I. Die Parteien streiten um die Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten für eine Rechtsverteidigung.
Mit Schriftsatz vom 16.07.2015 beantragte die Antragstellerin eine einstweilige Anordnung, wonach ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind übertragen wird; gleichzeitig begehrte sie hierfür Verfahrenskostenhilfe.
Das Amtsgericht vermisste zunächst substantiierten Sachvortrag und sah auch die Voraussetzungen für eine Gewährung von Verfahrenskostenhilfe nicht gegeben, bestimmte am 09.09.2015 aber doch einen Termin zur Anhörung; gleichzeitig verfügte es die Zustellung der Antragsschrift an den Antragsgegner, der diese am 12.09.2015 erhielt.
Mit Schreiben vom 14.09.2015, per Telefax bei Gericht am selben Tag eingegangen, nahm die Antragstellerin ihren Antrag zurück. Der Amtsrichter verfügte am 15.09.2015 die Übermittlung dieses Schriftsatzes an den Antragsgegner, am 16.09.2015 die Abladung. Die Verfügungen wurden am 21.09.2015 ausgeführt.
Am 23.09.2015 ging beim Amtsgericht ein Schriftsatz der vom Antragsgegner zwischenzeitlich beauftragten Verfahrensbevollmächtigten vom 22.09.2015 ein, mit dem Antrag entgegengetreten und dessen Zurückweisung beantragt wurde; der Schriftsatz enthält auch eine nähere Begründung.
Entsprechend dem Antrag des Antragsgegners vom 25.11.2015 legte das Amtsgericht mit Beschluss vom 16.12.2015 aufgrund der Rücknahme der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auf. Mit Festsetzungsgesuch vom 20.01.2016 machte der Antragsgegner die Kosten seiner Verfahrensbevollmächtigten geltend, wobei er eine 1,3 Verfahrensgebühr nebst Pauschale und Mehrwertsteuer ansetzt.
Auf Einwendungen der Antragstellerin hiergegen wiesen die Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners darauf hin, der Rücknahmeschriftsatz vom 14.09.2015 sei ihnen erst am 29.09.2015 zugestellt worden. Nachdem man keinerlei Kenntnis von der Antragsrücknahme gehabt habe, sei damit eine 1,3 Verfahrensgebühr erstattungsfähig.
Die Rechtspflegerin entsprach dem mit dem angefochtenen Beschluss unter Verweis darauf, die Antragsgegnervertreter hätten von der Rücknahme erst am 29.09.2015 Kenntnis erlangt.
Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, die diese im Wesentlichen damit begründet, zum Zeitpunkt der Beauftragung der Antragsgegnervertreter habe sie ihren Antrag bereits zurückgenommen; die Mandatierung sei damit objektiv nicht mehr erforderlich gewesen, auf eine entsprechende Unkenntnis der Beklagtenseite komme es nicht an. Eine Tätigkeit seiner Rechtsanwälte schon vor der Rücknahme habe der Antragsgegner nie behauptet.
Die gem. §§ 85 FamFG, 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg; entgegen dem - eine Rechtsmitteleinlegung betreffenden - Beschluss des BGH vom 25.02.2016 - III ZB 66/15 kann die Unkenntnis von der Rücknahme auf Beklagtenseite nicht übergangen werden.
1. Nach der Kostengrundentscheidung im Beschluss des Amtsgerichts vom 16.12.2015 hat die Antragstellerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen; festzusetzen sind die im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO „notwendigen“ Aufwendungen. Nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind dabei die Gebühren des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei grundsätzlich zu erstatten; diese Kosten sind damit einer Überprüfung auf Notwendigkeit entzogen und gelten unabhängig von den konkreten Umständen stets als zweckentsprechend verursacht (vgl. BGH, Beschl. v. 20.05.2014 - VI ZB 9/13 Tz 9; Musielak-Flockenhaus, ZPO, 13. Aufl., § 91 Rn. 11 ff.; Hansens, RVGreport 16, 186, 188 li. Sp. unter V. 1.).
2. Nach dem zitierten Beschluss des BGH vom 25.02.2016 sollen dagegen nur solche Maßnahmen notwendig im genannten Sinne sein, die „im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen“, s. a. a. O., Tz 8 m. w. N..
a) Konkret sei auf die Vornahme der kostenverursachenden Handlung abzustellen. Entscheidend sei, ob die Maßnahme objektiv noch erforderlich war oder nicht, auf eine - verschuldete oder unverschuldete - Unkenntnis des Rechtsmittelbeklagten von der Berufungsrücknahme komme es nicht an. Die „subjektive Unkenntnis“ des Rechtsmittelgegners sei nicht geeignet, die Erstattungsfähigkeit der Kosten für eine objektiv nicht erforderlich Handlung zu begründen. Im Rahmen der Prüfung der Notwendigkeit von Kosten sei die „objektive Sicht“ einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei maßgeblich, die das Gebot sparsamer Prozessführung im Blick habe (a. a. O., Tz 10). Der Rechtsmittelbeklagte könne eine bestehende Ungewissheit, ob das Rechtsmittel bereits zurückgenommen sei, gegebenenfalls durch eine telefonische Nachfrage bei Gericht rasch und problemlos klären.
b) Geht man hiervon aus, müsste man auch bei vorliegender Konstellation der Argumentation des BGH und der Antragstellerin folgen und rein auf die Rücknahme an sich abstellen:
Der Rücknahmeschriftsatz ging bereits am 14.09.2015 bei Gericht ein - darauf, dass er dem Antragsgegner frühestens am 22.09.2015 zugestellt wurde und dessen Anwälte bei Entgegennahme des Mandates und Fertigung ihres Erwiderungsschriftsatzes vom 22.09.2015 tragen (wobei nach der ohne Weiteres glaubhaften Mitteilung der Antragsgegnervertreter vom 29.08.2016 ersichtlich nicht davon auszugehen ist, dass diese bereits vor Eingang der Rücknahme bei Gericht beauftragt und tätig geworden wären; dies wäre auch nicht plausibel, denn der Antragsgegner erhielt den Antrag am 12.09.2016 und bereits am 14.09. ging bei Gericht die Rücknahme ein; ohne vernünftigen Zweifel ist daher davon auszugehen, dass die Beauftragung der Antragsgegnervertreter erst nach der Rücknahme - und in Unkenntnis derselben - erfolgte).
3. Die, einer Mindermeinung entsprechende, Ansicht des BGH (vgl. Hansens, a. a. O., 188), ist nach Auffassung des Senates von der Begründung wie auch insbesondere von der Wertung her nicht einleuchtend bzw. tragbar.
Sie widerspricht direkt der - vom BGH nicht erwähnten - Rechtsprechung des BAG - vgl. Beschl. v. 18.04.2012 - 3 AZB 22/11 Tz 10: Bei Unkenntnis der zwischenzeitlichen Zurückweisung des Rechtsmittels durften die Anwälte des Rechtsmittelgegners die Fertigung eines Erwiderungsschriftsatzes für erforderlich halten. Nach ganz herrschender Meinung sind die Aufwendungen für einen in derartigen Fällen zur Rechtsverteidigung eingeschalteten Anwalt erstattungsfähig, wenn bei dessen Beauftragung bzw. Tätigkeit weder der Beklagte noch der Anwalt Kenntnis von einer zwischenzeitlich erfolgten Rücknahme der Klage oder des Rechtsmittels hatte (zuletzt etwa OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.10.2014 - 9 W 18/14; OLG Frankfurt, Beschl. v. 06.10.2014 - 5 WF 235/14; OLG Hamburg, Beschl. v. 09.07.2013 - 8 W 62/13; OLG Hamm, Beschl. v. 22.10.2012 - II - 6 WF 103/12; Senat, Beschl. v. 15.01.2016 - 11 W 58/16; v. 27.02.2015 - 11 W 302/15; Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, 22. Aufl., Anh. XIII Rn. 46; Hansens, a. a. O., 188; ders., RVGReport 14, 95, 97, ebenso Zöller-Herget, ZPO, 31. Aufl. § 91 Rn. 13, unter „Berufung“ bzw. „Klagerücknahme“).
a) Bereits sprachlich unklar ist der Ausgangspunkt des BGH, wonach notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur Kosten sein sollen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme „objektiv erforderlich... erscheinen“. Entweder man stellt - ausschließlich - auf die objektive Erforderlichkeit ab; dann spielt die Sichtweise einer verständigen, wirtschaftlich vernünftigen oder sonstigen Partei keine Rolle, weil es nur darauf ankommt, ob sich irgendwo bei Gericht ein Rücknahmeschriftsatz befindet oder nicht.
Oder man hält die Sicht einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen, das Gebot der Kostenschonung beachtenden, Partei für maßgeblich. Dann kann die Frage nur lauten, ob diese Partei von der Rücknahme weiß oder nicht. Kennt sie die Rücknahme, ist - sogar wohl für eine nur bedingt wirtschaftlich denkende Partei - die Beauftragung eines Anwaltes nicht mehr erforderlich (und für diesen auch nicht die kostenerhöhende Stellung eines Zurückweisungsantrages). Nur wenn die verständige und wirtschaftlich wäre (bei Rechtsmitteln etwa wegen der ausdrücklichen Bitte um ein sog. „Stillhalten“). Dies alles, obwohl § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Aufwendungen für einen Rechtsanwalt als grundsätzlich notwendig erachtet.
Unklar (für den mit der Kostenfestsetzung befassten Rechtspfleger) ist weiter, was mit „subjektiver Unkenntnis“ (Beschl. v. 25.02.2016, a. a. O., Tz 10) gemeint sein soll.
Zutreffend führt das OLG Saarbrücken, a. a. O., insoweit aus, die Kostenerstattung richte sich grundsätzlich nicht nach einem streng objektiven Maßstab, sondern danach, ob eine verständige und kostenbewusst handelnde Partei die Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Vornahme als sachdienlich ansehen durfte; das Abstellen auf einen rein objektiven Maßstab ist danach etwas anderes als die - subjektive - Beurteilung einer verständigen, kostenbewussten Partei.
b) Entscheidend für den Senat ist in besonderer Weise aber die vom BGH vorgenommene Wertung:
Die mit einer Klage oder einem Rechtsmittel überzogene Partei soll das volle Kostenrisiko tragen für den Fall, dass diese Prozesshandlungen - zu einem von ihr nicht beeinflussbaren Zeitpunkt - zurückgenommen werden.
aa) Der Antragsgegner wurde hier mit einem Antrag auf einstweilige Anordnung konfrontiert, was ihn naheliegenderweise dazu bewogen hat, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH darf die mit einem Rechtsmittel überzogene Partei (sogar bereits vor dessen Begründung) einen Rechtsanwalt beauftragen und die entstandenen Kosten im Falle ihres Obsiegens vom Gegner erstattet verlangen (vgl. zuletzt etwa BGH, Beschl. v. 23.10.2013 - VZB 143/12 Tz 8; Beschl. v. 19.09.2013 - IX ZB 160/11 Tz 7 ff.; Beschl. v. 06.12.2007 - IX ZB 223/06 Tz 10); in der Regel wird die Partei nämlich nicht in der Lage sein zu beurteilen, was zur Verteidigung sachgerecht zu veranlassen ist und ihr ist nicht zuzumuten, zunächst die weiteren Entschließungen des anwaltlich vertretenen Berufungsklägers abzuwarten.
bb) Dazu passt es schlechterdings nicht, der Partei dennoch das diesbezügliche Kostenrisiko aufzuerlegen; wenn sie schon einen Anwalt hinzuziehen „darf“, dann kann das nur bedeuten, dass dessen Kosten auch erstattungsfähig sein müssen.
Dementsprechend führt der BGH in dem zitierten Beschluss vom 19.09.2013 ausdrücklich aus, so lange noch unsicher sei, ob eine Berufung durchgeführt werde, sei die Beauftragung eines Anwaltes für die Berufungsinstanz zwar objektiv nicht erforderlich - die Kosten eines gleichwohl beauftragten Anwalts seien jedoch zu objektive Erforderlichkeit abgestellt, sondern darauf, was eine Partei in einer bestimmten Situation als notwendig betrachtet. Damit steht der Beschluss vom 25.02.2016 nicht in Einklang.
c) Soweit der BGH die Ansicht vertritt, eine bestehende Ungewissheit, ob ein Rechtsmittel - für den vorliegenden Antrag kann nichts Abweichendes gelten - eventuell bereits zurückgenommen ist, könne durch eine (telefonische) Nachfrage bei Gericht rasch und problemlos geklärt werden, erscheint dies bedenklich und praxisfremd:
Selbst den Fall unterstellt, dass der Anwalt die zuständige Mitarbeiterin der Geschäftsstelle erreicht, diese die Akten auf das Vorliegen eines Rücknahmeschriftsatzes hin überprüft und dessen Fehlen mitteilt, bedeutet dies keine Gewissheit.
Überzeugend weist Hansens (RVGreport 16, 186, 188) darauf hin, ein solcher Schriftsatz könne auch kurz vor oder während des Telefongespräches eingegangen sein bzw. gerade eingehen.
Das entsprechende Risiko läge immer beim Gegner der zurücknehmenden Partei - der aber auf den Zeitpunkt einer Rücknahmeerklärung ebenso wenig Einfluss hat wie auf den der Weiterleitung durch das Gericht; das erscheint nicht angemessen.
cc) Demgegenüber hat es ein Rechtsmittelführer (bzw. hatte es hier z. B. die Antragstellerin), gewissermassen als „Veranlasser“, selbst ohne Weiteres in der Hand, den Gegner frühzeitig „bösgläubig“ zu machen, indem die Rücknahme dem Gegner oder dessen Anwalt frühzeitig mitgeteilt wird (Hansens, RVGreport 14, 95, 98; OLG Frankfurt, a. a. O., Tz 9).
Umgekehrt müsste dieser zur Vermeidung des Kostenrisikos noch vor Beauftragung eines Anwaltes beim Kläger/Rechtsmittelführer anrufen und fragen, ob nicht etwa eine Rücknahme erfolgt sei (er seinen Antrag also noch ernst meine); auch der Anwalt müsste dies, vorzugsweise noch vor Entgegennahme der - die Verfahrensgebühr auslösenden - Information und gegebenenfalls nochmals vor Fertigung eines Schriftsatzes mit einem Sachantrag (da ein solcher die Gebühr von 0,8 auf 1,3 erhöht, siehe Nrn. 3100/3101 bzw. 3200/3201 VV-RVG).
4. Richtig ist demnach, mit dem BAG - nur - auf die Sichtweise einer wirtschaftlich denkenden und das Gebot der Kostengeringhaltung beachtenden Partei abzustellen:
Weiß diese (unverschuldet) nichts von einer zwischenzeitlich erfolgten Rücknahme - weil der Kläger oder Rechtsmittelführer es nicht für nötig befunden hat, die Gegenseite sogleich zu informieren -, ist Erstattungsfähigkeit anzunehmen (für den Sonderfall einer Schutzschrift).
Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, insbesondere weil das BAG ausdrücklich auf eine Kenntnis abstellt und der vorliegende Beschluss von dem des BGH vom 25.02.2016 abweicht.