Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Grundurteil des Landgerichts Saarbrücken vom 5. März 2004 - 9 O 137/03 - aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger den beklagten Rechtsanwalt unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrages auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Kläger beauftragte die Firma G. und T. T. I. (im Folgenden: Unternehmer) mit der Anlegung eines Schwimmteiches im Garten seines Hausanwesens. Während der Arbeitsdurchführung kam es zu Kontroversen, da der Kläger mit der Qualität und dem zeitlichen Voranschreiten der Arbeiten unzufrieden war.
Im April 2001 beauftragte der Kläger den Beklagten mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen. Der Beklagten bestellte sich mit Schreiben vom 9.4.2001 (Bl. 11 d. A.). Das an den Unternehmer gerichtete Schreiben trägt auszugsweise folgenden Wortlaut:
„Vereinbart war, ... dass Ihr Gewerk zum 1.4.2001 fertig gestellt sein sollte. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Sie nicht in der Lage waren, Ihren vertraglichen Verpflichtungen, nämlich das Gewerk bis zum 1.4.2001 fertig zu stellen, nachzukommen. Mein Mandant hat Ihnen gegenüber auch sehr viel Nachsicht walten lassen und Sie ständig aufgefordert, die Arbeiten zügig fortzuführen, damit der Teich zum 1.4.2001 fertig gestellt werden kann. Wie gesagt, diese Leistungsverpflichtung haben Sie nicht erfüllt. Da mein Mandant andererseits Ihnen gegenüber bereits erhebliche Vorleistungen erbracht hat, möchte er, zumindest derzeit, nicht ein anderes Unternehmen einschalten. Ich gebe Ihnen hiermit Gelegenheit, Ihre vertraglichen Verpflichtungen zur Herstellung des Schwimmteichs bis zum 10. Mai 2001 zu erfüllen. Sollten Sie bis dorthin die vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt haben, werden Sie mit Schadensersatzansprüchen zu rechnen haben. Insbesondere werden Sie die an Sie bereits geleisteten Zahlungen zurückzuerstatten haben.“
In einem weiteren Schreiben vom 19.4.2001 (Bl. 16 d. A.) wandte sich der Beklagte an die Rechtsvertreter des Unternehmers. Auszugsweise lautet das Schreiben wie folgt:
„Obwohl Ihr Mandant ... nicht unerheblich in Verzug ist, ist mein Mandant nach wie vor bereit, die Leistung Ihres Mandanten dann zu akzeptieren, wenn Sie bis spätestens 10.5.2001 vertragsgemäß erstellt ist... Sollte bis zu diesem Zeitpunkt allerdings Ihr Mandant seine Leistung nicht erbracht haben, müsste zu meinem Bedauern die Angelegenheit gerichtlich ausgefochten werden.“
Am 10.5.2001 waren die Arbeiten nicht zur Zufriedenheit des Klägers fertig gestellt. Dennoch kam der Kläger mit dem Unternehmer überein, dass weitere Arbeiten nicht mehr vorgenommenen werden sollten. Mit Schreiben vom 14.5.2001 forderte der Beklagte den Unternehmer zur Zahlung der bereits erhaltenen Gelder (24.508,40 DM) auf und wies darauf hin, dass der Kläger gezwungen sei, ein Drittunternehmen mit der Herstellung des Werks zu beauftragen.
Im beigezogenen Verfahren 14 O 200/01 des Landgerichts Saarbrücken hat der Beklagte für den Kläger Klage auf Rückzahlung des Werklohns sowie auf Feststellung erhoben, dass der Unternehmer verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche Aufwendungen und Schäden zu ersetzen, die durch die Beseitigung des vom Beklagten mangelhaft angelegten Teiches entstünden. Die Klage blieb in zwei Instanzen ohne Erfolg, da die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch wegen der fehlenden Ablehnungsandrohung nicht gegeben waren (Urt. des VII. Senats vom 17.9.2002; BA Bl. 137 ff.). Im dortigen Berufungsrechtszug hat der Kläger dem Beklagten den Streit verkündet.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe seine Pflichten aus dem Anwaltsvertrag dadurch verletzt, dass er es versäumt habe, in seinem Schreiben vom 9.4.2001 eine Ablehnungsandrohung auszusprechen. Er hat behauptet, der Beklagte habe erklärt, dass der Kläger nach Ablauf der gesetzten Frist zum 10.5.2001 den Unternehmer von der Baustelle verweisen, die bereits gezahlten Beträge zurückverlangen und eine Drittfirma auf Kosten des Unternehmens beauftragen könne. Am 10.5.2001 habe der Kläger gegenüber dem Unternehmer die Unterschrift unter eine Abnahme verweigert, was dieser mit den Worten: „dann sehen wir uns vor Gericht“, quittiert habe.
Der Kläger hat behauptet, durch die Pflichtverletzung des Beklagten sei ihm ein Schaden in Höhe von 36.125,27 Euro entstanden. Im Einzelnen begehrt der Kläger zunächst die Erstattung der Anwalts- und Gerichtsgebühren des Vorprozesses sowie die Erstattung des Werklohns der Firma K., die nach dem Vortrag des Klägers mit der Mängelbeseitigung und der Fertigstellung der Arbeiten beauftragt worden sei. Weiterhin begehrt der Kläger den Ausgleich eigener Aufwendungen, die der Kläger zum Zwecke der Schadensminderung veranlasst haben will, sowie die Rückzahlung von überzahltem Werklohn.
Dem ist der Beklagte entgegengetreten. Der Beklagte hat vorgetragen, seine Aufgabe habe lediglich darin bestanden, auf den Unternehmer Druck auszuüben. Von daher habe er auch im Hinblick auf die bereits geleisteten Beträge von einer Ablehnungsandrohung bewusst abgesehen. Er habe den Kläger nachhaltig angehalten, nicht zu kündigen. Dabei sei ausdrücklich hervorgehoben worden, dass er alleine die nach dem 10.5.2001 bestehende Rechts- und Tatsachenlage zu beurteilen habe. Über den herkömmlichen Mechanismus Rüge/Nachbesserungsaufforderung/Ablehnungsandrohung/Schadensersatz habe er den Kläger belehrt. Der Kläger habe ohne Rücksprache mit ihm den Werkvertrag gekündigt.
Das Landgericht hat die Klage im angefochtenen Grundurteil dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Es hat hierzu ausgeführt: Der Beklagte sei dem Kläger gegenüber zum Schadensersatz wegen einer positiven Vertragsverletzung des Anwaltsvertrags verpflichtet, da er es verabsäumt habe, die Frist zum 10.5.2001 mit einer Ablehnungsandrohung zu versehen. In jedem Fall wäre er gehalten gewesen, den Kläger eingehend über die aus der fehlenden Ablehnungsandrohung resultierenden Risiken aufzuklären. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte dem Kläger unmissverständlich klar gemacht habe, mit Ablauf der Frist weder kündigen noch Nachfolgeunternehmen beauftragen zu können.
Hiergegen wendet sich die Berufung des Beklagten, mit der er die Abweisung der Klage erstrebt.
Der Beklagte vertritt die Auffassung, die Aufklärungspflicht eines Rechtsanwaltes gehe nicht so weit, dass er seinen Mandanten zu überwachen habe. Der Beklagte habe sicher sein dürfen, dass der Kläger bis zum 10.5.2001 wie vereinbart abwarten würde. Zudem habe keinerlei Zeitdruck bestanden, unmittelbar nach Ablauf der Frist zu kündigen.
Dem Kläger stünden keine Schadensersatzansprüche zu, da der Vorprozess falsch entschieden worden sei. Der Beklagte sei aufgrund der Interventionswirkung nicht an das Ergebnis des Vorprozesses gebunden, da er im Falle eines Beitrittes seine Rechtsverteidigung zumindest darauf hätte ausrichten müssen, dass ein Werkvertrag bestanden habe. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass der Werkvertrag in jedem Fall wegen Verkürzung der Mehrwertsteuer sittenwidrig und damit nichtig sei. Schließlich rügt der Beklagte, der Kläger sei auch in der Berufungsinstanz nicht ordnungsgemäß vertreten, da die Sozietät der Prozessbevollmächtigten des Klägers im Vorprozess die Interessen des Unternehmers vertreten hätte.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils vom 5.3.2004 die Klage abzuweisen; hilfsweise den Rechtsstreit unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertritt die Auffassung der Beklagte dürfe sich bereits aus prozessualen Gründen nicht darauf berufen, dass zwischen dem Kläger und dem Unternehmer wegen Dissenses kein Werkvertrag vorgelegen habe. Ein solcher Sachvortrag sei neu. Hinsichtlich des Vorwurfs des Parteiverrats trägt der Kläger vor, dass die Interessen des Unternehmers im Vorprozess ausschließlich von Rechtsanwalt J. K. wahrgenommen worden seien, nicht hingegen von der Rechtsanwältin M. Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung (Bl. 288 ff. d. A.) Bezug genommen. Weiter wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
II.
A. Die Berufung ist zulässig. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten bestehen gegen die Wirksamkeit der Prozessvollmacht der Prozessbevollmächtigten des Klägers keine durchgreifenden Bedenken:
1. Zwar finden die Vorschrift des Bürgerlichen Rechts, die das der Prozessvollmacht zugrunde liegende Rechtsverhältnis im Innenverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant regeln, auf die Wirksamkeit der Prozessvollmacht im Regelfall keine Anwendung (statt aller: Stein/Jonas/Borg, ZPO, 22. Aufl., § 80 Rdnr. 5; BGH, Urt. v. 18.11.2003 - XI ZR 332/02, NJW 2004, 844). Jedoch gilt dieser Grundsatz nicht ausnahmslos. Vielmehr ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass insbesondere ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz (§ 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG) i. V. m. § 134 BGB auch die Prozessvollmacht erfasst. Denn der durch das Verbotsgesetz vermittelte Schutz wäre nicht zu erreichen, wenn der Prozessbevollmächtigte trotz Nichtigkeit des Grundverhältnisses die Rechtsmacht besäße, durch Prozesshandlungen den Schaden zu vertiefen, den das Schutzgesetz abwenden will (BGHZ 154, 283, 286, Urt. v. 22.10.2003 - IV ZR 398/02, NJW 2004, 59; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 80 Rdnr. 2). Dieser Rechtsgedanke ist auf den in Frage stehenden Verstoß gegen das strafbewehrte Verbot des Parteiverrats zu übertragen: Die durch das Strafgesetz vermittelte Schutzfunktion liefe ins Leere, wenn der Mandant die Prozessführung des Rechtsanwalts, der in strafbarer Weise gegen das Verbot der gleichzeitigen Wahrnehmung widerstreitender Interessen zuwiderhandelt, auf der prozessualen Ebene hinnehmen müsste.
2. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten liegen jedoch die Voraussetzungen des strafbaren Parteiverrats nicht vor:
Der Straftatbestand des § 356 Abs. 1 StGB ist erfüllt, wenn ein Anwalt in derselben Rechtssache beiden Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig dient. Es kann dahinstehen, ob der Streitstoff des vorliegenden Verfahrens mit dem Streitstoff des Vorprozesses identisch ist, weshalb es sich im Sinne des § 356 StGB beim Vorprozess und dem vorliegenden Verfahren um dieselbe Rechtssache handeln mag (vgl. hierzu Schönke/Schröder/Cramer, StGB, 26. Aufl., § 356 Rdnr. 12; Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 356 Rdnr. 5). Denn § 356 StGB setzt weiter voraus, dass in beiden Fällen die gleichen Parteien vertreten sein müssen. Daran fehlt es:
Das Büro der Prozessbevollmächtigten des Klägers hat im Vorprozess nicht die Interessen des hiesigen Beklagten wahrgenommen, sondern die Interessen des am vorliegenden Verfahren unbeteiligten Unternehmers vertreten. Kein anderes Rechtsverständnis legt die vom Beklagten zit. Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 34, 190, 191 ff.) nahe. Denn im dort entschiedenen Fall lag das inkriminierte Verhalten darin, dass der Rechtsanwalt den ihm anvertrauten Verfahrensstoff bei einem anderen Auftragsverhältnis verwendet hat, indem er dem nunmehrigen Gegner seines früheren Auftraggebers seinen Rat oder Beistand gewährte (vgl. auch BGHSt 18, 192, 193 f.). Übertragen auf den vorliegend zu entscheidenden Sachverhalt wäre der Straftatbestand dann erfüllt, wenn die Prozessbevollmächtigte des Klägers in einem Prozess gegen den Unternehmer Kenntnisse verwertet, die ihr aus dem Vorprozess von ihrem damaligen Mandanten anvertraut wurden.
In jedem Fall scheitert die Verwirklichung des Straftatbestandes daran, dass eine Interessenwahrnehmung der Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht pflichtwidrig geschieht. Eine Pflichtwidrigkeit der gleichzeitigen Interessenwahrnehmung ist nur dann gegeben, wenn die Interessenwahrnehmung in der zweiten Rechtssache den Interessen des ersten Mandanten zuwiderliefe, indem der Rechtsanwalt nunmehr den entgegengesetzten Rechtsstandpunkt vertritt (Schönke/Schröder/Cramer, aaO. § 356 Rdnr. 17; Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 356 Rdnr. 7). Dieser Vorwurf trifft die Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht, da der streitgegenständliche Haftungsprozess nur dann Aussicht auf Erfolg verspricht, wenn der Kläger die materielle Richtigkeit der im Vorprozess ergangenen Entscheidung anerkennt: Der Kläger leitet seine Ansprüche daraus her, dass das richtige Prozessergebnis auf einer fehlerhaften anwaltlichen Dienstleistung beruht.
3. Es kann offen bleiben, ob die Verletzung berufsrechtlicher Regelungen unterhalb der Schwelle der § 356 Abs. 1 StGB zur Nichtigkeit der Prozessvollmacht führt (dagegen: OLG Hamm, VRS 107, 194) und in welchem Umfang sich ein eventueller Interessenkonflikt auf die gesamte Sozietät aller zur gemeinsamen Berufsausübung verbundenen Rechtsanwälte in der Sozietät der Prozessbevollmächtigten des Klägers erstreckt. Im Ergebnis ist die Prozessvertretung des Klägers im vorliegenden Prozess auch am Maßstab des § 43a Abs. 4 BRAO nicht zu beanstanden. Nach dieser Vorschrift darf ein Rechtsanwalt keine widerstreitenden Interessen vertreten. In Anbetracht des Umstandes, dass der Vorprozess inzwischen rechtskräftig beendet wurde, ist eine aktuelle Gefährdung der Interessen des Unternehmers nicht erkennbar. Schließlich ist die Gefahr eines sich in Anlehnung an Ziff. 3.2.3 BORA ergebenden Interessenkonflikts nicht hinreichend konkret: Es ist nicht ersichtlich, dass der Prozessbevollmächtigten des Klägers die Kenntnis der Angelegenheit ihres früheren Mandanten dem neuen Mandanten zu einem ungerechtfertigten Vorteil gereichen würde, indem sie ihre erfolgreiche Prozessführung auf dem Kläger nicht zugängliche Informationen stützt, die dem früheren Prozessbevollmächtigten des Unternehmers im Vertrauen auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht von dem Unternehmer im Vorprozess anvertraut worden sind.
B. Die Berufung ist in der Sache begründet. Zwar hat der Beklagte seine anwaltlichen Pflichten verletzt (1). Dennoch war der Erlass eines Grundurteils nicht statthaft, da bislang nicht mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass dem Kläger aus der Pflichtverletzung in irgendeiner Höhe ein Schaden entstanden ist (2). Soweit die Berufung die Abweisung der Klage erstrebt, war dem Rechtsmittel kein Erfolg beschieden (3).
1. Mit zutreffenden Erwägungen ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beklagte die ihm obliegenden Pflichten aus dem Anwaltsvertrag verletzt hat.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dem der Senat folgt, muss ein Anwalt bei der Erfüllung seiner Pflichten den sichersten Weg wählen, der den Interessen seines Mandanten auf sachgerechte und zweckmäßige Weise dient. Der beratende Rechtsanwalt ist - ausgehend von einer sachgerechten Ermittlung der Interessen seines Mandanten - zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des Auftraggebers verpflichtet. Stehen mehrere Wege offen, um das angestrebte Ziel zu erreichen, so ist der Rechtsanwalt gehalten, die unterschiedlichen Wege und die damit verbundenen Risiken und Nachteile in einer verständlichen Weise aufzuzeigen, damit der Mandant alle vorhersehbaren Gefahren, die einer erfolgversprechenden Verfolgung seiner Interessen entgegenstehen, vermeiden kann (vgl. BGH, Urt. v. 29.4.1993 - IX ZR 101/02, NJW 1993, 2045, 2046; Urt. v. 28.6.1990 - IX ZR 209/89, NJW-RR 1990, 1241; krit. Borgmann/Haug, Anwaltshaftung, 3. Aufl., S. 135 ff.).
b) Wendet man diese Rechtsgrundsätze an, so spricht einiges dafür, die Pflichtwidrigkeit des Beklagten bereits darin zu erblicken, dass der Beklagte davon Abstand genommen hat, die Fristsetzung mit einer Ablehnungsandrohung zu verbinden. Denn nach dem übereinstimmenden Vortrag des Beklagten und des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 5.2.2004 ging es dem Kläger zumindest bei der ersten Kontaktaufnahme erkennbar darum, das Vertragsverhältnis zum Unternehmer aufzulösen (Vortrag des Klägers: „Es stimmt, dass ich aufgebracht war im ersten Gespräch und auch gefragt habe, ob man die Firma rausschmeißen könne; Bl. 193 d. A."). Der Beklagte musste den Kläger ausdrücklich unter Hinweis darauf zurückhalten, dass „es nicht so einfach sei, die Firma rauszuschmeißen. Es müsse immer zunächst Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben werden.“ (Bl. 192 d. A.). Ausgehend von dieser Interessenlage bei der Mandatserteilung wird nicht plausibel, weshalb der Beklagte in der weiteren Besprechung vom 9.4.2001, in deren Verlauf das Schreiben vom 9.4.2001 entworfen wurde, den Eindruck gewinnen konnte, dass es nunmehr darum gegangen sei, „ordentlich Druck zu machen" und der Kläger die Hoffnung besessen habe, die Arbeiten mit dem Unternehmer zu Ende zu bringen.
In jedem Fall hätte der Beklagte das Risiko erkennen müssen, dass der Kläger das Schreiben, welches eine Fristsetzung zum 10.5.2001 enthielt, in Anbetracht der Vorgespräche anlässlich der Mandatserteilung missverstehen würde: Weil der Beklagte anlässlich der Mandatserteilung ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass eine Kündigung des Werkvertrags ohne Fristsetzung zur Nachbesserung nicht möglich sei, lag die Gefahr nicht fern, dass der Kläger die Kündigungsvoraussetzungen nach Ablauf der Frist zum 10.5.2001 ohne weiteres für gegeben erachten würde.
Dieses bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt erkennbare Risiko hätte der Beklagte nur dadurch ausräumen können, dass er den Kläger im Rahmen der Besprechung von 9.4.2001 nachhaltig über die rechtlichen Konsequenzen einer unterbliebenen Ablehnungsandrohung aufgeklärt hätte. Eine solche Aufklärung hätte es verlangt, dem Kläger unmissverständlich vor Augen zu führen, dass der gewählte rechtliche Weg nicht unmittelbar zur Auflösung des Werkvertrags führen konnte, sondern zunächst ausschließlich dem Ziel diente, den Unternehmer zur Erfüllung anzuhalten. Die Belehrung durfte sich nicht auf die Darstellung des abstrakten rechtlichen Schemas der werkvertraglichen Gewährleistungsansprüche beschränken, sondern musste bezogen auf den konkreten Fall die Belehrung enthalten, dass eine wirksame Kündigung des Werkvertrags aus rechtlichen Gründen nach Ablauf der Frist noch nicht ausgesprochen werden konnte. Der Beklagte hätte mithin konkret aufzeigen müssen, dass das vom Kläger anlässlich der Mandatserteilung primär verfolgte Ziel, den Werkvertrag zu kündigen, erst nach einer weiteren zeitlichen Verzögerung hätte verwirklicht werde können.
Dies ist nicht in der gebotenen Weise geschehen. Mit Recht stützt das Landgericht seine Feststellungen hinsichtlich der unterbliebenen hinreichenden Aufklärung darauf, dass der Beklagte in seiner persönlichen Anhörung eine explizite Belehrung über das Risiko der fehlenden Ablehnungsandrohung nicht bestätigt hat. Auch schriftsätzlich findet sich kein Sachvortrag, der den Rückschluss auf eine den Anforderungen einer umfassenden Aufklärung erlaubt: Zwar hat der Beklagtenvertreter im Schriftsatz vom 13.6.2003 vorgetragen, der Kläger sei vom Beklagten nachhaltig angehalten worden, nicht zu kündigen; der Beklagte habe im Bearbeitungsschema Mängelrüge - Nachfristsetzung - Ablehnungsandrohung bleiben wollen (Bl. 79, 80, 82 d. A.). Aus dem Sachvortrag ergibt sich nicht, bei welcher konkreten Gelegenheit der Beklagte den Kläger vor dem Ausspruch einer Kündigung gewarnt haben will. Bei wörtlichem Verständnis ist dem Vortrag nicht zu entnehmen, dass der Beklagte das im Schriftsatz angesprochene Bearbeitungsschema dem Kläger in abstrakter Form erläutert hat. In jedem Fall fehlt die gebotene Verbindung zu den spezifischen Gefahren der im Schreiben vom 9.4.2001 unterlassenen Ablehnungsandrohung.
2. Dennoch rügt die Berufung mit Recht, dass auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landgerichts kein Grundurteil erlassen werden durfte. Ein Grundurteil darf nur dann ergehen, wenn die Klageforderung mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht (BGHZ 126, 217, 219; 111, 125, 133; 97, 97, 109; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 304 Rdnr. 6; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 304 Rdnr. 2; Thomas/Putzo/Reichold, a.a.O., § 304 Rdnr. 6). Dieser Schluss ist noch nicht erlaubt: In der angefochtenen Entscheidung fehlen begründete Feststellungen zur Schadenswahrscheinlichkeit. Auch der Senat ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen zu einer abschließenden Beurteilung der Schadenswahrscheinlichkeit außerstande.
a) Mit einem Großteil der geltend gemachten Schadenspositionen erstrebt der Kläger, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn er den Vorprozess gewonnen hätte.
aa) Nach den allgemeinen Kausalitätserwägungen ist danach zu fragen, ob die nunmehr als Schäden geltend gemachten Kosten ohne Pflichtverstoß vermieden worden wären. Die ordnungsgemäße Aufgabenerledigung hätte es verlangt, vorsorglich eine Ablehnungsandrohung auszusprechen oder den Kläger in der gebotenen Nachhaltigkeit auf die Risiken einer unterlassenen Ablehnungsandrohung hinzuweisen. Mithin wurde die Pflichtverletzung des Klägers für die geltend gemachten Schadenspositionen dann kausal, wenn der Kläger den Vorprozess bei der Formulierung einer ordnungsgemäßen Ablehnungsandrohung mit hoher Wahrscheinlichkeit gewonnen hätte.
bb) Davon kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht ausgegangen werden. Denn die Ablehnungsandrohung war für den positiven Ausgang des Vorprozesses eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung. Zwischen den Parteien des Vorprozesses bestand nämlich Streit, ob die Arbeiten des Unternehmers tatsächlich mangelhaft waren. Da zur Mangelhaftigkeit der Werkleistung bislang Feststellungen fehlen, ist nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, dass der Prozess für den Kläger einen positiven Ausgang genommen hätte. Die Möglichkeit, dass die Klage trotz einer ordnungsgemäßen Ablehnungsandrohung zur Gänze abgewiesen worden wäre, ist nicht ausgeschlossen.
b) Auch auf den Kostenerstattungsanspruch kann das Grundurteil nicht gestützt werden. Zwar steht zunächst fest, dass die Aufwendungen für die Rechtsverfolgung im Vorprozess in keinem Falle zum Erfolg führen konnten, da es an einer notwendigen Bedingung für einen positiven Ausgang des Prozesses fehlte. Dennoch kann die Erstattungsfähigkeit der Prozesskosten im Rahmen der Anwaltshaftung nicht losgelöst von den Erfolgsaussichten des ohne Sorgfaltsverstoß geführten Rechtsstreits beantwortet werden. Denn die Anwaltshaftung kann den Mandanten bei der gebotenen wertenden Betrachtungsweise nicht von denjenigen Risiken befreien, die der Mandant auch bei einer sorgfältigen Leistung des Rechtsanwalts hätte tragen müssen.
3. Entgegen der Auffassung der Berufung unterliegt die Klage nicht deshalb der Abweisung, weil die geltend gemachten Schadenspositionen dem Kläger auf der Grundlage der für das Berufungsverfahren maßgeblichen Feststellungen auch im Fall einer erfolgten Ablehnungsandrohung nicht zugestanden hätten.
a) So scheiden die im Vorprozess geltend gemachten Ansprüche nicht schon deshalb aus, weil dem Werkvertrag wegen Verkürzung der Mehrwertsteuer die Rechtswirksamkeit vorzuenthalten ist: Zwar ist die Nichtigkeit des Vertrages dann in Betracht zu ziehen, wenn die Parteien nur auf der Grundlage des um die Mehrwertsteuer verminderten Werklohns zur Auftragserteilung bereit gewesen wären (vgl. BGH, Urteil vom 2.7.2003 - XII ZR 74/01, NJW 2003, 2742). Diesem Einwand ist das Landgericht bislang mit Recht nicht nachgegangen. Denn die zum Teil verwirrenden Zahlenangaben im Schriftsatz vom 24.6.2003 (Bl. 120 ff. d. A.) beweisen keineswegs mit hinreichender Sicherheit, dass die Parteien die Mehrwertsteuer sparen wollten. Soweit die Berufung in der Berufungsbegründung erstmals einen Zeugenbeweis antritt (Bl. 264 d. A.), fehlt es an den Voraussetzungen des § 531 ZPO.
b) Schließlich scheitern Schadensersatzansprüche nicht daran, dass der Werkvertrag wegen Dissenses nicht zu Stande kam.
Ein Dissens liegt nur dann vor, wenn sich die beiderseitigen Vertragserklärungen auch nach der Auslegung nicht decken. Einen solchen Sachverhalt trägt der Beklagte nicht vor:
Durch die Unterschrift des Klägers unter das Auftragsformular des Unternehmers vom 2.1.2001 wurde ein wirksamer Werkvertrag nach Maßgabe des schriftlich formulierten Inhalts geschlossen. Dieser Werkvertrag wurde - so der Sachvortrag der Berufung - möglicherweise später einvernehmlich modifiziert. In diesem Falle bildete die geänderte inhaltliche Grundlage den Gegenstand der wirksamen vertraglichen Vereinbarung. Sofern diese nachvertragliche Änderung wegen eines Einigungsmangels nicht zu Stande gekommen sein sollte, hat die ursprüngliche Vereinbarung Bestand. Überdies würde ein eventueller Dissens über die Höhe des zu zahlenden Werklohns den Vertragsschluss nicht hindern: Die Regelung des § 632 Abs. 1, Abs. 2 BGB zeigt, dass die Vereinbarung eines bestimmten Werklohns nicht zu den Essentialia eines Werkvertrages gehört. Ist die Herstellung eines Werks den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten, so gilt die Vergütung, deren Höhe sich nach § 632 Abs. 2 BGB bemisst, als stillschweigend vereinbart. Auch ein eventueller Dissens über den Umfang der geschuldeten Werkleistung wäre unschädlich, da zumindest hinsichtlich des zweifelsfreien Leistungsinhalts ein wirksamer Werkvertrag zu Stande gekommen wäre.
C. Nach alledem hat die angefochtene Entscheidung auf der Grundlage der für das Berufungsverfahren maßgeblichen Feststellungen keinen Bestand. Auf den Antrag des Beklagten war die Sache gem. § 538 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Im wiedereröffneten Rechtszug wird das Landgericht Gelegenheit haben, die ausstehenden Feststellungen zu Berechtigung und Höhe der geltend gemachten Schadenspositionen nachzuholen. Soweit das Landgericht die Erfolgsaussichten des Vorprozesses zu beurteilen hat, ist dem Beklagten aufgrund der Interventionswirkung des § 68 ZPO der Einwand verwehrt, dass der Vorprozess deshalb falsch entschieden worden sei, weil dem Kläger die Rechte des § 634 BGB a.F. auch ohne Ablehnungsandrohung zugestanden hätten. Insoweit ist der Beklagte an das Ergebnis des Vorprozesses gebunden: Nachdem der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers auf die Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung in der Berufungsbegründung ausdrücklich hingewiesen hat (BA Bl. 97), ist nicht zu erkennen, weshalb sich der Kläger mit einem vertieften Sachvortrag zur Entbehrlichkeit einer Nachfristsetzung im Widerspruch zum Vortrag der Hauptpartei gesetzt hätte.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).