Oberlandesgericht München Beschluss, 20. Okt. 2016 - 11 W 1556/16

bei uns veröffentlicht am20.10.2016
vorgehend
Landgericht Augsburg, 65 O 3590/14, 29.07.2016

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Wert der Beschwerde beträgt 389,40 €.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Am 19.04.2016 erging ein Beschluss des Oberlandesgerichts München, Az. 27 U 3498/15 Bau, mit dem die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Augsburg vom 20.08.2015 nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen wurde; die Kosten des Berufungsverfahrens wurden dem Kläger auferlegt. Mit Schriftsatz vom 21.04.2016, eingegangen am 22.04.2016, zeigten die Beklagtenvertreter die Vertretung des Beklagten im Berufungsverfahren an und beantragten Zurückweisung der Berufung.

Mit Schriftsatz vom 10.05.2016 erhob die Klagepartei eine Gehörsrüge nach § 321 a ZPO. Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten die Verwerfung der Gehörsrüge als unzulässig, hilfsweise ihre Zurückweisung als unbegründet. Mit Beschluss des Oberlandesgerichts vom 30.05.2016 wurde die Gehörsrüge zurückgewiesen.

Auf Festsetzungsantrag des Beklagten vom 27.04.2016 setzte das Landgericht Augsburg mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.07.2016 (Bl. 227/229 d.A.) die von der Klagepartei an die Beklagtenpartei für das Berufungsverfahren zu erstattenden Kosten auf 586,40 € (netto) nebst Zinsen fest; es handelt sich um eine 1,6 Verfahrensgebühr (Nr. 3200 VV-RVG) aus dem Streitwert von 5.010,30 € in Höhe von 566,40 € nebst Pauschale von 20,00 € nach Nr. 7002 VV-RVG. Die anschließende Tätigkeit im Rügeverfahren wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs sei von der Kostenentscheidung der Berufungsinstanz erfasst.

Gegen diesen Beschluss legte der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 16.08.2016 sofortige Beschwerde ein und verwies dabei auf seinen Schriftsatz vom 30.06.2016, wonach das Berufungsverfahren bereits mit Beschluss des Oberlandesgerichts vom 19.04.2016 abgeschlossen gewesen sei, als der Beklagte erstmals mit Schriftsatz vom 21.04.2016 die Mandatierung habe anzeigen lassen. Sofern das Landgericht auf das Gehörsrügeverfahren abstelle, könne die Beklagtenpartei allenfalls die 0,5 Beschwerdegebühr von 197,00 € erhalten.

Mit Schriftsatz vom 01.09.2016 bringt der Beklagte vor, die Zustellung des Beschlusses vom 19.04.2016 sei erst am 25.04.2016 erfolgt, die Beauftragung jedoch unmittelbar im Anschluss an die Zustellung der Berufungsschrift. Eine Gebühr nach Nr. 3330 VV-RVG sei zu keinem Zeitpunkt Gegenstand des Festsetzungsantrags gewesen und sei auch nicht anzusetzen.

Mit Beschluss vom 08.09.2016 hat der Rechtspfleger der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig gemäß §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO.

Das Rechtsmittel hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.07.2016 entspricht der Sach- und Rechtslage.

1. Der Schriftsatz, mit dem Zurückweisung der Berufung beantragt wird, lässt eine 1,6 Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV-RVG in der Rechtsmittelinstanz entstehen (s. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl., VV 3201 Rn. 12). Hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einen einstimmigen Beschluss zurückzuweisen und hat der Vertreter des Berufungsbeklagten danach einen mit Gründen versehenen Zurückweisungsantrag gestellt, so fällt eine 1,6 Verfahrensgebühr an, die auch zu erstatten ist. Denn der Mandant hat ein Interesse daran, die Beschlussfassung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch eigene zusätzliche Argumente zu fördern. Er hat wegen der Beschleunigung des Verfahrens und wegen der Unanfechtbarkeit der Entscheidung auch ein besonderes Interesse daran, dass gerade ein Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO ergeht (s. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., Rn. 62).

2. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 21.04.2016 die Zurückweisung der Berufung des Klägers nach § 522 Abs. 2 ZPO beantragt, nachdem das Berufungsgericht am 18.02.2016 einen Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO erteilt hatte und der Kläger mit Schriftsatz vom 15.04.2016 hierzu Stellung genommen hatte. Dieser Schriftsatz wurde am 18.04.2016 an den Beklagtenvertreter hinausgegeben und bereits am 19.04.2016 erging Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO, der dem Beklagtenvertreter am 25.04.2016 zugestellt wurde. Zwar erfolgten Sachantrag und Sachvortrag des Beklagten damit nach Erlass des Zurückweisungsbeschlusses. Allerdings konnte er bei Einreichung seines Schriftsatzes am 22.04.2016 noch keine Kenntnis von dem am 19.04.2016 ergangenen Beschluss haben, da ihm dieser erst am 25.04.2016 zugestellt wurde.

3. Dieser zeitliche Ablauf führt zur Frage der Erstattungsfähigkeit der von der Beklagtenseite - in Unkenntnis des bereits erlassenen Zurückweisungsbeschlusses - durch den Schriftsatz vom 21.04.2016 ausgelösten Kosten. Denn der Bundesgerichtshof hat - bezogen auf die Einreichung einer Berufungserwiderung nach Berufungsrücknahme - in seinem Beschluss vom 25.02.2016, Az. III ZB 66/15 (NJW 2016, 2751), für die Beurteilung der Notwendigkeit von Kosten darauf abgestellt, ob diese „im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen“, s. a.a.O., Tz 8 m.w.N..

a) Konkret sei auf die Vornahme der kostenverursachenden Handlung abzustellen. Entscheidend sei, ob die Maßnahme objektiv noch erforderlich war oder nicht, auf eine - verschuldete oder unverschuldete - Unkenntnis des Rechtsmittelbeklagten, in dem entschiedenen Fall von der Berufungsrücknahme, komme es nicht an. Die „subjektive Unkenntnis“ des Rechtsmittelgegners sei nicht geeignet, die Erstattungsfähigkeit der Kosten für eine objektiv nicht erforderliche Handlung zu begründen, a.a.O., Tz 10. Der Rechtsmittelbeklagte könne eine bestehende Ungewissheit, ob das Rechtsmittel eventuell bereits zurückgenommen sei, durch ggf. telefonische Nachfrage bei Gericht rasch und problemlos klären.

b) Bei der gegebenen Konstellation wäre bei Zugrundelegung dieser Argumentation auf den Zurückweisungsbeschluss vom 19.04.2016 abzustellen, der erst am 25.04.2016 der Beklagtenseite bekannt wurde, aber bereits erlassen war, als diese den umfangreichen Schriftsatz vom 21.04.2016 einreichte. Ohne vernünftigen Zweifel ist aber davon auszugehen, dass sich die Beklagtenseite zu dieser Zeit gerade in Anbetracht der Stellungnahme des Klägers vom 15.04.2016, ihr frühestens am 19.04.2016 zugegangen, äußern und die Zurückweisung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO erreichen wollte, ohne Kenntnis davon zu haben, dass dieser Beschluss bereits ergangen war.

c) Der Senat hat in seinem Beschluss vom 30.08.2016, Az. 11 WF 733/16, auf den Widerspruch zwischen der Auffassung des Bundesgerichtshofs und der Ansicht des Bundesarbeitsgerichts im Beschluss vom 18.04.2012, Az. 3 AZB 22/11, hingewiesen, die auf die Kenntniserlangung durch die Rechtsmittelbeklagtenseite abstellt, s. Tz 10: Danach entsteht die 1,6 Verfahrensgebühr auch dann in voller Höhe, wenn der Schriftsatz beim Bundesarbeitsgericht eingereicht wurde, als der Beschluss über die Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde bereits gefasst, aber erst dann nach außen wirksam wurde, als der Schriftsatz eingegangen war; der vor Zugang des Beschlusses gefertigte Schriftsatz gilt dann als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich. Hinsichtlich der Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Wertungen beider Rechtsansichten wird auf den Senatsbeschluss vom 30.08.2016 Bezug genommen.

d) Die Ansicht, es komme allein auf die objektive Erforderlichkeit an, würde die mit einem Rechtsmittel überzogene Partei, die nach ständiger Rechtsprechung des BGH einen Anwalt beauftragen darf, nicht die Entschließungen des anwaltlich vertretenen Berufungsklägers abwarten muss und die entstandenen Kosten im Falle ihres Obsiegens vom Gegner erstattet verlangen kann (s. Beschluss vom 19.09.2013, IX ZB 160/11, NJW-RR 2014, 240, Tz 7 ff. m.w.N.), mit dem vollen Kostenrisiko belasten, wenn ohne ihre Kenntnis ein das Verfahren beendender Umstand eintritt. Eine telefonische Nachfrage bei Gericht entsprechend dem Hinweis des Bundesgerichtshofs wäre im gegebenen Fall vor Fertigung des 6-seitigen Schriftsatzes vom 21.04.2016 eventuell hilfreich gewesen, was aber nichts an der Risikoverlagerung auf die Rechtsmittelbeklagtenseite ändert, die ersichtlich nach Zugang der Stellungnahme des Klägers vom 15.04.2016 meinte, mit umfangreichen Ausführungen auf eine Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO hinwirken zu müssen. Dass dieser Beschluss bereits am 19.04.2016 erging, als ihr frühestens die Stellungnahme des Klägers zuging, hat die Beklagtenseite nachvollziehbar bei Fertigung des Schriftsatzes vom 21.04.2016 nicht in Erwägung gezogen.

Nachdem der Beschluss vom 19.04.2016 den Prozessbevollmächtigten des Beklagten erst durch die Zustellung am 25.04.2016 zur Kenntnis kam, ist unter Beachtung der Rechtsprechung des BAG die Erstattungsfähigkeit der 1,6 Verfahrensgebühr zu Recht angenommen worden.

4. Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil das BAG in seinem Beschluss vom 18.04.2012 ausdrücklich auf die Kenntnis der Rechtsmittelbeklagtenseite abstellt und dieser Beschluss von dem des BGH vom 25.02.2016 abweicht. Die prozessuale Situation der Vertretungsanzeige nebst Antragstellung in Unkenntnis des bereits ergangenen Zurückweisungsbeschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO ist vergleichbar mit der im Beschluss des BGH vom 25.02.2016 gegebenen Sachlage der Einreichung einer Berufungserwiderung nach Berufungsrücknahme. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, Abs. 2 ZPO liegen damit vor. Gegen den Senatsbeschluss vom 30.08.2016 - 11 WF 733/16 - wurde Rechtsbeschwerde eingelegt, die beim Bundesgerichtshof unter dem Az. XII ZB 447/16 anhängig ist.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

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(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Proz

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Tenor 1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Passau vom 19.09.2016 aufgehoben. 2. Die von der Klagepartei an die Beklagtenpartei nach dem Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 28.

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen sind. Die Entscheidung ist, sofern dem Antrag ganz oder teilweise entsprochen wird, dem Gegner des Antragstellers unter Beifügung einer Abschrift der Kostenrechnung von Amts wegen zuzustellen. Dem Antragsteller ist die Entscheidung nur dann von Amts wegen zuzustellen, wenn der Antrag ganz oder teilweise zurückgewiesen wird; im Übrigen ergeht die Mitteilung formlos.

(2) Zur Berücksichtigung eines Ansatzes genügt, dass er glaubhaft gemacht ist. Hinsichtlich der einem Rechtsanwalt erwachsenden Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen genügt die Versicherung des Rechtsanwalts, dass diese Auslagen entstanden sind. Zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen genügt die Erklärung des Antragstellers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann.

(3) Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt. Das Beschwerdegericht kann das Verfahren aussetzen, bis die Entscheidung, auf die der Festsetzungsantrag gestützt wird, rechtskräftig ist.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 66/15
vom
25. Februar 2016
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind nur Kosten für solche
Maßnahmen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet
zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen. Das ist vom Standpunkt
einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei aus zu beurteilen,
wobei grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vornahme der kostenverursachen
Handlung abzustellen ist und es auf die - auch unverschuldete - Unkenntnis der
Partei oder ihres Rechtsanwalts von den maßgeblichen Umständen nicht ankommt
(Bestätigung und Fortführung des Senatsbeschlusses vom 26. Januar
2006 - III ZB 63/05, BGHZ 166, 117).

b) Die durch die Einreichung einer Berufungserwiderung nach Berufungsrücknahme
entstandenen Kosten eines Rechtsanwalts sind auch dann nicht erstattungsfähig,
wenn der Berufungsbeklagte die Rechtsmittelrücknahme nicht kannte oder kennen
musste (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB
39/06, NJW-RR 2007, 1575).
BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 - III ZB 66/15 - OLG München
LG Landshut
ECLI:DE:BGH:2016:250216BIIIZB66.15.0

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Februar 2016 durch den Vorsitzender Richter Dr. Herrmann, die Richter Tombrink, Dr. Remmert und Reiter sowie die Richterin Dr. Liebert
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 27. Februar 2015 - 11 W 302/15 - aufgehoben.
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Landshut vom 20. Januar 2015 - 74 O 1092/14 - aufgehoben und der Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten vom 20. November 2014 zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens jeweils zu ¼ zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf 905 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagten für das Berufungsverfahren trotz Rücknahme des Rechtsmittels der Klägerin vor Stellung des Berufungszurückweisungsantrags die Erstattung der vollen anwaltlichen Verfahrens- gebühr nach Nr. 3200 der Anlage 1 des RVG (RVG VV) nebst Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 RVG VV verlangen können.
2
Die Klägerin legte gegen das ihre Klage abweisende Urteil des Landgerichts Berufung ein und begründete diese. Mit Beschluss vom 22. Oktober 2014 wies das Oberlandesgericht die Klägerin auf die fehlenden Erfolgsaussichten ihres Rechtsmittels hin, kündigte dessen Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO an und setzte den Parteien Frist zur Stellungnahme bis zum 14. November 2014. Die Klägerin nahm daraufhin mit Schriftsatz vom 12. November 2014, der am selben Tag beim Oberlandesgericht einging und am 20. November 2014 den vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigen der Beklagten zugestellt wurde, ihre Berufung zurück. Mit Beschluss vom 13. November 2014 sprach das Oberlandesgericht aus, dass die Klägerin des Rechtsmittels der Berufung verlustig sei und die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen habe. Mit Schriftsatz vom 14. November 2014, eingegangen beim Oberlandesgericht am selben Tag, beantragten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Landgerichts die Zurückweisung der Berufung der Klägerin.
3
Auf Antrag der Beklagten hat das Landgericht die von der Klägerin an die Beklagten zu erstattenden Kosten des Berufungsverfahrens unter Berücksichtigung einer 1,6-fachen Verfahrensgebühr (Nr. 3200 RVG VV), einer Erhöhungsgebühr von 0,9 (Nr. 1008 RVG VV) und einer Auslagenpauschale von 20 € (Nr. 7002 RVG VV) auf 905 € nebst Zinsen festgesetzt. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Klägerin die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrags der Beklagten.

II.


4
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Beschwerdegericht hat einen Anspruch der Beklagten auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,6-fachen Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3200 RVG VV (nebst Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 RVG VV) zu Unrecht bejaht.
5
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung ausgeführt, mit Einreichung des Schriftsatzes vom 14. November 2014 sei für die Prozessbevollmächtigten der Beklagten die volle Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 RVG VV angefallen. Wie sich aus Nr. 3201 Nr. 1 RVG VV ergebe, erhalte der Rechtsanwalt die volle Verfahrensgebühr, wenn er einen Schriftsatz einreiche, der einen Sachantrag oder Sachvortrag enthalte. Diese Voraussetzungen erfülle der Schriftsatz der Beklagten vom 14. November 2014. Die den Prozessbevollmächtigten der Beklagten erwachsene 1,6-fache Verfahrensgebühr sei auch erstattungsfähig. Dass die Klägerin ihre Berufung bereits am 12. November 2014 - vor Erstellung des den Berufungszurückweisungsantrag enthaltenden Schriftsatzes - zurückgenommen habe, stehe dem nicht entgegen. Denn von der Rücknahme des Rechtsmittels hätten die Beklagten erst durch Zustellung des diesbezüglichen Schriftsatzes am 20. November 2014 Kenntnis erlangt. Nach der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts und anderer Oberlandesgerichte seien die Kosten des Rechtsmittelgegners auch dann erstattungsfähig, wenn weder ihm noch seinem Prozessbevollmächtigten im Zeitpunkt der die Gebühr auslösenden Tätigkeit die Rücknahme des Rechtsmittels bekannt gewesen sei oder hätte bekannt sein müssen. Für den vergleichbaren Fall von in Unkenntnis einer zwischenzeitlichen Rücknahme einer Klage oder eines Verfügungsantrags eingereichten Schriftsätzen gelte nichts anderes. Die Rechtsprechung des Bundes- gerichtshofs (Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB 39/06, NJW-RR 2007, 1575), wonach die durch Einreichung einer Schutzschrift nach Rücknahme eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entstandenen Kosten auch bei unverschuldeter Unkenntnis des Antragsgegners von der Antragsrücknahme nicht erstattungsfähig seien, könne nicht ohne Weiteres auf die Fälle der Klageerwiderung oder der Berufungserwiderung in Unkenntnis der zwischenzeitlich erfolgten Rücknahme der Klage oder Berufung übertragen werden. Die Beklagten hätten auch nicht den Ablauf der vom Oberlandesgericht für eine Rücknahme der Berufung gesetzten Frist oder gar eine Entscheidung des Berufungsgerichts nach § 522 ZPO abwarten müssen.
6
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
7
a) Die vom Landgericht antragsgemäß festgesetzte 1,6-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 RVG VV gehört nicht zu den erstattungsfähigen Kosten des Gegners im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, da der Berufungszurückweisungsantrag erst nach Rücknahme des Rechtsmittels gestellt worden ist. Dabei kann dahinstehen, ob durch die Einreichung der Berufungserwiderung am 14. November 2014 - wie das Beschwerdegericht meint - eine volle Verfahrensgebühr gegenüber den Beklagten angefallen ist. Denn die Entstehung der Verfahrensgebühr ist von ihrer Erstattungsfähigkeit streng zu unterscheiden (Maué in Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., Nr. 3200-3205 VV Rn. 6).
8
aa) Gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei oder im Falle der Berufungsrücknahme der Berufungskläger (§ 516 Abs. 3 ZPO) dem Gegner die diesem erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren. Notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind nur Kosten für solche Maßnahmen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen (vgl. nur Senatsbeschluss vom 26. Januar 2006 - III ZB 63/05, BGHZ 166, 117 Rn. 20; BGH, Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB 39/06, NJW-RR 2007, 1575 Rn. 17; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 25. August 2009 – 6 W 70/08, juris Rn. 14; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2009, 426 Rn. 2; Hk-ZPO/Gierl, 6. Aufl., § 91 Rn. 13; Musielak /Voit/Lackmann, ZPO, 12. Aufl., § 91 Rn. 8). Das ist vom Standpunkt einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei aus zu beurteilen, wobei grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vornahme der kostenverursachenden Handlung abzustellen ist (Senatsbeschluss vom 26. Januar 2006 aaO; s. auch BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2011 - VI ZB 17/11, NJW 2012, 1370 Rn. 12; vom 10. Juli 2012 - VI ZB 7/12, NJW 2012, 2734 Rn. 9 und vom 23. Oktober 2013 - V ZB 143/12, NJW-RR 2014, 185 Rn. 10; jew. mwN).
9
bb) Die Frage, ob im Berufungsverfahren die Kosten für die Einreichung eines Schriftsatzes, mit dem die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt wird, auch dann erstattungsfähig sind, wenn dieser erst nach Rücknahme der Berufung bei Gericht eingeht, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur umstritten. Nach der unter anderem vom Beschwerdegericht vertretenen Auffassung sind die Kosten des Rechtsmittelgegners in diesen Fällen dann erstattungsfähig, wenn weder der Partei noch ihrem Prozessbevollmächtigten im Zeitpunkt der Einreichung der Berufungserwiderung bekannt war oder bekannt sein musste, dass die Rücknahme des Rechtsmittels bereits erfolgt war (s. auch OLG München, BeckRS 2010, 27585; OLG Celle, Beschluss vom 2. März 2010 - 2 W 69/10, juris Rn. 4 [Erstattungsfähigkeit der Kosten einer nach Klagerücknahme eingereichten Klageerwiderung]; Maué aaO Rn. 8; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl., Nr. 3201 VV Rn. 9, 88, Anhang XIII Rn. 46 ff mwN zum Streitstand). Nach anderer Auffassung sind die Kosten eines Rechtsanwalts nicht erstattungsfähig, wenn im Zeitpunkt des Eingangs des Berufungszurückweisungsantrags die Berufung bereits zurückgenommen war. Auf die (unverschuldete) Unkenntnis des Berufungsbeklagten von der Rücknahme des Rechtsmittels komme es nicht an (vgl. Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 25. August 2009 - 6 W 70/08, juris Rn. 15; s. auch BGH, Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB 39/06, NJW-RR 2007, 1575 Rn. 17 [keine Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten bei Einreichung einer Schutzschrift nach Rücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung]; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2009, 426 Rn. 4 [keine Erstattung von Anwaltskosten bei Klageerwiderung nach Klagerücknahme]; Hk-ZPO/Gierl, 6. Aufl., § 91 Rn. 13; Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 12. Aufl., § 91 Rn. 8; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 91 Rn. 48).
10
cc) Der Senat folgt der Auffassung, nach der die Einreichung einer Berufungserwiderung (mit Berufungszurückweisungsantrag und/oder Sachvortrag) nach Rücknahme des Rechtsmittels keinen prozessualen Kostenerstattungsanspruch zugunsten des Rechtsmittelgegners auslöst. Nach dem unter aa) dargestellten Maßstab stellt die Einreichung einer Berufungserwiderung nach Rücknahme des Rechtsmittels keine zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO objektiv erforderliche Maßnahme dar. Auf die (verschuldete oder unverschuldete) Unkenntnis des Rechtsmittelbeklagten von der Berufungsrücknahme kommt es nicht an. Denn die subjektive Unkenntnis des Rechtsmittelgegners ist nicht geeignet, die Erstattungsfähigkeit der Kosten für eine objektiv nicht erforderliche Handlung zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2006 aaO). Die Gegenmeinung lässt dabei außer Betracht, dass im Rahmen der Prüfung der Notwendigkeit der geltend gemachten Kosten die objektive Sicht einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei maßgeblich ist, die das Gebot sparsamer Prozessführung im Blick hat (Senatsbeschluss vom 26. Januar 2006 - III ZB 63/05, BGHZ 166, 117 Rn. 20). Danach ist die Stellung eines Zurückweisungsantrags nach Rücknahme der Berufung keine zur Rechtsverteidigung objektiv erforderliche Maßnahme. Die Frage, ob dem Rechtsmittelgegner ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch zusteht, bleibt davon unberührt. In den Fällen, in denen das Berufungsgericht dem Rechtsmittelkläger eine Frist zur Erklärung über die Rechtsmittelrücknahme gesetzt hat, kann der Rechtsmittelbeklagte, der eine Erwiderung zum Fristende erwägt, außerdem eine bestehende Ungewissheit, ob das Rechtsmittel eventuell bereits zurückgenommen ist, durch eine (gegebenenfalls telefonische) Nachfrage bei Gericht rasch und problemlos klären.
11
Es kommt hinzu, dass bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Maßnahme der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Kostenfestsetzungsverfahren , das auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Rechtsfragen des Kostenrechts zugeschnitten ist, eine typisierende Betrachtungsweise geboten ist. Vor diesem Hintergrund wäre es wenig sinnvoll, das Verfahren durch eine übermäßige Differenzierung der Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit und insbesondere durch die - unter Umständen aufwändige - Prüfung subjektiver Kriterien ("unverschuldete Unkenntnis" der Partei und des Prozessbevollmächtigten) zu belasten (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2006 aaO mwN; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 25. August 2009 aaO Rn. 15).
12
Soweit das Beschwerdegericht meint, die vorgenannten Grundsätze zur Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten seien vom Bundesgerichtshof (Beschluss vom 23. November 2006 aaO) lediglich für den Sonderfall der Einreichung einer Schutzschrift nach Rücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entwickelt worden und auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar, vermag dem der Senat nicht zu folgen. Bei diesen Grundsätzen handelt es sich vielmehr um den allgemeinen Prüfungsmaßstab für die Beurteilung des Umfangs der Kostenerstattungspflicht im Rahmen des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
13
b) Die Beklagten können auch nicht gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1, § 516 Abs. 3 ZPO die Erstattung einer 1,1-fachen Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 RVG VV (i.V.m. einer 0,9-fachen Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 RVG VV) verlangen.
14
Wenn - wie hier - der Auftrag des Rechtsanwalts durch Rücknahme des Rechtsmittels endigt, bevor ein Schriftsatz, der Sachanträge oder Sachvortrag enthält, eingereicht worden ist, kommt die Erstattung einer ermäßigten Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 RVG VV in Betracht. Dies setzt jedoch voraus, dass der Prozessbevollmächtigte des Rechtsmittelgegners auf Grund eines ihm erteilten Auftrags schon vor der Rücknahme des Rechtsmittels das Geschäft im Sinne von Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 2 RVG VV betrieben hat und damit jedenfalls die ermäßigte 1,1-fache Verfahrensgebühr angefallen ist. Hierfür kann schon die Entgegennahme des Auftrags sowie erster Informationen genügen. (BGH, Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB 39/06, NJW-RR 2007, 1575 Rn. 18 f). Daran fehlt es hier. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts sind die Prozessbevollmächtigten der Beklagten erstmals nach der Rücknahme der Berufung tätig geworden, indem sie am 14. November 2014 die Zurückweisung der Berufung mit kurzer Begründung beantragt haben. Zutreffend weist die Beschwerde darauf hin, dass die darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten (vgl. § 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO) zu keinem Zeitpunkt vorgetragen haben, ihre Prozessbevollmächtigten hätten im Berufungsverfahren das Geschäft in Erfüllung eines entsprechenden Auftrags vor der Rücknahme des Rechtsmittels in irgendeiner Weise betrieben. Vielmehr ist das Vorbringen der Klägerin, die Prozessbevollmächtigten der Beklagten seien erst nach Beendigung des Berufungsverfahrens tätig geworden, unwidersprochen geblieben. Die Beklagten haben lediglich den unzutreffenden Rechtsstandpunkt eingenommen, die Verfahrensgebühr sei allein durch die Einreichung der Berufungserwiderung nach Rechtsmittelrücknahme entstanden. Es fehlt somit an den Voraussetzungen für die Entstehung einer ermäßigten Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 RVG VV.
Herrmann Tombrink Remmert
Reiter Liebert
Vorinstanzen:
LG Landshut, Entscheidung vom 04.09.2014 - 74 O 1092/14 -
OLG München, Entscheidung vom 27.02.2015 - 11 W 302/15 -

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

Tenor

I.

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Beschwerdewert beträgt € 201,71.

IV.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten für eine Rechtsverteidigung.

Mit Schriftsatz vom 16.07.2015 beantragte die Antragstellerin eine einstweilige Anordnung, wonach ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind übertragen wird; gleichzeitig begehrte sie hierfür Verfahrenskostenhilfe.

Das Amtsgericht vermisste zunächst substantiierten Sachvortrag und sah auch die Voraussetzungen für eine Gewährung von Verfahrenskostenhilfe nicht gegeben, bestimmte am 09.09.2015 aber doch einen Termin zur Anhörung; gleichzeitig verfügte es die Zustellung der Antragsschrift an den Antragsgegner, der diese am 12.09.2015 erhielt.

Mit Schreiben vom 14.09.2015, per Telefax bei Gericht am selben Tag eingegangen, nahm die Antragstellerin ihren Antrag zurück. Der Amtsrichter verfügte am 15.09.2015 die Übermittlung dieses Schriftsatzes an den Antragsgegner, am 16.09.2015 die Abladung. Die Verfügungen wurden am 21.09.2015 ausgeführt.

Am 23.09.2015 ging beim Amtsgericht ein Schriftsatz der vom Antragsgegner zwischenzeitlich beauftragten Verfahrensbevollmächtigten vom 22.09.2015 ein, mit dem Antrag entgegengetreten und dessen Zurückweisung beantragt wurde; der Schriftsatz enthält auch eine nähere Begründung.

Entsprechend dem Antrag des Antragsgegners vom 25.11.2015 legte das Amtsgericht mit Beschluss vom 16.12.2015 aufgrund der Rücknahme der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auf. Mit Festsetzungsgesuch vom 20.01.2016 machte der Antragsgegner die Kosten seiner Verfahrensbevollmächtigten geltend, wobei er eine 1,3 Verfahrensgebühr nebst Pauschale und Mehrwertsteuer ansetzt.

Auf Einwendungen der Antragstellerin hiergegen wiesen die Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners darauf hin, der Rücknahmeschriftsatz vom 14.09.2015 sei ihnen erst am 29.09.2015 zugestellt worden. Nachdem man keinerlei Kenntnis von der Antragsrücknahme gehabt habe, sei damit eine 1,3 Verfahrensgebühr erstattungsfähig.

Die Rechtspflegerin entsprach dem mit dem angefochtenen Beschluss unter Verweis darauf, die Antragsgegnervertreter hätten von der Rücknahme erst am 29.09.2015 Kenntnis erlangt.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, die diese im Wesentlichen damit begründet, zum Zeitpunkt der Beauftragung der Antragsgegnervertreter habe sie ihren Antrag bereits zurückgenommen; die Mandatierung sei damit objektiv nicht mehr erforderlich gewesen, auf eine entsprechende Unkenntnis der Beklagtenseite komme es nicht an. Eine Tätigkeit seiner Rechtsanwälte schon vor der Rücknahme habe der Antragsgegner nie behauptet.

Die gem. §§ 85 FamFG, 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg; entgegen dem - eine Rechtsmitteleinlegung betreffenden - Beschluss des BGH vom 25.02.2016 - III ZB 66/15 kann die Unkenntnis von der Rücknahme auf Beklagtenseite nicht übergangen werden.

1. Nach der Kostengrundentscheidung im Beschluss des Amtsgerichts vom 16.12.2015 hat die Antragstellerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen; festzusetzen sind die im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO „notwendigen“ Aufwendungen. Nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind dabei die Gebühren des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei grundsätzlich zu erstatten; diese Kosten sind damit einer Überprüfung auf Notwendigkeit entzogen und gelten unabhängig von den konkreten Umständen stets als zweckentsprechend verursacht (vgl. BGH, Beschl. v. 20.05.2014 - VI ZB 9/13 Tz 9; Musielak-Flockenhaus, ZPO, 13. Aufl., § 91 Rn. 11 ff.; Hansens, RVGreport 16, 186, 188 li. Sp. unter V. 1.).

2. Nach dem zitierten Beschluss des BGH vom 25.02.2016 sollen dagegen nur solche Maßnahmen notwendig im genannten Sinne sein, die „im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen“, s. a. a. O., Tz 8 m. w. N..

a) Konkret sei auf die Vornahme der kostenverursachenden Handlung abzustellen. Entscheidend sei, ob die Maßnahme objektiv noch erforderlich war oder nicht, auf eine - verschuldete oder unverschuldete - Unkenntnis des Rechtsmittelbeklagten von der Berufungsrücknahme komme es nicht an. Die „subjektive Unkenntnis“ des Rechtsmittelgegners sei nicht geeignet, die Erstattungsfähigkeit der Kosten für eine objektiv nicht erforderlich Handlung zu begründen. Im Rahmen der Prüfung der Notwendigkeit von Kosten sei die „objektive Sicht“ einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei maßgeblich, die das Gebot sparsamer Prozessführung im Blick habe (a. a. O., Tz 10). Der Rechtsmittelbeklagte könne eine bestehende Ungewissheit, ob das Rechtsmittel bereits zurückgenommen sei, gegebenenfalls durch eine telefonische Nachfrage bei Gericht rasch und problemlos klären.

b) Geht man hiervon aus, müsste man auch bei vorliegender Konstellation der Argumentation des BGH und der Antragstellerin folgen und rein auf die Rücknahme an sich abstellen:

Der Rücknahmeschriftsatz ging bereits am 14.09.2015 bei Gericht ein - darauf, dass er dem Antragsgegner frühestens am 22.09.2015 zugestellt wurde und dessen Anwälte bei Entgegennahme des Mandates und Fertigung ihres Erwiderungsschriftsatzes vom 22.09.2015 tragen (wobei nach der ohne Weiteres glaubhaften Mitteilung der Antragsgegnervertreter vom 29.08.2016 ersichtlich nicht davon auszugehen ist, dass diese bereits vor Eingang der Rücknahme bei Gericht beauftragt und tätig geworden wären; dies wäre auch nicht plausibel, denn der Antragsgegner erhielt den Antrag am 12.09.2016 und bereits am 14.09. ging bei Gericht die Rücknahme ein; ohne vernünftigen Zweifel ist daher davon auszugehen, dass die Beauftragung der Antragsgegnervertreter erst nach der Rücknahme - und in Unkenntnis derselben - erfolgte).

3. Die, einer Mindermeinung entsprechende, Ansicht des BGH (vgl. Hansens, a. a. O., 188), ist nach Auffassung des Senates von der Begründung wie auch insbesondere von der Wertung her nicht einleuchtend bzw. tragbar.

Sie widerspricht direkt der - vom BGH nicht erwähnten - Rechtsprechung des BAG - vgl. Beschl. v. 18.04.2012 - 3 AZB 22/11 Tz 10: Bei Unkenntnis der zwischenzeitlichen Zurückweisung des Rechtsmittels durften die Anwälte des Rechtsmittelgegners die Fertigung eines Erwiderungsschriftsatzes für erforderlich halten. Nach ganz herrschender Meinung sind die Aufwendungen für einen in derartigen Fällen zur Rechtsverteidigung eingeschalteten Anwalt erstattungsfähig, wenn bei dessen Beauftragung bzw. Tätigkeit weder der Beklagte noch der Anwalt Kenntnis von einer zwischenzeitlich erfolgten Rücknahme der Klage oder des Rechtsmittels hatte (zuletzt etwa OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.10.2014 - 9 W 18/14; OLG Frankfurt, Beschl. v. 06.10.2014 - 5 WF 235/14; OLG Hamburg, Beschl. v. 09.07.2013 - 8 W 62/13; OLG Hamm, Beschl. v. 22.10.2012 - II - 6 WF 103/12; Senat, Beschl. v. 15.01.2016 - 11 W 58/16; v. 27.02.2015 - 11 W 302/15; Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, 22. Aufl., Anh. XIII Rn. 46; Hansens, a. a. O., 188; ders., RVGReport 14, 95, 97, ebenso Zöller-Herget, ZPO, 31. Aufl. § 91 Rn. 13, unter „Berufung“ bzw. „Klagerücknahme“).

a) Bereits sprachlich unklar ist der Ausgangspunkt des BGH, wonach notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur Kosten sein sollen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme „objektiv erforderlich... erscheinen“. Entweder man stellt - ausschließlich - auf die objektive Erforderlichkeit ab; dann spielt die Sichtweise einer verständigen, wirtschaftlich vernünftigen oder sonstigen Partei keine Rolle, weil es nur darauf ankommt, ob sich irgendwo bei Gericht ein Rücknahmeschriftsatz befindet oder nicht.

Oder man hält die Sicht einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen, das Gebot der Kostenschonung beachtenden, Partei für maßgeblich. Dann kann die Frage nur lauten, ob diese Partei von der Rücknahme weiß oder nicht. Kennt sie die Rücknahme, ist - sogar wohl für eine nur bedingt wirtschaftlich denkende Partei - die Beauftragung eines Anwaltes nicht mehr erforderlich (und für diesen auch nicht die kostenerhöhende Stellung eines Zurückweisungsantrages). Nur wenn die verständige und wirtschaftlich wäre (bei Rechtsmitteln etwa wegen der ausdrücklichen Bitte um ein sog. „Stillhalten“). Dies alles, obwohl § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Aufwendungen für einen Rechtsanwalt als grundsätzlich notwendig erachtet.

Unklar (für den mit der Kostenfestsetzung befassten Rechtspfleger) ist weiter, was mit „subjektiver Unkenntnis“ (Beschl. v. 25.02.2016, a. a. O., Tz 10) gemeint sein soll.

Zutreffend führt das OLG Saarbrücken, a. a. O., insoweit aus, die Kostenerstattung richte sich grundsätzlich nicht nach einem streng objektiven Maßstab, sondern danach, ob eine verständige und kostenbewusst handelnde Partei die Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Vornahme als sachdienlich ansehen durfte; das Abstellen auf einen rein objektiven Maßstab ist danach etwas anderes als die - subjektive - Beurteilung einer verständigen, kostenbewussten Partei.

b) Entscheidend für den Senat ist in besonderer Weise aber die vom BGH vorgenommene Wertung:

Die mit einer Klage oder einem Rechtsmittel überzogene Partei soll das volle Kostenrisiko tragen für den Fall, dass diese Prozesshandlungen - zu einem von ihr nicht beeinflussbaren Zeitpunkt - zurückgenommen werden.

aa) Der Antragsgegner wurde hier mit einem Antrag auf einstweilige Anordnung konfrontiert, was ihn naheliegenderweise dazu bewogen hat, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH darf die mit einem Rechtsmittel überzogene Partei (sogar bereits vor dessen Begründung) einen Rechtsanwalt beauftragen und die entstandenen Kosten im Falle ihres Obsiegens vom Gegner erstattet verlangen (vgl. zuletzt etwa BGH, Beschl. v. 23.10.2013 - VZB 143/12 Tz 8; Beschl. v. 19.09.2013 - IX ZB 160/11 Tz 7 ff.; Beschl. v. 06.12.2007 - IX ZB 223/06 Tz 10); in der Regel wird die Partei nämlich nicht in der Lage sein zu beurteilen, was zur Verteidigung sachgerecht zu veranlassen ist und ihr ist nicht zuzumuten, zunächst die weiteren Entschließungen des anwaltlich vertretenen Berufungsklägers abzuwarten.

bb) Dazu passt es schlechterdings nicht, der Partei dennoch das diesbezügliche Kostenrisiko aufzuerlegen; wenn sie schon einen Anwalt hinzuziehen „darf“, dann kann das nur bedeuten, dass dessen Kosten auch erstattungsfähig sein müssen.

Dementsprechend führt der BGH in dem zitierten Beschluss vom 19.09.2013 ausdrücklich aus, so lange noch unsicher sei, ob eine Berufung durchgeführt werde, sei die Beauftragung eines Anwaltes für die Berufungsinstanz zwar objektiv nicht erforderlich - die Kosten eines gleichwohl beauftragten Anwalts seien jedoch zu objektive Erforderlichkeit abgestellt, sondern darauf, was eine Partei in einer bestimmten Situation als notwendig betrachtet. Damit steht der Beschluss vom 25.02.2016 nicht in Einklang.

c) Soweit der BGH die Ansicht vertritt, eine bestehende Ungewissheit, ob ein Rechtsmittel - für den vorliegenden Antrag kann nichts Abweichendes gelten - eventuell bereits zurückgenommen ist, könne durch eine (telefonische) Nachfrage bei Gericht rasch und problemlos geklärt werden, erscheint dies bedenklich und praxisfremd:

Selbst den Fall unterstellt, dass der Anwalt die zuständige Mitarbeiterin der Geschäftsstelle erreicht, diese die Akten auf das Vorliegen eines Rücknahmeschriftsatzes hin überprüft und dessen Fehlen mitteilt, bedeutet dies keine Gewissheit.

Überzeugend weist Hansens (RVGreport 16, 186, 188) darauf hin, ein solcher Schriftsatz könne auch kurz vor oder während des Telefongespräches eingegangen sein bzw. gerade eingehen.

Das entsprechende Risiko läge immer beim Gegner der zurücknehmenden Partei - der aber auf den Zeitpunkt einer Rücknahmeerklärung ebenso wenig Einfluss hat wie auf den der Weiterleitung durch das Gericht; das erscheint nicht angemessen.

cc) Demgegenüber hat es ein Rechtsmittelführer (bzw. hatte es hier z. B. die Antragstellerin), gewissermassen als „Veranlasser“, selbst ohne Weiteres in der Hand, den Gegner frühzeitig „bösgläubig“ zu machen, indem die Rücknahme dem Gegner oder dessen Anwalt frühzeitig mitgeteilt wird (Hansens, RVGreport 14, 95, 98; OLG Frankfurt, a. a. O., Tz 9).

Umgekehrt müsste dieser zur Vermeidung des Kostenrisikos noch vor Beauftragung eines Anwaltes beim Kläger/Rechtsmittelführer anrufen und fragen, ob nicht etwa eine Rücknahme erfolgt sei (er seinen Antrag also noch ernst meine); auch der Anwalt müsste dies, vorzugsweise noch vor Entgegennahme der - die Verfahrensgebühr auslösenden - Information und gegebenenfalls nochmals vor Fertigung eines Schriftsatzes mit einem Sachantrag (da ein solcher die Gebühr von 0,8 auf 1,3 erhöht, siehe Nrn. 3100/3101 bzw. 3200/3201 VV-RVG).

4. Richtig ist demnach, mit dem BAG - nur - auf die Sichtweise einer wirtschaftlich denkenden und das Gebot der Kostengeringhaltung beachtenden Partei abzustellen:

Weiß diese (unverschuldet) nichts von einer zwischenzeitlich erfolgten Rücknahme - weil der Kläger oder Rechtsmittelführer es nicht für nötig befunden hat, die Gegenseite sogleich zu informieren -, ist Erstattungsfähigkeit anzunehmen (für den Sonderfall einer Schutzschrift).

Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, insbesondere weil das BAG ausdrücklich auf eine Kenntnis abstellt und der vorliegende Beschluss von dem des BGH vom 25.02.2016 abweicht.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. März 2011 - 3 Ta 37/11 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

1

I. Der Kläger wendet sich gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss, wonach er der Beklagten wegen eines von ihm eingeleiteten Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3506 VV-RVG zu erstatten hat.

2

Die Parteien hatten ursprünglich darüber gestritten, ob der Kläger ab dem 1. Oktober 2006 eine Vergütung nach der tariflichen Gehaltsgruppe C 8 beanspruchen kann. Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen; das Landesarbeitsgericht hatte die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision gegen seine Entscheidung nicht zugelassen. Vor dem Landesarbeitsgericht war die Beklagte durch Rechtsanwälte R vertreten worden. Gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts legte der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 17. August 2010. Abschriften der Nichtzulassungsbeschwerdeschrift wurden den Rechtsanwälten R am 27. Juli 2010, Abschriften der Beschwerdebegründungsschrift wurden ihnen am 27. August 2010 zugestellt. Mit Beschluss vom 25. August 2010 wies das Bundesarbeitsgericht die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision kostenpflichtig zurück. Abschriften dieses Beschlusses gingen den Rechtsanwälten R am 9. September 2010 zu. Bereits zuvor, nämlich am 6. September 2010, war beim Bundesarbeitsgericht der Schriftsatz der Rechtsanwälte R vom 3. September 2010 eingegangen, in welchem sich diese für die Beklagte gemeldet und beantragt hatten, die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zurückzuweisen.

3

Auf Antrag der Beklagten und nach Anhörung des Klägers hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 16. Dezember 2010 die vom Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten auf 989,60 Euro (nebst Zinsen) festgesetzt. Dieser Betrag beinhaltet eine Verfahrensgebühr gem. Nr. 3506 VV-RVG sowie die Pauschale für Post und Telekommunikation nach Nr. 7002 VV-RVG in Höhe von 20,00 Euro. Gegen diesen Beschluss hat der Kläger Erinnerung eingelegt. Das Arbeitsgericht hat die Erinnerung als sofortige Beschwerde ausgelegt, ihr nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde des Klägers zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Mit der Rechtsbeschwerde macht der Kläger weiterhin geltend, zur Erstattung der Verfahrensgebühr nicht verpflichtet zu sein.

4

II. Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Das Arbeitsgericht hat die nach dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 25. August 2010 vom Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten nach § 104 ZPO zu Recht auf insgesamt 989,60 Euro festgesetzt. Neben der Pauschale für Post und Telekommunikation nach Nr. 7002 VV-RVG in Höhe von 20,00 Euro, über deren Berechtigung und Erstattungsfähigkeit die Parteien nicht streiten, war bei der Kostenfestsetzung die Verfahrensgebühr nach Nr. 3506 VV-RVG in unstreitiger Höhe von 969,60 Euro zu berücksichtigen. Die Rechtsanwälte R können für ihr Tätigwerden im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3506 VV-RVG beanspruchen. Die Verfahrensgebühr ist auch erstattungsfähig iSd. § 91 ZPO.

5

1. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3506 VV-RVG ist in voller Höhe entstanden. Der Gebührenanspruch der Rechtsanwälte R im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren bestimmt sich nach Nr. 3506 VV-RVG. Danach beläuft sich die Verfahrensgebühr auf das 1,6-fache der Gebühr nach § 13 RVG. Bei einem Gegenstandswert von 17.408,52 Euro sind dies 969,60 Euro.

6

a) Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers scheitert die Entstehung der Gebühr nicht an einer fehlenden Prozessvollmacht der Rechtsanwälte R für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren. Die Prozessvollmacht, die die Beklagte ihren Prozessbevollmächtigten für das Berufungsverfahren erteilt hatte, ermächtigte diese zur Führung „des ganzen Prozesses“ in allen Instanzen, mithin auch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren.

7

Dem steht nicht entgegen, dass gem. § 16 Nr. 11, § 17 Nr. 9 RVG das Verfahren über ein Rechtsmittel und das Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels verschiedene Angelegenheiten sind. Diese Bestimmungen des RVG haben nur Bedeutung für die Frage, ob im Beschwerdeverfahren über die Nichtzulassung des Rechtsmittels gesonderte Gebühren entstehen. Sie regeln nicht den Umfang der Prozessvollmacht. Dieser bestimmt sich ausschließlich nach §§ 81, 82 ZPO. Nach § 81 ZPO ermächtigt die Prozessvollmacht zu allen den „Rechtsstreit“ betreffenden Prozesshandlungen, einschließlich derjenigen, die durch eine Widerklage, eine Wiederaufnahme des Verfahrens, eine Rüge nach § 321a und die Zwangsvollstreckung veranlasst werden, zur Bestellung eines Vertreters sowie eines Bevollmächtigten für die höheren Instanzen, zur Beseitigung des Rechtsstreits durch Vergleich, Verzichtsleistung auf den Streitgegenstand oder Anerkennung des von dem Gegner geltend gemachten Anspruchs sowie zur Empfangnahme der vom Gegner oder aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten. Nach dieser Bestimmung ermächtigt die Prozessvollmacht demnach zur Führung des ganzen Prozesses („Rechtsstreit“) in allen Instanzen (vgl. BAG 26. Mai 2009 - 1 ABR 12/08 - Rn. 10, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 203 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 32).

8

Der Antrag der Prozessbevollmächtigten der Beklagten auf Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist auch eine Prozesshandlung iSd. § 81 ZPO. Der Begriff der Prozesshandlung iSd. § 81 ZPO ist weit zu verstehen. Hierzu gehören alle Handlungen, die nach ihrer Zweckbestimmung den Rechtsstreit betreiben, fördern oder beendigen oder der Durchsetzung einer ergangenen Entscheidung dienen sollen. Dazu gehören auch Anträge oder Erklärungen in Schriftsätzen (vgl. BAG 10. August 1977 - 5 AZR 394/76 - zu I 1 a aa der Gründe, AP ZPO § 81 Nr. 2 = EzA ZPO § 81 Nr. 1; MünchKommZPO/v. Mettenheim 3. Aufl. § 81 Rn. 3).

9

b) Die Gebühr ist entgegen der Rechtsauffassung des Klägers nicht nach Nr. 3507 VV-RVG iVm. Nr. 3201 VV-RVG auf den 1,1-fachen Gebührensatz zu ermäßigen. Der Auftrag wurde nicht vorzeitig beendet. Zwar haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten den Schriftsatz vom 3. September 2010 erst zu einem Zeitpunkt gefertigt und beim Bundesarbeitsgericht eingereicht, als das Bundesarbeitsgericht bereits den Beschluss vom 25. August 2010, mit dem die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen wurde, gefasst hatte; nach außen wirksam wurde der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 25. August 2010 jedoch erst mit seiner Zustellung. Abschriften des Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts sind den Rechtsanwälten R erst am 9. September 2010 zugegangen, also zu einem Zeitpunkt, als ihr Schriftsatz bereits beim Bundesarbeitsgericht eingegangen war.

10

2. Die Kosten der Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Beklagten sind auch erstattungsfähig. Zwar hat die unterliegende Partei die dem Gegner erwachsenen Kosten - nur - insoweit zu erstatten, als sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung objektiv notwendig waren, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Maßstab dafür ist, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt als sachdienlich ansehen durfte (BGH 26. Januar 2006 - III ZB 63/05 - Rn. 20, BGHZ 166, 117). Allerdings gelten gem. § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei als zweckentsprechende Kosten der Rechtsverteidigung(„sind in allen Prozessen zu erstatten“). Aus dieser Bestimmung folgt, dass eine Partei im Prozess einen Rechtsanwalt zu Hilfe nehmen darf und die dadurch entstandenen Kosten auch erstattungsfähig sind (BGH 17. Dezember 2002 - X ZB 9/02 - zu II 3 c der Gründe, NJW 2003, 756). Eine Ausnahme von der Erstattungsfähigkeit für die gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren kommt nur mit Blick auf das allgemeine Gebot sparsamer Prozessführung in Betracht. Danach trifft die Partei aufgrund des Prozessrechtsverhältnisses die Verpflichtung, die Kosten möglichst gering zu halten (vgl. BGH 3. Juni 2003 - VIII ZB 19/03 - zu II 2 der Gründe, NJW 2003, 2992). Demzufolge kann eine Erstattung der Anwaltsgebühren dann nicht verlangt werden, wenn für die Tätigkeit des Anwalts ausnahmsweise kein Anlass bestand (BGH 26. Januar 2006 - III ZB 63/05 - Rn. 20, aaO). Da der Kläger die Nichtzulassungsbeschwerde nicht lediglich zur Fristwahrung eingelegt, sondern sie bereits begründet hatte und die Prozessbevollmächtigten der Beklagten erst am 9. September 2010 Kenntnis vom Beschluss des Bundesarbeitsgerichts über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde erlangt haben, durften sie die Fertigung des Schriftsatzes vom 3. September 2010 zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung der Beklagten für erforderlich halten.

11

3. Auf die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob § 544 Abs. 3 ZPO auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesarbeitsgericht Anwendung findet, kam es vorliegend nicht an.

12

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Gräfl    

        

    Schlewing    

        

    Spinner    

        

        

        

        

        

        

                 

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

Tenor

I.

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Beschwerdewert beträgt € 201,71.

IV.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten für eine Rechtsverteidigung.

Mit Schriftsatz vom 16.07.2015 beantragte die Antragstellerin eine einstweilige Anordnung, wonach ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind übertragen wird; gleichzeitig begehrte sie hierfür Verfahrenskostenhilfe.

Das Amtsgericht vermisste zunächst substantiierten Sachvortrag und sah auch die Voraussetzungen für eine Gewährung von Verfahrenskostenhilfe nicht gegeben, bestimmte am 09.09.2015 aber doch einen Termin zur Anhörung; gleichzeitig verfügte es die Zustellung der Antragsschrift an den Antragsgegner, der diese am 12.09.2015 erhielt.

Mit Schreiben vom 14.09.2015, per Telefax bei Gericht am selben Tag eingegangen, nahm die Antragstellerin ihren Antrag zurück. Der Amtsrichter verfügte am 15.09.2015 die Übermittlung dieses Schriftsatzes an den Antragsgegner, am 16.09.2015 die Abladung. Die Verfügungen wurden am 21.09.2015 ausgeführt.

Am 23.09.2015 ging beim Amtsgericht ein Schriftsatz der vom Antragsgegner zwischenzeitlich beauftragten Verfahrensbevollmächtigten vom 22.09.2015 ein, mit dem Antrag entgegengetreten und dessen Zurückweisung beantragt wurde; der Schriftsatz enthält auch eine nähere Begründung.

Entsprechend dem Antrag des Antragsgegners vom 25.11.2015 legte das Amtsgericht mit Beschluss vom 16.12.2015 aufgrund der Rücknahme der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auf. Mit Festsetzungsgesuch vom 20.01.2016 machte der Antragsgegner die Kosten seiner Verfahrensbevollmächtigten geltend, wobei er eine 1,3 Verfahrensgebühr nebst Pauschale und Mehrwertsteuer ansetzt.

Auf Einwendungen der Antragstellerin hiergegen wiesen die Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners darauf hin, der Rücknahmeschriftsatz vom 14.09.2015 sei ihnen erst am 29.09.2015 zugestellt worden. Nachdem man keinerlei Kenntnis von der Antragsrücknahme gehabt habe, sei damit eine 1,3 Verfahrensgebühr erstattungsfähig.

Die Rechtspflegerin entsprach dem mit dem angefochtenen Beschluss unter Verweis darauf, die Antragsgegnervertreter hätten von der Rücknahme erst am 29.09.2015 Kenntnis erlangt.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, die diese im Wesentlichen damit begründet, zum Zeitpunkt der Beauftragung der Antragsgegnervertreter habe sie ihren Antrag bereits zurückgenommen; die Mandatierung sei damit objektiv nicht mehr erforderlich gewesen, auf eine entsprechende Unkenntnis der Beklagtenseite komme es nicht an. Eine Tätigkeit seiner Rechtsanwälte schon vor der Rücknahme habe der Antragsgegner nie behauptet.

Die gem. §§ 85 FamFG, 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg; entgegen dem - eine Rechtsmitteleinlegung betreffenden - Beschluss des BGH vom 25.02.2016 - III ZB 66/15 kann die Unkenntnis von der Rücknahme auf Beklagtenseite nicht übergangen werden.

1. Nach der Kostengrundentscheidung im Beschluss des Amtsgerichts vom 16.12.2015 hat die Antragstellerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen; festzusetzen sind die im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO „notwendigen“ Aufwendungen. Nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind dabei die Gebühren des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei grundsätzlich zu erstatten; diese Kosten sind damit einer Überprüfung auf Notwendigkeit entzogen und gelten unabhängig von den konkreten Umständen stets als zweckentsprechend verursacht (vgl. BGH, Beschl. v. 20.05.2014 - VI ZB 9/13 Tz 9; Musielak-Flockenhaus, ZPO, 13. Aufl., § 91 Rn. 11 ff.; Hansens, RVGreport 16, 186, 188 li. Sp. unter V. 1.).

2. Nach dem zitierten Beschluss des BGH vom 25.02.2016 sollen dagegen nur solche Maßnahmen notwendig im genannten Sinne sein, die „im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen“, s. a. a. O., Tz 8 m. w. N..

a) Konkret sei auf die Vornahme der kostenverursachenden Handlung abzustellen. Entscheidend sei, ob die Maßnahme objektiv noch erforderlich war oder nicht, auf eine - verschuldete oder unverschuldete - Unkenntnis des Rechtsmittelbeklagten von der Berufungsrücknahme komme es nicht an. Die „subjektive Unkenntnis“ des Rechtsmittelgegners sei nicht geeignet, die Erstattungsfähigkeit der Kosten für eine objektiv nicht erforderlich Handlung zu begründen. Im Rahmen der Prüfung der Notwendigkeit von Kosten sei die „objektive Sicht“ einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei maßgeblich, die das Gebot sparsamer Prozessführung im Blick habe (a. a. O., Tz 10). Der Rechtsmittelbeklagte könne eine bestehende Ungewissheit, ob das Rechtsmittel bereits zurückgenommen sei, gegebenenfalls durch eine telefonische Nachfrage bei Gericht rasch und problemlos klären.

b) Geht man hiervon aus, müsste man auch bei vorliegender Konstellation der Argumentation des BGH und der Antragstellerin folgen und rein auf die Rücknahme an sich abstellen:

Der Rücknahmeschriftsatz ging bereits am 14.09.2015 bei Gericht ein - darauf, dass er dem Antragsgegner frühestens am 22.09.2015 zugestellt wurde und dessen Anwälte bei Entgegennahme des Mandates und Fertigung ihres Erwiderungsschriftsatzes vom 22.09.2015 tragen (wobei nach der ohne Weiteres glaubhaften Mitteilung der Antragsgegnervertreter vom 29.08.2016 ersichtlich nicht davon auszugehen ist, dass diese bereits vor Eingang der Rücknahme bei Gericht beauftragt und tätig geworden wären; dies wäre auch nicht plausibel, denn der Antragsgegner erhielt den Antrag am 12.09.2016 und bereits am 14.09. ging bei Gericht die Rücknahme ein; ohne vernünftigen Zweifel ist daher davon auszugehen, dass die Beauftragung der Antragsgegnervertreter erst nach der Rücknahme - und in Unkenntnis derselben - erfolgte).

3. Die, einer Mindermeinung entsprechende, Ansicht des BGH (vgl. Hansens, a. a. O., 188), ist nach Auffassung des Senates von der Begründung wie auch insbesondere von der Wertung her nicht einleuchtend bzw. tragbar.

Sie widerspricht direkt der - vom BGH nicht erwähnten - Rechtsprechung des BAG - vgl. Beschl. v. 18.04.2012 - 3 AZB 22/11 Tz 10: Bei Unkenntnis der zwischenzeitlichen Zurückweisung des Rechtsmittels durften die Anwälte des Rechtsmittelgegners die Fertigung eines Erwiderungsschriftsatzes für erforderlich halten. Nach ganz herrschender Meinung sind die Aufwendungen für einen in derartigen Fällen zur Rechtsverteidigung eingeschalteten Anwalt erstattungsfähig, wenn bei dessen Beauftragung bzw. Tätigkeit weder der Beklagte noch der Anwalt Kenntnis von einer zwischenzeitlich erfolgten Rücknahme der Klage oder des Rechtsmittels hatte (zuletzt etwa OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.10.2014 - 9 W 18/14; OLG Frankfurt, Beschl. v. 06.10.2014 - 5 WF 235/14; OLG Hamburg, Beschl. v. 09.07.2013 - 8 W 62/13; OLG Hamm, Beschl. v. 22.10.2012 - II - 6 WF 103/12; Senat, Beschl. v. 15.01.2016 - 11 W 58/16; v. 27.02.2015 - 11 W 302/15; Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, 22. Aufl., Anh. XIII Rn. 46; Hansens, a. a. O., 188; ders., RVGReport 14, 95, 97, ebenso Zöller-Herget, ZPO, 31. Aufl. § 91 Rn. 13, unter „Berufung“ bzw. „Klagerücknahme“).

a) Bereits sprachlich unklar ist der Ausgangspunkt des BGH, wonach notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur Kosten sein sollen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme „objektiv erforderlich... erscheinen“. Entweder man stellt - ausschließlich - auf die objektive Erforderlichkeit ab; dann spielt die Sichtweise einer verständigen, wirtschaftlich vernünftigen oder sonstigen Partei keine Rolle, weil es nur darauf ankommt, ob sich irgendwo bei Gericht ein Rücknahmeschriftsatz befindet oder nicht.

Oder man hält die Sicht einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen, das Gebot der Kostenschonung beachtenden, Partei für maßgeblich. Dann kann die Frage nur lauten, ob diese Partei von der Rücknahme weiß oder nicht. Kennt sie die Rücknahme, ist - sogar wohl für eine nur bedingt wirtschaftlich denkende Partei - die Beauftragung eines Anwaltes nicht mehr erforderlich (und für diesen auch nicht die kostenerhöhende Stellung eines Zurückweisungsantrages). Nur wenn die verständige und wirtschaftlich wäre (bei Rechtsmitteln etwa wegen der ausdrücklichen Bitte um ein sog. „Stillhalten“). Dies alles, obwohl § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Aufwendungen für einen Rechtsanwalt als grundsätzlich notwendig erachtet.

Unklar (für den mit der Kostenfestsetzung befassten Rechtspfleger) ist weiter, was mit „subjektiver Unkenntnis“ (Beschl. v. 25.02.2016, a. a. O., Tz 10) gemeint sein soll.

Zutreffend führt das OLG Saarbrücken, a. a. O., insoweit aus, die Kostenerstattung richte sich grundsätzlich nicht nach einem streng objektiven Maßstab, sondern danach, ob eine verständige und kostenbewusst handelnde Partei die Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Vornahme als sachdienlich ansehen durfte; das Abstellen auf einen rein objektiven Maßstab ist danach etwas anderes als die - subjektive - Beurteilung einer verständigen, kostenbewussten Partei.

b) Entscheidend für den Senat ist in besonderer Weise aber die vom BGH vorgenommene Wertung:

Die mit einer Klage oder einem Rechtsmittel überzogene Partei soll das volle Kostenrisiko tragen für den Fall, dass diese Prozesshandlungen - zu einem von ihr nicht beeinflussbaren Zeitpunkt - zurückgenommen werden.

aa) Der Antragsgegner wurde hier mit einem Antrag auf einstweilige Anordnung konfrontiert, was ihn naheliegenderweise dazu bewogen hat, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH darf die mit einem Rechtsmittel überzogene Partei (sogar bereits vor dessen Begründung) einen Rechtsanwalt beauftragen und die entstandenen Kosten im Falle ihres Obsiegens vom Gegner erstattet verlangen (vgl. zuletzt etwa BGH, Beschl. v. 23.10.2013 - VZB 143/12 Tz 8; Beschl. v. 19.09.2013 - IX ZB 160/11 Tz 7 ff.; Beschl. v. 06.12.2007 - IX ZB 223/06 Tz 10); in der Regel wird die Partei nämlich nicht in der Lage sein zu beurteilen, was zur Verteidigung sachgerecht zu veranlassen ist und ihr ist nicht zuzumuten, zunächst die weiteren Entschließungen des anwaltlich vertretenen Berufungsklägers abzuwarten.

bb) Dazu passt es schlechterdings nicht, der Partei dennoch das diesbezügliche Kostenrisiko aufzuerlegen; wenn sie schon einen Anwalt hinzuziehen „darf“, dann kann das nur bedeuten, dass dessen Kosten auch erstattungsfähig sein müssen.

Dementsprechend führt der BGH in dem zitierten Beschluss vom 19.09.2013 ausdrücklich aus, so lange noch unsicher sei, ob eine Berufung durchgeführt werde, sei die Beauftragung eines Anwaltes für die Berufungsinstanz zwar objektiv nicht erforderlich - die Kosten eines gleichwohl beauftragten Anwalts seien jedoch zu objektive Erforderlichkeit abgestellt, sondern darauf, was eine Partei in einer bestimmten Situation als notwendig betrachtet. Damit steht der Beschluss vom 25.02.2016 nicht in Einklang.

c) Soweit der BGH die Ansicht vertritt, eine bestehende Ungewissheit, ob ein Rechtsmittel - für den vorliegenden Antrag kann nichts Abweichendes gelten - eventuell bereits zurückgenommen ist, könne durch eine (telefonische) Nachfrage bei Gericht rasch und problemlos geklärt werden, erscheint dies bedenklich und praxisfremd:

Selbst den Fall unterstellt, dass der Anwalt die zuständige Mitarbeiterin der Geschäftsstelle erreicht, diese die Akten auf das Vorliegen eines Rücknahmeschriftsatzes hin überprüft und dessen Fehlen mitteilt, bedeutet dies keine Gewissheit.

Überzeugend weist Hansens (RVGreport 16, 186, 188) darauf hin, ein solcher Schriftsatz könne auch kurz vor oder während des Telefongespräches eingegangen sein bzw. gerade eingehen.

Das entsprechende Risiko läge immer beim Gegner der zurücknehmenden Partei - der aber auf den Zeitpunkt einer Rücknahmeerklärung ebenso wenig Einfluss hat wie auf den der Weiterleitung durch das Gericht; das erscheint nicht angemessen.

cc) Demgegenüber hat es ein Rechtsmittelführer (bzw. hatte es hier z. B. die Antragstellerin), gewissermassen als „Veranlasser“, selbst ohne Weiteres in der Hand, den Gegner frühzeitig „bösgläubig“ zu machen, indem die Rücknahme dem Gegner oder dessen Anwalt frühzeitig mitgeteilt wird (Hansens, RVGreport 14, 95, 98; OLG Frankfurt, a. a. O., Tz 9).

Umgekehrt müsste dieser zur Vermeidung des Kostenrisikos noch vor Beauftragung eines Anwaltes beim Kläger/Rechtsmittelführer anrufen und fragen, ob nicht etwa eine Rücknahme erfolgt sei (er seinen Antrag also noch ernst meine); auch der Anwalt müsste dies, vorzugsweise noch vor Entgegennahme der - die Verfahrensgebühr auslösenden - Information und gegebenenfalls nochmals vor Fertigung eines Schriftsatzes mit einem Sachantrag (da ein solcher die Gebühr von 0,8 auf 1,3 erhöht, siehe Nrn. 3100/3101 bzw. 3200/3201 VV-RVG).

4. Richtig ist demnach, mit dem BAG - nur - auf die Sichtweise einer wirtschaftlich denkenden und das Gebot der Kostengeringhaltung beachtenden Partei abzustellen:

Weiß diese (unverschuldet) nichts von einer zwischenzeitlich erfolgten Rücknahme - weil der Kläger oder Rechtsmittelführer es nicht für nötig befunden hat, die Gegenseite sogleich zu informieren -, ist Erstattungsfähigkeit anzunehmen (für den Sonderfall einer Schutzschrift).

Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, insbesondere weil das BAG ausdrücklich auf eine Kenntnis abstellt und der vorliegende Beschluss von dem des BGH vom 25.02.2016 abweicht.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 11. Zivilsenats - zugleich Familiensenat - des Oberlandesgerichts München vom 30. August 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Wert: 202 €

Gründe

I.

1

Der Antragsgegner begehrt die Festsetzung von Anwaltskosten gegen die Antragstellerin.

2

Die miteinander verheirateten Beteiligten leben getrennt. Mitte Juli 2015 beantragte die Antragstellerin beim Amtsgericht, ihr im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind zu übertragen. Das Amtsgericht bestimmte am 9. September 2015 Termin zur Anhörung auf den 29. September 2015 und verfügte die Zustellung der Antragsschrift an den Antragsgegner, der die Ladung und die Antragsschrift am 12. September 2015 erhielt. Mit am 14. September 2015 beim Amtsgericht eingegangenem Rechtsanwaltsschriftsatz nahm die Antragstellerin den Antrag zurück. In Unkenntnis hiervon beauftragte der Antragsgegner einen Rechtsanwalt mit der Vertretung in dem Verfahren. Dieser reichte - ohne Kenntnis von der Antragsrücknahme zu haben - am 23. September 2015 beim Amtsgericht einen Schriftsatz ein, mit dem dem Antrag entgegengetreten und dessen Zurückweisung beantragt wurde. Mit Beschluss vom 16. Dezember 2015 erlegte das Amtsgericht der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auf.

3

Mit Antrag vom 20. Januar 2016 hat der Antragsgegner um Festsetzung seiner Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 € ersucht. Dem hat das Amtsgericht entsprochen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr auf Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrags gerichtetes Begehren weiter.

II.

4

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

5

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 85 FamFG, 104 Abs. 3 Satz 1, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Ihrer Statthaftigkeit steht nicht entgegen, dass dem angefochtenen Beschluss ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zugrunde liegt, in dem die Rechtsbeschwerde wegen des durch § 70 Abs. 4 FamFG begrenzten Instanzenzugs auch im Fall ihrer Zulassung ausgeschlossen ist. Diese Begrenzung gilt nicht für das Kostenfestsetzungsverfahren, das als selbständige Folgesache mit einem eigenen Rechtsmittelzug ausgestattet ist (vgl. BGH Beschluss vom 20. November 2012 - VI ZB 1/12 - NJW 2013, 1369 Rn. 5 mwN; Keidel/Meyer-Holz FamFG 19. Aufl. § 70 Rn. 48a; vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 30. September 2015 - XII ZB 635/14 - FamRZ 2015, 2147 Rn. 6 mwN und vom 11. September 2013 - XII ZA 54/13 - FamRZ 2013, 1878 Rn. 7 mwN).

6

2. Das Oberlandesgericht hat seine in FamRZ 2017, 138 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:

7

Nach der Kostengrundentscheidung im Beschluss des Amtsgerichts habe die Antragstellerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Festzusetzen seien die im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO notwendigen Aufwendungen. Gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO seien dabei die Gebühren des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei grundsätzlich zu erstatten und damit einer Überprüfung auf Notwendigkeit entzogen.

8

Zwar habe der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 25. Februar 2016 (BGHZ 209, 120 = FamRZ 2016, 900) ausgesprochen, entscheidend sei darauf abzustellen, ob die kostenauslösende Maßnahme objektiv erforderlich sei, so dass es auf eine Unkenntnis des Rechtsmittelgegners von einer Berufungsrücknahme nicht ankomme. Folgte man dem auch in der vorliegenden Konstellation und stellte daher auf die Rücknahme des Antrags ab, hätte der Antragsgegner die zweifelsfrei angefallenen Anwaltskosten selbst zu tragen.

9

Diese einer Mindermeinung entsprechende Rechtsansicht sei jedoch von der Begründung wie auch insbesondere von der Wertung her nicht einleuchtend bzw. tragbar. Sie widerspreche der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der ganz herrschenden Meinung, nach der die Aufwendungen für einen in derartigen Fällen zur Rechtsverteidigung eingeschalteten Anwalt erstattungsfähig seien, wenn bei dessen Beauftragung bzw. Tätigkeit weder der Beklagte noch der Anwalt Kenntnis von einer zwischenzeitlich erfolgten Rücknahme der Klage oder des Rechtsmittels gehabt hätten. Der Ausgangspunkt des Bundesgerichtshofs sei bereits sprachlich unklar. Entscheidend sei aber, dass nach der Wertung des Bundesgerichtshofs die mit einer Klage oder einem Rechtsmittel überzogene Partei das volle Kostenrisiko tragen solle für den Fall, dass diese Prozesshandlungen zu einem von ihr nicht beeinflussbaren Zeitpunkt zurückgenommen würden. Die vom Bundesgerichtshof vertretene Ansicht, eine bestehende Ungewissheit könne durch eine (telefonische) Nachfrage bei Gericht rasch und problemlos geklärt werden, erscheine bedenklich und praxisfremd.

10

Richtig sei demnach, mit dem Bundesarbeitsgericht nur auf die Sichtweise einer wirtschaftlich denkenden und das Gebot der Kostengeringhaltung beachtenden Partei abzustellen. Wisse diese unverschuldet nichts von einer zwischenzeitlichen Rücknahme, sei Erstattungsfähigkeit anzunehmen.

11

3. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

12

Bereits der rechtliche Ausgangspunkt des Oberlandesgerichts ist unzutreffend. Denn dieses hat die Erstattungsfähigkeit der vom Antragsgegner geltend gemachten Rechtsanwaltskosten auf der Grundlage von § 91 ZPO geprüft, der im vorliegenden Fall jedoch nicht anwendbar ist.

13

Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist mit der elterlichen Sorge eine Kindschaftssache nach § 151 Nr. 1 FamFG. Anders als in Ehesachen und Familienstreitsachen, für die § 113 Abs. 1 ZPO anstelle der §§ 80 ff. FamFG die entsprechende Geltung der Kostenbestimmungen in §§ 91 ff. ZPO anordnet, richten sich in Kindschaftssachen als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Kosten nach den §§ 80 ff. FamFG. Der - auch vom Oberlandesgericht zitierte - § 85 FamFG ordnet lediglich für die Kostenfestsetzung die entsprechende Anwendung der §§ 103 bis 107 ZPO an.

14

Ob die streitgegenständlichen Kosten von der Kostengrundentscheidung des Amtsgerichts, nach der die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, erfasst sind, bestimmt sich vorliegend gemäß § 80 Satz 1 FamFG, wonach Kosten - neben den Gerichtskosten - die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten sind. § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO, den das Oberlandesgericht zur Begründung der Notwendigkeit der Rechtsanwaltskosten herangezogen hat, ist nicht einschlägig, weil § 80 Satz 2 FamFG nicht auf ihn verweist. Vielmehr erfordert die Bejahung der Notwendigkeit die auf einer einzelfallbezogenen Prüfung beruhende Feststellung, dass die Hinzuziehung eines Anwalts notwendig war (vgl. Schneider NZFam 2016, 1198). An einer solchen Feststellung fehlt es bislang.

15

4. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache ist an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO), weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO).

16

a) Die vom Antragsgegner begehrte Festsetzung der Rechtsanwaltskosten ist vorliegend nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die kostenauslösenden Maßnahmen erst erfolgten, als der für die begehrte Übertragung der elterlichen Sorge nach §§ 1671 Abs. 1 Satz 1 BGB, 51 Abs. 1 Satz 1 FamFG erforderliche Antrag bereits wirksam (§ 22 Abs. 1 FamFG) und nach § 22 Abs. 2 FamFG mit verfahrensbeendender Wirkung zurückgenommen war.

17

aa) Die vom Oberlandesgericht kritisierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zum Umfang der Kostenerstattungspflicht im Rahmen des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO ergangen. Nach dieser Norm hat die unterliegende Partei - und gemäß § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO im Falle der Berufungsrücknahme der Berufungskläger - dem Gegner die diesem erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Notwendig in diesem Sinne sind danach nur Kosten für solche Maßnahmen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen. Das ist vom Standpunkt einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei aus zu beurteilen, wobei grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vornahme der kostenverursachenden Handlung abzustellen ist (BGHZ 209, 120 = FamRZ 2016, 900 Rn. 8 mwN; vgl. auch BGH Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB 39/06 - NJW-RR 2007, 1575 Rn. 17 mwN).

18

Auf dieser Grundlage hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass im Berufungsverfahren die Kosten für die Einreichung eines Schriftsatzes, mit dem die Zurückweisung des - bereits begründeten - Rechtsmittels beantragt wird, dann nicht erstattungsfähig sind, wenn dieser erst nach Rücknahme der Berufung bei Gericht eingeht. Denn die Einreichung einer Berufungserwiderung nach Rücknahme des Rechtsmittels stellt keine zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO objektiv erforderliche Maßnahme dar. Auf die (verschuldete oder unverschuldete) Unkenntnis des Rechtsmittelbeklagten von der Berufungsrücknahme kommt es nicht an. Die subjektive Unkenntnis des Rechtsmittelgegners ist nämlich nicht geeignet, die Erstattungsfähigkeit der Kosten für eine objektiv nicht erforderliche Handlung wie die Stellung eines Zurückweisungsantrags nach Rücknahme der Berufung zu begründen. Die Frage, ob dem Rechtsmittelgegner ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch zusteht, bleibt davon unberührt (BGHZ 209, 120 = FamRZ 2016, 900 Rn. 9 f. mwN; vgl. auch BGH Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB 39/06 - NJW-RR 2007, 1575 Rn. 17 zur Einreichung einer Schutzschrift nach Rücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung).

19

bb) Dies wird von Teilen der Rechtsprechung und der Literatur anders gesehen (vgl. etwa BAG AGS 2013, 98, 100; OLG Saarbrücken JurBüro 2015, 190 f.; OLG Frankfurt FamRZ 2015, 1227, 1228; OLG Hamburg AGS 2013, 441, 442; OLG Hamm FamRZ 2013, 1159; Fölsch MDR 2016, 503 f.; Hansens ZfS 2016, 287 f.; vgl. auch Schneider NZFam 2016, 1198; Mayer FD-RVG 2016, 381533; Hk-ZPO/Wöstmann 7. Aufl. § 516 Rn. 11). Die Kostenerstattung richte sich nämlich grundsätzlich nicht nach einem streng objektiven Maßstab, sondern danach, ob eine verständig und kostenbewusst handelnde Partei die konkrete Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Vornahme als sachdienlich ansehen dürfe. Neben einem Hinweis auf die Vorschrift des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO, nach der die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei in allen Prozessen zu erstatten sind, wird unter anderem auch darauf verwiesen, dass nur durch Annahme der Erstattungsfähigkeit den berechtigten Interessen des Gegners an einer adäquaten Rechtsverteidigung Rechnung getragen werden könne. Zudem habe es der Kläger bzw. Rechtsmittelführer selbst in der Hand, den Gegner durch frühzeitige Mitteilung der Rücknahme bösgläubig zu machen.

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cc) Welcher dieser zu § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO vertretenen Auffassungen zu folgen ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls im Rahmen des § 80 Satz 1 FamFG können auch nach Antrags- oder Rechtsmittelrücknahme entstandene Kosten des Antrags- oder Rechtsmittelgegners erstattungsfähig sein.

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(1) Erstattungsfähige Kosten sind nach § 80 Satz 1 FamFG neben den Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. § 80 Satz 2 FamFG verweist für letztere auf § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO (notwendige Reisen und Zeitversäumnis durch notwendige Terminswahrnehmung), nicht aber auf die Regelung des § 91 Abs. 2 ZPO zu Rechtsanwaltskosten. Der Wortlaut der Vorschrift unterscheidet sich von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, gibt aber ebenso wie dieser auf die Frage, inwieweit für die Notwendigkeit von Kosten ein objektiver Maßstab anzulegen ist, keine eindeutige Antwort.

22

(2) Die Vorschrift des § 80 Satz 1 FamFG ist nicht § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, sondern § 162 Abs. 1 VwGO nachgebildet (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 215). Dieser regelt, dass Kosten die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens sind. Ob Aufwendungen der Beteiligten notwendig im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO sind, bestimmt sich nicht nach der subjektiven Auffassung der Beteiligten, sondern danach, ob ein verständiger Beteiligter, der bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Weise seine Interessen wahrgenommen hätte. Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt der die Aufwendungen verursachenden Handlung; ohne Belang ist, ob sich die Handlung im Prozessverlauf nachträglich als unnötig herausstellt (BVerwG Rpfleger 2008, 666, 667; NJW 2000, 2832; NJW 1964, 686; BeckOK VwGO/Kunze [Stand: 1. Oktober 2016] § 162 Rn. 51 mwN; Kopp/Schenke VwGO 22. Aufl. § 162 Rn. 3; Kugele VwGO § 162 Rn. 4; Neumann in Sodan/Ziekow VwGO 4. Aufl. § 162 Rn. 11). Maßgeblich ist mithin die "verobjektivierte" Sicht eines verständigen Beteiligten (Wysk in Wysk VwGO 2. Aufl. § 162 Rn. 11), nicht ein rein objektiver Maßstab (BVerwG NJW 1964, 686; Eyermann/Schmidt VwGO 14. Aufl. § 162 Rn. 3). Folgerichtig wird - soweit ersichtlich - die Frage, ob Rechtsanwaltsgebühren nach § 162 VwGO auch dann erstattungsfähig sein können, wenn der Rechtsanwalt einen Schriftsatz einreicht, ohne die bereits erfolgte Rücknahme zu kennen oder kennen zu müssen, bejaht (vgl. VGH Mannheim NVwZ-RR 1998, 342 f.; Olbertz in Schoch/Schneider/Bier VwGO [Stand: Juni 2016] § 162 Rn. 46).

23

(3) Nichts anderes gilt für § 80 Satz 1 FamFG. Auch im Rahmen dieser Vorschrift sind Aufwendungen der Beteiligten als notwendig anzusehen, wenn ein verständiger und wirtschaftlich vernünftiger Beteiligter die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Vornahme als sachdienlich ansehen durfte, wobei der Grundsatz sparsamer Verfahrensführung gilt (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2015, 1743 f.; BeckOK FamFG/Nickel [Stand: 1. Dezember 2016] § 80 Rn. 7; Horndasch/Viefhues FamFG 3. Aufl. § 80 Rn. 21; Kemper/Schreiber Familienverfahrensrecht 3. Aufl. § 80 FamFG Rn. 35; Prütting/Helms/Feskorn FamFG 3. Aufl. § 80 Rn. 3a; Hk-ZPO/Kemper 7. Aufl. § 80 FamFG Rn. 5; Wittenstein in Bahrenfuss FamFG 2. Aufl. § 80 Rn. 9; Zöller/Feskorn ZPO 31. Aufl. § 80 FamFG Rn. 3; so zu § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO auch BGHZ 166, 117 = NJW 2006, 2260 Rn. 20 und BGH Beschluss vom 16. Oktober 2002 - VIII ZB 30/02 - FamRZ 2003, 441, 443). Soweit in Rechtsprechung und Literatur sprachlich hiervon abweichend darauf abgestellt wird, dass die Kosten nach der allgemeinen Verkehrsauffassung objektiv aufzuwenden sein müssten (vgl. OLG Nürnberg FamRZ 2012, 735; Keidel/Zimmermann FamFG 19. Aufl. § 80 Rn. 5; MünchKommFamFG/Schindler 2. Aufl. § 80 Rn. 10; Müther in Bork/Jacoby/Schwab FamFG 2. Aufl. § 80 Rn. 6), begründet dies keinen sachlichen Unterschied. Denn die allgemeine Verkehrsauffassung steht insoweit für den „verobjektivierten“ Standpunkt des verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Beteiligten. Maßstab für die Erstattungsfähigkeit nach § 80 Satz 1 FamFG ist mithin kein rein objektiver. Die Frage, ob vom Antrags- oder Rechtsmittelgegner trotz bereits erfolgter Rücknahme verursachte Kosten notwendige Aufwendungen im Sinne des § 80 Satz 1 FamFG sind, ist nicht aufgrund der objektiven Verfahrenssituation, sondern von diesem "verobjektivierten" Standpunkt aus zu beantworten.

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(a) Den Kostenbestimmungen der §§ 80 ff. FamFG liegt ein anderes Regelungskonzept als den §§ 91 ff. ZPO zugrunde. Während nach der Zivilprozessordnung die Kostenlast regelmäßig dem jeweiligen Obsiegen oder Unterliegen folgt, haben die §§ 80 ff. FamFG in viel stärkerem Maße den Einzelfall und dabei, wie § 81 Abs. 2 FamFG belegt, subjektive Elemente der schuldhaften Kostenverursachung im Blick. Dies gewinnt nicht nur für die Kostengrundentscheidung, sondern auch für das Verständnis des Begriffs der Notwendigkeit in § 80 Satz 1 FamFG Bedeutung. Darf ein Beteiligter nach den Informationen, die ihm zur Verfügung stehen oder zumindest stehen müssten, bei verständiger und wirtschaftlich vernünftiger, eine sparsame Verfahrensführung berücksichtigenden Herangehensweise davon ausgehen, dass eine Maßnahme sachdienlich ist, so erwächst ihm aus der Vornahme der Maßnahme kein Vorwurf. So aber verhält es sich, wenn er als Antrags- oder Rechtsmittelgegner davon ausgeht und ausgehen darf, sich in einem Verfahren zur Wehr setzen zu müssen. Eine Rücknahme, die er weder kennt noch kennen muss, hat hierauf keinen Einfluss. Veranlasser ist vielmehr letztlich allein der Antragsteller oder Rechtsmittelführer.

25

Jedenfalls im Rahmen des § 80 FamFG wäre es im Gegenteil systemfremd und auch unbillig, dem Antrags- oder Rechtsmittelgegner, der auf den Rücknahmezeitpunkt keinen Einfluss hat, einen verfahrensrechtlichen Kostenerstattungsanspruch zu versagen, wenn er bei Verursachung der Kosten auch vom Standpunkt eines verständigen und wirtschaftlich vernünftigen, auf Kostengeringhaltung bedachten Beteiligten von der Notwendigkeit dieser Kosten ausgehen durfte.

26

(b) Zu keinem anderen Ergebnis führt bei § 80 FamFG die Überlegung, bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Maßnahme im Kostenfestsetzungsverfahren, das auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Rechtsfragen des Kostenrechts zugeschnitten ist, sei eine typisierende Betrachtungsweise geboten. Vor diesem Hintergrund sei es wenig sinnvoll, das Verfahren durch eine übermäßige Differenzierung der Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit und insbesondere durch die - unter Umständen aufwändige - Prüfung subjektiver Kriterien ("unverschuldete Unkenntnis" von Beteiligtem und Verfahrensbevollmächtigtem) zu belasten (vgl. BGHZ 209, 120 = FamRZ 2016, 900 Rn. 11; BGH Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB 39/06 - NJW-RR 2007, 1575 Rn. 17). Im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 85 FamFG, §§ 103 bis 107 ZPO muss ohnehin stets eine Einzelfallprüfung danach erfolgen, ob notwendige Aufwendungen im Sinne des § 80 FamFG vorliegen. Dies gilt auch für Rechtsanwaltskosten, weil es an einer § 91 Abs. 2 ZPO entsprechenden Norm fehlt. Die für den Ausnahmefall der vor Kostenverursachung erfolgten Rücknahme erforderliche Prüfung, ob eine unverschuldete Unkenntnis des Antrags- oder Rechtsmittelgegners vorliegt, bedeutet in diesem Zusammenhang keine Überfrachtung des Kostenfestsetzungsverfahrens.

27

b) Der Senat kann die Notwendigkeit der vom Antragsgegner geltend gemachten Rechtsanwaltskosten nicht selbst beurteilen. Insoweit fehlt es bereits an ausreichenden Feststellungen zur Schwierigkeit der Sache (vgl. etwa OLG Nürnberg FamRZ 2012, 735; Keidel/Zimmermann FamFG 19. Aufl. § 80 Rn. 28; MünchKommFamFG/Schindler 2. Aufl. § 80 Rn. 11; Schulte-Bunert/Weinreich/Keske FamFG 5. Aufl. § 80 Rn. 50). Diese wird das Oberlandesgericht nun zu treffen haben.

Dose      

        

Klinkhammer      

        

Schilling

        

Botur      

        

Guhling      

        

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)