern und
6.
Anbindungsleitungen von LNG-Anlagen an das Fernleitungsnetz mit einem Durchmesser von mehr als 300 Millimetern.
Leitungen nach § 2 Absatz 1 des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes Übertragungsnetz bleiben unberührt.

(2) Auf Antrag des Trägers des Vorhabens können durch Planfeststellung durch die nach Landesrecht zuständige Behörde zugelassen werden:

1.
die für den Betrieb von Energieleitungen notwendigen Anlagen, insbesondere Konverterstationen, Phasenschieber, Verdichterstationen, Umspannanlagen und Netzverknüpfungspunkte, die auch in das Planfeststellungsverfahren für die Energieleitung integriert werden können, einschließlich Nebeneinrichtungen zu Offshore-Anbindungsleitungen; dabei ist eine nachträgliche Integration in die Entscheidung zur Planfeststellung durch Planergänzungsverfahren möglich, solange die Entscheidung zur Planfeststellung gilt,
2.
die Errichtung und der Betrieb sowie die Änderung eines Erdkabels für Hochspannungsleitungen mit einer Nennspannung von 110 Kilovolt im Küstenbereich von Nord- und Ostsee, die in einem 20 Kilometer breiten Korridor, der längs der Küstenlinie landeinwärts verläuft, verlegt werden sollen; Küstenlinie ist die in der Seegrenzkarte Nummer 2920 „Deutsche Nordseeküste und angrenzende Gewässer“, Ausgabe 1994, XII, und in der Seegrenzkarte Nummer 2921 „Deutsche Ostseeküste und angrenzende Gewässer“, Ausgabe 1994, XII, des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie jeweils im Maßstab 1 : 375 000 dargestellte Küstenlinie,*
3.
die Errichtung und der Betrieb sowie die Änderung eines Erdkabels mit einer Nennspannung von 110 Kilovolt oder mehr zur Anbindung von Kraftwerken oder Pumpspeicherkraftwerken an das Elektrizitätsversorgungsnetz,
4.
die Errichtung und der Betrieb sowie die Änderung eines sonstigen Erdkabels für Hochspannungsleitungen mit einer Nennspannung von 110 Kilovolt oder weniger, ausgenommen Bahnstromfernleitungen,
5.
die Errichtung und der Betrieb sowie die Änderung einer Freileitung mit einer Nennspannung von unter 110 Kilovolt oder einer Bahnstromfernleitung, sofern diese Leitungen mit einer Leitung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 oder 3 auf einem Mehrfachgestänge geführt werden und in das Planfeststellungsverfahren für diese Leitung integriert werden; Gleiches gilt für Erdkabel mit einer Nennspannung von unter 110 Kilovolt, sofern diese im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Baumaßnahme eines Erdkabels nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 bis 4 oder nach den Nummern 2 bis 4 mit verlegt werden,
6.
Leerrohre, die im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Baumaßnahme eines Erdkabels nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 bis 4 oder nach den Nummern 2 bis 4 mit verlegt werden,
7.
die Errichtung und der Betrieb sowie die Änderung von Energiekopplungsanlagen,
8.
die Errichtung und der Betrieb sowie die Änderung von Großspeicheranlagen mit einer Nennleistung ab 50 Megawatt, soweit sie nicht § 126 des Bundesberggesetzes unterfallen und
9.
die Errichtung und der Betrieb von Anlagen nach § 2 Absatz 1 Nummer 1 des LNG-Beschleunigungsgesetzes einschließlich erforderlicher Nebenanlagen und technischer und baulicher Nebeneinrichtungen, dabei kann auch eine Verbindung mit einem nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 durchzuführenden Planfeststellungsverfahren erfolgen.
Satz 1 ist für Erdkabel auch bei Abschnittsbildung anzuwenden, wenn die Erdverkabelung in unmittelbarem Zusammenhang mit dem beantragten Abschnitt einer Freileitung steht.

(3) Bei der Planfeststellung sind die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen.

(4) Für das Planfeststellungsverfahren sind die §§ 72 bis 78 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nach Maßgabe dieses Gesetzes anzuwenden.

(5) Die Maßgaben sind entsprechend anzuwenden, soweit das Verfahren landesrechtlich durch ein Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt ist.

__________

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Rundfunkbeiträgen im privaten Bereich für ein Hotelzimmer.

2

Der Kläger ist seit dem 01.03.2006 melderechtlich wohnhaft unter der Anschrift … in …. Dies teilte die Meldebehörde dem Beklagten im Mai 2014 mit. Diese Adresse ist identisch mit dem Hotel …, von dessen Betreiberin (… GmbH) er Geschäftsführer ist. Der Kläger hält sich während der Wintermonate im Ausland auf, während der Saison hingegen - zumindest vorübergehend - in einem Zimmer des Hotels. Das Hotel soll mittlerweile seinen Betrieb eingestellt haben.

3

Das Hotel wird beim Beklagten eigenständig unter der Rundfunknummer 508 668 236 geführt und zu Rundfunkgebühren (bis 2012) bzw. -beiträgen (seit 2013) herangezogen. Entsprechende Klagen hiergegen blieben erfolglos (14 A 203/05, 4 A 96/11, 4 A 159/12).

4

Aufgrund der Mitteilung des Einwohnermeldeamtes meldete der Beklagte den Kläger nach entsprechender Information über seine private Beitragspflicht ab dem 01.01.2013 unter der Beitragsnummer 652 191 850 an.

5

Nachdem keine Zahlungen zu verzeichnen waren, setzte der Beklagte mit Bescheid vom 01.04.2015 für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis 30.09.2014 einen Rundfunkbeitrag in Höhe von 377,58 € und für den Zeitraum vom 01.10.2014 bis 31.12.2014 in Höhe von 53,94 € sowie einen Säumniszuschlag in Höhe von 8 € fest.

6

Hiergegen legte der Kläger am 15.04.2015 Widerspruch ein mit der Begründung, er habe keinen Haushalt, er wohne im Hotel. Dort würden ebenfalls Beiträge kassiert. Er halte sich zeitweise im Ausland auf. In der Hauptsaison würde er im Hotel aushelfen und ein Hotelzimmer ohne Fernsehgerät nutzen.

7

Den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 21.12.2015 begründete der Beklagte damit, dass der Kläger aufgrund der gesetzlichen Vermutung nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) unter der übermittelten Meldeanschrift als Wohnungsinhaber angemeldet worden sei. Das im Hotel bewohnte Zimmer sei eine Wohnung im Sinne des RBStV. Nach der gesetzlichen Definition sei es ausreichend, dass die ortsfeste, baulich abgeschlossene Raumeinheit zum Wohnen bzw. Schlafen geeignet sei. Es bedürfe für die Einordnung als Wohnung keines tatsächlichen Bewohnens. Ob und welche Rundfunkempfangsgeräte vorhanden seien und ob und welche Art von Rundfunk dort empfangen werde, sei unerheblich.

8

Der Kläger hat am 20.01.2016 Klage erhoben. Zur Begründung vertieft er seine bisherigen Argumente und führt ergänzend an, dass er in dem streitgegenständlichen Hotelzimmer keinen eigenständigen „Haushalt“ führe; insbesondere gebe es zum Beispiel keine Küche, keine eigenen Wasser- oder Stromzähler. § 3 Abs. 2 Nr. 5 RBStV könne entnommen werden, dass Raumeinheiten, die der vorübergehenden Unterbringung in Beherbergungsstätten dienten, insbesondere Hotel- und Gästezimmer, nicht als Wohnung gelten würden. Zudem sei das jeweils 1. Zimmer oder die 1. Wohnung für ihre zugehörige Betriebsstätte beitragsfrei (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 RBStV). Wenn überhaupt ein von dem Kläger genutztes Hotelzimmer als „Wohnung“ betrachtet würde, wäre diese auch hiernach von der Gebührenpflicht befreit. Zudem werde die Berechnung dem Grunde und der Höhe nach nicht anerkannt.

9

Der Kläger beantragt,

10

den Bescheid des Beklagten vom 01.04.2015 und den Widerspruchsbescheid vom 21.12.2015 aufzuheben.

11

Der Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Unter Vertiefung seines bisherigen Vortrags führt er ergänzend aus, dass gegen die Verfassungsgemäßheit des RBStV keine Bedenken bestünden. Die Tatsache, dass der Kläger in einem Hotelzimmer wohne, führe nicht dazu, dass die Beitragspflicht entfalle: der RBStV unterscheide zwischen dem privaten und dem nicht ausschließlich privaten Bereich, für den jeweils gesondert Beiträge anfallen würden. Das Zimmer sei nicht vom Wohnungsbegriff entbunden, nur weil es sich innerhalb einer Betriebsstätte befinde.

14

Mit Beschluss vom 19.06.2016 ist der Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen worden.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Klage ist unbegründet, denn der Bescheid des Beklagten vom 01.04.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) Rechtsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrages ist seit dem 01.01.2013 §§ 2, 3, 7, 10 Abs. 5 des 15. Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (i.V.m. dem Gesetz zum 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 16.12.2011, GVOBl. SH 2011 Nr. 18, S. 345 ff), im folgenden RBStV.

17

An der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages hat das Gericht nach seiner ständigen Rechtsprechung – an der es festhält – keinen Zweifel (vgl. grundlegend VG Schleswig, U. v. 10.06.2015 - 4 A 105/14 -, juris). Die Verfassungsmäßigkeit des zum 01.01.2013 eingeführten Rundfunkbeitrags hat nach den Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 13.05.2014 (VGH B 35/12 -, juris) und des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 15.05.2014 (Vf. 8-VII-12 und Vf. 24-VII-12 -, jeweils zitiert nach juris) sowie zahlreichen Entscheidungen von Verwaltungsgerichten und Oberverwaltungsgerichten (vgl. auch OVG Schleswig, B. v. 06.03.2017 - 3 LA 40/16 -, juris) auch das Bundesverwaltungsgericht in mehreren Urteilen vom 18.03.2016 (u. a. BVerwG - 6 C 6.15 -, juris) und vom 07.12.2016 (BVerwG - 6 C 49/15 -, juris) festgestellt.

18

Der angefochtene Bescheid ist auch formell und materiell rechtmäßig. Insbesondere liegen die Voraussetzungen für eine Beitragspflicht des Klägers nach § 2 Abs. 1 RBStV auch hinsichtlich des Zimmers im Hotel … vor.

19

Dieses Zimmer stellt eine Wohnung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RBStV dar. Nach dieser Vorschrift ist eine Wohnung jede ortsfeste, baulich abgeschlossene Raumeinheit, die (1.) zum Wohnen oder Schlafen geeignet ist oder genutzt wird und (2.) durch einen eigenen Eingang unmittelbar von einem Treppenhaus, einem Vorraum oder von außen, nicht ausschließlich über eine andere Wohnung, betreten werden kann. Dabei handelt es sich um eine eigenständige Definition des Begriffes der Wohnung für den Bereich des Rundfunkrechts, die an den Abgrenzungserfordernissen des Beitragsrechts ausgerichtet und in diesem Lichte auszulegen ist (LT-Drs. 17/1336, S. 44). Aus der Formulierung, dass die Raumeinheit zum Wohnen oder Schlafen lediglich geeignet sein muss, ergibt sich, dass ein tatsächliches Bewohnen nicht erforderlich ist und es auch nicht auf eine gewisse Regelmäßigkeit oder Dauerhaftigkeit des Bewohnens ankommt. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll daher auch ein Ferien- oder Wochenendhaus eine Wohnung darstellen, selbst wenn es nur einmal im Jahr tatsächlich für einen Kurzurlaub aufgesucht und im Übrigen lediglich zur Nutzung bereitgehalten wird (LT-Drs. 17/1336, S. 45). In der Wohnung beanspruchen deren Inhaber den „inneren Wohnungsschutz“ als Mittelpunkt ihrer menschlichen Entfaltung und individuellen Persönlichkeitsgestaltung. Für die Anforderungen des Rundfunkrechts kann deshalb angenommen werden, dass Haushalt und Wohnung regelmäßig deckungsgleich sind. Es macht sich zunutze, dass der Begriff der Wohnung – anders als der Haushalt – objektiv formalisiert abgrenzbar ist. Auch das Innehaben einer Wohnung kann – anders als die Mitgliedschaft in einem Haushalt – anhand objektiver Kriterien abgegrenzt werden, in dem Mithilfe der in § 2 Abs. 2 Satz 2 formulierten Vermutungen auf vorhandene Rechtsinstitute des Melde- und des Mietrechts zurückgegriffen wird. Diese Anknüpfung hat überdies den Vorteil, dass zur Ermittlung und Abgrenzung des Tatbestandes regelmäßig keine Nachforschungen im privaten, grundrechtlich besonders geschützten Innenbereich erforderlich sind. Das Betreten der Wohnungen erübrigt sich (LT-Drs. 17/1336, S. 44 f.). Insoweit unterscheidet sich der Wohnungsbegriff des § 3 Abs. 1 RBStV sowohl von der allgemeinsprachlichen Wohnungsdefinition als auch vom – engeren – Wohnungsbegriff des Abgaben- oder Melderechts, der jeweils eine (zumindest zeitweilige) tatsächliche Wohnnutzung erfordert (vgl. Göhmann/Schneider/Siekmann in: Hahn/Vesting, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl., § 2 RBStV, Rn. 10 und § 3 RBStV, Rn. 10). Dass auch Gebäude zum nur gelegentlichen Aufenthalt wie etwa Gartenlauben grundsätzlich vom Wohnungsbegriff des § 3 Abs. 1 Satz 1 RBStV erfasst sind, ergibt sich auch aus § 3 Abs. 1 Satz 3 RBStV. Danach „gelten“ Bauten im Sinne des § 3 BKleingG nicht als Wohnungen. Einer solchen Fiktionsnorm bedürfte es nicht, wenn solche Bauten schon nicht der Wohnungsdefinition nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RBStV unterfallen würden (vgl. VG Leipzig, U. v. 12.08.2016 – 1 K 1691/15 –, juris). Aus der Anknüpfung an die (abstrakte) Eignung zum Wohnen oder Schlafen ergibt sich außerdem, dass eine bestimmte Mindestgröße oder -ausstattung der Raumeinheit (etwa mit Bad oder Küche) nicht erforderlich ist. Eine Wohnung liegt nur dann nicht vor, wenn die Raumeinheit schon objektiv weder zum Schlafen noch zum Wohnen geeignet ist, etwa im Falle eines Rohbaus ohne Türen und Fenster (vgl. Göhmann/Schneider/Siekmann in: Hahn/Vesting, a. a. O., § 3 RBStV, Rn. 9 f.).

20

Diesen Voraussetzungen an eine Wohnung genügen die vom Kläger genutzten Hotelzimmer. Es handelt sich jeweils um ortsfeste, baulich abgeschlossene Raumeinheiten, die durch einen eigenen Eingang über den Hotelflur betretbar sind und sich der Kläger in einer solchen jedenfalls während der Sommermonate bis Ende September, teilweise auch bis Mitte Oktober, jährlich aufhält. Dies gilt für den hier streitigen Zeitraum (2013 und 2014), auch wenn das Hotel mittlerweile geschlossen sein soll. Der Kläger hat selbst vorgetragen, er nutze ein Hotelzimmer zum Schlafen, bevorzugt das Zimmer 401/318.

21

Ohne Erfolg macht der Kläger ferner geltend, dass die Beitragspflicht aufgrund der Regelung des § 3 Abs. 2 Nr. 5 RBStV entfalle. Dieser Ausnahmetatbestand, wonach Raumeinheiten, die der vorübergehenden Unterbringung in Beherbergungsstätten dienen, insbesondere Hotel- und Gästezimmer, nicht als Wohnung gelten, ist nicht einschlägig. Die Norm soll tatbestandliche Überschneidungen mit dem nicht privaten Bereich verhindern, d. h. es sollen solche Raumeinheiten ausgeklammert werden, die in der Betriebsstätte aufgehen (LT-Drs. 17/1336, S. 47). Das ist deshalb gerechtfertigt, weil bei den genannten Fallkonstellationen nicht das auf unbestimmte Dauer angelegte Wohnen an sich im Vordergrund steht. Im Vergleich zu klassischen Wohnungen dienen die genannten Raumeinheiten den dort untergebrachten Personen in deutlich geringerem Maße der individuellen Entfaltung in einer persönlichen Lebenssphäre, in die sie sich zurückziehen können. Bereits der Begriff der vorübergehenden Unterbringung macht deutlich, dass nur solche Raumeinheiten vom Wohnungsbegriff des Abs. 1 ausgenommen werden sollen, die der Beherbergung ständig wechselnder Gäste dienen (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 23.09.2015 - 4 LA 230/15 -, juris; Göhmann/Schneider/Siekmann in: Hahn/Vesting, a. a. O., § 3 RBStV, Rn. 19, 31).

22

Vorliegend dienten die Hotelzimmer nicht als solche – i.S.e. zur vorübergehenden entgeltlichen Beherbergung überlassenen Raumeinheit –, sondern als Wohnung. Dies ergibt sich bereits aus der ununterbrochenen melderechtlichen Anmeldung des Klägers unter der Anschrift des Hotels … seit März 2006 und seines dort jährlich stattfindenden längerfristigen Aufenthalts über die Sommersaison als Geschäftsführer des Hotels. Hier besteht der alleinige Lebensmittelpunkt des Klägers für die Dauer seiner Anwesenheit in Deutschland. Dabei kommt es nach Ansicht des Gerichts auch nicht darauf an, ob das Hotelzimmer über einen Zeitraum von sechs Monaten dauerbewohnt war (wie der Beklagte in seiner Zwischenmitteilung vom 17.09.2015 angeführt hat). Die Rundfunkbeitragspflicht beginnt nach § 7 Abs. 1 RBStV mit dem Ersten des Monats, in dem der Beitragsschuldner erstmals die Wohnung innehat. Sachliche Gründe, die ein Abweichen hiervon rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Vielmehr ist die Rundfunkbeitragspflicht für ein als Wohnung genutztes Hotelzimmer genauso zu beurteilen wie für jede andere Wohnung (vgl. VG Gera, U. v. 02.12.2016 – 3 K 99/16 Ge -, juris m.w.N.). In der zitierten Entscheidung des VG Gera wird weiter ausgeführt, dass bei Begründung einer Wohnung es nicht darauf ankommen könne, ob sich diese in einem Hotel(-zimmer) oder einem Mehr- bzw. Einfamilienhaus befinde. Dass dieses Ergebnis sachgerecht sei, ergebe sich bereits bei einem Vergleich mit einer außerhalb eines Hotels gelegenen Zweitwohnung. Auch für diese beginne die Rundfunkbeitragspflicht nach § 7 Abs. 1 RBStV im ersten Monat. Anlass für eine Privilegierung eines als Wohnung genutzten Hotelzimmers in dem Sinne, dass hierfür erst ab einer Dauervermietung von sechs Monaten der Rundfunkbeitrag anfalle, bestehe nicht. Etwas anderes ergebe sich vorliegend auch nicht daraus, dass der Kläger verschiedene Hotelzimmer bewohnt habe. Denn ein Wechsel der Hotelzimmer innerhalb eines Hotels lässt die Beitragspflicht für die Wohnung ebenso unberührt, wie ein entsprechender Wechsel der Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus oder aber mehrere Umzüge. Diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Einzelrichterin an.

23

Inhaber einer Wohnung ist nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die (1.) dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder (2.) im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist (§ 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV). Nach diesen Regelungen besteht die Rundfunkbeitragspflicht nicht nur für die Hauptwohnung des Beitragsschuldners, sondern auch für eine Nebenwohnung. Die Beitragspflicht knüpft lediglich daran an, dass der Inhaber die Wohnung selbst bewohnt, was unter den genannten Voraussetzungen vermutet wird, ohne dabei zwischen Erst- und Zweitwohnung zu unterscheiden (vgl. OVG Lüneburg, a.a.O., juris). Da das Gesetz in § 2 Abs. 1 RBStV – anders als noch im Rundfunkgebührenrecht – nicht mehr zwischen Haupt-, Neben-, Zweit- oder Ferienwohnung unterscheidet, sondern generell für jede Wohnung einen Rundfunkbeitrag vorsieht, ist der Beklagte nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Bestimmung berechtigt, vom Kläger für die streitgegenständliche, von ihm genutzte alleinige Wohnung einen Rundfunkbeitrag zu erheben. Dabei kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen der Kläger eine weitere Wohnung (auch ggf. im Ausland) neben seiner Hauptwohnung innehat und auch nicht darauf, wie lange oder wie oft er sich dort aufhält (vgl. VG München, U. v. 17.06.2015 - M 6b K 14.3465 -, juris).

24

Der Kläger hat die in § 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV geregelten Vermutungstatbestände auch nicht widerlegt. Das Vorbringen des Klägers, das Hotel nur während der Saison vorübergehend genutzt zu haben, erlaubt nicht die Annahme, dass die auf den melderechtlichen Verhältnissen beruhende Vermutung, dass er die Wohnung zu Wohnzwecken genutzt hat, widerlegt ist. Die Behauptung des Klägers bestätigt vielmehr, dass er die Wohnung selbst bewohnt. Es liegt in der Natur einer weiteren Wohnung (neben zB auch einer solchen im Ausland), dass die dort gemeldeten Personen diese nicht ganzjährig und nicht einmal für den überwiegenden Zeitraum des Jahres nutzen (vgl. OVG Lüneburg, a.a.O., juris). Dies allein rechtfertigt nicht eine Veranlagung lediglich für die Zeiträume, in denen die weitere Wohnung tatsächlich genutzt wird. Denn das Rundfunkbeitragsrecht knüpft, wie bereits ausgeführt, generalisierend und typisierend an die Möglichkeit der Rundfunknutzung ohne Rücksicht auf die Art und Dauer des Wohnens oder das Vorhalten von Rundfunkempfangsgeräten an.

25

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das Hotel für die vorgehaltenen Hotelzimmer gewerbliche Rundfunkbeiträge entrichtet und damit quasi „doppelt kassiert“ werde. Denn das Hotel entrichtet für die Wohnung des Klägers keinen Wohnungsbeitrag i.S.d. RBStV, sondern nur den Rundfunkbeitrag für die Betriebsstätte. Da das Beitragsverhältnis des Hotels das Beitragsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten nicht berührt, ist es unerheblich, ob die von dem Kläger genutzte Wohnung bei der Berechnung des gewerblichen Rundfunkbeitrags des Hotels zutreffend berücksichtigt wurde oder nicht (vgl. VG Gera, a.a.O., juris m.w.N.). Im Übrigen hat der Gesetzgeber die mögliche Beitragspflicht von privaten Wohnungsinhabern und Betriebsstätteninhabern nebeneinander gesehen. In der Gesetzesbegründung zu dem Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 2 Nr. 2 RBStV zur nicht dauerhaften heim- oder anstaltsmäßigen Unterbringung hat er ausgeführt: „Ist dagegen ein grundsätzlich unbefristetes Wohnen der Raumeinheiten vorgesehen, begründen die Menschen dort also – wie in Behinderten- oder Altenwohnheimen – regelmäßig ihren Wohnsitz, werden sie damit beitragspflichtig. Unberührt bleibt auch insoweit die Möglichkeit einer Beitragspflicht des jeweiligen Betriebsstätteninhabers nach Maßgabe der §§ 5 und 6“ (LT-Drs 17/1336, S. 47).

26

Gleichermaßen kann sich der Kläger nicht darauf berufen, dass gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 RBStV für Inhaber einer Betriebsstätte für jedes darin befindliche Hotel- und Gästezimmer erst ab der 2. Raumeinheit ein Beitrag zu leisten sei. Denn dieser Tatbestand, der nach der Gesetzesbegründung Kleinstvermieter entlasten soll, berührt ausschließlich das Beitragsverhältnis zwischen dem Hotel als Betriebsstätteninhaber und dem Beklagten.

27

Gemäß § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV ist der Beklagte als Anstalt öffentlichen Rechts berechtigt, die rückständigen Rundfunkbeiträge durch Bescheid festzusetzen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor: Die Rundfunkbeiträge für die Zeit vom 01.01.2013 bis 31.12.2014 waren bei Erlass des Beitragsbescheids trotz Fälligkeit gemäß § 7 Abs. 3 RBStV noch nicht gezahlt und damit rückständig. Gegen die festgesetzte Höhe ist ebenfalls nichts zu erinnern (vgl. § 8 des Rundfunkfinanzierungsstaatvertrages).

28

Auch hinsichtlich des Säumniszuschlags ist der Bescheid rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV i.V.m. § 11 Abs. 1 Satzung des Norddeutschen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge sind erfüllt, wonach ein Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag von 8 € fällig wird, soweit Rundfunkbeiträge nicht innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden.

29

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 13. November 2015 für das Vorhaben "Ausbau Knoten Berlin, Berlin Südkreuz - Blankenfelde ('Wiederaufbau der Dresdner Bahn')".

2

Dieser Planfeststellungsbeschluss erlaubt die Wiederertüchtigung eines etwa 2,5 km langen Teilstücks der historischen Dresdner Bahn und ihre Erweiterung um zwei zusätzliche Gleise. Die Dresdner Bahn ist seit 1875 Teil der Verbindung zwischen Berlin und Dresden. Sie umfasst den Abschnitt der Strecke im Berliner Stadtgebiet beginnend an der Abzweigung der sogenannten Anhalter Bahn südlich des Bahnhofs Berlin-Südkreuz und im Land Brandenburg bis zum Berliner Außenring. Das Gesamtvorhaben "Wiederaufbau der Dresdner Bahn" ist in drei Planfeststellungsabschnitte gegliedert. Der streitige Planfeststellungsbeschluss betrifft den mittleren Abschnitt (PFA 2) von Bahn-km 12,300 bis 14,762. Dieser Abschnitt führt durch den dichtbesiedelten Ortsteil Lichtenrade des Berliner Bezirks Tempelhof-Schöneberg. Der Planfeststellungsbeschluss für den PFA 1 (Berlin-Mariendorf - Schichauweg) ist unter dem 22. Mai 2017 erlassen worden.

3

Die Dresdner Bahn war ursprünglich zweigleisig ausgebaut. Auf Betreiben der Alliierten musste nach Kriegsende ein Gleis abgebaut werden. Seitdem verkehrten auf der Dresdner Bahn im heutigen PFA 2 bis zum Beginn des Mauerbaus (August 1961) nur noch Güterzüge und die S-Bahnlinie zwischen Velten und Rangsdorf. Der S-Bahnverkehr zwischen den Randgebieten der DDR und dem Westteil von Berlin wurde auf Anordnung des Ministeriums für Verkehrswesen der DDR Mitte August 1961 eingestellt. Seitdem endeten die S-Bahnzüge in West-Berlin im Bahnhof Lichtenrade. Zwischen den S-Bahnhöfen Marienfelde und Lichtenrade war die Strecke seit 1988 zweigleisig ausgebaut. Im Streckenabschnitt südlich des Bahnhofs Lichtenrade bis zur Berliner Mauer fand kein Eisenbahnbetrieb mehr statt. 1992 wurde der S-Bahn-Verkehr zwischen Lichtenrade und Mahlow auf der eingleisigen Trasse wieder aufgenommen.

4

Die Dresdner Bahn soll Teil des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitseisenbahnsystems werden und als Zubringer zum neuen Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) dienen. Dazu soll die Strecke künftig auf drei, teilweise vier Gleisen und durchweg oberirdisch verlaufen. Pläne, die Fernbahn-Gleise im Bereich von Lichtenrade in einen Trog oder Tunnel zu legen, sind im Planungsprozess geprüft, mit dem streitigen Planfeststellungsbeschluss aber verworfen worden. Die planfestgestellte oberirdische Trassenvariante sieht vor, dass parallel zu den bestehenden S-Bahn-Gleisen zwei elektrifizierte Gleise für den Fern-, Regional- und Güterverkehr angebaut werden, um diesen vom S-Bahn-Verkehr zu trennen. Die Lage der S-Bahn-Strecke bleibt bis etwa zum Bahnhof Lichtenrade unverändert. Ab dort wird die Trasse leicht nach Westen verschwenkt, um Platz für die Fernbahngleise zu schaffen. Diese sollen dort ungefähr im Gleisbett der alten S-Bahn liegen. Das erfordert den Rückbau des Bahnhofs Lichtenrade, der unter dem 19. Januar 2006 als Baudenkmal in die Denkmalliste eingetragen worden ist. Die Eintragung wurde im Jahr 2012 präzisiert und erweitert. Das Vorhaben umfasst ferner die Beseitigung zweier höhengleicher Bahnübergänge (Bahnhofstraße und Goltzstraße), an denen der Kreuzungsverkehr bisher mit Schranken geregelt wird. Der Bahnübergang "Bahnhofstraße" soll durch eine Straßenunterführung ersetzt werden. Der Bahnübergang "Goltzstraße" soll zu einer reinen Geh- und Radwegunterführung umgebaut werden.

5

Den etwa 18 Jahre dauernden Planungsprozess für den PFA 2 leitete die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen mit Schreiben vom 28. November 1997 ein. Die Berliner Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr als zuständige Anhörungsbehörde legte den Plan im September/Oktober 2000 öffentlich aus, nachdem auf ihren Einwand hin alternative Trassenführungen untersucht und die Planunterlagen überarbeitet worden waren. Im März 2005 beantragten die Vorhabenträger eine 1. Planänderung, mit der sie eine neue schalltechnische und eine überarbeitete erschütterungstechnische Untersuchung in das Verfahren einführten und die Anspruchsberechtigten für den passiven Schallschutz veränderten. Die Anhörungsbehörde beteiligte die Behörden, sonstigen Träger öffentlicher Belange und Umweltverbände und ließ die Unterlagen im August/September 2005 öffentlich auslegen. Die gegen das Vorhaben erhobenen Einwendungen wurden am 20. März 2006 mit den Trägern öffentlicher Belange, den Leitungs- und Versorgungsbetrieben sowie den anerkannten Naturschutzverbänden und vom 27. bis 31. März 2006 mit den privaten Einwendern erörtert. Aufgrund der Erörterungen wurden die Planunterlagen erneut geändert ("Planänderungen nach Erörterung"). Die Änderungen wurden im September/Oktober 2006 öffentlich ausgelegt. Eine weitere, im Oktober 2006 beantragte Planänderung ("Planänderungen II nach Erörterung") veränderte die Eisenbahnüberführung Bahnhofstraße und die Geh- und Radwegunterführung Goltzstraße.

6

Im April 2008 beantragten die Vorhabenträger weitere Änderungen der Planung, die nach Modifikationen zur 2. Planänderung führten. Diese reduzierte in ihrer endgültigen Fassung den Abstand zwischen den Gleisen der S- und der Fernbahn und sah eine durchgehende Mittel-Lärmschutzwand sowie Außen-Lärmschutzwände von höchstens 5 m Höhe vor. Dadurch sollten die Grenzwerte in ca. 97% der Schutzfälle eingehalten werden. Ergänzender passiver Schallschutz war nur noch in 33 Schutzfällen vorgesehen. Zum Schutz vor Erschütterungen sollte die S-Bahn besohlte Schwellen erhalten (PFB S. 105 - 108, 119). Die Planfeststellungsbehörde beteiligte im Juli 2009 die Träger öffentlicher Belange, die Naturschutzverbände, 13 unmittelbar betroffene Grundstückseigentümer und die Bürgerinitiative Lichtenrade (BI).

7

Erörterungen mit der Planfeststellungsbehörde führten schließlich zu einer 3. Planänderung, die im September und November 2012 beantragt wurde. Mit ihr passten die Vorhabenträger unter anderem die Straßenplanung an die aktuellen technischen Regelwerke an, änderten die Personenverkehrsanlagen des Bahnhofs Lichtenrade in Details (PFB S. 112) und passten die schall- und erschütterungstechnischen Untersuchungen an die Betriebsprognose 2025 an. Wiederum wurden die Träger öffentlicher Belange, die Naturschutzverbände und unmittelbar betroffene Grundstückseigentümer beteiligt. Die BI wurde gehört. Anfang 2015 bat die Planfeststellungsbehörde den Vorhabenträger, eine im Auftrag des Landes Berlin und des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur erarbeitete ergänzende Untersuchung einer weiteren Tunnelvariante ("kurzer Tunnel") vorzulegen. Dem kam der Vorhabenträger im Februar 2015 nach.

8

Nach weiteren Ergänzungen und Änderungen der Unterlagen stellte das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) mit dem hier streitigen Beschluss vom 13. November 2015 den Plan für den Planfeststellungsabschnitt 2 in der Fassung der genannten Planänderungen fest. Das zugrunde gelegte Betriebsprogramm sieht für das Jahr 2025 voraus, dass auf der ausgebauten Strecke täglich (d.h. in 24 Stunden) 48 ICE/IC, 199 Regionalbahnen, 358/136 S-Bahnen (bis/ab Lichtenrade) und 8 Güterzüge verkehren. Die Züge sollen mit bis zu 160 km/h, S-Bahnen mit bis zu 100 km/h fahren können. Schutz vor Schienenverkehrslärm wird durch Lärmschutzwände, das Verfahren "besonders überwachtes Gleis" (büG) und durch ergänzenden passiven Schallschutz für 13 Schutzfälle gewährt (PFB A.4.8.3, S. 52 ff.). Auf der gesamten Länge des Planfeststellungsabschnitts sind westlich und östlich der Strecke Lärmschutzwände in einer Höhe von 2,5 bis 5 m zu errichten; zusätzlich ist eine Mittelwand zwischen den S-Bahn- und Fernbahn-Gleisen vorgesehen. Der Schutz vor betriebsbedingten Erschütterungen wird über die beantragten Maßnahmen hinaus durch bauliche Maßnahmen am Gleisbett sichergestellt (besohlte Schwellen für beide S-Bahngleise und Betontrog mit Schotterfüllung auf Unterschottermatte für beide Fernbahngleise und einem etwa 500 m langen Abschnitt der S-Bahngleise, vgl. PFB A.4.8.4, S. 57). Für aufgelistete Gebäude werden Messungen sechs Monate nach Betriebsaufnahme angeordnet. Anspruch auf Erschütterungsschutz besteht, wenn Beurteilungsschwingstärken größer als die um den Faktor 1,5 angehobenen Anhaltswerte nach Tabelle 1 der DIN 4150 Teil 2 ermittelt werden. Die Planfeststellungsbehörde hat sich eine ergänzende Entscheidung über weitere Schutzmaßnahmen am Ausbreitungsweg und/oder am zu schützenden Gebäude oder die Festsetzung einer Entschädigung dem Grunde nach vorbehalten (PFB S. 57 ff., 255 - 281, 380 ff., 402 ff.).

9

Die Kläger haben am 29. Februar 2016 in zwei getrennten Verfahren (BVerwG 3 A 1.16 und 3 A 2.16) Klage erhoben. Der Senat hat die Verfahren in der mündlichen Verhandlung zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

10

Der Kläger zu 1 ist ein seit dem 25. Juli 2011 anerkannter Umweltverband, der sich ausweislich seiner Satzung vom 16. September 1995 dem Umweltschutz widmet und bei Behörden darauf hinwirkt, die durch Schienenverkehr hervorgerufenen störenden, gesundheitsgefährdenden oder gesundheitsschädigenden Geräuschimmissionen zu reduzieren und den Bürger hiervor zu schützen. Die Kläger zu 2 bis 4 sind Eigentümer von Wohngrundstücken östlich und westlich des planfestgestellten Streckenabschnitts. Ihre Grundstücke werden mit Lärm und Erschütterungen belastet, nicht aber mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung in Anspruch genommen.

11

Zur Begründung ihrer Klagen machen die Kläger geltend: Die Dauer des Planfeststellungsverfahrens verstoße gegen deutsches und europäisches Recht und habe bei den Anwohnern zu Beeinträchtigungen geführt, die es geböten, das Verfahren einzustellen. Die Aufteilung in drei Planungsabschnitte sei fehlerhaft. Es lägen zahlreiche Verstöße gegen UVP-Vorschriften vor. Nicht nur nach der 1., sondern auch nach der 2. und 3. Planänderung hätten die geänderten Planunterlagen, namentlich die Betriebsprognose 2025 und das Baulärmgutachten öffentlich ausgelegt werden müssen. Der Erörterungstermin sei zu Unrecht nicht öffentlich durchgeführt worden. Die zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen des Vorhabens nach § 11 Satz 1 UVPG sei unzureichend. Die Planung stehe im Widerspruch zur Landesplanung. Lichtenrade sei als Unterzentrum ausgewiesen und damit ein raumordnerisches Ziel festgelegt, dem sich die vorliegende Planung anzupassen habe. Diesem Ziel zuwiderlaufend werde der Ortsteil Lichtenrade durch das Vorhaben weiter zerschnitten und in seiner Funktionsfähigkeit beeinträchtigt.

12

Die Belastungen durch Schienenlärm und Erschütterungen seien unzutreffend berechnet und bewertet worden, sie erreichten eine gesundheitsgefährdende Höhe und würden nicht angemessen ausgeglichen. Das Betriebsprogramm 2025 sei unplausibel. Der Prognosezeitraum sei mit zehn Jahren zu kurz und der voraussichtliche Verkehr zu niedrig angesetzt; es hätte eine Vollauslastung der Strecken zugrunde gelegt werden müssen. Das ergebe sich aus der Verkehrsprognose des Bundesverkehrsministeriums für das Jahr 2030, die nicht berücksichtigt worden sei. Besonders nach dem geplanten Ausbau des Berliner Südrings werde sich nach Süden, auch auf der ausgebauten Strecke erheblich mehr Güterverkehr einstellen als in der Prognose vorgesehen. Die aus dem Jahr 1990 stammende Schall 03 entspreche im Zeitpunkt der Planfeststellung nicht mehr dem Stand der Technik und hätte daher nicht angewandt werden dürfen. Ihre Anwendung führe zu falschen Ergebnissen und einer Unterschätzung der Lärmbelastung. Das folge daraus, dass keine Spitzenpegel berechnet worden seien, die bei Schienenlärm vor allem in der Nacht besondere Bedeutung hätten. Der in der Schall 03 vorgesehene Schienenbonus dürfe ebenso wenig berücksichtigt werden. Das Verfahren "besonders überwachtes Gleis", das nicht definiert sei, habe keine Wirkung, erbringe jedenfalls nicht die vom Gutachter angenommene Pegelminderung um 3 dB. Zuschläge, die Topographie und die Abstände zu den Gleisen, hochliegende Schallquellen und andere geräuscherhöhende Faktoren seien nicht berücksichtigt und die Beurteilungspegel nicht mit einem Unsicherheitszuschlag versehen worden. Das Schallgutachten sei auch im Übrigen nicht nachvollziehbar und fragwürdig. Das zur Berechnung verwendete Softwareprogramm sei nicht zertifiziert. Der sekundäre Luftschall sei nicht angemessen berücksichtigt und eine Gesamtlärmbetrachtung nicht angestellt worden. In Wahrheit lägen die Pegel daher insgesamt um 15 dB(A) höher als die berechneten Beurteilungspegel. Diese Belastung sei gesundheitsgefährdend, wie sich aus Studien ergebe. Das Schallschutzkonzept sei fragwürdig. Es sei nicht plausibel, dass die Umplanung des aktiven Schallschutzes in der 2. Planänderung, insbesondere das Errichten einer Mittellärmschutzwand, so gut wie alle Schutzfälle lösen könne.

13

Auch die Erschütterungsbelastung sei nicht zutreffend ermittelt worden. Die erschütterungstechnische Untersuchung sei selbst für einen Fachmann nicht nachvollziehbar. Es sei unklar, wie der Gutachter seine Quelldaten (Quellspektren jeder Zugart, Übertragung zwischen den Gleisen bis in die Gebäude) gewonnen habe; diese ließen sich dem Gutachten nicht entnehmen. Die Erschütterungs-Vorbelastung sei zu Unrecht nicht ermittelt worden, die Festlegung der Zumutbarkeitsgrenze durch die pauschale Erhöhung der DIN-Werte willkürlich und nicht nachvollziehbar.

14

Die Abwägung der Trassenalternativen sei fehlerhaft. Die Planfeststellungsbehörde habe sich durch die Erklärung des Bundes, es stünden nur für die oberirdische Antragsvariante Haushaltsmittel zur Verfügung, in einer Weise gebunden gefühlt, dass eine unvoreingenommene Abwägung nicht mehr möglich gewesen sei. Es sei aber unstreitig und von allen Gutachtern bestätigt, dass eine Tunnelvariante unter Umweltgesichtspunkten die beste Lösung sei. Die oberirdische Variante sei hingegen die ungünstigste mit besonders vielen Lärmbetroffenen. Wenn sie wegen geringerer Kosten bevorzugt werde, gehe die Planfeststellungsbehörde von nicht stichhaltigen Kostenschätzungen der Varianten aus. Die zweiseitige Auflistung der Kosten durch die Beigeladenen sei nicht nachprüfbar. Die Behörde übersehe auch, dass eine Vielzahl von Immissionsbelastungen knapp unterhalb der Grenzwerte in Kauf genommen werde, die besonders zu berücksichtigen seien. Die oberirdische Variante führe zudem wegen des Wegfalls der höhengleichen Bahnübergänge zu chaotischen Verhältnissen im Straßenverkehr von Lichtenrade. Dadurch würden viele Gewerbebetriebe zerstört. Die Klägerin zu 4 macht geltend, dass ihr etwa 400 m vom Bahnhof Lichtenrade entfernt liegender ...laden durch das Vorhaben in seiner Existenz bedroht werde.

15

Die Kläger beantragen,

den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 13. November 2015 aufzuheben und den Planfeststellungsantrag der Beigeladenen vom 28. November 1997 in der Fassung der 3. Planänderung vom 14. September 2012 abzulehnen,

hilfsweise,

die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss um Schutzauflagen zugunsten der Kläger zu ergänzen.

16

Außerdem regen die Kläger an, den Planfeststellungsbeschluss um weitere Regelungen zu ergänzen, und zwar (1) um Betriebsbeschränkungen, falls sich durch Messungen bestätigen sollte, dass der Immissionspegel der Lärm- und Erschütterungsbelastungen die vom erkennenden Senat festzulegenden Grenzwerte überschreitet und (2) um die Anordnung, dass der Bahnbetrieb auf der planfestgestellten Trasse erst nach Erfüllung aller Schutzauflagen aufgenommen werden dürfe.

17

Die Beklagte und die Beigeladenen beantragen,

die Klagen abzuweisen.

18

Sie treten dem Vorbringen der Kläger insgesamt entgegen.

Entscheidungsgründe

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A. Der Senat entscheidet über die Klagen auf der Grundlage der mündlichen Verhandlung vom 14. und 15. Juni 2017. Der Antrag der Kläger vom 23. Juni 2017 gibt keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Nach § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO liegt es grundsätzlich im Ermessen des Tatsachengerichts, ob es die mündliche Verhandlung wiedereröffnet. Eine Pflicht zur Wiedereröffnung besteht ausnahmsweise dann, wenn nur auf diese Weise das erforderliche rechtliche Gehör gewahrt werden kann (BVerwG, Beschlüsse vom 16. Juni 2003 - 7 B 106.02 - Buchholz 303 § 279 ZPO Nr. 1 S. 1 f. und vom 3. Dezember 2008 - 10 B 13.08 - juris Rn. 7) oder die Pflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO erfüllt werden kann, den Sachverhalt umfassend aufzuklären. Nachgereichte Schriftsätze erzwingen nur dann eine Wiedereröffnung, wenn das Gericht ihnen wesentlich neues Vorbringen entnimmt, auf das es seine Entscheidung stützen will (BVerwG, Beschlüsse vom 5. November 2001 - 9 B 50.01 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 95 S. 18 und vom 6. März 2015 - 6 B 41.14 - juris Rn. 10).

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Die Kläger machen hierzu geltend, der Senat habe ihr Vorbringen bei der Behandlung der in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge nicht hinreichend gewürdigt. Das trifft nicht zu. Die Kläger hatten in der zweitägigen Verhandlung Gelegenheit, sich zu allen entscheidungserheblichen Fragen eingehend zu äußern sowie Anträge zu stellen und zu begründen. Der Senat hat die gestellten Beweisanträge gewürdigt und bei ihrer Bescheidung das Gesamtvorbringen der Kläger in den Blick genommen, wie nicht zuletzt die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung zeigen. Er hat die Ablehnung der Beweisanträge - wie aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung ersichtlich - im Einzelnen begründet. Mit ergänzendem Tatsachenvorbringen zur Substantiierung der Beweisanträge hätten sich die Kläger in der mündlichen Verhandlung Gehör verschaffen können und müssen. Das haben sie nicht getan. Auch ihr Vorbringen im Antrag vom 23. Juni 2017 geht, soweit es dem Beweis zugängliche Tatsachen und nicht nur Rechtsansichten enthält, nicht darüber hinaus, was die Kläger schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung zur Stützung ihrer Ansicht vorgetragen haben. Namentlich wird kein Grund ersichtlich, der eine weitergehende Sachaufklärung nahelegen könnte. Die Einzelheiten hierzu ergeben sich aus den nachstehenden Urteilsgründen.

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B. Die Klagen sind zulässig.

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1. Gegenstand der Prüfung ist der Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 13. November 2015 für den Planfeststellungsabschnitt 2 des Vorhabens "Wiederaufbau der Dresdner Bahn". Der Planfeststellungsbeschluss für den Planfeststellungsabschnitt 1 dieses Vorhabens vom 22. Mai 2017 hat hierauf keinen Einfluss. Zwar berührt er den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss insofern, als er in A.1.1 seines verfügenden Teils den Entscheidungsvorbehalt unter A.3.1 des hier angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses (PFB S. 25) ausfüllt und ihm damit einen partiell neuen Inhalt verleiht. Diese Regelung wird jedoch nur dann zum Gegenstand eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, wenn sie der Kläger durch eine ausdrückliche prozessuale Erklärung unter Beachtung des § 91 Abs. 1 VwGO in das Verfahren einbezieht, was seiner Disposition unterliegt (BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1991 - 4 C 25.90 - Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 4 S. 3 f.). Eine Einbeziehung ist hier nicht erfolgt. Prozessuale Nachteile können den Klägern daraus nicht erwachsen, weil sich die Vorbehaltsregelung im streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss in der vorliegenden Konstellation nicht erledigt hat (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 23. Januar 1981 - 4 C 68.78 - BVerwGE 61, 307 <308 f.> und vom 15. Juli 2016 - 9 C 3.16 [ECLI:DE:BVerwG:2016:150716U9C3.16.0] - NVwZ 2016, 1631 Rn. 20 m.w.N.). Die Festsetzung einer vorbehaltenen Maßnahme erledigt den Entscheidungsvorbehalt im Sinne des § 74 Abs. 3 VwVfG erst dann, wenn sie unanfechtbar wird. Bis dahin bleiben die Schicksale des Vorbehalts und der ihn ersetzenden Regelung rechtlich selbstständig. Wird diese in einem gerichtlichen Verfahren aufgehoben, bleibt der Entscheidungsvorbehalt demgemäß bestehen und Grundlage für eine neue Regelung (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Februar 1992 - 7 C 11.91 - BVerwGE 90, 42 <50 f.>).

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2. Die Klage des Klägers zu 1 ist ungeachtet dessen zulässig, dass er sich im Planfeststellungsverfahren nicht beteiligt hat. Maßgeblich ist insoweit das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) i.d.F. von Art. 1 des Gesetzes zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben vom 29. Mai 2017 (BGBl. I S. 1298; im Folgenden UmwRG n.F.). Diese Änderungen sind am 2. Juni 2017 in Kraft getreten (vgl. Art. 18 des Änderungsgesetzes) und mangels anderslautender Übergangsvorschrift sofort anwendbar.

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Mit der Gesetzesänderung ist das Erfordernis des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UmwRG i.d.F. der Bekanntmachung vom 8. April 2013 (BGBl. I S. 753) entfallen, dass eine anerkannte Umweltvereinigung Rechtsbehelfe einlegen kann, wenn sie sich im Verwaltungsverfahren in der Sache gemäß den geltenden Rechtsvorschriften geäußert hat oder ihr entgegen den geltenden Rechtsvorschriften keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist. Mit der Streichung dieser Voraussetzung hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 15. Oktober 2015 - C 137/14 [ECLI:EU:C:2015:683] - NVwZ 2015, 1665) umsetzen wollen, wonach die Präklusion von Einwendungen tatsächlicher Art im gerichtlichen Verfahren eine unionsrechtswidrige Beschränkung des Rechtsschutzes darstellt (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs vom 5. September 2016, BT-Drs. 18/9526 S. 1). Dementsprechend bleibt eine Einwendung, die eine Vereinigung erstmals im Rechtsbehelfsverfahren erhebt, gemäß § 5 UmwRG n.F. nur dann unberücksichtigt, wenn die erstmalige Geltendmachung im Rechtsbehelfsverfahren missbräuchlich oder unredlich ist. Gibt es aber keine Obliegenheit einer Vereinigung zur Beteiligung, kann die Nichtbeteiligung als solche nicht als missbräuchlich oder unredlich gewertet werden. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a) UmwRG n.F. ist die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs aber weiter davon abhängig, dass die Vereinigung zur Beteiligung am Verfahren berechtigt war. Im Zeitpunkt der letzten Öffentlichkeitsbeteiligung im September/Oktober 2006 war der Kläger zu 1 nach damals geltendem Planfeststellungsrecht (§ 20 AEG vom 27. Dezember 1993 i.V.m. § 73 VwVfG i.d.F. der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003 ) nicht berechtigt, eine Stellungnahme abzugeben. Für das Beteiligungsrecht im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a) UmwRG n.F. dürfte mit Blick auf die Rechtsbehelfsbefugnis noch nicht anerkannter Vereinigungen nach § 2 Abs. 2 Satz 1 UmwRG n.F. aber genügen, dass die Vereinigung bereits während des Planfeststellungsverfahrens die Voraussetzungen für eine Anerkennung erfüllt hat. Hier kann dem Kläger zu 1 die fehlende Anerkennung nach § 3 UmwRG jedenfalls deshalb nicht entgegengehalten werden, weil das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz vom 7. Dezember 2006 im Zeitpunkt der letzten Öffentlichkeitsbeteiligung noch nicht in Kraft getreten, eine Anerkennung nach diesem Gesetz mithin nicht möglich war.

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C. Die Klagen sind weder mit dem Haupt- noch mit dem Hilfsantrag begründet. Der Planfeststellungsbeschluss leidet nicht an einem zu seiner Aufhebung oder zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit führenden Rechtsfehler. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf weitere Schutzmaßnahmen.

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1. Der Senat hat alle Rügen der Kläger in der Sache geprüft. Da keine der Rügen begründet ist, kommt es auf den Umfang der Rügebefugnis der jeweiligen Kläger im Ergebnis nicht an.

27

a) Für den Kläger zu 1 ist die Beschränkung der Rügefähigkeit auf Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen, wie es § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UmwRG in der bis Juni 2017 geltenden Fassung voraussetzte, durch die Änderung des § 2 Abs. 1 UmwRG n.F. für UVP-pflichtige Vorhaben im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG beseitigt worden. Damit hat der Gesetzgeber einen Beschluss der Vertragsstaatenkonferenz zum Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention umsetzen wollen (vgl. BT-Drs. 18/9526 S. 1).

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Ob der Kläger zu 1, wie die Beigeladenen meinen, aufgrund seines Satzungszwecks gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwRG n.F. nur Verstöße gegen Rechtsvorschriften geltend machen kann, die dem Schutz vor Schienenlärm dienen, kann offenbleiben, da auch die übrigen Rügen nicht durchgreifen. Es spricht freilich mehr dafür, dass auf die zulässige Klage einer anerkannten Umweltvereinigung die objektive Rechtmäßigkeit der Zulassung eines Vorhabens, das - wie hier der Ausbau der Dresdner Bahn - seiner Art nach den satzungsgemäßen Aufgabenbereich der klagenden Vereinigung berührt, ohne Beschränkung auf bestimmte Gründe zu prüfen ist. Mit Blick auf Art. 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention in der Auslegung durch die 5. Aarhus-Vertragsstaatenkonferenz vom 30. Juni / 1. Juli 2014 dürfte § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwRG n.F. einer dahingehenden umfassenden Rügebefugnis nicht entgegenstehen. Nach dem Beschluss der 5. Vertragsstaatenkonferenz darf eine Umweltvereinigung nicht auf die Geltendmachung von Verstößen gegen dem Umweltschutz dienende Rechtsvorschriften beschränkt werden, wenn die Verbandstätigkeit - wie im Fall des Klägers zu 1 - Überprüfungsverfahren nach Art. 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention umfasst (vgl. Beschluss V/9h vom 2. Juli 2014, ECE/MP.PP/2014/CRP.4 und Findings and recommendations vom 4. Juni 2014, ECE/MP.PP/C.1/2014/8, Rn. 78). Der Gesetzgeber wollte den von der Konferenz gesehenen Vertragsverstößen durch die Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes mit dem oben genannten Anpassungsgesetz vom 29. Mai 2017 Rechnung tragen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs vom 5. September 2016, BT-Drs. 18/9526 S. 1, 38).

29

b) Anderes gilt für die privaten Kläger zu 2 bis 4. Auf ihre Klagen hin ist der Planfeststellungsbeschluss nur darauf zu überprüfen, ob Verfahrensfehler bei der Umweltverträglichkeitsprüfung vorliegen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmwRG) oder Vorschriften zum Schutz ihrer eigenen Belange, insbesondere vor Lärm und Erschütterungen, verletzt wurden. Eine weitergehende bzw. objektive Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses können sie nicht verlangen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Februar 2015 - 7 C 10.12 [ECLI:DE:BVerwG:2015:190215U7C10.12.0] - juris Rn. 43 und schon vom 14. Februar 1975 - 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <66>). Diese Beschränkung der Rügebefugnis ist mit Unionsrecht vereinbar (vgl. EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 - NVwZ 2015, 1665 Rn. 30 bis 34, 64). Sie bleibt hier allerdings ohne Folgen, weil die Kläger zu 2 bis 4 - mit Ausnahme der Klägerin zu 4 bezüglich des ...ladens - keine weitergehenden Rügen als der Kläger zu 1 erhoben haben.

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c) Soweit die Klägerin zu 4 existenzgefährdende Umsatzeinbußen des ...ladens ... in Lichtenrade befürchtet, fehlt ihr eine abwägungserhebliche Rechtsposition. Wie ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, handelt es sich zwar um einen Familienbetrieb, in dem die Klägerin beschäftigt ist. Inhaberin des Betriebes ist aber ihre Tochter. Was der Klägerin gegenüber mit Blick auf etwaige, sie allenfalls mittelbar treffende Umsatzeinbußen abzuwägen sein könnte, geht nicht darüber hinaus, was die Geschäftsinhaberin selbst, die keine Klage erhoben hat, geltend machen könnte. Mit Blick auf deren Belange hat die Planfeststellungsbehörde bei der Bescheidung der entsprechenden Einwendung Nr. 454 erläutert, dass und warum lärm- oder verkehrsbedingte Umsatzeinbußen bei dem trassenfernen Geschäftslokal nicht zu erwarten sind (PFB S. 311 f.). Dem hat die Klägerin zu 4 nichts entgegengesetzt.

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2. Die Dauer des Planfeststellungsverfahrens (von hier 18 Jahren) begründet keine Abwehrrechte der Kläger, auch kein Verfahrenshindernis.

32

a) Der Vorhabenträger hat einen Anspruch auf Durchführung des Planfeststellungsverfahrens und auf fehlerfreie Entscheidung über den eingereichten Plan (so zutreffend PFB S. 128; vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 72 Rn. 41 f.; Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 73 Rn. 10). Diesem Anspruch kann ein Interesse mittelbar Planbetroffener an einer zügigen Entscheidung nicht entgegengesetzt werden. Zwar ist ohne Weiteres nachvollziehbar, dass sich die Anwohner einer auszubauenden Bahnstrecke bei einer langen Verfahrensdauer nicht unerheblichen psychischen Belastungen ausgesetzt sehen können, wie sie die Kläger zu 2 bis 4 geltend machen. Eine Rechtsgrundlage für eine Einstellung des Planfeststellungsverfahrens wegen seiner Dauer ist aber nicht ersichtlich. Die Kläger berufen sich insoweit auf unergiebige Vorschriften.

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aa) Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 6 Abs. 1 EMRK betreffen gerichtliche Verfahren, nicht auch Verwaltungsverfahren (vgl. auch EGMR 3. Kammer, Urteil vom 5. Februar 2004, Nr. 54039/00 - Case Morscher v. Austria, Rn. 38) und schützen überdies nur die Antragsteller oder rechtsbetroffene Verfahrensbeteiligte, zu denen mittelbar Planbetroffene wie die Kläger nicht gehören; denn sie sind auch als potenzielle Einwender keine Verfahrensbeteiligten im Sinne des § 13 VwVfG (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Februar 1997 - 11 A 66.95 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 24 S. 103 f.).

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bb) Das Gebot zügiger Verfahrensdurchführung, das in § 10 Satz 2 VwVfG für nichtförmliche Verwaltungsverfahren aufgestellt ist, in gewisser Weise aber auch dem Planfeststellungsrecht der §§ 72 ff. VwVfG zugrunde liegt, gibt keine feste Zeitgrenze dafür vor, welche Verfahrensdauer angemessen ist. Die Angemessenheit variiert vor allem mit der Komplexität eines Vorhabens und den im Einzelfall zu überwindenden Widerständen. Vorrangig sind in jedem Fall die Pflichten zur Optimierung des Vorhabens und zur vollständigen Problembewältigung. Dem trägt das Planfeststellungsrecht Rechnung, indem es zwar für einzelne Verfahrensschritte Fristen vorsieht (vgl. § 73 Abs. 3, 3a, 4 oder 9 VwVfG), nicht aber für die abschließende Sachentscheidung oder die Gesamtlänge des Verfahrens. Darin kommt zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber der Optimierung der Planung Vorrang einräumt. Planbetroffene können im Planfeststellungsverfahren daher lediglich verlangen, dass ihre Rechte im Verfahren gewahrt und durch die Regelungen des Planfeststellungsbeschlusses nicht verletzt werden. Hier ist nichts dafür ersichtlich, dass diese Rechte infolge der Verfahrensdauer verletzt worden sind.

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cc) Nichts anderes gilt für Neubürger, Heranwachsende und Rechtsnachfolger von potenziell Betroffenen, die in das Umfeld eines jeden größeren Vorhabens auch bei zügiger Durchführung des Planfeststellungsverfahrens "hineinwachsen". Sie finden einen Verfahrensstand vor, den sie nach Maßgabe der anwendbaren Rechtsvorschriften gegen sich gelten lassen müssen. Dadurch werden sie wegen der grundstücksbezogenen Sichtweise des Planfeststellungsrechts (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1979 - 4 C 10.77 - BVerwGE 59, 253 <261 f.>) ebenso wenig in ihren Rechten verletzt wie später durch das verwirklichte Vorhaben selbst.

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b) Veranlassung, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Fragen der angemessenen Verfahrensdauer vorzulegen, besteht nicht. Das Unionsrecht, zu dem sich der EuGH nur äußern könnte, ist für das von den Klägern geltend gemachte Verfahrenshindernis unergiebig. Für Art. 6 EMRK, der gemäß Art. 6 Abs. 3 des Vertrags über die Europäische Union Teil des Unionsrechts ist, gilt das oben Gesagte. Klärungsbedarf ist insofern nicht ersichtlich.

37

3. Die Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung sind nicht verletzt worden. Zu Unrecht rügen die Kläger, dass die im Zuge der 2. und 3. Planänderung erstellten bzw. geänderten Unterlagen nicht öffentlich ausgelegt worden sind.

38

a) Planänderungen zwischen der Auslegung der Planunterlagen und dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses erfordern nicht in jedem Fall die Wiederholung eines vorausgegangenen Anhörungsverfahrens im Sinne des § 73 VwVfG (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:101116U9A18.15.0] - BVerwGE 156, 215 Rn. 25 m.w.N.). Eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung ist nach § 9 Abs. 1 Satz 4 UVPG grundsätzlich nur dann durchzuführen, wenn aus Änderungen der nach § 6 UVPG erforderlichen Unterlagen ersichtlich ist, dass im Vergleich zu den ausgelegten Planunterlagen zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen zu besorgen sind. Bei Planänderungen, die lediglich den Aufgabenbereich einer Behörde oder einer bekannten Umweltvereinigung oder die Belange einzelner Dritter erstmalig oder stärker als bisher berühren, genügt es gemäß § 73 Abs. 8 Satz 1 VwVfG, wenn die Änderungen den Betroffenen mit der Gelegenheit zur Stellungnahme mitgeteilt werden. Die Planfeststellungsbehörde ist weder zu einem ständigen Abstimmungsprozess noch zur Herstellung des Einvernehmens mit der betroffenen Öffentlichkeit und den Naturschutzverbänden verpflichtet (BVerwG, Urteil vom 6. November 2012 - 9 A 17.11 - BVerwGE 145, 40 Rn. 18 m.w.N.).

39

b) Es ist danach nicht zu beanstanden, dass die Unterlagen über die nach Erörterung vorgenommenen Änderungen des Vorhabens (2. und 3. Planänderung) und die Untersuchungsergebnisse zu dessen Auswirkungen in der Betriebsphase nicht (ergänzend) ausgelegt worden sind.

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aa) Die Reduzierung des Gleisabstands zwischen S- und Fernbahn, die Neukonfiguration der Lärmschutzwände und der Einbau besohlter Schwellen, die Gegenstand der 2. Planänderung waren, ließen keine zusätzlichen Umweltauswirkungen erkennen, sondern dienten dazu, diese weiter zu vermindern. Das weist auch die später zur Anpassung an die Betriebsprognose 2025 überarbeitete schalltechnische Untersuchung zur 3. Planänderung (PFB Anlage 10.1) aus, deren Ergebnisse die Kläger, wie noch zu zeigen ist, nicht erschüttert haben. Dasselbe gilt für die Anpassung der Straßenplanung an die aktuellen technischen Regelwerke und die Änderung der Personenverkehrsanlagen des Bahnhofs Lichtenrade im Zuge der 3. Planänderung. Zahl, Lage und Funktion der Gleise sind unverändert, die Identität des Vorhabens ist daher unberührt geblieben. Die überarbeitete schalltechnische Untersuchung hat ergeben, dass die Beeinträchtigungen der Anwohner unter Einrechnung aller Änderungen geringer sein werden als in der Planung ursprünglich angenommen. Die Überarbeitung dieser Untersuchung gab ebenfalls keinen Anlass zur Auslegung. Sie ist nach Maßgabe der 16. BImSchV auf der Grundlage der Schall 03 1990 erstellt worden und geht nach Gegenstand, Systematik und Ermittlungstiefe nicht über die schalltechnische Untersuchung zur 1. Planänderung hinaus. Für die Umweltverträglichkeitsstudie in der Fassung der 3. Planänderung gilt nichts anderes. Unionsrechtlicher Klärungsbedarf (Schriftsatz vom 14. Juni 2017, 4. Spiegelstrich) ist insoweit nicht ersichtlich. Die von den Beigeladenen vorgelegte Umweltverträglichkeitsstudie in der Fassung der 1. Planänderung hat ausgelegen. Die von der zuständigen Behörde nach §§ 11 und 12 UVPG auf der Grundlage des Anhörungsverfahrens vorgenommene Prüfung muss nicht vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses ausgelegt werden.

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bb) Es ist ferner im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die schall- und erschütterungstechnische Untersuchung für den Baubetrieb vom 10. Oktober 2013 (PFB Anlage 10.3), die sich detailliert mit den baubedingten Beeinträchtigungen auseinandersetzt, nicht öffentlich ausgelegt worden ist. Bereits die ursprünglich ausgelegten Planunterlagen erfüllten die Funktion, die ihnen insofern zugedacht ist, und das spätere Baugutachten zeigt keine zusätzlichen oder qualitativ anders gearteten Umweltauswirkungen auf.

42

(1) Die Beigeladenen waren nicht verpflichtet, schon mit den ursprünglichen Planunterlagen ein detailliertes Baugutachten oder einen konkreten Bauablaufplan vorzulegen. Ein solches Baulärm- oder Bauimmissionsgutachten setzt eine Ausführungsplanung voraus, die ein Vorhabenträger ohne gesicherte Rechtsposition, die er erst mit dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses erlangt, grundsätzlich nicht erstellen muss (vgl. Senatsurteil vom 8. September 2016 - 3 A 5.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:080916U3A5.15.0] - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 75 Rn. 29). Erforderlich ist es aber, in den Planunterlagen Angaben auch zu den Beeinträchtigungen in der Bauphase zu machen. Sie müssen so konkret sein, dass die Planfeststellungsbehörde aus ihnen ersehen kann, ob die bei Durchführung des Plans aufgeworfenen Probleme der Ausführungsplanung überlassen bleiben können oder bereits im Planfeststellungsbeschluss Regelungen zur Bauausführung getroffen werden müssen, weil in der Bauphase abwägungserhebliche Belange beeinträchtigt werden. Zudem müssen die Unterlagen so aussagekräftig sein, dass potenziell Betroffenen ein Interesse, Einwendungen zu erheben, bewusst werden kann (stRspr, vgl. Senatsurteil vom 8. September 2016 - 3 A 5.15 - a.a.O. Rn. 27).

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(2) Abzustellen ist insoweit auf den Inhalt der gemäß § 73 VwVfG ausgelegten Planunterlagen. Die von den Beigeladenen hervorgehobenen Umstände, dass Bürger Einwendungen gegen die bauzeitlichen Belastungen erhoben haben, die im Abschlussbericht der Anhörungsbehörde dargestellt und später erörtert worden sind, genügen nicht. Diese Umstände liegen nach dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt und können allenfalls Indizien dafür sein, dass die Planunterlagen eine hinreichende Anstoßwirkung entfaltet haben. Ebenso wenig ausreichend ist die Darstellung und Beschreibung des Vorhabens als solches oder der Hinweis auf eine mehrjährige Bauzeit. Zu den Mindestangaben der auszulegenden Unterlagen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens im Sinne des § 6 UVPG gehört neben einer Beschreibung des Vorhabens (Abs. 3 Satz 1 Nr. 1) eine Beschreibung der zu erwartenden erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen (Abs. 3 Satz 1 Nr. 3). Diese Angaben müssen, nicht zuletzt aufgrund der beizufügenden verständlichen, nichttechnischen Zusammenfassung der Angaben (Abs. 3 Satz 2), Dritten die Beurteilung ermöglichen, ob und in welchem Umfang sie von den Umweltauswirkungen des Vorhabens betroffen werden können (Abs. 3 Satz 3). Dass aus der dargestellten Dimension des Vorhabens potenzielle Betroffenheiten während der Bauzeit abstrakt zu erschließen sind, erfüllt die Mindestanforderungen nicht.

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(3) Die ausgelegten Planunterlagen enthielten indes - hier noch - hinreichende Angaben zu den baubedingten Beeinträchtigungen, um Grundlage für eine Anstoßwirkung und für die Beurteilung der Regelungsnotwendigkeiten durch die Planfeststellungsbehörde zu sein. Grundlage hierfür ist die ausgelegte Umweltverträglichkeitsstudie für den PFA II vom 15. November 1997. Sie weist darauf hin, dass sich die Belastung durch das Vorhaben aus bau-, anlage- und betriebsbedingten Wirkungen zusammensetzt. Diese werden zumindest grob für jedes Schutzgut gesondert ermittelt (UVS S. 28). Die Konflikt- und Wirkungsanalyse beschreibt temporäre Beeinträchtigungen von Biotopen, des Bodens, des Grundwassers, der Luft und des Klimas, des Landschaftsbildes und des Wohn- und Arbeitsumfeldes, die in grober Abstufung quantifiziert werden (UVS S. 105 ff.). Die Art der Beeinträchtigung (wie Zufahrt und Lagerung von Baumaterialien, Abschieben und Verdichten von Boden, Staub, Lärm und Abgase, zusätzliches Verkehrsaufkommen, An- und Abtransporte, Gehölzverlust) wird beschrieben. Als baubedingte Auswirkungen auf das Schutzgut Mensch werden Beeinträchtigungen von Erholungsräumen und des Wohnumfeldes genannt und als "erheblich" eingestuft (UVS S. 66, 111, 118), wobei kaum Möglichkeiten zu einer Minderung bestünden (UVS S. 119). Die Beeinträchtigungen ergeben sich aus Lärm, Abgasen und Staub. Insofern wird darauf verwiesen, dass Baulärm nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm (AVV Baulärm) zu beurteilen sei, die hierfür Messverfahren, Beurteilungskriterien und Immissionsrichtwerte enthalte (UVS S. 120). Schließlich werden die Orte der Einwirkungen so konkret bezeichnet, dass Anwohner eine potenzielle Betroffenheit erkennen können. Mit Beeinträchtigungen ist danach insbesondere in einem Korridor rechts und links der Trasse bis 50 m, teilweise bis 100 m zu rechnen (UVS S. 69), ferner im Umfeld von Baustellen und Lagerplätzen, die zusätzlich in Plänen dargestellt sind (S. 32 des Erläuterungsberichts), Baustraßen und im Bereich des Bahnhofs Lichtenrade (UVS S. 119). Bei Lagerplätzen wird differenziert, ob sie im näheren Umfeld von Erholungseinrichtungen liegen, wo sie zumindest temporär die Nutzbarkeit mindern können (UVS S. 71).

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c) Der Pflicht zur Erörterung ist die Planfeststellungsbehörde nachgekommen. Die Kläger rügen zu Unrecht, dass der Erörterungstermin nicht öffentlich durchgeführt worden ist. Dies entspricht den gesetzlichen Vorgaben. Der Erörterungstermin in einem eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahren ist grundsätzlich nicht öffentlich. Das bestimmt § 68 Abs. 1 Satz 1 VwVfG, auf den § 73 Abs. 6 Satz 6 VwVfG i.V.m. § 20 AEG in der hier maßgeblichen, bis 16. Dezember 2006 gültigen Fassung Bezug nahm. Die Öffentlichkeit kann nach § 68 Abs. 1 Satz 3 VwVfG lediglich besonders zugelassen werden, wenn kein Beteiligter widerspricht. Aus § 9 Abs. 1 UVPG, der in seinem Satz 3 auf diese Vorschriften Bezug nimmt, ergibt sich nichts anderes. Unionsrechtlich ist gegen die Nichtöffentlichkeit nichts zu erinnern. Das gilt auch, soweit Umweltthemen oder öffentliche Belange erörtert werden. Weder die UVP-Richtlinie noch das Aarhus-Übereinkommen fordern im Rahmen der Verfahrensbeteiligung überhaupt eine öffentliche Erörterung. Dann aber steht es dem nationalen Gesetzgeber frei, zum Schutz der persönlichen Sphäre und der Unbefangenheit der Beteiligten, die sich insofern auf einen grundrechtlichen Schutz berufen können (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 68 Rn. 3 f.), die Nichtöffentlichkeit der Erörterung vorzusehen (BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2016 - 9 A 4.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:160616U9A4.15.0] - NVwZ 2016, 1641 Rn. 17 m.w.N.). Die Kläger zeigen nichts auf, was an dieser klaren und eindeutigen Rechtslage Zweifel wecken könnte; ihre entsprechende Vorlagefrage ist nicht aufzugreifen.

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4. Auch im Übrigen sind Verstöße gegen UVP-Vorschriften nicht gegeben.

47

a) Die zusammenfassende Darstellung (§ 11 UVPG) und die Bewertung der Umweltauswirkungen (§ 12 UVPG) sind nicht zu beanstanden. Die Planfeststellungsbehörde hat nach § 11 Satz 1 UVPG eine zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen des Vorhabens sowie der Vermeidungs-, Verminderungs-, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu erarbeiten und die Umweltauswirkungen nach § 12 UVPG auf dieser Grundlage zu bewerten. Nach § 11 Satz 4 UVPG kann die zusammenfassende Darstellung auch in der Zulassungsentscheidung selbst erfolgen. Dasselbe gilt für die Bewertung der Umweltauswirkungen. Eine besondere Form ist insoweit nicht vorgeschrieben (BVerwG, Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 35).

48

Ausgehend hiervon ist die zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen im Planfeststellungsbeschluss (S. 382 ff., 424 bis 432) ausreichend. Die zuständige Behörde muss darin nicht auf jede Umweltauswirkung eingehen, die in den vom Vorhabenträger vorgelegten Unterlagen, vor allem in einer Umweltverträglichkeitsstudie angesprochen worden ist. Nicht dargestellt werden müssen namentlich die Auswirkungen der vom Vorhabenträger geprüften anderweitigen Lösungsmöglichkeiten (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 UVPG). Es genügt hier dementsprechend vollauf, dass die Trassenvarianten im Rahmen der fachplanerischen Abwägung dargestellt (PFB S. 174 bis 230), auch unter Umweltgesichtspunkten bewertet und gegeneinander abgewogen worden sind. Dabei hat die Planfeststellungsbehörde nicht verkannt, dass die planfestgestellte Variante im Hinblick auf die Umwelt am schlechtesten abschneidet (PFB S. 199).

49

Soweit die Kläger inhaltliche Einwendungen gegen die von den Beigeladenen vorgelegten Unterlagen insbesondere zur Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Natur- und Artenschutzrecht erheben, betreffen diese in erster Linie das materielle Recht. Die Rügen sind - wie noch dargelegt wird - in der Sache nicht begründet. Dass sich aus den verfahrensrechtlichen Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung, insbesondere aus § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und 4 UVPG, über das materielle Recht hinausgehende inhaltliche Anforderungen an die auszulegenden Unterlagen ergeben könnten, ist weder geltend gemacht noch ersichtlich.

50

b) Eine einheitliche förmliche Umweltverträglichkeitsprüfung für das Gesamtvorhaben, also auch die nachfolgend planfestzustellenden Abschnitte der Dresdner Bahn war nicht erforderlich.

51

aa) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist grundsätzlich anerkannt, dass ein Vorhabenträger im Straßen- und Schienenwegerecht ein Gesamtvorhaben planungsrechtlich in Abschnitte aufteilen darf (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 - BVerwGE 156, 215 Rn. 31 ff. m.w.N.). Zwar kann das planerische Ermessen des Vorhabenträgers hinsichtlich der Bestimmung des Gegenstands seines Vorhabens an Grenzen des materiellen Planungsrechts stoßen; die Kläger haben aber nichts dafür aufgezeigt, dass diese Grenzen hier überschritten sind, namentlich Probleme nicht hinreichend bewältigt werden könnten oder die Aussagekraft der Abwägung durch eine unsachgemäße Aufsplitterung leiden würde. Zu Recht hat die Planfeststellungsbehörde die Aufteilung in drei Abschnitte daher gebilligt (PFB S. 161 ff.).

52

bb) Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ferner geklärt, dass bei einer abschnittsweisen Planfeststellung nur dasjenige Projekt einer UVP zu unterziehen ist, für das im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der UVP-Richtlinie die Erteilung einer Genehmigung beantragt worden ist. Lässt das nationale Recht die Aufteilung und abschnittsweise Planung eines Gesamtvorhabens zu, fordert weder das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung noch das Unionsrecht im Planfeststellungsverfahren für den ersten Abschnitt eine übergreifende Umweltverträglichkeitsprüfung schon für die weiteren Abschnitte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:280416U9A9.15.0] - BVerwGE 155, 91 Rn. 42 ff. m.w.N.). Ausreichend ist eine Prognose, die nach Art eines vorläufig positiven Gesamturteils ergibt, dass dem Gesamtvorhaben in den nachfolgenden Abschnitten keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen (BVerwG, Urteile vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 151 und schon vom 28. Februar 1996 - 4 A 27.95 - NVwZ 1996, 1011 <1012 f.>). Dies wirft unter unionsrechtlichen Aspekten keine vernünftigen Zweifel auf, sodass kein Anlass besteht, die von den Klägern hierzu im Schriftsatz vom 14. Juni 2017 mit dem dritten Spiegelstrich formulierte Frage dem EuGH zur Klärung vorzulegen.

53

5. Die Planungsentscheidung steht nicht im Widerspruch zu verbindlichen Vorgaben der Raumordnung, der Landes- oder Bauleitplanung.

54

Die Kläger meinen, die Ausweisung Lichtenrades als Unterzentrum im Flächennutzungsplan (PFB S. 150), der für Berlin die Funktion eines Regionalplans übernimmt, sei ein Ziel der Raumordnung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG, dem sich die eisenbahnrechtliche Planung anzupassen habe. Entsprechendes gelte für die Heraufstufung des Ortsteilzentrums Bahnhofstraße zum Stadtteilzentrum von Lichtenrade. Es ist zweifelhaft, ob die Einordnung als Ziel der Raumordnung zutrifft. Jedenfalls spricht nichts dafür, dass ein etwaiges Ziel durch das Vorhaben entgegen § 4 Abs. 1 Satz 1 ROG beeinträchtigt werden könnte oder dass die Planung das Anpassungsgebot des § 7 Satz 1 BauGB verletzt.

55

Im Planfeststellungsbeschluss (S. 168 bis 173) wird dazu nachvollziehbar dargelegt, dass das Vorhaben nicht das Ortszentrum von Lichtenrade durchschneidet, das etwa 1 km östlich vom Bahnhof Lichtenrade entfernt liegt. Die Einzelhandelsnutzungen beginnen erst östlich der Kreuzung Bahnhofstraße/Briesingstraße. Weichen müssen dem Vorhaben im direkten Umfeld des Bahnhofs einige Schnellimbisse, Lotto- und Totoannahmestellen, ein Café und ein Blumengeschäft. Die Bahnhofstraße ist auch ausreichend dimensioniert, um den Verkehr aufzunehmen, der durch die Schließung des Bahnübergangs Goltzstraße zusätzlich anfallen wird. Inwiefern diese Annahmen fehlerhaft sein sollten, legen die Kläger nicht dar. Daher ist nichts für ihre Befürchtung ersichtlich, dass die Funktion Lichtenrades als Unterzentrum bzw. der Bahnhofstraße als Stadtteilzentrum infrage gestellt werden könnte.

56

6. Der rechtlich gebotene Lärmschutz gegen die vom Betrieb des Planfeststellungsabschnitts ausgehenden Schienenverkehrsgeräusche ist gewahrt. Daher können die Kläger mit Blick auf den Schienenverkehrslärm weder die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses noch die mit dem Hilfsantrag geltend gemachten weitergehenden Schutzmaßnahmen beanspruchen.

57

a) Maßgeblich ist insoweit das Schutzregime der §§ 41 ff. BImSchG und der 16. BImSchV. Eine Verletzung dieser Rechtsvorschriften kann auch der Kläger zu 1 rügen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 UmwRG) und Planergänzung um weitergehenden Schallschutz für die Betroffenen geltend machen (BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 9 A 18.11 - BVerwGE 144, 243 Rn. 19 ff.). Es ist unerheblich, dass die Immissionsgrenzwerte für den Tag nach den gutachterlichen Berechnungen mithilfe der festgesetzten aktiven Lärmschutzmaßnahmen bei allen Schutzfällen eingehalten und ca. 99,5% der Schutzfälle gelöst werden (PFB S. 171). Denn diese Bewertung wäre falsch, sollten die Kläger mit ihrer Rüge durchdringen, dass die festgesetzten Maßnahmen wegen der Notwendigkeit abweichender Berechnung der Beurteilungspegel unzureichend seien. Dies ist aber nicht der Fall.

58

b) Planfeststellungsbehörde und Vorhabenträger gehen mit dem Gutachter (vgl. schalltechnische Untersuchung S. 6) rechtsfehlerfrei davon aus, dass die Erweiterung der Strecke um zwei Gleise eine wesentliche Änderung im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der 16. BImSchV darstellt und den Anwohnern daher dieselben Lärmschutzansprüche zustehen wie bei dem Neubau eines Schienenweges (PFB S. 157). Nach dem Schutzkonzept der 16. BImSchV werden in solch einem Fall weder die tatsächliche Vorbelastung durch den S-Bahn-Verkehr noch eine plangegebene Vorbelastung schutzmindernd berücksichtigt, soweit es um Schienenverkehrsgeräusche geht. Insofern unterscheidet sich die Rechtslage, wie unten noch auszuführen ist, vom Schutz vor Erschütterungen aus dem Eisenbahnbetrieb.

59

c) Die Planfeststellungsbehörde hat zu Recht gebilligt, dass der Gutachter die Beurteilungspegel für Schienenverkehrsgeräusche noch auf der Grundlage der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung vom 12. Juni 1990 (BGBl. I S. 1036) - im Folgenden: Schall 03 1990 - berechnet hat. Wenn die Kläger - zuletzt in ihrem Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung - annehmen, die Schall 03 1990 sei nicht mehr anwendbar, weil die genannte Anlage zur 16. BImSchV im Zeitpunkt der Planfeststellung bereits eine neue Fassung erhalten hatte, übersehen sie die Regelung in § 4 Abs. 3 Satz 1 der 16. BImSchV in der ab dem 1. Januar 2015 geltenden Fassung (Art. 1 der Verordnung vom 18. Dezember 2014, BGBl. I S. 2269). Darin wird angeordnet, dass § 3 i.V.m. der hier interessierenden Anlage 2 der 16. BImSchV in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung weiter anzuwenden ist für Abschnitte von Vorhaben, für die - wie im zu entscheidenden Fall - das Planfeststellungsverfahren bis zum 31. Dezember 2014 bereits eröffnet und die Auslegung des Plans öffentlich bekannt gemacht worden ist.

60

d) Ohne Erfolg wenden die Kläger ein, die Schall 03 1990 habe im Zeitpunkt der Planfeststellung nicht angewendet werden dürfen, weil sie nicht (mehr) dem Stand der Technik entsprochen habe und unrealistisch niedrige Beurteilungspegel ergebe. Dies haben die Kläger mit verschiedenen Beweisanträgen untermauern wollen, die der Senat in der mündlichen Verhandlung abgelehnt hat. Hierbei bleibt es. Mit der Anknüpfung an den Stand der Technik stellen die Kläger die Anwendbarkeit der Schall 03 1990 anhand eines rechtlich unzutreffenden Maßstabs infrage.

61

aa) Als Anlage zur 16. BImSchV ist die Schall 03 1990 Bestandteil des immissionsschutzrechtlichen Lärmschutzkonzepts für Schienenwege und mit normativer Verbindlichkeit ausgestattet. Dies ergibt sich aus § 4 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 der 16. BImSchV n.F., der bestimmt - ohne insofern ein Ermessen einzuräumen -, dass die Beurteilungspegel für Schienenwege nach der Anlage 2 zu dieser Verordnung - nach Absatz 3 in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung - zu berechnen sind. Diese normative Verbindlichkeit kann nur durch einen zur Nichtigkeit führenden Widerspruch zu höherrangigem Recht beseitigt werden. Die Kläger irren, wenn sie einen solchen Widerspruch aus der - vermeintlichen - Missachtung des Standes der Technik ableiten wollen. Innerhalb des Lärmschutzkonzepts für Verkehrswege nach §§ 41 ff. BImSchG sind nur Maßnahmen des Vorhabenträgers zur Vermeidung von Verkehrsgeräuschen am Stand der Technik zu messen (§ 41 Abs. 1 BImSchG). Der Verordnungsgeber ist bei seinen Vorgaben für das Berechnungsverfahren nicht hierauf verpflichtet; die ihm erteilte Ermächtigung in § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG zum Erlass von Vorschriften "über das Verfahren zur Ermittlung der Emissionen oder Immissionen", enthält keine derartige Vorgabe. Das verkennen die Kläger mit ihren Beweisanträgen zu 9 und 10 und ihrem Schriftsatz vom 15. Juni 2017 (Anlage 11 zum Protokoll der mündlichen Verhandlung). Diese Konzeption ist im Zusammenhang des Bundes-Immissionsschutzgesetzes folgerichtig. Das Gesetz verpflichtet nur Betreiber von Anlagen, den Stand der Technik zu beachten (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 3 Nr. 2, § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG). Mit diesem Begriff nimmt das Gesetz Bezug auf außerrechtliche Standards (vgl. § 3 Abs. 6 BImSchG), die teilweise normativ konkretisiert werden (wie in der 1., 2. und 31. BImSchV), denen der Gesetz- und Verordnungsgeber aber nicht selbst unterworfen ist. Daher ist es unerheblich, ob die Schall 03 1990 - wie es die Kläger in Abrede stellen - das Schallausbreitungsmodell der ISO 9613-2 berücksichtigt, selbst wenn dieses Regelwerk den Stand der Technik verkörpern würde.

62

bb) Eine Verpflichtung des Verordnungsgebers, seine Berechnungsvorschriften für Verkehrsgeräusche fortlaufend dem Stand der Technik anzupassen, lässt sich auch sonst nicht aus höherrangigem Recht herleiten. Dem Gesetz- und Verordnungsgeber steht nach gefestigter Rechtsprechung nicht nur bei der Festlegung der Immissionsgrenzwerte, sondern auch bei der Bestimmung des Rechenverfahrens zur Ermittlung der Immissionsbelastung ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu, der einer gerichtlichen Nachprüfung nur begrenzt offensteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2011 - 7 A 11.10 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 59 Rn. 28).

63

e) Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Verordnungsgeber hier die Grenzen seines normativen Ermessens überschritten hat. Das wäre nur der Fall, wenn die bei Anwendung der Schall 03 1990 rechnerisch ermittelte Geräuschbelastung die Wirklichkeit völlig unzulänglich abbilden und damit die grundrechtliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 GG verletzen würde. Dafür ist aber auch gemessen daran, was in den Beweisanträgen zu 3, 9 und 10 gegen die Tauglichkeit der Schall 03 1990 vorgebracht worden ist, nichts erkennbar. Namentlich haben die Kläger keine Belege dafür beigebracht, dass die rechnerisch ermittelte Geräuschbelastung unter der, wie auch immer zu bestimmenden, "wirklichen" Belastung liegt und die 16. BImSchV in der Kombination mit den Schutzmaßnahmen, die an die festgelegten Grenzwerte anknüpfen, das diesem Regelwerk immanente Schutzziel verfehlt. Die Kläger machen zur Begründung ihrer Ansicht vor allem geltend, es müsse abweichend von den verordnungsrechtlichen Vorgaben gerechnet werden. Damit bringen sie nichts vor, was die Verwertbarkeit der schalltechnischen Berechnungen, die sich an das Regelwerk halten, generell oder im Detail infrage stellen würde. Im Einzelnen ist dazu Folgendes auszuführen:

64

aa) Es überschreitet nicht den Wertungs- und Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers, dass die Schall 03 1990 zur Darstellung der Immissionsbelastung ausschließlich auf Beurteilungspegel, also bewertete Mittelungspegel abstellt (vgl. § 3 der 16. BImSchV 1990) und nicht zusätzlich Maximalschallpegel ("Spitzenpegel") berücksichtigt. Mittelungs- bzw. Dauerschallpegel sind als geeignete Kenngrößen zur Beurteilung zahlreicher Lärmwirkungen der Immissionen intermittierender Schallquellen, wie sie Verkehrswege darstellen, anerkannt und auch international gebräuchlich (vgl. Gottlob/Vogelsang, in: Müller/Möser, Taschenbuch der Technischen Akustik, 3. Aufl. 2004, 5.2.3, S. 105 f. sowie Möhler, Spitzenpegel beim Schienenverkehrslärm, ZfL 37 (1990), S. 35 ff.; Expertenanhörung zur Minderung des Verkehrslärms an Straßen und Schienen, Protokoll der öffentlichen Anhörung in der 22. Sitzung des BT-Ausschusses für Verkehr vom 17. Januar 1996, S. 11 f., 15 f., 17 f., 367 f. und 425 ; vgl. auch die DIN 45641).

65

Den Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung folgend, die von den Klägern nicht substanziiert infrage gestellt worden sind, akzeptiert die Rechtsprechung seit langem, dass der Verordnungsgeber in der 16. BImSchV - wie in anderen Regelwerken auch - ausschließlich auf Mittelungspegel abstellt und Maximalpegel nicht gesondert zur Bewertung der Belastung heranzieht. Damit ist das normative Ermessen nicht überschritten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. April 2003 - 9 B 59.02 - juris Rn. 64 und Urteil vom 18. März 1998 - 11 A 55.96 - BVerwGE 106, 241 <246 >). Dieses erlaubt nämlich, bei der Erstellung einer Lärmschutzkonzeption, deren integraler Bestandteil das Rechenverfahren ist, gegenläufige öffentliche und private Interessen und Aspekte der Praktikabilität wie Einfachheit der Verfahren, einheitliche Anwendbarkeit und internationale Vergleichbarkeit mit zu berücksichtigen, soweit die Korrelation mit Lärmwirkungen gewahrt bleibt. Dies gilt auch, soweit es um die verfassungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle geht (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 376 f.). Dass der Gesetz- und Verordnungsgeber Mittelungspegel weiterhin für geeignet erachtet, innerhalb des Konzepts der §§ 41 ff. BImSchG und der 16. BImSchV für die angestrebte Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche zu sorgen, zeigt der Umstand, dass auch die Neufassung der Schall 03 von 2014 (Anlage 2 der 16. BImSchV i.d.F. von Art. 1 der Verordnung vom 18. Dezember 2014, BGBl. I S. 2269) ausschließlich Mittelungspegel für maßgebend erachtet.

66

Für einen Ausnahmefall, in dem es geboten sein kann, zusätzlich Maximalpegel zur Bewertung heranzuziehen, ist hier nichts ersichtlich. Insbesondere folgt dies nicht allein daraus, dass Schienenverkehr intermittierende, also zeitlich schwankende Geräusche mit teils hohen Pegelspitzen hervorruft. Der Verordnungsgeber hat in Kenntnis dieses Umstandes von der regelhaften Berücksichtigung von Maximalpegeln abgesehen. Gerechtfertigt ist dies dadurch, dass in einen Mittelungspegel alle Schallanteile gemäß ihrer Stärke, Dauer und Häufigkeit eingehen und bei der Mittelung hohe Einzelpegel wesentlich stärker berücksichtigt werden als niedrige (vgl. Arps, in: Ziekow, Handbuch des Fachplanungsrechts, 2. Aufl. 2014, § 10 Rn. 94 f.; Isermann, in: Ziekow, a.a.O., § 15 Rn. 125, 208). Daraus, dass das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm zusätzlich auf Maximalschallpegel abstellt, ergibt sich nichts anderes. Für Fluglärm lagen dem Gesetzgeber bei der Novellierung des Fluglärmgesetzes Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung über die Wirkungen von Maximalpegeln vor, die es möglich und sinnvoll scheinen ließen, sie neben Mittelungspegeln zu berücksichtigen (vgl. Isermann, in: Ziekow, a.a.O., § 15 Rn. 133 ff.). Die Kläger haben nicht aufgezeigt, dass für Schienenverkehrslärm entsprechend konkrete, über den Aussagewert von Beurteilungspegeln hinausgehende Erkenntnisse vorliegen, und der Gesetz- oder Verordnungsgeber seinen Spielraum durch Nichtbeachtung dieser Erkenntnisse überschreiten würde.

67

bb) Bei der Berechnung der Beurteilungspegel war der so genannte Schienenbonus zu berücksichtigen (zutreffend PFB S. 248). Die Schall 03 1990 sieht in der hier noch anzuwendenden Fassung vor, dass von den sich rechnerisch ergebenden Mittelungspegeln für den Tag und die Nacht ein Abschlag von 5 dB(A) vorzunehmen ist (Korrektursummand S der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV a.F.).

68

(1) Die Berücksichtigung des Schienenbonus ist mit § 43 Abs. 1 Satz 2 BImSchG i.d.F. des Elften Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 2. Juli 2013 (BGBl. I S. 1943) vereinbar. Nach dieser Übergangsvorschrift darf der Schienenbonus auf den Abschnitt einer Eisenbahnstrecke, der - wie hier - nach dem 1. Januar 2015 planfestgestellt worden ist, angewendet werden, wenn das Planfeststellungsverfahren für das Vorhaben bereits vor dem 1. Januar 2015 eröffnet und die Auslegung des Plans öffentlich bekannt gemacht worden war. Das ist hier der Fall.

69

(2) Die Anwendung des Schienenbonus in den Übergangsfristen des § 43 Abs. 1 Satz 2 BImSchG ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Dies hat der Senat im Urteil vom 8. September 2016 (BVerwG 3 A 5.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 75 Rn. 48 ff.) im Einzelnen begründet. Hierauf wird Bezug genommen. Die Angriffe der Kläger, die sich im Wesentlichen in Hinweisen auf Literatur erschöpfen, geben keine Veranlassung, von dieser Bewertung abzurücken und die Frage gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Mit Blick auf den Vortrag der Kläger ist nur Folgendes zu ergänzen:

70

Der Gesetzgeber und die vollziehende Gewalt erfüllen durch §§ 41 ff. BImSchG und die dazu ergangenen Durchführungsverordnungen ihre verfassungsrechtliche Pflicht zum Schutz der Bevölkerung vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrslärm. Der dem Gesetzgeber bei der Erfüllung dieser Schutzpflicht zukommende weite Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich lässt Raum, konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Eine Verletzung der Schutzpflicht kann daher gerichtlich nur festgestellt werden, wenn öffentliche Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen werden oder die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind (BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 1981 - 1 BvR 612/72 - BVerfGE 56, 54 <74 ff.>; BVerwG, Urteil vom 5. März 1997 - 11 A 25.95 - BVerwGE 104, 123 <130>). Diese Beurteilung hat das immissionsschutzrechtliche Schutzkonzept umfassend in den Blick zu nehmen. Das verkennen die Kläger mit der bloßen Bezugnahme auf die vorgelegten Lärmstudien. Die Aussage, dass Schienenverkehrsgeräusche das relative Risiko für Gesundheitsbeeinträchtigungen erhöhen können, ist als solche unbestritten und liegt dem gesetzlichen Konzept zugrunde. Die Höhe und damit die Relevanz des Risikos für die staatliche Schutzpflicht hängen aber namentlich von der Stärke, Dauer und Häufigkeit der Geräusche ab, denen Betroffene ausgesetzt sind. Gerade insoweit bestehen aber, was auch in den vorgelegten Studien zum Ausdruck kommt, Unsicherheiten in der Lärmwirkungsforschung, die den Spielraum der Normgeber, Grenzwerte zu setzen und erst bei deren Überschreitung Schutz vorzusehen, eröffnen und nicht einengen (BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2010 - 7 A 14.09 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 81 Rn. 52). Erkenntnisse, dass bei einer Anwendung des Schienenbonus verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbare Risiken bestehen, liegen nicht vor. Es liegt demgemäß im Spielraum des Gesetzgebers, den Schienenbonus trotz der Veränderungen des Zugverkehrs für eine Übergangsfrist fortgelten zu lassen, um den Aufgabenträgern zu ermöglichen, sich bei der Realisierung von Infrastrukturmaßnahmen auf die Rechtsänderung einzustellen (vgl. die Begründung des Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des BImSchG, BT-Drs. 17/10771 S. 4).

71

(3) In Sonderheit sind die vorgelegten Studien mit Blick auf die durch das Vorhaben für die Kläger geschaffene Lage unergiebig. Der Schienenbonus ist vor allem an Strecken problematisch, die mit hohen nächtlichen Pegeln, insbesondere durch Güterverkehr, belastet sind (ebenso die Gesetzesbegründung zu § 43 BImSchG, BT-Drs. 17/10771 S. 4). Um eine solche Strecke handelt es sich hier aber nicht. Nach dem Betriebsprogramm wird auf dem planfestgestellten Abschnitt der Dresdner Bahn nachts (im Mittel) nur ein Güterverkehrszug verkehren, ansonsten überwiegend S-Bahnen sowie vier Fern- und 38 Nahverkehrszüge (vgl. Erschütterungstechnische Untersuchung, PFB Anlage 10.2 Teil 1). Bei den meisten Betroffenen werden daher die nächtlichen Grenzwerte für Allgemeine Wohngebiete (WA) mit Pegeln unter 44 dB(A) auch ohne den Schienenbonus eingehalten. Bei den Klägern zu 2 bis 4, die zu den am stärksten Betroffenen gehören, ist dies zwar nicht der Fall. Auch bei ihnen würde der nächtliche Grenzwert ohne Schienenbonus jedoch um nur 2,1 dB(A) (Kläger zu 2), 1,5 dB(A) (Klägerin zu 3) und 3,9 dB(A) (Klägerin zu 4) überschritten. Werte von 70 dB(A) tags / 60 dB(A) nachts - und damit potenzielle Gesundheitsgefährdungen - werden auch ohne Berücksichtigung des Schienenbonus weder bei ihnen noch an anderer Stelle erreicht. Da nachts praktisch keine Güterzüge verkehren, wird es allenfalls selten zu hohen Emissionspegeln kommen; diese werden durch Lärmschutzwände und die normale bauliche Ausstattung der Schlafräume so weit abgesenkt, dass gesundheitlich bedenkliche Verhältnisse nicht zu besorgen sind. Dass die Übergangsregelung für den Schienenbonus bezogen auf Strecken mit der dargestellten Zugbelegung zu einer verfassungswidrigen Belastung führen könnte, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 der 16. BImSchV nicht nur der Schienenbonus, sondern die Schall 03 1990 insgesamt weiter anzuwenden sind. Hiernach gehen die Berechnungen zugunsten der Anwohner davon aus, dass alle Güterwagen mit lauten Grauguss-Bremsklötzen ausgerüstet sind. Tatsächlich ist aber nur eine deutlich geringere Belastung durch leisere Güterwagen zu erwarten (vgl. PFB S. 249 f. unter Hinweis auf BT-Drs. 18/1280 S. 92 f.).

72

cc) Die Schall 03 1990 ist nicht deshalb durchgreifenden Bedenken ausgesetzt, weil sie - ebenso wie ihre Nachfolgefassung - keinen Zuschlag für Unsicherheiten der Berechnung vorsieht. Es unterliegt der Einschätzung des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers, einen solchen "Unsicherheitszuschlag" für geboten zu halten und in den Rechenvorgang zu integrieren. Die Kläger haben keine Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass der Verzicht auf einen solchen Zuschlag - im Gesamtzusammenhang des Regelwerks der Schall 03 1990 - mit höherrangigem Recht unvereinbar ist. Aus dem Umstand allein, dass die an einem Immissionsort gemessenen Schallpegel höher ausfallen können als der berechnete Mittelungspegel, lässt sich dies nicht folgern. Es ist Sinn einer Mittelung, die zeitlichen Schwankungen in den Pegelverläufen von intermittierenden Geräuschquellen in ortsbezogene Einzahlwerte zu integrieren, an die Aussagen über Wirkungen und die Zumutbarkeit der Belastung geknüpft werden können. Auch wenn in Mittelungspegel alle Schallanteile der erfassten Zugvorbeifahrten gemäß ihrer Stärke, Dauer und Häufigkeit eingehen, liegt es in der Natur der Sache, dass die Einzelpegel teils höher, teils niedriger ausfallen als der gemittelte Wert.

73

Abgesehen davon ist nichts dafür dargetan, dass die "wahren" Immissionspegel typischerweise so deutlich über den berechneten Beurteilungspegeln liegen könnten, dass sie die tatsächlichen Verhältnisse nur bei Hinzurechnung eines pauschalen Zuschlags hinreichend abbilden würden. Zu einer solchen Annahme berechtigt nicht allein der - als solches unstreitige - Umstand, dass die Schall 03 1990 in mancher Hinsicht nicht mehr den im Jahr 2014 verfügbaren Erkenntnissen und Berechnungsmöglichkeiten entspricht. Der Verordnungsgeber hat es mit Blick auf die Übereinstimmung der Rechenergebnisse mit der Wirklichkeit für ausreichend angesehen, etwaigen Ungenauigkeiten durch eine - von der mathematischen Rundungsregel abweichende - generelle Aufrundung der Gesamtbeurteilungspegel Rechnung zu tragen (vgl. die Rundungsregeln in den Anlagen 1 und 2 zu § 3 der 16. BImSchV 1990, BGBl. 1990 I S. 1036 <1037 und 1045>). Nichts anderes gilt für die Neufassung der 16. BImSchV aus dem Jahre 2014. Angesichts dessen könnte der Einschätzungsspielraum des Verordnungsgebers allenfalls dann als überschritten angesehen werden, wenn es wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse darüber gäbe, welche Berechnungsungenauigkeiten bestehen, wie diese zu quantifizieren sind und dass diesen Unsicherheiten durch den von den Klägern geforderten Zuschlag (und nicht etwa durch einen wegen systematischer Überschätzung der rechnerischen Belastung gebotenen Abschlag) Rechnung getragen werden müsste. Solche Erkenntnisse haben die Kläger nicht vorgetragen.

74

dd) Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass der Verordnungsgeber selbst bei seiner Neuregelung der Schall 03 im Jahre 2014 aus dem Erkenntnisfortschritt gegenüber 1990 nicht den Schluss auf die Unbrauchbarkeit der früheren Schallberechnung gezogen hat. Entsprechend wird in der Begründung des Entwurfs einer Verordnung zur Änderung der 16. BImSchV vom 30. April 2014 hervorgehoben, dass das Verfahren zur Berechnung von Schallimmissionen für Schienenwege mit den grundlegenden Funktionen und Beurteilungsmaßstäben der bisherigen Schall 03 [1990] erhalten bleibt, das Regelwerk aber Neuerungen angepasst werden soll, die sich durch die "Weiterentwicklung der Technik und neue Erkenntnisse in den Prognoseverfahren bei Lärmberechnungsverfahren" ergeben haben. Gegenstand der Änderung sei die "genauere Anpassung" der akustischen Eigenschaften der Schallquellen (Fahrzeuge, Fahrbahnen) sowie der Schallausbreitung an den Stand der Technik (BT-Drs. 18/1280 S. 87). Für Vorhaben mit herkömmlicher Bahntechnik sehe das aktualisierte Berechnungsverfahren nach Anlage 2 lediglich eine formal andere Vorschrift für den Ablauf der Berechnung vor, die sich im Ergebnis - wenn überhaupt - nur geringfügig auswirke (BT-Drs. 18/1280 S. 92). Die Verordnungsbegründung, auf die sich die Kläger maßgeblich stützen, gibt mithin nichts dafür her, dass mit der gesehenen Notwendigkeit von Anpassungen die Erkenntnis einer Unverwertbarkeit der früher berechneten Pegel einhergegangen wäre. Für eine solche Erkenntnis haben auch die Kläger nichts aufgezeigt.

75

f) Die schalltechnische Untersuchung der durch den Betrieb ausgelösten Geräuschbelastung (PFB Anlage 10.1) ist auch bei der Anwendung der Berechnungsvorgaben der Schall 03 1990 auf den streitigen Planfeststellungsabschnitt keinen durchgreifenden Bedenken ausgesetzt.

76

aa) Die schalltechnische Untersuchung leidet nicht an Mängeln, die ihre Verwertbarkeit oder Aussagekraft von vornherein beseitigen.

77

(1) Der Gutachter der Beigeladenen hat zur Berechnung der Beurteilungspegel gemäß der Schall 03 1990 das anerkannte, vielfach eingesetzte Software-Programm CadnaA (vgl. Erläuterungsbericht, PFB Anlage 10.1.1, S. 8) verwendet. Das haben auch die Kläger nicht bezweifelt. Ob dieses Programm im Zeitpunkt der Gutachtenerstellung über eine Konformitätserklärung des Herstellers gemäß der von den Klägern angeführten DIN 45687 (Software-Erzeugnisse zur Berechnung der Geräuschimmissionen im Freien - Qualitätsanforderungen und Prüfbestimmungen) verfügte, ist nicht entscheidungserheblich. Die 16. BImSchV sieht eine Verpflichtung zur Qualitätssicherung von Softwareprodukten (Programme), mit denen Immissionsberechnungen gemäß den Vorgaben der Schall 03 vorgenommen werden (Sicherstellung der normgerechten Abbildung), erst seit der Neufassung von 2014 vor (vgl. Nr. 1 der Anlage 2 zu § 4). Eine entsprechende Regelung für die hier noch anzuwendende Fassung der Schall 03 1990 bestand nicht. Das erklärt sich ohne Weiteres daraus, dass die DIN-Norm, die die Qualitätssicherung regelt, aus dem Jahr 2006 stammt; dementsprechend datiert die von den Klägern vorgelegte Konformitätserklärung für das Programm SoundPLAN auch erst vom 21. Juli 2014. Eine Notwendigkeit, im Planfeststellungszeitpunkt ein mit Konformitätserklärung versehenes Rechenprogramm zu benutzen, lässt sich auch nicht anderweitig ableiten. Der Sachbeistand der Kläger Dr. N. hat nicht bestritten, dass CadnaA ein allgemein anerkanntes und seit Jahren vielfach verwendetes Programm ist (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 - 7 A 24.11 - juris Rn. 59). Ebenso wenig hat er behauptet, dass das Programm untauglich sei oder die damit berechneten Beurteilungspegel unrichtig seien.

78

(2) Es trifft auch nicht zu, dass die schalltechnische Untersuchung "nicht nachvollziehbar" sei, wie der Sachbeistand der Kläger in der mündlichen Verhandlung behauptet hat und die Kläger mit dem Beweisantrag zu 5 untermauern wollen. Rechtlich erforderlich ist insoweit nicht, dass aus den planfestgestellten Unterlagen jeder Rechenschritt nachvollziehbar hervorgeht oder ein Außenstehender die Beurteilungspegel auf der Grundlage des Gutachtens selbst nachrechnen kann. Vielmehr genügt eine Plausibilisierung dahin, dass die rechnerischen Anforderungen der Schall 03 1990, insbesondere was die nötigen Eingangsdaten angeht, erfüllt worden sind. Das ist hier, wie sich aus der schalltechnischen Untersuchung ergibt, der Fall. Dann aber wird die Aussagekraft des Gutachtens nur unter der Voraussetzung erschüttert, dass konkrete Fehler der Berechnung oder der Berechnungsgrundlagen aufgezeigt werden. Solche Fehler sind nicht erkennbar.

79

bb) Das Verfahren "besonders überwachtes Gleis" (büG) durfte bei der Berechnung der Beurteilungspegel angewandt und mit einer Schallpegelminderung von 3 dB berücksichtigt werden.

80

(1) Das Verfahren büG gehört zu den anerkannten Schallminderungstechniken am Gleis, die der Einhaltung der Immissionsgrenzwerte des § 2 der 16. BImSchV dienen. Der Verordnungsgeber hat den so genannten Gleispflegeabschlag schon 1990 auf der Grundlage der amtlichen Anmerkung zu Tabelle C der Anlage 2 zu § 3 der ursprünglichen 16. BImSchV als "lärmmindernde Maßnahme am Fahrweg" eingeordnet (BR-Drs. 661/89 S. 47). Mit dieser Funktion hat das Bundesverwaltungsgericht den Nachweis einer Emissionsminderung aus dem Gleis-Rad-Kontakt als erbracht angesehen (BVerwG, Urteil vom 15. März 2000 - 11 A 42.97 - NVwZ 2001, 71 <72>). Seither ist das Verfahren als eine besondere Vorkehrung anerkannt, mit der "eine weitergehende dauerhafte Lärmminderung" erzielt wird (stRspr; BVerwG, Urteil vom 14. November 2001 - 11 A 31.00 - BVerwGE 115, 237 <244 ff.> und Beschluss vom 22. August 2007 - 9 B 8.07 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 47 Rn. 7 f.). Dementsprechend ist das Verfahren in der neuen Schall 03 mit einer ausdrücklichen Regelung fortgeführt worden (Nr. 4.5 der Anlage 2 zu § 4 der 16. BImSchV 2014). Die Kläger sind diesen Erkenntnissen mit ihrem Beweisantrag zu 4 nicht substanziiert entgegengetreten.

81

(2) Das Verfahren "büG" war auch unter der hier anwendbaren Fassung der Schall 03 1990 so präzise festgelegt, dass der mit ihm erzielbare Lärmminderungseffekt aufgrund von Erfahrungswerten als berechenbar und gesichert gelten darf. Durch die Beschreibung in der Verfügung des Eisenbahn-Bundesamtes vom 16. März 1998 (VkBl 1998, S. 262) hat es eine Standardisierung gefunden, mit der die Bedingungen, unter denen es angewandt werden kann, hinreichend fixiert sind. Soweit die Kläger bemängeln, dass es kein "normal überwachtes Gleis" als Bezugspunkt der Maßnahmen gebe (Beweisantrag zu 4), verkennen sie, dass das Verfahren nicht bei Abweichung von einem definierten Gleiszustand, sondern beim Überschreiten einer Auslöseschwelle zur Anwendung kommt.

82

(3) Im streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss (A.4.8.3 a cc, S. 54 f.) ist das Verfahren klar und eindeutig angeordnet, der Ansatz eines Gleispflegeabschlags im Planfeststellungsabschnitt 2 auch von daher gerechtfertigt. Anzuwenden ist es danach durchgehend bei den Fern- und S-Bahngleisen außerhalb des Bahnhofs Lichtenrade, wo seine Anwendung als nicht sinnvoll angesehen wird. Das genügt den Anforderungen an die Bestimmtheit einer Regelung.

83

(4) Es ist schließlich nicht zu beanstanden, dass die Höhe des Gleispflegeabschlags im planfestgestellten Abschnitt generell mit 3 dB veranschlagt ist (vgl. PFB Anlage 10.1.1, schalltechnische Untersuchung, S. 14). Die Berechtigung dieses Wertes hat der Gutachter der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung überzeugend als Mittelwert der Minderung über alle Zugarten erläutert. Wie schon ausgeführt, liegt es in der Natur der Mittelung, dass der tatsächliche Minderungseffekt teils niedriger, teils aber auch höher als der Mittelwert ausfällt. Derartige Pauschalierungen sind rechtlich zulässig, solange dadurch der wirkliche Effekt - hier repräsentiert durch einen Mittelwert - nicht völlig unrealistisch dargestellt wird. Dafür ist nichts ersichtlich. Die Zugrundelegung eines Mittelwerts fügt sich dem System der 16. BImSchV alter wie neuer Fassung ein, das insgesamt auf eine Geräuschpegelmittelung abstellt. Soweit der Sachbeistand der Kläger Dr. N. den Minderungseffekt mit weniger als 1 dB veranschlagen will, trifft dies nur für grauklotzgebremste Güterzüge zu, die die Strecke künftig nicht mehr befahren sollen. Auch der Sachbeistand räumt ein, dass die Höhe der Minderung von der Bremsbauart abhängt (S. 8 seines Gutachtens). Für moderne Züge liegt der Minderungswert entsprechend erheblich über 3 dB. Zudem ist es plausibel, dass Güterzüge hier wegen der äußerst geringen Anzahl (mit durchschnittlich einem Zug täglich) keine spürbaren Auswirkungen auf den Gesamtminderungseffekt des Schienenschleifens haben. Von daher weckt auch die von den Klägern angeführte Verfügung des Eisenbahn-Bundesamtes vom 16. Dezember 2005 keine Bedenken an der Berechtigung eines pauschalen Abschlags in der hier vorgenommenen Höhe.

84

cc) Es ist weiter nicht ersichtlich, dass der Einbau besohlter Schwellen, den die Planfeststellungsbehörde für Bahn-km 12,3+00 bis 13,1+20 sowie von km 13,6+40 bis km 14,7+62 als Erschütterungsschutzmaßnahme angeordnet hat (PFB S. 57), zu einer in der schalltechnischen Untersuchung zu Unrecht vernachlässigten Erhöhung der Emissionspegel führen würde. Der Gutachter der Beigeladenen hat bei der Berechnung der Emissionspegel den Einfluss der Fahrbahnart "Schotterbett mit Betonschwellen" gemäß Tabelle C der Schall 03 1990 mit einem Zuschlag DFb = 2 dB(A) berücksichtigt (STU, Erläuterungsbericht, Anlage 10.1.1, S. 11). Anlass, den Einfluss besohlter Schwellen mit einem höheren Korrekturwert zu veranschlagen, sieht der Verordnungsgeber weder in der anzuwendenden noch in der jetzigen Fassung der Schall 03 (vgl. dort Tabelle 7). Ihre Behauptung, dass diese Einschätzung unzutreffend sei und besohlte Schwellen zu der Pegelerhöhung um 4 dB(A) führen würden, haben die Kläger durch nichts belegt.

85

dd) Die Bildung eines Gesamtlärm- oder Summenpegels für Schienen- und Straßenverkehrsgeräusche war hier nicht geboten. Das überkommene Lärmschutzsystem ist durch ein Nebeneinander von Regelwerken gekennzeichnet, welche die von ihnen erfassten Geräuscharten jeweils isoliert bewerten, also bereichsfremde Geräuschquellen aus der Betrachtung ausblenden. Diese geräuschquellenbezogene Betrachtung ist rechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden (BVerwG, Beschluss vom 24. November 2010 - 4 BN 28.10 - ZfBR 2011, 165 <165 f.> m.w.N.). Lediglich dann, wenn ein neuer oder zu ändernder Verkehrsweg im Zusammenwirken mit vorhandenen Vorbelastungen anderer Verkehrswege insgesamt eine Belastung hervorruft, die den kritischen Bereich der Gesundheitsgefährdung erreicht oder zu einem Eingriff in die Substanz des Eigentums führt, darf es mit einer bloß sektoralen Betrachtung nicht sein Bewenden haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 389 f., 394 f. m.w.N.). Eine solche Gesamtbelastung wird durch den Ausbau des streitigen Streckenabschnitts aber nicht hervorgerufen. Die Planfeststellungsbehörde hat die Bildung eines Summenpegels hier, gestützt auf die nicht entkräfteten Berechnungen des Gutachters, schon deshalb zu Recht abgelehnt, weil das Vorhaben die bei den Anliegern auftretenden Immissionen wegen der zu errichtenden Lärmschutzwände nicht erhöhen, sondern verringern wird (PFB S. 251 f.). Die Eisenbahnüber- bzw. Straßenunterführung Bahnhofstraße stellt im Übrigen keine wesentliche Änderung im Sinne des § 1 Abs. 2 der 16. BImSchV dar, weil sich die Beurteilungspegel für Straßenverkehrsgeräusche nicht um mindestens 3 dB(A) erhöhen (vgl. PFB Anlage 10.1.8, S. 14).

86

g) Den Berechnungen liegt ein nicht zu beanstandendes Betriebsprogramm zugrunde. Die Befürchtungen der Kläger, es werde deutlich mehr Schienenverkehr abgewickelt als den Berechnungen der Immissionsbelastung zugrunde gelegt worden ist, sind unberechtigt; ihnen fehlt eine hinreichende tatsächliche Grundlage.

87

aa) Dass der Planung, namentlich auch der Verkehrsprognose, der Prognosehorizont 2025 zugrunde liegt, ist nicht zu beanstanden. Für die Prognose der Verkehrsentwicklung gibt der Gesetzgeber keinen festen Zeitrahmen vor. Mit Blick auf die von der Planfeststellung ausgehende Duldungswirkung (§ 75 Abs. 2 VwVfG), mit der die Prognoseentscheidung einen engen Zusammenhang aufweist, ist derjenige überschaubare Zeitraum zu wählen, in dem sich ein voraussichtlich dauerhaftes Verkehrsgeschehen eingestellt haben wird. Denn die Verkehrsprognose soll die Grundlage zu einer möglichst lange Bestand behaltenden Bewältigung jener Probleme schaffen, die durch den Betrieb der geplanten Strecke aufgeworfen werden (BVerwG, Beschluss vom 25. Mai 2005 - 9 B 41.04 - juris Rn. 24). Der hier gewählte Zeitraum von zehn Jahren ab Planfeststellung bewegt sich im Rahmen des für Verkehrsprognosen Üblichen (zu Recht PFB S. 234). Dass der Prognosehorizont ausgehend von der Inbetriebnahme der Strecke bestimmt wird, können die Kläger nicht verlangen. Wie auch sonst hat die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses abzustellen (BVerwG, Beschluss vom 25. Mai 2005 - 9 B 41.04 - juris Rn. 23 m.w.N.).

88

bb) Das für das Jahr 2025 prognostizierte Betriebsprogramm (PFB S. 262) ist keinen durchgreifenden Bedenken ausgesetzt. Das Gericht hat insoweit nur zu prüfen, ob die Prognose mit den zu jener Zeit verfügbaren Erkenntnismitteln unter Beachtung der für sie erheblichen Umstände sachgerecht erarbeitet worden ist. Zu beanstanden ist eine Prognose demnach nicht, wenn sie nach einer geeigneten Methode durchgeführt wurde, der ihr zugrunde liegende Sachverhalt zutreffend ermittelt und das Ergebnis einleuchtend begründet ist (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 6. April 2017 - 4 B 5.16 [ECLI:DE:BVerwG:2017:060417B4B5.16.0] - juris Rn. 14 m.w.N.). Diese Anforderungen sind hier erfüllt. Die Prognose beschreibt ein tragfähiges, voraussichtlich dauerhaftes Verkehrsszenario.

89

(1) Der Gutachter und die Planfeststellungsbehörde haben - übereinstimmend mit den Vorgaben der Rechtsprechung - nicht die Vollauslastung der Strecke zugrunde gelegt, sondern deren voraussehbare Durchschnittsbelastung, wie sie auf der Grundlage eines realistischen Betriebsablaufs zu erwarten ist (vgl. PFB S. 233). Die dabei getroffenen Annahmen der Beigeladenen (Erläuterungsbericht, Anlage 10.1.1, Teil 1, S. 16) sind methodengerecht erarbeitet worden. Ihnen liegen die Netzverknüpfungen, Destinationen und Betriebsrichtungen zugrunde, die sich infolge des Ausbaus der Dresdner Bahn ergeben werden (PFB Anlage 10.1.2). Das Zugmengengerüst folgt aus dem Bundesverkehrswegeplan 2003 mit dem Prognosejahr 2015; es wurde im Jahr 2010 auf der Basis der Verkehrsprognose 2025 überprüft und mit den Bestellungen der Länder Berlin und Brandenburg abgeglichen (PFB S. 234 und Anlage 10.1.2). Seit 2014 standen mit der Verkehrsprognose 2030 des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) - abrufbar von www.bmvi.de - zwar aktuellere Zahlen zur Verfügung (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 166); es ist jedoch nicht dargetan und auch nicht ersichtlich, dass diese im Zeitpunkt der Planfeststellung so aufbereitet waren, dass sich aus ihnen belastbare Aussagen über lokale Verkehrsströme hätten ableiten lassen. Aus der Kombination der prognostizierten Zugzahlen mit den Geschwindigkeiten und Zuglängen sind die Taktungen errechnet worden, die letztlich das Gesamtverkehrsaufkommen auf dem Streckenabschnitt ausmachen werden. Insgesamt ist danach plausibel, dass das künftige Verkehrsgeschehen in Lichtenrade ganz überwiegend durch den Öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV mit Regionalexpress, Flughafenshuttle und S-Bahn) bestimmt wird, nämlich zu über 90% im nördlichen Streckenabschnitt und zu ca. 86% im südlichen Abschnitt. Für den Fernverkehr prognostizieren die Beigeladenen eine stündliche ICE-Verbindung in der Relation Berlin-Dresden (entspricht 32 Zügen in 24 Stunden) und im Zweistundentakt eine neue IC-Verbindung nach Cottbus, die unter anderem über Berlin Hauptbahnhof und den Flughafen BER führt (zusätzlich 16 Fernzüge in 24 Stunden), insgesamt also 48 Züge. Der prognostizierte Einstundentakt des ICE entspricht dem üblichen Angebot des Fernverkehrs zwischen den größeren deutschen Städten und Verkehrsknotenpunkten. In der Summe ergeben sich im nördlichen Abschnitt der Strecke in beiden Richtungen täglich 613 Züge bis Lichtenrade (ÖPNV 557, Personenfern- und Güterverkehr 56) und 391 Züge bis Mahlow, da ab dem S-Bahnhof Lichtenrade statt 358 nur noch 136 S-Bahnen verkehren sollen (siehe PFB S. 82 f.).

90

(2) Durchgreifende Einwände gegen diese Berechnungen sind von den Klägern weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Dass die Prognose 2015 von geringfügig höheren Zugzahlen (+20 ICE, +8 S-Bahnen, +8 Güterzügen, hingegen -15 Regionalbahnen, insgesamt +21 Züge) ausging, weckt keine Bedenken. Es zeigt im Gegenteil die relative Stabilität des Verkehrsaufkommens über die Zeit. Dass sich in einem deutlich späteren Prognosezeitpunkt gewisse Verschiebungen ergeben, liegt in der Natur der Sache.

91

(3) Die Kläger meinen, es seien konkret absehbare Entwicklungen vernachlässigt worden, die eine wesentliche Steigerung namentlich des Güterverkehrs, aber auch des Regionalverkehrs befürchten ließen (Beweisanträge zu 1 und 2). Diese Befürchtungen sind, so verständlich sie im Angesicht von Prognosen erscheinen mögen, im Ergebnis nicht geeignet, die Betriebsprognose zu erschüttern.

92

Das Aufkommen an S-Bahnen, Regionalbahnen und ICE steht aufgrund der in sich schlüssigen Taktungen fest. Greifbare Anhaltspunkte, dass es in diesen Bereichen zu Steigerungen kommen könnte, fehlen. Die Beklagte und die Beigeladenen haben in der mündlichen Verhandlung plausibel erläutert, dass die vorgesehenen Verbindungen im S- und Regionalbahnverkehr den Bedarf abdecken und eine dichtere Vertaktung der S-Bahnen, die die Kläger aufgrund eines angenommenen zusätzlichen Bedarfs an Flughafenverbindungen vermuten, nicht erforderlich ist und aus eisenbahnbetrieblichen Gründen auch nicht angestrebt wird. Zwar wäre ein 10-Minuten-Takt auch auf dem eingleisigen Teilabschnitt der S-Bahn-Strecke technisch machbar; es käme aber zu Beeinträchtigungen der Betriebsabläufe, insbesondere zu Verspätungen im Nord-Süd-Tunnel unter dem Zentrum Berlins. Eine noch engere Vertaktung unter Inkaufnahme von Verspätungen wäre auch nicht erforderlich, weil die beiden RE-Strecken ebenfalls den Flughafen anfahren und den Großteil der Fluggäste voraussichtlich auch dann noch aufnehmen werden, wenn der Flughafen Berlin-Brandenburg in Betrieb genommen wird.

93

Im Segment des Güterverkehrs ist zusätzlicher Verkehr auf der Dresdner Bahn ebenfalls nicht zu erwarten. Der Güterverkehr im Berliner Raum wird im Wesentlichen auf dem Berliner Außenring abgewickelt (PFB S. 235 f.). Es spricht nichts dafür, dass sich hieran etwas ändern wird. Die Beklagte und die Beigeladenen haben in der mündlichen Verhandlung plausibel erläutert, dass dem Güterverkehr aufgrund der Netzstrukturen in Berlin kaum attraktive Fahrwege zur Verfügung stehen (ebenso PFB S. 236). Die Annahme der Kläger, der nach Süden strebende Güterverkehr werde künftig die kürzere Strecke über die Dresdner Bahn nehmen (Beweisantrag zu 2), hat keine Grundlage. Da Güterverkehr im Nord-Süd-Tunnel ausgeschlossen ist, erforderte die Anbindung der nördlichen Güterstrecken beträchtliche Ausbaumaßnahmen, insbesondere in Gestalt von Streckenelektrifizierungen, in Berlin und auf dem Berliner Südring. Derartige Ausbauabsichten der Beigeladenen, die die Kläger unter Berufung auf Presseberichte für konkret halten (Beweisantrag zu 1), haben nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung auf absehbare Zeit keine Realisierungschancen. Im Übrigen ist der für die Elektrifizierung erforderliche Antrag auf Planfeststellung erst im Dezember 2016 - also nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Planfeststellung - gestellt worden.

94

Ihre gegenteiligen Befürchtungen können die Kläger schließlich nicht mit den Projekten stützen, die in dem Verkehrsinvestitionsbericht für das Berichtsjahr 2015 (Unterrichtung durch die Bundesregierung vom 15. Juni 2017, BT-Drs. 18/12764) aufgeführt sind. Dieser Bericht ist unergiebig, was den im vorliegenden Zusammenhang allein interessierenden Ausbau des Berliner Südrings angeht. Soweit sich die Kläger auf B.4.28 berufen, betrifft das dort (a.a.O. S. 105) genannte Projekt Nr. 27b (Ausbau des Knotens Berlin) den Wiederaufbau und die Elektrifizierung des nördlichen Abschnitts des Berliner Innenrings, der bereits jetzt für Güterverkehr genutzt wird.

95

7. Der gebotene Schutz vor betriebsbedingten Erschütterungen ist gewährleistet. Weitergehenden Schutz können die Kläger nicht beanspruchen.

96

a) Ansprüche auf Erschütterungsschutz beurteilen sich nach § 74 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVfG. Das Schutzregime der §§ 41 ff. BImSchG gilt nur für Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche (stRspr; vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 2016 - 3 A 5.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 75 Rn. 79 m.w.N.). Schutzvorkehrungen sind gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG anzuordnen, wenn dies zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich ist. Die damit angesprochene Zumutbarkeitsschwelle ist bei Einwirkungen durch Erschütterungen nicht durch gesetzliche Grenzwerte festgelegt, sondern nach den Verhältnissen im Einzelfall zu bestimmen. Maßgeblich sind Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Nutzung am jeweiligen Immissionsort. Diese richten sich nach der Art des Gebietes und den weiteren konkreten tatsächlichen Verhältnissen (BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2010 - 7 A 14.09 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 81 Rn. 27).

97

Die Planfeststellungsbehörde hat zur Berücksichtigung der Vorbelastung des betroffenen Gebiets durch Erschütterungen aus Eisenbahnverkehr die vorhabenbedingten Erschütterungen erst dann als unzumutbar angesehen, wenn die Beurteilungsschwingstärken größer als die um den Faktor 1,5 angehobenen Anhaltswerte nach Tabelle 1 der DIN 4150-2 sind. Das ist unter den hier gegebenen Umständen im Ergebnis nicht zu beanstanden.

98

b) Die Bewertung der Zumutbarkeit der zu erwartenden Erschütterungen darf beim Ausbau einer Strecke an die tatsächliche oder plangegebene Vorbelastung anknüpfen, jedenfalls sofern diese nicht die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle übersteigt. Denn die immissionsschutzrechtliche Situation ist entscheidend durch den vorhandenen Bestand geprägt. Aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme folgen besondere Duldungspflichten, sodass Erschütterungen, die sich im Rahmen einer plangegebenen oder tatsächlichen Vorbelastung halten, deswegen - jedenfalls in aller Regel - hinzunehmen sind. Das gilt auch, wenn die Vorbelastung die Anhaltswerte der DIN 4150-2 übersteigt. Ein Anspruch auf eine Verbesserung der vorhandenen Situation im Sinne einer Erschütterungssanierung besteht im Gegensatz zum Lärmschutz, wo dieser im Anwendungsbereich der 16. BImSchV gewährleistet ist, nicht. Maßnahmen zum Erschütterungsschutz können nur dann verlangt werden, wenn die Erschütterungsbelastung sich durch den Ausbau in beachtlicher Weise erhöht und gerade in dieser Erhöhung eine zusätzliche, dem Betroffenen billigerweise nicht mehr zumutbare Belastung liegt (stRspr, BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2010 - 7 A 14.09 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 81 Rn. 28).

99

c) Die Kläger müssen sich hier eine - über den tatsächlichen Betrieb bei Planfeststellung hinausgehende - plangegebene Vorbelastung durch eine zweigleisige Strecke für den S-Bahn- und sonstigen Personennahverkehr sowie Güter- und Fernverkehr entgegenhalten lassen. Der kriegsfolgenbedingte Abbau eines Gleises im Jahr 1946 und die Einstellung des Bahnbetriebs zwischen Lichtenrade und Mahlow nach dem Bau der Mauer führen nicht dazu, dass der bis Kriegsende abgewickelte Bahnbetrieb außer Ansatz bleiben müsste. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Gestaltungswirkung früherer Planungen nicht schon dadurch beseitigt worden, dass die Besatzungsmacht die Demontage des Gleises angeordnet hat (BVerwG, Urteil vom 31. August 1995 - 7 A 19.94 - BVerwGE 99, 166). Etwas anderes gilt nur, wenn eine Bahnanlage ihre Zweckbestimmung durch ausdrücklichen Hoheitsakt oder durch eine zur Funktionslosigkeit führende Änderung der tatsächlichen Verhältnisse verloren hatte. Letzteres ist nur der Fall, wenn die Verhältnisse wegen der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht hatten, der die Wiederaufnahme des Streckenbetriebs auf unabsehbare Zeit ausschloss (BVerwG, Urteil vom 31. August 1995 - 7 A 19.94 - a.a.O. <169 f.>). Das ist hier nicht der Fall. Entwidmet wurde die Strecke nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin nicht (OVG Berlin, Beschluss vom 8. Februar 1991 - 2 S 18.90 [ECLI:DE:OVGBEBB:1991:0208.2S18.90.0A] - juris Rn. 46 ff.).

100

d) Will eine Planfeststellungsbehörde ihre Festsetzung der Zumutbarkeitsschwelle an der tatsächlichen oder plangegebenen Vorbelastung orientieren, ist sie allerdings grundsätzlich gehalten, diese zu ermitteln und im Planfeststellungsbeschluss festzulegen, damit im Interesse der Immissionsbetroffenen die Grenzen der Duldungspflicht bestimmt und Schutzvorkehrungen gegen darüber hinausgehende Belastungen angeordnet werden können (BVerwG, Urteil vom 21. November 2013 - 7 A 28.12 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 71 Rn. 45 zur Lärmbetroffenheit). Dazu muss die Planfeststellungsbehörde ein möglichst realitätsnahes Betriebsprogramm ermitteln, mit dem die Streckenanlieger bei wertender Betrachtung für den Fall rechnen müssen, dass die Strecke nicht ausgebaut würde.

101

e) Ein solches Betriebsprogramm zu fixieren hat sich die Planfeststellungsbehörde hier außerstande gesehen (PFB S. 262 ff.). Sie hat im Ergebnis nachvollziehbar angenommen, dass das realistische Betriebsszenario (der planerische Null-Fall) weder mit der heute technisch möglichen Maximalauslastung gleichzusetzen ist noch mit dem prognostizierten Betriebsprogramm, das auf vier bzw. drei Gleisen ausgelegt ist und auf der Bestandsstrecke nicht abgewickelt werden könnte (PFB S. 262). Andererseits ist es nicht von vornherein undenkbar, ein nach Zugzahlen, -arten und -geschwindigkeiten heute realistisches Betriebsszenario zu entwickeln. Das haben die Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung eindrücklich dokumentiert, indem sie die im Fahrplan von 1939 aufgeführten Züge in ein Betriebsprogramm umgerechnet haben. Eine solche Betrachtung spiegelt jedoch nur die historischen Verhältnisse belastbar wieder. Eine schlichte Fortschreibung würde den Verhältnissen nicht gerecht, weil nach Kriegsende massive Änderungen der Netzstrukturen im Berliner Raum stattgefunden haben (dazu BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2001 - 11 A 6.00 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 56 S. 28 ff.). Der Planfeststellungsbeschluss (S. 262) hebt insoweit hervor, dass der historische Anhalter Bahnhof, der bis 1952 als Ausgangspunkt für Zugverkehr zwischen Berlin und Dresden diente, als Fernbahnhof nicht mehr existiert und mit dem Bau des Nord-Süd-Tunnels im Berliner Stadtzentrum neue Netzverknüpfungen geschaffen wurden. Dies hat etwa dazu geführt, dass - wie oben gezeigt - die Strecke für den früher zahlreichen Güterverkehr unattraktiv geworden ist.

102

f) Ob diese Schwierigkeiten bei der Ermittlung eines realistischen Betriebsszenarios es rechtfertigten, zur Ermittlung der plangegebenen Vorbelastung ein plausibles Zugmengengerüst für die zweigleisige Mischverkehrsstrecke nicht jedenfalls abzuschätzen, kann offenbleiben. Bereits eine grobe Abschätzung der plangegebenen Vorbelastung ausgehend von der ermittelten Erschütterungsbelastung durch den tatsächlichen S-Bahn- und Güterverkehr im Jahr 1997 ergibt, dass die pauschale Erhöhung der Anhaltswerte der Tabelle 1 der DIN 4150-2 um den Faktor 1,5 auf der sicheren Seite liegt und nicht zulasten der Kläger geht.

103

aa) Die Festlegung der Zumutbarkeitsschwelle ist gerichtlich uneingeschränkt überprüfbar; der Planfeststellungsbehörde kommt insofern kein Spielraum zu. Die Festlegung erfolgt im Wege einer Güterabwägung, die die konkreten Gegebenheiten der emittierenden wie der immissionsbetroffenen Nutzung in Betracht zu ziehen hat, also auch die berechtigten Belange der Beigeladenen einstellen muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991 - 4 C 51.89 - BVerwGE 87, 332 <362>).

104

Zur Beurteilung der Zumutbarkeit von Erschütterungen darf, wie geschehen, auf die Beurteilungs- bzw. Anhaltswerte der DIN 4150 (Erschütterungen im Bauwesen, Teil 2: Einwirkungen auf Menschen in Gebäuden, und Teil 3: Einwirkungen auf bauliche Anlagen) zurückgegriffen werden. Die Tauglichkeit dieses Regelwerks zur Beurteilung von Erschütterungen ist in Fachkreisen und in der Rechtsprechung allgemein anerkannt. Bei Einhaltung der empfohlenen Werte kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass erhebliche Belästigungen von Menschen und Schäden an Gebäuden durch Erschütterungen in Wohnungen und vergleichbar genutzten Räumen vermieden werden (BVerwG, Urteil vom 8. September 2016 - 3 A 5.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 75 Rn. 80 m.w.N.).

105

bb) Aus der DIN 4150-2 lässt sich für die vorliegende Fallgestaltung kein von vornherein klares Ergebnis ableiten. Die Anhaltswerte der Tabelle 1 (zu Nr. 6.3) der DIN 4150-2 gelten unmittelbar nur für "neu zu bauende Strecken" im Schienenverkehr (a.a.O. Nr. 6.5.3.4 Buchst. a Satz 1). Um eine neue Strecke handelt es sich bei dem Planfeststellungsabschnitt aber auch mit Blick auf die anzubauenden Fernbahngleise weder im Sinne der DIN-Norm noch nach allgemeinen Grundsätzen. Es leuchtet ohne Weiteres ein, wenn Nr. 6.5.3.4 Buchst. a Satz 2 der DIN 4150-2 nur solche Strecken als "neu" bewertet, deren Trasse so weit von bestehenden Trassen entfernt verläuft, dass deren Erschütterungseinwirkungen vernachlässigt werden können. Das ist bei dem planfestgestellten Vorhaben wegen der engen Parallelführung der künftigen Fernbahngleise mit den S-Bahn-Gleisen nicht der Fall. Für Mischverkehre auf einer auszubauenden Strecke, denen die Bestandsstrecke bisher gedient hat und weiter dienen soll, spricht die DIN 4150-2 ihren Anhaltswerten selbst die Eignung als Zumutbarkeitskriterien ab (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2000 - 11 A 42.97 - BVerwGE 110, 370 <392>). Die Grenze der Zumutbarkeit muss daher im Einzelfall festgestellt werden (so auch Nr. 6.5.3.4 Buchst. c Satz 4 der DIN 4150-2).

106

cc) Die Einhaltung der Werte für Neubauvorhaben nach Tabelle 1 der DIN 4150-2 können die Kläger danach nicht verlangen. Ein Vorhabenträger muss nur für solche Beeinträchtigungen einstehen, die seinem Vorhaben zurechenbar sind. Werden die Anhaltswerte bereits ohne das Vorhaben überschritten, muss er anlässlich der Änderung grundsätzlich nicht für deren Einhaltung sorgen; denn dies würde auf eine Pflicht zur Sanierung der vom Vorhaben nicht verursachten Einwirkungen hinauslaufen. Daher sind Anwohnern bei einer Vorbelastung, die nicht die Schwelle zur Eigentums- bzw. Gesundheitsverletzung überschreitet, Erschütterungen im Umfang der plangegebenen Vorbelastung plus 25% zumutbar. Diese Erhöhung rechtfertigt sich daraus, dass eine Zusatzbelastung von 25% nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis die Wahrnehmungsschwelle für Unterschiede der Beurteilungsschwingstärke darstellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2010 - 7 A 14.09 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 81 Rn. 31 ff.).

107

dd) Die Berechtigung zur Anhebung der Neubauwerte um den Faktor 1,5 als Schwelle der Zumutbarkeit ergibt sich nicht schon aus der Regelung in Nr. 6.5.3.3 der DIN 4150-2, wonach für oberirdische Schienenwege des ÖPNV die um den Faktor 1,5 angehobenen Au- und Ar-Werte nach Tabelle 1 gelten. Die Heranziehung dieser Regelung würde den prognostizierten Mischverkehr entgegen der Zielsetzung der DIN-Norm privilegieren. Ausweislich der Erläuterung in Anhang D (S. 20 zu Nr. 6.5.3.3) der DIN 4150-2 geht die generelle Anhebung der Anhaltswerte für ÖPNV auf Wirkungsstudien zurück, nach denen Erschütterungseinwirkungen durch Personennahverkehr als deutlich weniger störend eingestuft werden als entsprechende Einwirkungen des Fernverkehrs.

108

ee) Die Erhöhung der Anhaltswerte um den Faktor 1,5 ist aber auf der Grundlage einer groben Abschätzung der Vorbelastung gerechtfertigt. Die Beigeladenen können sich darauf berufen, dass die Bestandsstrecke ihre historische Prägung als Hauptstrecke für Nah-, Güter- und Fernverkehrszüge nicht verloren hat. Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Nah-, Güter- und Fernverkehr auf der Bestandsstrecke in dem zu berücksichtigenden Umfang jedenfalls in einem gleisnahen Korridor Erschütterungen auslösen würde, die deutlich oberhalb der Anhaltswerte der Tabelle 1 liegen. Dieser Erfahrungssatz für bestehende Trassen (vgl. Nr. 6.5.3.4 Buchst. c Satz 1 der DIN 4150-2) ist durch die in der mündlichen Verhandlung erörterten Messungen schon der tatsächlichen (Vor)Belastung vollauf bestätigt worden. Die erschütterungstechnische Untersuchung der Beigeladenen aus dem Jahr 1997, die den ursprünglichen Planunterlagen beigefügt worden war, bezog sich auf einen tatsächlichen Verkehr, der quantitativ wie qualitativ weit hinter der Vorbelastung durch den Mischverkehr der historisch bestehenden zweigleisigen Eisenbahnhauptstrecke Berlin-Dresden zurückblieb (S-Bahnen: 186 am Tag, 28 in der Nacht; Güterzüge: 7 am Tag, 2 in der Nacht). Bereits der tatsächliche Verkehr rief Erschütterungen hervor, die an 17 von 31 exemplarisch untersuchten Gebäuden die einfachen und teilweise sogar die auf das 1,5-fache angehobenen Ar-Werte überschritten. Hieraus ergibt sich, wie der Gutachter der Beigeladenen erläutert hat, dass der angehobene Ar-Wert nach dem Eisenbahnverkehr des Jahres 1997 oft erreicht oder fast erreicht wird, wenn man den gemessenen Überschreitungen der Neubauwerte den oben erläuterten Wahrnehmungsschwellenwert von 25% hinzurechnet. Auch dies belegt, dass die Kläger und gleichartig Betroffene aufgrund der festgelegten Zumutbarkeitsschwelle keinesfalls mehr zu gewärtigen haben werden, als aus einem Mischverkehr auf der plangegebenen zweigleisigen Hauptstrecke.

109

ff) Die um 50% angehobenen Anhaltswerte der Tabelle 1 sind nicht bedenklich. Von der verfassungsrechtlichen Grenze der Zumutbarkeit - also gesundheitsbedenklichen oder substanzschädigenden Werten - sind sie weit entfernt. Das zeigt der bereits angesprochene Umstand, dass die Anhebung der Ar-Neubauwerte um 25% als nicht wahrnehmbar zu betrachten ist und die 1,5-fachen Neubauwerte bei reinem ÖPNV-Betrieb für ohne Weiteres zumutbar erachtet werden.

110

g) Das Schutzkonzept des Planfeststellungsbeschlusses gegen Erschütterungsbelastungen aus dem prognostizierten Eisenbahnbetrieb entspricht dem von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich akzeptierten Vorgehen.

111

aa) Als aktive Erschütterungsschutzmaßnahmen im Sinne des § 41 Abs. 1 BImSchG hat die Planfeststellungsbehörde Vorgaben für die Gleisbettung gemacht. Auf gesamter Länge der neuen Fernbahngleise hat sie einen Betontrog mit Schotterfüllung auf Unterschottermatte (BOS) festgesetzt. Die gleiche Maßnahme ist - zusätzlich und abweichend vom Antrag der Beigeladenen - für die S-Bahngleise von km 13,1 + 20 bis km 13,6 + 17 (also bis zum Bahnhof Lichtenrade) vorgesehen, um einen Schutz der Wohnhausgrundstücke entlang der S-Bahn-Seite der Trasse zu gewährleisten. In den übrigen Abschnitten der S-Bahn-Gleise ist der Einbau besohlter Schwellen vorgesehen (PFB A.4.8.4, S. 57, S. 86).

112

bb) Da es nach den gutachterlichen Berechnungen ungeachtet der schon beim Ausbau der Strecke vorzunehmenden Schutzmaßnahmen zu Überschreitungen der festgelegten Zumutbarkeitsschwelle kommen wird, hat die Planfeststellungsbehörde Nachermittlungen angeordnet und abhängig von deren Ergebnis weitere Schutzansprüche zuerkannt. Dazu soll sechs Monate nach Betriebsaufnahme auf der Grundlage einer so genannten Basismessung ein Korridor ermittelt werden, in dem die um den Faktor 1,5 angehobenen Anhaltswerte der Beurteilungsschwingstärke Ar überschritten werden können. Für alle Gebäude innerhalb dieses Korridors sind ebenfalls Erschütterungsmessungen, so genannte Zusatzmessungen, durchzuführen. Ergeben sich auf der Grundlage der Basis- und Zusatzmessungen in Wohngebäuden Beurteilungsschwingstärken, die die um den Faktor 1,5 angehobenen Anhaltswerte überschreiten, besteht Anspruch auf Erschütterungsschutz. Die Entscheidung über weitere Schutzmaßnahmen am Ausbreitungsweg und/oder am Gebäude oder die Festsetzung einer Entschädigung dem Grunde nach hat sich die Planfeststellungsbehörde vorbehalten (PFB A.4.8.4, S. 57 - 59).

113

Dieses Vorgehen stößt nicht auf rechtliche Bedenken. Die Planfeststellungsbehörde geht mit der gutachterlichen Einschätzung davon aus, dass sich die Erschütterungswirkungen des künftigen Eisenbahnverkehrs nicht exakt genug vorherberechnen lassen, um auf dieser Grundlage schon bei Planfeststellung eine abschließende Entscheidung über Schutzansprüche treffen zu können. Dieser Entscheidungsvorbehalt für Schutzmaßnahmen am Ausbreitungsweg und/oder am zu schützenden Gebäude, hilfsweise für Entschädigung ist gemäß § 74 Abs. 3 VwVfG nicht zu beanstanden. Er trägt den bei Erschütterungen aus Schienenverkehr typischen sachbedingten Unwägbarkeiten Rechnung, derentwegen die genaue Höhe der innerhalb von Gebäuden auftretenden Erschütterungen verlässlich erst auf der Grundlage von Messungen nach Aufnahme des Betriebs ermittelt werden kann. Das ist von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seit langem anerkannt (BVerwG, Urteil vom 8. September 2016 - 3 A 5.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 75 Rn. 82 m.w.N.).

114

cc) Die Angriffe der Kläger gegen die erschütterungstechnische Untersuchung vom 12. November 2012 (ETU - PFB Anlage 10.2) dringen nicht durch.

115

(1) Soweit die Kläger mit dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zu 6 rügen, die ETU sei auch für einen "anerkannten Experten ... nicht einmal überschlägig nachzustellen bzw. nachzurechnen", gehen sie wiederum von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab aus. Die ETU ist ein Prognosegutachten, das die nach dem Betriebsprogramm 2025 zu erwartenden Erschütterungseinwirkungen bestimmen will. Wie andere Immissionsprognosen auch ist die ETU, wie unter C. 6. g) bb) zur schalltechnischen Untersuchung ausgeführt, nur darauf zu prüfen, ob sie mit den zur Zeit ihrer Erstellung verfügbaren Erkenntnismitteln unter Beachtung der für sie erheblichen Umstände sachgerecht erarbeitet worden ist. Das erfordert insbesondere die Darstellung der Eingangsdaten (Zugmengen, Zugarten, erschütterungstechnisch relevante Betriebsparameter, Ausbreitungsbedingungen usw.), der Berechnungsmethodik und der berechneten Kenngrößen. Dem wird die ETU gerecht. Sie nennt namentlich die Bearbeitungsgrundlagen (Teil 1, S. 9), die Arbeitsgrundsätze und beschreibt die Vorgehensweise (Teil 1, Abschnitt 6, S. 26 ff.). Die vom Sachbeistand der Kläger Dr. B. im itap-Gutachten vom 7. April 2016 vermissten Eingangsdaten (Quellspektren usw.) sind nach Erläuterung des Gutachters in der mündlichen Verhandlung in den Planunterlagen vorhanden. Schließlich ist die ETU auch einleuchtend begründet. Es wäre überzogen, darüber hinaus zu verlangen, dass ein Beteiligter, das Gericht oder auch ein Sachverständiger anhand der planfestgestellten Unterlagen jeden Schritt der Begutachtung selbst vornehmen oder die Ergebnisse nachrechnen kann. Sind die genannten Anforderungen an ein Gutachten erfüllt, können die Ergebnisse verwertet werden, soweit nicht konkrete Fehler aufgezeigt werden. Solche sind hier nicht ersichtlich.

116

(2) Die weitere Kritik im itap-Gutachten vom 7. April 2016 überzeugt ebenfalls nicht. Soweit dort bemängelt wird, dass nicht geprüft worden sei, ob die Überschreitungen des oberen Anhaltswerts Ao als "selten" zu bewerten seien, wird übersehen, dass der Planfeststellungsbeschluss (S. 258) unter Berufung auf die Erläuterungen zu Abschnitt 6.5.3.5 im Anhang D der DIN 4150-2 (S. 20) hervorhebt, dass für Schienenverkehr von einer scharfen Obergrenze durch einen Anhaltswert Ao abgesehen wurde. Es ist folgerichtig, dass die Planfeststellungsbehörde auf die Prüfung von seltenen Überschreitungen, wie sie in Abschnitt 6.5.1 der DIN 4150-2 definiert sind, verzichtet hat und hierauf nicht abstellt.

117

(3) Die weitere Kritik verkennt den begrenzten Zweck des Gutachtens. Es soll lediglich Grundlage zur Festlegung des Korridors der Basismessungen sein, um die Grenzabstände von Einwirkungsbereichen zu ermitteln, in denen die festgesetzten Zumutbarkeits-Anhaltswerte eingehalten werden (PFB S. 58). Darüber hinaus ist die Erschütterungsprognose relevant nur für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit von (aktiven) Schutzmaßnahmen am Gleis im Sinne des § 41 BImSchG und für die Abwägung (siehe dazu noch dd). Dafür ist es nicht erforderlich, die Beiträge der einzelnen Zugarten zur Erschütterungsbelastung zu ermitteln. Die Anteile der Zugarten, die sich aus dem der Prognose zugrunde gelegten Betriebsprogramm 2025 ergeben, haben nur Bedeutung als Teil der Eingangsdaten zur Ermittlung für die auf die Grundstücke voraussichtlich einwirkenden Gesamterschütterungen. Schließlich gehen weder die ETU noch der Planfeststellungsbeschluss davon aus, dass der ÖPNV bzw. S-Bahn-Verkehr 90% der Erschütterungen auslöst, sondern dass er 90% des gesamten künftigen Eisenbahnverkehrs ausmachen wird (PFB S. 265 zu Buchst. e).

118

dd) Anspruch auf weitergehenden Erschütterungsschutz an den S-Bahn-Gleisen durch Schottertrog mit Unterschottermatten haben die Kläger nicht. § 41 Abs. 2 BImSchG erlaubt, von so genannten aktiven Schutzmaßnahmen im Sinne von Absatz 1 der Norm, namentlich also von Maßnahmen am Gleis, abzusehen, soweit die Kosten außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen. Die Verhältnismäßigkeit weitergehender Schutzmaßnahmen in diesem Sinne hat die Planfeststellungsbehörde auf der Grundlage der Variantenuntersuchungen des Gutachters der Beigeladenen vom 12. November 2012 und 18. März 2015 (PFB Anlage 10.2) wegen des ungünstigen Verhältnisses von Mehrkosten zu zusätzlich gelösten Schutzfällen (dazu vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 2016 - 3 A 5.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 75 Rn. 60 m.w.N.) ohne Rechtsfehler verneint (PFB S. 275). Die Verwertbarkeit der gutachterlichen Untersuchungen unterliegt keinen Bedenken. Ausgehend von den der Betrachtung zugrunde gelegten (erhöhten) Anhaltswerten sind Fehler insoweit weder geltend gemacht noch ersichtlich.

119

8. Der Planfeststellungsbeschluss trägt den Anforderungen des materiellen Natur- und Umweltschutzes Rechnung.

120

a) Der zentrale Einwand, die Antragsunterlagen für die naturschutzrechtliche Prüfung seien defizitär, trifft nicht zu.

121

aa) Die Methodik der Bestandserfassungen ist nicht zu bemängeln.

122

(1) Die anzuwendende Methodik ist nicht normativ vorgegeben; sie hängt maßgebend von den naturräumlichen Gegebenheiten des Einzelfalls ab (BVerwG, Urteile vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 129 und vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 59 ff.). Das Gericht hat Bestandserfassungen und Auswirkungsprognosen hinzunehmen, sofern sie im konkreten Einzelfall naturschutzfachlich vertretbar sind und nicht auf einem Bewertungsverfahren beruhen, das sich als unzulänglich oder gar ungeeignet erweist, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden (BVerwG, Urteile vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - a.a.O. Rn. 65 und vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 [ECLI:DE:BVerwG:2016:210116U4A5.14.0] - BVerwGE 154, 73 Rn. 146). Inwiefern hier die Bestandserfassungen naturschutzfachlich unvertretbar sein sollten, haben die Kläger nicht substanziiert - auch nicht nach Erörterung in der mündlichen Verhandlung - dargelegt. Das gilt auch für die Methodik der Fledermauserfassung. Sie ist entgegen der Auffassung des Sachbeistands der Kläger klar erläutert (Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag - AFB S. 14 f.). Warum Sichtbeobachtungen und das Verhören mithilfe von Detektoren nicht geeignet sein sollten, um Sommer- und Winterquartiere auf den in Anspruch zu nehmenden Flächen und im S-Bahnhof Lichtenrade auszuschließen, ist nicht ersichtlich. Die Bäume im Eingriffsbereich sind im Jahr 2013 auf Höhlen, die für Fledermausbesatz geeignet sind, untersucht worden. Dass Fledermäuse - wie im AFB S. 26 dargelegt - durch die anlagebedingten Flächenverluste nicht betroffen sind, weil Sommer- oder Winterquartiere nicht in Anspruch genommen werden, ist nachvollziehbar; es ist das Ergebnis der Untersuchungen. Die vom Sachbeistand der Kläger im Artenschutzrechtlichen Fachbeitrag vermisste Kontrolle von Bäumen vor Fällung auf Höhlen und Fledermausbesatz ist im Planfeststellungsbeschluss unter A.4.5.3 Buchst. a) vorgesehen.

123

bb) Die Datengrundlage ist hinreichend aktuell.

124

(1) Zu Unrecht gehen die Kläger mit der gutachterlichen Stellungnahme der ... GmbH vom 8. April 2016 davon aus, dass die Bestandserhebungen allein deshalb unverwertbar seien, weil sie bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses länger als fünf Jahre zurücklagen. Vorhabenträger und Planfeststellungsbehörde müssen allerdings prüfen, ob ältere Erkenntnisse im Zeitpunkt der Planfeststellung noch belastbar und aussagekräftig sind. Ob und in welchem Umfang neu kartiert werden muss, hängt von den Ergebnissen dieser Überprüfung ab (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 63, 68, 91, vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 149 und vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 - BVerwGE 156, 215 Rn. 45 f.).

125

(2) Ausgehend hiervon ist gegen die Aktualität der Bestandserfassungen nichts zu erinnern. Die vor Planeinreichung durchgeführten Bestandsaufnahmen (Amphibien, Reptilien, Avifauna und Vegetation) stammen aus den Jahren 1992 bis 1996 (PFB Anlage 8.3). Aus Anlass der ersten Planänderung wurden im Jahr 2005 Streckenbegehungen und vergleichende Bestandsaufnahmen durchgeführt (PFB Anlage 9, LBP S. 14 ff.). Diese ergaben, dass die Bestandssituation hinsichtlich der Vegetation und der Fauna im Wesentlichen unverändert war (LBP S. 14, 24). Amphibien und Reptilien (Zauneidechsen) wurden im Untersuchungsraum nicht festgestellt, nur unmittelbar nördlich und südlich angrenzend in den Planfeststellungsabschnitten I und III (LBP S. 21 f.). Der Untersuchungsraum (PFA II) wurde wegen der Verschattung als für Reptilien nicht geeignet eingestuft.

126

Einen artenschutzrechtlichen Fachbeitrag haben die Vorhabenträger unter dem 18. November 2010 vorgelegt (LBP Anhang 2). Hierfür wurde von Ende Juni bis August 2010 erstmals eine Fledermauserfassung durchgeführt (PFB Anlage 9.2, Anhang 2 zum LBP; AFB S. 14). Der Bestand an Vögeln wurde ebenfalls neu erfasst (AFB S. 16). Für Amphibien/Reptilien (Glattnattern, Zauneidechsen und Anhang IV-Amphibien) fand sich erneut kein Nachweis. Aufbauend auf der vorhandenen Bestandserfassung wurden schließlich für die Umweltverträglichkeitsstudie vom 6. Mai 2015 (PFB Anlage 8.1) im Sommer und Herbst 2013 Gebietsbegehungen durchgeführt. Da sich die Biotopausstattung und die Habitatstrukturen nicht wesentlich verändert hatten, wurde von einer nochmaligen Untersuchung der Vögel, Fledermäuse und Amphibien abgesehen. Auf den für das Vorhaben benötigten Flächen wurden jedoch Nester und Bruthöhlen aller Vögel sowie Höhlungen und Spalten für Fledermäuse kartiert. Unverändert wurde kein Nachweis für ein Vorkommen von Zauneidechsen gefunden (UVS S. 51). Für den faunistischen Fachbericht vom 11. September 2014 "Chiropteren- und Avifauna" (Abriss S-Bahnhof Lichtenrade) fand am 1. September 2014 eine Begehung statt. Hiernach wurden im Jahr 2010 alle relevanten Tierarten erstmals (Fledermäuse) oder grundlegend neu (Vögel, Zauneidechse) untersucht. Bei Feststellung des Plans waren die Daten mithin nur unwesentlich älter als fünf Jahre. Die Biotoperfassung im Jahr 2013 hatte keine Anhaltspunkte für Veränderungen ergeben. Die im Bestand dynamische Zauneidechse und Konfliktschwerpunkte (Baumhöhlen im Bereich der neuen Trasse, Abriss S-Bahnhof Lichtenrade) wurden in den Jahren 2013 und 2014 nochmals untersucht. Ein Ermittlungsdefizit ist insoweit nicht zu erkennen.

127

b) Dass unter den Voraussetzungen des § 74 Abs. 3 VwVfG auch die Festsetzung weiterer Kompensationsmaßnahmen einer ergänzenden Entscheidung vorbehalten werden darf, ist in der Rechtsprechung anerkannt (BVerwG, Urteile vom 12. Dezember 1996 - 4 C 29.94 - BVerwGE 102, 331 <346 f.> und vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 155; Beschluss vom 30. August 1994 - 4 B 105.94 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 31 S. 9 ff.). Hier lagen die Voraussetzungen des § 74 Abs. 3 VwVfG hinsichtlich der trassenfernen gemeinsamen Ersatzmaßnahme "Regionales Band: Mauergrünzug - vom Mauerpark zum Naturpark Barnim" vor. Die Maßnahme war im Zeitpunkt der Planfeststellung noch nicht genehmigungsfähig und also nicht festsetzbar; insbesondere war die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme privater Grundstücke nicht abschließend geklärt. Andererseits stand die Maßnahme "Mauergrünzug" jedenfalls in Umrissen fest, lediglich Ausführungsmodalitäten waren noch offen. Sie war mit der obersten Naturschutzbehörde abgestimmt und im Landesentwicklungsplan, im Landschaftsprogramm, im Artenschutzprogramm und im Flächennutzungsplan beschrieben (PFB S. 349 ff. und Anlage 9, LBP Anhang 3, Erläuterungsbericht S. 2). Deshalb durfte die Planfeststellungsbehörde davon ausgehen, dass die Maßnahme "Mauergrünzug" im Planfeststellungsbeschluss für den Abschnitt 1 (Abzw. Berlin-Mariendorf - Schichauweg) festgesetzt und damit auch die noch fehlende Kompensation für Eingriffe im hier betroffenen Abschnitt 2 gesichert wird.

128

9. Die antragsgemäße Feststellung des Plans für den oberirdischen Trassenverlauf (Variante A: S- und Fernbahngleise verlaufen ebenerdig; gradlinige Unterführung der Bahnhofstraße; am Bahnübergang Goltzstraße nur Geh- und Radwegunterführung) ist nicht zu beanstanden. Die Planfeststellungsbehörde hat die von den Klägern bevorzugten Tunnelvarianten D1a, E2.2, E2.2a und E2.2b abwägungsfehlerfrei verworfen. Maßstab für die gerichtliche Beurteilung der behördlichen Trassenwahl ist das fachplanungsrechtliche Abwägungsgebot des § 18 Satz 2 AEG.

129

a) Die Auswahl unter verschiedenen, ernstlich in Betracht kommenden Ausführungsvarianten eines Vorhabens ist ungeachtet hierbei zu beachtender, rechtlich zwingender Vorgaben eine fachplanerische Abwägungsentscheidung. Die Planfeststellungsbehörde ist, wie es dem Vorhabenträger bei der Planerarbeitung obliegt, auch bei der Wahl zwischen Varianten zu einer optimierenden, konkurrierende Belange möglichst schonenden Verwirklichung des Planungsziels verpflichtet. Das Gericht kann die Ausübung der dazu eingeräumten planerischen Gestaltungsfreiheit nur auf die Einhaltung der Grenzen dieser Gestaltungsfreiheit überprüfen. Sie sind nur dann überschritten, wenn der Behörde bei der Auswahl infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist oder wenn sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eine andere als die gewählte Trassenführung eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere hätte aufdrängen müssen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, durch eigene Ermittlungen ersatzweise zu planen und sich hierbei gar von Erwägungen einer "besseren" Planung leiten zu lassen (BVerwG, Urteile vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 169 und vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:151216U4A4.15.0] - NVwZ 2017, 708 Rn. 32).

130

b) Ein Fehler im Abwägungsvorgang ist der Planfeststellungsbehörde im Ergebnis nicht deshalb unterlaufen, weil sie bei ihrer Bestätigung der Antragsvariante von einem rechtlich unzutreffenden Maßstab ausgegangen wäre.

131

aa) Auf die Zugrundelegung eines unzutreffenden Maßstabs der Abwägung deutet freilich die Formulierung hin, die Planfeststellungsbehörde habe "die Trassierungsvorstellungen des Vorhabenträgers darauf zu überprüfen, ob eine andere als die gewählte Linienführung sich [...] eindeutig als die bessere [...] darstellen würde, wenn sich mit anderen Worten eine offensichtlich bessere Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen" (PFB S. 174). Damit ist der - nur - der gerichtlichen Überprüfung zugrunde zu legende Maßstab bezeichnet, der sich wesensmäßig von dem gestalterischen Auftrag zur Planung unterscheidet (dazu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 74 Rn. 95 ff.). Auch wenn die Planfeststellungsbehörde nachvollziehend kontrolliert, ob die vom Vorhabenträger getroffene Entscheidung rechtmäßig ist - und daher nicht berechtigt ist, dessen die Planrechtfertigung tragende planerische Erwägungen durch abweichende eigene zu ersetzen -, darf sie sich doch nicht auf die Kontrolle zurückziehen, ob sich eine andere Variante aufdrängte. Sie muss vielmehr selbst alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativen berücksichtigen und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen berührten öffentlichen und privaten Belange einstellen (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 168 f.).

132

bb) In dieser, durch das Abwägungsgebot geforderten Weise ist die Planfeststellungsbehörde hier der Sache nach auch vorgegangen. Die im Planfeststellungsbeschluss auf den problematischen Ausgangspunkt folgenden Erwägungen lassen eindeutig erkennen, dass die Planfeststellungsbehörde insoweit tragfähige eigene Erwägungen angestellt hat und sich durch ihre unzutreffende Bezugnahme auf die Grundsätze gerichtlicher Kontrolle nicht auf eine Prüfung sich "aufdrängender" Varianten beschränkt hat. Das zeigen die eingehenden Darstellungen der Vor- und Nachteile der Trassenvarianten und auch die Formulierung, die Planfeststellungsbehörde müsse "alle betroffenen und schützenswerten Belange in ihrer Gewichtigkeit im konkreten Einzelfall bewerten und versuchen, einen vertretbaren Kompromiss zwischen den im Konflikt befindlichen Belangen zu erreichen" (PFB S. 218).

133

cc) Damit ist auch die Befürchtung der Kläger widerlegt, das Eisenbahn-Bundesamt als Planfeststellungsbehörde habe sich durch eine Vorgabe des Bundes, nur die Antragsvariante A, nicht aber eine Tunnelvariante werde finanziert, gebunden gefühlt und habe sein Planungsermessen, mit der Folge eines Abwägungsausfalls, nicht ausgeübt. Abgesehen davon, dass die Kläger die behauptete Finanzierungsvorgabe nicht glaubhaft gemacht haben und das Eisenbahn-Bundesamt in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen erklärt hat, von ihr keine Kenntnis zu haben, fehlt gemessen an den eingehenden Erwägungen im Planfeststellungsbeschluss zu den Vor- und Nachteilen der in Betracht kommenden Varianten (PFB S. 174 - 231) jeder Anhalt dafür, dass eine solche Vorgabe die Abwägung verengt haben könnte.

134

c) Auch im Übrigen ist weder der Abwägungsvorgang noch das Abwägungsergebnis mit einem durchgreifenden Fehler behaftet.

135

aa) Die Planfeststellungsbehörde hat die Varianten der Trassenführung (PFB B.3.7) umfassend geprüft und die Bevorzugung der Antragsvariante detailliert begründet. Hierzu hat sie sich aufgrund der kontroversen Diskussion des Trassenverlaufs im Planfeststellungsverfahren veranlasst gesehen, die wesentlich zu dessen Dauer beigetragen hat (PFB S. 175). Gestützt auf eine genaue Beschreibung der im Verlauf des Verfahrens diskutierten Trassenführungen hat sie Auswirkungen jeder noch in Betracht kommenden Variante (Varianten A, D1a, E2.2, E2.2a, E2.2b) auf den Eisenbahnbetrieb, Straßenverkehr, ÖPNV, auf die Notwendigkeit zu Grundstücksinanspruchnahmen, die Belastungen durch Lärm und Erschütterungen, auf Boden/Wasser, Klima/Luft, Fauna/Flora, auf das Orts-/Landschaftsbild, die Kultur- und Sachgüter, Wertverluste, die Kosten und die Bauzeit (PFB B.3.7.2.1 bis B.3.7.2.14) umfassend ermittelt und die Varianten danach miteinander verglichen. Nach einer Darstellung und Abhandlung der gegen den Variantenvergleich und die Entscheidung für die Variante A vorgebrachten Einwände (PFB B.3.7.3) hat sie die Varianten zusammenfassend bewertet (PFB B.3.7.4) und das Ergebnis ihrer Abwägung umfassend erläutert (PFB B.3.7.5).

136

bb) Aus dem Vortrag der Kläger wird nicht erkennbar, dass der Planfeststellungsbehörde Ermittlungsfehler unterlaufen sind, weil sie Belange übersehen oder in ihrer Bedeutung grundlegend verkannt hätte.

137

(1) Straßenverkehr: Die Kläger halten den von ihnen so bezeichneten "Steiltunnel" unter der Eisenbahnüberführung Bahnhofstraße mit einem Gefälle von 8% (Westseite) bzw. 7% (Ostseite) bei einem Verkehr von zukünftig ca. 19 000 Kfz täglich (Erläuterungsbericht PFB Anlage 1.2, S. 30, 32) für unzumutbar. Dieser Bewertung ist die Planfeststellungsbehörde nicht gefolgt; das ist nicht zu beanstanden. Weder die Beigeladenen noch das Eisenbahn-Bundesamt haben verkannt, dass die Unterführung der Bahnhofstraße für den Straßenverkehr keine optimale Lösung darstellt und - was nur bei einer Tunnellösung möglich wäre - eine ebenerdige Straßenführung vorzuziehen wäre. Das Eisenbahn-Bundesamt räumt insoweit ein, dass die Unterführung "zum Teil maximal zulässige Neigungen" aufweise (PFB S. 185). Ebenso wenig hat die Planfeststellungsbehörde verkannt, dass durch die Schließung des Bahnübergangs Goltzstraße Umwegfahrten erforderlich werden (PFB S. 185). Sie bewertet dies aber als zumutbar, weil die Bahnhofstraße den zusätzlichen Verkehr - nach einer aktualisierten, deutlich reduzierten Verkehrsprognose sei mit einer Steigerung auf rd. 10 000 Kfz/24 h zu rechnen - aufnehmen könne und deshalb nachteilige Auswirkungen auf den innerörtlichen Kfz-Verkehr nicht zu erwarten seien (PFB S. 172, 185 f.). Anhaltspunkte dafür, dass die Planung der Unterführungen nicht den Regelwerken entsprechen sollte oder die Prognose der Straßenverkehre im Bereich Bahnhofstraße und Umgebung nicht tragfähig wäre, haben sich nicht ergeben.

138

(2) Eisenbahnbetriebslärm: Insoweit gehen die Einwände der Kläger nicht über ihr Vorbringen zu §§ 41 ff. BImSchG hinaus. Zu Recht hat die Planfeststellungsbehörde darauf hingewiesen, dass die oberirdische Variante insgesamt zu einer Verbesserung der Belastung im Verhältnis zur Vorbelastung führt. Sie hat dabei nicht verkannt, dass andere Varianten unter dem Gesichtspunkt der Lärmentlastung besser abschneiden (PFB S. 193 f.).

139

(3) Erschütterungen: Die Planfeststellungsbehörde hat erkannt, dass sich die Erschütterungswirkungen der oberirdischen Variante von denen der Trog- und Tunnelvarianten wesentlich unterscheiden und die oberirdische Variante in dieser Hinsicht die am wenigsten vorteilhafte ist (PFB S. 196 ff.). Hierzu legt das Eisenbahn-Bundesamt dar, dass sich bei offenen Trogbauwerken (Variante D1a) die Erschütterungssituation wegen des so genannten Stimmgabeleffekts der Trogoberkanten erheblich verschlechtern könne. Diese Problematik gebe es weder bei einem gedeckelten Trog noch bei einem Tunnel. Hier könne es jedoch Probleme mit sekundärem Luftschall geben. Die von Tunneln ausgehenden Schwingungen könnten in benachbarten Gebäuden zu kaum spürbaren, aber akustisch wahrnehmbaren Immissionen führen. Diese seien besonders lästig, weil in dem betroffenen Raum kein direkt von der Schiene ausgehender primärer Luftschall auftrete, der den sekundären Luftschall überdecken könne. Aus diesem Grund seien aufwändige Erschütterungsschutzmaßnahmen erforderlich. Die Antragsvariante werde voraussichtlich aber die höchsten Belastungen mit sich bringen, weil die zur Verfügung stehenden Schutzsysteme bei oberirdischen Strecken etwas weniger effektiv seien als bei Tunnelvarianten. Sie hat die Beeinträchtigungen durch Erschütterungen auch nicht fehlerhaft gewichtet. Die Erhöhung der Anhaltswerte der Tabelle 1 der DIN 4150-2 als Schwelle der Zumutbarkeit ist - wie dargelegt - nicht zu beanstanden.

140

(4) Umweltbelange: Die Planfeststellungsbehörde hat nicht verkannt, dass die Antragsvariante gegenüber den Tunnelvarianten in Bezug auf die Umweltauswirkungen die ungünstigste Lösung ist (PFB S. 225). Die Bewertung hat sie zutreffend aus der Umweltverträglichkeitsstudie 2015 übernommen (PFB Anlage 8, UVS S. 37). Diese Einstufung nötigt als solche freilich nicht dazu, im Rahmen der Abwägung eine unter Umweltgesichtspunkten günstigere Trasse zu bevorzugen.

141

(5) Grundstückswertminderungen: Die Planfeststellungsbehörde hält die Befürchtung, dass die Anliegergrundstücke an der Bahntrasse an Wert verlieren könnten, wegen der Verbesserung der Lärmsituation durch Lärmschutzwände für spekulativ. Unabhängig hiervon seien etwaige Grundstückswertminderungen kein eigenständiger Abwägungsposten (PFB S. 202). Die zuletzt genannte Erwägung dürfte allerdings in dieser Allgemeinheit nicht zutreffen. Gleichwohl bestand jedenfalls unter den hier gegebenen Umständen kein Anlass, etwaigen Grundstückswertminderungen weiter nachzugehen.

142

Art. 14 Abs. 1 GG gebietet nicht, jede Wertminderung auszugleichen, die einem staatlichen Verhalten zugerechnet werden kann. Einen Anspruch auf Entschädigung nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG für derartige Wertverluste haben die Betroffenen nicht, jedenfalls solange das Grundstück bewohnbar bleibt und die Wertminderung nicht eine unzumutbare Höhe erreicht (BVerfG, Beschluss vom 23. Februar 2010 - 1 BvR 2736/08 [ECLI:DE:BVerfG:2010:rk20100223.1bvr273608] - NVwZ 2010, 512 Rn. 49; BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 14.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:280416U9A14.15.0] - Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 383 Rn. 25). Anhaltspunkte für eine unzumutbare Wertminderung haben die Kläger nicht aufgezeigt. Die Planfeststellungsbehörde hat im Rahmen der Abwägung der öffentlichen und privaten Belange aber auch vorhabenbedingte Wertminderungen unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle zu bedenken (BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 14.15 - a.a.O. Rn. 25). Ob diese Abwägung eine sachverständige Ermittlung etwaiger vorhabenbedingter Wertminderungen erfordert, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab. Hier bestand für derartige Ermittlungen kein Anlass. Da das Vorhaben die Situation der angrenzenden Wohngrundstücke nicht nur verschlechtert, sondern im Hinblick auf den Betriebslärm auch verbessert, fehlen Anhaltspunkte dafür, dass etwaige Wertverluste zu einem Konflikt führen könnten, der in der Planfeststellung bewältigt werden müsste. Die Planfeststellungsbehörde musste den Wertveränderungen auch nicht für die Abwägung der Antragsvariante gegen die in Betracht kommenden Tunnelvarianten weiter nachgehen. Insoweit ist nicht zu beanstanden, dass sie in ihrem Abwägungsgerüst im Rahmen der gegen die Antragsvariante sprechenden Belange etwaigen Grundstückswertverlusten neben den unmittelbaren Veränderungen des Wohnumfeldes, insbesondere den betriebsbedingten Lärm- und Erschütterungsbelastungen und den sonstigen Umweltauswirkungen (PFB S. 221), keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen hat.

143

(6) Kosten: Die Kläger bemängeln, dass dem Variantenvergleich intransparente Kostenermittlungen zugrunde liegen, und bezweifeln deren Richtigkeit.

144

(aa) Der Planfeststellung liegt die mit der 2. Planänderung vorgelegte vergleichende Kostenschätzung der Beigeladenen mit Preisstand 2009 zugrunde (Erläuterungsbericht, PFB Anlage 1.2, S. 24 - 26; PFB S. 211). Das Eisenbahn-Bundesamt hat den Kostenvergleich durch seine Fachabteilung überprüfen lassen und für insgesamt belastbar befunden (PFB S. 204). Erhebliche Fehler sind insoweit nicht ersichtlich. Vorhabenträger und Planfeststellungsbehörde sind berechtigt, ihrer Variantenprüfung Kostenschätzungen mit prognostischem Gehalt zugrunde zu legen. Genauer können die Kosten eines Vorhabens erst dann angegeben werden, wenn die Ausführungsplanung vorliegt und alle Gewerke vergeben sind. Dieser Sachstand ist im maßgeblichen Zeitpunkt der Planfeststellung regelmäßig nicht erreicht. Bei der Prognose der Baukosten von Ausführungsvarianten kommt der Behörde daher ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Einschätzungsspielraum zu. Die Kostenschätzung kann grundsätzlich nur dann beanstandet werden, wenn keine geeigneten Erkenntnismittel herangezogen wurden oder die gezogenen Schlüsse nicht nachvollziehbar sind (stRspr, BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 Rn. 90 m.w.N.).

145

(bb) Ausgehend hiervon haben die Kläger keine beachtlichen Einwände gegen die Kostenansätze vorgebracht. Es genügt, wenn der voraussichtliche Aufwand aus einem Vergleich mit Kosten hergeleitet wird, die bei vergleichbaren baulichen Maßnahmen tatsächlich angefallen sind oder sich bei Ausschreibungen als realistische Größe ergeben haben. Gerade Vorhabenträger, hier also die Beigeladenen, verfügen über ein solches Erfahrungswissen und können abschätzen, wie sich eine noch ausstehende Ausführungsplanung auswirken wird. Dass die Einzelpositionen im Erläuterungsbericht nur ergebnishaft dargestellt sind, stellt ihre Richtigkeit nicht in Frage.

146

(cc) Es ist auch nicht erkennbar, dass die Kosten des aktiven und passiven Schutzes gegen Betriebslärm und Erschütterungen bei der Vorzugsvariante zu gering geschätzt bzw. "heruntergerechnet" worden sind, weil etwa die Zahl der Betroffenen höher oder die Belästigungen stärker sein werden als angenommen. Das ergibt sich aus den der Schutzkonzeption zugrunde liegenden Berechnungen. Deren Belastbarkeit ist nicht infrage gestellt. Die Kosten der Schallschutzwände entsprechen dem auf langjährigen Erfahrungen beruhenden und bundesweit angewandten Kostenkennwertekatalog der Beigeladenen (PFB Anlage 10.1.1, S. 15).

147

Entsprechendes gilt für den Erschütterungsschutz. Das Eisenbahn-Bundesamt hat abweichend vom Antrag von km 13,120 bis km 13,617 auch für beide S-Bahn-Gleise deren Verlegung in einen Betontrog angeordnet und dafür zusätzliche Kosten in Höhe von ca. 1 Mio. € angesetzt (PFB S. 205). Eine greifbare Grundlage für die Annahme, dass sich die Kosten weiter erhöhen werden und die Kostenrelation dadurch in einem anderen Licht erscheinen könnte, ist nicht gegeben, weil die Zumutbarkeitsschwelle für die Gewährung von Erschütterungsschutz zu billigen ist. Den Einbau teurerer "Masse-Feder-Systeme" hat das Eisenbahn-Bundesamt in nicht zu beanstandender Weise abgelehnt. Hinreichende Erfahrungen mit diesen Systemen liegen nur für Tunnel vor; bei einem oberirdischen Einsatz ist zweifelhaft, ob diese Systeme auch langfristig funktionieren (PFB S. 405). Dies ziehen die Kläger nicht substanziiert in Zweifel. Die Kostenabschätzung in der von den Betroffenen eingebrachten so genannten "Maidl-Studie" zur Machbarkeit eines Fernbahntunnels ist nicht mehr aussagekräftig. Die Studie stammt aus dem Jahr 1997, die dort entwickelte Tunnelvariante wurde zu den Varianten E2.2 fortentwickelt, der Tunnel dabei erheblich verlängert.

148

(dd) Das Eisenbahn-Bundesamt hat schließlich die Kosten der Tunnellösungen auch nicht deshalb falsch eingeschätzt, weil das Land Berlin bereit wäre, einen Teil der Mehrkosten zu tragen. Nach den Feststellungen des Eisenbahn-Bundesamtes hat das Land keine verbindliche Erklärung zur Kostenübernahme abgegeben (PFB S. 212 f.). Das Land sei vielmehr davon ausgegangen, dass der Bund gegebenenfalls die Finanzierung einer Tunnellösung sicherstellen müsse. Hinweise auf konkrete und verbindliche anderslautende Erklärungen des Landes Berlin haben die Kläger nicht vorgelegt.

149

d) Was die Kläger gegen die behördliche Vorzugswahl vorbringen, überzeugt ebenfalls nicht. Die gerichtliche Kontrolle ist insofern auf die Prüfung beschränkt, ob Belange offensichtlich fehlgewichtet worden sind oder der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen worden ist, der zum objektiven Gewicht einzelner Belange außer Verhältnis steht (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 74 Rn. 100 m.w.N.).

150

aa) Die Planfeststellungsbehörde hat die Bedeutung des § 50 BImSchG erkannt und zutreffend behandelt.

151

Dessen Gebot, die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen so weit wie möglich vermieden werden (§ 50 Satz 1 BImSchG), kann auch durch Gradientenabsenkungen der Trasse sowie Tief- oder Troglagen Rechnung getragen werden (BVerwG, Urteil vom 28. Januar 1999 - 4 CN 5.98 - BVerwGE 108, 248 <253 f.>). § 50 BImSchG hat jedoch nur die Funktion einer Abwägungsdirektive, die im Rahmen der planerischen Abwägung durch andere Belange von hohem Gewicht überwunden werden kann (BVerwG, Urteil vom 13. Mai 2009 - 9 A 71.07 - Städte- und Gemeinderat 2009, Nr. 7 - 8, S. 30, juris Rn. 44). Dass dabei auch Kostengesichtspunkte den Ausschlag geben dürfen, ist - wie noch auszuführen - nicht zweifelhaft.

152

bb) Auch das Abwägungsergebnis ist frei von Fehlern.

153

(1) Ausgangspunkt der Gesamtabwägung ist hier, dass jede Variante durch eine je eigene Mischung aus unterschiedlich gewichtigen Vorzügen und Nachteilen geprägt ist (dazu PFB S. 183: Variantenvergleich anhand der Auswirkungen). Klar vorzugswürdige Lösungen gibt es lediglich in Bezug auf einzelne Aspekte; eine insgesamt überlegene Variante hat sich aber nicht herausgebildet. Hat die Planfeststellungsbehörde in einer solchen Lage das Gewicht der Belange, wie hier, fehlerfrei bestimmt, liegt jede Vorzugswahl innerhalb des gerichtlich nicht zu beanstandenden Entscheidungsspielraums, bei der die favorisierten Belange nicht in ein erkennbar widersprüchliches oder disproportionales Verhältnis zu den zurückgestellten gesetzt werden. Davon kann bei der hier gewählten Antragsvariante keine Rede sein.

154

(2) Die Planfeststellungsbehörde hat neben der kürzeren Bauzeit und der besseren Abwicklung von Güterverkehr als entscheidenden Vorteil der Antragsvariante die erheblich geringeren Baukosten angesehen (PFB S. 219). Sie hat damit auf einen Gesichtspunkt abgestellt, der nach gefestigter Rechtsprechung im Rahmen der Abwägung gemäß § 18 Satz 2 AEG berücksichtigt werden muss; denn zu den von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belangen gehört auch das Interesse an einer kostengünstigen Lösung (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2001 - 11 A 6.00 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 56 S. 24). Bei der Entscheidung für die eine oder andere Planungsvariante dürfen Kostengesichtspunkte sogar den Ausschlag geben (stRspr, BVerwG, Urteile vom 23. Februar 2005 - 4 A 4.04 - BVerwGE 123, 37 <43 f.> und vom 28. Januar 1999 - 4 CN 5.98 - BVerwGE 108, 248 <254> m.w.N.). Für aktive Schallschutzmaßnahmen, zu denen die Trassenführung - wie gesagt - auch gehört, enthält § 41 Abs. 2 BImSchG diesen Rechtsgedanken sogar ausdrücklich. Unter welchen weiteren Voraussetzungen die Kosten den Ausschlag geben dürfen, kann allerdings nicht losgelöst von der objektiven Gewichtigkeit der zu schützenden, vom Vorhaben nachteilig betroffenen Belange beurteilt werden und bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2001 - 11 A 6.00 - a.a.O. S. 24). Ausgehend hiervon hat die Planfeststellungsbehörde nicht zu beanstandende Erwägungen angestellt.

155

(3) Zutreffend hat sie die Belastungen durch Lärm und Erschütterungen und bei den sonstigen Umweltauswirkungen vor allem die Beeinträchtigungen des Orts- und Landschaftsbildes als besonders bedeutsame gegenläufige Belange angesehen (PFB S. 221), dem aber gegenübergestellt, dass diese Beeinträchtigungen den rechtlichen Anforderungen entsprechend ausgeglichen werden und verbleibende Nachteile angesichts der hohen Bedeutung des Vorhabens zumutbar sind. Nach den vorstehenden Ausführungen trifft dies zu.

156

Namentlich sind die Rechte der Streckenanlieger auf Schutz vor Immissionen in vollem Umfang gewahrt. Bei der Antragsvariante können 99,5% der Schutzfälle durch aktive Schallschutzmaßnahmen gelöst werden, wobei sich gegenüber der Vorbelastung sogar Verbesserungen ergeben. Damit ist dem besonderen Gewicht des Lärmschutzes Rechnung getragen (PFB S. 223 f.). Im Ergebnis ebenso tragfähig ist die Einschätzung des Erschütterungsschutzes. Auch wenn der Aussage, nicht auszuschließende Restkonflikte durch Erschütterungen könnten die fachplanerische Bevorzugung der oberirdischen Variante nicht zugunsten einer räumlichen Trennung infrage stellen (so PFB S. 225), in dieser Allgemeinheit schwerlich zuzustimmen ist, hält sich die Grundentscheidung, Erschütterungsprobleme durch Schutzauflagen und hilfsweise Entschädigungen zu bewältigen und nicht einen Tunnel vorzuziehen, im vorliegenden Fall im Rahmen des Abwägungsspielraums der Behörde. Das rechtfertigt sich aus der nicht unerheblichen Vorbelastung durch Erschütterungen, die mit bisher ungelösten Konflikten einhergeht, deren Größenordnung durch die oberirdische Variante - gemessen an der festgelegten Zumutbarkeitsschwelle - jedenfalls nicht weiter anwachsen wird.

157

(4) Beeinträchtigungen anderer öffentlicher Belange hat die Planfeststellungsbehörde ebenfalls in nicht zu beanstandender Weise - da beherrschbar oder zumutbar - als nachrangig eingestuft. Das gilt insbesondere für die von den Klägern angesprochenen Vorhabenswirkungen auf den Städtebau und den Gewerbestandort (dazu PFB S. 168 bis 173, 226 f.), den Denkmalschutz (dazu PFB S. 363 i.V.m. S. 324 ff.), für Gefährdungen durch Eisenbahnunfälle (PFB S. 343) und Beeinträchtigungen von Luft und Klima (PFB S. 427 f.). Für Fehler haben die Kläger insofern keine Anhaltspunkte aufgezeigt.

158

D. Auch die weiteren Klagebegehren haben keinen Erfolg.

159

1. Der Antrag, die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsantrag der Beigeladenen abzulehnen, setzt im Sinne einer Stufenklage voraus, dass dem hauptsächlich verfolgten Anfechtungsantrag bzw. dem davon umfassten Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses stattgegeben worden und die Entscheidung über den eingereichten Plan dadurch wieder offen ist. Hier ist der angefochtene Planfeststellungsbeschluss aber rechtlich nicht zu beanstanden. Daher kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Planbetroffene beanspruchen können, dass die Behörde die Feststellung eines von einem Dritten gemäß § 73 VwVfG eingereichten Plans ablehnt.

160

2. Für die beiden als Anregung formulierten Begehren auf Planergänzung fehlt ein Rechtsschutzbedürfnis. Sie fordern Regelungen für die Zeit nach Durchführung des festgestellten Plans, setzen also im Sinne eines Hilfsantrages Bestand und Realisierung des Planfeststellungsbeschlusses voraus.

161

a) Eine Regelung des Inhalts, für den Fall der Nichteinhaltung der Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV Betriebsbeschränkungen vorzusehen, ist nicht veranlasst. Die Planfeststellungsbehörde darf davon ausgehen, dass ihr gemäß §§ 41 ff. BImSchG entwickeltes Schutzkonzept den geforderten Lärmschutz sicherstellt. Das ist das Ergebnis der schalltechnischen Untersuchung, die gerichtlich nicht zu beanstanden ist. Was die Planfeststellungsbehörde zu verfügen hätte, sollte sich diese Annahme als unzutreffend erweisen, liegt jenseits des Planfeststellungsverfahrens. Denn die Umsetzung des dort entwickelten Lärmschutzkonzepts ist der Ausführung des Plans zugeordnet und in einem Planfeststellungsbeschluss weder regelungsfähig noch regelungsbedürftig. Nur ergänzend ist anzumerken, dass das Eisenbahn-Bundesamt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts allenfalls in Ausnahmefällen verpflichtet sein kann, die von den Klägern verlangten Betriebsbeschränkungen aus Lärmschutzgründen zu erwägen (BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 - 3 C 5.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:171116U3C5.15.0] - BVerwGE 156, 306).

162

b) Erst recht besteht keine Notwendigkeit für eine Anordnung mit dem Inhalt, die Aufnahme des Eisenbahnbetriebs erst nach Erfüllung aller Schutzauflagen zu gestatten. Die Herstellung der im Planfeststellungsbeschluss verfügten Schutzauflagen, namentlich die Gleisbettung und die Lärmschutzwände, sind Teil der Durchführung des Plans; sie müssen aus technischen Gründen vor der Betriebsaufnahme realisiert sein. Ob die passiven Schutzmaßnahmen (PFB S. 55 f.) vor Betriebsaufnahme realisiert sein müssen, kann dahinstehen. Die Kläger gehören jedenfalls, weil ihr Schutz bereits durch die aktiven Maßnahmen sichergestellt ist, nicht zu den insoweit Anspruchsberechtigten.

163

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 und 2 ZPO.

(1) Die Anfechtungsklage gegen einen Planfeststellungsbeschluss oder eine Plangenehmigung hat keine aufschiebende Wirkung. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen einen Planfeststellungsbeschluss oder eine Plangenehmigung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung kann nur innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Planfeststellungsbeschlusses oder der Plangenehmigung gestellt und begründet werden. Darauf ist in der Rechtsbehelfsbelehrung hinzuweisen. § 58 der Verwaltungsgerichtsordnung gilt entsprechend.

(2) Treten später Tatsachen ein, die die Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen, so kann der durch den Planfeststellungsbeschluss oder die Plangenehmigung Beschwerte einen hierauf gestützten Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung innerhalb einer Frist von einem Monat stellen und begründen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Beschwerte von den Tatsachen Kenntnis erlangt.

(3)Der Kläger hat innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung die zur Begründung seiner Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn der Kläger die Verspätung genügend entschuldigt. Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen. Satz 2 gilt nicht, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Klägers zu ermitteln. Die Frist nach Satz 1 kann durch den Vorsitzenden oder den Berichterstatter auf Antrag verlängert werden, wenn der Kläger in dem Verfahren, in dem die angefochtene Entscheidung ergangen ist, keine Möglichkeit der Beteiligung hatte.

(4) Für Energieleitungen, die nach § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 planfestgestellt werden, sowie für Anlagen, die für den Betrieb dieser Energieleitungen notwendig sind und die nach § 43 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 planfestgestellt werden, ist § 50 Absatz 1 Nummer 6 der Verwaltungsgerichtsordnung anzuwenden. § 50 Absatz 1 Nummer 6 der Verwaltungsgerichtsordnung ist auch anzuwenden für auf diese Energieleitungen und auf für deren Betrieb notwendige Anlagen bezogene Zulassungen des vorzeitigen Baubeginns und Anzeigeverfahren sowie für Genehmigungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz für Anlagen, die für den Betrieb dieser Energieleitungen notwendig sind.

Tenor

Der Bescheid vom 02. Januar 2008 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die teilweise Rückforderung der dem Kläger vom Beklagten nach dem schleswig-holsteinischen Schulgesetz gewährten Landeszuschüsse für die Jahre 1998 bis 2006.

2

Der Kläger ist Träger der Freien Waldorfschule in Flensburg. Bei der Schule handelt es sich um eine genehmigte Ersatzschule i.S.d. § 2 Abs. 4 SchulG (i.d.F. der Bekanntmachung v. 02. August 1990, zuletzt geändert durch § 28 des Gesetzes vom 14. Dezember 2006, GVOBl. S. 309; gültig bis 08. Februar 2007, im Folgenden: SchulG a.F.), die vom Land Schleswig-Holstein jährliche Zuschüsse zu den Sach- und Personalkosten i.S.d. §§ 60 Abs. 1, 62 Abs. 1 und 2 SchulG a.F. erhält. Die Höhe der Zuschüsse richtete sich nach einem bestimmten Prozentsatz des Betrages, der im Landesdurchschnitt an Sach- und Personalkosten für eine Schülerin oder einen Schüler einer vergleichbaren öffentlichen Schule im Vorjahr aufgewendet worden ist (Schülerkostensatz, § 63 Abs. 2 S. 1 SchulG a.F.), und nach den an der Ersatzschule durchschnittlich im Jahr vorhandenen Schülerinnen und Schülern (§ 64 Abs. 1 SchulG a.F.).

3

Der Kläger errechnete die Durchschnittszahlen nach der am 1. jedes Monats vorhandenen Zahl der Schülerinnen und Schüler und übermittelte diese nach Maßgabe eines zu verwendenden Formulars zu bestimmten Zeitpunkten an den Beklagten. Diese Berechnung geschah zum einen in Form einer Prognose für die im zu bezuschussenden Jahr erwarteten Schülerzahlen und zum anderen durch Meldung der tatsächlich erreichten Schülerzahlen in den zurückliegenden Monaten. Dabei wurden unabhängig vom Wohnort sämtliche Schülerinnen und Schüler einbezogen, aufgrund der Grenznähe auch solche mit Wohnort in Dänemark. Sodann errechnete der Beklagte die Höhe des Zuschusses durch Multiplikation der übermittelten durchschnittlichen Schülerzahl mit dem jeweils geltenden Schülerkostensatz. Wichen die später gemeldeten tatsächlichen Zahlen von den bis dahin nur prognostizierten Zahlen eines Haushaltsjahres ab, wurde die Höhe der gewährten Zuschüsse rückwirkend geändert. Auf dieser Grundlage und nach endgültiger Abrechnung ergingen für die Haushaltsjahre 1998 bis 2006 jährliche Bewilligungsbescheide i.H.v. 2,1 bis 2,4 Mio. Euro (wegen der näheren Berechnungen wird auf die im Verwaltungsvorgang enthaltenen Bescheide verwiesen).

4

Neben diesem Verfahren zur Ermittlung des Landeszuschusses nach den §§ 60 ff. SchulG a.F. ist der Kläger verpflichtet, dem Beklagten im Rahmen der Erhebung von Schulkostenbeiträgen von den Gemeinden an zwei Stichtagen des Jahres alle Schülerinnen und Schüler namentlich und mit Adresse zu melden (§ 77 a SchulG a.F.). Hier waren auch die Schülerinnen und Schüler aus Dänemark aufgeführt. Die Durchführung dieses Verfahrens erfolgte durch dieselbe Sachbearbeiterin des Beklagten. Die hier gewonnenen Datensätze wurden beim Meldeamt abgeglichen.

5

Bereits durch das Haushaltsbegleitgesetz von 1994 wurde § 63 SchulG a.F. („Höhe des Zuschusses“) um eine sog. „Landeskinderklausel“ ergänzt. Nach § 63 Abs. 6 SchulG a.F. sollten Ersatzschulen ab dem 01. Januar 1998 nur noch Zuschüsse für Schülerinnen und Schüler erhalten, die ihre Wohnung in Schleswig-Holstein haben oder für die an das Land Erstattungen nach § 77 a Abs. 1 S. 1 SchulG a.F. zu leisten sind. Für andere Schülerinnen und Schüler wurde und wird (vgl. § 122 Abs. 4 SchulG n.F.) der Zuschuss - neben einer Übergangsregelung - nur gewährt, wenn und soweit dem Land aufgrund von Vereinbarungen Zahlungen zum Ausgleich des Zuschussbetrages für diese Schülerinnen und Schüler zustehen. Eine solche Vereinbarung besteht tatsächlich nur mit der Stadt Hamburg.

6

Der Beklagte unterrichtete den Kläger von dieser Gesetzesänderung nicht. Weder die Terminsübersichten noch die vorläufigen Bewilligungsbescheide oder das vom Beklagten vorgegebene Formular enthielten einen Hinweis auf die neu eingefügte „Landeskinderklausel“. Es wurde lediglich die Angabe der „tatsächlichen Schülerzahlen“ und der „voraussichtlichen Zahl“ der Schülerinnen und Schüler gefordert mit Hinweis auf §§ 29 Abs. 1 und 64 SchulG a.F. (§ 29 Abs. 1 SchulG a.F. wies den Beginn und das Ende eines Schuljahrs aus, § 64 SchulG a.F. regelte die Berechnung der Schülerzahl aus der Jahresdurchschnittszahl und die Verpflichtung zu entsprechenden Auskünften und Nachweisen). Nach der Schulgesetzänderung im Jahre 2007 wurde das Formular an die neuen Vorschriften angepasst; verwiesen wird nunmehr auf §§ 14 und 122 Abs. 4 SchulG n.F. (wobei § 122 Abs. 4 SchulG n.F. § 64 SchulG a.F. ersetzt und um die „Landeskinderklausel“ ergänzt worden ist).

7

In einem Telefonat im März 2007 bestätigte der Geschäftsführer des Klägers gegenüber dem Beklagten, dass für die Berechnung der Zuschüsse auch diejenigen Schülerinnen und Schüler angegeben worden seien, die ihren Wohnsitz in Dänemark haben. Eine Überprüfung der daraufhin durch den Kläger eingereichten monatsweisen Auflistung dieser Schülerinnen und Schüler ergab, dass von 1998 bis 2001 jeweils ein/e Schüler/in, in 2002 drei Schüler/innen, in 2003 sieben Schüler/innen und von 2004 bis 2006 jeweils fünf Schüler/innen in die jährlichen Durchschnittsschülerzahlen eingeflossen waren, obwohl sie wegen ihrer Wohnung in Dänemark nicht hätten bezuschusst werden dürfen.

8

Nach längerem Schriftwechsel hob der Beklagte mit Bescheid vom 02. Januar 2008 die Bewilligungsbescheide für die Landeszuschüsse der Haushaltsjahre 1998 bis 2006 mit Wirkung für die Vergangenheit auf, soweit diese im Bescheid jeweils näher bezeichnete Zuschussbeträge übersteigen. Gleichzeitig wurden die für die dänischen Schülerinnen und Schüler zu viel bezahlten Zuschüsse in Höhe von insgesamt 99.556,61 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 27.762,61 € zurückgefordert. Der Beklagte stützt die Rücknahme auf § 116 LVwG und führt zur Begründung aus, dass die Bezuschussung teilweise rechtswidrig erfolgt sei und aufseiten des Klägers kein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der Bewilligungsbescheide bestehe, weil er deren Rechtswidrigkeit gekannt haben müsse oder jedenfalls in grob fahrlässiger Weise nicht erkannt habe. Trotz bestehender Unsicherheiten habe er es unterlassen, sich über die gesetzlichen Voraussetzungen der Zuschussgewährung zu informieren. Die wirtschaftliche Existenz der Schule werde durch die Rückforderung nicht gefährdet, da es sich nur um 0,5 % der Gesamtförderung handele.

9

Dagegen hat der Kläger am 24. Januar 2008 Klage erhoben.

10

Er behauptet, keine Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Zuschussbescheide gehabt zu haben. Er habe zwar von der Existenz der „Landeskinderklausel“ gewusst, aber angenommen, dass zwischen Dänemark und Deutschland eine Ausnahmeregelung bestehe. Auch eine Prüfung des Landesrechnungshofs im Jahr 2002 habe keine Beanstandungen der Listen und gemeldeten Daten ergeben. Der Beklagte selbst habe nicht darauf hingewiesen, dass Schülerinnen und Schüler mit Wohnsitz außerhalb Schleswig-Holsteins ab 1998 nicht mehr in die Berechnungsgrundlage für die Zuschüsse einfließen dürften. Die Antragsformulare seien erst in 2007 geändert worden. Im Übrigen sei dem Beklagten aus dem Erstattungsverfahren nach § 77 a SchulG a.F. bekannt gewesen, dass dänische Schülerinnen und Schüler beschult würden. Insofern hätte die zuständige Sachbearbeiterin selbst überprüfen können, ob die Zahlen und Adressen der Schülerinnen und Schüler beider Vorgänge übereinstimmten. Hiervon sei der Kläger ausgegangen. Ob ein solcher Abgleich tatsächlich erfolgte, habe er aber nicht wissen können. Schließlich ist der Kläger der Ansicht, er habe auf den Bestand der Zuwendungsbescheide vertrauen dürfen, da er die Leistungen bereits verbraucht habe. Eine Rückzahlung der Zuschüsse in dieser Höhe sei aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Schule nicht möglich und würde zur Insolvenz führen.

11

Der Kläger beantragt,

12

den Bescheid des Beklagten vom 02. Januar 2008 aufzuheben.

13

Der Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Der Beklagte bezieht sich auf die Gründe des Rücknahmebescheides. Der Kläger habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass die jeweils durch ihn gemeldeten Daten für das Erstattungsverfahren nach § 77a SchulG a.F. einerseits und die für das Zuschussverfahren nach den §§ 60 ff. SchulG a.F. gemeldeten Statistiken andererseits überprüft und miteinander abgeglichen würden. Es handele sich vielmehr um verschiedene Verfahren ohne inhaltlichen Zusammenhang. Die Zuständigkeit derselben Sachbearbeiterin sei rein organisatorisch und zufällig. Zudem sei es die Pflicht eines Antragstellers, der öffentliche Mittel in Anspruch nehmen wolle, den Antrag richtig auszufüllen. Er dürfe die Überprüfung der Richtigkeit nicht auf die bezuschussende Stelle abwälzen. Im Zusammenhang mit der öffentlich diskutierten Problematik der „Landeskinderklausel“ an der Waldorfschule Lübeck, bei der aufgrund der Gesetzesänderung die bei ihr überwiegend angemeldeten Schülerinnen und Schüler aus Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr bezuschusst wurden, habe der Kläger wissen müssen, dass die „Landeskinderklausel“ auch für seine Schule gelte. Insofern hätte er auch nicht ungeprüft auf ein Abkommen mit Dänemark vertrauen dürfen; im Zweifel hätte er sich vielmehr erkundigen müssen. Dies zu unterlassen sei grob sorgfaltswidrig. Ferner seien die Antragsformulare für das Zuschussverfahren im Jahr 2007 nicht wegen der „Landeskinderklausel“ geändert worden, sondern aufgrund der Änderung des gesamten Schulgesetzes und der damit verbundenen systematischen Änderung der zu beachtenden Paragraphen. Ein solches Formular könne außerdem nur auf die grundlegenden Vorschriften Bezug nehmen und entlaste nicht von einer eigenen Prüfung. Aus der Nichterwähnung des § 63 Abs. 6 SchulG a.F. dürfe nicht gefolgert werden, dass auch nicht bezuschussungsfähige Schülerinnen und Schüler angegeben werden sollten. Dem Kläger hätte klar sein müssen, dass der Zuschuss auf der Grundlage seiner Angaben errechnet werden würde und dass er deshalb nur die bezuschussungsfähigen Schülerinnen und Schüler anzugeben hatte. Die Rückforderung sei schließlich verhältnismäßig, da die zurückgeforderte Summe nur einen Bruchteil des gewährten Betrages ausmache.

16

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

17

Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, insbesondere bedurfte es vorliegend nicht der Durchführung eines Vorverfahren (§ 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VwGO).

18

Die Klage ist auch begründet. Der Rückforderungsbescheid vom 02. Januar 2008 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

19

Der Beklagte kann die teilweise Rücknahme der Landeszuschüsse nicht auf die dafür allein in Betracht kommende Rechtsgrundlage des § 116 Abs. 1 und 2 S. 3 Nr. 2, 3 LVwG stützen.

20

Nach § 116 Abs. 1 und 2 LVwG kann ein begünstigender Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung gewährt, nur dann nach pflichtgemäßem Ermessen der Behörde ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn und soweit er rechtswidrig ist und der Begünstigte nicht auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen in den Fortbestand desselben unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme schutzwürdig ist. Diese Voraussetzungen liegen zur Überzeugung der Kammer nicht vor.

21

Bei den durch den Beklagten erlassenen Zuschussbescheiden für die Haushaltsjahre 1998 bis 2006 handelt es sich um begünstigende Verwaltungsakte, die eine laufende Geldleistung gewähren. Sie waren in der zurückgeforderten Höhe rechtswidrig, weil die Zuschüsse entgegen der Regelung des § 63 Abs. 6 SchulG a.F. auch für Schülerinnen und Schüler gewährt wurden, die ihre Wohnung nicht in Schleswig-Holstein hatten. „Wohnung“ i.S.d. § 63 Abs. 6 SchulG a.F. ist ebenso wie bei § 76 Abs. 1 und 2 SchulG a.F. (dazu Kammerurteil. v. 18.05.2007 - 9 A 652/04 -) gem. § 2 Abs. 8 SchulG a.F. die Wohnung einer Person nach den §§ 13, 14 LMG. Die im Zuschussverfahren (auch) gemeldeten und in die Berechnung eingeflossenen dänischen Schülerinnen und Schüler hatten ihre Wohnung im Sinne dieser Vorschriften unstreitig in Dänemark und waren somit seit dem 01. Januar 1998 von der Bezuschussung nach den §§ 60 ff. SchulG a.F. ausgeschlossen. Dies gilt auch für das Haushaltsjahr 1998, für das der Kläger die Schülerzahlen schon ab 1997 und somit vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung mit Einführung der „Landeskinderklausel“ (dazu GVOBl 1994 S. 124, GVOBl 1995 S. 473, GVOBl 1997 S. 129) übermittelt hatte, da es bei der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes nur auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt seines Erlasses ankommt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.11.1953 - I B 95.53 - E 1, 35, seither std. Rspr., z.B. BVerwG, Urt. v. 23.03.1984 - 8 C 168/81 - NJW 1984, 2842). Als der Zuwendungsbescheid für das Haushaltsjahr 1998 erlassen wurde, war die Regelung des § 63 Abs. 6 SchulG a.F. bereits in Kraft. Somit waren sämtliche streitigen Zuwendungsbescheide teilweise rechtswidrig.

22

Verfassungsrechtliche Zweifel gegenüber der „Landeskinderklausel“ selbst bestehen nicht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.11.2004 - 1 BvL 6/99 - E 112, 74 ff. zur Bremer Klausel) und werden vom Kläger auch nicht geltend gemacht.

23

Die teilweise Aufhebung der Zuschussbescheide war dennoch rechtswidrig, weil der Kläger auf den Bestand der Zuschussbescheide vertraut hat und dieses Vertrauen auch unter Abwägung mit den öffentlichen Interessen an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes genießt Verfassungsrang (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.12.1981 - 1 BvR 898/79 u.a. - E 59, 128). Seine Gewährung beruht nicht auf einer in das Ermessen der Behörde gestellten Billigkeitserwägung, sondern auf einer gesetzlichen Abwägung zwischen der Beseitigung eines Verwaltungsaktes, der mit dem materiellen Recht nicht in Einklang steht, und dem Vertrauen des Leistungsempfängers in den Bestand eben dieses begünstigenden Verwaltungsaktes. (BVerwG, Urt. v. 14.08.1986 - 3 C 9/85 - E 74, 357, in juris Rn. 27; Urt. v. 06.06.1991 - 3 C 46/86 - E 88, 278, in juris Rn. 24). Der Vertrauensschutz ist als Bestandsschutz ausgebildet: Soweit er eingreift, steht er der Rücknahme des begünstigenden Verwaltungsaktes entgegen. Ob und inwieweit Vertrauensschutz der Rücknahme entgegensteht, ist eine voll nachprüfbare Frage der Anwendung materiellen Rechts im Rahmen der Rücknahmeentscheidung, nicht aber Gegenstand von Ermessenserwägungen (BVerwG, Urt. v. 23.10.1980 - 3 C 36/78 - in juris Rd. 32).

24

Das Vertrauen ist gem. § 116 Abs. 2 S. 2 LVwG in der Regel u.a. dann schutzwürdig, wenn der Begünstigte die gewährten Leistungen verbraucht hat. Unstreitig hat der Kläger die für die jeweiligen Haushaltsjahre erhaltenen Mittel für die schulbezogenen und monatlich anfallenden Ausgaben vollständig verbraucht. Da sich die Höhe der jährlichen Zuwendung nach den jeweils zuwendungsfähigen, tatsächlichen Ausgaben richtet und die Verwendung der Zuwendung nach Nr. 7 ANBest-I nachzuweisen ist, ist von der Richtigkeit dieser Angaben und der Schutzwürdigkeit des Vertrauens i.S.d. § 116 Abs. 2 S. 2 LVwG auszugehen.

25

Der dem Kläger damit zustehende Vertrauensschutz ist auch nicht durch § 116 Abs. 2 S. 3 LVwG ausgeschlossen. Danach kann sich der Begünstigte nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen, wenn er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung (§ 116 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 LVwG) oder durch Angaben, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (§ 116 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 LVwG), erwirkt hat oder wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 116 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 LVwG).

26

Anhaltspunkte für eine arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung durch den Kläger ergeben sich nach dem vorliegenden Sachverhalt nicht und werden vom Beklagten auch nicht geltend gemacht.

27

Der Kläger hat die Landeszuschüsse auch nicht aufgrund Angaben erwirkt, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren. Der Wegfall des Vertrauensschutzes aufgrund unrichtiger Angaben basiert auf dem Gedanken, dass die Ursache der Fehlerhaftigkeit im Verantwortungsbereich des Begünstigten liegt (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, § 48 Rn. 115). Auf ein Verschulden des Begünstigten kommt es dabei jedoch nicht an (BVerwG, Urt. v. 14.08.1986 - 3 C 9/85 - E 74, 357, 364 = DVBl 1986, 1204, in juris Rd. 29; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 48 Rn. 119). Maßgeblich ist allein, ob die Angaben des Begünstigten objektiv unrichtig oder unvollständig sind (BVerwG, Urt. v. 14.08.1986 a.a.O.). Ob dies der Fall ist, ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (Kopp/Ramsauer a.a.O., § 48 Rn. 112 m.w.N.).

28

Vorliegend kann nicht davon ausgegangen werden, dass die angegebenen Schülerzahlen schon deswegen „unrichtig“ oder „unvollständig“ i.S.d. § 116 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 LVwG waren, weil sie im Ergebnis zu einer überhöhten und damit rechtswidrigen Bezuschussung führten. Ebenso wenig kommt es an dieser Stelle darauf an, was der Kläger nach Vorstellung des Beklagten über das Berechnungsverfahren hätte wissen müssen oder was er nach dessen Erwartung hätte mitteilen müssen. Maßgeblich ist vielmehr, was der Kläger aus der verobjektivierten Sicht eines Antragstellers anzugeben und zu berücksichtigen hatte. Dies wiederum richtet sich danach, was der Kläger nach dem Gesetz, nach etwaigen Auflagen, Richtlinien, Beilagen oder auch nach behördlicherseits erteilten Hinweisen oder Belehrungen anzugeben verpflichtet bzw. aufgefordert war. Dazu gehört auch, wie er das Verfahren und etwaige vorformulierte, von ihm auszufüllende Formulare nach den konkreten Umständen des Falles verstehen durfte. Die Richtigkeit oder Vollständigkeit seiner Angaben ist mithin auf der Grundlage dieses Verständnisses zu beurteilen (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 04.03.2002 - 2 L 170/01 - NVwZ-RR 2003, 5, in juris Rn. 4 m.w.N.; Kopp/Ramsauer a.a.O., Rn. 118 m.w.N.). In Anwendung dieser Grundsätze lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat.

29

Dem SchulG a.F. ist nicht zu entnehmen, dass es Pflicht des Klägers gewesen wäre, die anzugebende Jahresdurchschnittszahl in Anwendung der „Landeskinderklausel“ um diejenigen Schülerinnen und Schüler zu „bereinigen“, die ihren Wohnsitz nicht in Schleswig-Holstein haben. Von seiner Systematik her ist vielmehr vorgesehen, dass die Berechnung des Zuschusses Sache des Beklagten als Zuschuss gewährende Stelle ist, während der Kläger als Antragsteller die für die Berechnung erforderlichen Daten zu liefern hat: Nach § 64 Abs. 1 SchulG a.F. ist bei der Berechnung des Zuschusses die Jahresdurchschnittszahl der Schülerinnen und Schüler der Ersatzschule zugrunde zu legen. Die Durchschnittszahl wiederum wird nach der am 1. jedes Monats vorhandenen Zahl der Schülerinnen und Schüler errechnet. § 64 Abs. 2 SchulG a.F. verpflichtet die Ersatzschule zu entsprechenden Auskünften und Nachweisen. So gibt die Schule dem zu verwendenden Formular entsprechend Auskunft über die monatlich „vorhandene Zahl der Schülerinnen und Schüler“ und errechnet daraus eine Durchschnittszahl. Weitere Auswahlkriterien, eine Beschränkung auf bestimmte Schülerinnen und Schüler oder auch nur ein Verweis auf die „Landeskinderklausel“ sind weder in § 64 SchulG noch im vormals zu verwendenden Formular vorgesehen.

30

Die „Landeskinderklausel“ selbst richtete sich weder vom Wortlaut („Der Zuschuss wird … gewährt werden …“) noch vom Aufbau des Gesetzes her an den Kläger als Antragsteller. Sie war nicht in § 64, sondern als Abs. 6 in § 63 SchulG a.F. untergebracht. Hätte es Sache des Schulträgers sein sollen, den Durchschnitt der monatlich vorhandenen Zahl der Schülerinnen und Schüler unter Berücksichtigung der „Landeskinderklausel“ zu errechnen, hätte der Gesetzgeber dies ohne weiteres in § 64 statt in § 63 SchulG a.F. aufnehmen können - so, wie es nunmehr in § 122 Abs. 4 S. 4 SchulG n.F. mit zugleich neuer Formulierung zum Ausdruck gebracht ist („Für die Berechnung der Durchschnittszahl sind nur diejenigen Schülerinnen und Schüler zu berücksichtigen, die …“). Diese Gesetzesänderung hat außerdem zur Folge, dass die im Jahre 2007 angepassten Antragsformulare den Antragsteller mit Erwähnung des § 122 Abs. 4 SchulG n.F. nun auch zur „Landeskinderklausel“ hinführen.

31

Schließlich passt die „Landeskinderklausel“ auch von ihrer inhaltlichen Aussage her besser zu § 63 SchulG a.F., der die Bemessung und die Höhe des Zuschusses regelt und sich damit vornehmlich an das Ministerium richtet. Hinzu kommt, dass sie mehrschichtige Bedingungen formuliert, die ein einzelner Ersatzschulträger gar nicht übersehen kann. So macht sie die Zuschussgewährung nicht einfach vom Innehaben einer Wohnung in Schleswig-Holstein abhängig, sondern alternativ davon, ob für die Schülerinnen und Schüler (anstelle der Schulkostenbeiträge) an das Land Erstattungen nach § 77 a Abs. 1 S. 1 SchulG a.F. zu leisten sind oder ob dem Land im Übrigen (für Schülerinnen und Schüler mit Wohnung außerhalb Schleswig-Holsteins) aufgrund von Vereinbarungen Zahlungen zum Ausgleich des Zuschussbetrages zustehen. Ob und inwieweit solche Erstattungs- oder Zahlungsansprüche im Einzelnen bestehen, kann nur das Ministerium als Anspruchsinhaber zuverlässig beurteilen und entsprechend in die Berechnung des Zuschusses einbringen. Schließlich kann auch nur so eine einheitliche Handhabung der gesetzlichen Berechnungsvorgaben gewährleistet werden.

32

Dieses Ergebnis benachteiligt die Behörde auch nicht unbillig. Ebenso wie etwaige Ungenauigkeiten in einem Vordruck zulasten der Behörde gehen (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 04.03.2002 - 2 L 170/01 - NVwZ-RR 2003, 5, in juris Rn. 4 m.w.N.), muss die Behörde den Mangel eines Antragsformulars, das eine bestimmte Angabe nicht vorsieht, gegen sich gelten lassen, weil sie so zu erkennen gibt, dass sie darauf keinen Wert legt. In diesem Fall kann vom Beteiligten nicht verlangt werden, dass er diese Angaben dennoch macht. In der Folge darf die Behörde einen Beteiligten auch nicht auf ein etwaiges Fehlen von Angaben verweisen (BVerwG, Urt. v. 06.06.1991 - 3 C 46/86 - E 88, 278, in juris Rn. 28 a.E.). Wird die Behörde hingegen mit für sie ungenauen oder unklaren Angaben konfrontiert, hat sie zudem die Möglichkeit, durch gezielte Rückfragen eine Klarstellung zu erwirken (OVG Greifswald a.a.O., Rn. 6).

33

Dies gilt in Anbetracht der dargestellten Gesetzeslage, der Gestaltung des Formulars und der außerdem fehlenden Hinweise auf die „Landeskinderklausel“ auch im vorliegenden Fall. Hier ist die beklagte Behörde auf ihre Rolle als „Herrin des Verfahrens“ (§§ 83, 83a LVwG) zu verweisen, die u.a. die Abgabe und Berichtigung von Erklärungen anzuregen oder die Beteiligten über die im Verwaltungsverfahren zustehenden Rechten und obliegenden Pflichten aufzuklären hätte.

34

Das schutzwürdige Vertrauen des Klägers auf den Bestand der bewilligten Zuschüsse ist auch nicht ausgeschlossen, weil er die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide in den Haushaltsjahren 1998 bis 2006 kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit i.S.d. § 116 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 LVwG nicht kannte. Der Ausschluss des Vertrauensschutzes beruht in diesem Fall auf dem Gedanken, dass derjenige, der die Fehlerhaftigkeit eines Verwaltungsaktes kannte oder ohne besondere Mühe hätte erkennen können, auch mit einer Rücknahme rechnen muss (vgl. Kopp/Ramsauer a.a.O., § 48 Rn. 121 m.w.N.). Dabei muss sich die Kenntnis bzw. die Unkenntnis in Folge grober Fahrlässigkeit auf die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes und nicht lediglich auf die Tatsachen, die die Rechtswidrigkeit begründen, beziehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.12.1984 - GrSen 1/84, GrSen 2/84 - NJW 1985, 819). Die Kenntnis der Tatsachen, die die Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsakts begründen, sind der Kenntnis bzw. dem Kennen-Müssen auch der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes selbst nicht gleichzusetzen. Eine Gleichsetzung käme nur dann in Betracht, wenn der Betroffene hinreichend rechtskundig wäre, um aus den bekannten Tatsachen ohne weiteres die rechtlichen Folgerungen zu ziehen (VGH Kassel, Urt. v. 22.01.1990 - 8 UE 1215/84 - NVwZ 1990, 883, 885, in juris Rn. 31).

35

Es kommt im vorliegenden Fall demnach nicht allein auf die Kenntnis der „Landeskinderklausel“ an und auf das Bewusstsein, dass auch Schülerinnen und Schüler mit Wohnung in Dänemark in die Jahresdurchschnittszahlen eingeflossen sind. Der Kläger müsste zusätzlich gewusst oder grob fahrlässig nicht gewusst haben, dass die „Landeskinderklausel“ im Falle der Waldorfschule Flensburg anwendbar ist, dass der Beklagte die Zahlen trotz Kenntnis der im Erstattungsverfahren nach § 77 a SchulG a.F. eingereichten, auch dänische Schülerinnen und Schüler enthaltenden Listen ungeprüft übernimmt und dass die Zuwendungsbescheide von daher wegen einer objektiv falschen Berechnung nicht richtig sein können.

36

Anhaltspunkte für das Bestehen einer positiven Kenntnis dieser Umstände bestehen nicht und werden auch nicht geltend gemacht.

37

Eine grob fahrlässige Unkenntnis läge vor, wenn die gebotene Sorgfalt, die man hätte erwarten können und müssen, in besonders schwerer Weise oder in besonders schwerem Maße verletzt wurde, insbesondere wenn einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt wurden (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.02.1993 - 11 C 47/92 - E 92, 84; VGH Kassel a.a.O.; Kopp/Ramsauer a.a.O., § 48 Rn. 124). Dabei kommt es auf die individuellen Gegebenheiten, insbesondere auch die persönlichen Umstände und Fähigkeiten des Betroffenen an (BVerwG, Urt. v. 12.3.1991 - 6 C 51/88 - NJW 1991, 2718), nicht aber auf die objektiven Erfordernisse des Rechtsverkehrs (vgl. Kopp/Ramsauer a.a.O).

38

Von solch naheliegenden Umständen oder einfachsten Überlegungen, die zu einer Kenntnis des Klägers über die Rechtswidrigkeit hätten führen können oder müssen, kann nach Auffassung der Kammer nicht ausgegangen werden. Dies gilt bereits hinsichtlich des Wissens um die Existenz der „Landeskinderklausel“ und der - unterstellten - Kenntnis von den Vorgängen um die Lübecker Waldorfschule. Entgegen der Auffassung des Beklagten hätte sich dem Kläger deshalb noch nicht aufdrängen müssen, dass nicht nur Schülerinnen und Schüler aus anderen Bundesländern, sondern erst recht solche aus benachbarten Staaten nicht in die Berechnung des Zuschusses einfließen dürften. Für den Kläger schien dies auch keineswegs selbstverständlich. Er verweist auf die Tatsache, dass es im nördlichen Schleswig-Holstein auch dänische Schulen gebe - ebenso wie im südlichen Dänemark deutsche Schulen - und dass er angenommen habe, dass insoweit auch zwischenstaatliche Vereinbarungen bestehen. Diese Annahme erscheint nachvollziehbar und lässt jedenfalls eine grobe Fahrlässigkeit nicht erkennen. Dass es eine gegenseitige Anerkennung und Förderung der jeweiligen Minderheit einschließlich ihrer eigenen Schulen gibt, ist allgemein bekannt. Zu meinen, dass diese gegenseitige Anerkennung und Förderung im Rahmen zwischenstaatlicher Vereinbarungen geschieht, ist aus Sicht eines juristischen Laien oder auch eines Juristen, der sich mit dem deutsch-dänischen Verhältnis nicht näher befasst, keinesfalls abwegig. Darüber hinaus ist der Kläger, wie ausgeführt, weder auf die Existenz der „Landeskinderklausel“ noch auf ihre einzelnen Tatbestandsvarianten hingewiesen worden. Er ist erst recht nicht darauf hingewiesen worden, dass es mit Dänemark eben keine Vereinbarung i.S.d. § 63 Abs. 6 SchulG a.F. gibt und dass die „Landeskinderklausel“ deshalb sogar auf die dänischen Schulen in Schleswig-Holstein anwendbar ist.

39

Unter Berücksichtigung der zu § 116 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 LVwG gemachten Ausführungen hinsichtlich der gesetzlich vorgegebenen „Rollenverteilung“ durfte der Kläger als Träger einer Ersatzschule darüber hinaus davon ausgehen, dass der Beklagte als oberste Schul- und Schulaufsichtsbehörde des Landes und zugleich Zuschuss gewährende Stelle die gesetzlichen Vorschriften speziell über die Berechnung des Zuschusses - einschließlich der „Landeskinderklausel“ - kennt und diese nicht ungeprüft lassen wird. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Kläger weiter unterstellen konnte, dass dem Beklagten aus dem parallelen Erstattungsverfahren und der in diesem Zusammenhang beim Beklagten selbst geführten Schülerlisten jedenfalls in Gestalt der zuständigen Sachbearbeiterin bekannt war, dass die Schule auch von dänischen Schülerinnen und Schülern besucht wird. Insofern durfte er auch davon ausgehen, dass der Beklagte im Falle der Anwendbarkeit der „Landeskinderklausel“ Anlass haben würde, die Berechnung der Jahresdurchschnittszahlen zu überprüfen und bei Unklarheiten oder Unstimmigkeiten Rückfrage zu halten.

40

Darauf, ob der Kläger annehmen durfte, dass der Beklagte die übermittelten Daten des Zuschussverfahrens und des Erstattungsverfahrens miteinander vergleichen würde oder überhaupt vergleichen konnte, kommt es nicht an. Beide Verfahren dienen jedenfalls der Durchführung der Ersatzschulfinanzierung und stehen in einem inhaltlichen Zusammenhang. Die Einführung des § 63 Abs. 6 SchulG a.F. durch das Haushaltsbegleitgesetz 1994 war nur eine Folge der gleichzeitigen Einführung des § 77 a SchulG a.F.. Hintergrund dieser Neuregelung war der Umstand, dass sich der Schullastenausgleich nach den §§ 76, 77 SchulG a.F. bis dahin nur auf den Besuch öffentlicher Schulen bezog, so dass kommunale Schulträger (Schul-) Kosten sparten, wenn ihre Schülerinnen und Schüler anstelle öffentlicher Schulen Ersatzschulen besuchten. Diesen ersparten Aufwand hatte das Land im Rahmen der Bezuschussung der Ersatzschulen bis dahin mitgetragen, obwohl der kommunale Schulaufwand bei der Zuschussberechnung als Kostenpunkt einbezogen wurde (so die Gesetzesbegründung. in LT/Drs. 13/1358 S. 13 ff.). Der inhaltliche Zusammenhang ergibt sich augenfällig auch daraus, dass § 77 a SchulG a.F. selbst in § 63 Abs. 6 SchulG a.F. erwähnt wird. Danach wird der Zuschuss auch für solche Schülerinnen und Schüler gewährt, für die an das Land Erstattungen nach § 77 a Abs. 1 S. 1 SchulG (a.F.) zu leisten sind.

41

Da schließlich auch aus der Überprüfung der Zuwendungspraxis durch den Landesrechnungshof im Jahre 2002 in Bezug auf die Berücksichtigung dänischer Schülerinnen und Schüler keine Beanstandung folgte (oder folgen konnte), ergab sich für den Kläger auch hieraus kein Anlass, insoweit an der Rechtmäßigkeit der Zuschussgewährung zu zweifeln.

42

Nach alledem vermag die Kammer nicht zu erkennen, woraus sich die vom Beklagten angenommene „Erkundungspflicht“ auf Seiten des Klägers ergeben sollte. Eine gesteigerte Mitwirkungspflicht nach § 84 Abs. 2 LVwG besteht mangels Rechtsvorschrift nicht. Bei Beamten beispielsweise wird aufgrund ihrer Treuepflichten eine Pflicht zur Überprüfung und - bei Unklarheiten - zur Rückfrage angenommen (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.11.1986 - 2 C 29/84 - NVwZ 1987, 500, in juris Rn. 12). Eine solche Pflicht besteht im Übrigen aber nur, wenn offensichtlich Anlass zu Zweifeln besteht oder sich die Fehlerhaftigkeit aufdrängt. Anderenfalls kann ein Bürger darauf vertrauen, dass die Behörde rechtmäßig entschieden hat. Dabei darf er sich auf Verwaltungsvorschriften und eine ständige Verwaltungspraxis verlassen und handelt dann in aller Regel jedenfalls nicht grob fahrlässig (Kopp/Ramsauer a.a.O., Rn. 125 mwN). So liegt es auch hier. Nicht zuletzt aufgrund der unverändert fortgeführten Verwaltungspraxis und der mangelhaften Aufklärung im Verfahren hatte der Kläger keine ernsthafte Veranlassung, an der Rechtmäßigkeit der Zuwendungsbescheide zu zweifeln.

43

Da damit bereits die Voraussetzungen für die teilweise Rücknahme der Zuschussbescheide i.S.d. § 116 Abs. 2 LVwG nicht gegeben sind, kommt es auf die Überprüfung des Ermessens nicht mehr an.

44

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Sie ist gemäß § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.


(1) Die Errichtung und der Betrieb einer Transit-Rohrleitung in oder auf dem Festlandsockel bedarf einer Genehmigung

1.
in bergbaulicher Hinsicht und
2.
hinsichtlich der Ordnung der Nutzung und Benutzung der Gewässer über dem Festlandsockel und des Luftraumes über diesen Gewässern.
Für die Erteilung der Genehmigung nach Satz 1 Nr. 1 ist die gemäß § 136 bestimmte Behörde und für die Genehmigung nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie zuständig. Die Genehmigung nach Satz 1 Nr. 2 darf nur nach Vorliegen der Genehmigung nach Satz 1 Nr. 1 erteilt werden.

(2) Die Genehmigungen nach Absatz 1 dürfen nur versagt werden, wenn eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Personen oder von Sachgütern oder eine Beeinträchtigung überwiegender öffentlicher Interessen zu besorgen ist, die nicht durch eine Befristung, durch Bedingungen oder Auflagen verhütet oder ausgeglichen werden kann. Eine Beeinträchtigung überwiegender öffentlicher Interessen liegt insbesondere in den in § 132 Abs. 2 Nr. 3 genannten Fällen vor. Die nachträgliche Aufnahme, Änderung oder Ergänzung von Auflagen ist zulässig, wenn sie für den Unternehmer und für Rohrleitungen vergleichbarer Art wirtschaftlich vertretbar und nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik erfüllbar ist.

(2a) Für die Errichtung und den Betrieb einer Transit-Rohrleitung, die zugleich ein Vorhaben im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung ist, ist eine Prüfung der Umweltverträglichkeit im Genehmigungsverfahren nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Bei der Anwendung der Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes nach § 18 Absatz 1 Satz 4 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung tritt an die Stelle der Gemeinde die Genehmigungsbehörde. Auf die Auslegung des Plans nach § 73 Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und der Unterlagen nach § 19 Absatz 2 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung ist durch amtliche Bekanntmachung im Verkündungsblatt der Genehmigungsbehörde und durch Veröffentlichung in zwei überregionalen Tageszeitungen hinzuweisen.

(3) Für die Errichtung und den Betrieb einer Transit-Rohrleitung gelten die §§ 58 bis 62 und 65 bis 74 mit folgender Maßgabe entsprechend:
Für die Aufsicht nach den §§ 69 bis 74 ist, soweit sich aus § 134 nichts anderes ergibt, das Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie im Rahmen des mit der Genehmigung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 verfolgten Zwecks, im übrigen die nach § 136 bestimmte Behörde zuständig.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend für die Verlegung und den Betrieb von Unterwasserkabeln.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.