Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 15. Juli 2015 - 2 U 39/15

bei uns veröffentlicht am15.07.2015

Tenor

1. Der Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten wird

z u r ü c k g e w i e s e n.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 14. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Stuttgart vom 26. Februar 2015 (Az.: 14 O 350/14) wird

v e r w o r f e n.

Gründe

 
I.
A
Eingehend beim Oberlandesgericht Stuttgart am 25. März 2015 hat die Beklagte gegen das Urteil der 14. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Stuttgart vom 26. Februar 2015, der Beklagten zugestellt am 05. März 2015, Berufung eingelegt.
Dieses Rechtsmittel haben ihre Prozessbevollmächtigten am 04. Mai 2015 um 14.27 Uhr per Telefax gegenüber dem Landgericht Stuttgart begründet. Das Original der Berufungsbegründungsschrift ging am 06. Mai 2015 beim Landgericht Stuttgart ein.
Als die Berufungsbegründung beim Oberlandesgericht Stuttgart einging, war die Berufungsbegründungsfrist abgelaufen.
B
Auf diesen Ablauf und die Möglichkeit einer Verwerfung der Berufung als unzulässig wurden die Beklagtenvertreter mit Verfügung vom 21. Mai 2015 hingewiesen. Ihnen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
C
Unter dem 01. Juni 2015 haben die Beklagtenvertreter Antrag auf Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist beantragt und hierzu vorgetragen:
Der Prozessbevollmächtigte habe die Fehladressierung der Berufungsbegründung bemerkt und seine zuverlässige Kanzleikraft angewiesen, den Adressaten zu korrigieren. Dies sei geschehen; ihm sei der korrigierte Schriftsatz zur Unterschrift vorgelegt worden.
Er habe die korrigierte Fassung unterschrieben, verbunden mit der Anweisung, die fehlerhaften Schriftsätze zu vernichten und die richtigen abzusenden, wobei ein Schriftsatz vorab per Telefax übermittelt werden sollte.
Aus nicht erklärbaren Gründen seien dann vermutlich die an das Oberlandesgericht adressierten Schriftsätze vernichtet und die an das Landgericht Stuttgart gerichtete Berufungsschrift dorthin gefaxt und verschickt worden.
Bei der Rechtsanwaltsfachangestellten Frau K... F... handele es sich um eine geschulte und zuverlässige Bürokraft, wobei eine Verwechslung der Schriftsätze nach Erinnerung des Prozessbevollmächtigten noch nie geschehen sei.
10 
Hierzu hat der Prozessbevollmächtigte eine eidesstattliche Versicherung der Frau K... F... vom 01. Juni 2015 vorgelegt. Auf diese wird Bezug genommen, um Wiederholungen zu vermeiden.
11 
Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten repliziert, der Rechtsanwalt schulde nicht äußerste Sorgfalt, sondern nur übliche (BGH - V ZR 4/13).
D
12 
Der Kläger tritt dem Einsetzungsantrag entgegen, beantragt dessen Zurückweisung sowie die Verwerfung der Berufung, bestreitet den vorgetragenen Geschehensablauf und trägt vor:
13 
Der Rechtsanwalt, der eine Falschadressierung einer Berufungsbegründungsschrift bemerke, genüge seiner Sorgfaltspflicht nicht, wenn er lediglich mündlich eine Korrekturanweisung und eine Weisung gebe, den fehlerhaften Schriftsatz zu vernichten und den korrigierten an das Berufungsgericht zu übermitteln. Er müsse, um weitere Fehler zu vermeiden, den fehlerhaften selbst aus der Postmappe entfernen, um einer irrtümlichen Versendung vorzubeugen, zumal wenn er diesen bereits unterzeichnet habe.
14 
Keinesfalls hätte er ihn zur Vernichtung der Büroangestellten übergeben dürfen, ohne im Nachhinein die Vernichtung nochmals selbst zu überprüfen.
15 
Hätte sich der Prozessbevollmächtigte der Beklagten pflichtgemäß vor Löschung der Berufungsbegründungsfrist im Kalender den Sendebericht über das Telefax vorlegen lassen und diesen überprüft, so wäre ihm spätestens in diesem Zeitpunkt aufgefallen, dass es sich bei der Empfängernummer nicht um die Telefax-Nummer des Oberlandesgerichts Stuttgart handele. Dass eine Überprüfung des Sendeberichts erfolgt wäre, werde nicht einmal in der Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs behauptet, was darauf hindeute, dass eine solche Überprüfung pflichtwidrig nicht stattgefunden habe (vgl. BGH, Beschluss vom 10.05.2006 - XII ZB 267/04, NJW 2006, 2412, 2413, m.w.N.).
II.
16 
Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zulässig aber unbegründet.
1.
17 
Es kann dahinstehen, dass gegen die vorgelegte eidesstattliche Versicherung Bedenken bestehen, schon aus formalen Gründen und weil die Erklärende zu erkennen gibt, dass sie an den fraglichen Arbeitstag keine konkrete Erinnerung mehr haben dürfte.
2.
18 
Auch kann dahinstehen, dass im Büroablauf des Prozessbevollmächtigten der Beklagten nach seinem eigenen Vorbringen am fraglichen Tag mehrere gravierende Fehler nacheinander geschehen sind, die in der Summe erhebliche Zweifel daran begründen, ob die tätige Bürokraft, deren genaue formale Qualifikation und Berufserfahrung nicht vorgetragen sind, tatsächlich die erforderliche Zuverlässigkeit aufwies, um ihr den Versand von fristgebundenen Schriftsätzen zu übertragen.
19 
Von daher kann weiter dahinstehen, dass die Anforderungen, die der Gesetzgeber dadurch gesetzt hat, dass er dem Antragsteller bei einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgegeben hat, seine Angaben glaubhaft zu machen, nicht dadurch unterlaufen werden dürfen, dass neben den in § 294 ZPO ausdrücklich und abschließend genannten Mitteln der Glaubhaftmachung weitere zugelassen würden; namentlich die Zulassung der eidesstattlichen Versicherung, bei der falsche Angaben unter Strafandrohung stehen, verbietet es, geringer sanktionierte Eigenerklärungen als gleichrangig zuzulassen. Dadurch entstünde ein Wertungswiderspruch und die Folge wäre eine mit Rechtsunsicherheit verbundene Entwertung der zivilprozessrechtlichen Fristen. Auch besteht keine tatsächliche Vermutung der Richtigkeit von Angaben in einer eidesstattlichen Versicherung. Sie bedarf im Gegenteil einer besonders kritischen Würdigung, wenn sie von dem Rechtsanwalt abgegeben wird, der ein starkes Eigeninteresse daran hat, eine Wiedereinsetzung zu erlangen, oder wenn eine von diesem Rechtsanwalt wirtschaftlich abhängige Person die eidesstattliche Versicherung abgibt. Eine Vermutung für die Richtigkeit der Angaben in einem Wiedereinsetzungsantrag besteht nicht. Ob die Angaben glaubhaft gemacht sind, hat das Gericht in freier Beweiswürdigung zu entscheiden (a.A. wohl Hans. OLG Hamburg, Urteil vom 20. März 2015 - 11 U 245/14, bei juris; n. rkr., jetzt BGH - X ZR 155/15).
3.
20 
Denn die Beklagte hat auch auf der Grundlage des Vorbringens ihres Prozessbevollmächtigten zum Wiedereinsetzungsantrag die Berufungsbegründungsfrist schuldhaft versäumt. Ihren Prozessbevollmächtigten trifft an den Abläufen, die dazu geführt haben, dass die Berufungsbegründungsschrift erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist beim Berufungsgericht, dem Oberlandesgericht Stuttgart, eingegangen ist, ein Verschulden, welches nach § 85 Abs. 2 ZPO der Beklagten zuzurechnen ist. Er hat seine Organisationspflichten in zweifacher Weise verletzt.
a)
21 
Nach seinem Bekunden hatte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten den fälschlicherweise an das Landgericht adressierten Schriftsatz unterschrieben. Dadurch hatte er die schon in der Falschadressierung begründete Gefahr, dass dieser fristgebundene Schriftsatz an das falsche Gericht gesandt werde, erheblich erhöht.
22 
Nachdem er dies bemerkt hatte, hätte es ihm oblegen, sicherzustellen, dass dieser falsch adressierte Schriftsatz nicht abgesandt werde. Dafür reicht eine bloße mündliche Anweisung nicht aus (vgl. auch OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 26. Juli 2013 - 15 U 105/13, bei juris Rz. 6, bestätigt durch BGH, Beschluss vom 15. Mai 2014 - IX ZA 26/13, bei juris Rz. 8; a.A. Hans. OLG Hamburg, Urteil vom 20. März 2015 - 11 U 245/14, bei juris; n. rkr., jetzt BGH - X ZR 155/15). Der Rechtsanwalt muss einen falsch adressierten und dennoch unterschriebenen Schriftsatz aus der Postmappe entfernen oder ihn so deutlich kennzeichnen, dass eine Absendung als ausgeschlossen angesehen werden kann und, wenn er den zweiten Weg wählt, gewährleisten, dass nachträglich überprüft wird, dass sich die durch die Unterschrift des Rechtsanwaltes gesetzte Gefahr der Versendung nicht verwirklicht hat, sondern stattdessen der richtige Schriftsatz an das richtige Gericht übermittelt wurde.
23 
Diesen Anforderungen hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nicht genügt. Er hat sich nach seinem eigenen Vorbringen auf eine bloße mündliche Anweisung beschränkt.
b)
24 
Darüber hinaus war die Ausgangskontrolle über die Telefaxübermittlung unzureichend organisiert.
aa)
25 
Ist der Prozessbevollmächtigte zur Fristwahrung auf die Übersendung per Telefax angewiesen, so ist durch eine Kontrolle auf mehreren Ebenen sicherzustellen, dass die Übersendung an den richtigen Telefaxanschluss erfolgt und die Frist im Fristenkalender erst gestrichen wird, nachdem eine verlässliche Kontrolle erfolgt ist; am Ende des Arbeitstages ist eine erneute Überprüfung geboten.
26 
Der Rechtsanwalt ist dabei nicht gehalten, vor der Versendung persönlich zu kontrollieren, ob die richtige Telefaxnummer verwendet wurde. Bei dem Heraussuchen und Eingeben der Faxnummer in das Faxgerät handelt es sich um Hilfstätigkeiten, die dem geschulten Kanzleipersonal eigenverantwortlich überlassen werden können (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - IX ZB 34/10, NJW 2011, 312, bei juris Rz. 6; u.H. auf BGH, Beschlüsse vom 23. März 1995 - VII ZB 19/94, NJW 1995, 2105, 2106; vom 20. Dezember 1999 - II ZB 7/99, NJW 2000, 1043; BFH, NJW 2003, 2559, 2560). Allerdings ist der Rechtsanwalt verpflichtet, für eine Büroorganisation zu sorgen, die eine Überprüfung der durch Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf die Verwendung der zutreffenden Empfängernummer hin gewährleistet (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - IV ZB 34/10, NJW 2011, 312, bei juris Rz. 7 ff.).
bb)
27 
Eine diesen Vorgaben genügende Büroorganisation hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten auch auf den diesbezüglichen Hinweis des Klägers nicht vorgetragen, noch glaubhaft gemacht. Er hat lediglich eine mündliche Anweisung behauptet, sich aber weder zur Ermittlung der Empfängernummer geäußert, noch zu Kontrollmaßnahmen.
28 
Von daher bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob der Rechtsanwalt die Kontrolle aufgrund der Vorgeschichte persönlich vornehmen muss oder ob er sie einer Kanzleikraft übertragen darf und ob dies dieselbe Person sein kann, die die Versendung übernommen hatte.
cc)
29 
Davon, dass eine Übermittlung per Telefax zur Fristwahrung erforderlich war, ist hier auszugehen. Das Original der Berufungsbegründung ging erst am 06. Mai 2015 und damit nach Fristablauf - gleichfalls - beim Landgericht Stuttgart ein. Dass dies auf einer ungewöhnlichen Verzögerung im Postlauf beruht hätte, ist nicht vorgetragen.
dd)
30 
Es besteht für den Senat auch keine Pflicht, die anwaltlich vertretene Beklagte auf die nicht ausreichende Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hinzuweisen. Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine wirksame Kontrolle der Berufungsbegründungsfrist stellt, sind bekannt und müssen einem Anwalt auch ohne richterliche Hinweise geläufig sein. Tragen die zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags gemachten Angaben diesen Anforderungen nicht Rechnung, gibt dies keinen Hinweis auf Unklarheiten oder Lücken des Vortrags, die aufzuklären oder zu füllen wären, sondern erlaubt den Schluss darauf, dass entsprechende organisatorische Maßnahmen gefehlt haben (BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 - II ZB 3/11, MDR 2012, 485, bei juris Rz. 16, u.H. auf BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 369).
c)
31 
Die unzureichende Büroorganisation der Beklagtenvertreter war ursächlich dafür, dass die Berufungsbegründungsfrist versäumt worden ist.
aa)
32 
Es steht zur Überzeugung des Senates fest, dass schon bei einer auf der ersten Ebene gebotenen Kontrolle des Telefaxprotokolls auf den Empfänger hin unmittelbar nach der Absendung aufgefallen wäre, dass der Schriftsatz an das Landgericht Stuttgart übersandt worden war. Aufgrund der vorangegangenen Weisung und der weiteren Vorgeschichte hätte die Bürokraft dann sofort diesen weiteren Fehler bemerkt und die Berufungsbegründungsschrift noch fristwahrend an das Oberlandesgericht Stuttgart übersenden können (vgl. zur Kausalität BGH, Beschlüsse vom 09. Dezember 2014 - VI ZB 42/13, MDR 2015, 112; und vom 13. Juli 2010 - VI ZB 1/10, NJW 2011, 151, Rn. 9).
bb)
33 
Auf die darüber hinaus gebotene Abschlusskontrolle am Abend desselben Arbeitstages vor Arbeitsende, bei der, wäre sie ordnungsgemäß erfolgt, wiederum aufgefallen wäre, dass die Telefaxübermittlung an das Landgericht erfolgt war und nicht an das Berufungsgericht, kommt es gleichfalls nicht mehr an. Dass und wie sie erfolgt sei, trägt der Prozessbevollmächtigte der Beklagten ebenfalls nicht vor (vgl. BGH, Beschlüsse vom 08. Januar 2013 - VI ZB 78/11, VersR 2014, 645, Rn. 10; vom 23. Januar 2013 - XII ZB 559/12, VersR 2013, 1330, Rn. 6; vom 27. November 2013 - III ZB 46/13, juris Rn. 8; vom 16. Juli 2014 - IV ZB 40/13, juris Rn. 9; vom 04. November 2014 - VIII ZB 38/14, juris Rn. 8 ff.; vom 09. Dezember 2014 - VI ZB 42/13, MDR 2015, 112, bei juris Rz. 8, m.w.N.; vom 26. Februar 2015 - III ZB 55/14, MDR 2015, 481, bei juris Rz. 18; je m.w.N.; s. auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 07. Mai 2015 - 2 W 18/15).
d)
34 
Der Geschehensablauf wird auch nicht dadurch überholt, dass das Landgericht es versäumt hätte, die Berufungsbegründungsschrift im ordnungsgemäßen Geschäftsgang an das zuständige Oberlandesgericht Stuttgart weiterzuleiten.
aa)
35 
Der Grundsatz des fairen Verfahrens gebietet es, dass das unzuständige aber angegangene Gericht, insbesondere die Vorinstanz, gehalten ist, leicht erkennbare Irrläufer im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsgangs an das zuständige Gericht weiterzuleiten (LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 05. September 2012 - 7 Sa 19/11, bei juris Rz. 18). Zu Eilmaßnahmen zugunsten der Partei ist das Landgericht hingegen nicht verpflichtet. Es ist auch nicht gehalten, seinen Geschäftsablauf zu Lasten anderer Verfahren umzugestalten, um den Fehler einer Partei auszugleichen.
bb)
36 
Es ist nicht davon auszugehen, dass das Landgericht hiergegen verstoßen habe und deshalb die Berufungsbegründungsschrift erst nach Ablauf der gesetzlichen Frist beim Oberlandesgericht Stuttgart eingegangen sei. Anhaltspunkte für eine verzögerliche Sachbehandlung fehlen. Die Beklagte trägt hierzu auch nichts vor. Der Senat weist nur am Rande auf folgende Punkte hin:
(1)
37 
Das Telefax mit der Berufungsbegründung ging beim Landgericht Stuttgart erst am Nachmittag des 04. Mai 2015, des vorletzten Tages der Berufungsbegründungsfrist, ein. Wann es auf der zuständigen Geschäftsstelle einging, ist nicht nachvollziehbar. Bei der Größe des Landgerichts Stuttgart ist nicht sicher davon auszugehen, dass ein am Nachmittag eingehendes Telefax noch am selben Tag vor Dienstschluss des Geschäftsstellenbediensteten die Geschäftsstelle erreicht.
(2)
38 
Auch LAG für die Geschäftsstelle kein offensichtlicher Fehler vor, der sie hätte veranlassen müssen, das Telefax umgehend an das Oberlandesgericht Stuttgart zu versenden. Als Adressat war das Landgericht Stuttgart angegeben. Adressat und Empfänger stimmen also überein. Bei einer derartigen Sachlage ist die Geschäftsstelle gehalten, das Schreiben zusammen mit der Akte dem zuständigen Referatsrichter vorzulegen, damit dieser Weisung gebe, wie weiter zu verfahren sei.
39 
Daran ändert auch die Bezeichnung des Schreibens als Berufungsbegründungsschrift unter Angabe des Aktenzeichens nichts. In der Rechtsprechung werden in weitem Umfang Umdeutungen von Prozesserklärungen zugelassen. Ob eine solche hier in Betracht zu ziehen und möglicherweise eine Entscheidung des Landgerichts geboten sei, konnte die Geschäftsstelle aus dem Schreiben selbst nicht auf den ersten Blick erkennen; zu einer Prüfung war sie weder gehalten, noch auch nur berechtigt. Diese obliegt allein dem Richter.
(3)
40 
Es kann nicht angenommen werden, dass der Richter die Sache noch am selben Tag bearbeitet hätte und diese noch vor dem dortigen Dienstschluss wieder auf der Geschäftsstelle eingetroffen wäre. Dies schon deshalb, weil sich die Akte - was zu Lasten der Beklagten geht, aber hier nicht entscheidend ist - beim Landgericht offenbar im Geschäftsumlauf befand und erst beigezogen werden musste.
(4)
41 
Selbst wenn man davon ausgeht, der Richter hätte das Schreiben mitsamt der Akte am 05. Mai 2015 vorgelegt bekommen und noch am selben Tag bearbeitet, so wäre dadurch noch nicht sichergestellt gewesen, dass die Akte mit der Berufungsbegründungsschrift das Berufungsgericht im gewöhnlichen Geschäftsgang noch am selben Tag, dem letzten der Berufungsbegründungsfrist, erreicht hätte.
III.
42 
Infolge dessen war die Berufung der Beklagten, wie angekündigt, nach § 522 Abs. 1 ZPO durch Beschluss zu verwerfen. Sie wurde nicht fristgereicht begründet und ist daher unzulässig.
IV.
43 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 48 Abs. 1, 43 Abs. 1, 47 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.
44 
Eine Rechtsbeschwerdezulassung ist nicht veranlasst (§ 522 Abs. 1 S. 4 ZPO). Ein Grund für eine Zulassung im Sinne des § 574 Abs. 2 ZPO läge auch nicht vor.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Zivilprozessordnung - ZPO | § 294 Glaubhaftmachung


(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden. (2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 48 Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten


(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richten sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt i

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 267/04
vom
10. Mai 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wird ein fristgebundener Schriftsatz per Telefax übermittelt, muss sich die im
Rahmen der Ausgangskontrolle gebotene Überprüfung des Sendeberichts auch
darauf erstrecken, ob die zutreffende Faxnummer des Empfangsgerichts angewählt
wurde (st. Rspr., vgl. BGH Beschluss vom 18. Mai 2004 - VI ZB 12/03 -
FamRZ 2004, 1275 f. m.N.).
Ergab sich die Faxnummer des Gerichts nicht aus in der Handakte befindlichen
Schreiben dieses Gerichts und hatte der Rechtsanwalt es zulässigerweise einer
ausreichend ausgebildeten und zuverlässigen Kanzleiangestellten überlassen,
die Faxnummer des Gerichts (hier: anhand einer Internet-Telefonbuchseite der
Telekom) zu ermitteln und in den Schriftsatz einzufügen, darf sich die Kontrolle
des Sendeberichts nicht darauf beschränken, die darin ausgedruckte Faxnummer
mit der zuvor in den Schriftsatz eingefügten Faxnummer zu vergleichen.
Der Abgleich hat vielmehr anhand des zuvor verwendeten oder eines anderen,
ebenso zuverlässigen Verzeichnisses zu erfolgen, um nicht nur Fehler bei der
Eingabe, sondern auch schon bei der Ermittlung der Faxnummer oder ihrer
Übertragung in den Schriftsatz aufdecken zu können (Fortführung von Senatsbeschluss
vom 20. Juli 2005 - XII ZB 68/05 - FamRZ 2005, 1534 f.).
BGH, Beschluss vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - OLG Karlsruhe
LG Konstanz
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Mai 2006 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt und die
Richterin Dr. Vézina

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 19. Zivilsenat in Freiburg - vom 16. Dezember 2004 wird auf Kosten der Klägerin verworfen. Beschwerdewert: 93.982 €

Gründe:

I.

1
Am 30. September 2004 legte die Klägerin durch ihre zunächst beauftragten zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten Berufung gegen das ihr am 31. August 2004 zugestellte Urteil des Landgerichts ein, mit dem ihre Klage auf Feststellung des Fortbestehens eines Mietvertrages abgewiesen worden war. Auf ihren am 29. Oktober 2004 beim Oberlandesgericht eingegangenen Antrag wurde die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 30. November 2004 verlängert.
2
Mit Schriftsatz vom 30. November 2004 zeigten die jetzigen zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin an, diese nunmehr zu vertreten, und begründeten die Berufung. Dieser Schriftsatz ging am selben Tag per Fax beim Landgericht Freiburg und nach Weiterleitung am Mittwoch, dem 1. Dezember 2004, bei den Freiburger Zivilsenaten des Oberlandesgerichts ein.
3
Auf gerichtlichen Hinweis vom 1. Dezember 2004 beantragte die Klägerin , ihr gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Eine Angestellte der Kanzlei ihres zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten W. habe im Anschluss an die ihr erteilte Weisung, die Faxnummer der Zivilsenate in Freiburg des Oberlandesgerichts Karlsruhe zu ermitteln und in den Schriftsatz einzufügen, versehentlich die Faxnummer des Landgerichts eingesetzt und den Schriftsatz dorthin übermittelt , wie sich aus den anwaltlich versicherten Angaben des Rechtsanwalts W. im Wiedereinsetzungsgesuch und der ihm beigefügten eidesstattlichen Versicherung der Angestellten L. ergebe. Die Verwechslung beruhe darauf, dass sie eine Internet-Seite der Telekom aufgerufen und dabei versehentlich die eine Zeile über dem Oberlandesgericht aufgeführte Nummer des Landgerichts abgelesen habe.
4
Das Oberlandesgericht wies das Wiedereinsetzungsgesuch der Klägerin durch Beschluss zurück und verwarf die Berufung zugleich als unzulässig. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

5
1. Die nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde der Klägerin ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
6
2. Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen und infolge dessen die Berufung verworfen, weil die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruhe. Dieser dürfe die Telefax-Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes zwar im Rahmen einer die nötige Sicherheit gewährleistenden Büroorganisation einer ausreichend ausgebildeten, zuverlässigen und - wenn nötig - hinreichend überwachten Anwaltsgehilfin überlassen und brauche die von ihr ermittelte Faxnummer auch dann, wenn sie vor der Unterzeichnung des Schriftsatzes in diesen eingefügt wurde, nicht selbst auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Die Klägerin habe jedoch nicht vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten eine allgemeine Büroanweisung zur Ausgangskontrolle von per Fax zu übermittelnden fristwahrenden Schriftsätzen bestehe, die auch - wie erforderlich - gewährleiste, dass die Übermittlung an die richtige Faxnummer des Empfängers erfolgt sei.
7
Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen und entspricht auch im zuletzt genannten Punkt der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, derzufolge ein Anwalt grundsätzlich verpflichtet ist, für eine Büroorganisation zu sorgen, die eine Überprüfung der durch Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf die Verwendung der zutreffenden Empfängernummer hin gewährleistet, und zwar dergestalt, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und entsprechend - d.h. auch auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer - überprüft werden muss (BGH, Beschluss vom 18. Mai 2004 - VI ZB 12/03 - FamRZ 2004, 1275 f. m.N.).
8
a) Hier hat die Klägerin zwar glaubhaft gemacht, dass die Büroangestellte L. nach der Übermittlung der Berufungsbegründung einen Sendebericht ausgedruckt und Rechtsanwalt W. vorgelegt hat, der ihn kontrollierte.
9
Dem ist aber bereits nicht zu entnehmen, dass Rechtsanwalt W. auch überprüft hat, ob es sich bei der aus dem Sendebericht ersichtlichen Faxnummer um diejenige des Oberlandesgerichts handelte. Nach seiner eigenen Darstellung hat er sich (nur) den Sendebericht vorlegen lassen und sich von der "störungsfreien Übermittlung" überzeugt. Dies lässt es möglich erscheinen, dass er sich nur vergewissert hat, ob der Sendebericht den Vermerk "OK" aufwies. Nach Darstellung der Büroangestellten L. wurde ihm das Sendeprotokoll hingegen zusammen mit der Berufungsbegründungsschrift vorgelegt, und seine Kontrolle bezog sich auf deren "vollständigen Versand", so dass angesichts dieser detaillierteren Darstellung davon ausgegangen werden kann, dass Rechtsanwalt W. auch die Seitenzahl überprüft hat. War dies der Fall, mag auch die Vermutung nahe liegen, dass Rechtsanwalt W. zugleich auch die Faxnummer des Sendeberichts mit der auf dem Schriftsatz angegebenen Faxnummer verglichen hat.
10
Auch die Rechtsbeschwerde lässt dies dahinstehen und weist - insoweit zutreffend - darauf hin, dass ein etwaiges Unterlassen der vorstehend genannten Überprüfung für die Versäumung der Frist jedenfalls nicht ursächlich gewesen wäre, weil die Faxnummern auf dem Sendebericht und dem Schriftsatz tatsächlich übereinstimmten und ein Vergleich nicht zur Aufdeckung des Fehlers hätte führen können.
11
Mit dieser Begründung lässt sich ein der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Anwaltsverschulden aber nicht ausräumen:
12
b) Ob in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin überhaupt allgemeine Büroanweisungen zur Ausgangskontrolle existierten, ist dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht zu entnehmen. Hatte er selbst es übernommen, das Sendeprotokoll im Rahmen der Ausgangskontrolle zu prüfen, durfte er sich dabei nicht auf den Vergleich der Faxnummern im Sendebericht und im Schriftsatz beschränken. Denn die Ausgangskontrolle muss sich auch darauf erstrecken , dass die Übermittlung an den richtigen Empfänger erfolgt ist (Senatsbeschluss vom 20. Juli 2005 - XII ZB 68/05 - FamRZ 2005, 1534 f.). Der Vergleich dieser beiden Faxnummern ist aber nur geeignet, einen Fehler bei der Eingabe der Nummer in das Faxgerät aufzudecken, nicht aber sicherzustellen, dass die im Schriftsatz angegebene Faxnummer zutreffend ermittelt wurde. Insoweit kommt es - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - auch nicht darauf an, wie hoch die Verwechslungsgefahr bei dem zur Ermittlung herangezogenen Verzeichnis war, und welche Vorkehrungen gegebenenfalls zu treffen sind, wenn die Ermittlung der Empfängernummer dem Büropersonal überlassen wird.
13
Denn die Ausgangskontrolle setzt, wie bereits dem Begriff Kontrolle zu entnehmen ist, eine nochmalige, selbständige Prüfung voraus (vgl. auch BGH, Beschluss vom 11. März 2004 - IX ZR 20/03 - BGHReport 2004, 978 f.). Die bloße, auf Nachfrage des Anwalts abgegebene Versicherung der Angestellten, die zutreffende Empfängernummer ermittelt und in den Schriftsatz eingesetzt zu haben, vermag die anschließende Überprüfung dieses Vorgangs nicht zu ersetzen. Hierzu hätte es zumindest der weiteren Versicherung der Angestellten bedurft , die von ihr in den Schriftsatz eingesetzte Faxnummer anschließend noch einmal mit dem verwendeten Verzeichnis abgeglichen zu haben.
14
Aber selbst wenn der Auffassung der Rechtsbeschwerde zu folgen wäre, dass eine nochmalige Überprüfung anhand des zur "Erstermittlung" benutzten Verzeichnisses nur dann unabdingbar sei, wenn das Risiko eines Versehens bei der Ermittlung besonders hoch ist, ergäbe sich hier nichts anderes. In seinem Beschluss vom 22. Juni 2004 (- VI ZB 14/04 - NJW 2004, 3491 f.), auf den sich die Rechtsbeschwerde insoweit beruft, hat der Bundesgerichtshof als Beispiel für ein besonders hohes Verwechslungsrisiko den Fall genannt, dass die Empfängernummer im Einzelfall aus elektronischen Dateien herausgesucht wird und an einem und demselben Ort mehrere Empfänger in Betracht kommen. Das war auch hier der Fall (Internetseite der Deutschen Telekom mit der Auflistung der Justizbehörden in Freiburg; darunter Amts-, Land- und Oberlandesgericht

).

15
Im Übrigen betraf diese Entscheidung einen Fall, in dem die abgelesene Faxnummer offenbar unmittelbar handschriftlich in einen bereits ausgedruckten Schriftsatz eingefügt wurde. Im vorliegenden Fall hat die Büroangestellte L. die am Bildschirm (falsch) abgelesene Faxnummer hingegen zunächst "notiert", d.h. handschriftlich festgehalten und sodann in den am Computer vorgefertigten Schriftsatz eingesetzt. Das mit dieser zweifachen Übertragung verbundene höhere Risiko eines Übertragungsfehlers hat sich im vorliegenden Fall zwar nicht verwirklicht, gehört aber ebenfalls zu den Umständen, die nach der zitierten Entscheidung Anlass zur nochmaligen Überprüfung geben.
16
c) Bestand hingegen eine allgemeine Anweisung, durch die die Ausgangskontrolle einer geschulten Fachkraft übertragen war, lässt das Wiedereinsetzungsgesuch sowohl eine Darstellung dieser Anweisung als auch Angaben dazu vermissen, wer für die Streichung der Frist im Fristenkalender zuständig war. Zudem hat Rechtsanwalt W. dadurch, dass er selbst den Sendebericht kontrollierte, in die Büroorganisation eingegriffen und - mangels einer klaren Anweisung auch für diesen Fall - eine Situation geschaffen, in der für seine Angestellten ungewiss war, ob sie damit ihrer gegebenenfalls bestehenden eige- nen Prüfungspflichten im vorliegenden Einzelfall enthoben waren oder nicht. Auch darin ist ein Organisationsverschulden zu sehen, da nicht vorgetragen ist, dass für einen solchen Fall eindeutige Anweisungen bestanden. Es ist nicht auszuschließen, dass die Angestellte L. oder gegebenenfalls eine andere, mit der Führung des Fristenbuchs betraute Angestellte den erforderlichen nochmaligen Abgleich des Sendeberichts mit dem bei der Erstermittlung der Faxnummer verwendeten Verzeichnis oder einem anderen Verzeichnis vorgenommen hätten, wenn Rechtsanwalt W. nicht den Eindruck vermittelt hätte, diese Ausgangskontrolle selbst zu übernehmen.
Hahne Sprick Fuchs Ahlt Vézina

Vorinstanzen:
LG Konstanz, Entscheidung vom 26.08.2004 - 2 O 230/04 -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 16.12.2004 - 19 U 184/04 -

(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden.

(2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche des Klägers als Insolvenzverwalter über das Vermögen der C-AG gegen die Beklagten. Der Beklagte zu 1) war Aktionär der Schuldnerin, der Beklagte zu 2) dessen Prozessbevollmächtigter in einem Anfechtungsverfahren im Zusammenhang mit einem Kapitalerhöhungsbeschluss der Schuldnerin.

2

Das Landgericht hat die Beklagten mit Urteil vom 25.08.2014 zur Zahlung von 2 Mio. Euro verurteilt. Das Urteil wurde den Beklagten am 01.09.2014 zugestellt.

3

Mit Schriftsatz vom 30.09.2014 haben die Beklagten Berufung eingelegt. Der Schriftsatz ist am 01.10.2014 bei der Gemeinsamen Annahmestelle des Amtsgerichts Hamburg, bei der fristwahrend auch Schriftstücke für das Hanseatische Oberlandesgericht und das Landgericht Hamburg eingereicht werden können, eingegangen. Dieser zweiseitige Schriftsatz trägt das Datum „30.09.2014“ und ist adressiert „An das Landgericht Hamburg, Zivilkammer …, … Hamburg“. Auf der ersten Seite heißt es weiter: „Aktenzeichen I. Instanz: (…)“ und „Berufung“. Auf der zweiten Seite findet sich als vorgedruckte Unterschrift „(C.) Rechtsanwalt“, unterzeichnet wurde der Schriftsatz von der Zeugin Rechtsanwältin A., und zwar „i.V.“. Von der Gemeinsamen Annahmestelle ist der Schriftsatz an die Geschäftsstelle der Zivilkammer … des Landgerichts Hamburg übersandt worden.

4

Am 02.10.2014 ist der Schriftsatz, versehen mit einem gelben Klebezettel mit der Aufschrift „‘Eilt‘ Turnus OLG“, beim Hanseatischen Oberlandesgericht eingegangen und an die Geschäftsstelle des Senats gelangt.

5

Mit Beschluss vom 21.10.2014 hat der Senat die Beklagten darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung zu verwerfen, da der Berufungsschriftsatz vom 30.09.2014 erst nach Ablauf der am 01.10.2014 endenden Berufungsfrist beim Hanseatischen Oberlandesgericht eingegangen sei.

6

Mit Schriftsatz vom 06.11.2014, eingegangen am 07.11.2014, haben die Beklagten hierzu Stellung genommen.

7

Sie sind der Ansicht, der Eingang bei der Gemeinsamen Annahmestelle am 01.10.2014 genüge zur Fristwahrung, da sich der ersten Seite des Schriftsatzes hinreichend entnehmen lasse, dass Berufung gegen ein Landgerichtsurteil eingelegt werden sollte.

8

Jedenfalls sei deshalb von einem rechtzeitigen Eingang beim Hanseatischen Oberlandesgericht auszugehen, weil der Beklagte zu 2) auf Nachfrage erfahren habe, dass die zuständige Mitarbeiterin des Landgerichts die falsche Adressierung sofort bemerkt und sogleich die Geschäftsstellenverwalterin des Senats angerufen habe. Diese habe erklärt, der Schriftsatz solle mit einem Hinweis „Eilt, Turnus OLG“ versehen und in die eilige Post für das Hanseatische Oberlandesgericht gegeben werden, weil er dann das Oberlandesgericht noch am 01.10.2014 erreichen werde. In diesem Sinne sei die Mitarbeiterin des Landgerichts vorgegangen, nachdem sie Rücksprache mit dem Vorsitzenden der Zivilkammer … gehalten habe. Für weitere Einzelheiten wird auf die eidesstattliche Versicherung des Beklagten zu 2) Bezug genommen (Anlage B).

9

Vorsorglich beantragen die Beklagten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Eine Fristversäumung wäre jedenfalls unverschuldet erfolgt.

10

Dies folge schon daraus, dass die Geschäftsstellenverwalterinnen der Zivilkammer … des Landgerichts Hamburg und des Senats übereinstimmend davon ausgegangen seien, dass der Schriftsatz noch am 01.10.2014 das Hanseatische Oberlandesgericht erreichen werde. In einer solchen Konstellation liege eine aus der Fürsorgepflicht erwachsende Verantwortlichkeit im gerichtlichen Bereich vor.

11

Unabhängig davon liege kein den Beklagten zurechenbares Anwaltsverschulden vor. Frau Rechtsanwältin A. habe die falsche Adressierung auf dem ihr zur Unterschrift vorgelegten Schriftsatz bemerkt und die Angestellte Frau B. angewiesen, die Adresse zu ändern, zugleich aber bereits den Schriftsatz unterzeichnet, da sie in Eile gewesen sei. Frau B., bei der es sich um eine langjährige, zuverlässige Mitarbeiterin handele, habe diese Änderung zugesagt, dann aber aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen nicht vorgenommen. Für die Einzelheiten wird auf die eidesstattlichen Versicherungen des Herrn Rechtsanwaltes C. (Anlagen C, F), der Rechtsanwältin A. (Anlage D) und der Frau B. (Anlage E) Bezug genommen.

12

Die Beklagten beantragen,

13

für die Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

14

Der Kläger beantragt,

15

den Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen.

16

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2015 - wie bereits in der Ladung angekündigt - beschlossen, dass sich die mündliche Verhandlung auf den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten beschränkt, und die Zeuginnen B. und A. zum Inhalt ihrer eidesstattlichen Versicherungen vernommen. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.

17

Mit Schriftsatz vom 27.02.2015 haben die Beklagten zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen und dabei insbesondere zum Ablauf nach Zugang des Senatsbeschlusses in der Kanzlei der Beklagtenvertreter vorgetragen sowie eine weitere eidesstattliche Versicherung der Zeugin A., diesen Ablauf betreffend, vorgelegt. Für die weiteren Einzelheiten wird auf diesen Schriftsatz Bezug genommen.

II.

18

Die Berufung der Beklagten ist unzulässig, denn sie ist entgegen §§ 517, 519 Abs. 1 ZPO nicht innerhalb der Monatsfrist beim Berufungsgericht eingelegt worden (§ 522 Abs. 1 ZPO).

19

Die Berufungsschrift vom 30.09.2014 ist erst am 02.10.2014 und damit nach Ablauf der Berufungsfrist beim Berufungsgericht eingegangen (1.). Die Berufungsfrist lief am 01.10.2014 ab, nachdem den Prozessbevollmächtigten der Beklagten das angefochtene Urteil am 01.09.2014 zugestellt worden ist.

20

Den Beklagten war insoweit auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (2.).

21

1. a) Dass die Berufungsschrift noch am 01.10.2014 bei der Gemeinsamen Annahmestelle des Amtsgerichts Hamburg, bei der fristwahrend auch Schriftsätze an das Hanseatische Oberlandesgericht eingereicht werden können, eingegangen war, ist unerheblich. Der Eingang des Schriftsatzes bei dieser Stelle kann deshalb, weil er an das Landgericht Hamburg adressiert war, nicht als Eingang bei dem Berufungsgericht angesehen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 18.02.1997, VI ZB 28/96, juris Rn. 4). Durch diese eindeutige Adressierung hilft es den Beklagten auch nicht, dass dem Schriftsatz zu entnehmen war, dass Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts eingelegt werden sollte (vgl. BGH, aaO., Rn. 6). Soweit sich die Beklagten auf den Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 06.10.1988 berufen (VII ZB 1/88), liegt kein vergleichbarer Sachverhalt vor. Der Bundesgerichtshof hat dort entschieden, dass die Rechtsmittelfrist gewahrt sei, wenn die mit dem zutreffenden Aktenzeichen des Oberlandesgerichts versehene, aber irrtümlich an das Landgericht adressierte Berufungsbegründungsschrift rechtzeitig bei der gemeinsamen Annahmestelle eingehe. Vorliegend war aber für die Mitarbeiter der Gemeinsamen Annahmestelle gerade nicht ersichtlich, dass es sich um einen „Irrläufer“ gehandelt hat. Es war genauso möglich, dass die Adressierung an das Landgericht auf dem Irrtum darüber beruhte, bei welchem Gericht die Berufung gegen ein Zivilurteil einzulegen ist.

22

b) Ein Zugang beim Hanseatischen Oberlandesgericht am 01.10.2014 kann auch nicht damit fingiert werden, dass die Geschäftsstellenverwalterin des Senats dem Landgericht Vorgaben zur weiteren Behandlung gegeben haben soll, mit denen ein Eingang am 01.10.2014 gewährleistet sei. Maßgeblich ist allein, dass der Schriftsatz erst am 02.10.2014 in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Hanseatischen Oberlandesgerichts gelangt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.01.2003, VI ZB 29/02, juris Rn. 7).

23

2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zulässig, aber unbegründet.

24

a) Eine schuldlose Versäumung der Berufungsfrist lässt sich nicht mit einem „überwiegenden Mitverschulden“ der Justiz begründen, wie es die Beklagten unter Hinweis auf die Abläufe am 01.10.2014 tun, die der Beklagte zu 2) in seiner eidesstattlichen Versicherung schildert (Anlage B). Dies folgt schon daraus, dass für die Justiz keine Verpflichtung zu Maßnahmen außerhalb des ordentlichen Geschäftsgangs bestand (BGH, Beschluss vom 28.01.2003, VI ZB 29/02, juris Rn. 8). Weder die Geschäftsstelle des Landgerichts noch diejenige des Senats musste deshalb dafür sorgen, dass die Berufungsschrift noch am 01.10.2014 das Hanseatische Oberlandesgericht erreicht. Die von den Beklagten im Schriftsatz vom 27.02.2015 angenommene, aus einer Fürsorgepflicht erwachsende Verantwortlichkeit im gerichtlichen Bereich bestand nicht.

25

b) Die Beklagten haben auch ansonsten nicht glaubhaft gemacht, dass sie an der Versäumung der Frist kein Verschulden traf. Es besteht auch nach der durchgeführten Beweisaufnahme keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Prozessbevollmächtigten der Beklagten, deren Verschulden den Beklagten zuzurechnen ist (§ 85 Abs. 2 ZPO), alle erforderlichen Maßnahmen getroffen hatten, um den rechtzeitigen Eingang der Berufungsschrift beim Berufungsgericht zu gewährleisten.

26

Zwar hätten die Beklagtenvertreter den an sie gestellten Anforderungen genügt, wenn der Ablauf so war, wie er in den eidesstattlichen Versicherungen der Zeuginnen A. und B. dargestellt worden ist. Insgesamt entspricht die Darstellung in den eidesstattlichen Versicherungen dem Ablauf, den der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 05.06.2013 (XII ZB 47/10) für ausreichend erachtet hat (juris, Rn. 9 ff.; vgl. auch Beschlüsse vom 20.03.2012, VIII ZB 41/11, juris Rn. 10 ff. und 17.08.2011, I ZB 21/11, juris Rn. 12 ff.). Frau A. soll bemerkt haben, dass der Schriftsatz falsch adressiert war, und der Mitarbeiterin Frau B. die Anweisung erteilt haben, dies zu korrigieren. Dass die Zeugin A. den Schriftsatz schon vor der Korrektur unterzeichnet haben soll, wäre unschädlich.

27

Nach der umfassenden Würdigung der Umstände des vorliegenden Falles spricht jedoch nicht mehr für das Vorliegen der in Rede stehenden Behauptungen als dagegen (vgl. zum Maßstab der Glaubhaftmachung BGH, Beschluss vom 21.10.2010, V ZB 210/09, juris Rn. 7). Weder die eidesstattlichen Versicherungen noch die Aussagen der Zeuginnen (vgl. BGH, Beschluss vom 24.02.2010, XII ZB 129/09, juris Rn. 10, 11) konnten dem Senat die nach dem dargestellten Grundsatz erforderliche Wahrscheinlichkeit vermitteln, dass es die behauptete Einzelanweisung an Frau B. gab. Der Senat hält es ebenso für möglich, dass die Zeugin A. die falsche Anschrift nicht bemerkt hat und folglich der Zeugin B. auch keine Einzelanweisung erteilen konnte.

28

aa) Die Zeugin A. hat zwar ihre Angaben aus der eidesstattlichen Versicherung im Kern wiederholt. Der Senat hat jedoch auch nach der Vernehmung erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser Angaben. Auch wenn sich im Ergebnis nicht feststellen lässt, dass die Zeugin zu der behaupteten Einzelanweisung unwahre Angaben gemacht hat, lassen diese Zweifel nicht den Schluss zu, dass es die Einzelanweisung wahrscheinlich gab.

29

(1) Die Zeugin hat ausgesagt, wenn ihr ein Schriftsatz „in weiß“, also in der Endfassung, vorgelegt wird, kontrolliere sie alles noch mal ganz gründlich. Gleichzeitig hat sie erklärt, sie bestehe gegenüber ihren Mitarbeitern darauf, nur solche Schriftsätze zur Unterschrift vorgelegt zu bekommen, aus denen sich auch ihr Name ergebe. Die hier in Rede stehende Berufungsschrift endet jedoch mit dem Namen des Rechtsanwaltes C. Hiermit konfrontiert, hat die Zeugin erklärt, sie habe keine Veranlassung hinsichtlich einer Korrektur gesehen. Es habe auch keine Rolle gespielt, dass der Schriftsatz nicht das aktuelle Datum, sondern das des Vortages getragen habe. Hinzu kommt, dass die Zeugin zunächst ausgesagt hat, sie habe sich in der „grünen“ Fassung nur mit dem Inhalt des Schriftsatzes befasst, u.a. den Namen und dem Antrag. Der ihr vorgelegte Entwurf der Berufungsschrift enthielt jedoch keinen Antrag.

30

Die Zeugin hat zudem ausgesagt, dass die Zeit knapp geworden sei und sie gegen 11.30 Uhr die Kanzlei verlassen habe. Dies lässt es für den Senat mindestens als ebenso wahrscheinlich erscheinen, dass die Zeugin in Eile gewesen ist und den Schriftsatz, der nach ihren eigenen Angaben „einfach und kurz“ war, nicht mehr gelesen, sondern lediglich unterzeichnet hat, zumal sie im Entwurf keine Korrekturen vorgenommen hatte und somit kein besonderer Anlass zu einer nochmaligen Kontrolle bestand. Es ist auch nicht zwingend, dass ihr die fehlerhafte Adressierung auch ohne eingehende Kontrolle auffallen musste, denn im Entwurf hatte sie diese nicht bemerkt, obwohl sie es für möglich hielt, dass sie das Adressfeld schon da gesehen hatte.

31

(2) Im weiteren Verlauf der Vernehmung fiel auf, dass die Zeugin den Ablauf am 01.10.2014 sehr detailreich schilderte, an den weiteren Ablauf nach Bekanntwerden des Fehlers jedoch keine konkreten Erinnerungen zu haben schien. Dies ist nach Auffassung des Senats deshalb bemerkenswert, weil der Vorgang am 01.10.2014 - soweit ersichtlich - noch keine besondere Bedeutung hatte, während nach Eingang des Hinweisbeschlusses des Senats nach den Bekundungen der Zeugin über mehrere Tage eine angespannte und aufgeregte Stimmung geherrscht habe und sie selbst aus allen Wolken gefallen sei.

32

Auch nach den zahlreichen Nachfragen des Senats ergab sich aus den Schilderungen der Zeugin kein stimmiges Bild davon, wie sie sich nach Bekanntwerden der Problematik verhalten haben will. Die Zeugin geht davon aus, dass der Hinweisbeschluss des Senats am Ende der Woche in der Kanzlei eingegangen ist, sie aber erst nach dem Wochenende davon erfahren habe - nach ihrer Erinnerung hat ihre Mitarbeiterin Frau Z. ihr dabei auch gesagt, dass das Problem darin liege, dass die Berufung nicht rechtzeitig eingelegt worden sei -, wobei sie sich nicht festlegen konnte, ob am Montag oder am Dienstag. Sie sei dann mit ihrem Kanzleikollegen P. essen gegangen und habe im Anschluss mit Frau B. gesprochen. Dabei habe Frau B. ausdrücklich die Frage bejaht, ob sie die Sache pünktlich abgegeben habe. Dies lässt zumindest auch den Schluss zu, dass aus der Sicht der Zeugin, die nach eigenen Angaben über Kenntnisse im Zivilverfahrensrecht verfügt, nur eine solche verspätete Einreichung des Schriftsatzes als Ursache in Betracht kam, was wiederum dafür spricht, dass der Zeugin auch nur diese Möglichkeit bewusst gewesen ist, weil ihr die falsche Adressierung zuvor nicht aufgefallen war.

33

Die Zeugin A. hat weiter ausgesagt, am darauffolgenden Morgen habe Herr Rechtsanwalt C. sie abgepasst und es sei dann in dessen Zimmer zu einem nicht sehr sachlichen Gespräch gekommen, bei dem beide ziemlich aneinandergeraten seien. Die Zeugin konnte aber auch auf Nachfrage keine konkreten Angaben zum Inhalt dieses Gesprächs machen, hat aber erklärt, Herr C. habe ihr keine Vorwürfe gemacht, so dass offenbleibt, welchen Grund es für beide gab, aneinanderzugeraten. Vor allem erscheint es dem Senat wenig nachvollziehbar, dass die Zeugin tatsächlich nicht mehr weiß, ob Herr C. ihr in diesem Gespräch erklärt hat, welche Problematik es mit der Frist gab. Vielmehr ist auch hier nicht weniger wahrscheinlich, dass Herr C. der Zeugin - wenn sie es nicht bereits wusste - sehr wohl erklärt hat, warum der Senat Zulässigkeitsbedenken hat, und der Zeugin insoweit vorwarf, die falsche Adressierung nicht erkannt zu haben. Die Zeugin konnte nämlich auch nicht nachvollziehbar erläutern, warum sie bereits zu diesem Zeitpunkt keinen Zweifel daran hatte, selbst keinen Fehler gemacht zu haben. Da die Zeugin im Ergebnis für die Berufungsschrift verantwortlich gewesen ist, hätte es nahe gelegen, dass sie sich umgehend darüber informiert, wo das Problem liegt. Der Senat hat auch nicht verstanden, warum es für die Kenntnis, dass die Sache zwar „fristgerecht“ eingegangen sei, aber eben beim falschen Gericht, einer Akteneinsicht bedurfte, denn dieser Umstand bildete den wesentlichen Grund des Senatshinweises.

34

Auch wenn der wiederholte Hinweis darauf, dass es der Zeugin B. aufgrund des Vorfalls sehr schlecht gegangen sei, eine Erklärungsmöglichkeit dafür darstellt, dass die Zeugin A., nach eigener Aussage von impulsivem Charakter, die Zeugin B. nicht unmittelbar zur Rede gestellt hat, ist es nach dem zuvor Gesagten ebenso denkbar, dass dies deshalb nicht erfolgte, weil die Zeugin gewusst hat, dass ihr selbst ein entscheidender Fehler unterlaufen war.

35

Die aus den vorstehend geschilderten Indizien herrührenden Zweifel lassen sich auch nicht damit beseitigen, dass die Zeugin - wie von den Beklagten im Schriftsatz vom 27.02.2015 behauptet - keinen Anlass gehabt hätte, sich auf eine Befragung zu den Abläufen nach Bekanntwerden des Senatsbeschlusses vorzubereiten. Dies allein vermag die gezeigten Schwächen der Aussage nicht zu erklären. Sollten die Beklagten zugleich zum Ausdruck bringen wollen, dass die detailreichen Erinnerungen der Zeugin zu dem Ablauf am 01.10.2014 in einer - wie auch immer gearteten - Vorbereitung auf die Vernehmung begründet seien, würde dies die unter (1) dargelegten Zweifel daran, dass es sich tatsächlich um eigene Erinnerungen der Zeugin handelt, eher verstärken (hierzu auch unter c]).

36

Die Zweifel des Senats lassen sich auch nicht dadurch ausräumen, dass die Beklagten im Schriftsatz vom 27.02.2015 die Abläufe nach Zugang des Senatsbeschlusses in der Kanzlei der Beklagtenvertreter darlegen und die Zeugin A. die Richtigkeit dieses Vortrages eidesstattlich versichert. Die schriftsätzliche Zusammenfassung des Geschehens im Anschluss an die Vernehmung der Zeugin A. zu demselben Thema hat auf den persönlichen Eindruck, den der Senat von der Zeugin gewonnen hat, keinen Einfluss. Es muss deshalb nicht entschieden werden, ob der Vortrag und die eidesstattliche Versicherung der Zeugin A. nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist und nach Schluss der mündlichen Verhandlung überhaupt noch zuzulassen wären.

37

bb) Auch die Aussage der Zeugin B. vermag nichts daran zu ändern, dass es keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür gibt, dass die Zeugin A. eine Anweisung zur Korrektur der Anschrift gegeben hat.

38

Die Zeugin hatte in ihrer eidesstattlichen Versicherung angegeben, sie könne sich nicht erklären, warum sie das Adressfeld nicht korrigiert habe. In ihrer Vernehmung meinte sie dagegen, das Anschriftenfeld geändert zu haben, die Datei jedoch vor dem Ausdruck nicht gespeichert und sodann aus der Historie die ursprüngliche Datei ausgedruckt zu haben. Warum sie dies in der eidesstattlichen Versicherung - die sie naturgemäß in einem sehr viel kürzeren Abstand zum Geschehen abgegeben hatte - nicht angegeben hat, konnte sie nicht erläutern. Die Behauptung der Beklagten im Schriftsatz vom 27.02.2015, die Zeugin habe in der eidesstattlichen Versicherung nicht die Erinnerung an den Vorgang wiedergegeben, sondern die Suche nach einer Erklärung, steht im Widerspruch zum Wortlaut der eidesstattlichen Versicherung, denn dort heißt es: „Warum ich tatsächlich das Adressfeld dann nicht korrigiert, sondern die erste Seite noch einmal genauso ausgedruckt und die letztlich identischen ersten Seiten ausgetauscht habe, kann ich mir überhaupt nicht erklären.“ Die Zeugin erklärt damit ausdrücklich und im Widerspruch zu ihrer Zeugenaussage, das Adressfeld nicht korrigiert zu haben, wie es im Übrigen die Beklagten auch in der Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrages im Schriftsatz vom 06.11.2014 vorgetragen haben. Hierfür ist es nicht von Bedeutung, mit welchen Arbeitsschritten eine solche Korrektur verbunden ist, so dass es schon deshalb auf die entsprechenden Ausführungen im Schriftsatz vom 27.02.2015 nicht ankommt.

39

Der Senat kann auch nicht nachvollziehen, warum die Zeugin den Ausdruck nicht mehr kontrolliert hat, obwohl ihr nach eigenem Bekunden der Fehler peinlich gewesen sein soll. Eine solche Kontrolle wäre auch ohne Zeitaufwand möglich gewesen, z.B. beim Heften der Schriftsätze.

40

cc) Auch in einer Gesamtschau überwiegen nicht die für den von den Zeuginnen dem Senat unterbreiteten Sachverhalte sprechenden Aspekte.

41

Die Darstellung wirkt vielmehr konstruiert. Hierfür spricht zunächst, dass sie sich sehr genau an den „Vorgaben“ orientiert, die der Bundesgerichtshof im Beschluss vom 05.06.2013 (XII ZB 47/10) hinsichtlich der zulässigen Einzelanweisung gemacht hat. Die Beklagtenvertreter kennen diese Entscheidung, denn sie haben sich in ihrem Wiedereinsetzungsantrag und im Schriftsatz vom 27.02.2015 hierauf berufen. Für diese Orientierung war es u.a. erforderlich, dass die Zeugin A. den Fehler im Anschriftenfeld nicht bereits auf dem „grünen“ Entwurf bemerkt haben durfte, denn dann hätte sie besonderen Anlass gehabt, zu prüfen, ob der Fehler im Original korrigiert wurde. Gleichzeitig musste sie behaupten, das Original noch einmal gründlich gelesen zu haben, obwohl es hierfür keinen Grund gab, da sie im Entwurf keine Änderungen vorgenommen hatte und es sich um einen sehr kurzen Schriftsatz handelte (hierzu bereits unter aa]).

42

Ein weiteres Indiz für eine Absprache sieht der Senat darin, dass es in den eidesstattlichen Versicherungen der Zeuginnen übereinstimmend heißt, Frau B. sei zunächst mit dem Entwurf der Berufungsschrift und dem Vermerk des Rechtsanwaltes C. bei Frau A. erschienen, während beide Zeuginnen in ihrer Vernehmung jeweils ungefragt ausgesagt haben, Frau B. habe auch die Akte mitgebracht.

43

Auch der Umstand, dass die Auffassung des Senats voraussetzt, dass die Zeuginnen A. und B. falsche eidesstattliche Versicherungen abgegeben und uneidlich falsch ausgesagt hätten, ändert nichts an der Bewertung. Dass es sich bei der Zeugin A. um ein Organ der Rechtspflege handelt, führt nicht dazu, dass ihr eine gegenüber anderen Zeugen erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass nicht nur die Beklagten, sondern vorliegend auch die Beklagtenvertreter ein erhebliches Interesse am erfolgreichen Ausgang des Berufungsverfahrens haben. Durch die Verwerfung der Berufung droht der Kanzlei der Beklagtenvertreter, über die vom Landgericht ausgeurteilte Summe von 2 Mio. Euro von den Beklagten in Regress genommen zu werden. Zudem hat der Beklagtenvertreter die Situation als existenzbedrohend bezeichnet, wobei unerheblich ist, ob er damit die Beklagten meinte oder die eigene Kanzlei.

44

3. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

45

Es bestand kein Anlass, die Revision zuzulassen. Die Entscheidung des Senats beruht auf der Übertragung der zitierten Grundsätze des Bundesgerichtshofes auf den Einzelfall und der Würdigung von Zeugenaussagen.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZA26/13
vom
15. Mai 2014
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Pape, Grupp und die
Richterin Möhring
am 15. Mai 2014

beschlossen:
Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 15. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 26. Juli 2013 wird abgelehnt.

Gründe:


1
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine Rechtsbeschwerde wäre unzulässig, denn die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Insbesondere verletzt der angefochtene Beschluss die Klägerin nicht in ihrem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip), das den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer , aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BGH, Beschluss vom 25. September 2013 - XII ZB 200/13, NJW 2014, 77 Rn. 4 mwN). Dies ist hier nicht der Fall.

2
Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Monatsfrist zur Einlegung der Berufung gemäß § 517 ZPO fünf Monate nach der Verkündung des Urteils des Landgerichts am 29. Oktober 2012 zu laufen begann. Die Verkündung des Urteils an diesem Tag wird durch das Protokoll bewiesen, dessen Richtigkeit nicht widerlegt ist (§ 165 ZPO). Soweit im Zusammenhang mit der Verkündung des Urteils Verfahrensfehler des Landgerichts in Betracht kommen, machen diese die Verkündung nicht unwirksam. Die Frist zur Einlegung der Berufung endete danach am 29. April 2013 und war bei Eingang der Berufungsschrift am 30. April 2013 abgelaufen.
3
Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist hat das Berufungsgericht der Klägerin ohne Rechtsfehler wegen eines Verschuldens ihres Bevollmächtigten versagt. Dabei hat es die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Prozessbevollmächtigten nicht überspannt. Angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls durfte sich der Bevollmächtigte nicht damit begnügen, eine Büromitarbeiterin während deren Mittagspause anzuweisen, den Berufungs- schriftsatz noch am selben Tag per Telefax an das Berufungsgericht zu übermitteln.
Kayser Gehrlein Pape
Grupp Möhring

Vorinstanzen:
LG Marburg, Entscheidung vom 29.10.2012 - 1 O 15/11 -
OLG Frankfurt in Kassel, Entscheidung vom 26.07.2013 - 15 U 105/13 -

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche des Klägers als Insolvenzverwalter über das Vermögen der C-AG gegen die Beklagten. Der Beklagte zu 1) war Aktionär der Schuldnerin, der Beklagte zu 2) dessen Prozessbevollmächtigter in einem Anfechtungsverfahren im Zusammenhang mit einem Kapitalerhöhungsbeschluss der Schuldnerin.

2

Das Landgericht hat die Beklagten mit Urteil vom 25.08.2014 zur Zahlung von 2 Mio. Euro verurteilt. Das Urteil wurde den Beklagten am 01.09.2014 zugestellt.

3

Mit Schriftsatz vom 30.09.2014 haben die Beklagten Berufung eingelegt. Der Schriftsatz ist am 01.10.2014 bei der Gemeinsamen Annahmestelle des Amtsgerichts Hamburg, bei der fristwahrend auch Schriftstücke für das Hanseatische Oberlandesgericht und das Landgericht Hamburg eingereicht werden können, eingegangen. Dieser zweiseitige Schriftsatz trägt das Datum „30.09.2014“ und ist adressiert „An das Landgericht Hamburg, Zivilkammer …, … Hamburg“. Auf der ersten Seite heißt es weiter: „Aktenzeichen I. Instanz: (…)“ und „Berufung“. Auf der zweiten Seite findet sich als vorgedruckte Unterschrift „(C.) Rechtsanwalt“, unterzeichnet wurde der Schriftsatz von der Zeugin Rechtsanwältin A., und zwar „i.V.“. Von der Gemeinsamen Annahmestelle ist der Schriftsatz an die Geschäftsstelle der Zivilkammer … des Landgerichts Hamburg übersandt worden.

4

Am 02.10.2014 ist der Schriftsatz, versehen mit einem gelben Klebezettel mit der Aufschrift „‘Eilt‘ Turnus OLG“, beim Hanseatischen Oberlandesgericht eingegangen und an die Geschäftsstelle des Senats gelangt.

5

Mit Beschluss vom 21.10.2014 hat der Senat die Beklagten darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung zu verwerfen, da der Berufungsschriftsatz vom 30.09.2014 erst nach Ablauf der am 01.10.2014 endenden Berufungsfrist beim Hanseatischen Oberlandesgericht eingegangen sei.

6

Mit Schriftsatz vom 06.11.2014, eingegangen am 07.11.2014, haben die Beklagten hierzu Stellung genommen.

7

Sie sind der Ansicht, der Eingang bei der Gemeinsamen Annahmestelle am 01.10.2014 genüge zur Fristwahrung, da sich der ersten Seite des Schriftsatzes hinreichend entnehmen lasse, dass Berufung gegen ein Landgerichtsurteil eingelegt werden sollte.

8

Jedenfalls sei deshalb von einem rechtzeitigen Eingang beim Hanseatischen Oberlandesgericht auszugehen, weil der Beklagte zu 2) auf Nachfrage erfahren habe, dass die zuständige Mitarbeiterin des Landgerichts die falsche Adressierung sofort bemerkt und sogleich die Geschäftsstellenverwalterin des Senats angerufen habe. Diese habe erklärt, der Schriftsatz solle mit einem Hinweis „Eilt, Turnus OLG“ versehen und in die eilige Post für das Hanseatische Oberlandesgericht gegeben werden, weil er dann das Oberlandesgericht noch am 01.10.2014 erreichen werde. In diesem Sinne sei die Mitarbeiterin des Landgerichts vorgegangen, nachdem sie Rücksprache mit dem Vorsitzenden der Zivilkammer … gehalten habe. Für weitere Einzelheiten wird auf die eidesstattliche Versicherung des Beklagten zu 2) Bezug genommen (Anlage B).

9

Vorsorglich beantragen die Beklagten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Eine Fristversäumung wäre jedenfalls unverschuldet erfolgt.

10

Dies folge schon daraus, dass die Geschäftsstellenverwalterinnen der Zivilkammer … des Landgerichts Hamburg und des Senats übereinstimmend davon ausgegangen seien, dass der Schriftsatz noch am 01.10.2014 das Hanseatische Oberlandesgericht erreichen werde. In einer solchen Konstellation liege eine aus der Fürsorgepflicht erwachsende Verantwortlichkeit im gerichtlichen Bereich vor.

11

Unabhängig davon liege kein den Beklagten zurechenbares Anwaltsverschulden vor. Frau Rechtsanwältin A. habe die falsche Adressierung auf dem ihr zur Unterschrift vorgelegten Schriftsatz bemerkt und die Angestellte Frau B. angewiesen, die Adresse zu ändern, zugleich aber bereits den Schriftsatz unterzeichnet, da sie in Eile gewesen sei. Frau B., bei der es sich um eine langjährige, zuverlässige Mitarbeiterin handele, habe diese Änderung zugesagt, dann aber aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen nicht vorgenommen. Für die Einzelheiten wird auf die eidesstattlichen Versicherungen des Herrn Rechtsanwaltes C. (Anlagen C, F), der Rechtsanwältin A. (Anlage D) und der Frau B. (Anlage E) Bezug genommen.

12

Die Beklagten beantragen,

13

für die Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

14

Der Kläger beantragt,

15

den Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen.

16

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2015 - wie bereits in der Ladung angekündigt - beschlossen, dass sich die mündliche Verhandlung auf den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten beschränkt, und die Zeuginnen B. und A. zum Inhalt ihrer eidesstattlichen Versicherungen vernommen. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.

17

Mit Schriftsatz vom 27.02.2015 haben die Beklagten zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen und dabei insbesondere zum Ablauf nach Zugang des Senatsbeschlusses in der Kanzlei der Beklagtenvertreter vorgetragen sowie eine weitere eidesstattliche Versicherung der Zeugin A., diesen Ablauf betreffend, vorgelegt. Für die weiteren Einzelheiten wird auf diesen Schriftsatz Bezug genommen.

II.

18

Die Berufung der Beklagten ist unzulässig, denn sie ist entgegen §§ 517, 519 Abs. 1 ZPO nicht innerhalb der Monatsfrist beim Berufungsgericht eingelegt worden (§ 522 Abs. 1 ZPO).

19

Die Berufungsschrift vom 30.09.2014 ist erst am 02.10.2014 und damit nach Ablauf der Berufungsfrist beim Berufungsgericht eingegangen (1.). Die Berufungsfrist lief am 01.10.2014 ab, nachdem den Prozessbevollmächtigten der Beklagten das angefochtene Urteil am 01.09.2014 zugestellt worden ist.

20

Den Beklagten war insoweit auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (2.).

21

1. a) Dass die Berufungsschrift noch am 01.10.2014 bei der Gemeinsamen Annahmestelle des Amtsgerichts Hamburg, bei der fristwahrend auch Schriftsätze an das Hanseatische Oberlandesgericht eingereicht werden können, eingegangen war, ist unerheblich. Der Eingang des Schriftsatzes bei dieser Stelle kann deshalb, weil er an das Landgericht Hamburg adressiert war, nicht als Eingang bei dem Berufungsgericht angesehen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 18.02.1997, VI ZB 28/96, juris Rn. 4). Durch diese eindeutige Adressierung hilft es den Beklagten auch nicht, dass dem Schriftsatz zu entnehmen war, dass Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts eingelegt werden sollte (vgl. BGH, aaO., Rn. 6). Soweit sich die Beklagten auf den Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 06.10.1988 berufen (VII ZB 1/88), liegt kein vergleichbarer Sachverhalt vor. Der Bundesgerichtshof hat dort entschieden, dass die Rechtsmittelfrist gewahrt sei, wenn die mit dem zutreffenden Aktenzeichen des Oberlandesgerichts versehene, aber irrtümlich an das Landgericht adressierte Berufungsbegründungsschrift rechtzeitig bei der gemeinsamen Annahmestelle eingehe. Vorliegend war aber für die Mitarbeiter der Gemeinsamen Annahmestelle gerade nicht ersichtlich, dass es sich um einen „Irrläufer“ gehandelt hat. Es war genauso möglich, dass die Adressierung an das Landgericht auf dem Irrtum darüber beruhte, bei welchem Gericht die Berufung gegen ein Zivilurteil einzulegen ist.

22

b) Ein Zugang beim Hanseatischen Oberlandesgericht am 01.10.2014 kann auch nicht damit fingiert werden, dass die Geschäftsstellenverwalterin des Senats dem Landgericht Vorgaben zur weiteren Behandlung gegeben haben soll, mit denen ein Eingang am 01.10.2014 gewährleistet sei. Maßgeblich ist allein, dass der Schriftsatz erst am 02.10.2014 in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Hanseatischen Oberlandesgerichts gelangt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.01.2003, VI ZB 29/02, juris Rn. 7).

23

2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zulässig, aber unbegründet.

24

a) Eine schuldlose Versäumung der Berufungsfrist lässt sich nicht mit einem „überwiegenden Mitverschulden“ der Justiz begründen, wie es die Beklagten unter Hinweis auf die Abläufe am 01.10.2014 tun, die der Beklagte zu 2) in seiner eidesstattlichen Versicherung schildert (Anlage B). Dies folgt schon daraus, dass für die Justiz keine Verpflichtung zu Maßnahmen außerhalb des ordentlichen Geschäftsgangs bestand (BGH, Beschluss vom 28.01.2003, VI ZB 29/02, juris Rn. 8). Weder die Geschäftsstelle des Landgerichts noch diejenige des Senats musste deshalb dafür sorgen, dass die Berufungsschrift noch am 01.10.2014 das Hanseatische Oberlandesgericht erreicht. Die von den Beklagten im Schriftsatz vom 27.02.2015 angenommene, aus einer Fürsorgepflicht erwachsende Verantwortlichkeit im gerichtlichen Bereich bestand nicht.

25

b) Die Beklagten haben auch ansonsten nicht glaubhaft gemacht, dass sie an der Versäumung der Frist kein Verschulden traf. Es besteht auch nach der durchgeführten Beweisaufnahme keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Prozessbevollmächtigten der Beklagten, deren Verschulden den Beklagten zuzurechnen ist (§ 85 Abs. 2 ZPO), alle erforderlichen Maßnahmen getroffen hatten, um den rechtzeitigen Eingang der Berufungsschrift beim Berufungsgericht zu gewährleisten.

26

Zwar hätten die Beklagtenvertreter den an sie gestellten Anforderungen genügt, wenn der Ablauf so war, wie er in den eidesstattlichen Versicherungen der Zeuginnen A. und B. dargestellt worden ist. Insgesamt entspricht die Darstellung in den eidesstattlichen Versicherungen dem Ablauf, den der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 05.06.2013 (XII ZB 47/10) für ausreichend erachtet hat (juris, Rn. 9 ff.; vgl. auch Beschlüsse vom 20.03.2012, VIII ZB 41/11, juris Rn. 10 ff. und 17.08.2011, I ZB 21/11, juris Rn. 12 ff.). Frau A. soll bemerkt haben, dass der Schriftsatz falsch adressiert war, und der Mitarbeiterin Frau B. die Anweisung erteilt haben, dies zu korrigieren. Dass die Zeugin A. den Schriftsatz schon vor der Korrektur unterzeichnet haben soll, wäre unschädlich.

27

Nach der umfassenden Würdigung der Umstände des vorliegenden Falles spricht jedoch nicht mehr für das Vorliegen der in Rede stehenden Behauptungen als dagegen (vgl. zum Maßstab der Glaubhaftmachung BGH, Beschluss vom 21.10.2010, V ZB 210/09, juris Rn. 7). Weder die eidesstattlichen Versicherungen noch die Aussagen der Zeuginnen (vgl. BGH, Beschluss vom 24.02.2010, XII ZB 129/09, juris Rn. 10, 11) konnten dem Senat die nach dem dargestellten Grundsatz erforderliche Wahrscheinlichkeit vermitteln, dass es die behauptete Einzelanweisung an Frau B. gab. Der Senat hält es ebenso für möglich, dass die Zeugin A. die falsche Anschrift nicht bemerkt hat und folglich der Zeugin B. auch keine Einzelanweisung erteilen konnte.

28

aa) Die Zeugin A. hat zwar ihre Angaben aus der eidesstattlichen Versicherung im Kern wiederholt. Der Senat hat jedoch auch nach der Vernehmung erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser Angaben. Auch wenn sich im Ergebnis nicht feststellen lässt, dass die Zeugin zu der behaupteten Einzelanweisung unwahre Angaben gemacht hat, lassen diese Zweifel nicht den Schluss zu, dass es die Einzelanweisung wahrscheinlich gab.

29

(1) Die Zeugin hat ausgesagt, wenn ihr ein Schriftsatz „in weiß“, also in der Endfassung, vorgelegt wird, kontrolliere sie alles noch mal ganz gründlich. Gleichzeitig hat sie erklärt, sie bestehe gegenüber ihren Mitarbeitern darauf, nur solche Schriftsätze zur Unterschrift vorgelegt zu bekommen, aus denen sich auch ihr Name ergebe. Die hier in Rede stehende Berufungsschrift endet jedoch mit dem Namen des Rechtsanwaltes C. Hiermit konfrontiert, hat die Zeugin erklärt, sie habe keine Veranlassung hinsichtlich einer Korrektur gesehen. Es habe auch keine Rolle gespielt, dass der Schriftsatz nicht das aktuelle Datum, sondern das des Vortages getragen habe. Hinzu kommt, dass die Zeugin zunächst ausgesagt hat, sie habe sich in der „grünen“ Fassung nur mit dem Inhalt des Schriftsatzes befasst, u.a. den Namen und dem Antrag. Der ihr vorgelegte Entwurf der Berufungsschrift enthielt jedoch keinen Antrag.

30

Die Zeugin hat zudem ausgesagt, dass die Zeit knapp geworden sei und sie gegen 11.30 Uhr die Kanzlei verlassen habe. Dies lässt es für den Senat mindestens als ebenso wahrscheinlich erscheinen, dass die Zeugin in Eile gewesen ist und den Schriftsatz, der nach ihren eigenen Angaben „einfach und kurz“ war, nicht mehr gelesen, sondern lediglich unterzeichnet hat, zumal sie im Entwurf keine Korrekturen vorgenommen hatte und somit kein besonderer Anlass zu einer nochmaligen Kontrolle bestand. Es ist auch nicht zwingend, dass ihr die fehlerhafte Adressierung auch ohne eingehende Kontrolle auffallen musste, denn im Entwurf hatte sie diese nicht bemerkt, obwohl sie es für möglich hielt, dass sie das Adressfeld schon da gesehen hatte.

31

(2) Im weiteren Verlauf der Vernehmung fiel auf, dass die Zeugin den Ablauf am 01.10.2014 sehr detailreich schilderte, an den weiteren Ablauf nach Bekanntwerden des Fehlers jedoch keine konkreten Erinnerungen zu haben schien. Dies ist nach Auffassung des Senats deshalb bemerkenswert, weil der Vorgang am 01.10.2014 - soweit ersichtlich - noch keine besondere Bedeutung hatte, während nach Eingang des Hinweisbeschlusses des Senats nach den Bekundungen der Zeugin über mehrere Tage eine angespannte und aufgeregte Stimmung geherrscht habe und sie selbst aus allen Wolken gefallen sei.

32

Auch nach den zahlreichen Nachfragen des Senats ergab sich aus den Schilderungen der Zeugin kein stimmiges Bild davon, wie sie sich nach Bekanntwerden der Problematik verhalten haben will. Die Zeugin geht davon aus, dass der Hinweisbeschluss des Senats am Ende der Woche in der Kanzlei eingegangen ist, sie aber erst nach dem Wochenende davon erfahren habe - nach ihrer Erinnerung hat ihre Mitarbeiterin Frau Z. ihr dabei auch gesagt, dass das Problem darin liege, dass die Berufung nicht rechtzeitig eingelegt worden sei -, wobei sie sich nicht festlegen konnte, ob am Montag oder am Dienstag. Sie sei dann mit ihrem Kanzleikollegen P. essen gegangen und habe im Anschluss mit Frau B. gesprochen. Dabei habe Frau B. ausdrücklich die Frage bejaht, ob sie die Sache pünktlich abgegeben habe. Dies lässt zumindest auch den Schluss zu, dass aus der Sicht der Zeugin, die nach eigenen Angaben über Kenntnisse im Zivilverfahrensrecht verfügt, nur eine solche verspätete Einreichung des Schriftsatzes als Ursache in Betracht kam, was wiederum dafür spricht, dass der Zeugin auch nur diese Möglichkeit bewusst gewesen ist, weil ihr die falsche Adressierung zuvor nicht aufgefallen war.

33

Die Zeugin A. hat weiter ausgesagt, am darauffolgenden Morgen habe Herr Rechtsanwalt C. sie abgepasst und es sei dann in dessen Zimmer zu einem nicht sehr sachlichen Gespräch gekommen, bei dem beide ziemlich aneinandergeraten seien. Die Zeugin konnte aber auch auf Nachfrage keine konkreten Angaben zum Inhalt dieses Gesprächs machen, hat aber erklärt, Herr C. habe ihr keine Vorwürfe gemacht, so dass offenbleibt, welchen Grund es für beide gab, aneinanderzugeraten. Vor allem erscheint es dem Senat wenig nachvollziehbar, dass die Zeugin tatsächlich nicht mehr weiß, ob Herr C. ihr in diesem Gespräch erklärt hat, welche Problematik es mit der Frist gab. Vielmehr ist auch hier nicht weniger wahrscheinlich, dass Herr C. der Zeugin - wenn sie es nicht bereits wusste - sehr wohl erklärt hat, warum der Senat Zulässigkeitsbedenken hat, und der Zeugin insoweit vorwarf, die falsche Adressierung nicht erkannt zu haben. Die Zeugin konnte nämlich auch nicht nachvollziehbar erläutern, warum sie bereits zu diesem Zeitpunkt keinen Zweifel daran hatte, selbst keinen Fehler gemacht zu haben. Da die Zeugin im Ergebnis für die Berufungsschrift verantwortlich gewesen ist, hätte es nahe gelegen, dass sie sich umgehend darüber informiert, wo das Problem liegt. Der Senat hat auch nicht verstanden, warum es für die Kenntnis, dass die Sache zwar „fristgerecht“ eingegangen sei, aber eben beim falschen Gericht, einer Akteneinsicht bedurfte, denn dieser Umstand bildete den wesentlichen Grund des Senatshinweises.

34

Auch wenn der wiederholte Hinweis darauf, dass es der Zeugin B. aufgrund des Vorfalls sehr schlecht gegangen sei, eine Erklärungsmöglichkeit dafür darstellt, dass die Zeugin A., nach eigener Aussage von impulsivem Charakter, die Zeugin B. nicht unmittelbar zur Rede gestellt hat, ist es nach dem zuvor Gesagten ebenso denkbar, dass dies deshalb nicht erfolgte, weil die Zeugin gewusst hat, dass ihr selbst ein entscheidender Fehler unterlaufen war.

35

Die aus den vorstehend geschilderten Indizien herrührenden Zweifel lassen sich auch nicht damit beseitigen, dass die Zeugin - wie von den Beklagten im Schriftsatz vom 27.02.2015 behauptet - keinen Anlass gehabt hätte, sich auf eine Befragung zu den Abläufen nach Bekanntwerden des Senatsbeschlusses vorzubereiten. Dies allein vermag die gezeigten Schwächen der Aussage nicht zu erklären. Sollten die Beklagten zugleich zum Ausdruck bringen wollen, dass die detailreichen Erinnerungen der Zeugin zu dem Ablauf am 01.10.2014 in einer - wie auch immer gearteten - Vorbereitung auf die Vernehmung begründet seien, würde dies die unter (1) dargelegten Zweifel daran, dass es sich tatsächlich um eigene Erinnerungen der Zeugin handelt, eher verstärken (hierzu auch unter c]).

36

Die Zweifel des Senats lassen sich auch nicht dadurch ausräumen, dass die Beklagten im Schriftsatz vom 27.02.2015 die Abläufe nach Zugang des Senatsbeschlusses in der Kanzlei der Beklagtenvertreter darlegen und die Zeugin A. die Richtigkeit dieses Vortrages eidesstattlich versichert. Die schriftsätzliche Zusammenfassung des Geschehens im Anschluss an die Vernehmung der Zeugin A. zu demselben Thema hat auf den persönlichen Eindruck, den der Senat von der Zeugin gewonnen hat, keinen Einfluss. Es muss deshalb nicht entschieden werden, ob der Vortrag und die eidesstattliche Versicherung der Zeugin A. nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist und nach Schluss der mündlichen Verhandlung überhaupt noch zuzulassen wären.

37

bb) Auch die Aussage der Zeugin B. vermag nichts daran zu ändern, dass es keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür gibt, dass die Zeugin A. eine Anweisung zur Korrektur der Anschrift gegeben hat.

38

Die Zeugin hatte in ihrer eidesstattlichen Versicherung angegeben, sie könne sich nicht erklären, warum sie das Adressfeld nicht korrigiert habe. In ihrer Vernehmung meinte sie dagegen, das Anschriftenfeld geändert zu haben, die Datei jedoch vor dem Ausdruck nicht gespeichert und sodann aus der Historie die ursprüngliche Datei ausgedruckt zu haben. Warum sie dies in der eidesstattlichen Versicherung - die sie naturgemäß in einem sehr viel kürzeren Abstand zum Geschehen abgegeben hatte - nicht angegeben hat, konnte sie nicht erläutern. Die Behauptung der Beklagten im Schriftsatz vom 27.02.2015, die Zeugin habe in der eidesstattlichen Versicherung nicht die Erinnerung an den Vorgang wiedergegeben, sondern die Suche nach einer Erklärung, steht im Widerspruch zum Wortlaut der eidesstattlichen Versicherung, denn dort heißt es: „Warum ich tatsächlich das Adressfeld dann nicht korrigiert, sondern die erste Seite noch einmal genauso ausgedruckt und die letztlich identischen ersten Seiten ausgetauscht habe, kann ich mir überhaupt nicht erklären.“ Die Zeugin erklärt damit ausdrücklich und im Widerspruch zu ihrer Zeugenaussage, das Adressfeld nicht korrigiert zu haben, wie es im Übrigen die Beklagten auch in der Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrages im Schriftsatz vom 06.11.2014 vorgetragen haben. Hierfür ist es nicht von Bedeutung, mit welchen Arbeitsschritten eine solche Korrektur verbunden ist, so dass es schon deshalb auf die entsprechenden Ausführungen im Schriftsatz vom 27.02.2015 nicht ankommt.

39

Der Senat kann auch nicht nachvollziehen, warum die Zeugin den Ausdruck nicht mehr kontrolliert hat, obwohl ihr nach eigenem Bekunden der Fehler peinlich gewesen sein soll. Eine solche Kontrolle wäre auch ohne Zeitaufwand möglich gewesen, z.B. beim Heften der Schriftsätze.

40

cc) Auch in einer Gesamtschau überwiegen nicht die für den von den Zeuginnen dem Senat unterbreiteten Sachverhalte sprechenden Aspekte.

41

Die Darstellung wirkt vielmehr konstruiert. Hierfür spricht zunächst, dass sie sich sehr genau an den „Vorgaben“ orientiert, die der Bundesgerichtshof im Beschluss vom 05.06.2013 (XII ZB 47/10) hinsichtlich der zulässigen Einzelanweisung gemacht hat. Die Beklagtenvertreter kennen diese Entscheidung, denn sie haben sich in ihrem Wiedereinsetzungsantrag und im Schriftsatz vom 27.02.2015 hierauf berufen. Für diese Orientierung war es u.a. erforderlich, dass die Zeugin A. den Fehler im Anschriftenfeld nicht bereits auf dem „grünen“ Entwurf bemerkt haben durfte, denn dann hätte sie besonderen Anlass gehabt, zu prüfen, ob der Fehler im Original korrigiert wurde. Gleichzeitig musste sie behaupten, das Original noch einmal gründlich gelesen zu haben, obwohl es hierfür keinen Grund gab, da sie im Entwurf keine Änderungen vorgenommen hatte und es sich um einen sehr kurzen Schriftsatz handelte (hierzu bereits unter aa]).

42

Ein weiteres Indiz für eine Absprache sieht der Senat darin, dass es in den eidesstattlichen Versicherungen der Zeuginnen übereinstimmend heißt, Frau B. sei zunächst mit dem Entwurf der Berufungsschrift und dem Vermerk des Rechtsanwaltes C. bei Frau A. erschienen, während beide Zeuginnen in ihrer Vernehmung jeweils ungefragt ausgesagt haben, Frau B. habe auch die Akte mitgebracht.

43

Auch der Umstand, dass die Auffassung des Senats voraussetzt, dass die Zeuginnen A. und B. falsche eidesstattliche Versicherungen abgegeben und uneidlich falsch ausgesagt hätten, ändert nichts an der Bewertung. Dass es sich bei der Zeugin A. um ein Organ der Rechtspflege handelt, führt nicht dazu, dass ihr eine gegenüber anderen Zeugen erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass nicht nur die Beklagten, sondern vorliegend auch die Beklagtenvertreter ein erhebliches Interesse am erfolgreichen Ausgang des Berufungsverfahrens haben. Durch die Verwerfung der Berufung droht der Kanzlei der Beklagtenvertreter, über die vom Landgericht ausgeurteilte Summe von 2 Mio. Euro von den Beklagten in Regress genommen zu werden. Zudem hat der Beklagtenvertreter die Situation als existenzbedrohend bezeichnet, wobei unerheblich ist, ob er damit die Beklagten meinte oder die eigene Kanzlei.

44

3. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

45

Es bestand kein Anlass, die Revision zuzulassen. Die Entscheidung des Senats beruht auf der Übertragung der zitierten Grundsätze des Bundesgerichtshofes auf den Einzelfall und der Würdigung von Zeugenaussagen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 34/10
vom
14. Oktober 2010
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Überträgt eine Kanzleiangestellte die anzuwählende Telefaxnummer des Gerichts
aus einem in der Akte befindlichen Schreiben des Gerichts in einen fristgebundenen
Schriftsatz, erfordert die Ausgangskontrolle, die Richtigkeit der gewählten
Nummer auch darauf zu kontrollieren, ob sie tatsächlich einem Schreiben des
Empfangsgerichts entnommen wurde.

b) Wird diese Kontrolle versäumt, ist in Altfällen gleichwohl Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand zu gewähren, weil in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
eine Prüfung, ob die der Akte entnommene Nummer aus einem Empfängerschreiben
stammt, teils für entbehrlich erachtet wird.
BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - IX ZB 34/10 - LG Berlin
AG Berlin-Pankow/Weißensee
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und
Grupp
am 14. Oktober 2010

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss der Zivilkammer 86 des Landgerichts Berlin vom 3. Februar 2010 aufgehoben.
Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 2.469,25 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Das Amtsgericht Pankow/Weißensee hat die auf Zahlung von Steuerberaterhonorar gerichtete Klage durch das der Klägerin am 8. Juni 2009 zugestellte Urteil vom 2. Juni 2009 überwiegend abgewiesen. Die Klägerin hat gegen das Urteil am 8. Juli 2009 bei dem Landgericht Berufung eingelegt. Die an das Landgericht gerichtete Berufungsbegründung vom 10. August 2009, einem Montag, ist am selben Tag um 21.42 Uhr durch Fax bei dem Amtsgericht Pankow /Weißensee eingegangen, von wo der Schriftsatz ebenfalls per Fax am 11. August 2009 an das Landgericht weitergeleitet wurde. Das Original des Schriftsatzes ist am 14. August 2009 bei dem Landgericht eingegangen.
2
Auf die Mitteilung des Vorsitzenden der Berufungskammer über den verspäteten Eingang des Schriftsatzes hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Sie hat geltend und durch eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwalts - und Notargehilfin M. Z. glaubhaft gemacht, die Mitarbeiterin ihrer Prozessbevollmächtigten entnehme die Faxnummer regelmäßig dem Schreiben des Berufungsgerichts, in dem das Geschäftszeichen des Berufungsverfahrens mitgeteilt werde. In vorliegender Sache habe die Mitarbeiterin versehentlich das auf der Akte befindliche Schreiben des Amtsgerichts Pankow /Weißensee für das des Landgerichts gehalten. Infolge dieses Irrtums habe sie die Faxnummer des Amtsgerichts Pankow/Weißensee in das Adressfeld des Berufungsbegründungsschriftsatzes eingefügt. Nach Übermittlung des Schriftsatzes habe sie anhand des Sendeberichts festgestellt, dass die dort angegebene der in dem Schriftsatz enthaltenen Nummer entspreche.

3
Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Die Klägerin habe eine Büroorganisation zur Überprüfung der per Fax übermittelten Berufungsbegründung im Blick auf die Verwendung einer zutreffenden Empfängernummer weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Werde der Schriftsatz - wie im Streitfall - unmittelbar vor Ablauf der Frist übermittelt, müsse der Rechtsanwalt, weil dann aus Zeitgründen keine Möglichkeit bestehe, dass der falsche Adressat die Berufungsbegründung fristgerecht an die zuständige Stelle weiterleite, mangels hinreichender Anweisungen an das Personal selbst die Richtigkeit der Empfängernummer überprüfen. Der Anwalt könne sich nicht auf seine Angestellte verlassen, wenn keine Anweisung zur Kontrolle des Sendeprotokolls auf die richtige Empfangsnummer ergangen sei.

II.


4
1. Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) geboten. Der angefochtene Beschluss verletzt die Klägerin in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG). Dieser verbietet es, einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Prozessbevollmächtigten zu versagen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie nicht rechnen musste.
5
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsgericht hätte der Klägerin die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht versagen dürfen. Die Klägerin war ohne ihr Verschulden verhindert, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten (§§ 233, 519 ZPO). Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beruht nicht auf einem Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten , das die Klägerin sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
6
a) Dem Berufungsgericht kann nicht gefolgt werden, soweit es meint, der Prozessbevollmächtigten der Klägerin habe die persönliche Kontrolle oblegen, ob hier die richtige Telefaxnummer verwendet wurde. Bei dem Heraussuchen und Eingeben der Faxnummer in das Faxgerät handelt es sich vielmehr um Hilfstätigkeiten, die in jedem Fall dem geschulten Kanzleipersonal eigenverantwortlich überlassen werden können (BGH, Beschl. v. 23. März 1995 - VII ZB 19/94, NJW 1995, 2105, 2106; Beschl. v. 20. Dezember 1999 - II ZB 7/99, NJW 2000, 1043; BFH, NJW 2003, 2559, 2560).
7
b) Allerdings ist der Anwalt verpflichtet, für eine Büroorganisation zu sorgen , die eine Überprüfung der durch Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf die Verwendung der zutreffenden Empfängernummer hin gewährleistet.
8
aa) Der Rechtsanwalt erfüllt seine Verpflichtung, für eine wirksame Ausgangskontrolle zu sorgen, bei Einsatz eines Telefaxgerätes nur dann, wenn er seinen dafür zuständigen Mitarbeitern die Weisung erteilt, sich nach der Übermittlung eines Schriftsatzes einen Einzelnachweis ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu überprüfen und die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen (BGH, Beschl. v.
22. Juni 2004 - VI ZB 14/04, NJW 2004, 3491). Die Richtigkeit der Empfängernummer ist von den Mitarbeitern abschließend und selbständig zu prüfen (BGH, Beschl. v. 10. Januar 2000 - II ZB 14/99, NJW 2000, 1043, 1044; BGH, Beschl. v. 22. Juni 2004, aaO S. 3492).
9
bb) Im Streitfall wurde die zur Übermittlung verwendete Faxnummer entsprechend der Organisation im Büro der Bevollmächtigten der Klägerin unmittelbar aus einem in der Akte befindlichen Schreiben des Berufungsgerichts entnommen und in den zu versendenden Schriftsatz eingefügt.
10
(1) Die Grundsätze über die selbständige Prüfung der Empfängernummer gelten nach der Rechtsprechung des Senats auch dann, wenn die Telefaxnummer des Empfangsgerichts der Akte entnommen wird. Bei dieser Verfahrensweise kann es leicht zu Verwechslungen kommen. Eine solche Gefahr besteht nicht nur, wenn sich der gerichtliche Schriftsatzempfänger infolge einer Verweisung des Rechtsstreits oder des Übergangs der Sache an das Rechtsmittelgericht auch in der vom Anwalt geführten Handakte im Laufe des Rechtsstreits geändert hat. Das Büropersonal muss daher stets angewiesen werden, die angegebene Faxnummer noch einmal auf ihre Zuordnung zu dem vom Rechtsanwalt bezeichneten Empfangsgericht zu überprüfen. Nur so kann die bekannte Fehlerquelle beherrscht werden, dass fristgebundene Rechtsmittelschriften und Rechtsmittelbegründungen per Fax trotz richtiger Gerichtsadressierung weiter an das Gericht der Vorinstanz geleitet werden (BGH, Beschl. v. 11. März 2004 - IX ZR 20/03, BGHReport 2004, 978 = FamRZ 2004, 866 = BGHR ZPO § 233 Telekopie 3 [Gründe]; ebenso BGH, Beschl. v. 26. September 2006 - VIII ZB 101/05, NJW 2007, 996, 997; v. 4. Februar 2010 - I ZB 3/09, juris Rn. 14). Nach diesen Maßstäben, die der Senat weiterhin für zutreffend erachtet, ist bei der Entnahme der Empfängernummer aus einem von die- sem stammenden, bei der Akte befindlichen Schreiben stets eine - zweifache - Kontrolle des Inhalts vorzunehmen, ob die gewählte Nummer mit der in dem Schreiben enthaltenen Nummer übereinstimmt und ob es sich bei dem Schreiben tatsächlich um ein solches des Empfängers handelt. Danach fehlt es hier an einer ordnungsgemäßen Kanzleiorganisation, weil die eingesetzte Empfangsnummer von dem Personal lediglich dahin abzugleichen war, ob sie mit der Nummer aus einem bei der Akte befindlichen - vermeintlich von dem Berufungsgericht herrührenden - Schreiben übereinstimmt, aber die weitergehende Prüfung, wer Absender dieses Schreibens ist, versäumt wurde.
11
(2) Allerdings wird abweichend von dieser Beurteilung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs teilweise angenommen, dass sich bei einer Entnahme der Faxnummer aus der Akte das besonders hohe Verwechslungsrisiko, das bei der Auswahl aus elektronischen oder buchmäßig erfassten Daten besteht , erheblich verringere. Dies gestatte es, die Sorgfaltsanforderungen an die Ausgangskontrolle abzumildern und eine Überprüfung der verwendeten Faxnummer auf Übereinstimmung mit der aus der Akte entnommenen, im Schriftsatz festgehaltenen Faxnummer zu beschränken. Mithin reiche es aus, mögliche Eingabefehler zu korrigieren, indem die gewählte Empfängernummer mit der zuvor in den Schriftsatz eingefügten Nummer abgeglichen werde (BGH, Beschl. v. 22. Juni 2004, aaO S. 3492; v. 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06, NJW 2007, 1690, 1691 Rn. 11; v. 11. November 2009 - XII ZB 117/09, BRAK-Mitt. 2010, 25). Das Versehen der Mitarbeiterin der Klägerin, die eine einem Schreiben des Amtsgerichts statt des Berufungsgerichts entnommene Telefaxnummer in den Schriftsatz übertragen hat, wäre der Klägerin mangels einer weitergehenden Kontrollpflicht danach nicht als Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) zuzurechnen.
12
cc) Unabhängig davon, welcher der geschilderten Auffassungen zu folgen ist, kann gegenwärtig ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht angenommen werden. Sie durfte sich wegen der uneinheitlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung, in der die Divergenz bislang nicht offen ausgesprochen wurde, an der ihr günstigeren Ansicht orientieren, die sich mit einem Abgleich der gewählten Empfängernummer mit dem in der Akte befindlichen Schriftsatz begnügt. Folglich ist ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht gegeben. Bei dieser Sachlage besteht zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Veranlassung, den Großen Senat für Zivilsachen anzurufen (vgl. § 132 Abs. 4 GVG). Künftig wird sich ein Prozessbevollmächtigter, um dem Gebot des sichersten Weges zu genügen, jedoch wegen der mit der vorliegenden Entscheidung bewirkten Problematisierung an der strengeren Auffassung ausrichten müssen, solange nicht der Große Senat für Zivilsachen angerufen wird und im gegenteiligen Sinne entscheidet.
13
3. Die Sache ist nach der gewährten Wiedereinsetzung an das Berufungsgericht zur Entscheidung über die Berufung zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben wird.
Ganter Raebel Kayser
Gehrlein Grupp

Vorinstanzen:
AG Berlin-Pankow/Weißensee, Entscheidung vom 02.06.2009 - 8 C 109/08 -
LG Berlin, Entscheidung vom 03.02.2010 - 86 S 37/10 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 3/11
vom
24. Januar 2012
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bei der Beurteilung, ob ein Fehler für die Versäumung einer Frist ursächlich geworden
ist, darf kein weiteres, nicht aufgetretenes Fehlverhalten hinzugedacht werden,
sondern es ist von einem ansonsten pflichtgemäßen Verhalten auszugehen.
BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 - II ZB 3/11 - OLG Nürnberg
LG Amberg
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Januar 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, den Richter Dr. Strohn, die Richterin
Dr. Reichart sowie die Richter Dr. Drescher und Born

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 14. Februar 2011 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen. Beschwerdewert: 8.000 €

Gründe:


1
I. Der beklagte Verein begehrt Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist. Mit Empfangsbekenntnis vom 11. Oktober 2010 hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten bestätigt, das Urteil des Landgerichts vom 4. Oktober 2010 erhalten zu haben. Mit Telefax vom 3. November 2010 hat er gegen die Entscheidung Berufung eingelegt. Am 14. Dezember 2010, einem Dienstag, hat der Beklagte beantragt, ihm Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist zu gewähren, und die Berufung begründet.
2
Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsgesuchs hat er zunächst vorgetragen : Üblicherweise notiere eine in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten tätige Rechtsfachwirtin bei Posteingängen von Zivilurteilen sofort sowohl die Berufungsfristen als auch die Berufungsbegründungsfristen. Sie habe in dieser Sache zwar die Berufungsfrist für den 11. November 2010 im Fristenkalender notiert, es aber unterlassen, die Berufungsbegründungsfrist unter dem 13. Dezember 2010 einzutragen. Es könne nicht mehr nachvollzogen werden, aus welchen Gründen die Berufungsbegründungsfrist nicht notiert worden sei.
3
Mit Schriftsatz vom 7. Februar 2011 hat der Beklagte weiter angeführt: Bei Einlegung der Berufung am 3. November 2010 sei nicht überprüft worden, ob die Berufungsbegründungsfrist ordnungsgemäß oder überhaupt im Fristenkalender eingetragen worden sei. Auf der Ausfertigung des Urteils des Landgerichts , die seinem Prozessbevollmächtigten vorgelegt worden sei, habe sich auf einem „Post-it-Zettel“ eine Notiz der Rechtsfachwirtin befunden, dass die dort richtig vermerkten Fristen, die Berufungsfrist und die Berufungsbegründungsfrist , eingetragen seien. Am 30. November 2010 habe sein Prozessbevollmächtigter angeordnet, ein Anschreiben des Berufungsgerichts mit einem Schriftsatz eines der beiden gegnerischen Prozessbevollmächtigten an ihn, den Beklagten, weiterzuleiten. Hierbei habe sein Prozessbevollmächtigter verfügt, ihm die Akte spätestens nach Ablauf von zwei Wochen wieder vorzulegen; dies sei am 14. Dezember 2010 geschehen. Als er am 1. Dezember 2010 ein weiteres Schreiben des Berufungsgerichts vom 26. November 2010 mit einem gegnerischen Schriftsatz weitergeleitet habe, habe sein Prozessbevollmächtigter keine neue Wiedervorlagefrist verfügt.
4
Das Berufungsgericht hat den Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.
5
II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch erfordert sie eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
6
1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Der Beklagte habe bereits nicht vorgetragen, dass hinsichtlich der Berufungsbegründungsfrist eine Vorfrist nach allgemeiner Büroanweisung habe notiert werden sollen. Auch ergebe sich weder aus der eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten noch aus der vorgelegten „Post-it-Notiz“, dass eine Vorfrist eingetragen worden sei oder nach Anweisung habe eingetragen werden sollen. Das Fehlen einer Vorfrist sei auch ursächlich für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Außerdem hätte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten bei Anordnung einer Wiedervorlagefrist von zwei Wochen am 30. November 2010 und am 1. Dezember 2010 erneut selbständig prüfen müssen, wann die Berufungsbegründungsfrist ablaufe. Denn bei den beiden Schriftsätzen, die am 30. November 2010 und am 1. Dezember 2010 vorgelegt worden seien, habe es sich jeweils um die Anträge der beiden Kläger gehandelt , die Berufung zurückzuweisen. In diesem Zusammenhang hätte daher bei Anordnung der Wiedervorlagefrist vom Prozessbevollmächtigten nachvollzogen werden müssen, ob die von ihm angeordnete Wiedervorlagefrist der laufenden Berufungsbegründungsfrist ausreichend Rechnung trage. Dies sei nicht der Fall gewesen. Die Berufungsbegründungsfrist habe knapp zwei Wochen später geendet. Falls eine Wiedervorlagefrist angesichts dieses Umstands überhaupt sachgerecht gewesen sei, hätte diese entweder auf „Vorfrist“ oder ein bestimmtes Datum lauten müssen, damit die Berufungsbegründung rechtzeitig hätte erstellt werden können. Auch dieses Versäumnis sei ursächlich für die Versäumung der Begründungsfrist.

7
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung zu Recht versagt, weil bereits nach dem Wiedereinsetzungsvorbringen ein dem Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden seines Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumnis nicht auszuschließen ist. Der Beklagte hat zum einen nicht dargetan, dass im Büro seines Prozessbevollmächtigten eine den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Organisation des Fristenwesens genügende Fristenkontrolle vorhanden ist. Aus seinem Vorbringen ergibt sich zum anderen ein für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ursächlicher individueller Fehler seines Prozessbevollmächtigten.
8
a) Der Beklagte hat weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass im Büro seines Prozessbevollmächtigten die allgemeine Anweisung besteht, für die Rechtsmittelbegründung eine Vorfrist zu notieren. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderlich.
9
aa) Die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristensachen verlangt zuverlässige Vorkehrungen, um den rechtzeitigen Ausgang fristwahrender Schriftsätze sicherzustellen. Zu den Aufgaben des Rechtsanwalts gehört es deshalb, durch entsprechende Organisation seines Büros dafür zu sorgen, dass Fristen ordnungsgemäß eingetragen und beachtet werden. Der Anwalt hat sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Fristen auszuschließen (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2010 - II ZB 10/09, MDR 2010, 533 Rn. 7; Beschluss vom 22. März 2011 - II ZB 19/09, NJW 2011, 1598 Rn. 12, beide m.w.N.). Die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist ist deswegen - im Gegensatz zur Berufungsfrist - nicht nur durch die Eintragung der Hauptfrist, sondern zusätzlich durch eine ausreichende Vorfrist sicherzustellen (BGH, Beschluss vom 15. August 2007 - XII ZB 82/07, NJW-RR 2008, 76 Rn. 14 m.w.N.).

10
Der Beklagte hat innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist (§ 234 Abs. 1, § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO) - und auch danach - nicht vorgetragen, dass sein Prozessbevollmächtigter die in seinem Büro für das Fristenwesen verantwortlichen Mitarbeiter angewiesen hat, bei Rechtsmittelbegründungen außer dem Datum des Ablaufs der Begründungsfrist eine Vorfrist zu notieren. Er hat lediglich angegeben, es könne nicht nachvollzogen werden, warum eine Berufungsbegründungsfrist ebenso wenig notiert worden sei wie eine Vorfrist.
11
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ergibt sich auch aus den vorgelegten Unterlagen nicht, dass im Büro des Prozessbevollmächtigten des Beklagten die allgemeine Anweisung bestand, für Rechtsmittelbegründungen auch eine Vorfrist zu notieren. Die eidesstattliche Versicherung der Rechtsfachwirtin enthält keinen Hinweis auf die allgemeine Weisung, Vorfristen zu notieren. Sie verhält sich nur zur Berufungsfrist und zur Berufungsbegründungsfrist. Auf dem an der Ausfertigung des landgerichtlichen Urteils angebrachten Klebezettel sind auch nur diese beiden Fristen vermerkt. Die vorgelegten Fotokopien aus dem Fristenkalender lassen zwar erkennen, dass in der Spalte „Vorfristen“ Eintragungen vorgenommen wurden. Diesen Eintragungen lässt sich aber bereits nicht entnehmen, dass es sich hierbei um Berufungsbegründungsfristen zugeordnete Vorfristen handelt. Aus etwaigen vereinzelten Einträgen könnte im Übrigen auch nicht auf eine allgemeine Anweisung geschlossen werden , Vorfristen zu Berufungsbegründungsfristen einzutragen.
12
Es bestand für das Berufungsgericht auch keine Pflicht, den anwaltlich vertretenen Beklagten auf die nicht ausreichende Begründung seines Wiedereinsetzungsgesuchs hinzuweisen. Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine wirksame Kontrolle der Berufungsbegründungsfrist stellt, sind bekannt und müssen einem Anwalt auch ohne richterliche Hinweise geläufig sein. Tragen die zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags gemachten Angaben diesen Anforderungen nicht Rechnung, gibt dies keinen Hinweis auf Unklarheiten oder Lücken des Vortrags, die aufzuklären oder zu füllen wären, sondern erlaubt den Schluss darauf, dass entsprechende organisatorische Maßnahmen gefehlt haben (ebenso BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 369).
13
bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war die mangelhafte Organisation des Fristenwesens für die Fristversäumung ursächlich. Wäre die Vorfrist im Fristenkalender eingetragen worden, so hätte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge bei ansonsten pflichtgemäßem Verhalten die Berufungsbegründungsfrist gewahrt. Die Eintragung der Vorfrist bietet eine zusätzliche Fristensicherung. Sie kann die Fristwahrung in der Regel selbst dann gewährleisten, wenn, wie hier, die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist versehentlich unterblieben ist (vgl. zur Kausalität BGH, Beschluss vom 13. Juli 2010 - VI ZB 1/10, NJW 2011, 151 Rn. 9 und 12; Beschluss vom 22. März 2011 - II ZB 19/09, NJW 2011, 1598 Rn. 14).
14
Es kann auch nicht - wie die Rechtsbeschwerde aber meint - unterstellt werden, dass die Kanzleiangestellte des Prozessbevollmächtigten des Beklagten bei bestehender Anweisung auch vergessen hätte, eine Vorfrist einzutragen. Für die Beurteilung, ob ein Organisationsfehler für die Versäumung der Frist ursächlich geworden ist, ist von einem ansonsten pflichtgemäßen Verhalten auszugehen und darf kein weiterer Fehler hinzugedacht werden. Aus der von der Rechtsbeschwerde angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25. Juni 1997 (XII ZB 61/97, NJW-RR 1997, 1289) ergibt sich nichts anderes. Im dort entschiedenen Fall hatte die Kanzleiangestellte nicht nur vergessen , eine Vorfrist zu notieren, sondern sie hatte überhaupt keine Frist notiert und weitere zur Fristkontrolle angeordnete Schritte unterlassen. Dies ist mit dem vorliegenden Fall nicht zu vergleichen, bei dem mehrere Fristen (Berufungsfrist , Vorfrist und Berufungsbegründungsfrist) gleichzeitig zu vermerken gewesen wären und aus Unachtsamkeit die Notierung einer Frist unterblieben ist.
15
b) Unabhängig davon muss sich der Beklagte einen weiteren, individuellen Fehler seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat die an einen Anwalt zu stellende Sorgfaltspflicht bei der Beachtung von Fristen verletzt, als er am 30. November 2010 die Wiedervorlage der Akten in zwei Wochen und damit nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist verfügt hat.
16
Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat eine eigene Ursache für die Fristversäumung gesetzt, indem er am 30. November 2010 eine Frist zur Wiedervorlage von spätestens zwei Wochen verfügt hat. Bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte er prüfen und erkennen müssen, dass das verfügte Fristende nach Ablauf der auf der Urteilsausfertigung vermerkten Berufungsbegründungsfrist am 13. Dezember 2010 lag, und hätte eine entsprechend frühere Wiedervorlage anordnen müssen. Dieser Fehler war jedenfalls mitursächlich für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Hätte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten eine frühere Wiedervorlage verfügt, wäre ihm die Akte nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge - unabhängig von einem etwaigen weiteren Verschulden seiner Kanzleiangestellten bei der Notierung der Berufungsbegründungsfrist - rechtzeitig vorgelegt worden.
Bergmann Strohn Reichart Drescher Born
Vorinstanzen:
LG Amberg, Entscheidung vom 04.10.2010 - 22 O 632/10 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 14.02.2011 - 2 U 2244/10 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 28/03
vom
23. Oktober 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Verletzt die Entscheidung des Berufungsgerichts den Anspruch der beschwerten
Partei auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes, so ist die nach § 574 Abs. 1
Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) unabhängig davon zulässig
, ob sich der Rechtsverstoß auf das Endergebnis auswirkt.
Eine konkrete Anweisung des Anwalts im Einzelfall macht nur dann allgemeine organisatorische
Regelungen obsolet, wenn diese durch die Einzelanweisung ihre Bedeutung
für die Einhaltung der Frist verlieren; das ist nicht der Fall, wenn die Weisung
nur dahin geht, einen Schriftsatz per Telefax zu übermitteln, die Fristüberschreitung
aber darauf beruht, daß es an ausreichenden organisatorischen Vorkehrungen
dazu fehlt, unter welchen Voraussetzungen eine Frist nach Übermittlung
fristwahrender Schriftsätze per Telefax als erledigt vermerkt werden darf.
BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03 - LG Konstanz
AGÜberlingen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 23. Oktober 2003 durch die
Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterin
Dr. Stresemann

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 1. Zivilkammer des Landgerichts Konstanz vom 2. April 2003 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Gründe:


I.


Gegen das ihr am 7. November 2002 zugestellte Urteil des Amtsgerichts hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist per Fax am 8. Januar 2003 bei dem Landgericht eingegangen.
Die Beklagte hat gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu folgendes ausgeführt : Ihr Prozeßbevollmächtigter habe den Begründungsschriftsatz am 7. Januar gefertigt und unterzeichnet und die bei ihm beschäftigte Rechtsanwaltsfachangestellte W. gegen 17.15 Uhr angewiesen, ihn per Fax an das Landgericht zu senden. Diese habe zwar mehrfach versucht zu faxen, was aber , weil sie versehentlich eine falsche Nummer gewählt habe, erfolglos geblieben sei. Sie habe angenommen, das Empfängergerät sei belegt, und habe sich zunächst anderen Aufgaben zugewendet, darüber aber die Angelegenheit ver-
gessen. Später habe sie die Frist im Kalender als erledigt eingetragen, so daß dem Prozeßbevollmächtigten bei dessen Kontrolle gegen 20.00 Uhr das Versäumnis nicht aufgefallen sei.
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses verlangt und den Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.


1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
aa) Allerdings liegt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kein Fall einer Divergenz zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 29. Juni 2000 (VII ZB 5/00, NJW 2000, 3006) vor. Eine die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde begründende Abweichung ist nämlich nur gegeben, wenn die angefochtene Entscheidung dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Entscheidung eines höherrangigen oder eines anderen gleichgeordneten Gerichts (Senat, BGHZ 151, 42; BGHZ 89, 149, 151). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Das Berufungsgericht geht - im Einklang mit der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes - davon aus, daß üblicherweise in Anwaltskanzleien auftretende Schwankungen der Arbeitsbelastung die Sorgfalts-
pflicht des Prozeßbevollmächtigten im Hinblick auf die Organisation eines reibungslos und fehlerfrei funktionierenden Geschäftsbetriebs nicht erhöhen. Es meint lediglich, im konkreten Fall hätten Umstände vorgelegen, die über das Übliche einer Mehrbelastung hinausgingen und daher zu besonderen Maßnahmen Anlaß gegeben hätten. Ist diese Auffassung - wie hier (siehe im folgenden ) - falsch, so liegt darin zwar eine rechtsfehlerhafte Würdigung. Doch wird damit kein allgemeiner Rechtssatz aufgestellt, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofes entgegensteht.
bb) Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht aber auf einer Würdigung , die der Beklagten den Zugang zu dem von der Zivilprozeßordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Dies verletzt den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG NJW 2003, 281) und eröffnet die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO (vgl. Senat, BGHZ 151, 221; Beschl. v. 20. Februar 2003, V ZB 60/02, NJW-RR 2003, 861; Beschl. v. 30. April 2003, V ZB 71/02, NJW 2003, 2388). Die Annahme, der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten habe angesichts der "besonderen Situation am Nachmittag" des 7. Januars 2003 eine eigenständige Prüfung der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist vornehmen müssen, entbehrt jeder Grundlage. Unscharf ist schon der Ansatz. Die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist war an sich nicht gefährdet. Der Prozeßbevollmächtigte hatte den Schriftsatz rechtzeitig gefertigt und dessen Übermittlung per Fax verfügt. Welche zusätzlichen Maßnahmen er hätte ergreifen sollen, worin sich die nach Auffassung des Berufungsgerichts gebotene erhöhte Sorgfaltspflicht hätte äußern sollen, wird in der angefochtenen Entscheidung nicht gesagt. Dafür ist auch nichts erkennbar. Die einfach zu erledigende Aufgabe einer Telefaxüber-
mittlung kann der Anwalt seinem Personal überlassen (BGH, Beschl. v. 11. Februar 2003, VI ZB 38/02, NJW-RR 2003, 935, 936 m. zahlr. Nachw.). Er braucht sie nicht konkret zu überwachen oder zu kontrollieren. Im übrigen ist hier nach dem Vorbringen der Beklagten sogar eine Kontrolle erfolgt, die aber wegen des falschen Erledigungsvermerks ohne Befund blieb.
Wenn man in dieser konkreten Situation ein Weiteres von dem Anwalt verlangen wollte, so überspannte man die Sorgfaltsanforderungen. Denn solche Maßnahmen könnten nur in einer Beaufsichtigung des Übermittlungsvorgangs selbst oder in einer sofortigen Kontrolle sogleich nach Durchführung bestehen. Dies kann höchstens ganz ausnahmsweise in Betracht kommen (vgl. BGH, Beschl. v. 29. Juni 2000, VII ZB 5/00, NJW 2000, 3006), wenn ein geordneter Geschäftsbetrieb infolge besonderer Umstände nicht mehr gewährleistet ist. Solche Umstände hat das Berufungsgericht aber nicht festgestellt. Daß eine Rechtsanwaltsangestellte über ihre normale Dienstzeit hinaus arbeiten muß und daß drei fristgebundene Sachen zusätzlich zu bearbeiten sind, bedingt keine Situation, die ein ausreichend organisiertes Büro nicht bewältigen könnte. Im übrigen sollte die Übermittlung per Telefax zunächst, nur wenige Minuten nach dem üblichen Dienstschluß, erfolgen, und es ist nicht ersichtlich, inwieweit die Bearbeitung weiterer Fristsachen, die sich bis 19.30 Uhr hinzog, diese einfache Tätigkeit hätte stören oder in einer Weise gefährden können, daß ein Eingreifen des Anwalts erforderlich gewesen wäre.
cc) Dieser Verstoß gegen das Gebot der Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes führt unabhängig davon zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde , ob er sich auf das Ergebnis auswirkt. Insoweit besteht ein Unterschied zum Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO), in dem eine nicht entscheidungserhebliche Frage auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Revision gebietet (Senat, Beschl. v. 25. Juli 2002, V ZR 118/02, NJW 2002, 3180, 3181; Urt. v. 18. Juli 2003, V ZR 187/02, Umdruck S. 9, zur Veröffentlichung vorgesehen; BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2002, VII ZR 101/02, NJW 2003, 831). Dieser Unterschied beruht auf folgendem: Anders als das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist die Rechtsbeschwerde ein Rechtsmittel, das zur Entscheidung über die Sache führt. Dabei hängt - wie stets - die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht von Fragen der Begründetheit ab. Liegen die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 ZPO vor, so ist die Rechtsbeschwerde zulässig. Ob die angefochtene Entscheidung gleichwohl Bestand hat, ist eine Frage der Begründetheit. Beides miteinander zu verquicken, hieße, die Zulässigkeit des Rechtsmittels zu verneinen, weil es an der Begründetheit fehlt. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geht es demgegenüber nicht um eine Entscheidung in der Sache selbst, sondern nur um die Frage, ob eine Sachüberprüfung im Revisionsverfahren geboten ist. Bei dieser Prüfung kann und muß berücksichtigt werden, ob die unter die Zulassungsgründe des § 543 Abs. 2 ZPO subsumierbaren Rechts- oder Verfahrensfragen im konkreten Fall entscheidungserheblich sind oder nicht. Sind sie es nicht, besteht kein Anlaß für eine Zulassung; denn es kommt auf sie letztlich nicht an.
2. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Ergebnis zu Recht versagt (§ 233 ZPO) und die Berufung infolgedessen zutreffend als unzulässig verworfen (§ 522 Abs. 1 ZPO). Die Beklagte hat nämlich nicht dargelegt , daß sie ohne Verschulden gehindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Es ist nicht ausgeräumt, daß dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten ein eigenes (Organisations-) Verschulden vorzuwerfen ist,
das diese sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß. Das ergibt sich aus zwei Gesichtspunkten:
Zum einen hat der Anwalt organisatorische Vorkehrungen zu treffen, daß Fristen im Fristenkalender erst dann mit einem Erledigungsvermerk versehen werden, wenn die fristwahrende Handlung auch tatsächlich erfolgt oder jedenfalls soweit gediehen ist, daß von einer fristgerechten Vornahme auszugehen ist (BGH, Beschl. v. 18. Oktober 1993, II ZB 7/93, VersR 1994, 703; Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 80/97, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 60 m.w.N.). Zum anderen muß der Anwalt bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax die Ausgangskontrolle organisatorisch dahin präzisieren , daß er die damit befaßten Mitarbeiter anweist, einen Einzelnachweis über den Sendevorgang ausdrucken zu lassen, der die ordnungsgemäße Übermittlung anzeigt, bevor die entsprechende Frist als erledigt vermerkt wird (Senat, Beschl. v. 9. Februar 1995, V ZB 26/94, VersR 1995, 1073, 1074). Er muß ferner Vorsorge für Störfälle treffen, um sicherzustellen, daß der Übermittlungsvorgang entweder vollständig wiederholt wird oder daß der Anwalt selbst über geeignete andere Maßnahmen entscheidet.
Ob solche allgemeinen organisatorischen Maßnahmen im Büro des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten bestanden, ist nicht vorgetragen worden. Die bloße Angabe, vor Büroschluß werde kontrolliert, ob alle Fristen erledigt seien, erst danach werde die Frist gelöscht, genügt nicht den vorstehenden Anforderungen. Soweit die Beklagte in einem nach Erlaß des angefochtenen Beschlusses bei dem Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz nähere Angaben zur Ausgangskontrolle gemacht hat, führt das zu keiner anderen Beurteilung. Derjenige, der Wiedereinsetzung beantragt, muß die Gründe, die die Wiedereinsetzung rechtfertigen, innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO vor-
bringen (BGH, Beschl. v. 12. Mai 1998, VI ZB 10/98, BGHR ZPO § 236 Abs. 2 Satz 1 Antragsbegründung 3). Zwar können erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden (BGH aaO; Beschl. v. 9. Juli 1985, VI ZB 10/85, VersR 1985, 1184, 1185). Das hilft der Beklagten im konkreten Fall aber schon deswegen nicht, weil die ergänzenden Angaben nach Erlaß der Entscheidung gemacht worden sind und daher für das Rechtsbeschwerdegericht nicht verfügbar sind. Seiner Beurteilung unterliegt - anders als im früheren Verfahren der sofortigen Beschwerde (§ 577 ZPO a.F.) - nur der in den Tatsacheninstanzen festgestellte Sachverhalt sowie der auf Verfahrensrüge zu beachtende dortige Sachvortrag. Soweit die Rechtsbeschwerde den neuen Sachvortrag mit Hilfe einer Aufklärungsrüge einführen möchte, ist ihr nicht zu folgen. Es bestand für das Berufungsgericht keine Pflicht, die anwaltlich vertretene Beklagte auf die nicht ausreichenden Gründe ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hinzuweisen. Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine wirksame Ausgangskontrolle und an die organisatorischen Maßnahmen bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze stellt, sind bekannt und müssen einem Anwalt auch ohne richterliche Hinweise geläufig sein. Wenn der Vortrag dem nicht Rechnung trägt, gibt dies keinen Hinweis auf Unklarheiten oder Lücken, die aufzuklären bzw. zu füllen wären, sondern erlaubt den Schluß darauf , daß entsprechende organisatorische Maßnahmen gefehlt haben.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist das Fehlen organisatorischer Maßnahmen zur Vermeidung von Fehlern bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze nicht deswegen unerheblich, weil der Prozeßbevollmächtigte eine konkrete Einzelweisung erteilt hat. Allerdings ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes anerkannt, daß es auf allgemeine organisatorische Regelungen nicht entscheidend ankommt, wenn im Einzelfall
konkrete Anweisungen vorliegen, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte (BGH, Urt. v. 6. Oktober 1987, VI ZR 43/87, VersR 1988, 185, 186; Beschl. v. 26. September 1985, XI ZB 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45; Beschl. v. 2. Juli 2001, II ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60). Dabei ist jedoch auf den Inhalt der Einzelweisung und den Zweck der allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen Rücksicht zu nehmen. Weicht ein Anwalt von einer bestehenden Organisation ab und erteilt er stattdessen für einen konkreten Fall genaue Anweisungen, die eine Fristwahrung gewährleisten, so sind allein diese maßgeblich; auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen kommt es dann nicht mehr an (BGH, Beschl. v. 26. September 1995, XI ZB 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45; Beschl. v. 1. Juli 2002, II ZB 11/01, NJW-RR 2002, 1289). Anders ist es hingegen, wenn die Einzelweisung nicht die bestehende Organisation außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten und geeignet sind, Fristversäumnissen entgegenzuwirken. So ersetzt z.B. die Anweisung, einen Schriftsatz sofort per Telefax zu übermitteln und sich durch einen Telefonanruf über den dortigen Eingang des vollständigen Schriftsatzes zu vergewissern, alle allgemein getroffenen Regelungen einer Ausgangskontrolle und macht etwa hier bestehende Defizite unerheblich (BGH, Beschl. v. 2. Juli 2001, II ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60). Ebenso liegt es, wenn der Anwalt von der Eintragung der Sache in den Fristenkalender absieht und die Anweisung erteilt, den fertiggestellten Schriftsatz in die Ausgangsmappe für die Post zum Berufungsgericht zu legen (BGH, Beschl. v. 26. September 1995, XI ZR 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45). Denn in diesem Fall würde eine Frist als erledigt vermerkt werden können (vgl. BGH, Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 80/97, NJW 1997, 3446; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 233 Rdn. 23 S. 698).
Besteht hingegen - wie hier - die Anweisung nur darin, die Übermittlung eines Schriftsatzes sofort per Fax zu veranlassen, so fehlt es an Regelungen, die eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle überflüssig machen. Inhalt der Anweisung ist nur die Bestimmung des Mediums der Übermittlung und der Zeitpunkt ihrer Vornahme. Damit sind aber sonst etwa bestehende Kontrollmechanismen weder außer Kraft gesetzt noch obsolet. Es bleibt sinnvoll und notwendig , daß Anweisungen darüber bestehen, wie die Mitarbeiter eine vollständige Übermittlung per Telefax sicherzustellen haben und unter welchen Voraussetzungen sie eine Frist als erledigt vermerken dürfen. Bestehen sie nicht, entlastet es den Anwalt nicht, wenn er sich im konkreten Einzelfall darauf beschränkt , eine Übermittlung per Telefax anzuordnen. Dem entspricht es, daß z.B. der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (Beschl. v. 1. Juli 2002, II ZB 11/01) einen solchen Übermittlungsauftrag nur für ausreichend erachtet hat, wenn jedenfalls die betreffende Angestellte allgemein angewiesen war, die Telefaxübermittlung jeweils anhand des (auszudruckenden) Sendeberichts zu kontrollieren.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Tropf Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB42/13
vom
9. Dezember 2014
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Ausgangskontrolle fristgebundener Anwaltsschriftsätze.
BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2014 - VI ZB 42/13 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Dezember 2014 durch den
Vorsitzenden Richter Galke, die Richterin Diederichsen, den Richter Stöhr, die
Richterin von Pentz und den Richter Offenloch

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 9. Oktober 2013 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen. Beschwerdewert: 7.906,78 €

Gründe:

I.

1
Dem Kläger ist das klageabweisende Urteil des Landgerichts am 9. Juli 2013 zugestellt worden. Gegen dieses Urteil hat er rechtzeitig Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 9. September 2013, der am 10. September 2013 beim Oberlandesgericht eingegangen ist, hat er beantragt, die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 9. Oktober 2013 zu verlängern. Das Oberlandesgericht hat die Frist mit Verfügung vom 11. September 2013 antragsgemäß verlängert. Vor Zugang dieser Verfügung hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16. September 2013 beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung zu gewähren. Im selben Schriftsatz hat er nochmals beantragt, die Frist zur Berufungsbegründung bis zum 9. Oktober 2013 zu verlängern. Mit Verfügung vom 19. September 2013 hat das Oberlandesgericht die Frist zur Berufungsbegründung bis zum 21. Oktober 2013 verlängert. Die Berufungsbegründung ist am 14. Oktober 2013 bei Gericht eingegangen.
2
Der Kläger hat geltend gemacht, seine Prozessbevollmächtigte, Rechtsanwältin K., habe den Fristverlängerungsantrag bereits in der Woche vor dem Fristablauf diktiert und mit der Begleitverfügung versehen, dass dieser Schriftsatz am 9. September 2013 ausgefertigt, ihr zur Unterschrift vorgelegt und fristwahrend vom Sekretariat gefaxt werden solle. Die Rechtsanwaltsfachangestellte B. habe den Schriftsatz am Freitag, dem 6. September 2013, mit Datum 9. September 2013 ausgefertigt und Rechtsanwältin K., die an jenem Tag Urlaub gehabt habe, in einer Unterschriftsmappe auf den Schreibtisch gelegt. Völlig unvorhersehbar sei Rechtsanwältin K. am Morgen des 9. September 2013 aufgrund einer akuten Erkrankung in ihrer Wohnung zusammengebrochen, habe sich einer Notoperation unterziehen müssen und befinde sich seither im Koma. Davon habe man in der Anwaltskanzlei am 9. September 2013 noch keine Kenntnis gehabt. Frau B. habe zunächst geglaubt, Rechtsanwältin K. werde im Laufe des Tages im Büro erscheinen. Gegen 18.00 Uhr habe Frau B. das Büro verlassen und dabei sowohl die in der vorliegenden Sache zu wahrende Frist als auch die in dem Büro von Rechtsanwältin K. liegende Unterschriftenmappe vergessen. Das Büro von Rechtsanwältin K. sei von außen nicht einsehbar, weshalb ihr die Mappe im Laufe des Tages nicht mehr aufgefallen sei. Aus diesem Grund habe sie auch keinen anderen Rechtsanwalt auf die Fristsache angesprochen, obwohl sie für solche Fälle allgemein angewiesen sei, die kanzleiintern zuständige Rechtsanwältin anzurufen, und wenn sie sie nicht erreiche, deren Vertreterin oder einen in der Kanzlei anwesenden Rechtsanwalt auf den Fristablauf anzusprechen. Am 9. September 2013 um 18.00 Uhr sei Rechtsanwältin Ku. noch anwesend gewesen. Die Büroorganisation sei generell so geregelt, dass eine Fristversäumung weitestgehend ausgeschlossen sei. Es gebe feste Fristenregelungen, wonach diejenige Bürokraft, die konkret mit der Fristenwahrung beauftragt sei - unabhängig davon, ob dies durch persönliche Ansprache oder im Wege eines Diktats erfolgt sei, - bis zur vollständigen Erledigung die Vorgänge der Fristwahrung überwache und diese erst dann als erledigt austrage. Diese Bürokraft sei auch für eine Fristenkontrolle am Ende des Tages zuständig. Im Arbeitsvertrag mit Frau B. sei ihr Aufgabenbereich fest umschrieben. Sie habe die Aufgaben einer Rechtsanwaltsfachangestellten; mithin sei ihr sowohl generell als auch im Besonderen die Wahrung der Fristen im Rahmen der Büroorganisation aufgetragen gewesen. Frau B. habe den Umstand , dass die Frist noch zu wahren gewesen sei, schlicht und einfach vergessen.
3
Das Oberlandesgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch mit Beschluss vom 9. Oktober 2013 zurückgewiesen, weil es nicht den Anforderungen des § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO entspreche. Der Kläger habe die versäumte Prozesshandlung nicht innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist nachgeholt. Die irrtümlich bewilligte Fristverlängerung für die Einreichung der Berufungsbegründung sei unwirksam und habe keinen Vertrauenstatbestand geschaffen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Kläger die Aufhebung dieses Beschlusses und Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung der Berufung, hilfsweise Zurückverweisung.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO iVm § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeu- tung oder zur Fortbildung des Rechts auf noch erfordert sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
5
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde beruht der angefochtene Beschluss weder auf einer Verletzung des verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruchs des Klägers auf wirkungsvollen Rechtsschutz und auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) noch auf einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG). Dem Kläger wird insbesondere nicht der Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert.
6
a) Es kann offenbleiben, ob dem Kläger, der seine Berufungsbegründung erst am 14. Oktober 2013 und damit nach Ablauf der für die Nachholung der versäumten Prozesshandlung geltenden einmonatigen Frist des § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO eingereicht hat, ein Verschulden an der Versäumung dieser Frist angelastet werden kann oder ihm wegen der irreführenden Fristverlängerung durch das Berufungsgericht vom 19. September 2013 - auf seinen konkludenten Antrag im Schriftsatz vom 14. Oktober 2013 oder von Amts wegen - Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Frist des § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu gewähren wäre (vgl. BVerfGE 110, 339, 343 ff.; BGH, Beschluss vom 7. Juni 1999 - II ZB 25/98, VersR 2000, 647, 648).
7
b) Das Berufungsgericht hat dem Kläger die beantragte Wiedereinsetzung im Ergebnis zu Recht versagt, weil die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung auf einem Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten beruht , das ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist. Der Kläger hat weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass seine Prozessbevollmächtigte durch eine ordnungsgemäße Organisation der Fristenkontrolle in ihrer Kanzlei dafür Sorge getragen hat, dass Rechtsmittelfristen nicht versäumt werden.
8
aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört es zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten, dafür Sorge zu tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Prozessbevollmächtigte nicht nur sicherstellen, dass ihm die Akten von Verfahren, in denen Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfristen laufen, rechtzeitig vorgelegt werden. Er muss vielmehr zusätzlich eine Ausgangskontrolle schaffen , durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen. Da für die Ausgangskontrolle in jedem Anwaltsbüro ein Fristenkalender unabdingbar ist, muss der Rechtsanwalt sicherstellen, dass die im Kalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden (oder ihre Erledigung sonst kenntlich gemacht wird), wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht, die weitere Beförderung der ausgehenden Post also organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist. Dabei ist der für die Kontrolle zuständige Angestellte anzuweisen, Fristen im Kalender grundsätzlich erst zu streichen oder als erledigt zu kennzeichnen, nachdem er sich anhand der Akte vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Januar 2013 - VI ZB 78/11, VersR 2014, 645 Rn. 10; BGH, Beschlüsse vom 23. Januar 2013 - XII ZB 559/12, VersR 2013, 1330 Rn. 6; vom 27. November 2013 - III ZB 46/13, juris Rn. 8, jeweils mwN). Schließlich gehört zu einer wirksamen Ausgangskontrolle auch eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird (st. Rspr., s. etwa BGH, Senatsbeschlüsse vom 17. Januar 2012 - VI ZB 11/11, VersR 2012, 1009 Rn. 9; vom 12. April 2011 - VI ZB 6/10, VersR 2012, 506 Rn. 7 f; BGH, Beschlüsse vom 4. November 2014 - VIII ZB 38/14, juris Rn. 8 f.; vom 16. Juli 2014 - IV ZB 40/13, juris Rn. 9; vom 27. November 2013 - III ZB 46/13, juris Rn. 8; vom 23. April 2013 - X ZB 13/12, juris Rn. 9; vom 27. März 2012 - II ZB 10/11, NJW-RR 2012, 745, 746 Rn. 9; vom 16. Februar 2010 - VIII ZB 76/09, NJW 2010, 1378, Rn. 7).
9
bb) Der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags ist nicht zu entnehmen , dass in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Klägers die danach erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen getroffen wurden. Obwohl der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schriftsatz vom 26. September 2013 ausdrücklich auf das Fehlen jeglichen Vortrags zur Ausgangskontrolle hingewiesen hatte, hat der Kläger weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass eine Kanzleianweisung besteht, aufgrund derer Rechtsmittelfristen in einen Fristenkalender einzutragen und erst zu streichen sind, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt ist. Ebenso wenig ist eine Anordnung der Prozessbevollmächtigten dargetan, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird.
10
cc) Die unzureichende Ausgangskontrolle in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Klägers war auch kausal für die Fristversäumung. Hätte die Prozessbevollmächtigte des Klägers Vorkehrungen dafür getroffen, dass die im Kalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt ist, und die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird, so wäre die Berufungsbegründungsfrist nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge gewahrt worden (vgl. zur Kausalität Senatsbeschluss vom 13. Juli 2010 - VI ZB 1/10, NJW 2011, 151 Rn. 9; Zöller/ Greger, ZPO, 28. Aufl., § 233 Rn. 22). Denn dann hätte es sich nicht ausgewirkt , dass Frau B. die Frist und die Postmappe im Büro der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 9. September 2013 "schlicht und einfach vergessen" hatte. Vielmehr wäre bei der gebotenen Fristenkontrolle aufgefallen, dass der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist, dem das Oberlandesgericht in der Folge stattgegeben hat, noch nicht fertiggestellt war. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers wäre er dann von der noch anwesenden Rechtsanwältin Ku. unterzeichnet und rechtzeitig per Telefax an das Oberlandesgericht übersandt worden. Die Frist wäre dann nicht am 9. September 2013, sondern aufgrund der Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 19. September 2013 am 21. Oktober 2013 abgelaufen und durch die am 14. Oktober 2013 eingegangene Berufungsbegründung gewahrt worden. Galke Diederichsen Stöhr von Pentz Offenloch
Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 04.07.2013 - 2-10 O 383/12 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 09.10.2013 - 16 U 143/13 -
10
aa) Die vom Berufungsgericht insoweit gestellten Anforderungen an die Sorgfaltspflicht eines Prozessbevollmächtigten stehen in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Danach gehört es zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten, dafür Sorge zu tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Prozessbevollmächtigte nicht nur sicherstellen, dass ihm die Akten von Verfahren, in denen Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfristen laufen, rechtzeitig vorgelegt werden. Er muss vielmehr zusätzlich eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen. Da für die Ausgangskontrolle in jedem Anwaltsbüro ein Fristenkalender unabdingbar ist, muss der Rechtsanwalt sicherstellen, dass die im Kalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden (oder ihre Erledigung sonst kenntlich gemacht wird), wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht, die weitere Beförderung der ausgehenden Post also organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23. Mai 2006 - VI ZB 77/05, VersR 2006, 1563 Rn. 5; vom 12. April 2011 - VI ZB 6/10, aaO, Rn. 7; vom 17. Januar 2012 - VI ZB 11/11, aaO, Rn. 9). Dabei ist der für die Kontrolle zuständige Angestellte anzuweisen, Fristen im Kalender grundsätzlich erst zu streichen oder als erledigt zu kennzeichnen, nachdem er sich anhand der Akte vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. März 1996 - III ZB 13/96, VersR 1996, 1298; vom 6. November 2001 - XI ZB 11/01, BGHR ZPO § 233 Ausgangskontrolle 17; vom 11. September 2007 - XII ZB 109/04, NJW 2007, 3497 Rn. 13).
6
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört es zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Rechtsanwalt eine zuverlässige Fristenkontrolle organisieren und insbesondere einen Fristenkalender führen. Die Fristenkontrolle muss gewährleisten, dass die fristgebundene Maßnahme rechtzeitig ergriffen wird. Erst wenn dies geschehen ist, darf die fristwahrende Maßnahme im Kalender als erledigt gekennzeichnet werden. Die Erledigung fristgebundener Sachen ist am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders zu überprüfen (BGH Beschluss vom 12. April 2011 - VI ZB 6/10 - NJW 2011, 2051 Rn. 7 mwN). Es muss sichergestellt sein, dass die im Fristenkalender vermerkten Fristen erst gestrichen oder in anderer Weise als erledigt gekennzeichnet werden, wenn die fristgebundene Maßnahme durchgeführt, der fristwahrende Schriftsatz also rechtzeitig vor Ablauf der Notfrist postfertig gemacht und nötigenfalls vorab per Telefax übermittelt worden ist. Dabei muss der Prozessbevollmächtigte auch Vorkehrungen treffen, die geeignet sind, versehentliche Erledigungsvermerke im Fristenkalender zu verhindern (vgl. BGH Beschluss vom 10. Juli 1997 - IX ZB 57/97 - NJW 1997, 3177, 3178 mwN).
8
a) Es gehört zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten, dafür Sorge zu tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Prozessbevollmächtigte nicht nur sicherstellen, dass ihm die Akten von Verfahren , in denen Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen laufen, rechtzeitig vorgelegt werden. Er muss vielmehr zusätzlich eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen. Da für die Ausgangskontrolle in jedem Anwaltsbüro ein Fristenkalender unabdingbar ist, muss der Rechtsanwalt sicherstellen, dass die im Kalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden oder ihre Erledigung sonst kenntlich gemacht wird, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht und somit die weitere Beförderung der ausgehenden Post organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist. Schließlich gehört zu einer wirksamen Ausgangskontrolle auch eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom 23. April 2013 - X ZB 13/12, BeckRS 2013, 09353 Rn. 9 mwN; vom 27. März 2012 - II ZB 10/11, NJW-RR 2012, 745, 746 Rn. 9; vom 17. Januar 2012 - VI ZB 11/11, NJW-RR 2012, 427 f Rn. 9; vom 12. April 2011 - VI ZB 6/10, NJW 2011, 2051, 2052 Rn. 7 f; vom 20. Juli 2010 - XI ZB 19/09, BeckRS 2010, 18808 Rn. 12 und vom 16. Februar 2010 - VIII ZB 76/09, NJW 2010, 1378, 1379 Rn. 7).
9
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört es zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Anwalt eine zuverlässige Fristenkontrolle organisieren und insbesondere einen Fristenkalender führen. Erst nach der Fristenkontrolle darf die fristwahrende Maßnahme im Kalender als erledigt gekennzeichnet werden. Die Erledigung fristgebundener Sachen ist am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders zu überprüfen (BGH, Beschlüsse vom 28. Februar 2013 - I ZB 75/12, NJW-RR 2013, 1008 Rn. 6; vom 23. Januar 2013 - XII ZB 559/12, NJW-RR 2013, 572 Rn. 6; vom 12. April 2011 - VI ZB 6/10, NJW 2011, 2051 Rn. 7; jeweils m.w.N.). Der Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze genügt der Rechtsanwalt nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu prüfen , ob der Schriftsatz vollständig und an den richtigen Empfänger übermittelt worden ist (BGH, Beschlüsse vom 28. Februar 2013 aaO; vom 24. Oktober 2013 - V ZB 154/12, NJW 2014, 1390 Rn. 8; vom 17. Juli 2013 - XII ZB 115/13, NJW-RR 2013, 1328 Rn. 6; vom 15. Juni 2011 - XII ZB 572/10, NJW 2011, 2367 Rn. 13; vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367 unter II 2; jeweils m.w.N.). Diese zwingend notwendige Ausgangskontrolle muss sich entweder - für alle Fälle - aus einer allge- meinen Kanzleianweisung oder - in einem Einzelfall - aus einer konkreten Einzelanweisung ergeben (BGH, Beschluss vom 15. Juni 2011 aaO m.w.N.). Fehlt es an einer allgemeinen Anweisung, muss sich die Einzelanweisung , einen Schriftsatz sogleich per Telefax an das Rechtsmittelgericht abzusenden, in gleicher Weise auf die Ausgangskontrolle erstrecken. Die Kanzleiangestellten sind zusätzlich anzuweisen, die Frist erst nach einer Kontrolle der vollständigen Übermittlung anhand des Sendeprotokolls zu streichen (BGH, Beschlüsse vom 15. Juni 2011 aaO m.w.N.; vom 7. Juli 2010 - XII ZB 59/10, NJW-RR 2010, 1648 Rn. 12 ff.). Eine konkrete Einzelanweisung des Rechtsanwalts an sein Büropersonal , einen fristwahrenden Schriftsatz per Telefax zu übersenden, macht die weitere Ausgangskontrolle nicht entbehrlich (BGH, Beschlüsse vom 28. Februar 2013 aaO Rn. 8 m.w.N.; vom 15. Juni 2011 aaO).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 55/14
vom
26. Februar 2015
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 233 Fc, Fd

a) Für die Ausräumung eines Organisationsverschuldens des Rechtsanwalts
muss eindeutig feststehen, welche Bürokraft zu einem bestimmten Zeitpunkt
jeweils ausschließlich für die Fristenkontrolle zuständig ist.

b) Die gebotene Fristenkontrolle findet nicht statt, wenn die Fristenlöschung
durch eine Bürokraft erfolgt, der weder die Akte noch eine direkte Einzelanweisung
des sachbearbeitenden Rechtsanwalts vorliegt. Die bloße Mitteilung
einer anderen Bürokraft, die betreffende Frist solle gelöscht werden, genügt
als Grundlage für eine Fristenstreichung nicht.
BGH, Beschluss vom 26. Februar 2015 - III ZB 55/14 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Februar 2015 durch den
Vizepräsidenten Schlick und die Richter Wöstmann, Tombrink, Dr. Remmert
und Reiter

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. September 2014 - I-6 U 100/14 - wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Der Gegenstandswert für die Rechtsbeschwerde beträgt bis zu 65.000 €.

Gründe:


I.


1
Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit einer Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses am 16. April 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger rechtzeitig Berufung eingelegt. Nachdem bis zum Ablauf des 16. Juni 2014 keine Berufungsbegründung eingegangen war, wurde der Kläger hierauf mit Verfügung des Berufungsgerichts vom 17. Juni 2014 hingewiesen. Mit Schriftsätzen vom 8. Juli 2014, beide eingegangen am selben Tage, hat der Kläger seine Berufung begründet und bezüglich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
2
Der Kläger hat in seinem Wiedereinsetzungsgesuch vorgetragen, dass es durch ein "singuläres Versehen" der langjährig erfahrenen und bislang stets zuverlässig tätig gewesenen persönlichen Sekretärin seines Rechtsanwalts Dr. K. , Frau P. , zur vorzeitigen Löschung der Berufungsbegründungsfrist und hierdurch zur Versäumung dieser Frist gekommen sei. Die persönliche Sekretärin des Rechtsanwalts sei neben der zentralen Fristenkontrollstelle der Anwaltskanzlei, die durch Frau H. wahrgenommen werde, für die Überwachung der Fristen zuständig. Die Fristenkontrolle sei in der Anwaltskanzlei so gestaltet, dass für die eingehende Post von der zentralen Fristenkontrolle (Frau H. ) die Wiedervorlage- und Notfristen (sogenannte Promptfristen) in den zentralen Fristenkalender eingetragen und sodann auf den Schriftstücken notiert würden. Dementsprechend seien nach Eingang des Urteils des Landgerichts die Berufungseinlegungsfrist (WV 08.05.2014; Pr[omptfrist]: 15.05.2014) und die Berufungsbegründungsfrist (WV 08.06.2014; Pr[omptfrist]: 13.06.2014) auf dem Urteil und im Fristenkalender eingetragen worden. In der Anwaltskanzlei bestehe die seit Jahrzehnten geltende und reibungslos funktionierende Anweisung , dass an dem jeweiligen Tag die eingetragenen Fristen von der zentralen Fristenkontrolle (Frau H. ) telefonisch an die jeweiligen persönlichen Sekretärinnen der Anwälte (hier: Frau P. ) durchgegeben würden, die die Akten den sachbearbeitenden Rechtsanwälten vorlegten und verpflichtet seien, darauf zu achten, dass die eingetragenen Fristen erst nach Bearbeitung gelöscht würden. Die den Streitfall betreffende Akte sei Rechtsanwalt Dr. K. nicht erst am 8. Mai 2014, dem Wiedervorlagetermin für die Berufungseinlegung , sondern bereits am 7. Mai 2014, nämlich im Zusammenhang mit dem Eingang der Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung, vorgelegt worden. Rechtsanwalt Dr. K. habe sodann die Berufungsschrift diktiert und nach Niederschrift des Diktats durch Frau P. selbst am späten Nachmittag an das Berufungsgericht per Telefax übersandt. Er habe die Fristen für die Berufungseinlegung (08.05.2014 und 15.05.2014) auf dem landgerichtlichen Urteil gestrichen, diese Streichung mit seinem Handzeichen versehen und die Akte mit der Berufungsschrift und dem Sendeprotokoll am Abend auf seinem Schreibtisch liegen lassen. Am Vormittag des nächsten Tages habe er Frau P. sinngemäß gesagt: "In der Sache Kü. habe ich die Berufungseinlegung schon rausgeschickt, bitte entsprechend an Frau H. durchgeben, dass die Promptfrist für die Berufungseinlegung gelöscht werden kann." Frau P. habe die Akte aus dem Zimmer von Rechtsanwalt Dr. K. mitgenommen und zu ihrem Schreibtisch gebracht. Dort habe sie nach Erledigung mehrerer Telefonate Frau H. per E-Mail geschrieben: "Promptfristen streichen , Kü. ./. S. u.a., LG Düsseldorf, 10 O 210/12, Urteil vom 15.04.2014, WV 08.06.2014, Pr 15.05.2014, Pr 13.06.2014", also versehentlich mitgeteilt, dass auch die Fristen für die Berufungsbegründung gestrichen werden sollten. Dies habe Frau H. in dem von ihr geführten zentralen Fristenkalender dann auch so vollzogen, so dass die rechtzeitige Aktenvorlage für die Berufungsbegründung unterblieben sei.
3
In der Anwaltskanzlei bestehe die allgemeine Anweisung, dass grundsätzlich nur die mit der Fristenkontrolle betrauten persönlichen Sekretärinnen überhaupt Fristen streichen dürften, und dies auch erst, nachdem sie sich anhand der Akte oder des zu erledigenden Schriftsatzes vergewissert hätten, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen sei, oder wenn sie dazu (wie hier) eine konkrete Einzelanweisung des Rechtsanwalts erhalten hätten. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen eine Frist lange vor dem letzten Tag des Fristab- laufs erledigt sei, weil entweder der zu fertigende Schriftsatz nachweislich abgesandt oder etwa entschieden worden sei, ein Rechtsmittelverfahren nicht durchzuführen, teile Frau P. auf Anweisung von Rechtsanwalt Dr. K. hin Frau H. mit, dass die bei ihr im Fristenkalender eingetragene konkrete Frist gelöscht werden könne. Damit solle verhindert werden, dass die Akte wegen der erledigten Frist zu einem späteren Zeitpunkt nochmals vorgelegt werde. Nur dann, wenn Frau H. konkret unter Angabe der genauen Akte und Frist angewiesen werde, eine Frist vorzeitig im zentralen Fristenkalender zu streichen , nehme sie die Fristenstreichung vor; einer etwaigen Anweisung zu einer pauschalen Fristenstreichung (etwa: "alle Fristen eines Tages") komme sie nicht nach.
4
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.


5
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO statthafte sowie rechtzeitig eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§ 574 Abs. 2 ZPO).
6
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass dem Rechtsanwalt des Klägers ein Organisationsverschulden zur Last falle, welches sich der Kläger zu- rechnen lassen müsse. Nach allgemeiner Anweisung sei es in der Anwaltskanzlei möglich gewesen, dass die mit der zentralen Fristenkontrolle (einschließlich der Streichung von Fristen im zentralen Fristenkalender) betraute Mitarbeiterin H. eine Frist habe löschen dürfen, ohne zur Kontrolle die Handakte oder eine direkte Einzelanweisung des sachbearbeitenden Rechtsanwalts zu besitzen. Vielmehr sei es ihr erlaubt gewesen, aufgrund einer konkreten Anweisung der persönlichen Sekretärin des jeweiligen Rechtsanwalts Fristen zu löschen. Dadurch sei die Gefahr geschaffen worden, dass es zu einer versehentlichen Falschübermittlung habe kommen können, ohne dass die mit der konkreten Löschung der Frist befasste Mitarbeiterin H. eine Überprüfungsmöglichkeit gehabt habe. Dem stehe nicht entgegen, dass die persönlichen Sekretärinnen ebenfalls eine Kontrollfunktion wahrnähmen und grundsätzlich nur sie überhaupt Fristen löschen dürften. Denn dadurch, dass sie die Fristen gerade nicht selber im Fristenkalender löschten, sondern ihrerseits nur eine Anweisung zur Fristenlöschung an eine weitere Mitarbeiterin, die für den Fristenkalender zuständig sei, erteilten, sei eine wirksame Fristenkontrolle nicht hinreichend gewährleistet. Es müsse sichergestellt sein, dass eine Frist im Fristenkalender erst dann als erledigt gekennzeichnet werde, wenn der fristwahrende Schriftsatz gefertigt und dafür Sorge getragen worden sei, dass das Schriftstück tatsächlich hinausgehe. Dies sei nur der Fall, wenn die Mitarbeiterin, die die Fristen im Fristenkalender streiche, entweder eine eigene Überprüfungsmöglichkeit anhand der Handakte oder eine diesbezügliche konkrete Einzelanweisung des sachbearbeitenden Rechtsanwalts erhalten habe.
7
2. Die Würdigung des Berufungsgerichts, der Kläger habe ein ihm gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden seines Rechtsanwalts nicht auszuräumen vermocht, so dass ihm keine Wiedereinsetzung zu gewähren und seine Berufung als unzulässig zu verwerfen sei, befindet sich in Übereinstim- mung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Die Verfahrensgrundrechte des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) hat das Berufungsgericht nicht verletzt.
8
a) Es gehört zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten, dafür Sorge zu tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Prozessbevollmächtigte sicherstellen, dass ihm die Akten von Verfahren, in denen Rechtsmitteleinlegungs- und Rechtsmittelbegründungsfristen laufen, rechtzeitig vorgelegt werden, und zusätzlich eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen. Da für die Fristenkontrolle in jedem Anwaltsbüro ein Fristenkalender unabdingbar ist, muss der Rechtsanwalt sicherstellen , dass die im Kalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden oder ihre Erledigung sonst kenntlich gemacht wird, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht und somit die weitere Beförderung der ausgehenden Post organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist, oder wenn von einer (weiteren) Durchführung des Rechtsmittelverfahrens abgesehen werden soll. Dabei ist die für die Kontrolle zuständige Bürokraft anzuweisen, dass Fristen im Kalender erst zu streichen oder als erledigt zu kennzeichnen sind, nachdem sie sich anhand der Akte selbst vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist. Schließlich gehört zu einer wirksamen Fristenkontrolle auch eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft nochmals und abschließend selbständig überprüft wird (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom 7. Januar 2015 - IV ZB 14/14, BeckRS 2015, 01755 Rn. 8; vom 9. Dezember 2014 - VI ZB 42/13, BeckRS 2015, 00476 Rn. 8; vom 4. November 2014 - VIII ZB 38/14, NJW 2015, 253 f Rn. 8 f; vom 27. März 2012 - II ZB 10/11, NJW-RR 2012, 745, 746 Rn. 9 und vom 5. März 2008 - XII ZB 186/05, NJW-RR 2008, 1160, 1161 Rn. 11 ff sowie Senatsbeschlüsse vom 27. November 2013 - III ZB 46/13, NJOZ 2014, 1476 Rn 8 und vom 13. September 2007 - III ZB 26/07, MDR 2008, 53, 54 - jeweils mwN).
9
b) Nach diesen Maßgaben hat der Kläger nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass im Büro seines Rechtsanwalts hinreichende organisatorische Vorkehrungen getroffen worden sind, welche die unberechtigte Streichung von Fristen verhindern und damit die rechtzeitige Vorlage fristgebundener Sachen sicherstellen.
10
aa) Aus den Ausführungen des Klägers ist schon nicht ersichtlich, welche konkrete Bürokraft für die Fristenkontrolle Verantwortung getragen hat. Eine solche Darlegung ist für die Ausräumung eines Organisationsverschuldens jedoch geboten. Es muss nämlich eindeutig feststehen, welche Fachkraft zu einem bestimmten Zeitpunkt jeweils ausschließlich für die Fristenkontrolle zuständig ist (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 3. November 2010 - XII ZB 177/10, NJW 2011, 385, 386 Rn. 9 und vom 17. Januar 2007 - XII ZB 166/05, NJW 2007, 1453 Rn. 12 f).
11
(1) Im Wiedereinsetzungsgesuch hat der Kläger ausgeführt, dass die persönliche Sekretärin seines Rechtsanwalts, Frau P. , "neben der zentralen Fristenkontrollstelle" der Anwaltskanzlei, die durch Frau H. wahrgenommen werde, für die Überwachung der Fristen zuständig gewesen sei. Der Fristenkalender wurde nach den Angaben des Klägers indessen nicht von Frau P. , sondern - zentral - allein von Frau H. geführt, welche die Fristen eintrug, deren Löschung vornahm und die persönlichen Sekretärinnen der Rechtsanwälte laufend über die jeweils aktuellen Fristen unterrichtete. Die persönlichen Sekretärinnen der Rechtsanwälte hatten nach dem Vortrag des Klägers die Aufgabe, darauf zu achten, dass die eingetragenen Fristen erst nach der Bearbeitung gelöscht wurden. "Grundsätzlich" durften nur "die mit der Fristenkontrolle betrauten persönlichen Sekretärinnen" überhaupt Fristen streichen und gaben dies dann an Frau H. weiter.
12
(2) Aus diesem Vorbringen wird nicht in dem erforderlichen Maße deutlich , welche Bürokraft in der Anwaltskanzlei ausschließlich mit der Fristenkontrolle betraut gewesen ist.
13
Das Berufungsgericht hat angenommen, dass beide Bürokräfte, Frau P. und Frau H. , Aufgaben der Fristenkontrolle wahrgenommen hätten. Dies greift der Kläger mit seiner Rechtsbeschwerde an. Er meint, das Berufungsgericht habe sich über seinen Vortrag hinweggesetzt und hierdurch seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Frau H. habe eigenständig keine Fristen löschen dürfen, sondern nur auf Weisung der persönlichen Sekretärin des Rechtsanwalts. Frau H. habe also nur Anweisungen ausgeführt. Die Verantwortung für die Fristenüberwachung und die alleinige Befugnis, Fristen streichen zu dürfen, hätten ausschließlich bei den persönlichen Sekretärinnen gelegen.
14
Mit dieser Rüge berücksichtigt der Kläger seinen Vortrag im Wiedereinsetzungsgesuch jedoch nicht vollständig. Dort hat er vorgebracht, dass Frau P. "neben" Frau H. ("zentrale Fristenkontrolle") für die Überwachung der Fristen zuständig gewesen sei. Mit der Angabe "grundsätzlich" in Bezug auf die Fristenstreichung hat er offen gelassen, wann und unter welchen Bedingungen die persönlichen Sekretärinnen oder Frau H. eine Fristenstreichung vornehmen dürfen. Unklar ist auch, wie die persönlichen Sekretärinnen in ausschließlich eigener Verantwortung eine Frist löschen können, wenn der Fristenkalender doch - insoweit eigenverantwortlich ("zentrale Fristenkontrolle") - von Frau H. geführt und verwaltet wird. Anders als es die Rechtsbeschwerde geltend machen möchte, erscheint Frau H. hinsichtlich der Fristenlöschung unter Zugrundelegung des Vortrags im Wiedereinsetzungsgesuch nicht als bloßer "verlängerter Arm" oder als ein schlichtes "Werkzeug" der persönlichen Sekretärinnen. Vielmehr bleibt es - auch weiterhin - ungeklärt, welche der beiden Bürokräfte die gebotene "ausschließliche Fristenkontrolle" auszuüben hatte.
15
bb) Unbeschadet dessen hat das Berufungsgericht zu Recht beanstandet , dass durch die dargelegten allgemeinen Anweisungen in der Anwaltskanzlei der zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht sichergestellt gewesen ist, dass vor einer Fristenstreichung die dafür erforderlichen Kontrollen vorgenommen werden.
16
Durch organisatorische Anweisungen muss, wie oben (unter a) dargestellt , gewährleistet werden, dass die zuständige Bürokraft eine Fristenlöschung erst vornimmt, nachdem sie sich anhand der Akte vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist. Diese Kontrolle wird unterlaufen, wenn die Fristenlöschung durch eine Bürokraft erfolgt, der weder die Akte noch eine direkte Einzelanweisung des sachbearbeitenden Rechtsanwalts vorliegt. Kontrollmöglichkeit und Fristenlöschung fallen dann nämlich auseinander, eine wirksame Fristenkontrolle findet insoweit also nicht statt. Die bloße Mitteilung einer anderen Bürokraft, die betreffende Frist solle gelöscht werden, genügt als Grundlage für eine Fristenstreichung nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 1999 - XII ZB 15/99, NJW-RR 1999, 1222).
17
cc) Schließlich ist eine Anordnung in der Kanzlei des Rechtsanwalts des Klägers, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft nochmals und abschließend selbständig überprüft wird, nicht dargetan.
18
Eine solche Kontrolle ist bereits deswegen notwendig, weil selbst bei sachgerechten Organisationsabläufen individuelle Bearbeitungsfehler auftreten können, die es nach Möglichkeit aufzufinden und zu beheben gilt (BGH, Beschluss vom 4. November 2014 aaO S. 254 Rn. 9). Sie dient nicht allein dazu, zu überprüfen, ob sich aus den Eintragungen noch unerledigt gebliebene Fristsachen ergeben, sondern soll auch feststellen, ob möglicherweise in einer bereits als erledigt vermerkten Fristsache die fristwahrende Handlung noch aussteht (BGH aaO Rn. 10).
19
c) Nach alldem stellt sich die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht, wie der Kläger meint, lediglich als Folge eines unvorhersehbaren singulären "Blackouts" der persönlichen Sekretärin seines Rechtsanwalts dar, sondern vielmehr auch als Folge einer ungenügenden Kanzleiorganisation, die es verabsäumt hat, die erforderliche Fristenkontrolle im Zusammenhang mit der Löschung von Fristen sicherzustellen.
20
Hätte die mit der Fristenlöschung betraute Bürokraft (Frau H. ) eine Überprüfung anhand der Akte vornehmen können oder wäre eine abendliche Fristenkontrolle anhand des Fristenkalenders erfolgt, so wäre es bei gewöhnli- chem Lauf der Dinge entweder gar nicht erst zur Löschung der die Berufungsbegründung betreffenden Fristen gekommen oder diese Fristenlöschung wäre noch am selben Tage als unberechtigt aufgefallen und revidiert worden.
Schlick Wöstmann Tombrink
Remmert Reiter
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 15.04.2014 - 10 O 210/12 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 05.09.2014 - I-6 U 100/14 -

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Vollstreckungsschuldnerin gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Vorsitzenden der 35. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 24. Februar 2015 (Az.: 35 O 44/14) wird

v e r w o r f e n.

2. Die Vollstreckungsschuldnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Streitwert für beide Rechtszüge: 50.000,- EUR.

Gründe

 
I.
Die sofortige Beschwerde der Vollstreckungsschuldnerin gegen den Ordnungsmittelbeschluss des Vorsitzenden des 35. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 25. Februar 2015 ist unzulässig.
A
Das Landgericht hat, gestützt auf den Verfügungsbeschluss vom 23. Mai 2014, der durch landgerichtliches, nicht rechtskräftiges Urteil der Kammer vom 25. November 2014 bestätigt worden ist, auf Antrag der Vollstreckungsgläubigerin wegen der Internetveröffentlichung gemäß Anlage AST 5 in dem angegriffenen Beschluss gegen die Vollstreckungsschuldnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 50.000,- EUR festgesetzt und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ordnungshaft.
Wegen des Sachverhaltes und der Begründung des landgerichtlichen Beschlusses wird auf die Darstellung in dem Beschluss des Vorsitzenden der 35. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 24. Februar 2015 Bezug genommen.
B
Gegen diesen am 02. März 2015 zugestellten Beschluss hat die Vollstreckungsschuldnerin durch Schriftsatz vom 16. März 2015 sofortige Beschwerde eingelegt, die am 17. März 2015 beim Landgericht einging. Unter dem 18. März 2015 hat sie ihr Rechtsmittel wiederholt und zugleich einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist gestellt; dieser Schriftsatz ging nebst Anlagen am 20. März 2015 beim Landgericht ein.
Die Vollstreckungsschuldnerin trägt vor:
Die Fristversäumnis beruhe auf einem einmaligen Versehen der ordnungsgemäß ausgebildeten, seit 2005 in der Kanzlei der Vollstreckungsschuldnervertreter stets zuverlässig arbeitenden Assistentin Frau M... Sie habe entgegen der allgemeinen Kanzleianweisung die Beschwerdeschrift nicht vorab per Fax gesandt und dabei eine Einzelanweisung verletzt, die ihr am 16. März 2015, gegen 14 Uhr, durch den zuständigen Rechtsanwalt erteilt worden sei. Die Fristenkontrolle der Schuldnervertreter sei ordnungsgemäß organisiert.
In der Sache sei der Beschluss des Landgerichts vom 24.02.2015 schon deshalb aufzuheben, da die einstweilige Verfügung vom 23.05.2014 aufzuheben sei. Dazu verweist die Vollstreckungsschuldnerin auf ihr Berufungsvorbringen in Sachen 2 U 152/14.
Unstreitig habe die Schuldnerin mit der Eigentümerin des Grundstücks auf B...-E... einen neuen Vertrag geschlossen, denjenigen vom 28. Mai 2014. Mit diesem Vertrag gewähre die Eigentümerin der Schuldnerin unstreitig ein Recht, das die Realisierung des Vorhabens hinlänglich absichere.
Die Schuldnerin habe den Vortrag der Gläubigerin zu einem Telefonat, in dem das Kündigungsrecht der Eigentümerin zur Sprache gekommen sei, mit Schriftsatz vom 26.09.2014 mit Nichtwissen bestritten. Damit sei die einzige Anknüpfungstatsache, die die Gläubigerin für die angebliche Kündbarkeit des neuen Vertrages vorgetragen habe, bestritten. Die Kammer habe deshalb nicht annehmen können, die Schuldnerin habe die Kündbarkeit zugestanden. Die Gläubigerin habe vielmehr ihrer Darlegungslast nicht genügt, indem sie die Kündbarkeit ins Blaue hinein behauptet habe. Diese Erwägung habe hier deshalb ein besonderes Gewicht, weil die Gläubigerin eine Wettbewerberin der Schuldnerin sei und deshalb am Inhalt der Verträge zwischen der Schuldnerin und der Eigentümerin des Grundstücks ein eigenes wettbewerbliches Interesse habe. Die Schuldnerin könne nicht gezwungen werden, zum Inhalt dieser Verträge vorzutragen, wenn die Gläubigerin etwaige Inhalte ohne unstreitige Anknüpfungstatsachen behauptet habe.
10 
Selbst wenn der Vertrag mit sechswöchiger Frist kündbar wäre, bilde er eine im Sinne des Tenors ausreichende Grundlage für die beanstandeten Äußerungen auf m... .com.
11 
Der Verbotstenor sei, wie schon der Verfügungsantrag, zu unbestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), was die Vollstreckungsschuldnerin weiter ausführt (s. BB 8 ff.), zumindest aber so auszulegen, dass jeglicher Vertrag, der der Schuldnerin einen Anspruch auf den Zugriff auf das Grundstück gewähre, aus dem Verbot hinausführe. Denn weder aus dem Verbotstenor noch aus der Antragsbegründung gehe die Forderung nach einer bestimmten Qualität, insbesondere nach einer Unkündbarkeit des Vertrages hervor.
12 
Die Formulierung „gesicherte Vertragsgrundlage" verdeutliche, dass der vertraglich vereinbarte Zugriff auf das Grundstück - auf welche Weise auch immer - zusätzlich „gesichert" sein müsse, es sich also um eine in irgendeiner Weise qualifizierte Vertragsgrundlage handeln müsse. Die Formulierung „durch Verträge...gesichert" lege dagegen das Verständnis nahe, dass allein der vertragliche Anspruch auf Zugriff auf das Grundstück zu einer „Sicherung" der Planung und Entwicklung im Sinne des Verbotes führe.
13 
Die Vollstreckungsschuldnerin könne während der Kündigungsfrist unstreitig durch einseitige Erklärung das Grundstück selbst erwerben oder Dritten diesen Erwerb vermitteln. Solange der Vertrag laufe, könne die Eigentümerin diesen Erwerb nicht verhindern. Die Schuldnerin könne deshalb durch Ausübung des Erwerbsrechts vor Ablauf der Kündigungsfrist dem Entzug des Grundstücks durch die Eigentümerin zuvorkommen.
14 
Schließlich habe die Schuldnerin die Werbung für das Projekt E... in vielerlei Hinsicht geändert. Mit dem veränderten Text behaupte die Schuldnerin in keiner Weise, dass die Verwirklichung des Vorhabens feststehe.
15 
Mittlerweile hat der M... H... im Berufungsverfahren 2 U 152/14 eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt (GA 461), in der es unter anderem heißt:
16 
„28.05./2.06.2014 vereinbarte Pachtgarantie ist mit einer Frist von sechs Wochen kündbar.
17 
In dem Vertrag wird uns wie folgt eine Option zum Erwerb des Grundstücks eingeräumt:
18 
„R... verpflichtet sich während der Laufzeit dieser Vereinbarung das bezeichnete Grundstück nicht an Dritte im Erbbaurecht zu vergeben bzw. das Grundstück an Dritte zu verkaufen. Während der Laufzeit dieser Vereinbarung erhält M... weiterhin das Recht, die in der UR-Nr. 0...0/2012 des Notars Dr. G... und der Ergänzungsurkunde UR-Nr. G1...8/2013 beschriebene Option auf Annahme des Angebotes des Erbbaurechtsvertrages auszuüben oder das bezeichnete Grundstück zur Realisierung des M... Konzeptes für einen Kaufpreis von [...] (zuzgl. 19 % MwSt.) zu erwerben bzw. einen entsprechenden Käufer zu benennen. Die Annahme des Angebots des Kaufes ist durch M... oder den benannten Käufer durch einen geeigneten Finanzierungsnachweis und einer bindenden Absichtserklärung glaubhaft zu machen. Für die Annahme des Angebots des Erbbaurechtsvertrages gelten die Bestimmungen der oben genannten UR-Nr. 0...0/2012 und UR-Nr. 01...8/2013."
19 
Der Vertrag enthält keinen Hinweis darauf, dass die Option nicht innerhalb der 6-wöchigen Kündigungsfrist ausgeübt werden kann.“
20 
Auf einen gerichtlichen Hinweis durch Verfügung des Vorsitzenden vom 07. April 2015 hat die Vollstreckungsschuldnerin weiter vorgetragen:
21 
Die Kontrolle am Ende des Arbeitstages sichere die Erledigung der Fristsachen lediglich zusätzlich. Es bestehe, wie vorgetragen, die Anweisung,
22 
- alle fristwahrenden Schriftsätze vorab per Fax zu senden,
- auf die erste Seite der fristwahrenden Schriftsätze fett „vorab per Fax" zu notieren,
- nach der Faxsendung die Faxnummer auf dem Sendebericht mit der auf dem Schriftsatz notierten Nummer zu vergleichen,
- die Frist erst zu streichen, wenn geprüft worden ist, ob das Schriftstück vollständig an die richtige Faxnummer gesendet wurde, und wenn gemäß einer Prüfung der Akte auch im Übrigen nichts mehr zu veranlassen ist.
23 
Dies stehe im Einklang mit den Anforderungen des Bundesgerichtshofes.
24 
Es sei vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass die Rechtanwälte der Sozietät die Ausführung der Kanzleianweisung in regelmäßigen Stichproben kontrollierten und die Assistentinnen regelmäßig an sie erinnerten, ferner, dass der Unterzeichner in regelmäßigen Stichproben den Umgang Frau M... mit Fristen kontrolliere.
25 
Am fraglichen Tag sei eine Kontrolle nicht geboten gewesen.
26 
Der Assistentin sei nicht vorzuwerfen, mehrere Fehler begangen zu haben. Sie habe gemeint, die Fristsache erledigt zu haben, ohne die Faxsendung zu überprüfen. Dieser Fehler habe sich nicht bei der dann folgenden Streichung der Frist und der zusätzlichen Kontrolle am Ende des Arbeitstages offenbart. Ein zusätzlicher Fehler sei der Assistentin deshalb nicht vorzuwerfen.
27 
Die Vollstreckungsbeklagte regt an, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, sofern der Senat die Wiedereinsetzung versage.
28 
Zum Ordnungsmittelbeschluss selbst vertieft die Beschwerde ihr Vorbringen und rügt, dass sich der Senat in seinem Beschluss vom 07. April 2015 (Az. 2 W 2/15) nicht mit der Argumentation der Vollstreckungsschuldnerin auseinandersetzt habe. Dies sei nun um so mehr geboten, als es um ein Ordnungsgeld gehe, das die Vollstreckungsschuldnerin durch seine Höhe vor erhebliche Probleme stellen würde. Es bestehe der Eindruck, der Senat habe die Bestimmtheit des Antrages und die Voraussetzungen einer Irreführung vermengt.
29 
Ergänzend trägt die Vollstreckungsschuldnerin zur Vertragslage vor wie in der zitierten eidesstattlichen Versicherung ausgeführt. Die in dem Pachtvertrag mit der Grundstückseigentümerin vereinbarte Option könne auch innerhalb der sechswöchigen Frist zwischen Ausübung der Kündigung und Ende des Vertrages ausgeübt werden.
30 
Zur Branchenübung legt die Vollstreckungsschuldnerin Stellungnahmen des Herrn Dr. P... H..., der H... P... GmbH & Co. KG vom 21.04.2014, der Frau Dr. K... H..., verantwortlich für strategische Projekte bei G... & Partner GmbH vom 20.04.2014 sowie die des Herrn Dr. P... F..., geschäftsführende Gesellschafter der Y... Immobilien GmbH vom 17.04.2014 vor (S 3, S 4, S 5).
31 
Eine spekulative Realisierung ohne Käufer oder Mieter komme gerade bei Spezialimmobilien wie dem „M..." kaum vor, da deren Gestaltung und Ausstattung in hohem Maße von den Wünschen der zukünftigen Mieter abhänge. Ziel sei, in einem ersten Schritt gewerbliche Mietinteressenten auf das Immobilienprojekt aufmerksam zu machen. In einem zweiten Schritt würden konkrete Verhandlungen für eine Vermietung aufgenommen. Es sei üblich, dass gewerbliche Mietinteressenten über die noch zu schaffenden Voraussetzungen der Verwirklichung des Projekts bei Aufnahme der Mietvertragsverhandlung informiert würden. Je nach Sicherheit dieser Verwirklichung würden dann Möglichkeiten des Rücktritts oder aufschiebende oder auflösende Bedingungen vorgesehen, falls das Projekt letztlich nicht umgesetzt werde.
32 
Auf Eigentümerseite bestehe in der Regel kein Interesse, das Eigentum am Grundstück frühzeitig zu Gunsten eines Interessenten dinglich zu sichern.
33 
Im Ergebnis werde der Vollstreckungsschuldnerin die Möglichkeit genommen, in branchenüblicher Weise für die Vermarktung des Objekts zu sorgen und das Projekt auf diese Weise zu finanzieren. Das sei ein im höchsten Maße unbilliges Ergebnis.
34 
Das Verhalten der Vollstreckungsschuldnerin verstoße dem Wortlaut nach nicht gegen das Titelverbot. Der Vertrag mit dem Eigentümer sichere das Projekt.
35 
Die Vollstreckungsschuldnerin bittet darum, über die Beschwerde mündlich zu verhandeln.
36 
Sie beantragt,
37 
1. der Schuldnerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren
38 
2. den Beschluss vom 24.02.2015 - 35 0 44/14 - aufzuheben und den Antrag auf seinen Erlass zurückzuweisen.
C
39 
Das Landgericht hat der Beschwerde, den Wiedereinsetzungsantrag offen lassend, durch Beschluss vom 22. März 2015 nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.
II.
40 
Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 890, 793 ZPO statthaft, aber unzulässig, da verfristet. Der Vollstreckungsschuldnerin ist die beantragte Wiedereinsetzung in die zweiwöchige, eingeräumtermaßen versäumte Beschwerdefrist nicht zu gewähren.
A
41 
Der Antrag der Vollstreckungsschuldnerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 233 ff. ZPO in Ansehung der Beschwerdefrist ist zulässig.
B
42 
Dieser Antrag ist jedoch nach Maßgabe der §§ 233 ff. ZPO unbegründet. Denn die Vollstreckungsschuldnerin hat diese Frist aufgrund eines Verschuldens ihrer Prozessbevollmächtigten versäumt, das ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist. Davon hat der Senat für seine Entscheidung auszugehen. Es obliegt der Partei, die Wiedereinsetzung erstrebt, die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung darzulegen und glaubhaft zu machen. Die Vollstreckungsschuldnerin hat weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass ihre Prozessbevollmächtigten durch eine ordnungsgemäße Organisation der Fristenkontrolle in ihrer Kanzlei dafür Sorge getragen hätten, dass Rechtsmittelfristen in Fällen nicht versäumt würden, in denen eine Rechtsmittelschrift so spät abgesandt wird, dass ein rechtzeitiger Eingang des Schriftsatzes bei Gericht mit gewöhnlicher Post bei regelmäßigem Verlauf der Dinge nicht mehr angenommen werden kann und deshalb eine Telefaxübermittlung erforderlich ist, um die Rechtsmittelfrist zu wahren.
1.
43 
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört es zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten, dafür Sorge zu tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Prozessbevollmächtigte nicht nur sicherstellen, dass ihm die Akten von Verfahren, in denen Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfristen laufen, rechtzeitig vorgelegt werden. Er muss vielmehr zusätzlich eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen. Da für die Ausgangskontrolle in jedem Anwaltsbüro ein Fristenkalender unabdingbar ist, muss der Rechtsanwalt sicherstellen, dass die im Kalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden (oder ihre Erledigung sonst kenntlich gemacht wird), wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht, die weitere Beförderung der ausgehenden Post also organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist. Dabei ist der für die Kontrolle zuständige Angestellte anzuweisen, Fristen im Kalender grundsätzlich erst zu streichen oder als erledigt zu kennzeichnen, nachdem er sich anhand der Akte vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 08. Januar 2013 - VI ZB 78/11, VersR 2014, 645, Rn. 10; vom 23. Januar 2013 - XII ZB 559/12, VersR 2013, 1330, Rn. 6; vom 27. November 2013 - III ZB 46/13, juris Rn. 8, je m.w.N.).
44 
Darüber hinaus gehört zu einer wirksamen Ausgangskontrolle auch eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird (st. Rspr., s. BGH, Beschlüsse vom 17. Januar 2012 - VI ZB 11/11, VersR 2012, 1009, Rn. 9; vom 12. April 2011 - VI ZB 6/10, VersR 2012, 506, Rn. 7 f.; vom 16. Juli 2014 - IV ZB 40/13, juris Rn. 9; vom 27. November 2013 - III ZB 46/13, juris Rn. 8; vom 04. November 2014 - VIII ZB 38/14, juris Rn. 8 f.; vom 09. Dezember 2014 – VI ZB 42/13, MDR 2015, 112, bei juris Rz. 8, m.w.N.; vom 23. April 2013 - X ZB 13/12, juris Rn. 9; vom 27. März 2012 - II ZB 10/11, NJW-RR 2012, 745, 746, Rn. 9; vom 16. Februar 2010 - VIII ZB 76/09, NJW 2010, 1378, Rn. 7).
2.
45 
Der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags ist nicht zu entnehmen, dass in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Vollstreckungsschuldnerin die danach erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen getroffen worden wären. Unbeschadet der anderen gebotenen Kontrollanweisungen ist keine Anordnung der Prozessbevollmächtigten der Vollstreckungsschuldnerin dargetan, durch die gewährleistet wäre, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft werde.
a)
46 
Der Bundesgerichtshof fordert nicht lediglich eine Kontrolle der Streichung der Frist im Kalender, sondern anhand des Fristenkalenders, aus dem sich ergibt, welche Fristsachen an jenem Tag zu erledigen waren, eine Kontrolle, ob die Erledigung stattgefunden hat. Diese Kontrolle soll auch verhindern, dass die Streichung irrtümlich erfolgt ist. Schließlich ist eine Anordnung in der Kanzlei des Rechtsanwalts des Klägers, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft nochmals und abschließend selbständig überprüft wird, nicht dargetan.
47 
Eine solche Kontrolle ist bereits deswegen notwendig, weil selbst bei sachgerechten Organisationsabläufen individuelle Bearbeitungsfehler auftreten können, die es nach Möglichkeit aufzufinden und zu beheben gilt (BGH, Beschluss vom 04. November 2014 - VIII ZB 38/14, bei juris Rz. 9). Sie dient nicht allein dazu, zu überprüfen, ob sich aus den Eintragungen noch unerledigt gebliebene Fristsachen ergeben, sondern soll auch feststellen, ob möglicherweise in einer bereits als erledigt vermerkten Fristsache die fristwahrende Handlung noch aussteht (BGH, Beschlüsse vom 04. November 2014 - VIII ZB 38/14, bei juris Rz. 10; und vom 26. Februar 2015 – III ZB 55/14, MDR 2015, 481, bei juris Rz. 18).
48 
Diesen Zweck kann sie nur erfüllen, wenn anhand des Fristenkalenders eine über die Streichung hinausgehende Überprüfung erfolgt, ob der fristwahrende Schriftsatz ordnungsgemäß behandelt wurde. Dies erfordert bei Schriftsätzen, die per Telefax übermittelt werden müssen, um eine Frist noch wahren zu können, dass anhand des Sendeprotokolls die ordnungsgemäße Übersendung an das Gericht noch einmal überprüft wird.
b)
49 
Eine derartige Anweisung hat die Vollstreckungsschuldnerin weder vorgetragen, noch glaubhaft gemacht. Sie hat sich zunächst auf einen ganz allgemeinen Vortrag beschränkt, dass am Ende des Arbeitstages eine erneute Kontrolle angewiesen sei. Auch auf den Hinweis des Vorsitzenden hin, dass der Vortrag zu allgemein gehalten sei, hat die Vollstreckungsklägerin im Wesentlichen substanzlos behauptet, ihre Prozessbevollmächtigten hätten die gebotenen Anweisungen gegeben, um eine ordnungsgemäße Fristenbearbeitung sicherzustellen.
c)
50 
Ferner haben die Vollstreckungsschuldnervertreter nur ganz pauschal und ohne Inhalt und Frequenz der Kontrollen zu beschreiben, behauptet, sie würden überwachen, dass das Kanzleipersonal die ihm gegebenen Anweisungen zum Arbeitsablauf einhalte. Auch auf den gerichtlichen Hinweis hin ist keine Substantiierung erfolgt.
d)
51 
Dahinstehen kann, dass der Senat nach wir vor davon ausgeht, dass die zuständige Angestellte am 16. März 2015 kurz hintereinander mehrere Fehler bei ihrer Arbeit gemacht hat, die - ausgehend vom Vortrag der Vollstreckungsschuldnerin - gegen verschiedene Anweisungen zum Umgang mit fristwahrenden Schriftsätzen und der Streichung von Fristen verstoßen hat, so dass nicht glaubhaft gemacht ist, dass es sich bei ihr um eine zuverlässige Kraft gehandelt habe, der diese verantwortungsvollen Aufgaben eigenständig übertragen werden durften.
52 
Sie hätte nach diesem Vortrag trotz einer Einzelanweisung die Übersendung des Schriftsatzes per Telefax vergessen, nicht daran gedacht, die Faxnummer auf dem Sendebericht mit der auf dem Schriftsatz notierten Nummer zu vergleichen (wodurch der erste Fehler hätte auffallen müssen), die Frist im Fristenkalender gestrichen, ohne geprüft zu haben, ob das Schriftstück vollständig an die richtige Faxnummer gesendet worden war (was wiederum den Ausgangsfehler hätte erkennen lassen), gleichwohl die Frist aus dem Fristenkalender gestrichen und keine effektive Erledigungskontrolle am Abend desselben Arbeitstages durchgeführt.
3.
53 
Die unzureichende Ausgangskontrolle war ursächlich dafür, dass die Beschwerdefrist vorliegend versäumt wurde. Hätten die Prozessbevollmächtigten der Vollstreckungsschuldnerin in ihrer Büroorganisation die gebotenen Vorkehrungen getroffen, um insbesondere die abendliche Erledigungskontrolle zu gewährleisten, so wäre die Beschwerdefrist gewahrt worden. Denn dann wäre das Unterlassen festgestellt und die Beschwerdeschrift noch am selben Abend, mithin fristwahrend, an das Landgericht gefaxt worden. Davon ist der Senat ohne Weiteres überzeugt (vgl. zur Kausalität BGH, Beschlüsse vom 09. Dezember 2014 – VI ZB 42/13, MDR 2015, 112, bei juris Rz. ; und vom 13. Juli 2010 - VI ZB 1/10, NJW 2011, 151, Rn. 9).
III.
54 
Ausführungen zur Begründetheit der Beschwerde haben damit zu unterbleiben.
55 
Lediglich vorsorglich weist der Senat, um Weiterungen zu vermeiden, darauf hin, dass gegen die Höhe des verhängten Ordnungsgeldes nichts zu erinnern ist. Die Vollstreckungsschuldnerin verstößt wiederholt, mehrfach und offensichtlich hartnäckig gegen das Titelverbot. Der nunmehr gerügte Auftritt fand sich schon wenige Wochen, nachdem das Landgericht ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000,- EUR gegen die Vollstreckungsschuldnerin verhängt hatte, im Internet. Die Vollstreckungsschuldnerin zeigt damit, dass sie nicht willens ist, sich an die gerichtliche Entscheidung zu halten.
56 
Schon dies belegt, dass ein Ordnungsgeld in der Größenordnung von 5.000,- EUR bei Weitem nicht ausreicht, die Vollstreckungsschuldnerin von Verstößen abzuhalten.
57 
Hinzu kommt, dass das wirtschaftliche Interesse der Vollstreckungsschuldnerin an derartiger Werbung nach ihrem eigenen Vortrag sehr groß ist. Sie trägt vor, für das streitgegenständliche Grundstück in B... monatlich einen fünfstelligen Pachtbetrag zahlen zu müssen. Dies belegt ihr wirtschaftliches Interesse an einer beschleunigten Vermarktung ihres Projektes und damit auch, dass ein hohes Ordnungsgeld erforderlich ist, um der Vollstreckungsschuldnerin den Anreiz zu nehmen, um dieses Interesses willen das gerichtliche Verbot zu missachten.
58 
Außerdem wirken sich auch hinsichtlich des Strafcharakters des Ordnungsgeldes der Wiederholungsfall, die Rückfallgeschwindigkeit und die Hartnäckigkeit des Ungehorsams der Vollstreckungsschuldnerin gegenüber der Rechtsordnung aus.
IV.
A
59 
Die Kostenentscheidung folgt §§ 891, 97 ZPO.
B
60 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind vorliegend nicht gegeben. Diese wäre zwar statthaft (BGH, Beschlüsse vom 22. November 2012 - I ZB 18/12, bei juris Rz. 8; und vom 19. Februar 2015 – I ZB 55/13, WRP 2015, 590). Es liegt aber kein Zulassungsgrund vor. Denn die Beschwerdeentscheidung beruht nicht auf der von der Vollstreckungsschuldnerin für rechtsbeschwerdefähig gehaltenen Reichweite der Organisationspflichten des Rechtsanwaltes. Selbst wenn die sofortige Beschwerde zulässig wäre, hätte sie in der Sache gleichwohl keinen Erfolg gehabt. Der Senat verweist hierzu auf seinen Beschluss vom 07. April 2015 (Az.: 2 W 2/15), von dem abzuweichen der Senat keinen Anlass hätte.
C
61 
Der Wert der Ordnungsmittelanträge erster Instanz rührt aus dem Interesse der Gläubigerin, künftige Verstöße gegen den Titel zu verhindern, der Beschwerdewert ergibt sich aus dem Interesse der Schuldnerin, dass das gegen sie festgesetzte Ordnungsgeld beseitigt werde.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Stendal vom 26. November 2010 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Mit Teilurteil vom 26. November 2010 hat das Arbeitsgericht der Klägerin Urlaubsabgeltung aus beendetem Arbeitsverhältnis für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2009 (fünf Urlaubstage nach dem BUrlG) sowie zusätzliches Urlaubsgeld i.H.v. zusammen 447,31 € brutto nebst Zinsen zugesprochen und das weitergehende Klagebegehren auf Abgeltung von restlichem Urlaub für das Jahr 2008 sowie weiterer über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehender Urlaubstage für das Jahr 2009 nebst Urlaubsgeld, zusammen 989,77 € brutto, abgewiesen. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 20. Dezember 2010 zugestellt.

2

Mit ihrem Berufungsschriftsatz vom 20. Januar 2011 hat sich die Klägerin hiergegen gewendet. Der Schriftsatz ist am selben Tag um 15.38 Uhr per Fax beim Arbeitsgericht Halle eingegangen und von dort am Freitag, den 21. Januar 2011 an das Landesarbeitsgericht weitergeleitet worden. An diesem Tag ging auch die Berufung im Original beim Landesarbeitsgericht ein. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht sind im selben Gebäudekomplex (Justizzentrum) untergebracht, verfügen aber über je eigene Faxanschlüsse mit unterschiedlichen Nummern.

3

Am 28. April 2011 hat die Beklagte Anschlussberufung eingelegt mit dem Antrag, die Klage auch insoweit abzuweisen, wie ihr im Teilurteil des Arbeitsgerichts stattgegeben worden war.

4

Mit Beschluss vom 4. Juli 2012 hat das Berufungsgericht die Klägerin auf die Fehlleitung ihres Berufungsschriftsatzes an das Arbeitsgericht hingewiesen. Der Beschluss wurde ihrem Bevollmächtigten am 11. Juli 2012 zugestellt.

5

Mit ihrem am 19. Juli 2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begehrt die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Sie macht geltend, dass der Eingang beim Arbeitsgericht fristwahrend sei, da sich das Gericht im selben Justizgebäude wie das Berufungsgericht befinde. Ferner sei es zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, dass das Faxschreiben mit der Berufungsschrift beim Arbeitsgericht am 20. Januar 2011 jedenfalls noch vor 16.00 Uhr eingegangen sei. Es sei diesem Gericht anzulasten, das erkennbar falsch eingegangene Fax nicht noch am gleichen Tage dem im gleichen Haus befindlichen Berufungsgericht zugeleitet zu haben.

6

Im Übrigen trägt die Klägerin vor, die Berufungsschrift sei von der Kanzleiangestellten L. ihres Prozessbevollmächtigten weisungsgemäß am 20. Januar 2011 geschrieben und ausgedruckt worden. Der Angestellten sei bewusst gewesen, dass die Berufung wegen drohenden Fristablaufs noch am selben Tage eingelegt werden musste. Die beiden Kanzleiangestellten ihres Prozessbevollmächtigten seien angewiesen, die aktuellen Faxnummern zu recherchieren. Von der Internetseite des Justizzentrums Halle habe die Kanzleiangestellte L. versehentlich die Faxnummer des Arbeitsgerichts notiert, in den Schriftsatz eingefügt und diesen dem Prozessbevollmächtigten zur Unterschrift vorgelegt. Danach habe sie gegen 14.30 Uhr ihren Dienst beendet. Kurz nach 15.30 Uhr habe der Prozessbevollmächtigte dann selber die Berufung per Fax eingelegt unter Verwendung der im Berufungsschriftsatz genannten Faxnummer. Anschließend habe er die Übereinstimmung der gewählten mit der im Schriftsatz angegebenen Faxnummer sowie das „o.k.“ des Sendeberichtes festgestellt und durch Abhaken und Kürzel bestätigt und sodann die Frist im Kalender gestrichen. Von einem möglichen Fristversäumnis sei der Prozessbevollmächtigte erstmals durch den Hinweis des Landesarbeitsgerichts vom 4. Juli 2012 unterrichtet worden.

7

Die Klägerin meint, der bei der Faxsendung aufgetretene Fehler sei ausschließlich durch die Kanzleiangestellte L. verursacht worden und könne nicht ihrem Prozessbevollmächtigten zugerechnet werden. Bei der Angestellten L. handele es sich um eine ausgebildete und seit Mai 2010 in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten beschäftigte Rechtsanwaltsfachgehilfin, die bis zu dem Zeitpunkt korrekt und grundsätzlich ohne jede Beanstandung gearbeitet habe mit Ausnahme eines einmaligen Zahlendrehers. Das Ermitteln der Faxnummern werde vom Prozessbevollmächtigten stichprobenweise überwacht. Bisher sei es zu keinem einzigen Fehler gekommen. Auch seien die Kanzleiangestellten angewiesen, bei der Übersendung von fristgebundenen Schriftsätzen per Fax wechselseitig die von der anderen Kanzleiangestellten ermittelte Faxnummer auf ihre Richtigkeit nochmals zu überprüfen – etwa durch lautes Vorlesen und gleichzeitige Kontrolle anhand einer verlässlichen Quelle. Im Zweifelsfalle sei die Faxnummer telefonisch zu erfragen. Die Richtigkeit ihres Vortrages hat die Klägerin durch anwaltliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten und eidesstattliche Versicherung der Angestellten L. glaubhaft gemacht.

8

Die Klägerin meint weiter, ihr Prozessbevollmächtigter habe sich unter diesen Umständen auf die von der Kanzleiangestellten L. in den Berufungsschriftsatz eingefügte Faxnummer verlassen dürfen, ohne diese nochmals selber auf ihre Richtigkeit überprüfen zu müssen.

II.

9

Die Berufung war gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Dies konnte, worauf das Gericht mit Beschluss vom 6. August 2012 hingewiesen hat, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss des Vorsitzenden ergehen (§ 66 Abs. 2 S. 2 ArbGG).

10

Die Klägerin hat die Frist von einem Monat zur Einlegung der Berufung (§ 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) versäumt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann ihr nicht gewährt werden, weil ihr Prozessbevollmächtigter nicht ohne sein Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten (§ 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 233, 85 ZPO).

1.

11

Der Schriftsatz der Klägerin vom 20. Januar 2011 hat die Berufungsfrist nicht gewahrt. Gemäß § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG war die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils am 20. Dezember 2010, mithin am 20. Januar 2010 beim Landesarbeitsgericht einzulegen. An diesem Tag ging der Schriftsatz als Fax lediglich beim Arbeitsgericht Halle ein. Dies steht aufgrund der Eingangsstempel auf dem Fax (Bl. 204 d.A.), der den Parteien in Fotokopie übersandten Faxjournale des Arbeitsgerichts und des Berufungsgerichts und der damit in Einklang stehenden eigenen Einlassung der Klägerin fest.

12

Hierdurch wurde die Frist nicht gewahrt. Insbesondere handelte es sich bei der angewählten Faxnummer nicht um eine gemeinsame Eingangsstelle des Justizzentrums in Halle, sondern um die gesonderte Faxnummer allein des Arbeitsgerichts.

2.

13

Der Klägerin war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren. Zwar hat sie Wiedereinsetzung rechtzeitig innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 234 Abs. 1 ZPO beantragt, nachdem sie vom Berufungsgericht erstmals mit Beschluss vom 4. Juli 2012 auf die Fristversäumnis hingewiesen worden war. Insbesondere konnte die Klägerin diese nicht aus der Eingangsbestätigung des Berufungsgerichts vom 26. Januar 2011 ersehen, da darin irrtümlich der Eingang des Fax am 20. Januar 2011 bestätigt worden war (Bl. 219 d.A.). Die Klägerin war aber nicht ohne ihr Verschulden bzw. – dem gleichgestellt (§ 85 ZPO) – das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten verhindert, die Berufungsfrist einzuhalten (§ 233 ZPO).

a.

14

Die Fristversäumung beruht auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, dass diese sich gemäß § 85 ZPO zurechnen lassen muss.

aa.

15

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH und des BAG, dass ein Anwalt grundsätzlich verpflichtet ist, für eine Büroorganisation zu sorgen, die eine Überprüfung der durch Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf die Verwendung der zutreffenden Empfängernummer hin gewährleistet. Dabei muss zur erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und entsprechend überprüft werden (BGH 24. April 2002 – AnwZ 7/01, BRAK-Mitt 2002, 171; BAG 30. März 1995 – 2 AZR 1020/94, BAGE 79, 379). Bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze mittels Telefax muss der Rechtsanwalt durch organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass der Sendebericht nicht nur auf vollständige und fehlerfreie Übermittlung des Textes, sondern auch auf die richtige Empfängernummer abschließend kontrolliert wird (BGH und BAG, jeweils aaO). Die Ausgangskontrolle erstreckt sich dabei nicht allein auf die Prüfung, ob eine im Sendebericht wiedergegebene Empfängernummer mit derjenigen übereinstimmt, die von der Bürokraft im Adressfeld des Schriftsatzes vermerkt worden war. Dies würde nicht gewährleisten, dass ein etwaiger Fehler bei der Ermittlung der Empfängernummer aufgedeckt wurde. Das ist jedoch erforderlich, weil das Risiko eines Versehens bei der Ermittlung der Empfängernummer hoch ist, jedenfalls wenn diese – wie hier – von Fall zu Fall aus gedruckten Listen oder elektronischen Dateien herausgesucht werden muss und an einem und demselben Ort mehrere Empfänger in Betracht kommen (vgl. BGH, aaO).

16

Dem steht die vom Kläger angeführte ältere Entscheidung des BGH (23. März 1995 – VII ZB 19/94, NJW 95, 2105) nicht entgegen. Nach dieser Entscheidung darf sich ein Rechtsanwalt bei der Übermittlung eines fristgebundenen Antrages als Telekopie hinsichtlich der Richtigkeit der Telefaxnummer des Gerichts auf sein zuverlässiges Personal verlassen. Damit ist jedoch noch nichts über den Umfang einer ordnungsgemäßen Ausgangskontrolle gesagt, wenn, wie im vorliegenden Fall, das Fehlerrisiko beim Heraussuchen der zutreffenden Faxnummer besonders hoch ist.

bb.

17

Die besondere Gefahr einer fehlerhaften Ermittlung der Faxnummer zeigt der vorliegende Fall mit Deutlichkeit, da der Fehler bei der Begründung der Berufung, die wiederum an das Arbeitsgericht gefaxt wurde, erneut aufgetreten ist (ohne hierbei allerdings zu einer weiteren Fristversäumnis zu führen). Dieser besonderen Gefahr trägt zwar grundsätzlich die Anweisung des Prozessbevollmächtigten an sein Kanzleipersonal Rechnung, eine von einer Angestellten ermittelte Faxnummer bei ihrer Eingabe in das Faxgerät unter Beteiligung der jeweils anderen nochmals anhand einer verlässlichen Quelle auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Indem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin aber im vorliegenden Fall bei der persönlichen Versendung des Fax am 20. Januar 2011 gegen 16.00 Uhr lediglich kontrolliert hat, ob die im Sendebericht wiedergegebene Empfängernummer mit derjenigen im Adressfeld des Schriftsatzes übereinstimmt, hat er die eigene Anweisung an sein Kanzleipersonal selber nicht beachtet.

b.

18

Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten war auch für die Fristversäumnis ursächlich. Denn es verhinderte, dass der bei der Ermittlung der Empfängernummer aufgetretene Fehler aufgedeckt wurde. Die Ursächlichkeit entfiel auch nicht deshalb, weil die Fristversäumnis bei wertender Betrachtung allein oder vornehmlich auf einen Fehler des Arbeitsgerichts zurückzuführen wäre (vgl. dazu Zöller/Greger, ZPO 27. Aufl. § 233 Rn 22a f. m.w.N.). Entgegen der Auffassung der Klägerin kann ein Mitverschulden des Arbeitsgerichts an ihrer Fristversäumung nicht angenommen werden. Zwar ist aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens das unzuständige angegangene Gericht, insbesondere die Vorinstanz, gehalten, leicht erkennbare Irrläufer im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsgangs an das zuständige Gericht weiterzuleiten (vgl. Zöller/Greger, a.a.O.). Dies hat das Arbeitsgericht jedoch befolgt, als es den Schriftsatz am nächsten Tag weitergeleitet hat. Dieser war am letzten Tag der Frist gegen 16.00 Uhr per Fax eingegangen. Eine Verpflichtung, kurz vor Dienstschluss im Sammler des Faxgeräts Nachschau nach etwaigen Irrläufern zu halten, um diese noch am selben Tag dem zuständigen Gericht weiterzuleiten, besteht nicht. Von Seiten der Klägerin war das Arbeitsgericht auch nicht über den Irrläufer informiert und um Weiterleitung gebeten worden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Eingang des Fax kurz vor Dienstschluss überhaupt von einem Mitarbeiter bemerkt worden ist. Unter diesen Umständen kann eine Weiterleitungspflicht noch am selben Tage nicht angenommen werden.

3.

19

Mit der Verwerfung der Berufung hat die unselbständige Anschlussberufung der Beklagten ihre Wirkung verloren (§ 524 Abs. 4 ZPO).

4.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde i.S.v. §§ 77 S. 1, 72 Abs. 2 ArbGG bestanden nicht.


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richten sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt ist. In Musterfeststellungsklagen nach Buch 6 der Zivilprozessordnung und in Rechtsstreitigkeiten aufgrund des Unterlassungsklagengesetzes darf der Streitwert 250 000 Euro nicht übersteigen.

(2) In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Der Wert darf nicht über eine Million Euro angenommen werden.

(3) Ist mit einem nichtvermögensrechtlichen Anspruch ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Anspruch, und zwar der höhere, maßgebend.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.