Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 12. Feb. 2018 - 21 Ss OWi 200/17 (Z)

Gericht
Tenor
1.
Der mitunterzeichnende Einzelrichter lässt die Rechtsbeschwerde zu und überträgt die Sache dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern, weil es geboten ist, das Urteil zur Fortbildung des Rechts nachzuprüfen (§§ 80 Abs. 2, 80a Abs. 3 OWiG).
2.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts R. vom 22.05.2017 aufgehoben und der Betroffene freigesprochen.
3.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen.
Gründe
I.
- 1
Das Amtsgericht R. hat den Betroffenen am 22.05.2017 wegen vorsätzlicher Belästigung der Allgemeinheit zu einer Geldbuße von 100,00 € verurteilt, weil dieser mit den gesondert Verfolgten G. und E. auf der Südtribüne des O-stadions ein ca. 2 x 2 m großes Banner aufgehängt hat. Auf dem Banner mit hellem Untergrund sind zwei Polizeibeamte im grünen Dienstoverall zu sehen, die gemeinsam auf einer auf dem Bauch liegenden männlichen Person knien, deren Arme auf dem Rücken verschränkt sind. Mittig auf dem Transparent ist gut lesbar die Abkürzung „A.C.A.B.“ in weißer Schrift aufgebracht (S. 2 UA). Mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde rügt der Betroffenen die Verletzung materiellen Rechts.
II.
- 2
Die durch Beschluss des Einzelrichters zur Fortbildung des Rechts zugelassene Rechtsbeschwerde ist zulässig und auch begründet. Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen eine Verurteilung des Betroffenen wegen vorsätzlicher Belästigung der Allgemeinheit gemäß § 118 OWiG nicht (1), das Bußgeldverfahren ist auch nicht in ein Strafverfahren überzuleiten (2).
1.
- 3
Gemäß § 118 Abs. 1 OWiG handelt ordnungswidrig, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen. Bloße Meinungsäußerungen, die - wie hier - in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG fallen (a), können nicht nach dieser Norm geahndet werden, weil es sich bei ihr bei verfassungskonform einschränkender Auslegung um kein Gesetz im Sinne vor Art. 5 Abs. 2 GG handelt, das eine Beschränkung der Meinungsfreiheit zulässt (b). Diese Bußgeldnorm kann deshalb nicht als Auffangtatbestand für abfälligen Äußerungen herhalten, die keinen Straftatbestand erfüllen.
a)
- 4
Das Aufhängen des Banners fällt in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Meinungen sind im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen durch die subjektive Einstellung des sich Äußernden zum Gegenstand der Äußerung gekennzeichnet. Sie enthalten ein Urteil über Sachverhalte, Ideen oder Personen. Sie genießen den Schutz der Meinungsfreiheit, ohne dass es darauf ankommt, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt wird (BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 17.05.2016 - 1 BvR 2150/14 -, Rn. 11, juris). Das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Aufdruck „A.C.A.B.“ für die englische Parole „all cops are bastards“ steht. Mit dem Banner und dem darauf wiedergegebenen Bild wollte der Betroffene, den die Polizei nach den Feststellungen des Amtsgerichts der gewaltbereiten Rostocker Fußballszene zurechnet (UA S. 2), seine feindselige Haltung gegenüber den Beamten bekunden. Diese Parole ist nicht von vornherein offensichtlich inhaltslos, sondern bringt noch eine allgemeine Ablehnung der Polizei und ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht zum Ausdruck (vgl. dazu: BVerfG, a.a.O., Rn. 12).
b)
- 5
§ 118 OWiG ist kein allgemeines Gesetz, das gemäß Art. 5 Abs. 2 GG der freien Meinungsäußerung Schranken setzen kann (Göhler, OWiG, 17. Auflg., § 118 Rn. 9 a.E.). Zur Abwehr von kommunikativen Angriffen auf Schutzgüter der Verfassung hat der Gesetzgeber besondere Strafrechtsnormen geschaffen. Die darin vorgesehenen Beschränkungen von Meinungsäußerungen sind dort abschließend geregelt. Der Gesetzgeber hat durch die enge Fassung der Straftatbestände zum Ausdruck gebracht, im Übrigen keinen Vorrang des Rechtsgüterschutzes gegenüber der Meinungsäußerung anzuerkennen (BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 24.03.2001 - BvQ 13/01, Rn. 26, juris). Eine gemäß § 185 StGB straflose Kollektivbeleidigung, die in den Geltungsbereich des Art. 5 Abs. 1 GG fällt, kann daher entgegen der Auffassung des Amtsgerichts (UA S. 5) auch nicht nach § 118 OWiG geahndet werden.
2.
- 6
Der Senat hat nicht übersehen, dass das Bußgeldverfahren auch im Rechtsbeschwerdeverfahren noch in ein Strafverfahren übergeleitet werden kann (BGH, Beschluss vom 19.05.1988 - 1 StR 600/87 -, Rn. 17, juris), wobei das Verschlechterungsverbot dann nur noch eine Berichtigung des Schuldspruchs zuließe (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.02.1987, - 5 Ss (OWi) 450/86, juris).
a)
- 7
Eine Strafbarkeit des Betroffenen nach § 185 Abs. 1 StGB wegen Beleidigung kommt vorliegend jedoch schon deshalb nicht in Betracht, weil der Akte nicht zu entnehmen ist, dass der dafür gemäß § 194 Abs. 1 Satz 1 StGB erforderliche Strafantrag gestellt wurde. Die Antragsfrist ist abgelaufen. Unabhängig davon geht das Amtsgericht zu Recht davon aus, dass seine Feststellungen eine Verurteilung wegen Beleidigung nicht tragen. Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft wäre selbst dann noch von einer straflosen Kollektivbeleidigung auszugehen, wenn der Betroffene tatsächlich mit dem Banner nur die im Stadion anwesenden Polizeibeamten ansprechen wollte. Denn die bloße Präsentation des Banners im Stadion im Bewusstsein, dass die Polizei vor Ort ist, genügt den verfassungsrechtlichen Vorgaben an eine Individualisierung gegen bestimmte Beamte nicht (BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 17.05.2016 - 1 BvR 257/14 -, Rn. 17, juris).
b)
- 8
Zu denken wäre noch an eine Strafbarkeit gemäß § 125 Abs. 1, 3. Alt. StGB wegen aufwieglerischen Landfriedensbruchs. Danach wird auch derjenige bestraft, der auf eine Menschenmenge einwirkt, um ihre Bereitschaft zu fördern, sich als Täter oder Teilnehmer an Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Bedrohungen von Menschen mit Gewalttätigkeiten, die aus einer Menschenmenge in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise mit vereinten Kräften begangen werden, zu beteiligen. Eine solche Einwirkung auf eine Menschenmenge kann auch durch das Zeigen von Parolen auf Spruchbändern erfolgen (MüKo/Schäfer, StGB, 3. Auflg., § 125 Rn. 34; LK/Krauß, 12. Auflg., § 125 Rn. 85).
- 9
Vorliegend liegt eine solche Absicht des Betroffenen nicht völlig fern. Die Polizei rechnet ihn der gewaltbereiten Rostocker Fußballszene zu (UA S. 2). Der Betroffene verwendete zum Befestigen des Banners das Klebeband der „Subtras“ und hielt sich nach dem im amtsgerichtlichen Urteil in Bezug genommenen Lichtbild in vorderster Reihe des Fanblocks auf, was auf seine Rädelsführerschaft innerhalb dieser Gruppierung hindeuten könnte.
- 10
Gerichtsbekannt ist die R.‘er Fußballszene der sogenannten „Subtras“ sehr gewaltbereit und hat sich im Umfeld von Heim- und Auswärtsspielen des Vereins bereits wiederholt heftige verbale und tätliche Auseinandersetzungen mit der Polizei geleistet und die eingesetzten Beamten dabei jedenfalls zum Teil auch gezielt provoziert.
- 11
Indes reichen die bislang getroffenen Feststellungen für eine Verurteilung des Betroffenen wegen Landfriedensbruchs nicht aus. Der Senat hält es mit Blick auf den Zeitablauf auch für unwahrscheinlich, dass diese zumindest in subjektiver Hinsicht in vorliegender Sache noch mit der erforderlichen Sicherheit getroffenen werden können.
- 12
Für künftige vergleichbare Fälle könnte es sich indes anbieten, den Strukturen und Zielen der „Subtras“ und der Zugehörigkeit und jeweiligen Funktion von Einzelpersonen innerhalb dieser Gruppierung im Rahmen von präventiven und strafprozessualen Strukturermittlungen vorausschauend durch die gezielte Erhebung und Sammlung gerichtsverwertbarer Erkenntnisse verstärkt nachzugehen und dabei besonderes Augenmerk darauf zu richten, ob es im Umfeld von Fußballspielen des Vereins zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kommt, die nach Art, Umfang und Ausführung sowie Ausstattung der daran teilnehmenden „Fans“ (z.B. Vermummung, einheitliche Kleidung, Kleiderwechsel, Bewaffnung, Mitführung von Pyrotechnik etc.) den Schluss zulassen, dass diese Konfrontation mit den eingesetzten Ordnungskräften nicht spontan erfolgte, sondern geplant, vorbereitet und dann gezielt gesucht wurde, und ob gerade im unmittelbaren Vorfeld solcher Tumulte durch das Zeigen von Bannern wie im vorliegenden Fall berechtigter Grund zu der Annahme besteht, dass damit auch zum gewalttätigen Vorgehen gegen die Polizei aufgerufen werden sollte.
III.
- 13
Der Betroffene war nach dem Vorgesagten unter Aufhebung des angefochtenen Urteils durch das Rechtsbeschwerdegericht freizusprechen (§ 79 Abs. 6, 1. Alt OWiG). 5
IV.
- 14
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 1 StPO. Gemäß § 80a Abs. 3 OWiG hat der Senat in der Besetzung mit drei Richtern entschieden.

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Annotations
(1) Das Beschwerdegericht läßt die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 Satz 2 auf Antrag zu, wenn es geboten ist,
- 1.
die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen, soweit Absatz 2 nichts anderes bestimmt, oder - 2.
das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben.
(2) Die Rechtsbeschwerde wird wegen der Anwendung von Rechtsnormen über das Verfahren nicht und wegen der Anwendung von anderen Rechtsnormen nur zur Fortbildung des Rechts zugelassen, wenn
- 1.
gegen den Betroffenen eine Geldbuße von nicht mehr als einhundert Euro festgesetzt oder eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art angeordnet worden ist, deren Wert im Urteil auf nicht mehr als einhundert Euro festgesetzt worden ist, oder - 2.
der Betroffene wegen einer Ordnungswidrigkeit freigesprochen oder das Verfahren eingestellt worden ist und wegen der Tat im Bußgeldbescheid oder im Strafbefehl eine Geldbuße von nicht mehr als einhundertfünfzig Euro festgesetzt oder eine solche Geldbuße von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war.
(3) Für den Zulassungsantrag gelten die Vorschriften über die Einlegung der Rechtsbeschwerde entsprechend. Der Antrag gilt als vorsorglich eingelegte Rechtsbeschwerde. Die Vorschriften über die Anbringung der Beschwerdeanträge und deren Begründung (§§ 344, 345 der Strafprozeßordnung) sind zu beachten. Bei der Begründung der Beschwerdeanträge soll der Antragsteller zugleich angeben, aus welchen Gründen die in Absatz 1 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. § 35a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend.
(4) Das Beschwerdegericht entscheidet über den Antrag durch Beschluß. Die §§ 346 bis 348 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend. Der Beschluß, durch den der Antrag verworfen wird, bedarf keiner Begründung. Wird der Antrag verworfen, so gilt die Rechtsbeschwerde als zurückgenommen.
(5) Stellt sich vor der Entscheidung über den Zulassungsantrag heraus, daß ein Verfahrenshindernis besteht, so stellt das Beschwerdegericht das Verfahren nur dann ein, wenn das Verfahrenshindernis nach Erlaß des Urteils eingetreten ist.
(1) Ordnungswidrig handelt, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden, wenn die Handlung nicht nach anderen Vorschriften geahndet werden kann.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Ordnungswidrig handelt, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden, wenn die Handlung nicht nach anderen Vorschriften geahndet werden kann.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Ordnungswidrig handelt, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden, wenn die Handlung nicht nach anderen Vorschriften geahndet werden kann.
Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(1) Die Beleidigung wird nur auf Antrag verfolgt. Ist die Tat in einer Versammlung oder dadurch begangen, dass ein Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, so ist ein Antrag nicht erforderlich, wenn der Verletzte als Angehöriger einer Gruppe unter der nationalsozialistischen oder einer anderen Gewalt- und Willkürherrschaft verfolgt wurde, diese Gruppe Teil der Bevölkerung ist und die Beleidigung mit dieser Verfolgung zusammenhängt. In den Fällen der §§ 188 und 192a wird die Tat auch dann verfolgt, wenn die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Die Taten nach den Sätzen 2 und 3 können jedoch nicht von Amts wegen verfolgt werden, wenn der Verletzte widerspricht. Der Widerspruch kann nicht zurückgenommen werden. Stirbt der Verletzte, so gehen das Antragsrecht und das Widerspruchsrecht auf die in § 77 Abs. 2 bezeichneten Angehörigen über.
(2) Ist das Andenken eines Verstorbenen verunglimpft, so steht das Antragsrecht den in § 77 Abs. 2 bezeichneten Angehörigen zu. Ist die Tat in einer Versammlung oder dadurch begangen, dass ein Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, so ist ein Antrag nicht erforderlich, wenn der Verstorbene sein Leben als Opfer der nationalsozialistischen oder einer anderen Gewalt- und Willkürherrschaft verloren hat und die Verunglimpfung damit zusammenhängt. Die Tat kann jedoch nicht von Amts wegen verfolgt werden, wenn ein Antragsberechtigter der Verfolgung widerspricht. Der Widerspruch kann nicht zurückgenommen werden.
(3) Ist die Beleidigung gegen einen Amtsträger, einen für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einen Soldaten der Bundeswehr während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst begangen, so wird sie auch auf Antrag des Dienstvorgesetzten verfolgt. Richtet sich die Tat gegen eine Behörde oder eine sonstige Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, so wird sie auf Antrag des Behördenleiters oder des Leiters der aufsichtführenden Behörde verfolgt. Dasselbe gilt für Träger von Ämtern und für Behörden der Kirchen und anderen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts.
(4) Richtet sich die Tat gegen ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes oder eine andere politische Körperschaft im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes, so wird sie nur mit Ermächtigung der betroffenen Körperschaft verfolgt.
(1) Für das Bußgeldverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sinngemäß die Vorschriften der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes und des Jugendgerichtsgesetzes.
(2) Die Verfolgungsbehörde hat, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, im Bußgeldverfahren dieselben Rechte und Pflichten wie die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten.
(3) Anstaltsunterbringung, Verhaftung und vorläufige Festnahme, Beschlagnahme von Postsendungen und Telegrammen sowie Auskunftsersuchen über Umstände, die dem Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen, sind unzulässig. § 160 Abs. 3 Satz 2 der Strafprozeßordnung über die Gerichtshilfe ist nicht anzuwenden. Ein Klageerzwingungsverfahren findet nicht statt. Die Vorschriften über die Beteiligung des Verletzten am Verfahren und über das länderübergreifende staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister sind nicht anzuwenden; dies gilt nicht für § 406e der Strafprozeßordnung.
(4) § 81a Abs. 1 Satz 2 der Strafprozeßordnung ist mit der Einschränkung anzuwenden, daß nur die Entnahme von Blutproben und andere geringfügige Eingriffe zulässig sind. Die Entnahme einer Blutprobe bedarf abweichend von § 81a Absatz 2 Satz 1 der Strafprozessordnung keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Ordnungswidrigkeit begangen worden ist
- 1.
nach den §§ 24a und 24c des Straßenverkehrsgesetzes oder - 2.
nach § 7 Absatz 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes in Verbindung mit einer Vorschrift einer auf Grund des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes erlassenen Rechtsverordnung, sofern diese Vorschrift das Verhalten im Verkehr im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes regelt.
(4a) § 100j Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 der Strafprozessordnung, auch in Verbindung mit § 100j Absatz 2 der Strafprozessordnung, ist mit der Einschränkung anzuwenden, dass die Erhebung von Bestandsdaten nur zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zulässig ist, die gegenüber natürlichen Personen mit Geldbußen im Höchstmaß von mehr als fünfzehntausend Euro bedroht sind.
(5) Die Anordnung der Vorführung des Betroffenen und der Zeugen, die einer Ladung nicht nachkommen, bleibt dem Richter vorbehalten. Die Haft zur Erzwingung des Zeugnisses (§ 70 Abs. 2 der Strafprozessordnung) darf sechs Wochen nicht überschreiten.
(6) Im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende kann von der Heranziehung der Jugendgerichtshilfe (§ 38 des Jugendgerichtsgesetzes) abgesehen werden, wenn ihre Mitwirkung für die sachgemäße Durchführung des Verfahrens entbehrlich ist.
(7) Im gerichtlichen Verfahren entscheiden beim Amtsgericht Abteilungen für Bußgeldsachen, beim Landgericht Kammern für Bußgeldsachen und beim Oberlandesgericht sowie beim Bundesgerichtshof Senate für Bußgeldsachen.
(8) Die Vorschriften zur Durchführung des § 191a Absatz 1 Satz 1 bis 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes im Bußgeldverfahren sind in der Rechtsverordnung nach § 191a Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes zu bestimmen.
(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.
(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.
(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er
- 1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder - 2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.
(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.
(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.
(1) Die Bußgeldsenate der Oberlandesgerichte sind mit einem Richter besetzt, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(2) Die Bußgeldsenate der Oberlandesgerichte sind mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden besetzt in Verfahren über Rechtsbeschwerden in den in § 79 Abs. 1 Satz 1 bezeichneten Fällen, wenn eine Geldbuße von mehr als fünftausend Euro oder eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art im Wert von mehr als fünftausend Euro festgesetzt oder beantragt worden ist. Der Wert einer Geldbuße und der Wert einer vermögensrechtlichen Nebenfolge werden gegebenenfalls zusammengerechnet.
(3) In den in Absatz 1 bezeichneten Fällen überträgt der Richter die Sache dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern, wenn es geboten ist, das Urteil oder den Beschluss nach § 72 zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nachzuprüfen. Dies gilt auch in Verfahren über eine zugelassene Rechtsbeschwerde, nicht aber in Verfahren über deren Zulassung.