Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 11. Dez. 2013 - 1 W 41/13

bei uns veröffentlicht am11.12.2013

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Magdeburg vom 30. September 2013 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Antragsgegner ist Zahnarzt und übernahm die komplette prothetische Versorgung von Ober- und Unterkiefer der Antragstellerin. Da die Antragstellerin Probleme mit ihrem Zahnersatz hat, vermutet sie eine fehlerhafte zahnärztliche Behandlung, zumal die Prothese nicht dem Heil- und Kostenplan des Antragsgegners entspräche. Soweit die sachverständig beratene Krankenversicherung von einer ordnungsgemäßen Versorgung der Antragstellerin ausgeht, ist die Patientin anderer Meinung.

2

Sie betreibt deshalb im selbständigen Beweisverfahren die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen. Mit Beschluss vom 30. 9. 2013 hat das Landgericht Magdeburg unter Ablehnung weiterer Beweisfragen ohne Beiziehung von Behandlungsunterlagen das Einholen eines Sachverständigengutachtens angeordnet, um zu klären, ob die Antragstellerin entsprechend den Regeln der zahnärztlichen Kunst prothetisch versorgt sei und wenn nein, mit welchem Aufwand dieses Ergebnis erzielt werde.

3

Gegen diese, ihrem Bevollmächtigten am 14.10.2013 zugestellte Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit der am 23. 10.2013 beim Landgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, der die Kammer am 18.11.2013 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat.

II.

4

Die nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde (§ 569 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 2 ZPO) hat in der Sache keinen Erfolg. Die Beweisanordnung des Landgerichts entspricht den gesetzlichen Vorgaben. Mehr kann in dem von der Antragstellerin eingeleiteten Verfahren nicht festgestellt werden (§§ 490 Abs. 2 Satz 1, 485 Abs. 2 Satz 1, 487 Nrn. 2 u. 3 ZPO).

5

Der Antrag ist nach § 485 Abs. 2 ZPO zulässig. Für die Besorgnis des Verlustes oder der erschwerten Benutzung eines Beweismittels ist nichts glaubhaft gemacht (§§ 485 Abs. 1, 487 Nr. 4 ZPO). Auch in Arzthaftpflichtfällen ist die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen zur Vermeidung eines Rechtsstreits möglich (BGH, Beschluss vom 24.9.2013, VI ZB 12/13 - BeckRS 2013, 17808; NJW 2003, 1741, 1742; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.1.2010, 1 W 71/09 - BeckRS 2010, 02649; OLG Koblenz NJOZ 2002, 561, 562; Senat, Beschluss vom 9.2.2001, 1 W 25/00 - zitiert in juris; OLG Stuttgart NJW 1999, 874, 875; Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 485 Rdn. 9). Es lässt sich feststellen, ob ein Behandlungsfehler vorliegt, insbesondere ob eine fehlerhafte prothetische Versorgung auf eine standardwidrige Behandlung zurückzuführen ist (BGH a.a.O.; OLG Köln VersR 2003, 375; OLG Karlsruhe VersR 2003, 374; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 485 Rdn. 24).

6

Die ausschließlich möglichen Gegenstände der sachverständigen Feststellungen ergeben sich aus § 485 Abs. 2 Satz 1 ZPO (Zöller/Herget, § 485 Rdn. 9). Beweis lässt sich über den Zustand der Antragstellerin und ihrer prothetischen Versorgung (Nr. 1), die Ursachen eines insoweit festzustellenden Mangels oder Schadens (Nr. 2) und den Beseitigungsaufwand (Nr. 3) erheben (Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., Rdn. B523; Wenzel, Der Arzthaftungsprozess, Kap. 2 Rdn. 3528, 3537). Das hat das Landgericht zutreffend gesehen und dementsprechend die dahingehenden Beweisfragen nach § 490 Abs. 2 Satz 1 ZPO formuliert. Ob die Fragen 6, 9 und 10 der Antragsschrift deshalb unberücksichtigt bleiben durften, weil sie auf eine Ausforschung gerichtet sind, wie das Landgericht im Nichtabhilfe- und Vorlagebeschluss vertreten hat (vgl. hierzu bspw. OLG Oldenburg r + s 2008, 492; KG NJW-RR 20000, 468, 469; OLG Jena OLG-NL 1998, 118, 119; OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1995, 831), kann offen bleiben. Zumindest betreffen sie mit dem Heil- und Kostenplan, dem Verlauf des tatsächlichen Behandlungsgeschehens und dessen Vergleich mit der vom Antragsgegner der Krankenversicherung gegenüber abgegebenen Schilderung seiner Tätigkeit Gegenstände, die im selbständigen Beweisverfahren keiner Begutachtung durch einen Sachverständigen zugänglich sind (OLG Köln, Beschluss vom 23.4.2004, 5 W 51/04 - zitiert in juris).

7

Das Landgericht hat es im Übrigen auch zutreffend abgelehnt, sich die Behandlungsunterlagen vorlegen zu lassen. Eine derartige Anordnung entbehrt im selbständigen Beweisverfahren einer gesetzlichen Grundlage. Für die analoge Anwendung von § 142 ZPO oder § 422 ZPO (dafür Martis/Winkhart Rdn. B522 m.w.N.) fehlt es an einer planwidrigen Lücke. Der Urkundenbeweis ist im selbständigen Beweisverfahren ausdrücklich nicht vorgesehen.

III.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

9

Anlass, nach § 574 Abs. 1 Satz Nr. 2, Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 ZPO die Rechtsbeschwerde zuzulassen, sieht der Senat nicht.


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Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 11. Dez. 2013 - 1 W 41/13 zitiert 9 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 567 Sofortige Beschwerde; Anschlussbeschwerde


(1) Die sofortige Beschwerde findet statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde E

Zivilprozessordnung - ZPO | § 569 Frist und Form


(1) Die sofortige Beschwerde ist, soweit keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht einzulegen. Die Notfrist beginnt, soweit nichts ande

Zivilprozessordnung - ZPO | § 142 Anordnung der Urkundenvorlegung


(1) Das Gericht kann anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegt. Das Gericht kann hierfür eine Frist setzen sowie anordnen,

Zivilprozessordnung - ZPO | § 485 Zulässigkeit


(1) Während oder außerhalb eines Streitverfahrens kann auf Antrag einer Partei die Einnahme des Augenscheins, die Vernehmung von Zeugen oder die Begutachtung durch einen Sachverständigen angeordnet werden, wenn der Gegner zustimmt oder zu besorgen is

Zivilprozessordnung - ZPO | § 422 Vorlegungspflicht des Gegners nach bürgerlichem Recht


Der Gegner ist zur Vorlegung der Urkunde verpflichtet, wenn der Beweisführer nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Herausgabe oder die Vorlegung der Urkunde verlangen kann.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 490 Entscheidung über den Antrag


(1) Über den Antrag entscheidet das Gericht durch Beschluss. (2) In dem Beschluss, durch welchen dem Antrag stattgegeben wird, sind die Tatsachen, über die der Beweis zu erheben ist, und die Beweismittel unter Benennung der zu vernehmenden Zeugen

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Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Sept. 2013 - VI ZB 12/13

bei uns veröffentlicht am 24.09.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 12/13 vom 24. September 2013 in dem selbständigen Beweisverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja ZPO § 485 Abs. 2 Ein rechtliches Interesse an einer vorprozessualen Klärung der haftungsr

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(1) Die sofortige Beschwerde findet statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist.

(2) Gegen Entscheidungen über Kosten ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(3) Der Beschwerdegegner kann sich der Beschwerde anschließen, selbst wenn er auf die Beschwerde verzichtet hat oder die Beschwerdefrist verstrichen ist. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Beschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die sofortige Beschwerde ist, soweit keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht einzulegen. Die Notfrist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Beschlusses. Liegen die Erfordernisse der Nichtigkeits- oder der Restitutionsklage vor, so kann die Beschwerde auch nach Ablauf der Notfrist innerhalb der für diese Klagen geltenden Notfristen erhoben werden.

(2) Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift eingelegt. Die Beschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt werde.

(3) Die Beschwerde kann auch durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden, wenn

1.
der Rechtsstreit im ersten Rechtszug nicht als Anwaltsprozess zu führen ist oder war,
2.
die Beschwerde die Prozesskostenhilfe betrifft oder
3.
sie von einem Zeugen, Sachverständigen oder Dritten im Sinne der §§ 142, 144 erhoben wird.

(1) Während oder außerhalb eines Streitverfahrens kann auf Antrag einer Partei die Einnahme des Augenscheins, die Vernehmung von Zeugen oder die Begutachtung durch einen Sachverständigen angeordnet werden, wenn der Gegner zustimmt oder zu besorgen ist, dass das Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird.

(2) Ist ein Rechtsstreit noch nicht anhängig, kann eine Partei die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, dass

1.
der Zustand einer Person oder der Zustand oder Wert einer Sache,
2.
die Ursache eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels,
3.
der Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels
festgestellt wird. Ein rechtliches Interesse ist anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann.

(3) Soweit eine Begutachtung bereits gerichtlich angeordnet worden ist, findet eine neue Begutachtung nur statt, wenn die Voraussetzungen des § 412 erfüllt sind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 12/13
vom
24. September 2013
in dem selbständigen Beweisverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Ein rechtliches Interesse an einer vorprozessualen Klärung der haftungsrechtlich
maßgeblichen Gründe für einen Gesundheitsschaden durch einen Sachverständigen
kann im selbständigen Beweisverfahren auch dann gegeben sein, wenn zwar die
Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann, jedoch für eine abschließende
Klärung weitere Aufklärungen erforderlich erscheinen.
BGH, Beschluss vom 24. September 2013 - VI ZB 12/13 - OLG Dresden
LG Dresden
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. September 2013 durch
den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Zoll, die Richterin Diederichsen
und die Richter Pauge und Stöhr

beschlossen:
Auf die Rechtsmittel des Antragstellers werden die Beschlüsse des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 18. März 2013 und der 6. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 1. November 2012 aufgehoben. Es ist nach Maßgabe der Antragsschrift vom 6. Juli 2012 Beweis zu erheben. Die weiteren erforderlichen Anordnungen und Maßnahmen werden dem Landgericht übertragen. Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 20.000 € festgesetzt.

Gründe:

1
Der Antragsteller begehrt im selbständigen Beweisverfahren die Begutachtung einer am 25. November 2009 im Klinikum der Antragsgegnerin gelegten PEG-Sonde und deren anschließender Belassung bis zum 15. Dezember 2009. Der Antragsteller hielt sich vom 20. November bis 15. Dezember 2009 in der Einrichtung der Antragsgegnerin zur stationären Behandlung nach einer Herzoperation und Rehabilitation auf. Nachdem er anfänglich mittels einer durch die Nase geführten Sonde ernährt und künstlich beatmet worden war, wurde ihm am 25. November 2009 eine PEG-Sonde gelegt. Nach stetiger Verschlechterung seines Zustandes wurde er am 16. Dezember 2009 in einer Klinik für Anästhesie und Intensivtherapie notoperiert. Aus dem Operationsbericht ergibt sich, dass es infolge der PEG-Sonde zu einer Magenperforation gekommen war. Nach Durchführung des Schlichtungsverfahrens vor der zuständigen Landesärztekammer beantragte der Antragsteller im selbständigen Beweisverfahren ein schriftliches Sachverständigengutachten zur Klärung folgender Fragen einzuholen,
2
1. ob die am 25.11.2009 von der Antragsgegnerin durch ihre Mitarbeiter vorgenommene Verlegung einer PEG-Sonde in den Körper des Antragstellers medizinisch indiziert war oder nicht, insbesondere ob Kontraindikationen beim Antragsteller vorlagen,
3
2. ob die zu 1. erwähnte Verlegung der PEG-Sonde objektiv fehlerhaft erfolgte ,
4
bejahendenfalls:
5
worin der oder die Fehler bestanden,
6
3. ob eine zu Ziffer 2 festgestellte etwaige Fehlerhaftigkeit der Sondenverlegung durch einen Behandlungsfehler der Antragsgegnerin verursacht worden ist,
7
hilfsweise für den Fall fehlender Aufklärbarkeit:
8
ob die Verlegung einer PEG-Sonde zur Ernährung dergestalt, dass - wie dies beim Antragsteller geschehen ist - große Mengen Sondennahrung frei in den Bauchraum gelangen, ohne das Walten eines oder mehrerer Behandlungsfehler überhaupt möglich oder denkbar ist,
9
4. ob das Verstreichen eines Zeitraums vom 25.11.2009 bis zum 25.12.2009, in dem die PEG-Sonde im Bauchraum des Antragstellers lag anstatt im Magen, ohne dass dies von der Antragsgegnerin festgestellt worden wäre, die Folge von Behandlungsfehlern ist, ob also eine unzureichende Verlaufsbeobachtung erfolgt ist,
10
bejahendenfalls,
11
wann der Sachverhalt hätte festgestellt werden müssen,
12
5. ob zu Ziffer 2 oder 4 festgestellte etwaige Behandlungsfehler in einer Art und Weise gegen ärztliche Behandlungsregeln verstoßen haben und mit Fehlern verbunden waren, die aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheinen und dem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen dürfen.
13
Die Antragsgegnerin ist der Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens entgegengetreten und hat angekündigt, unabhängig von dessen Ausgang einen Behandlungsfehlervorwurf in keinem Fall anerkennen zu wollen.
14
Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Der sofortigen Beschwerde des Antragstellers hat es nicht abgeholfen. Das Oberlandesgericht hat sie zurückgewiesen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.

II.

15
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.
16
1. Das Oberlandesgericht hat übereinstimmend mit dem Landgericht die Durchführung einer Beweisaufnahme nach § 485 Abs. 2 ZPO abgelehnt, weil ein rechtliches Interesse an der beantragten Begutachtung nicht hinreichend dargelegt sei. Die vom Antragsteller formulierten Beweisfragen zielten weder auf die Feststellung seines Gesundheitszustandes (§ 485 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) noch auf die Ursache eines Personenschadens (§ 485 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO), sondern auf die Feststellung der Verantwortlichkeit für die während des Aufenthalts im Klinikum der Antragsgegnerin beim Antragsteller eingetretene Magenperforation und damit auf die Feststellung eines Behandlungsfehlers ab. Ob die Ursache durch einen Fehler der behandelnden Ärzte gesetzt wurde oder diese anders hätten handeln müssen, sei als Wertung zum Verschulden von der Ursächlichkeit zu trennen. Wertungen seien ebenso wenig zu klären wie Fragen zum richtigen Verhalten der Ärzte der Antragsgegnerin, denn der medizinische Sorgfaltsmaßstab sei nicht Gegenstand der Beweiserhebung nach § 485 Abs. 2 ZPO. Erst recht gelte dies für die zu Nr. 5 des Antragsschriftsatzes gestellte Frage, ob ein Behandlungsfehler als "grob" zu bezeichnen sei. Hierbei handle es sich nämlich im Kern um eine juristische Bewertung, die zwar an vom medizinischen Sachverständigen ermittelte Tatsachen anknüpfe, jedoch nicht dem Sachverständigen überlassen werden dürfe. Die formulierten Beweisfragen und die Begründung der Antragsschrift zielten auf eine umfassende Klärung , ob und auf welche Weise der Antragsteller fehlerhaft behandelt worden sei. Das seien Fragen, die mit Feststellungen zum Zustand einer Person und der Ursache eines Personenschadens allenfalls am Rande etwas zu tun hätten und weit über das hinaus zielten, was mit einem selbständigen Beweisverfahren geklärt werden könne.
17
2. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Sie ist im Übrigen zulässig (§ 575 Abs. 1, 2 und 3 ZPO) und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
18
Die Rechtsbeschwerde beanstandet mit Erfolg, dass das Beschwerdegericht den Antrag zurückgewiesen hat, weil in Arzthaftungssachen grundsätzlich ein rechtliches Interesse im Sinne des § 485 Abs. 2 ZPO an einer vorprozessualen Beweissicherung hinsichtlich der Feststellung eines Behandlungsfehlers nicht bestehe. Ein rechtliches Interesse ist bereits dann nach § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann, auch wenn möglicherweise eine abschließende Klärung durch das einzuholende Sachverständigengutachten nicht möglich ist und weitere Aufklärungen erforderlich erscheinen (Senatsbeschluss vom 21. Januar 2003 - VI ZB 51/02, BGHZ 153, 302 ff.). Diese Voraussetzung liegt hier vor.
19
a) Allerdings hat das Berufungsgericht zutreffend ein rechtliches Interesse des Antragstellers nicht schon deshalb verneint, weil die Antragsgegnerin in ihrer Erwiderung auf die Antragsschrift bereits angekündigt hat, sie werde unabhängig vom Ergebnis der Begutachtung in einem Beweisverfahren ihre Einstandspflicht in keinem Fall anerkennen. Ungeachtet dessen bleibt das rechtliche Interesse bestehen, wenn die Voraussetzungen des § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO im Übrigen vorliegen. Dass die Behandlungsseite ihren Rechtsstandpunkt nicht ändert, ist ein Risiko, das der Antragsteller, ebenso wie die Kostenfolge des § 96 ZPO, trägt.
20
b) Dass die Feststellung der für dieMagenperforation und deren Folgen maßgeblichen Gründe ergeben kann, ob und in welcher Schwere ein Behandlungsfehler gegeben ist, hindert - entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts - jedoch nicht die Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens. Sinn und Zweck der vorprozessualen Beweissicherung nach § 485 Abs. 2 ZPO ist es, die Gerichte von Prozessen zu entlasten und die Parteien unter Vermeidung eines Rechtsstreits zu einer raschen und kostensparenden Einigung zu bringen (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Januar 2003 - VI ZB 51/02, BGHZ 153, 302, 307 mwN). Die vorprozessuale Klärung der haftungsrechtlich maßgeblichen Gründe für den Gesundheitsschaden des Antragstellers kann durchaus prozessökonomisch sein. Offensichtlich strebt der Antragsteller die Klärung an, um dann zu entscheiden, ob er Ansprüche weiterverfolgt oder davon absieht. Mithin hat er die Streitvermeidung im Auge.
21
Dem läuft nicht entgegen, dass sich mit den möglichen tatsächlichen Feststellungen der Arzthaftpflichtprozess unter Umständen nicht entscheiden lassen wird, weil damit noch nicht die rechtlichen Fragen des Verschuldens des Arztes und der Kausalität der Verletzung für den geltend gemachten Schaden geklärt sind. Obwohl für die Haftung des Arztes eine Abweichung von dem gebotenen medizinischen Standard nicht genügt, wird in der Rechtspraxis bei Feststellung des Gesundheitsschadens und der hierfür maßgeblichen Gründe nicht selten erkennbar, ob und in welcher Schwere ein Behandlungsfehler gegeben ist. Deshalb kann die vorprozessuale Klärung des Gesundheitsschadens und seiner Gründe durchaus prozessökonomisch sein. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Frage, ob der Fehler von den behandelnden Ärzten schuldhaft begangen worden ist, aufgrund einer tatrichterlichen Bewertung zu beantworten ist. Die Beurteilung des ärztlichen Verschuldens ist wegen des im Zivilrecht maßgebenden objektiven Fahrlässigkeitsmaßstabs mit der Feststellung eines Behandlungsfehlers streng verbunden. Stellt sich eine Behandlungsentscheidung als Verstoß gegen den medizinischen Standard dar, fällt dem behandelnden Arzt regelmäßig auch ein objektiver Sorgfaltsverstoß zur Last.
22
Auch die in Nr. 5 des Antragsschriftsatzes formulierte Frage, ob aufgrund der vorausgehenden Fragen festgestellte etwaige Behandlungsfehler in einer Art und Weise gegen ärztliche Behandlungsregeln verstoßen haben und mit Fehlern verbunden waren, die aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheinen und ihrer Art nach einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen dür- fen, ist im selbständigen Beweisverfahren nicht ausgeschlossen. Zwar handelt es sich bei der vom Tatrichter vorzunehmenden Bewertung einer medizinischen Behandlung als grob fehlerhaft um eine juristische Beurteilung. Jedoch bedarf diese einer hinreichend tragfähigen tatsächlichen Grundlage in den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen (vgl. Senat, Urteil vom 28. Mai 2002 - VI ZR 42/01, VersR 2002, 1026, 1027). Sie muss in vollem Umfang durch die vom ärztlichen Sachverständigen mitgeteilten Fakten getragen werden und sich auf die medizinische Bewertung des Behandlungsgeschehens durch den Sachverständigen stützen können. Es ist dem Tatrichter nicht gestattet, ohne entsprechende Darlegungen oder gar entgegen den medizinischen Ausführungen des ärztlichen Sachverständigen einen groben Behandlungsfehler auf Grund eigener Wertung zu bejahen (vgl. Senat, Urteil vom 28. Mai 2002 - VI ZR 42/01, aaO, 1027 f., mwN). Werden die für den Gesundheitsschaden des Antragstellers maßgeblichen Gründe festgestellt, wird aufgrund der Beurteilung des Behandlungsgeschehens durch den medizinischen Sachverständigen nicht auszuschließen sein, dass auch erkannt wird, ob und in welcher Schwere ein Behandlungsfehler gegeben ist. Wäre in der Einrichtung der Antragsgegnerin ein Fehler begangen worden, der nach der Bewertung des ärztlichen Sachverständigen aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erschiene, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen dürfte, käme, obwohl Fragen der Beweislastverteilung nicht im selbständigen Beweisverfahren zu klären sind, die Umkehr der Beweislast für den Ursachenzusammenhang zwischen dem Gesundheitsschaden des Antragstellers und dem im Raum stehenden Fehler bei der Verlegung der PEG-Sonde in Betracht. Diese wirkt sich regelmäßig maßgeblich auf den Ausgang eines Prozesses aus und vermag dadurch die Entscheidung zur Klageerhebung zu beeinflussen.
23
3. Die Entscheidungen beider Vorinstanzen können danach keinen Bestand haben. Der Senat macht von der ihm durch § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO ein- geräumten Befugnis, in der Sache zu entscheiden, insoweit Gebrauch, als er die Anordnung trifft, dass die beantragte Beweisaufnahme durchzuführen ist. Die weiteren erforderlichen Maßnahmen werden gemäß § 572 Abs. 3 ZPO dem Landgericht als dem Gericht des ersten Rechtszugs übertragen. Galke Zoll Diederichsen Pauge Stöhr
Vorinstanzen:
LG Dresden, Entscheidung vom 01.11.2012 - 6 OH 178/12 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 18.03.2013 - 4 W 243/13 -

(1) Während oder außerhalb eines Streitverfahrens kann auf Antrag einer Partei die Einnahme des Augenscheins, die Vernehmung von Zeugen oder die Begutachtung durch einen Sachverständigen angeordnet werden, wenn der Gegner zustimmt oder zu besorgen ist, dass das Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird.

(2) Ist ein Rechtsstreit noch nicht anhängig, kann eine Partei die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, dass

1.
der Zustand einer Person oder der Zustand oder Wert einer Sache,
2.
die Ursache eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels,
3.
der Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels
festgestellt wird. Ein rechtliches Interesse ist anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann.

(3) Soweit eine Begutachtung bereits gerichtlich angeordnet worden ist, findet eine neue Begutachtung nur statt, wenn die Voraussetzungen des § 412 erfüllt sind.

(1) Über den Antrag entscheidet das Gericht durch Beschluss.

(2) In dem Beschluss, durch welchen dem Antrag stattgegeben wird, sind die Tatsachen, über die der Beweis zu erheben ist, und die Beweismittel unter Benennung der zu vernehmenden Zeugen und Sachverständigen zu bezeichnen. Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Das Gericht kann anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegt. Das Gericht kann hierfür eine Frist setzen sowie anordnen, dass die vorgelegten Unterlagen während einer von ihm zu bestimmenden Zeit auf der Geschäftsstelle verbleiben.

(2) Dritte sind zur Vorlegung nicht verpflichtet, soweit ihnen diese nicht zumutbar ist oder sie zur Zeugnisverweigerung gemäß den §§ 383 bis 385 berechtigt sind. Die §§ 386 bis 390 gelten entsprechend.

(3) Das Gericht kann anordnen, dass von in fremder Sprache abgefassten Urkunden eine Übersetzung beigebracht wird, die ein Übersetzer angefertigt hat, der für Sprachübertragungen der betreffenden Art in einem Land nach den landesrechtlichen Vorschriften ermächtigt oder öffentlich bestellt wurde oder einem solchen Übersetzer jeweils gleichgestellt ist. Eine solche Übersetzung gilt als richtig und vollständig, wenn dies von dem Übersetzer bescheinigt wird. Die Bescheinigung soll auf die Übersetzung gesetzt werden, Ort und Tag der Übersetzung sowie die Stellung des Übersetzers angeben und von ihm unterschrieben werden. Der Beweis der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Übersetzung ist zulässig. Die Anordnung nach Satz 1 kann nicht gegenüber dem Dritten ergehen.

Der Gegner ist zur Vorlegung der Urkunde verpflichtet, wenn der Beweisführer nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Herausgabe oder die Vorlegung der Urkunde verlangen kann.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.