Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 29. Sept. 2016 - 1 Ws (s) 318/16

bei uns veröffentlicht am29.09.2016

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Angeklagten wird der Beschluss des Landgerichts Magdeburg vom 08. September 2016 aufgehoben und

1. die Beiordnung von Rechtsanwalt M. Sch. aufgehoben sowie

2. der Angeklagten Rechtsanwalt K. als Verteidiger beigeordnet.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Angeklagten trägt die Landeskasse.

Gründe

I.

1

Der Vorsitzende der 4. großen Strafkammer des Landgerichts Magdeburg hat mit Beschluss vom 08. September 2016

2

1. den Antrag der Angeklagten, die Bestellung des Rechtsanwalts M. Sch. als Pflichtverteidiger aufzuheben und der Angeklagten stattdessen Rechtsanwalt K. als Verteidiger zu bestellen, abgelehnt und 2. den Antrag der Angeklagten Rechtsanwalt K. als weiteren Verteidiger zu bestellen, abgelehnt.

3

Gegen diesen Beschluss hat die Angeklagte mit Schriftsatz ihres Verteidigers Rechtsanwalt K. vom 12. September 2016 Beschwerde eingelegt und beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses die Bestellung des Rechtsanwalts M. Sch. als Pflichtverteidiger zurückzunehmen und für diesen Rechtsanwalt S. K. beizuordnen.

4

Mit Beschluss vom 13. September 2016 hat der Vorsitzende der 4. großen Strafkammer der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorgelegt.

II.

5

Die Beschwerde der Angeklagten ist gemäß §§ 304 Abs. 1, 305, 306 Abs. 1 StPO zulässig und begründet.

6

Eine Auswechselung des Verteidigers ist ausnahmsweise dann zulässig, wenn der bisherige Pflichtverteidiger damit einverstanden ist und durch die Beiordnung des neuen Verteidigers weder eine Verfahrensverzögerung noch Mehrkosten für die Staatskasse verursacht werden (OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.12.2007, 3 Ws 1205/07, zitiert nach juris, Rdnr. 4; KG Berlin, Beschluss vom 20.11.1992, 4 Ws 228/92, NStZ 1993, 201, OLG Naumburg, Beschluss vom 14.04.2010, 2 Ws 52/10, zitiert nach juris, Rdnr. 8).

7

Hiervon ist vorliegend auszugehen.

8

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift an den Senat hierzu u.a. ausgeführt:

9

"Im konkreten Fall sind auch die Voraussetzungen für einen "kostenneutralen" Wechsel des Pflichtverteidigers gegeben:

10

Rechtsanwalt M. Sch. hat mit Schriftsatz vom 01.08.2016 um eine einvernehmliche Rücknahme der Beiordnung gebeten und erklärt, dass die Gründe, die zu diesem Ergebnis geführt haben, nicht offengelegt werden können (Bd. XXVII Bl. 119 f. d. A.), da gerade das bestehende Beiordnungsverhältnis ihn daran hindere.

11

Ferner hat er ausgeführt, dass die Angeklagte selbst Rechtsanwalt K. zunächst ein Wahlmandat erteilt habe. Dieser werde versichern, das Mandat im jetzigen Stand zu übernehmen, sich bis zum 24.08.2016 in den Prozessstoff einzuarbeiten und für einen nahtlosen Übergang ohne jegliche Verzögerung zu sorgen. Im Übrigen sollen durch den Wechsel Mehrkosten für die Staatskasse nicht entstehen (Bd. XXVII Bl. 120 d. A.).

12

Im anwaltlichen Schriftsatz vom 02.08.2016 (Bd. XXVII Bl. 121 f. d. A.) bestätigt Rechtsanwalt K. die Einvernehmlichkeit über den o. a. "Wechsel" und versichert, seine Einarbeitung in das Verfahren bis zur Fortsetzung des Verfahrens am 24.08.2016.

13

Durch die Entpflichtung von Rechtsanwalt M. Sch. und die Beiordnung von Rechtsanwalt K. entstehen der Staatskasse auch keine Mehrkosten. Rechtsanwalt K. hat – ebenfalls im Schriftsatz vom 02.08.2016 – erklärt, er werde auf diejenigen Kosten und Gebühren, die der Staatskasse bisher für die Pflichtverteidigung durch Rechtsanwalt Sch. angefallen seien, ausdrücklich verzichten (Bd. XXVII Bl. 122 d. A.). Zwar hat Rechtsanwalt K. mit seinem weiteren Schriftsatz vom 10.08.2016 diesen erklärten Gebührenverzicht zurückgenommen (Bd. XXVII Bl. 191 ff., 194 d. A.). Insoweit kann es aber dahingestellt bleiben, ob diese Rücknahme rechtlich zulässig und wirksam war, da Rechtsanwalt K. in seiner Beschwerdebegründung vom 12.09.2016 eine (erneute) Verzichtserklärung abgegeben hat (Bd. XXVII Bl. 173 ff., 185 f. d. A.).

14

Die Rechtsfrage, ob ein Anwalt – hier: Rechtsanwalt K. – auf seinen Gebührenanspruch in Höhe der bereits durch die Vertretung durch einen anderen Anwalt – hier: Rechtsanwalt Sch. – angefallenen Gebühren verzichten darf und deshalb durch den Verteidigerwechsel keine Mehrkosten entstehen, wird zwar in der obergerichtlichen Rechtsprechung teilweise – wie wohl auch von der Kammer – im Hinblick auf § 49b Abs. 1 Satz 1 BRAO für unzulässig erachtet (OLG Karlsruhe, a.a.O., m.w.N.; OLG Jena a.a.O.). Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass dem von § 49b BRAO verfolgten Zweck, einen Preiswettbewerb um Mandate zu verhindern, in der vorliegenden Fallkonstellation ausreichend dadurch begegnet wird, dass ein Wechsel nur bei Einverständnis beider beteiligter Anwälte möglich ist (OLG Karlsruhe, a.a.O., im Ergebnis auch OLG Braunschweig, Beschluss vom 28.07.2008 – Ws 262/08; OLG Bamberg a.a.O.). Im Übrigen betrifft diese Vorschrift ausschließlich den Fall einer vertraglichen Vereinbarung über die Höhe der Gebühren und erfasst den Verzicht gegenüber der Staatskasse nicht (OLG Frankfurt, Beschluss vom 3 Ws 1205/07, Rn. 8 f, OLG Bamberg, a.a.O.). Die Gebührenverzichtserklärung ist daher zulässig.

15

Aus den oben dargelegten Gründen ist die Beschwerde somit begründet. Dem Wunsch der Angeklagten auf Wechsel des Pflichtverteidigers ist daher zu entsprechen. "

16

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat im Ergebnis an. Selbst wenn man eine Auswechselung der Verteidiger im Hinblick auf eine fehlende Kostenneutralität ablehnen wollte, wäre eine Auswechselung jedenfalls auch aus anderen Gründen im Hinblick auf einen bestehenden Interessenkonflikt geboten ist.

17

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift an den Senat zu dieser Thematik ausgeführt:

18

"Ein konkret manifestierter Interessenkonflikt ist ein Grund, von der Verteidigerbestellung abzusehen oder eine bereits bestehende Bestellung aufzuheben (vgl. BGH, Beschluss vom 01.12.2015 – 4 StR 270/15; BGH, Beschluss vom 15.01.2003 – 5 StR 251/02, BGHSt 48, 170, 173; Urteil vom 11.06.2014 – 2 StR 489/13, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Verteidigerbestellung 1). Ob die im angefochtenen Beschluss vom zuständigen Gerichtsvorsitzenden im Rahmen seines Beurteilungsspielraums vorgenommene Bewertung vertretbar erscheint, nämlich dass eine Entpflichtung des bisherigen Verteidigers aus wichtigem Grund nicht vorliege, weil die dazu erforderliche nachhaltige und endgültige Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl. 2016, § 143 Rn. 5 m.w.N.), nicht gegeben sei, kann im Ergebnis dahingestellt bleiben. Wenngleich – aus den Gründen der Beschwerde aus hiesiger Sicht – vorliegend nicht nur eine abstrakte Gefahr einer Interessenkollision bestehen dürfte, braucht hier dennoch nicht geklärt zu werden, ob ein solcher Interessenkonflikt hier die Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung geboten hätte." Insoweit bezieht sie sich auf die obigen Ausführungen.

19

Vorliegend spricht für einen Interessenkonflikt, dass Rechtsanwalt Sch. im Namen der A. Sp.z.o.u. gegenüber dem Insolvenzverwalter der A. GmbH in Insolvenz Ansprüche zur Insolvenztabelle angemeldet hat. Gleichzeitig hat er die Verteidigung der damaligen Geschäftsführerin der A. GmbH, der Angeklagten St. , übernommen. In dem weiteren Verfahren macht der Insolvenzverwalter nunmehr aber wegen verspäteter Insolvenzanmeldung Ansprüche gegen die Angeklagte geltend.

III.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 473, 467 StPO.


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Tenor Die Beschwerde des Angeklagten und der Erziehungsberechtigten gegen den Beschluss der Vorsitzenden der 3. Strafkammer des Landgerichts Magdeburg vom 15. März 2010 wird als unbegründet verworfen. Der Angeklagte trägt die Kosten der Beschw

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(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.

(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.

(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche

1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen,
2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen,
3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen,
4.
die Akteneinsicht betreffen oder
5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
§ 138d Abs. 6 bleibt unberührt.

(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.

Tenor

Die Beschwerde des Angeklagten und der Erziehungsberechtigten gegen den Beschluss der Vorsitzenden der 3. Strafkammer des Landgerichts Magdeburg vom 15. März 2010 wird als unbegründet verworfen.

Der Angeklagte trägt die Kosten der Beschwerde.

Gründe

I.

1

Das Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Magdeburg hat den Angeklagten am 21. August 2009 wegen Vergewaltigung in zwei Fällen unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Magdeburg vom 23. März 2009 zu einer Jugendstrafe von 3 Jahren und 8 Monaten verurteilt. Gegen diese Entscheidung legte der mit Beschluss des Amtsgerichts vom 27. Juni 2008 bestellte Verteidiger Berufung ein.

2

Die Vorsitzende der Jugendkammer bestimmte am 10. Dezember 2009 die Hauptverhandlungstermine auf den 26. und den 28. April 2010. Gleichzeitig teilte sie dem Angeklagten unter Bezugnahme auf sein an den Pflichtverteidiger gerichtetes Schreiben vom 10. November 2009 mit, dass kein Anlass zu einem Wechsel in der notwendigen Verteidigung gesehen werde.

3

Am 19. Januar 2010 zeigte Rechtsanwalt F. aus B. die Vertretung des Angeklagten an und beantragte, ihn zum Verteidiger zu bestellen. In diesem Falle lege er sein Wahlmandat nieder. Der bisherige Pflichtverteidiger sei mit dem Wechsel einverstanden und es sollten für die Staatskasse keine Mehrkosten entstehen. Der bis dahin bestellte Verteidiger des Angeklagten erklärte am 08. Februar 2010 sein Einverständnis mit der Zurücknahme seiner Bestellung und rechnete u.a. die Verfahrensgebühr für die zweite Instanz ab.

4

Nachdem der Wahlverteidiger des Angeklagten seine Verhinderung zu den anberaumten Hauptverhandlungsterminen anzeigte, hat die Vorsitzende der Jugendkammer den auf Wechsel in der notwendigen Verteidigung gerichteten Antrag des Angeklagten durch Beschluss vom 15. März 2010 zurückgewiesen, da das Auswechseln des Pflichtverteidigers zu einer auch den Belangen des Angeklagten zuwider laufenden Verfahrensverzögerung führe.

5

Gegen diese Entscheidung wenden sich der Angeklagte und seine Mutter mit ihrer Beschwerdeschrift vom 18. März 2010. Die Vorsitzende der Jugendkammer hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen.

II.

6

Die gemäß §§ 304 Abs. 1, 296 Abs. 1, 298 StPO i.V.m. § 67 Abs. 3 JGG und §§ 2, 1626 Abs. 1, 1626a Abs. 2 BGB zulässig Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Vorsitzende der Jugendkammer hat zu Recht davon abgesehen, die Bestellung des bisherigen Verteidigers rückgängig zu machen und den Wahlverteidiger nach §§ 140 Abs. 1 Nr. 1, 141 Abs. 4, 142 Abs. 1 StPO i.V.m. § 68 Nr. 1 JGG zum Pflichtverteidiger zu bestellen.

7

Voraussetzung für die Bestellung eines neuen Verteidigers ist die Entpflichtung des bisherigen Pflichtverteidigers. Über § 143 StPO hinaus ist dies gesetzlich nicht vorgesehen. Dennoch kann die Bestellung eines Verteidigers aus wichtigem Grund rückgängig gemacht werden (Mehle, NJW 2007, 969, 971). So ist die Beiordnung aufzuheben, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger endgültig und nachhaltig erschüttert und deshalb zu besorgen ist, dass die Verteidigung objektiv nicht mehr sachgerecht geführt werden kann. Das muss der Angeklagte substantiiert vom Standpunkt eines vernünftigen und verständigen Vertretenen darlegen (Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 143 Rn. 5 m.w.N.). Hierfür genügt es nicht, wenn sich der Angeklagte lediglich auf „kein gutes Vertrauensverhältnis“ beruft, weil sein Pflichtverteidiger ihn nach seiner Auffassung nicht gut vertrat und er befürchte, dieser werde für ihn nichts Gutes erreichen. Die Grenze für die Begründetheit von Einwänden gegen den bestellten Pflichtverteidiger ist im Falle der Entpflichtung wesentlich enger gezogen (BVerfG NJW 2001, 3695, 3697). Pauschale, nicht näher belegte Vorwürfe rechtfertigen die Entpflichtung nicht (BGH, Beschluss vom 12. Februar 2008, 1 StR 649/07 – zitiert in juris Rn. 16; Meyer-Goßner, a. a. O., § 143 Rn. 5b m.w.N.). Der Angeklagte hat keinen bindenden Anspruch auf Bestellung eines von ihm bezeichneten Rechtsbeistands (BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2008, 2 BvR 1146/08 – zitiert in juris Rn. 10).

8

Darüber hinaus bleibt das Auswechseln eines Pflichtverteidigers unter Fürsorgegesichtspunkten dann entsprechend § 142 Abs. 1 StPO zulässig, wenn der Angeklagte und beide Verteidiger damit einverstanden sind, hierdurch keine Verfahrensverzögerung droht und der Landeskasse keine Mehrkosten entstehen (KG, Beschluss vom 15. Juni 1987, 4 Ws 151/87; OLG Naumburg StraFo 2005, 73; OLG Bamberg NJW 2006, 1536; OLG Köln NStZ 2006, 514; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07. Februar 2007, III-3 Ws 48-50/07; OLG Frankfurt, Beschluss vom 03. Dezember 2007, 3 Ws 1205/07; OLG Köln, Beschluss vom 11. Februar 2008, 2 Ws 54/08; OLG Braunschweig, Beschluss vom 28. Juli 2008, 1 Ws 262/08; Meyer-Goßner, a. a. O., § 143 Rn. 5a m.w.N.). Wie von der Jugendkammervorsitzenden im angefochtenen Beschluss zutreffend ausführt, würde die Verhinderung des Wahlverteidigers zu den seit Dezember 2009 anberaumten Hauptverhandlungsterminen zu einer Neuansetzung zwingen, die angesichts der Vielzahl der Zeugen und der notwendigen Anwesenheit der Sachverständigen eine Verzögerung befürchten lässt. Gerade das Beschleunigungsgebot kann dem Wunsch des Angeklagten, durch einen bestimmten Rechtsanwalt verteidigt zu werden, entgegen stehen (BVerfG NStZ 2006, 460, 461; Meyer-Goßner, a. a. O., § 142 Rn. 9a m.w.N.). Näher eingehen muss der Senat hierauf nicht. Zumindest die Kostenneutralität des Verteidigerwechsels lässt sich trotz der Erklärung des Bestellungsprätendenten, für die Staatskasse sollen keine Mehrkosten entstehen, nicht feststellen.

9

Die Entpflichtung des bisherigen Pflichtverteidigers und die Bestellung des Wahlverteidigers würden der Landeskasse zusätzliche Kosten verursachen. Der neue Pflichtverteidiger hätte - ebenso wie der bisher bestellte - im Umfang seiner Bestellung Anspruch auf die gesetzlich vorgesehene Vergütung (§§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 Satz 1, 45 Abs. 3 Satz 1, 46 Abs. 1, 48 Abs. 1 u. 5, 55 Abs. 1 Satz 1 RVG). Diese bestimmt sich nach Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses. Danach wäre auch die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG zu zahlen (vgl. Anmerkung 1 zu Nr. 4100 VV RVG), die der bisherige Pflichtverteidiger bereits verdient hat und die somit doppelt aufzubringen wäre. Da der bisherige Pflichtverteidiger auch das Geschäft der Berufung betrieb, steht ihm ebenfalls die Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 VV RVG zu (Vorbemerkung 4 Abs. 2 VV RVG). Diese Verfahrensgebühr würde der neue Pflichtverteidiger genauso beanspruchen können, da auch die bis zu seiner Bestellung im Berufungsrechtszug entfaltete Tätigkeit zu vergüten wäre (§ 48 Abs. 5 Satz 2 RVG sowie Vorbemerkung 4 Abs. 2 VV RVG).

10

Die Erklärung des Wahlverteidigers, der Staatskasse sollen keine zusätzlichen Kosten entstehen, führt zu keinem anderen Ergebnis, weil sie rechtlich bedeutungslos ist. Ein zum Verteidiger bestellter Rechtsanwalt darf keine geringeren als die gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen vereinbaren oder fordern (§ 49b Abs. 1 Satz 1 BRAO; so auch OLG Jena NJOZ 2006, 2102, 2104; OLG Köln, Beschluss vom 11. Februar 2008, 2 Ws 43/08; a.A. beispielsweise 1. Strafsenat StraFo 2005, 73; OLG Hamm NJW 1954, 1541; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07. Februar 2007, III-3 Ws 48-50/07; offen lassend OLG Hamm NJW 1968, 854, 855; vgl. hierzu auch Müller/Schmidt NStZ 2009, 251, 252). Etwas anderes gilt nur für den Zeitraum nach Erledigung des Auftrags (§ 49b Abs. 1 Satz 2 BRAO), der im Falle des Pflichtverteidigerwechsels nicht relevant ist.

11

Es gibt keinen Anhalt dafür, dass § 49b BRAO nur für vertragliche Absprachen zwischen dem Mandanten und dem Rechtsanwalt und nicht auch für gegen die Landeskasse gerichtete Ansprüche gilt (so aber OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Dezember 2007, 3 Ws 1205/07; OLG Bamberg NJW 2006, 1536 f.; OLG Braunschweig, Beschluss vom 28. Juli 2008, 1 Ws 262/08). Systematisch findet sich das Verbot im Dritten Teil der BRAO, welcher sich mit den Rechten und Pflichten des Rechtsanwalts und der beruflichen Zusammenarbeit befasst. Überschrieben ist § 49b BRAO mit „Vergütung“. Eine solche Vergütung erhält der Rechtsanwalt sowohl vom Mandanten als auch im Falle seiner Bestellung zum Verteidiger von der Landeskasse (vgl. §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 Satz 1, 45 Abs. 3 Satz 1, 48 Abs. 1 RVG). Im letztgenannten Falle liegt dem zwar keine Vereinbarung zugrunde. Die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung und ein Vorschuss hierauf werden auf Antrag des Rechtsanwalts vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle festgesetzt (§ 55 Abs. 1 Satz 1 RVG). Dies entspricht aber dem Fall des Forderns, der in § 49b Abs. 1 Satz 1 BRAO ebenso verboten ist, wie das Vereinbaren einer geringeren Vergütung. Dies bestätigt nicht zuletzt der Wortlaut des § 47 Abs. 1 Satz 1 RVG, wonach der Rechtsanwalt auf seinen gegen die Staatskasse gerichteten Vergütungsanspruch einen angemessenen Vorschuss aus der Staatskasse „fordern“ kann. Der auf Festsetzung der aus der Staatskasse zu leistenden Vergütung gerichtete Antrag nach § 55 Abs. 1 Satz 1 RVG ist danach kein Argument für die Beschränkung des § 49b Abs. 1 Satz 1 BRAO auf vertragliche Vergütungsansprüche (so OLG Bamberg a.a.O.), sondern eher dagegen, da mit ihm die Gebühren und Auslagen im Sinne von § 49b Abs. 1 Satz 1 BRAO eingefordert werden.

12

Sinn und Zweck des Verbots, eine geringere Vergütung zu vereinbaren oder zu fordern, rechtfertigen eine Beschränkung auf vertragliche Ansprüche und die Zulässigkeit eines Verzichts gegenüber der Staatskasse nicht. § 49b Abs. 1 BRAO wurde durch Art. 1 Nr. 19 des Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts für Rechtsanwälte und Patentanwälte vom 2. September 1994 (BGBl. I S. 2278) eingefügt. Das Verbot sollte einen Preiswettbewerb um Mandanten verhindern und die Chancengleichheit für alle Rechtsuchenden gewährleisten (BR-Drs. 12/4993 S. 31). Hierbei blieb es auch mit der Änderung durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (Art. 4 Abs. 18 Bst. a)) vom 05. Mai 2004 (BGBl. I. S. 718). Diese Ziele gewinnen auch bei der Pflichtverteidigung Relevanz, was der vorliegende Fall deutlich zeigt. Der Wahlverteidiger des Angeklagten ist nicht in Magdeburg ansässig. Der bisherige Pflichtverteidiger hat bereits die Verfahrensgebühr verdient. Würde es zum Wechsel der Pflichtverteidigung kommen und die Erklärung des Wahlverteidigers, es entstünden keine Mehrkosten, wirksam sein, könnte der neu zu bestellende Pflichtverteidiger im Berufungsrechtszug bestenfalls noch die Terminsgebühr ohne Auslagen für Reisen fordern. Ihm bliebe ggf. nur die Tätigkeit im Revisionsrechtszug, um eine weitere Vergütung zu erhalten. Es darf angezweifelt werden, dass zu diesen Bedingungen eine ordnungsgemäße Verteidigung des Angeklagten vor dem Berufungsgericht und eine unbefangene Prüfung der Erfolgsaussichten einer Revision gewährleistet werden können. Ein Verzicht gegenüber der Staatskasse ginge damit möglicherweise im Interesse der Gebühren und Auslagen im Revisionsverfahren zu Lasten des Angeklagten in der Berufung. Gerade dies will § 49b Abs. 1 Satz 1 BRAO verhindern.

13

Außerdem ist nicht zu verkennen, dass sich der neue Pflichtverteidiger den Zugang zur Bestellung durch einen Vergütungsverzicht „erkauft“. Das bedeutet, nur der Rechtsanwalt, der bereit ist, für eine geringere Vergütung zu arbeiten, kommt überhaupt für den Pflichtverteidigerwechsel in Betracht. Das ist nichts anderes als eine Form des verbotenen Preiswettbewerbs. Legt der Mandant nachträglich wert darauf, von einem anderen Pflichtverteidiger vertreten zu werden und will er deshalb den Verteidigerwechsel erreichen, wird er außerdem zusagen und gewährleisten müssen, diese Einnahmeverluste des Rechtsanwalts über § 52 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 RVG auszugleichen. Gerade aufgrund von § 49b Abs. 1 Satz 1 BRAO muss der Antrag auf Feststellung der Zahlungsfähigkeit gestellt werden (Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl., § 52 RVG Rn. 20). Damit kämen aber nur solche Personen in den Genuss eines Wechsels in der Pflichtverteidigung, die die gesetzliche Vergütung aus eigenen Mitteln aufbringen können. Damit wäre eine Chancengleichheit nicht mehr gewährleistet.

14

Der Umstand, dass ein Wechsel in der Pflichtverteidigung nur mit Zustimmung des bisherigen Pflichtverteidigers möglich ist, vermag dem nicht entgegen zu wirken (so aber OLG Frankfurt, Beschluss vom 03. Dezember 2007, 3 Ws 1205/07). Dem Senat ist kein Fall bekannt, in dem sich der Pflichtverteidiger dem Wunsch des Mandanten und des neu zu bestellenden Kollegen widersetzt hätte. Außerdem gilt es, wie das Oberlandesgericht Köln richtig bemerkt, die Integrität der Rechtspflege zu wahren (OLG Köln, Beschluss vom 11. Februar 2008, 2 Ws 54/08).

15

Aus der notwendigen Mitwirkung des Vorsitzenden folgt nichts anderes. Dieser müsste, wollte man über die obigen Bedenken hinwegsehen, aufgrund der Fürsorgepflicht des Gerichts die Entpflichtung und die Neubestellung vornehmen.

16

Im Übrigen kennt das Gesetz keinen einseitigen Verzicht des Rechtsanwalts auf seinen gesetzlichen Vergütungsanspruch. Notwendig ist der Abschluss eines Erlassvertrages (BGH NJW 1987, 3203). Wer im Falle des Wechsels in der Pflichtverteidigung diesen Erlassvertrag auf der Seite der Landeskasse mit dem neu zu bestellenden Rechtsanwalt schließt, vermag der Senat nicht zu erkennen. Die Bestellung durch den Vorsitzenden im Sinne von § 48 Abs. 1 RVG i.V.m. § 141 Abs. 4 StPO bringt keinen Erlassvertrag zustande und sie beruht auch nicht auf einer solchen Vereinbarung. Es dürfte angesichts dessen dabei bleiben, dass dort enthaltene Einschränkungen des Vergütungsanspruchs den Rechtsanwalt nicht binden (OLG Frankfurt NJW 1980, 1703, 1704). § 48 Abs. 1 RVG meint den Umfang der Bestellung (Hartmann, § 48 Rn. 5 m.w.N.).

17

Nach alledem sind die Entpflichtung des bisherigen Pflichtverteidigers und die Bestellung des Wahlverteidigers durch die Jugendkammervorsitzende im Ergebnis zutreffend abgelehnt worden, ohne dass es auf den Aspekt der Beschleunigung entscheidend ankommt.

III.

18

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 473 Abs. 1 Satz 1, 298 StPO i.V.m. 67 Abs. 3 JGG. Von der Möglichkeit des § 74 JGG hat der Senat keinen Gebrauch gemacht.


(1) Es ist unzulässig, geringere Gebühren und Auslagen zu vereinbaren oder zu fordern, als das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vorsieht, soweit dieses nichts anderes bestimmt. Im Einzelfall darf der Rechtsanwalt besonderen Umständen in der Person des Auftraggebers, insbesondere dessen Bedürftigkeit, Rechnung tragen durch Ermäßigung oder Erlaß von Gebühren oder Auslagen nach Erledigung des Auftrags.

(2) Vereinbarungen, durch die eine Vergütung oder ihre Höhe vom Ausgang der Sache oder vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig gemacht wird oder nach denen der Rechtsanwalt einen Teil des erstrittenen Betrages als Honorar erhält (Erfolgshonorar), sind unzulässig, soweit das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nichts anderes bestimmt. Vereinbarungen, durch die sich der Rechtsanwalt verpflichtet, Gerichtskosten, Verwaltungskosten oder Kosten anderer Beteiligter zu tragen, sind nur zulässig, soweit in der Angelegenheit ein Erfolgshonorar nach § 4a Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vereinbart wird. Ein Erfolgshonorar im Sinne des Satzes 1 liegt nicht vor, wenn lediglich vereinbart wird, dass sich die gesetzlichen Gebühren ohne weitere Bedingungen erhöhen.

(3) Die Abgabe und Entgegennahme eines Teils der Gebühren oder sonstiger Vorteile für die Vermittlung von Aufträgen, gleichviel ob im Verhältnis zu einem Rechtsanwalt oder Dritten gleich welcher Art, ist unzulässig. Zulässig ist es jedoch, eine über den Rahmen der Nummer 3400 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz hinausgehende Tätigkeit eines anderen Rechtsanwalts angemessen zu honorieren. Die Honorierung der Leistungen hat der Verantwortlichkeit sowie dem Haftungsrisiko der beteiligten Rechtsanwälte und den sonstigen Umständen Rechnung zu tragen. Die Vereinbarung einer solchen Honorierung darf nicht zur Voraussetzung einer Mandatserteilung gemacht werden. Mehrere beauftragte Rechtsanwälte dürfen einen Auftrag gemeinsam bearbeiten und die Gebühren in einem den Leistungen, der Verantwortlichkeit und dem Haftungsrisiko entsprechenden angemessenen Verhältnis untereinander teilen. Die Sätze 2 und 3 gelten nicht für beim Bundesgerichtshof zugelassene Prozeßbevollmächtigte.

(4) Die Abtretung von Vergütungsforderungen oder die Übertragung ihrer Einziehung an Rechtsanwälte oder Berufsausübungsgesellschaften nach § 59b ist zulässig. Im Übrigen sind Abtretung oder Übertragung nur zulässig, wenn eine ausdrückliche, schriftliche Einwilligung des Mandanten vorliegt oder die Forderung rechtskräftig festgestellt ist. Vor der Einwilligung ist der Mandant über die Informationspflicht des Rechtsanwalts gegenüber dem neuen Gläubiger oder Einziehungsermächtigten aufzuklären. Der neue Gläubiger oder Einziehungsermächtigte ist in gleicher Weise zur Verschwiegenheit verpflichtet wie der beauftragte Rechtsanwalt.

(5) Richten sich die zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert, hat der Rechtsanwalt vor Übernahme des Auftrags hierauf hinzuweisen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 270/15
vom
1. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zur Herbeiführung eines
Unglücksfalls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 1. Dezember 2015
gemäß § 154 Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12. September 2014 wird
a) das Verfahren in den Fällen II. B. 3, 4 und 10.1 der Urteilsgründe eingestellt; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten;
b) das vorbezeichnete Urteil dahin geändert, dass der Angeklagte des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zur Herbeiführung eines Unglücksfalls und zur Ermöglichung einer Straftat in zehn Fällen, davon in neun Fällen in Tateinheit mit Sachbeschädigung und in einem Fall in weiterer Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, des Betruges in zehn Fällen und des versuchten Betruges in Tateinheit mit uneidlicher Falschaussage schuldig ist. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte hat die weiteren Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zur Herbeiführung eines Unglücksfalls und zur Ermöglichung einer Straftat in zwölf Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, davon in zehn Fällen tateinheitlich mit Sachbeschädigung und in einem Fall tateinheitlich mit gefährlicher Körperverletzung, sowie wegen Betruges in elf Fällen , wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, wegen falscher Verdächtigung und wegen uneidlicher Falschaussage zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt, wovon ein Jahr als vollstreckt gilt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Gegen die Verurteilung richtet sich die auf Verfahrensrügen und sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zu einer Verfahrensbeschränkung gemäß § 154 Abs. 2 StPO und zu einer Änderung und Neufassung des Schuldspruchs; im Übrigen hat es keinen Erfolg.
2
1. Auf Antrag des Generalbundesanwalts stellt der Senat das Verfahren in den Fällen II. B. 3, 4 und 10.1 der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, weil Bedenken bestehen, ob die bisher getroffenen Feststellungen die Tatvorwürfe des versuchten bzw. vollendeten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr sowie der falschen Verdächtigung tragen und der Angeklagte im Fall II. B. 3 zudem zu Recht rügt, auf den veränderten rechtlichen Gesichtspunkt der versuchten Straftat nicht hingewiesen worden zu sein.
3
2. Die Rüge, Rechtsanwältin M. sei trotz eines gravierenden Interessenkonflikts zur Pflichtverteidigerin bestellt worden, greift im Ergebnis nicht durch.
4
a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde: Die Anklage vom 26. Juli 2010 legte dem Angeklagten zur Last, in neun Fällen über Rechtsanwalt K. betrügerisch zivilrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit von ihm absichtlich herbeigeführten Verkehrsunfällen geltend gemacht zu haben. Die Strafkammer regte nach Eingang der Anklage gegenüber der Staatsanwaltschaft an, zu überprüfen, ob gegen Rechtsanwalt K. ein Ermittlungsverfahren einzuleiten sei, was daraufhin am 18. August 2010 geschah. Der Angeklagte hatte am 7. Juli 2009 Rechtsanwältin M. mit seiner Verteidigung beauftragt, welche ihre Tätigkeit in Sozietät mit Rechtsanwalt K. ausübt und die den Angeklagten in einem weiteren Fall der Anklage, der später vom Gericht gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, zivilrechtlich vertreten hatte. Im Termin zur Verkündung des Haftbefehls am 19. August 2010 stellte Rechtsanwältin M. den Antrag, als Pflichtverteidigerin beigeordnet zu werden. Die Staatsanwaltschaft äußerte keine Bedenken. Mit Verfügung des Vorsitzenden der Strafkammer vom 30. August 2010 wurde Rechtsanwältin M. zur Verteidigerin bestellt.
5
b) Die Revision ist der Auffassung, dass in der Person der Pflichtverteidi- gerin ein Interessenkonflikt vorgelegen habe. Als Mitglied der Sozietät „ M. & K. Rechtsanwälte“ hafte sie persönlich für Schäden, die von ihrem Sozius im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit verursacht worden seien. Das zum Schadensersatz verpflichtende Handeln des Mitgesellschafters sei der Sozietät als BGB-Gesellschaft gemäß § 31 BGB zuzurechnen. Im Hinblick auf die Summe der Schäden in den Fällen, in denen Rechtsanwalt K. für den Angeklagten tätig geworden sei, habe ein ganz erhebliches eigenes wirtschaftliches Interesse der Pflichtverteidigerin an dem Ergebnis der Beweisaufnahme bestanden. Sie habe den Angeklagten nicht mehr unabhängig und unbeeinflusst etwa über die Möglichkeit und den Inhalt eines frühen und umfassenden Geständnisses beraten können.
6
c) Es trifft zwar zu, dass ein konkret manifestierter Interessenkonflikt ein Grund ist, von der Verteidigerbestellung abzusehen oder eine bereits bestehende Bestellung aufzuheben (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2003 – 5 StR 251/02, BGHSt 48, 170, 173; Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 489/13, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Verteidigerbestellung 1), zumindest ist der Angeklagte zu einem möglichen Interessenkonflikt anzuhören (vgl. BGH, Beschluss vom 15. November 2005 – 3 StR 327/05, BGHR StPO § 142 Abs. 1 Auswahl 10). Ob ein solcher Interessenkonflikt hier die Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung geboten hätte, kann dahinstehen. Denn der Senat kann im vorliegenden Fall ausschließen, dass das Urteil auf diesem Verfahrensfehler beruhen würde. Die Hauptverhandlung hat an 33 Tagen stattgefunden; ab dem 10. Hauptverhandlungstag war der Angeklagte zusätzlichdurch die Wahlverteidigerin S. verteidigt. Ein Antrag auf Entpflichtung der Verteidigerin M. ist nicht gestellt worden, auch nicht von der Wahlverteidigerin S. . Anhaltspunkte für eine unzureichende Verteidigung bestehen nicht, zumal die Pflichtverteidigerin M. schon vor dem Auftreten der Wahlverteidigerin ein Geständnis des Angeklagten bei einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe in Aussicht gestellt hatte, wie der Vermerk des Vorsitzenden über das Verständigungsgespräch vom 8. Januar 2014 ausweist.
7
3. Die weiteren Verfahrensrügen greifen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 25. Juni 2015 nicht durch.
8
4. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge führt in zwei Fällen zu einer Änderung des Schuldspruchs. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 25. Juni 2015 dargelegten Gründen keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
9
a) In den Fällen II. B. 16a und 16b der Urteilsgründe hält die Annahme zweier selbständiger Taten des versuchten Betruges und der falschen uneidlichen Aussage aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 25. Juni 2015 der rechtlichen Prüfung nicht stand. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert; die Einzelstrafe von zehn Monaten im Fall 16a der Urteilsgründe entfällt.
10
b) Zu Fall II. B. 18 der Urteilsgründe hat der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend ausgeführt: „Eine Körperverletzung mittels eines anderen gefährlichen Werkzeugs nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB begeht, wer sein Opfer durch ein von außen unmittelbar auf den Körper wirkendes gefährliches Tatmittel körperlich misshandelt oder an der Gesundheit beschädigt (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschluss vom 30. Juli 2013 – 4 StR 275/13). Vorliegend wurden die Schmerzen des Geschädigten aber erst durch den infolge des Anstoßes ausgelösten Schleudervorgang und den anschließenden frontalen Aufprall auf einen Mast verursacht (UA S. 58), sind demnach nicht auf den unmittelbaren Kontakt zwischen Kraftfahrzeug und Körper zurückzuführen und können daher die Beurteilung als gefährliche Körperverletzung nicht tragen (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 20. Dezember 2012 – 4 StR 292/12 – mwN).“
11
Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. Die Einzelstrafe im Fall II. B. 18 kann bestehen bleiben, denn der Tatrichter hat nicht strafschärfend berücksichtigt, dass die Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs begangen worden ist.
12
5. Der Senat schließt aus, dass die von der Strafkammer verhängte Gesamtfreiheitsstrafe angesichts der verbleibenden Einsatzstrafe von zwei Jahren und drei Monaten und der weiteren zwanzig Einzelstrafen von zwei Jahren, einem Jahr und zehn Monaten, einem Jahr und neun Monaten, zwei Mal einem Jahr und acht Monaten, vier Mal einem Jahr und sechs Monaten, einem Jahr und vier Monaten, vier Mal einem Jahr und drei Monaten, einem Jahr, zwei Mal zehn Monaten, neun Monaten sowie zwei Mal sechs Monaten ohne die infolge der Verfahrensbeschränkung und der Schuldspruchänderung entfallenen Einzelstrafen von einem Jahr und vier Monaten, zehn Monaten, acht Monaten sowie 90 Tagessätzen geringer ausgefallen wäre.
13
Der Schriftsatz des Verteidigers vom 18. November 2015 hat dem Senat vorgelegen.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Quentin
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Gebotene Ablehnung der Bestellung eines vom Beschuldigten
bezeichneten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger bei
konkreter Gefahr einer Interessenkollision in einem Fall
sukzessiver Mehrfachverteidigung.
BGH, Beschl. v. 15. Januar 2003 – 5 StR 251/02
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 15. Januar 2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Anstiftung zum Mord u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Januar 2003

beschlossen:
I. 1. Dem Angeklagten J wird auf seine Kosten zur weiteren Begründung seiner Revision gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Dezember 2001 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
2. Auf die Revision des Angeklagten J wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Dezember 2001, soweit es ihn betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
3. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Revision, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
II. 1. Die Revision des Angeklagten D gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Dezember 2001 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
2. Der Angeklagte D hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dadurch den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

G r ü n d e

I.


Das Schwurgericht hat den Angeklagten J wegen Anstiftung zum Mord zu lebenslanger Freiheitsstrafe – nach Einbeziehung anderweits ver hängter rechtskräftiger Strafen als Gesamtstrafe –, den Angeklagten D wegen Beihilfe zum Mord zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
1. Das Schwurgericht hat folgendes festgestellt:
Die Angeklagten hatten seit 1992 massive Konflikte mit ihrem Geschäftspartner G . Der Angeklagte J begann im Jahre 1993, den mit ihm und seiner Ehefrau befreundeten B zu überreden, G zu töten. Dem wiederholten Drängen J s schloß sich der Angeklagte D an; er war an der Tötung des mit beiden Angeklagten zerstrittenen, ihnen für ihr geschäftliches Fortkommen lästig und gefährlich gewordenen Partners gleichfalls interessiert. Schließlich erschoß B den G G im März 1994 hinterrücks – wie von beiden Angeklagten einkalkuliert – mit einer ihm von J zur Tatausführung übergebenen Pistole.
B wurde ein Jahr später vom Landgericht Berlin wegen heimtückisch begangenen Mordes – unter Zubilligung erheblich verminderter Schuldfähigkeit – zu neun Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Verteidigt wurde er von Rechtsanwalt S . Bereits vor der Tat hatte der Angeklagte J seinem damaligen Freund B diesen Rechtsanwalt für den Fall, daß er als Täter ermittelt würde, benannt; B müsse dann „auf Macke“ machen und werde nach fünf bis sechs Jahren entlassen werden.
Erst im Sommer 2000 offenbarte B der Polizei die Beteiligung der Angeklagten an dem von ihm begangenen Mord. Zuvor waren weitere Zuwendungen des Angeklagten J an ihn während seiner Strafhaft schließlich ausgeblieben; Konflikte zwischen den Eheleuten J waren B , der sich um J s Ehefrau sorgte, bekannt geworden. Zudem hatte ein Mitgefangener , dem B sich offenbart hatte, ihm zu der Aussage geraten; ihn motivierte dabei nicht zuletzt der näher rückende Zeitpunkt der Zweidrittelverbüßung seiner Strafe. Einen Monat vor der polizeilichen Aussage hatte B seinen früheren Verteidiger Rechtsanwalt S schriftlich aufgefordert , im Streit zwischen den Eheleuten J zugunsten der Ehefrau zu vermitteln; in dem durch Frau J übermittelten Brief teilte er mit, der schon früher von Rechtsanwalt S geäußerte Verdacht, J habe ihn, B , zur Ermordung G s angestiftet, treffe zu. Das Schreiben, über das B der Polizei berichtet hatte und dessen Original die Ehefrau des Angeklagten J , die Rechtsanwalt S nur eine Abschrift überlassen hatte, einbehalten und den Ermittlungsbehörden übergeben hatte, hat das Schwurgericht als wesentliches Indiz zur Stützung der Zeugenaussage des Haupttäters B gewertet, auf die es seine Beweiswürdigung maßgeblich gestützt hat.
2. Soweit die Revisionen der Angeklagten zunächst jeweils mit der Sachrüge begründet worden sind, haben sie keinen Erfolg. Die Beweiswürdigung des Schwurgerichts begegnet insgesamt im Ergebnis keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Auch erweist sich die auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage beruhende Auffassung des Schwurgerichts als rechtsfehlerfrei , die Angeklagten hätten hinsichtlich des zutreffend angenommenen Mordmerkmals der Heimtücke den jeweils erforderlichen Beteiligtenvorsatz gehabt (vgl. BGHR StGB § 26 Vorsatz 2).
Bei dieser Sachlage ist die Revision des Angeklagten D nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

II.


Der Umstand, daß der Angeklagte J in der Tatsacheninstanz allein durch den – freilich auf Wunsch dieses Angeklagten – zum Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwalt S verteidigt worden ist, begegnet ebenso durchgreifenden Bedenken wie die anfänglich entsprechend geordneten Verteidigungsverhältnisse im Revisionsverfahren. Nachdem dem Angeklagten J aufgrund dieser Bedenken im Revisionsverfahren ein weiterer Verteidiger bestellt worden ist, hat dieser zur weiteren Begründung der Revision des Angeklagten J eine Verfahrensrüge wegen Verletzung des § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO erhoben und hierfür Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das Wiedereinsetzungsgesuch und diese Verfahrensrüge sind begründet; dies führt zur umfassenden Aufhebung des Urteils auf die Revision des Angeklagten J , soweit dieser Angeklagte verurteilt worden ist.
1. Kollidiert der Wunsch eines Beschuldigten, von einem bestimmten Rechtsanwalt verteidigt zu werden, mit einem möglichen Konflikt dieses Rechtsanwalts in Bezug auf die Interessen eines anderen – auch früheren – Mandanten (vgl. – zur Unmaßgeblichkeit des Fortbestehens des anderen Mandats für die Frage rechtlich relevanter Interessenkonflikte wegen fortwirkender Berufspflichten – nur BGHSt 34, 190, 191; Cramer in Schönke /Schröder, StGB 26. Aufl. § 356 Rdn. 10, 17; Eylmann in Henssler/Prütting, BRAO 1996 § 43a Rdn. 41, 126 ff.; Feuerich/Braun, BRAO 5. Aufl. § 43a Rdn. 20, 55 ff.), sind folgende Grundsätze zu beachten.

a) Dem Beschuldigten ist aufgrund seines Rechts auf ein faires, rechtsstaatlich geordnetes Verfahren eine effektive Verteidigung im Strafverfahren zu gewährleisten (Art. 6 Abs. 3 lit. c MRK; Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Daher muß für den Beschuldigten – abgesehen von seinem grundsätzlich gegebenen Recht aus § 137 Abs. 1 Satz 1 StPO auf Verteidigerwahl – in gewichtigen Strafverfahren ein Verteidiger mitwirken (§ 140 StPO), dessen juristische Qualifikation – regelmäßig als Rechtsanwalt – si-
chergestellt (vgl. §§ 138, 139, 142 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StPO) und dessen notwendige Anwesenheit während der gesamten Hauptverhandlung durch den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO abgesichert ist.
Sofern kein Wahlverteidiger mitwirkt, bedarf es in diesen Fällen mithin der Pflichtverteidigerbestellung. Hierbei soll auf ein Vertrauensverhältnis zwischen Beschuldigtem und Verteidiger hingewirkt werden; zudem sind dem Beschuldigten in einem fairen, rechtsstaatlich geordneten Verfahren aktive Mitwirkungsbefugnisse zuzubilligen. Dies gab Anlaß zu der Regelung in § 142 Abs. 1 Sätze 2 und 3 StPO, wonach ein Wunsch des Beschuldigten auf Verteidigung durch einen bestimmten Rechtsanwalt durch Nachfrage zu fördern und diesem weitgehend Rechnung zu tragen ist (vgl. BGHSt 43, 153, 154 f.; BGHR StPO § 142 Abs. 1 Auswahl 7, 8; Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 142 Rdn. 9 m. w. N.).

b) Ein absehbarer Interessenkonflikt in der Person eines als Pflichtverteidiger in Betracht gezogenen Rechtsanwalts kann, sofern deshalb eine mindere Effektivität seines Verteidigungseinsatzes zu befürchten ist, seiner Bestellung entgegenstehen (vgl. BVerfG – Kammer – NStZ 1998, 46; BGH NStZ 1992, 292; OLG Frankfurt NJW 1999, 1414, 1415). Hierin kann auch ein wichtiger Grund im Sinne des § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO liegen, von der Bestellung des vom Beschuldigten bezeichneten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger abzusehen (vgl. Laufhütte in KK 4. Aufl. § 142 Rdn. 7). Eine solche Entscheidung löst ein Spannungsfeld, bei dem jeweils im fairen Verfahren angelegte Elemente widerstreiten: die Beachtlichkeit der aktiven Mitwirkung des Beschuldigten bei der Suche nach einem Verteidiger, dem er vertraut , einerseits; die durch gerichtliche Fürsorgepflicht zu sichernde Effektivität der Verteidigung andererseits, die bei greifbaren Interessenkonflikten regelmäßig als vorrangig zu werten sein wird.

c) Der Gefahr einer Interessenkollision durch die Verteidigung mehrerer derselben Tat Beschuldigter – wie auch durch die Verteidigung mehrerer
Beschuldigter im selben Verfahren – begegnet die Regelung des § 146 StPO. In Abwägung zwischen der Gefahr einer nicht ausreichend sachgerecht geführten Verteidigung einerseits und den aus einem generellen Verbot folgenden Einschränkungen der freien Verteidigerwahl sowie der freien Berufsausübung der Verteidiger andererseits hat der Gesetzgeber im Jahre 1987 Anlaß gesehen, von dem noch bei Einführung der Regelung Ende 1974 aufgestellten strikten Verbot der Mehrfachverteidigung durch das zusätzliche Erfordernis der Gleichzeitigkeit die sukzessive Mehrfachverteidigung auszunehmen (vgl. dazu näher Laufhütte aaO § 146 Rdn. 1).
Hieraus ist zu folgern, daß die Bestellung eines vom Beschuldigten bezeichneten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger allein mit Rücksicht auf die abstrakte Gefahr einer Interessenkollision nicht abgelehnt werden darf, die sich für einen Verteidiger schon daraus ergeben kann, daß er die Verteidigung eines Beschuldigten übernimmt, obgleich er zuvor schon einen anderen derselben Tat Beschuldigten verteidigt hat. Dies ist aus der Gleichwertigkeit von Wahl- und Pflichtverteidigung zu folgern, da der entsprechende Sachverhalt eine Zurückweisung des Verteidigers nach § 146a StPO nicht rechtfertigt (vgl. BGHR StPO § 142 Abs. 1 Auswahl 6).
Dies hindert freilich auch in einem Fall sukzessiver Mehrfachverteidigung nicht etwa schlechthin die Ablehnung der Beiordnung des gewünschten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger aus dem wichtigen Grund der konkreten Gefahr eines Interessenkonflikts (vgl. Laufhütte aaO § 142 Rdn. 7 und § 146 Rdn. 1).

d) Zu beachten ist dabei, daß der Rechtsanwalt grundsätzlich allein für die Wahrung seiner Berufspflichten verantwortlich ist (vgl. BGH NStZ 1992, 292; OLG Düsseldorf NStZ 1991, 352; OLG Frankfurt NJW 1999, 1414, 1415), hier speziell bezogen auf das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43a Abs. 4 BRAO). Das wird in Fällen, in denen der Bestellung eines vom Beschuldigten gewünschten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger
kein anderer wichtiger Grund als die konkrete Gefahr einer Interessenkollision entgegensteht, regelmäßig Anlaß für folgende Verfahrensweise sein: Der für die Verteidigerbestellung zuständige Gerichtsvorsitzende sollte vor einer Ablehnung der gewünschten Pflichtverteidigerbestellung den Rechtsanwalt – gegebenenfalls daneben auch den Beschuldigten selbst – zu dem Sachverhalt anhören, der die Gefahr der Interessenkollision begründen kann. Liegt ein derartiger Sachverhalt nach Lage des Einzelfalles auf der Hand, wird der Vorsitzende eine derartige Anhörung durchführen müssen und jedenfalls gehindert sein, den gewünschten Pflichtverteidiger ohne weiteres sofort zu bestellen.
Entsprechendes wird zu gelten haben in Fällen, in denen wegen nachträglich erkannter konkreter Gefahr eines Interessenkonflikts die Rücknahme der Pflichtverteidigerbestellung aus wichtigem Grund (vgl. Laufhütte aaO § 143 Rdn. 4 f.) zu erwägen oder aufgrund einer entsprechenden Gefahr der Interessenkollision in der Person eines Wahlverteidigers die zusätzliche Bestellung eines Pflichtverteidigers (vgl. Laufhütte aaO § 141 Rdn. 7) in Betracht zu ziehen ist.

e) Bei der Annahme des wichtigen Grundes der konkreten Gefahr einer Interessenkollision, welcher die Ablehnung der Bestellung des vom Beschuldigten bezeichneten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger gemäß § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO rechtfertigt, steht dem zuständigen Gerichtsvorsitzenden ein Beurteilungsspielraum zu, der nicht der umfassenden Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt. So kann in Grenzfällen die Ablehnung der vom Beschuldigten gewünschten Verteidigerbestellung wegen vom Vorsitzenden angenommener Gefahr der Interessenkollision als vertretbare Entscheidung ebenso unbeanstandet bleiben wie die bei gleicher Sachlage gleichwohl – ebenfalls vertretbar – verfügte Bestellung des Verteidigers.
Insbesondere kann sich die Vertretbarkeit der getroffenen Entscheidung über die Pflichtverteidigerbestellung auch aus dem Motiv der Verfah-
renssicherung ergeben. So kann die Ablehnung der gewünschten Verteidigerbestellung im Einzelfall dann vertretbar sein, wenn die Gefahr einer Interessenkollision aktuell noch nicht übermäßig groß erscheint, indes unbedingt vermieden werden soll, daß sie später doch virulent wird und dann zum Abbruch einer Hauptverhandlung mit beträchtlichem Umfang zur Unzeit nötigen könnte. In Fällen dieser Art mag auch einmal die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers neben dem gewünschten angezeigt sein.

f) Die Verneinung der Gefahr eines Interessenkonflikts und die deshalb dem Wunsch des Beschuldigten gemäß verfügte Pflichtverteidigerbestellung wird umso eher vom Revisionsgericht als vertretbar zu bewerten sein, wenn Gegengründe, die sich im Einzelfall aufdrängen, mit dem benannten Verteidiger, gegebenenfalls auch mit dem Beschuldigten, erörtert und wenn daraufhin in Kenntnis des kritischen Sachverhalts keine Bedenken gegen die Bestellung geäußert oder gar beachtliche Gründe gegen einen möglichen Interessenkonflikt vorgebracht worden sind.
2. Nach diesen Maßstäben war die Bestellung des Rechtsanwalts S zum Pflichtverteidiger des Angeklagten J rechtsfehlerhaft.

a) Der Haupttäter B hatte mit der Offenbarung, daß der Angeklagte J die Ermordung G s als Anstifter veranlaßt – und der Angeklagte D dies durch psychische Beihilfe unterstützt – hatte, Anlaß zu maßgeblicher Intensivierung des gegen beide Angeklagte geführten Ermittlungsverfahrens gegeben. Dieses Verfahren hatte den Vorwurf der Beteiligung an derselben Tat zum Gegenstand, wegen deren Begehung B rechtskräftig verurteilt war und sich zur Zeit seiner Offenbarung noch in Strafhaft befand. Zunächst waren die beiden Angeklagten den Ermittlungsbehörden und Gerichten während des Strafverfahrens gegen B lediglich als „Tatinteressenten“ bekanntgeworden, später war ein Ermittlungsverfahren gegen J , in dem B zunächst noch zu seinen Gunsten ausgesagt hatte, nur aufgrund von Angaben Dritter vom Hörensagen eingeleitet worden.

Nachdem Rechtsanwalt S den Haupttäter B verteidigt hatte , verstieß die spätere sukzessive Übernahme der Verteidigung des Anstifters J zwar mangels Gleichzeitigkeit nicht gegen das Verbot des § 146 StPO. Indes bestanden jenseits der generell bei solcher Fallgestaltung gegebenen Gefahr einer Interessenkollision deutliche konkrete Anhaltspunkte für einen möglichen Interessenkonflikt, in den dieser Rechtsanwalt bei der Verteidigung des Angeklagten J im Blick auf seine fortwirkenden Pflichten gegenüber seinem früheren Mandanten B geraten konnte.
Der Angeklagte J war weitestgehend nicht geständig. Für seine Überführung wegen Anstiftung zum Mord war die Zeugenaussage B s – wie von Anfang an erkennbar – von maßgeblicher Bedeutung. Bei dieser Sachlage drängte sich die Aufdeckung möglicher Schwachstellen dieser Aussage als eine zentrale Aufgabe von J s Verteidiger auf. Indes unterlag S einer Verschwiegenheitspflicht gegenüber seinem früheren Mandanten B , zudem traf ihn als Rechtsanwalt naheliegend auch eine gewisse berufsrechtliche Verpflichtung, dem im Strafverfahren Verteidigten während dessen anschließender Strafvollstreckung nicht durch aktive Wahrnehmung eines Mandats mit gegenläufigen Interessen Nachteil zuzufügen. Rechtsanwalt S war daher gehindert, ihm von seinem früheren Mandanten während dessen Verteidigung etwa anvertrautes Wissen, das seinem jetzigen Mandanten J hätte nützen können, zu offenbaren. Er konnte unter Umständen auch in Konflikt geraten, wenn es sich ihm etwa im Interesse seines jetzigen Mandanten J aufdrängen mußte, entlastende Indizien vorzutragen, über deren Bewertung er indes aufgrund vertraulicher Mitteilungen seines früheren Mandanten B nicht offenbarungsfähige nähere Kenntnisse besaß. Darüber hinaus konnte er in die Situation geraten, durch Vorbringen, mit dem er J gezielt gegen B s jetzige Aussage verteidigte, jedenfalls den Verdacht zu erwecken, sich hierdurch in entsprechender Weise standesrechtlich pflichtwidrig – mindestens aber bedenklich – gegenüber seinem früheren Mandanten zu verhalten, so daß er unter Hint-
anstellung von J s berechtigten Verteidigungsinteressen leicht hätte motiviert werden können, von solchem Verteidigervorbringen Abstand zu nehmen.

b) Allein diese auf der Hand liegenden Umstände hätten dem ermittelnden Staatsanwalt, bevor er dem Schwurgerichtsvorsitzenden bereits im Ermittlungsverfahren den Antrag auf Bestellung des Rechtsanwalts S zum Pflichtverteidiger des damaligen Beschuldigten J befürwortend zuleitete, Anlaß geben sollen, auf Klärung der auf eine Interessenkollision hindeutenden Anzeichen gegenüber dem Rechtsanwalt und dem Beschuldigten J hinzuwirken. Sofern sich dies dem damals mit dem Verfahren noch nicht näher befaßten Schwurgerichtsvorsitzenden selbst noch nicht hätte aufdrängen müssen, hätte dieser jedenfalls nach Kenntnis von der Anklage entsprechend allen Anlaß gehabt, die verfügte Verteidigerbestellung zu hinterfragen und auf eine derartige Klärung hinzuwirken. Die jetzt im Revisionsverfahren eingeholten dienstlichen Erklärungen, die den Wunsch des Angeklagten J nach Verteidigung durch Rechtsanwalt S in den Mittelpunkt stellen und ein sachlich unauffälliges Verteidigerverhalten betonen , machen es dem Senat nicht verständlich, daß die sich bei der vorliegenden Fallgestaltung aufdrängenden Anhaltspunkte für eine mögliche Interessenkollision in der Person des gewünschten Verteidigers nach außen hin gänzlich unbeachtet geblieben sind.

c) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Bestellung des Rechtsanwalts S zum Pflichtverteidiger allein aufgrund der genannten Umstände bereits als unvertretbar und damit rechtsfehlerhaft zu bewerten wäre. Dies läge jedenfalls in Ermangelung ausdrücklicher Hinterfragung der mit einer möglichen Interessenkollision zusammenhängenden Probleme gegenüber den Beteiligten nicht ganz fern. Andererseits sind vor dem Hintergrund genereller Zulässigkeit sukzessiver Mehrfachverteidigung gemäß § 146 StPO der ausdrückliche Wunsch des Angeklagten J nach Bestellung dieses Verteidigers und das Fehlen eines Vortrags eigener Bedenken gegen
die Ordnungsmäßigkeit seiner Bestellung durch den zur Prüfung standesrechtlich pflichtgemäßen Verhaltens primär berufenen Rechtsanwalt nicht unbeachtlich. Hier kommen jedoch weitere Fallbesonderheiten hinzu, welche der Annahme einer noch vertretbaren, daher nicht als rechtsfehlerhaft zu qualifizierenden Verteidigerbestellung jedenfalls entgegenstehen.
aa) Zum einen drängten sich Überlegungen über eine mögliche Interessenkollision nicht nur infolge der Verhältnisse zwischen den Beschuldigten vor dem Hintergrund ihrer unterschiedlichen Rollen bei Tatbegehung und in der Entwicklung der jeweils gegen sie geführten Strafverfahren auf. Darüber hinaus war die Person des Rechtsanwalts S – ohne daß dies etwa für sich dem Rechtsanwalt ohne weiteres zum Vorwurf gereichen müßte – hier schon zeitnah zur Tatbegehung im Gespräch: Nach den Urteilsfeststellungen benannte der Angeklagte J schon im Rahmen seiner Anstiftungshandlungen diesen Rechtsanwalt dem Haupttäter B als potentiellen späteren Verteidiger; J verband so mit der Person dieses Rechtsanwalts die Prognose eines verminderten Sanktionsrisikos, mit deren Benennung er Hemmungen des Haupttäters abzubauen suchte. Diese Urteilsfeststellung gründet auf der entsprechenden Zeugenaussage B s. Dieser hatte schon in seiner ersten polizeilichen Vernehmung Angaben über prozessuale Verhaltensmuster, seine Schuldfähigkeit betreffend, gemacht, die ihm der Angeklagte J – freilich nach der Tat, aber vor seiner Entdeckung und Verhaftung – nahegebracht habe, und hatte dabei auch Angaben zur Vermittlung und Bezahlung von Rechtsanwalt S als Verteidiger durch J gemacht.
Es liegt auf der Hand, daß schon die Angaben seines früheren Mandanten B im Ermittlungsverfahren gegen J , namentlich aber dessen spätestens in der Hauptverhandlung gemachte belastende Angabe, sein jetziger Mandant J habe sich im Rahmen seiner Anstiftungshandlungen in einer derartigen, für die Person des Verteidigers anrüchigen Weise geäußert, für Rechtsanwalt S die gebotene in jeder Beziehung unbefangene
Wahrnehmung seiner Verteidigeraufgaben gegenüber dem Angeklagten J nachhaltig zu erschweren geeignet war. Schon B s Aussage bei der Polizei zu diesem Themenkreis hätte mindestens eine kritische Nachfrage an Rechtsanwalt S , die erstrebte Verteidigung J s betreffend , veranlassen sollen. Jedenfalls nach B s entsprechender Zeugenaussage in der Hauptverhandlung war sie unbedingt geboten.
bb) Zu dieser herausgehobenen Sachnähe kam eine weitere maßgebliche Besonderheit hinzu. Ein Brief des Haupttäters B an seinen früheren Verteidiger Rechtsanwalt S war Gegenstand der Ermittlungsakten geworden. Es lag auf der Hand, daß dieses Schreiben wegen der deutlich vor B s Offenbarung gegenüber der Polizei geäußerten, zudem darin nachvollziehbar motivierten Erwägung einer solchen Offenbarung eine nicht unwesentliche indizielle Bedeutung für die Beurteilung der Zuverlässigkeit von B s Angaben gewinnen konnte – die ihm das Schwurgericht später tatsächlich auch zugemessen hat. Hinzu kam, daß im Inhalt dieses Schreibens eigene Erwägungen des Rechtsanwalts S über eine Tatbeteiligung des Angeklagten J behauptet wurden. Rechtsanwalt S wäre danach im Verfahren gegen den Angeklagten J sogar als Zeuge in Betracht gekommen, wobei er sich freilich naheliegend auf ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO, womöglich gar auf ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 Abs. 1 StPO, hätte berufen können.
Diese weitergehende Besonderheit begründete zusätzliche nachhaltige Bedenken dagegen, daß dieser Rechtsanwalt die Verteidigung des Angeklagten J in der gebotenen unabhängigen und distanzierten Weise werde führen können. Jedenfalls danach können seine Bestellung zum Pflichtverteidiger des Angeklagten J und die alleinige Wahrnehmung der Verteidigeraufgaben durch ihn in der gesamten Tatsacheninstanz ohne jede gerichtliche Hinterfragung – ungeachtet des entsprechenden Wunsches des Angeklagten J – nurmehr als verfahrensfehlerhaft bewertet werden. Hätte sich
Rechtsanwalt S bei der gegebenen Sachlage ungeachtet geäußerter und nicht etwa zu entkräftender gerichtlicher Bedenken gegen seine Mitwirkung dann als Wahlverteidiger des Angeklagten J gemeldet, hätte er zwar naheliegend nicht zurückgewiesen werden können. Dem Angeklagten J wäre jedoch gleichwohl aus den nämlichen Gründen, die der Beiordnung S s zum Pflichtverteidiger entgegenstanden, ein anderer Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger beizuordnen gewesen (vgl. Laufhütte aaO § 141 Rdn. 7).
3. Daß der rechtsfehlerhaft zum Verteidiger bestellte Rechtsanwalt S als einziger Verteidiger des Angeklagten J…. in diesem Fall notwendiger Verteidigung die danach angezeigte Verfahrensrüge wegen seiner eigenen verfahrensfehlerhaften Mitwirkung nicht erhoben hat, geht auf die verfahrensfehlerhafte Bestellung dieses Verteidigers zurück. Hierin liegt eine auf das Revisionsverfahren fortwirkende Vernachlässigung der dem Angeklagten J gegenüber bestehenden prozessualen Fürsorgepflicht. Deren Folgen sind ihm ungeachtet seines entsprechenden – freilich auf laienhafter Verkennung seiner eigenen Verteidigungsinteressen beruhenden – Wunsches nach Bestellung dieses Verteidigers nicht als verschuldet anzulasten.
Danach liegt ein Ausnahmefall vor, in welchem dem Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung einer Verfahrensrüge zu gewähren ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 44 Rdn. 7a m. w. N.). Den entsprechenden Antrag hat der zusätzlich bestellte Verteidiger innerhalb einer Woche (s. § 45 Abs. 1 StPO) nach Zustellung des Urteils und seiner Bestellung unter formgerechter Nachholung der versäumten Verfahrensrüge gestellt.
4. Ein absoluter Revisionsgrund nach § 338 Nr. 5 StPO ist nicht geltend gemacht (vgl. dagegen auch BGHR StPO § 338 Nr. 5 Verteidiger 1 und 5). Indes greift die Rüge wegen Verletzung des § 142 Abs. 1 Satz 3
StPO durch. Es läßt sich nicht ausschließen, daß der Schuldspruch zum Nachteil des Angeklagten J auf der verfahrensfehlerhaften Gestaltung seiner Verteidigungsverhältnisse beruht (§ 336 Satz 1 StPO). Ungeachtet der letztlich rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und trotz mangelnder konkreter Hinweise auf abweichende Sachaufklärungsmöglichkeiten ist nicht auszuschließen , daß ein anderer Verteidiger, dessen Mitwirkung geboten war, mit zulässigen prozessualen Mitteln auf abweichende, für den Angeklagten J günstigere Tatfeststellungen hätte hinwirken können.
Das Urteil ist daher, soweit es den Angeklagten J betrifft, auf die entsprechende Verfahrensrüge umfassend aufzuheben.
5. Der neue Tatrichter wird für den Fall einer erneuten Verurteilung des Angeklagten J jedenfalls nunmehr nicht mehr gehindert sein, unter Berücksichtigung sämtlicher nach Tatbegehung erfolgter rechtskräftiger Verurteilungen eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach den bei Tröndle /Fischer, StGB 51. Aufl. § 55 Rdn. 6, 8, 9, 11, 13, 19 genannten Grundsätzen vorzunehmen.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 4 8 9 / 1 3
vom
11. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Juni
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Richterin am Landgericht in der Verhandlung,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14. Juni 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge und eine Verfahrensbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat mit der Verfahrensrüge Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen der Strafkammer reiste der Angeklagte am 19. Januar 2013 zusammen mit dem gesondert verfolgten S. auf dem Luftweg aus Indien in die Bundesrepublik Deutschland ein. In dem für S. aufgegebenen Gepäck führten beide aufgrund eines gemeinsamen Tatplans insgesamt 25.152 Kapseln des als Betäubungsmittel geltenden Schmerzmittels Dextropropoxyphen mit. Hintergrund der Gepäckaufgabe unter dem Namen des gesondert verfolgten S. war die Tatsache, dass der Angeklagte bereits am 19. November 2011 im Besitz von Kapseln des Schmerzmittels Proxyphen mit dem Wirkstoff Dextropropoxyphen angetroffen worden war.

II.

3
Die Verfahrensrüge, das Landgericht habe zu Unrecht ein Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden der Strafkammer wegen Besorgnis der Befangenheit verworfen, ist begründet.
4
1. Dem liegt Folgendes zu Grunde:
5
a) Der Angeklagte hatte bei seiner ersten Vernehmung als Beschuldigter und bei der Ermittlungsrichterin im Vorverfahren seine Tatbeteiligung bestritten; der Einfuhr des Schmerzmittels im Gepäck des gesondert verfolgten S. habe kein gemeinsamer Tatplan zu Grunde gelegen. Der gesondert verfolgte S. hatte dagegen schon im Vorverfahren den Angeklagten als Täter bezeichnet ; dieser habe das Gepäck mit den Betäubungsmitteln für ihn aufgege- ben und gesagt, „es sei legal“.
6
b) Am 22. März 2013 fand eine Hauptverhandlung gegen den Angeklagten und den damals mitangeklagten S. statt. Dort gaben die im Vorverfahren gerichtlich bestellten Verteidiger, die in einer Bürogemeinschaft verbunden sind, Erklärungen zur Sache für ihre Mandanten ab, zu denen diese sich äußerten. Nach Einführung auch der früheren Einlassungen zur Sache in die Hauptverhandlung und weiteren Beweiserhebungen wurde diese unterbrochen. Nach erneutem Aufruf der Sache gab der Vorsitzende der Strafkammer bekannt, „dass eine Einigung darüber erzielt wurde, dass zum Tatvorwurf vom 19.11.2011 nach § 154 StPO verfahren werden soll. Im Übrigen wurde keine Vereinbarung getroffen.“ Es folgten die Schlussvorträge, wobei die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft und der Verteidiger des Mitangeklagten S. für diesen jeweils die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren bei Strafaussetzung zur Bewährung beantragten. Für den Angeklagten erstrebte die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von drei Jahren. Sein Verteidiger beantragte die Verhängung einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung; hilfsweise beantragte er für den Fall, dass das Gericht eine höhere Strafe erwäge, die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Bestimmung des Grenzwerts der nicht geringen Menge von Dextropropoxyphen. Den gleichen Hilfsantrag hatte auch die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft gestellt, für den Fall, „dass die Kammer zu einer Entscheidung über eine Freiheitsstrafe unter 3 Jahren kommen sollte“.
7
c) Das Landgericht verurteilte den Mitangeklagten S. wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Einfuhr zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten bei Strafaussetzung zur Bewährung. S. verzichtete sogleich auf Rechtsmittel gegen dieses Urteil, wurde aus der Untersuchungshaft entlassen, kehrte in seine Heimat zurück und stand für das weitere Verfahren nicht mehr zur Verfügung.
8
In den Gründen des Urteils gegen S. führte das Landgericht aus, dessen Aufgabe sei es gewesen, vorzutäuschen, dass er der eigentliche Transporteur der Betäubungsmittel sei, weil der Angeklagte bereits im Jahr 2011 bei einer Einfuhr von Proxyphen aufgefallen sei. Dies ergebe sich aus dem glaubhaften Geständnis des Mitangeklagten S. . Die Annahme, bei dem Betäubungsmittel habe es sich um eine nicht geringe Menge gehandelt, beschwere S. nicht. Zwar sei der Maßstab der nicht geringen Menge noch nicht bestimmt, jedoch sei auch bei äußerst großzügiger Bemessung der Zahl von Konsumeinheiten, die eine Risikodosis darstellten, von einem Überschreiten des Grenzwerts auszugehen. Diese Bewertung könne zwar „anfechtbar“ erscheinen und begünstige den Mitangeklagten „sehr weitgehend“. Jedoch ha- be die Strafkammer Bedenken hiergegen zurückgestellt, weil ohnehin mit einer Strafe für S. zu rechnen sei, „die absehbar mit einer Haftentlassung ver- bunden sein musste“. Bei der Strafbemessung berücksichtigte das Gericht, dass der Mitangeklagte „wahrscheinlich von dem Mitangeklagten K. ausgenutzt wurde“. „Der üblicherweise erschwerend zu berücksichtigende Ge- sichtspunkt, inwieweit die sogenannte nicht geringe Menge überschritten war, musste – wie ausgeführt – unberücksichtigt bleiben.“
9
Das Verfahren gegen den Beschwerdeführer wurde abgetrennt und die Hauptverhandlung ausgesetzt, um ein Sachverständigengutachten zu der bisher nicht geklärten Frage des Grenzwerts der nicht geringen Menge von Dextropropoxyphen und des Grades seiner Überschreitung im konkreten Fall einzuholen.
10
d) Unter dem 14. Mai 2013 meldete sich ein Wahlverteidiger für den Angeklagten bei Gericht, beantragte die Entpflichtung des bestellten Verteidigers und teilte mit, der Angeklagte wünsche, künftig nur noch von ihm vertreten zu werden. Der Vorsitzende der Strafkammer, der auch die erste Hauptverhandlung geleitet hatte, lehnte am 15. Mai 2013 die Entpflichtung ab, da zu befürchten sei, dass der Wahlverteidiger bei einer Entscheidung nach § 143 StPO das Wahlmandat alsbald wegen Mittellosigkeit des Angeklagten niederlegen werde.
11
Am 24. Mai 2013 beantragte der Wahlverteidiger erneut die Entpflichtung des bestellten Verteidigers, und begründete dies damit, es sei nicht ersichtlich , dass der Angeklagte mittellos sei; das Gegenteil sei der Fall. Er, der Wahlverteidiger, übernehme kein Mandat, um es alsbald zur Unzeit wieder niederzulegen. Die Entpflichtung des bestellten Verteidigers sei auch geboten, weil die Bestellung unter Verstoß gegen § 146 StPO erfolgt sei. Zudem liege ein Interessenkonflikt mit der Verteidigung des Mitangeklagten vor. Die Aufrechterhaltung der Pflichtverteidigerbestellung für den Angeklagten wirke sich als Behinderung der gewählten Verteidigung aus. Eine Bestellung zur Verfahrenssicherung sei nicht erforderlich.
12
Der Vorsitzende der Strafkammer lehnte die Entpflichtung erneut ab und half auch einer dagegen gerichteten Beschwerde nicht ab; das Oberlandesgericht Frankfurt am Main verwarf die Beschwerde gegen den Ablehnungsbeschluss. Es führte aus, zwar sei eine Verteidigerbestellung gemäß § 143 StPO grundsätzlich zurückzunehmen, wenn ein anderer Verteidiger beauftragt wurde. Dies gelte aber dann nicht, wenn ein unabweisbares Bedürfnis für die Aufrechterhaltung der Verteidigerbestellung bestehe, etwa wenn zu befürchten sei, dass der Wahlverteidiger das Mandat wegen Mittellosigkeit des Mandanten niederlegen werde. Dies habe der Vorsitzende ohne Ermessensfehler angenommen. Die mitgeteilten Einkünfte des Angeklagten seien so gering, dass er auf Dauer nicht in der Lage sein werde, das Verteidigerhonorar zu bezahlen. Dieser Einschätzung stehe nicht entgegen, dass der Wahlverteidiger mitgeteilt habe, sein Honorar sei bereits beglichen. Es sei nämlich nicht mitgeteilt worden , welche Gebühren im Einzelnen erfasst seien; auch sei nicht ersichtlich, dass für den Fall, dass weitere Verhandlungstage erforderlich werden sollten, deren Kosten vom Angeklagten übernommen werden könnten. Auch die Auswahl des bestellten Verteidigers sei nicht zu beanstanden. § 146 StPO stehe nicht entgegen, weil es allgemein als zulässig angesehen werde, wenn anwaltliche Sozien auch Mitbeschuldigte verteidigten. Anhaltspunkte für einen Interessenkonflikt seien nicht ersichtlich, weil das Verfahren gegen den früheren Mitangeklagten S. rechtskräftig abgeschlossen und dieser zur neuen Hauptverhandlung gegen den Beschwerdeführer auchnicht als Zeuge geladen sei.
13
e) Hierauf lehnte der Angeklagte mit Schreiben seines Wahlverteidigers den Vorsitzenden der Strafkammer wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Diese ergebe sich aus dem Gang der Hauptverhandlung vom 22. März 2013 sowie aus dem gegen den Mitangeklagten ergangenen Urteil. Der Angeklagte bestreite die Beteiligung an der Tat. Dies sei bereits aus seiner Einlassung beim Zoll und bei der Ermittlungsrichterin ersichtlich geworden. In der ersten Hauptver- handlung habe nicht er selbst, sondern sein bestellter Verteidiger eine Erklärung zur Sache abgegeben. Diese sei zwar nicht dokumentiert, Einzelheiten "müssten aber, da der Angeklagte den Tatvorwurf weiterhin bestreitet, im Wesentlichen inhaltsidentisch gewesen sein." Gleichwohl habe der bestellte Verteidiger seine Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe beantragt. In den Gründen des sodann nur gegen S. ergangenen Urteils sei die geringere Tatbeteiligung des Mitangeklagten S. und seine eigene Haupttäterschaft festgestellt worden. S. stehe zudem nach seiner gesonderten Aburteilung für eine neue Hauptverhandlung nicht mehr als Zeuge zur Verfügung, was zurzeit des Urteils absehbar gewesen sei. Vor diesem Hintergrund befürchte er, dass er ungeachtet seines Bestreitens aus der Sicht des abgelehnten Richters bereits als schuldig angesehen werde. Nach den Gesamtumständen sei schließlich anzunehmen, dass eine informelle Absprache zwischen seinem bestellten Verteidiger , dem Gericht und der Staatsanwaltschaft vorgelegen habe, wonach nur noch über die Strafe verhandelt werden müsse.
14
Ferner werde die Besorgnis der Befangenheit daraus hergeleitet, dass die Entpflichtung des bestellten Verteidigers abgelehnt worden sei, obwohl kein Grund für eine Abweichung von § 143 StPO vorliege und die Entpflichtung wegen einer Interessenkollision angezeigt gewesen sei. Der abgelehnte Vorsitzende unternehme alles, um die gewählte Verteidigung zu behindern und um der zu erwartenden Verurteilung des Angeklagten durch Aufrechterhaltung der Bestellung eines dem Gericht genehmen Verteidigers eine scheinbare Legitimation zu verschaffen.
15
f) Der abgelehnte Vorsitzende bestätigte in seiner dienstlichen Erklärung, dass der äußere Ablauf zutreffend bezeichnet worden sei; jedoch sei die daran anknüpfende Folgerung nicht zutreffend.
16
g) Das Landgericht wies das Ablehnungsgesuch als unbegründet zurück. Die Behauptung einer informellen Absprache beruhe auf einer unbelegten Mutmaßung; aus dem Protokoll der Hauptverhandlung folge, dass es keine Vereinbarungen gegeben habe. Das Urteil gegen den Mitangeklagten sei nur auf dessen Geständnis gestützt, dem aber die Angaben des Angeklagten nicht gegenübergestellt worden seien. Eine weitere Inhaftierung des Mitangeklagten S. , nur um seine Verfügbarkeit für die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten zu sichern, sei ausgeschlossen gewesen; die Verfahrensabtrennung sei erfolgt, weil ein Sachverständigengutachten einzuholen gewesen sei. Die Zurückweisung der Anträge auf Entpflichtung des gerichtlich bestellten Verteidigers sei ohne Ermessensfehler erfolgt. Es liege auch keine unzulässige Behinderung der Verteidigung vor.
17
h) Mit der Revision rügt der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf seine Ablehnungsbegründung, die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs sei zu Unrecht erfolgt. Aus dem Protokollvermerk vom 22. März 2013 folge, dass jedenfalls eine „Einigung“ über die Teileinstellung des Verfahrens gegen ihn gemäß § 154 Abs. 2 StPO nach Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung erfolgt sei. Diese „Einigung“ mit dem bestellten Verteidiger sei nur damit zu erklären , dass das Gericht und der bestellte Verteidiger nicht von der Möglichkeit eines Freispruchs ausgegangen seien. Die Festlegung des abgelehnten Vorsitzenden ergebe sich aber auch aus der einseitigen Begünstigung des Mitangeklagten , der zu einer Freiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt und aus der Untersuchungshaft entlassen worden sei, so dass er in absehbarer Weise als Zeuge für die nächste Hauptverhandlung nicht mehr erreichbar gewesen sei. Hinzu komme die Zurückweisung der Anträge auf Entpflichtung des bestellten Verteidigers trotz Vorliegens einer Interessenkollision.
18
2. Der Angeklagte macht zutreffend geltend, die Richterablehnung sei mit Unrecht verworfen worden (§§ 24 Abs. 2, 338 Nr. 3 StPO).
19
a) Die Rüge ist im Sinne von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zulässig. Soweit der Generalbundesanwalt dies damit in Frage gestellt hat, dass von der Revisi- onsbegründung nicht alle Prozesserklärungen im Originalwortlaut mitgeteilt wurden, greift sein Bedenken nicht durch.
20
Der am 14. Mai 2013 per Telefax und am 16. Mai 2013 per Post beim Landgericht eingegangene Schriftsatz enthielt den ersten Entpflichtungsantrag des Wahlverteidigers, der allein auf die Mitteilung gestützt war, dass der Beschwerdeführer die alleinige Verteidigung durch ihn wünsche. Die Ablehnung dieses Antrags wurde nur damit begründet, dass „zu befürchten ist, dass der Wahlverteidiger bei einer Entscheidung nach § 143 StPO das Mandat alsbald wegen Mittellosigkeit des Angeklagten wieder niederlegen wird“. Diese Gründe für den Antrag und dessen Ablehnung hat die Revisionsbegründung inhaltlich vollständig mitgeteilt.
21
Der erneute Entpflichtungsantrag vom 24. Mai 2013 mit seiner näheren Begründung ist vom Beschwerdeführer in Kopie vorgelegt worden. Die hierauf erneut erfolgte Ablehnung der Entpflichtung des bestellten Verteidigers durch den Vorsitzenden vom 1. Mai 2013 enthielt keine eigenständige Begründung, die Beschwerde hiergegen nahm auf die Begründung des von der Revision mitgeteilten Entpflichtungsantrags Bezug, die Nichtabhilfeentscheidung des Vorsitzenden vom 6. Juni 2013 verwies auf die bisherigen Gegengründe. Die Mitteilung des Originalwortlauts aller Eingaben und Entscheidungen hätte keinen weiteren Informationsgehalt gehabt.
22
Die Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgericht ist in Kopie vorgelegt worden, ebenso das Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden der Strafkammer, dessen dienstliche Erklärung und die hierzu ergangene Entscheidung der Strafkammer. Die Einlassungen des Beschwerdeführers und des Mitangeklagten S. bei der Ermittlungsrichterin hat er durch wörtliche Zitate in der Revisionsbegründung wiedergegeben.
23
Danach ist das Revisionsvorbringen ausreichend. Es ist nicht zu beanstanden , dass der Beschwerdeführer auch solche Eingaben und Entscheidungen , die keine weiter gehenden Argumente enthielten, der Rügebegründung nicht in Kopie beigefügt oder in sonstiger Weise mit dem Originalwortlaut mitgeteilt hat. Den Anforderungen gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ist Genüge getan , wenn das maßgebliche Prozessgeschehen inhaltlich vollständig und zutreffend vorgetragen wird. Der Beweis der Richtigkeit des Revisionsvorbringens ist nicht Teil der Prüfung der Zulässigkeit der Revisionsrüge, sondern der Begründetheit.
24
b) Die Rüge ist begründet. Das Ablehnungsgesuch ist mit Unrecht verworfen worden.
25
aa) Die Besorgnis der Befangenheit ist aufgrund der Art und Weise der Vorbefassung des abgelehnten Vorsitzenden mit der Sache gerechtfertigt. Eine solche Besorgnis ist zwar nicht generell begründet, wenn ein Richter im Rahmen einer früheren Entscheidung mit der Sache befasst war. Das Gesetz hätte andernfalls eine Ausschließung eines solchen Richters von der weiteren Mitwirkung am Verfahren anordnen können (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1967 – 4StR 512/66, BGHSt 21, 334, 342 f.). Die Ablehnung eines mit der Sache schon früher befassten Richters ist jedoch gerechtfertigt, wenn konkrete Umstände vorliegen, die der Vermutung seiner Unvoreingenommenheit widersprechen (vgl. BGH, aaO, BGHSt 21, 334, 343; Urteil vom 30. Juni 2010 – 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44, 46; Beschluss vom 10. Januar 2012 – 3 StR 400/11, NStZ 2012, 519, 520). Das ist hier der Fall.
26
Die Frage des Grenzwerts der nicht geringen Menge des Schmerzmittels und des Grades seiner Überschreitung betraf beide Angeklagte gleichermaßen. Die Abtrennung des Verfahrens gegen den Beschwerdeführer, um nur ihm gegenüber eine Klärung dieser Frage mit Hilfe eines Sachverständigen herbeizuführen , erscheint kaum verständlich. Die gleichzeitige Entlassung des Mitange- klagten S. aus dem Verfahren in einer Weise, die ihn – vorhersehbar – als Auskunftsperson im fortgesetzten Verfahren gegen den Beschwerdeführer ausschloss, durfte nicht ohne weiteres zum Nachteil des Angeklagten erfolgen. Die Doppelwirkung einer solchen Maßnahme im Verfahren gegen Mitangeklagte mit gegenläufigen Verteidigungszielen (vgl. Dehne-Niemann HRRS 2010, 189, 191 f.), die sich im Ergebnis zum prozessualen Nachteil des Beschwerdeführers ausgewirkt hat, wurde nicht erkennbar berücksichtigt. Die Strafkammer unter Vorsitz des abgelehnten Richters hat das Unterlassen der Beweiserhebung im Verfahren gegen den Mitangeklagten S. nur damit begründet, dies beschwere S. nicht. Dabei war aber die Klärung der Tatsachenfrage, die für die Strafzumessung auch nach den Urteilsgründen „üblicherweise“ relevant ist, bei der Sachaufklärung für und gegen beide Mitangeklagten von Bedeutung. Das einseitige Unterlassung der Sachaufklärung gegenüber dem Mitangeklagten S. beeinträchtigte umgekehrt die prozessuale Rechtsposition des Beschwerdeführers.
27
Wenn absehbar ist, dass eine Auskunftsperson im weiteren Verfahren als Zeuge benötigt wird, hat das Gericht im Allgemeinen dafür Sorge zu tragen, dass eine Vernehmung dieser Person in der Hauptverhandlung möglichbleibt (vgl. EGMR, Urteil vom 19. Juli 2012 – Nr. 26171/07, NJW 2013, 3225, 3226; Urteil vom 17. April 2014 – Nr. 9154/10 Rn. 68). Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK erfasst auch Aussagen von Mitangeklagten (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 – 4 StR 461/08, StV 2010, 57; Beschluss vom 15. Juni 2010 - 3 StR 157/10, StV 2010, 673), so dass es auf die Prozessrolle der Auskunftsperson im Sinne der Strafprozessordnung nicht ankommt. Daher waren bei der Verfahrensabtrennung auch Maßnahmen zu erwägen, die eine konfrontative Befragung des vormaligen Mitangeklagten und jetzigen Zeugen S. durch den Beschwerdeführer oder seinen Verteidiger in der neuen Hauptverhandlung ermöglichen konnten. Überlegungen des Gerichts in diese Richtung sind nicht ersichtlich.
28
Im Sinne eines Besorgnisgrundes gemäß § 24 Abs. 2 StPO erscheint es problematisch, dass der Mitangeklagte S. nach einem ihn in - selbst nach Meinung des Landgerichts - anfechtbarer Weise begünstigenden Urteil ohne weitere Sachaufklärung mit der absehbaren Folge entlassen wurde, dass das Konfrontationsrecht des Beschwerdeführers in der neuen Hauptverhandlung nicht mehr wahrgenommen werden konnte.
29
All dies sind besondere Umstände, welche die Vorbefassung des abgelehnten Vorsitzenden mit der Sache hier zu einem berechtigten Grund für die Besorgnis der Befangenheit erstarken lassen.
30
bb) Auch die wiederholte Zurückweisung des vom Wahlverteidiger gestellten Antrags auf Entpflichtung des gerichtlich bestellten Verteidigers lässt besorgen, dass der abgelehnte Richter dem Beschwerdeführer nicht unvoreingenommen gegenübergestanden hat.
31
(1) Für die Aufrechterhaltung der gerichtlichen Verteidigerbestellung nach Anzeige eines Wahlmandats entgegen § 143 StPO war kein Raum. Nach dieser Vorschrift ist die Bestellung zurückzunehmen, wenn ein anderer Verteidiger gewählt wird und dieser die Wahl annimmt. Eine Verteidigerbestellung kann - als ungeschriebene Ausnahme von der gesetzlichen Regel - nur aufrecht erhalten werden, wenn konkrete Gründe für die Annahme vorhanden sind, andernfalls sei die ordnungsgemäße Durchführung der Hauptverhandlung gefährdet (vgl. LR/Lüderssen/Jahn, StPO, 26. Aufl., § 141 Rn. 39 ff.; MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 143 Rn. 2; SK/Wohlers, StPO, 4. Aufl., § 143 Rn. 6). Mit Blick auf die Erklärung des gewählten Verteidigers, er werde an der Hauptverhandlung teilnehmen, bestand kein Grund zu der Annahme, er werde für die nach der Terminplanung nur eintägige Hauptverhandlung nicht zur Verfügung stehen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 24. Januar 2000 – 3 Ws 31/00, StV 2001, 610 f.).
32
(2) Zudem begegnet die Aufrechterhaltung der Bestellung eines Verteidigers aus derselben Bürogemeinschaft wie der Verteidiger des Mitangeklagten jedenfalls nach den Hinweisen auf einen Interessenkonflikt durchgreifenden Bedenken.
33
Ein konkret manifestierter Interessenkonflikt ist - unabhängig vom Fall des § 143 StPO - ein Grund, von der Verteidigerbestellung abzusehen oder eine bereits bestehende Bestellung aufzuheben, weil dadurch die mindere Effektivität des Einsatzes dieses Verteidigers für seinen Mandanten zu befürchten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2003 – 5 StR 251/02, BGHSt 48, 170, 173; OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Januar 1999 – 3 Ws 53, 54/99, StV 1999, 199, 200; OLG Hamm, Beschluss vom 1. Juni 2004 – 2 Ws 156/04, StV 2004, 641 f.; KK/Laufhütte/Willnow, StPO, 7. Aufl., § 142 Rn. 7). Das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten, ist geeignet und erforderlich, im Interesse von Mandanten und Rechtspflege die mit dem Gesetz bezweckten Ziele zu erreichen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Juli 2003 – 1 BvR 238/01, BVerfGE 108, 150, 167).
34
Zwar ist eine Verteidigerbestellung von Anwälten aus derselben Kanzlei für Mitbeschuldigte nicht generell unzulässig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Oktober 1976 – 2 BvR 23/76, BVerfGE 43, 79, 93 f.; OLG Rostock, Beschluss vom 17. März 2003 – 1 Ws 64/03, StV 2003, 373, 374). Eine gemeinschaftliche Verteidigung kann bei gleichartigem Verteidigungsziel auch sachdienlich sein (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. August 2002 – 1 Ws 318/02, JR 2003, 346 ff. mit Anm. Beulke). Liegen aber konkrete Hinweise auf einen Interessenkonflikt vor, hat eine Verteidigerbestellung von Sozien oder Mitgliedern einer Bürogemeinschaft für die Beschuldigten aus Gründen der Fairness des Verfahrens zu unterbleiben; eine bereits erfolgte Bestellung ist in diesem Fall aufzuheben (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 5. September 2000 – 5 Ws 31/00, StV 2000, 656, 658).
35
Ob ein solcher Interessenkonflikt vorliegt, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu prüfen und objektiv zu bestimmen (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2012 – AnwZ [Brfg] 35/11, NJW 2012, 3039, 3040). Das Verteidigungsziel der Mitangeklagten, die sich im Vorverfahren der Allein- oder Haupttäterschaft des jeweils anderen bezichtigten, war aus deren Einlassungen gegenüber der Zollbehörde und der Ermittlungsrichterin zu erkennen. Diese lagen auch der Anklageschrift vom 23. Januar 2013 zu Grunde, wonach der Beschwerdeführer die Tat vom 19. November 2011 eingeräumt, diejenige vom 19. Januar 2013 aber bestritten und auf den Mitangeklagten S. als Alleintäter verwiesen hatte, während S. den Beschwerdeführer als Haupttäter bezeichnet hatte. Aus dieser Beweislage ergab sich schon zurzeit der Verteidigerbestellung ein konkreter Interessenwiderstreit (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2008 – 5 StR 109/07, BGHSt 52, 307, 311), der im Verlauf des Verfahrens nicht entfallen ist.
36
Die Folge eines derartigen Interessenwiderstreits sind berufsrechtliche Hindernisse für die Wahrnehmung der Verteidigermandate durch Mitglieder einer Sozietät oder Bürogemeinschaft im Sinne von § 43a Abs. 4 BRAO, § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BORA n.F. Das berufsrechtliche Vertretungsverbot ist zwar nicht mit der strafprozessrechtlichen Bewertung aufgrund von § 143 und § 146 StPO identisch; jedoch kommt der - mit Wirkung vom 1. Juni 2006 neugefassten und verfassungskonformen (BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2006 – 1 BvR 594/06, NJW 2006, 2469) - Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 BORA eine Orientierungswirkung zu (so zur früheren Fassung BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 1997 – 2 BvQ 32/97, StV 1998, 356, 357). Danach ist auch für das Gericht bei der Verteidigerbestellung ein Mandat für Rechtsanwälte aus einer Bürogemeinschaft zu vermeiden, wenn ein konkreter Interessenkonflikt besteht oder abzusehen ist. Gewählte Verteidiger haben in diesem Fall nach der zwingenden Regel des § 3 Abs. 4 BORA das Mandat niederzulegen. Dieselbe Interessenlage gebietet, gerichtliche Beiordnungs- oder Bestellungsakte zu unter- lassen oder aufzuheben. Hinsichtlich der Interessenlage besteht kein Unterschied zwischen bestellten und gewählten Verteidigern (vgl. OLG Stuttgart aaO). Es wäre widersprüchlich und überdies grob unbillig anzunehmen, die Regelungen der StPO zwängen Strafverteidiger dazu, Pflichtmandate zu über- nehmen oder aufrechtzuerhalten, deren „unverzügliche“ Niederlegung aus Gründen des Mandantenschutzes ihnen das Berufsrecht im Fall der Wahlverteidigung gebietet.
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Bedenken gegen dieAufrechterhaltung der Verteidigerbestellung wegen des Interessenkonflikts, die der Wahlverteidiger gegenüber dem abgelehnten Vorsitzenden ausdrücklich angesprochen hatte, wären bei der Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Verteidigerbestellung zu berücksichtigen gewesen. Der Vorsitzende ist in seinen ablehnenden Entscheidungen hierauf aber nicht eingegangen, obwohl es sich aufdrängen musste. Auch hieraus konnte die Besorgnis seiner Befangenheit hergeleitet werden. Denn das – mit überdies schwer nachvollziehbaren Gründen – fortgesetzte Beharren des Vorsitzenden auf der Beiordnung des Pflichtverteidigers trotz nicht nur erkennbaren, sondern auch tatsächlich erkannten Interessenkonflikts mit der Verteidigung des früheren Mitangeklagten S. konnte bei dem Angeklagten den Eindruck nahelegen , der abgelehnte Richter stehe seinen berechtigten Interessen nicht oder jedenfalls nicht mehr mit der gebotenen Neutralität gegenüber, sondern wolle ein bereits feststehendes „Programm“ der Gesamterledigung beider Verfahren zu seinem Nachteil verwirklichen.
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(3) Die Annahme des Landgerichts, der Interessenkonflikt sei durch rechtskräftige Aburteilung des Mitangeklagten und dessen Ausscheiden als Mitangeklagter aus dem Verfahren beendet, ist unzutreffend. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 356 StGB kommt es für die Frage eines Interessenkonflikts nicht auf die Mandatsbeendigung an (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1986 – 1 StR 519/86, BGHSt 34, 190, 191; Beschluss vom 15. Januar 2003 – 5 StR 251/02, BGHSt 48, 170, 172). Auch berufsrechtlich folgt aus § 3 Abs. 1 BORA, dass ein Vertretungsverbot bei widerstreitenden Mandaten anzunehmen ist, wenn der Rechtsanwalt einen anderen Mandanten beraten oder vertreten hat; § 3 Abs. 2 Satz 1 BORA erstreckt dieses Verbot auf Sozien und Mitglieder einer Bürogemeinschaft. Auch die faktische Interessenlage , die bei der Entscheidung nach § 143 StPO im Vordergrund steht, wird durch Beendigung eines Mandats nicht grundlegend verändert. Die kollegiale Verbundenheit der Rechtsanwälte und ihre Möglichkeit zur Nutzung gemeinsamer Mittel bleiben bestehen. Auch insoweit gilt es, einem Anschein mangelnder Neutralität entgegenzuwirken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2006 – 1 BvR 594/06, NJW 2006, 2469, 2470). Fischer Krehl Eschelbach Ott Zeng

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu. Den zur Ablehnung Berechtigten sind auf Verlangen die zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.