Oberlandesgericht München Beschluss, 30. Nov. 2016 - 10 U 1006/16

bei uns veröffentlicht am30.11.2016
vorgehend
Landgericht München I, 26 O 2152/14, 02.02.2016

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers vom 07.03.2016 gegen das Endurteil des LG München I vom 02.02.2016 durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 II 1 ZPO wegen offensichtlich fehlender Erfolgsaussicht zurückzuweisen.

Weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 f. [2419]; BGH NJW-RR 2014, 505) noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG, a.a.O. [2419]) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG, a.a.O. [2420]; BGH NJW 2003, 1943) erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 522 II 1 Nr. 1-3 ZPO); eine solche ist auch nicht aus sonstigen Gründen geboten (§ 522 II 1 Nr. 4 ZPO).

2. Es wird hiermit Gelegenheit zur Stellungnahme zu der beabsichtigten Entscheidung binnen eines Monats ab Zustellung dieses Beschlusses gegeben (§ 522 II 2 ZPO). Der Hinweis nach § 522 II 2 ZPO dient nicht der Verlängerung der gesetzlichen Berufungsbegründungsfrist (OLG Koblenz NJOZ 2007, 698); neuer Sachvortrag ist nur in den Grenzen der §§ 530, 531 II 1 ZPO zulässig (BGHZ 163, 124 = NJW 2005, 3067), wobei die Voraussetzungen des § 531 II 1 ZPO glaubhaft zu machen sind (§ 531 II 2 ZPO).

3. Nach Sachlage wird zur Vermeidung unnötiger weiterer Kosten die Rücknahme der Berufung binnen dieser Frist empfohlen (in diesem Fall ermäßigt sich gem. Nr. 1222 Satz 2 KV-GKG die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen von 4,0 auf 2,0).

4. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 104.212,83 € festzusetzen.

Gründe

I.

Eine mündliche Verhandlung ist nicht gemäß § 522 II 1 Nr. 4 ZPO geboten. Eine „existentielle Bedeutung“ des Rechtsstreits für den Berufungsführer aufgrund der Natur des Rechtsstreits ist vorliegend nicht ersichtlich: Der Rechtsstreit betrifft - in der Hauptsache - verzinste Ersatzansprüche wegen Verdienstausfallschäden aus einem Jahrzehnte zurückliegenden Verkehrsunfall. Eine solche Bedeutung folgt auch nicht aus der Höhe der noch in Streit befindlichen Beträge, denn eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Berufungsführers (etwa OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 30.08.2012 - 21 U 34/11 [juris, dort Rz. 4) ist weder vorgetragen, noch ersichtlich. Im Übrigen ist eine solche Gefährdung auszuschließen, weil der Berufungsführer tatsächlich über die Jahre 2009 bis 2013 Ersatzleistungen wie Erwerbsminderungsrente und Arbeitslosengeld, zum Teil auch Erwerbseinkommen, bezogen hat.

II.

Die Berufung ist auch offensichtlich unbegründet (§ 522 II 1 Nr. 1 ZPO).

1. Eine offensichtliche Unbegründetheit ist gegeben, wenn für jeden Sachkundigen ohne längere Nachprüfung, insbesondere ohne erneute Beweiserhebungen, erkennbar ist, dass die vorgebrachten - und zu berücksichtigenden (§ 513 I ZPO) – Berufungsgründe das angefochtene Urteil nicht zu Fall bringen können (zur Offensichtlichkeit: BVerfG EuGRZ 1984, 442; BVerfGE 82, 316).

2. Dem Senat ist es nicht verwehrt, auf der Grundlage der erstinstanzlichen tatsächlichen Feststellungen ergänzende, das angefochtene Urteil weiter rechtfertigende oder berichtigende Erwägungen anzustellen (OLG Koblenz, Beschluss vom 16.02.2012 - 10 U 817/11 [juris, dort Rz. 28]; OLG Hamm VersR 2013, 604; OLG Stuttgart v. 05.03.2012 - 13 U 24/12 [juris]; OLG Düsseldorf v. 10.04.2012 - 2 U 3/10 [juris]; OLG Köln v. 20.04.2012 - 5 U 139/11 [juris]; KG v. 09.07.2012 - 23 U 71/12 [juris]).

3. Der Senat nimmt zunächst auf die angefochtene, ausreichend begründete Entscheidung des LG München I Bezug, die ein nicht zu beanstandendes Ergebnis gefunden und die entscheidungserheblichen Punkte rechtsfehlerfrei beurteilt hat.

2. Soweit die Begründung des Ersturteils für unzulänglich, bedenklich oder unrichtig angesehen werden könnte, hätte sich dies unter keinen Umständen zu Lasten des Berufungsführers ausgewirkt.

a) Dem Erstgericht sind entscheidungserhebliche Fehler bei der Tatsachenfeststellung (s. Senat, Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 4733/14 [BeckRS 2015, 13736]) nicht unterlaufen, deswegen ist der Senat hieran nach § 529 I Nr. 1 ZPO für das weitere Verfahren gebunden. Eine solche Bindung entfiele nur dann, wenn diese Feststellungen offensichtlich lückenhaft, widersprüchlich oder unzutreffend wären (BGH WM 2015, 1562), und somit konkrete Anhaltspunkte Zweifel an deren Richtigkeit oder Vollständigkeit wecken würden (BGH NJW 2003, 3480).

Der Kläger erklärt ausdrücklich, lediglich die fehlerhafte Anwendung sachlichen Rechts (§§ 546, 513 I 1. Alt. ZPO) zu rügen (BB 3, 11 = Bl. 99, 107 d. A.), stellt jedoch auch Behauptungen auf, die von erstinstanzlichen Feststellungen abweichen oder diesen widersprechen. Dabei vermag er keine Anhaltspunkte aufzuzeigen, die erneute, erweiterte oder ergänzende Feststellungen gebieten könnten: Einerseits ist eine allgemein ersetzende Bezugnahme auf erstinstanzliches Vorbringen (BB 13 = Bl. 109 d. A.) weder nützlich, noch statthaft (BGH, NJW 2004, 66; NJW 1998, 602; NJW 1994, 1481; NJW 1961, 1458; Doukoff, Zivilrechtliche Berufung, 5. Aufl. 2013, Rz. 860). Denn zeitlich vor dem Ersturteil liegender Sachvortrag kann schon denkgesetzlich die gebotene und von § 520 III 2 ZPO geforderte Auseinandersetzung mit der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des vorinstanz-lichen Urteils nicht bieten. Andererseits ist regelmäßig und auch im Streitfall nicht zielführend, die erstinstanzlichen Feststellungen widerzuspiegeln (BB 2/3 = Bl. 98/99 d. A.), ohne unter Beachtung berufungsrechtlicher berufungsrechtlicher Grundsätze (§§ 529 I Nr. 1, 520 III 2 Nr. 3 ZPO) Fehler oder Mängel zu begründen.

Anhaltspunkte für zu beanstandende tatsächliche Feststellungen haben sich auch nicht aufgrund der etwa vom Senat von Amts wegen vorzunehmenden (so BGH [V. ZS] NJW 2004, 1876; [VI. ZS] NJW 2014, 2797) Überprüfung ergeben.

aa) Der Kläger trägt vor, er habe das Arbeitsverhältnis bei der Firma N.S. N. GmbH & Co. KG weder gekündigt, noch aufgrund einer eigenverantwortlichen Entscheidung für ein neues Berufsziel verloren (BB 7 = Bl. 103 d. A.). Diese Behauptung ergänzt er durch Einzelheiten, die einen drohenden Verlust nicht nur seines Arbeitsplatzes in Düsseldorf, sondern auch seiner Beschäftigung insgesamt begründen sollen. Insbesondere sei der Arbeitgeber zur betriebsbedingten Kündigung des Klägers berechtigt gewesen (BB 8 = Bl. 104 d. A.). Wegen des unsicher gewordenen Arbeitsplatzes habe sich der Kläger um eine Stelle als Mobilfunkingenieur beim Landesamt für Polizeiliche Dienste im Bundesland N. beworben, und nach einer Zusage den von der Firma N. S. angebotenen Aufhebungsvertrag abgeschlossen. Der in diesem Vertrag angegebene Grund sei jedoch unwahr gewesen (BB 9 = Bl. 105 d. A.).

(1) Hierzu lautet der unstreitige Tatbestand des Ersturteils: „Im Jahr 2008 erhielt der Kläger von N. S. N. das Angebot, beruflich nach München zu wechseln und vom Standort München aus international für das Unternehmen tätig zu sein. Der Kläger lehnte dieses Angebot ab und schloss stattdessen mit N. S. einen Auflösungsvertrag zum 31.08 2008“. Dieser Vertrag wird teilweise im Wortlaut wiedergegeben und enthält den Satz: „… da Sie die durch … angebotene Einsatzmöglichkeit nicht mit der Betreuung Ihres Kindes vereinbaren können und sie das Arbeitsverhältnis beenden müssen“ (EU 3 = Bl. 67 d. A.). Dagegen enthält das streitige Klägervorbringen hierzu nur die allgemeine Aussage: „Die nachfolgenden Wechsel der Berufstätigkeiten seien nur zustande gekommen, weil er durch den Unfall aus einer Tätigkeit als Werksfeuerwehrmann herausgeworfen worden sei“ (EU 4 = Bl. 68 d. A.).

Die Entscheidungsgründe des Ersturteils (EU 8 = Bl. 72 d. A.) leugnen sowohl einen Zusammenhang zwischen dem Ausscheiden des Klägers bei N. S. und dem Unfall, als auch einen Zusammenhang zwischen dem Ausscheiden und einem ohnehin drohenden oder bevorstehenden Arbeitsplatzverlust („Insoweit ist beachtlich, dass schon das Ausscheiden des Klägers bei N. S. N. auf dessen familiärer Situation und dem Bedürfnis, bei der Kinderbetreuung tätig zu werden, gründet und deshalb nicht in einem inneren Zusammenhang mit den Unfallfolgen steht“).

(2) Das Berufungsvorbringen steht somit in einem entscheidenden und unvereinbaren Gegensatz zu den tatbestandlichen Feststellungen des Ersturteils, auch soweit diese - wie der Kläger meint (BB 7 = Bl. 103 d. A.) - in den Entscheidungsgründen enthalten seien (BGH NJW 2000, 3007; Musielak in Münchener Kommentar zur ZPO. 5. Aufl. 2016, § 314, Rn. 3).

> Somit stellen die Darlegungen des Klägers Angriffe gegen die tatbestandlichen Darstellung des Ersturteils (BGH NJW 2011, 3299, unter II 1 a) dar, solche Angriffe sind jedoch unstatthaft, weil der Tatbestand des Ersturteils den für das Berufungsgericht nach § 529 I Nr. 1 ZPO maßgeblichen Sachverhalt bestimmt(Senat in st. Rspr., zuletzt etwa r+s 2010, 434; zur negativen Beweiskraft des Tatbestands: BGH NJW 1981, 1848; 1983, 885; 1984, 2463; NJW-RR 1990, 1269; anders, aber nicht überzeugend und unter Vermeidung einer Vorlage nach §§ 132 GVG, 2 RsprEinhG: NJW 2004, 1876). Mit der Berufung kann eine Tatbestandsberichtigung nicht herbeigeführt werden, (BGH NJW-RR 2010, 975), das hierfür vorgesehene und notwendige Tatbestandsberichtigungsverfahren gemäß § 320 ZPO ist ersichtlich unterlassen worden.

> Deswegen hat der Senat den Tatbestand des Ersturteils zugrunde zu legen (BGH r + s 2003, 522), auch soweit er die Vorstellungen des Klägers nicht enthält. Somit ist bindend festgestellt, dass das Ausscheiden des Klägers bei der Firma

> N. S. auf familiären Umständen beruhte und nicht in einem inneren Zusammenhang mit den Unfallfolgen stand. Folglich waren diese Fragen nicht beweisbedürftig und nicht beweiserheblich. Zweifel hieran können aus Rechtsgründen nicht darauf gestützt werden, dass der Tatbestand des Ersturteils (auch) auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug nimmt (EU 5 = Bl. 69 d. A.), denn ausdrückliche Feststellungen im Tatbestand gehen den in Bezug genommenen Schriftsätzen (§ 313 II 2 ZPO) vor, jedenfalls wenn -wie im Streitfall - (nur) allgemein verwiesen wird (BGH NJW 1999, 1339; NJW 2002, 3478; NJW-RR 2007, 1434; NJW 2011, 3294; Musielak in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 314, Rn. 4, 5).

> Die Beweiskraft des Tatbestands bezieht sich auch auf die gestellten Anträge, insbesondere Beweisanträge, wobei eine Abweichung von den in den Schriftsätzen angekündigten Anträgen ergibt, dass die Parteien diese fallen ließen (Elzer in Beck'scher Online-Kommentar ZPO, 22. Edition, Stand: 01.09.2016, § 314 ZPO, Rn. 14; § 313 ZPO, Rn. 61; s.a. BGH NZG 2015, 1432; NJW-RR 2013, 1334; Urt. v. 19.11.2013 -II ZR 149/12 [BeckRS 2014, 05160]; NJW 2013, 2361; OLG München, Beschluss vom 22.04.2009 - 5 U 5552/07 [BeckRS 2012, 24148]).

(3) Darüber hinaus hält der Senat dieses Klägervorbringen für neu, jedoch unter Anwendung der Präklusionsvorschriften für nicht berücksichtigungsfähig. In erster Instanz hatte der Kläger insoweit lediglich vorgetragen, dass

> ein Zusammenschluss der Firmen S. und N. mit erheblichen Personaleinsparungen verbunden und auch der Kläger gefährdet gewesen sei, und er somit einer eventuellen Entlassung habe zuvorkommen wollen (Klageschrift v. 01.10.2014, S. 3 = Bl. 12 d. A.),

> sein möge, dass er bei N. S. aus eigenem Antrieb zum 31.08.2008 gekündigt habe, weil er dort keine persönliche Zukunft mehr gesehen habe und vielleicht später mit einer Kündigung hätte rechnen müssen. Erst danach habe er sich an die Landespolizei gewandt (Schriftsatz v. 05.11.2015, S. 5 = Bl. 38 d. A.),

> eine betriebliche Kündigung durch N. S. angestanden sei, weil er den Firmensitzwechsel nicht mit einem Umzug nach München mitgehen haben wollen (Schriftsatz v. 05.11.2015, S. 7 = Bl. 40 d. A.),

> eine tatsächlich gezahlte Abfindung ein Indiz für eine bevorstehende Kündigung bilde (Schriftsatz v. 05.11.2015, S. 8 = Bl. 41 d. A.).

Dagegen hat der Kläger auf den ausdrücklichen, von ihm selbst gewünschten und gerade auf den Verlust der Beschäftigung bei N. S. gerichteten Hinweis des Erstgerichts (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 22.12.2015, S. 2 = Bl. 54 d. A.) nicht geantwortet, obwohl zu anderen Gegenständen durchaus Stellung genommen wurde (Bl. 57/62, 62/63 d. A.). Überdies versagt sich der Kläger jegliche Erörterung, warum er die in der Berufungsinstanz vorgebrachten, aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Tatsachen, Einzelheiten, Klarstellungen und Berichtigungen nicht schon in erster Instanz geltend gemacht habe. Deswegen ist ein unverständlich nachlässiges Prozessverhalten festzustellen, welches die erforderliche, von einem vernünftigen und auf sachgerechte Wahrung seiner Interessen bedachten Prozessbeteiligten zu fordernde Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt und dasjenige nicht beachtet, was im Streitfall jedem hätte einleuchten müssen. Mangels ersichtlicher oder auch nur denkbarer Ursachen kann das Versäumnis nur auf grober Nachlässigkeit beruhen, sodass der Kläger im Berufungsverfahren mit diesem neuen Vorbringen ausgeschlossen ist (§ 531 II 1 Nr. 3 ZPO).

bb) Der Kläger behauptet nochmals („weist noch einmal darauf hin“), dass

> er ohne den Unfall heute noch - als Feuerwehrmann - bei der Werksfeuerwehr der Firma T.K. S. AG beschäftigt wäre,

> insoweit ein sicherer Arbeitsplatz wie bei einer Beamtenstellung vorgelegen habe,

> die Firma gesetzlich und behördlich verpflichtet gewesen sei, eine solche Werksfeuerwehr an seinem Wohnsitzstandort zu unterhalten,

> er die notwendige Qualifikation mit dem Abschluss seiner Ausbildung hätte nachweisen können, und

> er die Tätigkeit bei der Werksfeuerwehr aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben habe oder habe aufgeben müssen, weil er aufgrund des Unfalls nicht mehr richtig laufen und auf Leitern habe klettern können (BB 6/7 = Bl. 102/103 d. A.).

(1) Der Tatbestand des Ersturteils sieht diese Tatsachen nicht als unstreitig an (EU 2/3 = Bl. 66/67 d. A.), weist jedoch im streitigen Klägervorbringen aus: Der Kläger machte geltend, er habe sich in Ausbildung zum Werksfeuerwehrmann befunden, ohne den Unfall wäre er bis heute bei T. K. beschäftigt, er habe die Tätigkeit bei der Werksfeuerwehr allein deswegen aufgegeben, weil er nach dem Unfall die körperlichen Herausforderungen nicht mehr habe bewältigen können (EU 3/4 = Bl. 67/68 d. A.). Zudem zeigt das streitige Klägervorbringen, dass dieser einen Besuch der Technikerschule als private Fortbildung beurteilt wissen wollte (EU 4 = Bl. 68 d. A.).

Die Entscheidungsgründe machen dagegen deutlich (EU 7/8 = Bl. 71/72 d. A.), dass diese Gesichtspunkte im Hinblick auf die langjährige Tätigkeit bei N. S. aus Rechtsgründen als für die Entscheidung nicht erheblich angesehen wurden.

(2) Der Senat trifft - anhand des in Bezug genommenen (EU 5 = Bl. 69 d. A.) Akteninhalts - folgende ergänzende Feststellungen:

> Der Sachvortrag des Klägers war insoweit unklar und widersprüchlich, als die unfallbedingten Verletzungen als ursächlich dafür bezeichnet wurden, dass der Kläger seine Ausbildung zum Feuerwehrmann habe abbrechen müssen, und bis zum Jahre 1995 als Kommunikationselektroniker bei der T. S. AG beschäftigt gewesen sei (Klageschrift v. 01.10.2014, S. 3 = Bl. 12 d. A.; Schriftsatz v. 05.11.2015, S. 1/2 = Bl. 34/35 d. A.). Dies lässt sich weder mit der Behauptung vereinbaren, er habe bis 1998 bei der T. S. l AG gearbeitet (Bl. 12 d. A.), noch mit einer vorgelegten Bescheinigung der T. S. AG (Anlage K 22) vom 31.03.1992, nach welcher der Kläger mit Wirkung vom 01.12.1991 als Feuerwehrmann in den Betrieb Werksicherheit/Werkfeuerwehr versetzt worden sei.

> Der Parteivortrag enthält keinerlei qualifizierende Unterlagen für die Behauptung, die einjährige Grundausbildung habe wegen der Unfallfolgen nicht abgeschlossen werden können (Schriftsatz v. 05.11.2015, S. 1 = Bl. 34 d. A.), und keine Erklärung dafür, warum er trotzdem als Feuerwehrmann beschäftigt und eingesetzt worden sei. Insbesondere eine weitere Bescheinigung vom 23.10.1992 (2. Anlage K 20) erklärt nicht, warum eine Ausbildung seit dem 02.11.1992, also seit einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt, bestätigt werden kann. Ebenso fehlen Belege, die die Aufgabe der Beschäftigung aus gesundheitlichen Gründen bestätigen, ein Schreiben des Betriebsärztlichen Dienstes vom 27.04.1994 (Anlage K 21) besitzt keine Aussagekraft, weil dieses lediglich begrenzte Tätigkeiten auflistet und allenfalls für die Dauer eines halben Jahres Gültigkeit beanspruchen kann. Zudem ist unklar, inwieweit die gesundheitlichen Einschränkungen einen Kommunikationselektroniker betroffen hätten, denn der Kläger erklärt ausdrücklich, er habe als Feuerwehrmann und nicht als Kommunikationselektroniker aufgeben müssen (Schriftsatz v. 05.11.2015, S. 4 = Bl. 37 d. A.).

> Im gleichen Schriftsatz (v. 05.11.2015, S. 5 = Bl. 38) trug der Kläger im Gegensatz zur vorigen Angabe vor und bot Beweis an, dass er auch als Kommunikationselektroniker nicht mehr bei der Firma T. S. AG habe bleiben können, wobei die vorgenannte Bescheinigung (Anlage K 21) ungeeignet war und andere Beweismittel nur vorsorglich angeboten wurden. Erst mit Schriftsatz vom 11.01.2016 (S. 2 = Bl. 58 d. A.) wurde hierfür Beweis durch Sachverständigengutachten angetreten.

> (3) Soweit die Darlegungen des Klägers bezwecken, den erstinstanz-lichen Tatbestand insoweit in Frage zu stellen, als eine Unfallur-sächlichkeit der gescheiterten Grundausbildung und darauf beruhenden Mehrverdienstes betreffen, können sie keinen zulässigen Angriff gegen die tatbestandliche Darstellung des Ersturteils (BGH NJW 2011, 3299, unter II 1 a) bilden. Ein solcher Angriff wäre nach den vorstehenden Erwägungen (II 3 a aa 2) unstatthaft. Somit enthalten die tatbestandlichen Feststellungen, woran der Senat gebunden ist, nicht, dass der Kläger die besondere Qualifikation als Werksfeuerwehrmann erreicht hätte oder unfallbedingt nicht erreicht hat, und deswegen etwa ein höheres als das fiktiv zugrunde gelegte Einkommen erreicht hätte.

Im Übrigen ist der erstinstanzliche Tatbestand insoweit widersprüchlich und lückenhaft. Dies ist jedoch für die Entscheidung ohne Bedeutung, weil das Landgericht aus Rechtsgründen seit der Aufgabe der Beschäftigung bei N. S. eine Unfallursächlichkeit des Erwerbsschadens verneint hat.

cc) Der Kläger macht geltend, die Gründe für die Kündigung der nach dem Ausscheiden bei N. S. angetretenen Stellung bei der Landespolizei seien ihm nicht bekannt, jedenfalls habe er für die Kündigung keinerlei rechtfertigendes Fehlverhalten geliefert, und gegen die Kündigung nichts unternehmen können (BB 10 = Bl. 106 d. A.).

(1) Der Tatbestand des Ersturteils weist im streitigen Klägervorbringens aus, dass der Kläger sämtliche berufliche Veränderungen, also auch die unstreitige Entlassung aus dem Polizeidienst während der Probezeit (EU 3 = Bl. 67 d. A.), als unfallbedingt beurteilt wissen wollte (EU 4 = Bl. 68 d. A.). Die Entscheidungsgründe des Erstgerichts enthalten die tatbestandliche Feststellung, dass der Kläger keine Umstände vorgetragen habe und keine Umstände ersichtlich geworden seien (EU 8 = Bl. 72 d. A.), dass seine Probezeitentlassung auf gesundheitlichen Beeinträchtigungen beruht habe.

(2) Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob der erstinstanzliche Tatbestand Lücken, Widersprüche oder Unrichtigkeiten aufweist (BB 10 = Bl. 13 d. A.), oder der Kläger eine unzulässige Tatbestandsrüge verfolgt. Nach Auffassung des Senats ist letzteres der Fall, denn nach dem Vorbringen des Klägers selbst im Berufungsverfahren will er gerade nicht behaupten, dass gesundheitliche Gründe ihm den Polizeidienst unmöglich gemacht hatten. Vielmehr ist der Textfassung „Die beruflichen Veränderungen beruhten auf den Unfallfolgen“ (EU 4 = Bl. 68 d. A.) lediglich in dem nachfolgend erläuternden Sinne zu verstehen, dass eine zusammenhängende Ursachenkette seit seinem Ausscheiden bei der Firma T. S. AG bis zu seiner letzten Erwerbstätigkeit bestehe. In diesem Sinne können die mit der Berufung geltend gemachten Umstände allenfalls als Hilfstatsachen dienen, beweisen jedoch schon denkgesetzlich nicht, dass jeder andere Grund als gesundheitliche Beeinträchtigungen für die Kündigung während der Probezeit ausgeschlossen sein müssen.

Deswegen ist in den Erwägungen der Berufung (BB 10 = Bl. 106 d. A.) ein unstatthafter Angriff auf den Tatbestand zu sehen, hinsichtlich der Begründung wird auf oben (II 3 a aa 2) verwiesen.

Im Übrigen ist der Senat, anders als das Erstgericht (EU 8 = Bl. 72 d. A.), der Auffassung, dass der Verlust der Arbeitsstelle bei der Landespolizei N. nicht entscheidungserheblich ist. Maßgeblich ist allein die zeitlich vorangehende Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit N. S., denn eine einmalige Unterbrechung des Ursachenzusammenhangs ist ausreichend, und wird durch einen nochmaligen gleichartigen Vorgang weder verstärkt, noch verändert.

b) Das Erstgericht hat auch die entscheidenden sachlich-rechtlichen Fragen zutreffend, frei von entscheidungserheblichen Rechtsfehlern und in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung beantwortet. Soweit der Kläger insoweit Einwände erhebt (BB 4/11 = Bl. 100/107 d. A.), beruhen diese auf einem Missverständnis der selbst angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (NJW 1991, 3275; NJW-RR 1991, 854). Der Senat tritt - nach Überprüfung und eigenständiger Bewertung -der erstgerichtlichen tatsächlichen und rechtlichen Würdigung insoweit uneingeschränkt bei, als im Streitfall der Ursachenzusammenhang zwischen dem schädigenden Unfallereignis und dem Verlust einer Erwerbstätigkeit seit dem und durch den Auflösungsvertrag vom 31.08.2008 unterbrochen wurde.

aa) Das Landgericht stützt die unstreitig bestehende Haftung der Beklagten dem Grunde nach auf eine vertragliche Anspruchsgrundlage (EU 6/7 = Bl. 70/71 d. A.), während der Kläger angesichts eines nur deklaratorischen Schuldanerkenntnisses die bisherige Haftungsgrundlage aus unerlaubter Handlung aufrecht erhalten wissen will (BB 4/5 = Bl. 100/101 d. A.).

Eine Entscheidung dieser Streitfrage hält der Senat für entbehrlich, weil hinsichtlich der sachlich-rechtlich entscheidenden Frage, nämlich einer Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs durch eine eigenverantwortliche Entscheidung des Geschädigten, keine unterschiedlichen Ergebnisse zu gewärtigen sind: Wenn die Aufgabe der Erwerbstätigkeit bei N. S. nicht als unmittelbare Ursache der unfallbedingten Verletzungen des Klägers gesehen werden kann, hat die Beklagte weder auf vertraglicher noch auf deliktischer Grundlage zu haften.

bb) Grundsätzlich ist ein Geschädigter, der aufgrund eines Unfallschadens seine Erwerbsstelle verloren hat, - im Verhältnis zum Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer - gehalten, „seine verbliebene Erwerbsfähigkeit in dem gesundheitlich noch zumutbaren Umfang bestmöglich auszunutzen“ (BGH NJW 1979, 2142; 1991, 1413; NJW-RR 1992, 1050; NJW 1996, 653; OLG Hamm NJW-RR 1996, 1154; OLG Koblenz, Urt. v. 17.07.2002 - 1 U 843/99 [juris Rz. 26]). Dazu gehört nicht nur, „sich um eine Erwerbstätigkeit … (sowie) auch in zumutbarer Weise um eine Arbeitsstelle zu bemühen“ (BGH NJW 2007, 64), son dern auch, eine erreichte Beschäftigung nicht aus eigener Verantwortlichkeit zu verlieren (OLG Frankfurt NZV 1991, 188).

(1) Eine Verletzung derartiger Obliegenheiten kann einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht (§ 254 II 1 BGB) begründen. Allerdings träfe wegen des Ausnahmecharakters der Vorschrift grundsätzlich den Schädiger die Darlegungs-, Beweisführungs- und Feststellungslast, dass und in welchem Umfang der Geschädigte diesen Forderungen nicht genügt und deswegen eine Kürzung seiner Ansprüche hinzunehmen habe.

(2) Das Erstgericht und die Parteien erkennen aber zutreffend, dass der Bundesgerichtshof in einer Anzahl von Entscheidungen (Zusammenstellung in BGH NJW 1991, 3275, unter II 2) (auch) einen nach dem Schadensereignis gefassten Entschluss oder ein Verhalten des Geschädigten hinsichtlich seiner ferneren Lebensgestaltung (BGH NJW 1979, 1403) nicht als einen mitverschuldensbegründenden Umstand gewertet hat. Vielmehr hat der BGH entschieden, dass der haftungsrechtliche Zusammenhang mit dem Unfallereignis entfallen kann, mit der Folge, dass nun der Geschädigte darzulegen und im Streitfall zu beweisen hat, dass der jetzige Erwerbsschaden aufgrund des Verlustes der letzten Arbeitsstelle noch auf den zurückliegenden Verkehrsunfall zurückgeführt werden könne. Denn auch für die haftungsausfüllende Kausalität trifft - mit dem Beweismaß des § 287 I 1 ZPO - die Feststellungslast den Anspruchsteller.

cc) Dem Kläger ist zuzugeben, dass diese Rechtsfolge auf Ausnahmefälle beschränkt ist, und an eine Ausgrenzung (des Erwerbsschadens) aus der Ersatzpflicht des Schädigers strenge Anforderungen gestellt werden (BGH NJW 1991, 3275).

(1) Der ursprüngliche und im Streitfall unstreitige Ursachen- und Zurechnungszusammenhang zwischen dem schädigenden Unfallereignis wird unterbrochen, wenn der für eine Einstandspflicht des Schädigers nötige innere Zusammenhang zwischen der Schutzgutverletzung und dem daraus entstehenden Schaden fehlt. In diesem Fall entfällt - trotz äquivalenter und sogar adäquater Schadensverursachung - jegliche Ersatzpflicht für solche Folgeschäden einer unerlaubten Handlung, die eine bloß zufällige äußere Verbindung zur Unfallverletzung des Geschädigten haben und sich deshalb als Verwirklichung eines allgemeinen Lebensrisikos darstellen (BGH NJW 1985, 791). Gleiches gilt, wenn das im Unfall angelegte Schadensrisiko schon gänzlich abgeklungen ist (BGH r+s 2012, 409).

(2) Bei einem Berufs- oder Beschäftigungswechsel, sowie einem Verlust oder einer Aufgabe der Erwerbstätigkeit kann der Zurechnungszusammenhang mit der Schädigungshandlung aufgehoben sein, wenn sich der Geschädigte aufgrund einer eigenständigen Entscheidung einer anderen beruflichen Tätigkeit oder Lebensweg zuwendet. Diese Entscheidung des Verletzten muss derart überwiegend von außerhalb des Unfalls und seiner gesundheitlichen Folgen liegenden Umständen geprägt sein, dass der Unfall für diese Entwicklung nur als äußerer Anlass zu bewerten ist. Zudem muss ein solcher klarer Einschnitt nach außen erkennbar machen, dass der Geschädigte die Entscheidung für ein geändertes Berufsziel eigenverantwortlich zu seinem persönlichen Lebensrisiko hat werden lassen (BGH NJW-RR 1991, 854). Wenn der den Schaden (neuerlich) herbeiführende Willensentschluss des Geschädigten von der vom Schädiger geschaffenen Gefahrenlage so weit entrückt ist, dass letztere keinen nennenswerten Einfluss auf die Entscheidung ausgeübt hat, kann der Schädiger für die Folgen gerechterweise nicht mehr haftbar gemacht werden (BGH NJW 1991, 3275).

(3) Der Bundesgerichtshof hat verschiedene Hinweiszeichen zur Beurteilung dieses eigenverantwortlichen Willensentschlusses entwickelt, die in einer umfassenden Gesamtschau aller Einzelumstände zu würdigen sind, etwa

> höherer oder gesteigerter Verdienst im neuen beruflichen Engagement,

> Aufstiegschancen und Entwicklungsmöglichkeiten,

> Dauer der Tätigkeit und Beschäftigung im neuen Beruf,

> Zufriedenheit, Anerkennung und Ansehen des Geschädigten im neuen Beruf,

> zeitlicher Abstand zwischen dem Verkehrsunfall und dem beruflichen Fehlschlag oder Arbeitsplatzverlust,

> mögliche Auswirkungen gesundheitlicher Spätwirkungen des Unfalls,

> Vergleich des Arbeitsplatzverlustes oder der -aufgabe mit der Lage jedes anderen Mitarbeiters, der keinen Verkehrsunfall erlitten hatte

> Vorhersehbarkeit der streitgegenständlichen Änderung zu Beginn oder in der Anlage des Berufslebens.

> Ergänzend merkt der Senat an, dass auch die persönlichen und familienbezogenen Erwägungen und Antriebsgründe des Klägers zu berücksichtigen sind.

Ein solcher eigenverantwortlicher Willensentschluss des Geschädigten wird vom Bundesgerichtshof allenfalls dann in Frage gestellt, wenn sich die beruflichen Fehlschläge weder aus den Unfallverletzungen, noch aus einem „Minderwert“ der Tätigkeit ableiten lassen. Gleiches gilt, wenn der Verkehrsunfall und die durch ihn bedingte Arbeitsaufnahme (im Streitfall: des Klägers bei der Firma N. S.) nur noch insoweit von Bedeutung waren, als der geschädigte Kläger ohne den Unfall angesichts seiner als sichere Beamtenposition empfundenen Stellung bei der T.S. AG verbleiben wäre, und insgesamt keinen Anlass für einen Wechsel gesehen hätte.

dd) Danach ist im Streitfall - zu Ungunsten des Klägers - festzustellen, dass sämtliche entscheidungserhebliche Gesichtspunkte für eine eigenverantwortliche, von den Unfallfolgen unabhängige Entscheidung des Klägers sprechen und zu würdigen sind. Der Kläger war nach dem Unfall am 19.11.1992 (EU 2 = Bl. 66 d. A.) noch mehrere Jahre bei der Firma beschäftigt, bei der vor dem Unfall tätig war (EU 2 = Bl. 66 d. A.) und ist dort sogar befördert worden (Anlage K 34). Nach weiteren Erwerbstätigkeiten von 1998 bis 2000 war er seit diesem Jahr bis zum 31.08.2008 bei der Firma S. und dem Nachfolgeunternehmen beschäftigt (EU 2/3 = Bl. 66/67 d. A.), wobei er sich beruflich derart weiterentwickelt hat, dass das Einkommen dasjenige vor dem Unfall so weit überstieg, dass eine Schadensersatzpflicht ab dem Jahre 2005 entfallen war (EU 3 = Bl. 67 d. A.). Irgendwelche Umstände, nach denen der Kläger in dieser Erwerbstätigkeit nicht zufrieden, nicht anerkannt oder unterfordert gewesen wäre, oder - auch aus eigener Sicht - unter einem „Minderwert“ gelitten hätte, sind weder vorgebracht, noch ersichtlich. Gesundheitliche Folgewirkungen des Unfalls spielten für den Auflösungsvertrag - selbst nach dem Vorbringen des Klägers - keine Rolle, er war vor die gleiche Wahlentscheidung gestellt wie jeder andere Mitarbeiter, dem ein Umzug nach München vorgeschlagen wurde. Derartige Entwicklungen des damaligen Arbeitgebers waren weder für den Kläger, noch allgemein absehbar.

(1) Der Kläger scheint diese Tatsachenwürdigung und rechtliche Bewertung anzuerkennen (BB 5/6 = Bl. 101/102 d. A.), ist jedoch der Auffassung, eine eigenverantwortliche Aufgabe der Beschäftigung bei der Firma N. S. liege deswegen nicht vor (BB 7/10 = Bl. 103/106 d. A.), weil der Kläger in Wahrheit mit dem Auflösungsvertrag eine betriebsbedingte Kündigung habe vermeiden müssen.

Daran ist zutreffend, dass im Falle einer tatsächlichen Kündigung - vorausgesetzt der Kläger hätte eine solche Kündigung nicht durch arbeitsrechtliches Fehlverhalten veranlasst - kein den Schädiger entlastender Willensentschluss vorgelegen und die Haftung der Beklagten für den Erwerbsschaden weiter bestanden hätte. Der Kläger übersieht jedoch, dass im Streitfall nicht maßgeblich ist, ob oder dass die berufliche Situation bei der Firma N.S. mitursächlich gewesen sein könnte, und es deshalb in dieser Hinsicht noch weiterer tatsächlicher Feststellungen bedürfte. Das Erstgericht stellt nämlich, beanstandungsfrei und nicht angreifbar, fest, dass das Gegenteil der Fall ist; insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen (oben II 3 a aa) verwiesen. Der Kläger hat den vorgeschlagenen Arbeitswechsel nach München aus persönlichen und familienbezogenen Gründen nicht mitvollziehen wollen (s. BGH NJW 1991, 3275: „… [das Gericht] lässt nicht offen, ob der Grund für den Wechsel des Klägers … in der beruflichen Situation bei der Firma … gelegen hat, sondern stellt … fest, dass … sein Arbeitsverhältnis als Programmierer aufgelöst hat, um eine leitende Tätigkeit in dem anderen Betrieb aufzunehmen. Zudem hat ausweislich des Tatbestands … nicht einmal der Kläger selbst behauptet, dass [er] … nicht mehr dort habe arbeiten können; der … Grund für den Berufswechsel [sei] vorgebracht [worden], ... habe nicht nach ... umziehen wollen“).

(2) Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass selbst im Falle des Nachweises und der Berücksichtigung der vorgenannten Umstände ein dem Kläger günstigeres Ergebnis nicht erzielbar wäre und eine eigenverantwortliche Willensentschließung nicht in Frage stünde. Der BGH hat diese Frage dahin stehen lassen (BGH NJW 1991, 3275: „Es kann hier dahinstehen, ob der Schädiger stets auch noch für solche Fortkommensnachteile des Verletzten aufzukommen hat, die sich nach unfallbedingtem Berufswechsel erheblich später aus einer Umorganisation bei seinem neuen Arbeitgeber ergeben“), der Senat ist jedoch der Auffassung, dass ein Auflösungsvertrag, erst recht mit einer Abfindung, einer Kündigung nicht gleichgesetzt werden kann. Eine vertragliche Vereinbarung bleibt eine freiwillige Entscheidung, auch wenn diese Befürchtungen über zu erwartende oder auch nur zu mutmaßende betriebliche Umstrukturierungen oder Personalveränderungen Rechnung tragen will. Dies gilt umso mehr, als der Kläger erstinstanzlich insoweit widersprüchlichen und allenfalls vagen Sachvortrag gehalten hat, wie oben dargelegt (II 3 a bb 3).

(3) Zuletzt ist aus Rechtsgründen nicht erheblich, dass oder aus welchen Gründen der Kläger die Anstellung bei der Landespolizei N. durch Kündigung verloren hat. Ein einmal unterbrochener Zurechnungszusammenhang lebt nicht wieder auf, insoweit sind die Erwägungen des Erstgerichts hierzu (EU 8 = Bl. 72 d. A.) einerseits nicht zielführend, andererseits aber unschädlich. Ebenso ist aus Rechtsgründen ohne Belang, dass der Kläger unfallbedingt von der T. S. AG zu anderen Firmen und zuletzt N. S. wechseln musste. Insoweit hat die Beklagte, soweit durch das verminderte Einkommen ein Schaden tatsächlich eingetreten war, die klägerischen Ansprüche anerkannt und befriedigt. Deswegen ist bedeutungslos, ob der Kläger, wie er meint (BB 6 = Bl. 102 d. A.), ohne den Unfall „bis zum heutigen Tage bei der Werksfeuerwehr der Firma T.K. tätig“ wäre.

III.

Da, wie aus dem Vorstehenden erhellt, auch die Voraussetzungen des § 522 II 1 Nr. 2 und 3 ZPO vorliegen, beabsichtigt der Senat, die Berufung gemäß § 522 II 1 ZPO zurückzuweisen.

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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 1. Juni 2011 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistu

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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 1. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung eine Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten bedingungsgemäße Leistungen aus einem bei dieser unterhaltenen Unfallversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen AUB 2002 zugrunde liegen, aufgrund eines Unfallereignisses vom 3. Februar 2007. Bei dem Unfall kam das Fahrzeug des Klägers von der Fahrbahn ab und prallte mit der Beifahrerseite gegen einen Baum, wodurch der Beifahrerbereich des Fahrzeugs völlig zerstört wurde. Bei dem Unfallgeschehen wurde der Kläger aus dem Fahrzeug geschleudert und erlitt eine Querschnittslähmung.

2

Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger, bei dem etwa zwei Stunden nach dem Unfallgeschehen ein Blutalkoholwert von 1,6 Promille festgestellt wurde, zum Unfallzeitpunkt das Fahrzeug geführt hat oder sich auf dem Beifahrersitz befand. Die Beklagte beruft sich aufgrund der festgestellten absoluten Fahruntüchtigkeit des Klägers auf Leistungsfreiheit gemäß Nr. 5.1.1 AUB 2002.

3

Der Kläger hat beantragt,

4

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 159.960 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 2. August 2007 zu zahlen sowie ihn gegenüber einer Gebührenforderung der Rechtsanwälte A. in Höhe von 2.594,91 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung freizustellen.

5

Die Beklagte hat beantragt,

6

die Klage abzuweisen.

7

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil es aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Kläger das Unfallfahrzeug zum Unfallzeitpunkt gesteuert hat und aufgrund der festgestellten Alkoholisierung bei dem Kläger zu diesem Zeitpunkt eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung vorlag, welche eine Leistungsfreiheit der Beklagten gemäß Nr. 5.1.1 AUB 2002 zur Folge hat. Denn aufgrund der eingeholten medizinischen und technischen Sachverständigengutachten sei wegen des Beschädigungsbildes des Fahrzeugs im Beifahrerbereich eine Positionierung des Klägers auf dem Beifahrersitz auszuschließen, da dieser dann schwerste Beinverletzungen aufweisen müsste. Wegen der weiteren Begründung des landgerichtlichen Urteils wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

8

Der Kläger nimmt auf seinen erstinstanzlichen Sachvortrag Bezug und macht geltend, das erstinstanzliche Sachverständigengutachten S sei ohne hinreichende Gewährung rechtlichen Gehörs zur Grundlage der landgerichtlichen Entscheidung gemacht worden. Die dem Gutachten zugrunde liegenden Fahrversuche seien nicht hinreichend dokumentiert worden und der Sachverständige habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt.

9

Der Kläger beantragt,

10

unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils der Klage stattzugeben.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Berufung zurückzuweisen.

13

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Sachvortrag.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

15

Die Berufung ist nicht begründet.

16

Der Senat hat mit Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO vom 12. Januar 2012 darauf hingewiesen, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe, dass die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung habe, auch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordere und eine mündliche Verhandlung nicht geboten sei.

17

Er hat ausgeführt:

18

„Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Versicherungsleistungen aufgrund eines Unfallereignisses vom 3. Februar 2007 aus dem mit der Beklagten bestehenden Unfallversicherungsvertrag nicht zu. Denn die Beklagte ist gemäß Nr. 5.1.1 AUB 2002 von der Leistung frei, weil der Kläger unter Vorliegen einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung sein Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt gesteuert hat. Zur weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Auch das Vorbringen in der Berufungsbegründung gibt zu einer anderen Würdigung keine Veranlassung.

19

Die Berufung macht ohne Erfolg geltend, das landgerichtliche Urteil stütze sich im Wesentlichen auf die von dem Sachverständigenbüro S (Sachverständiger N) durchgeführten Fahrversuche, die von dem Sachverständigen jedoch erstmalig während der mündlichen Erläuterungen in dem Verhandlungstermin am 12. Mai 2011 vorgebracht worden seien, ohne dass der Kläger deren Grundlagen und technische Umstände in dem Termin habe prüfen oder aufnehmen können. Das Landgericht sei deshalb gehalten gewesen, dem Kläger vor einer Entscheidung Gelegenheit zu geben, nach sachkundiger Beratung zu diesen Fahrversuchen Stellung zu nehmen. Weder seien die Grundlagen der Fahrversuche, zum Beispiel Art und Ausstattung des Fahrzeugs, dokumentiert worden noch die Fahrbahnverhältnisse, zum Beispiel gerade Ebenen oder Neigungen. Die Fahrversuche berücksichtigten nicht die Möglichkeit von Schlaglöchern oder Bodenwellen, die ein Abheben der Beine des Klägers begründen könnten. Die Phase vor dem Schleudervorgang, der Schleudervorgang selbst bis zum Anprall auf den Baum sei nicht hinreichend von dem Sachverständigen aufgeklärt worden. Dieser berücksichtige nicht die Möglichkeit von vertikalen Straßenschäden oder -bedingungen, die ein Hochschleudern der Beine des Klägers aus dem Fußraum ermöglichen könnten. Ebenfalls sei es nicht ausgeschlossen, dass der Kläger die Beine zu Beginn des Schleudervorgangs reflexartig hochgezogen habe.

20

Das Landgericht ist in nicht zu beanstandender Weise in der angefochtenen Entscheidung zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger das Unfallfahrzeug zum Unfallzeitpunkt gesteuert hat und damit aufgrund der unstreitigen Alkoholisierung des Klägers zum Unfallzeitpunkt von 1,60 Promille infolge des Alkoholgenusses nicht mehr fahrtüchtig war.

21

Die Berufung wendet sich ohne Erfolg gegen die Ausführungen des Sachverständigen N, die das Landgericht als überzeugend angesehen und sie sich zu Eigen gemacht hat. Zutreffend ist zwar, dass der Sachverständige N in dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 12. Mai 2011 bei seiner persönlichen Anhörung in Ergänzung zu seinem schriftlichen Sachverständigengutachten und seiner schriftlichen Gutachtenergänzung eine Computersimulation vorgeführt hat. Entgegen der Auffassung der Berufung ist jedoch nicht ersichtlich, dass diese Computersimulation maßgebliche Grundlage der Überzeugungsbildung des Landgerichts geworden wäre.

22

Vielmehr stellt sich die Situation so dar, dass der Sachverständige N in seinem schriftlichen Sachverständigengutachten ebenso wie in seinem schriftlichen Ergänzungsgutachten detailliert und unter Beifügung von Computersimulationen dargelegt hat, warum er davon ausgehe, dass sich ein Beifahrer nicht ohne erhebliche Beinverletzungen aus dem Fahrzeug hätte bewegen können. Der Kläger hatte jeweils Gelegenheit, zu dem schriftlichen Sachverständigengutachten und dem schriftlichen Ergänzungsgutachten Stellung zu nehmen, so dass dem Kläger damit hinreichend rechtliches Gehör gewährt wurde. Dies gilt weiterhin für die auf Antrag des Klägers erfolgte mündliche Anhörung der Sachverständigen, bei der dem Kläger jeweils Gelegenheit zur Fragestellung und zur Erhebung von Einwendungen gegeben wurde und nach Beendigung der Sachverständigenanhörung mit den Parteien auch das Ergebnis der Beweisaufnahme erörtert wurde. Der Kläger hat insoweit im Rahmen der ihm zur Verfügung gestellten Stellungnahmemöglichkeiten die nunmehrigen Einwendungen gegen die Erklärungen des Sachverständigen N nicht erhoben mit der Folge, dass er nunmehr gemäß § 531 Abs. 2 ZPO hiermit ausgeschlossen ist.

23

Aus dem landgerichtlichen Urteil ergibt sich auch nicht, dass gerade die von dem Sachverständigen N in dem mündlichen Verhandlungstermin gezeigte Computersimulation Gegenstand der richterlichen Überzeugungsbildung gewesen sei, da das Landgericht sich in seiner Entscheidung insgesamt mit den Feststellungen der Sachverständigen befasst und insbesondere bei der Darlegung der Ausführungen des Sachverständigen N die von dem Kläger nunmehr gerügte Computersimulation im Verhandlungstermin vom 12. Mai 2011 nicht erwähnt.

24

Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, inwieweit Schlaglöcher oder Bodenwellen am Unfallort vorhanden waren, die von dem Sachverständigen zu berücksichtigen gewesen wären. Mangels entsprechender Anhaltspunkte ergab sich für den Sachverständigen keine Veranlassung, die rein theoretische Möglichkeit des Vorhandenseins solcher Straßenbedingungen zu berücksichtigen. Dies gilt im Übrigen auch für die Phase vor dem Schleudervorgang, den Schleudervorgang selbst bis zum Anprall auf den Baum und die Möglichkeit von vertikalen Straßenschäden oder -bedingungen, die ein Hochschleudern der Beine des Klägers aus dem Fußraum hätten ermöglichen können. Mangels einer Erinnerung des Klägers an den Unfallhergang und wegen fehlender Spuren auf dem Straßenkörper war es dem Sachverständigen, wie er in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt hat, nicht möglich, das Unfallgeschehen vor dem Anprall auf die Bäume näher zu rekonstruieren. Ein Versäumnis des Sachverständigen insoweit kann daher nicht gesehen werden. Hinsichtlich eines möglichen Hochschleuderns der Beine des Klägers aus dem Fußraum des Beifahrerbereichs haben beide Sachverständige sowohl in den schriftlichen Gutachten als auch bei der Anhörung hinreichend und erschöpfend Stellung genommen. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit sich insoweit weitere Erkenntnismöglichkeiten hätten ergeben können.

25

Der Senat teilt insgesamt die Auffassung des Landgerichts, dass sich aufgrund des Beschädigungsbildes des klägerischen Fahrzeugs nicht erklären lässt, wie der Kläger im Falle seiner Position auf dem Beifahrersitz ohne erhebliche Fuß-/Beinverletzungen oder - bei einem Anziehen der Beine als Beifahrer - ohne schwerste Verletzungen des Beckens und der Oberschenkel den Unfall erlebt hätte. Da der Kläger jedoch gerade in diesen Bereichen keine derartigen Verletzungen aufwies, lässt dies nur den Schluss zu, dass er sich nicht auf dem Beifahrersitz befand.“

26

Der Kläger hat eine weitere Stellungnahme nicht abgegeben.

27

Die Berufung ist nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Der Senat hält an seinem Hinweis fest und verweist auf diesen auch zur Begründung seiner abschließenden, auf einstimmiger Überzeugungsbildung beruhenden Entscheidung (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird zugleich Bezug genommen. Änderungen und Ergänzungen der Feststellungen sind nicht geboten.

28

Der Senat hat eine mündliche Verhandlung nicht für geboten erachtet. Der vorliegende Rechtsstreit weist zwar sicherlich für den Kläger eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung auf. Dies führt jedoch allein nicht zu einer Gebotenheit einer mündlichen Verhandlung. Vielmehr bedarf es dafür nach der Gesetzesbegründung für die Neufassung des § 522 ZPO (BTDrs 17/5334) einer „existentiellen“ Bedeutung, für die im Streitfall indes keine Anhaltspunkte vorliegen. Da die Entscheidung des Senats auch keine umfassend neue rechtliche Würdigung enthält, die angemessen mit dem Berufungsführer nicht im schriftlichen Verfahren erörtert werden könnte, ist auch in dieser Hinsicht eine mündliche Verhandlung nicht geboten.

29

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

30

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 159.960 € festgesetzt.

Tenor

1. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen vom 20.01.2012 - 3 O 209/11 - gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

2. Die Beklagten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme und gegebenenfalls auch zur Zurücknahme der Berufung bis 29.03.2012.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 3.365,56 EUR

Gründe

 
A.
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch.
Am 19.03.2011 gegen 11 Uhr befuhr der Kläger mit seinem Pkw die Straße … in R. in Richtung … . Auf Höhe der rechts dieser Straße gelegenen Tankstelle „…“ bog er nach links in die Zufahrt des Parkplatzes zum Ladengeschäft „…“ ein, wobei ihn jedoch ein ihm aus dieser Zufahrt entgegenkommendes Fahrzeug am Einfahren hinderte, weshalb er den Abbiegevorgang abbrechen musste. Dabei kam es zur Kollision seines sich in diesem Moment noch auf der Gegenfahrbahn befindenden Pkw und des bei der Beklagten Ziff. 2 haftpflichtversicherten Wohnmobils, mit dem der Beklagte Ziff. 1 die Straße … in Gegenrichtung befuhr.
Der Kläger hat die Beklagten auf Ersatz seines vollen Schadens in Anspruch genommen, weil sein Fahrzeug für den Beklagten Ziff. 1 unschwer zu erkennen gewesen und es dennoch zur Kollision gekommen sei. Die Beklagten haben um Abweisung der Klage gebeten, weil es dem Beklagten Ziff. 1 trotz sofortigen Abbremsens nicht mehr möglich gewesen sei, sein Fahrzeug rechtzeitig zum Stehen zu bringen, weshalb er auf das in seine Fahrbahn hineinragende Heck des vom Kläger gelenkten Fahrzeugs aufgefahren sei.
Das Landgericht hat die Beklagten nach §§ 7, 17 StVG entsprechend einer Haftungsquote von 20 % verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Es hat - sachverständig beraten - festgestellt, dem Kläger sei bei Beginn des Abbiegevorgangs das herannahende Beklagtenfahrzeug jedenfalls erkennbar gewesen. Dem Kläger gereiche zum Verschulden, dass er in einem spitzen Winkel in den Parkplatz eingefahren sei und nicht in einem stumpfen Winkel, was dem Kläger ermöglicht hätte, trotz des ihm aus dem Parkplatz entgegenkommenden Fahrzeugs den Abbiegevorgang ungehindert zu beenden, wodurch die Kollision vermieden worden wäre.
Dagegen stehe ein Verkehrsverstoß des Beklagten Ziff. 1 nicht fest. Für eine Geschwindigkeitsüberschreitung fehlten ausreichende Anhaltspunkte. Dass der Beklagte Ziff. 1 zu spät gebremst habe, sei nicht festzustellen, weil nicht erwiesen sei, in welcher Entfernung vom Unfallort sich der Beklagte Ziff. 1 in dem Moment befand, als der Kläger den Abbiegevorgang begann bzw. als er diesen verlangsamte und abbrach.
Bei der Abwägung der Verantwortungsanteile überwiege derjenige des Klägers den der Beklagten deutlich, trete aber nicht ganz hinter diesen zurück, weil das Beklagtenfahrzeug aufgrund seiner Masse und seines Alters ein gewisses, für den Unfall mitursächliches Gefahrenpotenzial geborgen habe. Gerechtfertigt sei eine Mithaftung der Beklagten zu 20 %.
Hiergegen wenden sich die Beklagten mit der Berufung, mit der sie ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiterverfolgen.
B.
Die Voraussetzungen für die Zurückweisung der Berufung durch Beschluss (§ 522 Abs. 2 ZPO) sind erfüllt.
I.
10 
Das angefochtene Urteil beruht, jedenfalls soweit es mit der Berufung angefochten ist, weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die vom Senat zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO. Der Senat ist - im Ergebnis mit dem Landgericht - der Auffassung, dass sich die Beklagten die Betriebsgefahr des von dem Beklagten Ziff. 1 geführten Fahrzeugs anrechnen lassen müssen und daraus ihre Einstandspflicht nach §§ 7, 17 StVG jedenfalls zu der vom Landgericht angenommenen Quote folgt.
11 
1. Entgegen der Auffassung der Berufung ist die Haftung der Beklagten nicht nach § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen.
12 
a) Der Begriff „unabwendbares Ereignis“ im Sinne dieser Vorschrift meint nicht die absolute Unvermeidbarkeit des Unfalls, sondern ein schadenstiftendes Ereignis, das auch bei der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Hierzu gehört ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hinaus (vgl. etwa OLG Koblenz, NZV 2006, 201, 202; Heß, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl., § 17 StVG Rn. 8). Den Unabwendbarkeitsnachweis hat derjenige zu führen, der sich auf die Unabwendbarkeit beruft (vgl. etwa OLG München, Beschluss vom 16.05.2008 - 10 U 1701/07 - Tz. 41 [juris] m. w. N.), wobei zu diesem Nachweis zwar nicht die Widerlegung aller nur denkmöglicher Unfallverläufe gehört, für die kein tatsächlicher Anhalt besteht, doch schon bloße Zweifel am unfallursächlichen Fahrverhalten die Feststellung der Unabwendbarkeit ausschließen (s. etwa König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 17 StVG Rn. 23).
13 
b) Den demnach ihnen obliegenden Nachweis der Unabwendbarkeit haben die Beklagten hier nicht geführt.
14 
aa) Nach den Angaben der im Bußgeldverfahren vernommenen Zeugin …, deren protokollierte Aussage das Landgericht - von der Berufung unbeanstandet - bei seiner Entscheidung berücksichtigt hat, ohne die Zeugin selbst vernommen zu haben, befand sich das vom Beklagten Ziff. 1 gelenkte Fahrzeug etwa auf Höhe der - wie der Sachverständige im Termin vor dem Landgericht angegeben hat, etwa 48 Meter vor der Unfallstelle liegenden - oberen Einfahrt des Einrichtungshauses …, als das von dem Kläger gelenkte Fahrzeug bereits quer auf derjenigen Fahrbahn stand, auf der sich das Beklagtenfahrzeug näherte. Für diesen Fall wäre der Unfall, wie der Sachverständige - von der Berufung insoweit unbeanstandet - im Termin weiter angegeben hat, für den Beklagten Ziff. 1 bei Einhaltung der am Unfallort zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h vermeidbar gewesen, weil der Bremsweg dann 34 Meter betragen hätte, das Beklagtenfahrzeug also 14 Meter vor der Kollisionsstelle zum Stehen gekommen wäre. Zumindest falls sich der Unfall entsprechend diesen Angaben der Zeugin … ereignet haben sollte, lag ein für die Beklagten unabwendbares Ereignis nicht vor.
15 
bb) Es bestehen wenigstens Zweifel, ob die Angaben der Zeugin … nicht zumindest insoweit den tatsächlichen Unfallablauf wiedergeben, als sie angegeben hat, das Beklagtenfahrzeug habe sich noch auf Höhe der erwähnten oberen Ausfahrt des Einrichtungshauses bewegt, als sich der Kläger mit seinem Fahrzeug bereits auf der vom Beklagten Ziff. 1 benutzten Fahrspur befunden habe. Diese Zweifel gehen im Zusammenhang mit dem in Frage stehenden Unabwendbarkeitsnachweis zu Lasten der Beklagten. Ob - was die Berufung in Abrede stellt – die Entfernungsangaben, die die Zeugin … gemacht hat, zutreffen und sich der von ihr geschilderte Unfallablauf insoweit feststellen lässt, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Entscheidend ist allein, dass sich nicht ausschließen lässt, der Unfall habe sich insoweit so zugetragen, wie die Zeugin … ihn geschildert hat. Davon aber ist das Landgericht im Ergebnis zu Recht ausgegangen, die insoweit getroffenen Feststellungen sind nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht zu beanstanden. Restzweifel bestehen umso mehr, als die Auffassung des Landgerichts nicht zutrifft, nach der Schilderung des Klägers sei nicht die Rede davon gewesen, es seien vier Sekunden zwischen dem Anhalten des Klägers und der Kollision vergangen, was der Fall gewesen sein muss, sollten die Angaben der Zeugin … zutreffen; tatsächlich hat der Kläger ausweislich der Sitzungsniederschrift angegeben, es könnten sogar fünf Sekunden zwischen dem Anhalten und der Kollision gelegen haben.
16 
2. Erfolg hat die Berufung auch nicht deshalb, weil die zu Lasten der Beklagten ins Gewicht fallende Betriebsgefahr bei der mangels Unabwendbarkeit des Unfalls für die Beklagten im Streitfall vorzunehmenden Bildung der Verantwortungsanteile nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG vollständig hinter den Verantwortungsanteil des Klägers zurückträte. Ein solches Zurücktreten der einfachen Betriebsgefahr beruht zwar nicht darauf und setzt nicht voraus, dass der Unfall für den Unfallgegner des zur Gänze einstandspflichtigen Unfallbeteiligten ein unabwendbares Ereignis nach § 17 Abs. 3 StVG darstellt (vgl. Senat, VRS 121 [2011], 16, 19). Doch ist im Streitfall ein dem Kläger zur Last fallender schwerwiegender Verkehrsverstoß, der es ggf. rechtfertigte, hier die einfache Betriebsgefahr bei der Abwägung ganz zurücktreten zu lassen (vgl. etwa Heß, a.a.O., § 17 StVG Rn. 20), zumindest nicht feststellbar, was auch in diesem Zusammenhang zu Lasten der Beklagten geht.
17 
a) Nach den getroffenen und auch insoweit nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht zu beanstandenden Feststellungen lässt sich zumindest nicht ausschließen, dass das aus dem Parkplatz ausfahrende und dem Kläger in der Einfahrt entgegenkommende Fahrzeug des im Bußgeldverfahren ebenfalls als Zeugen vernommenen Herrn … für den Kläger von dem Moment, als er mit dem Abbiegen begann, bis zu dem Moment, als er begann, sein Fahrzeug zum Stehen zu bringen, deshalb nicht zu sehen war, weil dem Kläger - ggf. zurückzuführen auf den von ihm gewählten Einfahrwinkel - die Sicht insoweit durch eines der in der Nähe der Einfahrt geparkten Fahrzeuge versperrt war. Zudem ist - wie erwähnt - wenigstens nicht ausgeschlossen, dass der Beklagte Ziff. 1 mit seinem Fahrzeug in dem Moment, als sich der Kläger bereits auf der Gegenfahrbahn befand, auf der sich die Kollision ereignete, noch etwa 48 Meter vom Kollisionsort entfernt war.
18 
b) Jedenfalls unter diesen Umständen ist für ein vollständiges Zurücktreten der einfachen Betriebsgefahr der Beklagten kein Raum, auch wenn zu Lasten des Klägers in die Abwägung eingestellt wird, dass er gegen die ihn treffenden Pflichten aus § 9 Abs. 3 StVO zumindest dadurch verstoßen hat, dass er in zu spitzem Winkel in die Einfahrt eingefahren ist und deshalb anhalten musste, worin - wovon der Senat zugunsten der Beklagten ausgeht, ohne diese Frage abschließend zu entscheiden - zugleich ein Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO lag (vgl. zur Anwendbarkeit der Vorschrift bei Einfahrt in einen öffentlichen Parkplatz etwa OLG Celle, DAR 1973, 306 f.; OLG Düsseldorf, NZV 1988, 231 und NZV 1993, 198, 199; König, a.a.O., § 9 StVO Rn. 45; Burmann, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl., § 9 StVO Rn. 53).
19 
aa) Allerdings hat der Linksabbieger, schon wenn er seiner Wartepflicht aus § 9 Abs. 3 StVO nicht genügt und es deswegen zur Kollision mit dem entgegenkommenden Geradeausfahrer kommt, regelmäßig in vollem Umfang oder doch zumindest zum größten Teil für die Unfallfolgen zu haften, weil an eine Verletzung des Vorfahrtrechts des geradeaus Fahrenden durch den Linksabbieger ein schwerer Schuldvorwurf anknüpft, wobei für das Verschulden des Abbiegenden der Anscheinsbeweis spricht (vgl. etwa BGH, NZV 2005, 249, 250 sowie NZV 2007, 294). Eine volle Haftung des Linksabbiegers unter Zurücktreten der einfachen Betriebsgefahr des Geradeausfahrers kommt auch in Fällen in Betracht, in denen es zur Kollision kommt, weil der Linksabbieger aufgrund eines von ihm zu spät erkannten vorübergehenden Hindernisses, das sich in seinem Einfahrbereich befindet, etwa wegen den Einmündungsbereich überquerender Fußgänger, auf der Gegenfahrbahn abbremsen oder anhalten muss (vgl. BGH, VersR 1965, 899, 900; KG, VM 1976, 21, 22; Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 12. Aufl., Rn. 228). Der Senat verkennt nicht, dass für die Situation, über die hier zu entscheiden ist, im Ausgangspunkt Entsprechendes gilt, erst recht unter dem Aspekt des § 9 Abs. 5 StVO.
20 
bb) Gleichwohl liegen hier Besonderheiten vor, die eine abweichende Entscheidung gebieten (vgl. etwa BGH, NZV 2005, 249, 250 sowie NZV 2007, 294), hat sich der Unfall unter den soeben unter B I 2 a dargestellten Umständen ereignet. Für diesen Fall nämlich wäre zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass das Fahrzeug des Herrn …, das ihm beim Einfahren entgegenkam, für ihn – wenn das auch auf den von ihm gewählten Einfahrwinkel beruht haben sollte – erst erkennbar wurde, als er sich bereits im Abbiegevorgang befand (vgl. KG, VM 1976, 21, 22), wobei dahinstehen mag, ob dieser Umstand allein schon dem vollständigen Zurücktreten der die Beklagten treffenden einfachen Betriebsgefahr entgegenstünde. Jedenfalls aber kommt ein solches Zurücktreten nach Auffassung des Senats nicht mehr in Betracht, war das Beklagtenfahrzeug noch etwa 48 Meter vom Kollisionsort entfernt, als sich der Kläger mit seinem Fahrzeug bereits auf der Gegenfahrbahn befand. Dann nämlich war die Entfernung zum Beklagtenfahrzeug in dem Moment, als der Kläger den Abbiegevorgang begann, so groß, dass ein schwerwiegender Verkehrsverstoß des Klägers nicht vorliegt, auch wenn er gegen die ihn aus § 9 Abs. 3 und 5 StVG treffenden Pflichten verstoßen hat.
21 
c) Die soeben unter B I 2 a erwähnten Umstände sind der Beurteilung, ob hier die einfache Betriebsgefahr der Beklagten ganz hinter den Verantwortungsanteil des Klägers zurücktritt, zugrunde zu legen, weil sich zumindest nicht ausschließen lässt, dass sich der im Streit stehende Verkehrsunfall unter diesen Umständen ereignet hat. Die insofern jedenfalls verbleibenden Zweifel gehen auch in diesem Zusammenhang zu Lasten der Beklagten.
22 
aa) Die Haftungsverteilung nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG und damit auch die Entscheidung über die volle Haftung eines Unfallbeteiligten bei vollständigem Zurücktreten der einfachen Betriebsgefahr des Unfallgegners erfordert eine Abwägung, die aufgrund aller festgestellten, d.h. unstreitigen, zugestandenen oder nach § 286 ZPO bewiesenen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen ist, soweit diese sich auf den Unfall ausgewirkt haben; dabei ist in erster Linie das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben, und bildet das beiderseitige Verschulden nur einen Faktor (s. nur etwa BGH, NJW-RR 2010, 839 - Tz. 13; Heß, a.a.O., § 17 StVG Rn. 12). Bei dieser Abwägung gilt der Grundsatz, dass jeder Halter die Umstände beweisen muss, die zu Ungunsten des anderen Halters berücksichtigt werden sollen (vgl. etwa OLG München, Beschluss vom 16.05.2008 - 10 U 1701/07 - Tz. 45 [juris] m. w. N.). Es hat also insbesondere jeweils der eine Halter die Umstände zu beweisen, die dem anderen zum Verschulden gereichen (s. BGH, NJW 1996, 1405, 1406; ferner etwa König, a.a.O., § 17 StVG Rn. 31). Der Grundsatz, dass jede Partei die Umstände zu beweisen hat, die die andere Partei belasten, gilt auch für solche Umstände, die das Ausmaß des der Gegenseite vorgeworfenen Verschuldens betreffen (s. etwa BGH, VersR 1967, 132, 133; OLG Oldenburg, VersR 1990, 1406, 1407 f.).
23 
bb) Stehen also Umstände im Streit, von denen abhängt, ob auf der Seite eines Unfallbeteiligten ein schwerer Verkehrsverstoß vorliegt, hinter den die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Unfallgegners ganz zurücktritt, und sind diese Umstände nicht aufklärbar, so geht dies nach den dargelegten Grundsätzen zu Lasten des Unfallgegners mit der Folge, dass vom Bestehen eines solch schweren Verkehrsverstoßes nicht ausgegangen werden kann und ein vollständiges Zurücktreten der einfachen Betriebsgefahr ausscheidet. So ist es hier, weil offen ist, ob sich der im Streit stehende Verkehrsunfall unter den oben unter B I 2 a erwähnten Umständen ereignet hat und weil für diesen Fall aus den oben unter B I 2 b genannten Gründen selbst die einfache Betriebsgefahr der Beklagten nicht vollständig hinter den Verantwortungsanteil des Klägers zurückträte.
24 
3. Rechtfertigt sich die vom Landgericht angenommene Mithaftung der Beklagten nach allem bereits aus dem Hinzutreten der einfachen Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs, kommt der Frage, ob hier - was das Landgericht möglicherweise angenommen hat - bei der Bildung der Verantwortungsanteile eine angesichts seines Alters und seiner Masse erhöhte Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs zu berücksichtigen war, keine Bedeutung zu. Zwar kann die mitwirkende Betriebsgefahr eines Unfallbeteiligten mit erhöhtem Gewicht in die Abwägung nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG einzustellen sein, ist diese Betriebsgefahr aufgrund bestimmter Eigenschaften des Fahrzeugs, etwa aufgrund dessen Masse, erhöht (vgl. nur etwa Heß, a.a.O., § 17 StVG Rn. 21). Doch müssen sich hierfür diese Eigenschaften des Fahrzeugs nachweislich als Unfallursache ausgewirkt haben (vgl. etwa BGH, NJW-RR 2010, 839 - Tz. 28). Ob es im Streitfall gerechtfertigt gewesen wäre, den Beklagten wegen der Masse und des Alters des vom Beklagten Ziff. 1 gelenkten Fahrzeugs eine erhöhte Betriebsgefahr anzurechnen, erscheint demnach zumindest zweifelhaft, kann aber - wie gesagt - dahin stehen.
II.
25 
Der Senat ist aus den dargelegten Gründen einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Eine Berufung ist offensichtlich aussichtslos, wenn für jeden Sachkundigen ohne längere Nachprüfung erkennbar ist, dass die vorgebrachten Berufungsgründe das angefochtene Urteil nicht zu Fall bringen können (so BT-Drucks. 17/6406, S. 9). Der Rechtsbegriff der Offensichtlichkeit bezieht sich allerdings allein auf den Erkenntnisprozess des Gerichts; ist sich dieses zweifelsfrei darüber klar, dass eine mündliche Verhandlung zu keinem höheren Erkenntnisgrad führen kann, ist offensichtlich mangelnde Erfolgsaussicht anzunehmen (s. Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 522 Rn. 36). Offensichtlichkeit setzt dabei nicht voraus, dass die Aussichtslosigkeit gewissermaßen auf der Hand liegt; sie kann - wie hier - auch das Ergebnis vorgängiger gründlicher Prüfung sein (vgl. BT-Drucks. 17/6406, S. 9; Zöller/Heßler, a.a.O., § 522 Rn. 36; Meller-Hannich, NJW 2011, 3393, 3394). Entscheidend ist, dass der Senat die durch die Berufung aufgeworfenen Tat- und Rechtsfragen nicht nur einstimmig, sondern auch zweifelsfrei beantworten kann und sich von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung keine neuen Erkenntnisse verspricht (vgl. BT-Drucks. 17/6406, S. 9; Meller-Hannich, NJW 2011, 3393, 3394). Das ist hier aus den eingehend dargelegten Gründen der Fall.
III.
26 
Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO; vgl. zum Begriff etwa Zöller/Heßler, a.a.O., § 522 Rn. 38), eine Entscheidung des Senats ist nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO). Der Senat hält eine mündliche Verhandlung auch nicht für geboten, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO (vgl. zu dieser Voraussetzung etwa BT-Drucks. 17/6406, S. 9; Zöller/Heßler, a.a.O., § 522 Rn. 40; Meller-Hannich, NJW 2011, 3393, 3395). Der Senat rät, die Berufung zur Vermeidung weiterer Kosten zurückzunehmen.

Tenor

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 35.000,- € festgesetzt.

Gründe

A.

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, wobei sie nun ein Mitverschulden von 30 Prozent einräumt. Sie verlangt ein verzinstes angemessenes Schmerzensgeld, beziffert mit mindestens 14.000,- €, sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für jegliche künftige materielle Schäden zu 70 Prozent, für künftige immaterielle Schäden unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 30 Prozent.

Zugrunde liegt ein Zusammenstoß am 23.05.2011 gegen 15.20 Uhr zwischen der damals elfjährigen Klägerin als Tretrollerfahrerin und dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw VW Polo, amtliches Kennzeichen EBE - …, zum Unfallzeitpunkt gefahren von der Beklagten zu 1). Der Unfall ereignete sich auf der A.-Straße in F., bei Kilometer 0.274 oder Abschnitt 740. Die Klägerin wurde vom Fahrzeug der Beklagten erfasst, als sie versuchte, vom in Fahrtrichtung der Beklagten zu 1) rechten Gehweg kommend auf Höhe einer Überquerungshilfe die Straße nach links zu überqueren. Sie wurde schwer verletzt und macht heute noch bestehende Beeinträchtigungen aufgrund der Unfallfolgen, insbesondere eine therapiebedürftige posttraumatische Depression, geltend. Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 06.11.2014 (Bl. 71/78 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht München I hat nach Beweisaufnahme die Klage vollständig abgewiesen, weil die Beklagte zu 1) den Unfall nicht zu vertreten habe und selbst die Betriebsgefahr des Fahrzeugs hinter dem groben Mitverschulden der Klägerin zurücktrete. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 75/78 d. A.) des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihr am 13.11.2014 zugestellte Urteil hat die Kläger mit beim Oberlandesgericht München am 15.12.2014 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt (Bl. 88/89 d. A.) und diese mit Schriftsatz vom 13.01.2015, eingegangen am gleichen Tag, begründet (Bl. 93/99 d. A.).

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils,

- die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 14.000,- €, zu bezahlen, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.03.2012,

- die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.698,13 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.03.2012 zu bezahlen,

- festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin jeden weiteren materiellen Schaden aus dem Unfallereignis vom 23.05.2011 in Feldkirchen zu 70 Prozent zu ersetzen, jeden weiteren immateriellen Schaden unter Berücksichtigung ihres Mitverschuldens von 30 Prozent, jeweils soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen oder übergegangen sind.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat gemäß Beschluss vom 18.06.2015 mit Zustimmung der Parteien schriftlich entschieden, § 128 II ZPO (Bl. 118/119); als Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, wurde zuletzt mit Beschluss vom 10.07.2015 der 24.07.2015 bestimmt (Bl. 121/122 d. A.). Die Klägerin hat ergänzend hilfsweise beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (Schriftsatz v. 15.06.2015, Bl. 117 d. A.), die Beklagten haben sich dem angeschlossen (Schriftsatz v. 15.06.2015, Bl. 112/116 d. A.).

Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 15.06.2015 (Bl. 112/116 d. A.) und die Hinweisverfügung des Senatsvorsitzenden vom 12.05.2015 (Bl. 100/110 d. A.) Bezug genommen.

B.

Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache vorläufig Erfolg.

I.

Das Landgericht hat entschieden, dass grundsätzlich bestehende Schadensersatzansprüche der Klägerin aus straßenverkehrsrechtlicher Verschuldenshaftung (§ 18 I StVG) der bei der Beklagten zu 2) kraftfahrzeughaftpflichtversicherten Beklagten zu 1) mangels Verschuldens entfallen (EU 5, 7 = Bl. 75, 77 d. A.), und selbst die Betriebsgefahr des Fahrzeugs wegen des weit überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin zurückzutreten habe (EU 5, 7/8 = Bl. 75, 77/78 d. A.). Das Erstgericht hat sich davon überzeugt, dass die Klägerin den Unfall und damit ihren Schaden fast ausschließlich selbst verursacht und allein verschuldet habe, weil sie als Fußgängerin unaufmerksam, überraschend und ohne nachvollziehbaren Grund die Fahrbahn der Straße überquert und dabei den dortigen Vorrang des Kraftfahrzeugverkehrs missachtet habe (EU 5/8 = Bl. 75/78 d. A.).

Diese Ergebnisse entbehren nach dem bisherigen Sach- und Streitstand angesichts einerseits lückenhafter Beweiserhebung und unzulänglicher Beweiswürdigung, andererseits fehlerhafter Rechtsanwendung einer überzeugenden oder auch nur ausreichenden Grundlage.

1. Das Ersturteil hat die für den Streitgegenstand entscheidungserheblichen Tatsachen (unstreitiger Tatbestand einerseits, BGH NJW 2011, 3299 [3300]; WM 2011, 309; OLG Rostock, MDR 2011, 217, Beweisaufnahme und Beweiswürdigung andererseits, Senat, Urt. v. 24.01.2014 - 10 U 1673/13 [juris, Rz. 16]) verfahrensfehlerhaft nicht vollständig festgestellt. Deswegen weist die Tatsachenfeststellung offensichtliche Lücken, Widersprüche oder Unrichtigkeiten auf, so dass der Senat nicht nach § 529 I Nr. 1 ZPO gebunden (BGH NJW 2005, 1583 [1585]), und eine erneute Sachprüfung eröffnet ist. Die Klägerin liefert - wenigsten zum Teil - konkrete Anhaltspunkte (BB 4/6 = Bl. 96/98 d. A.), die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Beweiserhebung und -würdigung wecken (BGH r + s 2003, 522), im Übrigen offenbaren sich Mängel aufgrund der vom Senat von Amts wegen vorzunehmenden (so etwa BGH [V. ZS] NJW 2004, 1876; [VI. ZS] NJW 2014, 2797 ohne nähere Begründung) Überprüfung.

a) Die Beweiserhebung des Erstgerichts zu beanstanden, weil eine umfassende und sachgerechte Aufklärung des Unfallgeschehens (BGH NJW-RR 2011, 428, [429, Rn. 9]; NZV 2000, 504; NJW 2004, 1871; NJW 2009, 2604 [2605 ]; Senat, Urt. v. 14.03.2014 - 10 U 2996/13 [juris]; v. 27.01.2012 - 10 U 3065/11 [juris]; v. 10.02.2012 - 10 U 4147/11 [juris]) unterblieben ist, und somit gegen die Verpflichtung verstoßen wurde, den zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtlichen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nachzugehen (BGH NJW 2009, 2604; NJW-RR 2011, 428).

aa) Das Erstgericht hat zum Haftungsgrund Beweis erhoben durch Erholung eines unfallanalytischen Gutachten (Beweisbeschluss v. 04.07.2013, Bl. 32 d. A.), sowie durch Vernehmung der Zeugen Marlene E. und Josef L. (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 06.02.2014, S. 3-5 = Bl. 47/49 d. A.; EU 4 = Bl. 74 d. A.). Darüber hinaus wurde, durchaus sachgerecht, die persönliche Anhörung der Klägerin und der Beklagten zu 1) gemäß § 141 I, II ZPO durchgeführt (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 06.02.2014, S. 2/3 = Bl. 46/47 d. A.). Angesichts der grundsätzlichen Bedeutung der Parteianhörung in Schadensersatzfällen (BGH NJW 2015, 74), insbesondere wenn der Ablauf eines Verkehrsunfalls streitig ist (BGH NJW 2013, 2601 [2602 [10, 11]]), sind die Befragungen jedoch zu kursorisch geraten und klären entscheidende Umstände des Unfalls nicht.

- Hinsichtlich der Klägerin wäre die gesamte Annäherung an die Unfallstelle vom Ort des Fahrtbeginns, das beabsichtigte Fahrtziel und das Fahrverhalten, insbesondere auf dem Gehweg ab dem Kreisverkehr, zu erfragen, und mit den Angaben der Beklagten zu 1) und der Zeugin Marlene E. abzugleichen gewesen. Zudem wäre durch Vorhalte zu klären gewesen, wie die Klägerin angehalten und die Fahrbahn beobachtet, und dennoch geglaubt haben will, die Fahrbahn ohne Gefahr überschreiten zu können. Zuletzt wären Größe und Gewicht zum Unfallzeitpunkt zu ermitteln gewesen (die in Rücksicht auf die mündliche Verhandlung „heutigen“ Daten (Bl. 47 d. A.) sind weniger wichtig), weil diese entscheidende Anknüpfungspunkte für die Berechnungen des Sachverständigen bildeten.

- Die Angaben der Beklagten zu 1) enthalten einen nicht aufgelösten Widerspruch, soweit sie „ca. 30 bis 50 Meter vor der späteren Unfallstelle … zum ersten Mal bewusst die Kinder … gesehen habe“, andererseits erklärt hatte, „… zu dem Zeitpunkt, als ich die Kinder zum ersten Mal gesehen habe, waren sie ca. 10 Meter vor meinem Fahrzeug“. Auch insoweit wäre eine vollständige Beschreibung der Annäherung sowohl der Kinder, als auch der Beklagten zu 1) selbst an die spätere Unfallstelle ab dem Zeitpunkt des Verlassens des Kreisverkehrs notwendig gewesen, zumal, wie aus den Lichtbildern ersichtlich, Fahrbahn und Gehweg übersichtlich sind und wegen des Gefälles höhere Geschwindigkeiten und verlängerte Bremswege entstehen können. Dies gilt umso mehr, als sich die Beklagte zu 1) in der gegen die Klägerin geführten Unfallanzeige durchaus als Zeugin geäußert und eine Vorgangsschilderung abgegeben hat, die hinsichtlich der Einzelheiten noch ungenauer als die gerichtliche Darstellung ist, und mangelnde Beobachtung und Aufmerksamkeit nicht ausgeschlossen erscheinen lässt (Ermittlungsakten, Bl. 24 d. A.). Zuletzt wäre klärungsbedürftig gewesen, welche Vorstellungen sich die Beklagte zu 1) hinsichtlich der für jeden Verkehrsteilnehmer klar erkennbaren Verkehrsinsel mit Überquerungshilfe gemacht hat, und anhand welcher Umstände sie die die Annahme getroffen hat, die Klägerin werde diesen Weg nicht wählen. Nach vorläufiger Einschätzung des Senats sprach jedenfalls keine höhere Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Klägerin auf dem Gehweg geradeaus weiterfahren werde, als dass sie die Straßenseite werde wechseln wollen.

- Damit wurde dem Gutachter und dem Gericht die Möglichkeit genommen, die jeweilige unmittelbare Unfalldarstellung zu erweitern und zu präzisieren, die Parteien ergänzend zu befragen und weitere Anknüpfungspunkte zu gewinnen. Weiterhin wurde die Verpflichtung eingeschränkt, das Gutachten von Amts wegen auf seine Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen, und mit den Schilderungen der Parteien abzugleichen.

bb) Das Erstgericht hat die Ermittlungsakten (455 Js 165967/11 d. Staatsanwaltschaft München I) beigezogen (EU 4 = Bl. 74 d. A.), jedoch nur unzulässig summarisch (BGH LM § 295 ZPO Nr. 9 = BeckRS 1954, 31397883) darauf Bezug genommen. Deswegen ist nicht erkennbar, ob eine Partei sich auf welche bestimmte Urkunden bezogen hat, und welche Aktenbestandteile wie verwertet wurden. Dies wäre jedoch schon deswegen klärungsbedürftig gewesen, weil eine Unfallschilderung der Beklagten zu 1) vorliegt (Bl. 24 d. A. 455 Js 165967/11), die vorzuhalten gewesen wäre.

cc) Das in erster Instanz erstellte unfallanalytische Sachverständigengutachten (Bl. 56 d. A.) berücksichtigt die für die Klägerin und gegen die Beklagten wirkende Anscheinsbeweislage nicht und klärt deswegen entscheidungserhebliche Fragen nicht sachgerecht.

Zum Ersten hätte der Sachverständige zunächst jegliche für die Klägerin günstigsten Daten und Werte zugrunde legen müssen, denn mit dem Sachvortrag einer Unfallschädigung eines Kindes im Straßenverkehr hat die Klägerin ausreichende, sowie vorliegend unstreitige Tatsachen vorgetragen, die eine Anscheinsbeweislage begründen. Diese wäre als Element der Beweiswürdigung von Amts wegen zu berücksichtigen (etwa Senat, Urt. v. 14.02.2014 - 10 U 2815/13 [juris]; v. 14.03.2014 - 10 U 4774/13 [juris]; v. 25.04.2014 - 10 U 1886/13 [juris]), so dass die Beklagten damit belastet gewesen wären, diesen Anscheinsbeweis zu entkräften oder zu „erschüttern“ durch Darlegung einer ernsthaften Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Geschehensablaufs (BGH DAR 1985, 316), dessen Tatsachen unstreitig oder bewiesen sein müssten (BGH NJW 1953, 584).

Zum Zweiten errechnet der Sachverständige die höchstmögliche Ausgangsgeschwindigkeit der Beklagten zu 1) von 43 km/h mittels einer Reaktionsverzögerung von 0,8 Sekunden aufgrund der Annahme, die Beklagte zu 1) habe erst zum Zeitpunkt des Anstoßes reagiert. Eine derartige Annahme wirkt zugunsten der Beklagten und zulasten der Klägerin, was nach den Anscheinsbeweisregeln nicht statthaft ist. Im Übrigen ist kaum vorstellbar und erklärlich, dass die Beklagte zu 1) die Annäherung der Klägerin überhaupt nicht wahrgenommen habe, es sei denn, sie hätte auf Kinder auf dem Gehweg überhaupt nicht mehr geachtet. Rechnet man beispielsweise mit einer um 0,4 Sekunden früheren Reaktion der Beklagten zu 1), kann unter sonst gleichen Umständen eine Ausgangsgeschwindigkeit von 52 km/h nicht ausgeschlossen werden.

Zum Dritten hat der Sachverständige zur Errechnung der Kollisionsgeschwindigkeit der Klägerin Werte geschätzt, die nicht belegt sind und keine Erläuterung unter der erforderlichen Berücksichtigung günstigster Annahmen enthalten. Deswegen hätte allenfalls mit einer Annäherungsgeschwindigkeit der Klägerin von 12 km/h gerechnet werden und die Annäherungsentfernung von 3 Metern unter Beachtung einer Bogenfahrt begründet werden müssen.

Zum Vierten hätte bei der Reaktionszeit der Beklagten zu 1) von 0,8 Sekunden bedacht werden müssen, dass die angesichts der Verkehrsverhältnisse und § 3 IIa StVO zu fordernde Bremsbereitschaft zu einer deutlichen Verkürzung der Reaktionszeit führt.

Zuletzt ist weder nachvollziehbar dargelegt, wie sich die Entfernung der Beklagten zu 1) - unter Zugrundelegung für die Klägerin günstiger Werte - zum Zeitpunkt der Reaktionsaufforderung errechnet, noch warum sich ein Anhalteweg von 10,81 Metern bei einer Bremsverzögerung von 9 m/s², sowie Reaktions- und Bremsschwellzeiten von 0,8 und 0,2 Sekunden nicht aus einer Ausgangsgeschwindigkeit von 29 km/h, sowie bei einer Reaktionszeit von 0,5 Sekunden nicht aus einer Ausgangsgeschwindigkeit von 34 km/h ergibt (s. OLG Hamm NZV 2006, 151: ggfs. auch 35 km/h nicht ausreichend langsam; r+s 2001, 60: 20 - 25 km/h).

Deswegen ist unter Würdigung aller Gesamtumstände das Absehen von einem umfassenden, auf alle zivilrechtlichen Fragestellungen - insbesondere die Anscheinsbeweislage des § 3 IIa StVO - bezogenen unfallanalytischen Sachverständigengutachten (Senat, Urt. v. 14.03.2014 - 10 U 2996/13 [juris, dort Rz. 5-7]; v. 11.04.2014 - 10 U 4757/13 [juris, dort Rz. 45, 60]) verfahrensfehlerhaft, und schließt aus, dass die Beweiserhebung des Erstgerichts auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht (OLG München, Urt. v. 21.02.2014 - 25 U 2798/13 [juris]).

Somit ist die gesamte Beweisaufnahme unter Erholung eines unfallanalytischen Gutachtens eines anderen Sachverständigen zu wiederholen, § 538 II 1 Nr. 1 ZPO, und hierbei zu klären, ob die Beklagte zu 1) sich von dem zu vermutendem Verschulden als Fahrzeugführerin (§ 18 I 2 StVG) und von anscheinsbeweislich belegten Verstößen gegen das Gebot des Fahrens auf Sicht, das allgemeine Rücksichtnahmegebot und die besonderen Sorgfaltspflichten gegenüber Kindern entlasten kann.

b) Auch die Beweiswürdigung des Erstgerichts ist nach Auffassung des Senats nicht beanstandungsfrei.

aa) Das Ersturteil ist schon wegen der lückenhaften Beweiserhebung verfahrensfehlerhaft mit der Folge, dass eine vollständige Prüfung und Bewertung des Beweisergebnisses fehlt, und deswegen das Ersturteil nicht auf einer ordnungsgemäßen Tatsachenfeststellung fußen kann.

bb) Auch im Übrigen ist die Beweiswürdigung des Erstgerichts unzureichend, denn der Tatrichter muss erkennen lassen, dass der Parteivortrag erfasst und in Betracht gezogen wurde und eine Auseinandersetzung mit dem Beweiswert der Beweismittel erfolgt ist (Zöller/Greger a. a. O. § 286 Rz. 21). Diese Auseinandersetzung muss auch individuell und argumentativ sein (BGH NJW 1988, 566; OLG Oldenburg OLGR 1997, 206 [207 für die Würdigung eines Sachverständigengutachtens]), und „… wenigstens in groben Zügen sichtbar machen, dass die beachtlichen Tatsachen berücksichtigt und vertretbar gewertet worden sind“ (insoweit in BGHZ 126, 217, 219 nicht abgedruckt]; BAGE 5, 221 [224]; NZA 2003, 483 [484]; Senat, Beschl. v. 25.11.2005 - 10 U 2378/05 und v. 23.10.2006 - 10 U 3590/06; KG zfs 2007, 202 [204]).

- Das Ersturteil versagt sich eine vollständige Auseinandersetzung mit den widersprüchlichen Angaben der Beklagten zu 1) und den Gutachtensergebnissen (BGH NJW 2015, 411: „entsprechend dem Gebot des § ZPO § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt“; MDR 1982, 212), indem die Annahmen des Sachverständigen ungeprüft übernommen und floskelhaft für zutreffend erklärt werden (EU 6 = Bl. 76 d. A.), ohne die erleichterte Beweisführung nach dem Anscheinsbeweis und die gebotene Anwendung der für die Klägerin günstigsten Anknüpfungstatsachen zu beachten.

- Deswegen und darüber hinaus wird übersehen (EU 7 = Bl. 77 d. A.), dass zum Ersten die Beklagte zu 1) schon nach eigenen Angaben die Klägerin und ihre Schwester auf dem Gehweg nicht sorgfältig und durchgängig beobachtet hat.

Zum Zweiten geht das Ersturteil nicht darauf ein, dass bereits die als Überquerungshilfe gedachte Verkehrsinsel, in Verbindung mit der abgesenkten Bordsteinkante, deutliche Hinweise auf einen beabsichtigten Wechsel der Straßenseite schafft, insbesondere wenn über das vorangegangene Fahrverhalten der Klägerin und ihrer Schwester keinerlei Feststellungen getroffen werden.

Zuletzt fehlt eine Auseinandersetzung mit der von der Beklagten zu 1) zu fordernden Bremsbereitschaft und dem gegenseitigen Annäherungsverhalten der Parteien: Wenn die Beklagte zu 1) eine Reaktionsaufforderung erhalten hat, als sie - zugunsten der Klägerin nicht ausschließbar - noch 10,8 Meter von der Unfallstelle entfernt war (EU 6 = Bl. 76 d. A.; Gutachten v. 04.07.2014, S. 13, Bl. 56 ff. d. A.), kann sie die Kinder nicht etwa 10 Meter vor ihrem Fahrzeug wahrgenommen haben, und bewusst ohne zu bremsen weitergefahren sein (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 06.02.2014, S. 3 = Bl. 47 d. A.). Dies gilt umso mehr, als unstreitig hinter der Klägerin deren Schwester fuhr (EU 2 = Bl. 72 d. A.), somit die Wahrnehmungsentfernung zu beiden Kindern unterschiedlich gewesen sein muss.

2. Im Übrigen hat das Landgericht auch entscheidende sachlich-rechtliche Fragen, nämlich die verkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichten eines Kraftfahrzeugführers gegenüber Fußgängern und Kindern, nicht frei von Rechtsfehlern (§§ 513 I 1. Alt., 546 ZPO) beurteilt und voreilig jegliches Verschulden der Beklagten zu 1), sowie jegliche mögliche Mitverursachungsanteile der Beklagten einschließlich der Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs, ausgeschlossen.

a) Nach den bisherigen Feststellungen sind Körper und Gesundheit der Klägerin verletzt und deren Vermögen beeinträchtigt worden. Diese Rechtsgüterverletzung geschah unstreitig beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs, so dass ein Anspruch aus §§ 18 I, 7 StVG, 115 I 1 Nr. 1, 4 VVG, 823 BGB grundsätzlich in Betracht kommt, wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat. Einen jegliche Haftung der Beklagten ausschließenden Fall höherer Gewalt gemäß § 7 II StVG hat das Erstgericht ebenso zutreffend ausgeschlossen.

Klarzustellen ist, dass ein Fall der Gefährdungshaftung (§ 7 I StVG) ausscheidet, weil der Fahrzeughalter nicht verklagt worden ist, und aus 18 I 2 StVG eine Beweislastumkehr zum Nachteil des Fahrzeugführers folgt.

b) Nicht zu beanstanden ist weiterhin die Annahme, dass diese Haftung anspruchsmindernd durch ein Mitverschulden der Klägerin verringert werde (EU 5, 8 = 75, 78 d. A.), das unter Würdigung aller Gesamtumstände als erheblich einzustufen sei. Die Klägerin räumt eine gewichtige Missachtung wesentlicher Verkehrsvorschriften ein (BB 2 = Bl. 94 d. A.), wer als Fußgängerin (oder Tretrollerfahrerin) Fahrbahnen ohne Beachtung des Straßenverkehrs überquert (§ 25 III 1 StVO), handelt in erheblichem, nicht mehr nachvollziehbarem Umfang unsorgfältig und verantwortungslos (BGH NJW 2000, 3069: „besondere Vorsicht“; NJW 1984, 50), weil das Achten auf bevorrechtigte Fahrzeuge eine elementare Grundregel des Straßenverkehrs darstellt, die jedem Fußgänger, der eine Straße überschreiten will, einleuchten muss (OLG Hamm NZV 1993, 314; NZV 2001, 41; OLG Koblenz NZV 2012, 177; KG VersR 1981, 332; NZV 2004 579; OLG Celle MDR 2004, 994; OLG Bremen VersR 66, 962; OLG Düsseldorf VRS 56, 2). Dies gilt auch für Kinder unter der Voraussetzung ihrer - im Streitfall nicht zweifelhaften - zur Erkenntnis der Verantwortung erforderlichen Reife (OLG Hamm NZV 1990, 473; NZV 1991, 69; NZV 2006, 151; OLG Hamburg NJOZ 2008, 2792; OLG Karlsruhe NZV 2012, 596). Ein Fußgänger müsste sich sogar auf einem Fußgängerüberweg (§ 26 StVO) oder bei Grünlicht einer für ihn geschalteten Lichtzeichenanlage vergewissern, dass er die Fahrbahn gefahrlos überschreiten kann, ein Erzwingen des Vorrechts kann zu einem Mitverschulden führen (BGH VersR 1983, 667; NJW 1966, 1211).

c) Unzutreffend sind dagegen die Annahmen des Erstgerichts, erstens treffe die Beklagte zu 1) lediglich die Pflicht, die zulässige Höchstgeschwindigkeit zu beachten (EU 6/7 = Bl. 76/77 d. A.), zweitens könnten Sorgfaltspflichtverletzung und Verschulden der Beklagten zu 1) ausgeschlossen oder als nicht erweislich angesehen werden (EU 7 = Bl. 77 d. A.), weil sie Vorfahrt gehabt habe und keinerlei äußerlich sichtbaren Umstände darauf hingedeutet haben, dass die Klägerin die Fahrbahn überqueren wolle oder als Kind wegen drohenden verkehrswidrigen Verhaltens besonders schutzwürdig gewesen sei. Überdies kann ein selbst die Betriebsgefahr vollständig aufzehrendes Mitverschulden der Klägerin nicht ohne Würdigung aller Gesamtumstände, insbesondere der genauen Klärung des Unfallhergangs (BGH NJW 2014, 217, [8]: „Mangels ausreichender Feststellungen zum Unfallhergang ergibt sich ein derart überwiegendes Mitverschulden der Klägerin am Zustandekommen des Unfalls nicht bereits daraus, dass diese … unter Verstoß gegen … § 25 … § 25 III StVO die Straße überquerte, ohne auf den Fahrzeugverkehr zu achten“) und des Verhaltens der Fahrzeugführerin, begründet und bewertet werden (EU 7/8 = Bl. 77/78 d. A.).

aa) Vielmehr bestimmen sich die straßenverkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichten eines Kraftfahrers gegenüber Fußgängern, die die Fahrbahn überqueren wollen, nach folgenden Grundsätzen, hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Hinweise des Senatsvorsitzenden (v. 12.05.2015, S. 1/5 = Bl. 100/105 d. A.) verwiesen:

- Der Kraftfahrzeugverkehr ist gegenüber Fußgängern bevorrechtigt (§ 25 III StVO), sofern nicht ein Fußgängerüberweg (§§ 25 III 1, 41 I StVO, Anlage 2, Zeichen 293) vorliegt (§ 26 I StVO). Eine in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelte Überquerungs- oder Querungshilfe (BGH NZV 1998, 369), wie die unstreitig von der Klägerin genutzte Verkehrsinsel in der A.-Straße in F., stellt keinen Fußgängerüberweg im Rechtssinne dar und beeinflusst das Vorrangverhältnis nicht (König, NZV 2008, 492 ff, [494 unter IV.]; Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 26, Rn. 10).

- Dennoch hat der Kraftfahrer die allgemeinen Verkehrsregeln zu beachten, insbesondere Geschwindigkeitsvorschriften (§§ 3 III, I StVO; BGH NJW 1992, 1459; OLG Düsseldorf NZV 1994, 70), aber auch das Sichtfahrgebot (BGH NJW 1984, 50 ff. [51 unter 2. c)]), und das Rücksichtnahmegebot (§ 1 II StVO). In diesem Rahmen hat er den gesamten Verkehrsraum, auch bezüglich auf den Gehwegen gehender oder stehender Fußgänger, sorgfältig zu beobachten (OLG Hamm NZV 2000, 371 ff. [372 unter 3. a)]; KG VRS 100, 269 = BeckRS 2001, 00140; BGH VersR 66, 736; OLG Düsseldorf, NZV 2002, 90; OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.06.2009 - 1 U 79/09 [juris]), sowie rechtzeitig und richtig auf etwaige Fehler anderer Verkehrsteilnehmer zu reagieren (BGH NJW-RR 1991, 347; OLG Hamm NZV 1993, 314; KG VRS 100, 269). Bei unachtsamem Verhalten eines Fußgängers bestehen Brems- und Ausweichpflicht (OLG Koblenz NZV 2012, 177; OLG Hamm r+s 1989, 396 = VRS 78, 5), sowie die Notwendigkeit, die Geschwindigkeit herabsetzen, sobald der Fahrer sieht, dass ein Fußgänger die Straße betritt (OLG Düsseldorf VRS 56, 2). Letztere Verpflichtung besteht sogar bei witterungsbedingten Sichtbeeinträchtigungen (OLG Saarbrücken r+s 2010, 479; OLG Hamm r+s 1989, 396).

- Diese Verpflichtungen bestehen uneingeschränkt auch bei schweren Sorgfaltsverstößen eines Fußgänger, etwa wenn dieser die Fahrbahn trotz für ihn Rotlicht zeigender Lichtzeichenanlage in oder an der Ampelfurt überschreiten will (BGH Urt. v. 29.04.1975 - VI ZR 225/73 [juris] = VersR 1975, 858; NJW 1992, 1459; VersR 1967, 608). Angesichts dieser Verpflichtungen kommt eine Bewertung des Mitverschuldens des Fußgängers, die jegliche Haftung des Kraftfahrers ausschließt, lediglich in besonderen Ausnahmefällen und nur dann in Betracht, wenn dieser keinerlei Verkehrsverstöße begangen hat (OLG Köln NZV 2002, 369; OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.06.2009 - 1 U 79/09 [juris]; OLG Frankfurt, Urt. v. 28.09.2010 - 10 U 1/10 [juris]; OLG Saarbrücken, Urt. v. 08.02.2011 - 4 U 200/10 - 60 [juris]; OLG Köln, Beschl. v. 19.03.2012 - I-16 U 169/11, 16 U 169/11 [juris]).

- Eine abweichende Bewertung ist im Streitfall schon deswegen nicht veranlasst, weil Sonderfälle, wie etwa ein Abwarten der Klägerin auf einer Verkehrsinsel, ein Hervortreten hinter einem Verkehrsstau (OLG Hamm NZV 2000, 371) oder eine Vernachlässigung eines naheliegenden Fußgängerüberwegs (BGH NJW 1958, 1630; NZV 1990, 150; KG VRS 100, 269; KG VM 1992, 27; i. Ü auch dort nur hälftige Haftung; OLG Hamm NZV 2000, 371; OLG Dresden NZV 2001, 378), unstreitig nicht vorliegen. Selbst wenn jedoch ein derartiger Vertrauensschutz angenommen würde, beseitigt dieser einerseits nicht die Verpflichtung, die gesamte Fahrbahn zu beobachten, um rechtzeitig auch wegen der in solchen Fällen gegebenen Abstandsverkürzung reagieren zu können (OLG Hamm, a. a. O.; BGH VersR 1966, 736; BGH VersR 1968, 897; OLG Köln VersR 1987, 513; OLG Karlsruhe NJW-RR 1987, 1249; KG VersR 1993, 201), und zwar zu dem Zeitpunkt, zu welchem der Fußgänger die Fahrbahn betritt (OLG Bremen VersR 66, 962; OLG Düsseldorf VersR 1979, 649). Andererseits setzt der genannte Vertrauensgrundsatz jedenfalls ein merkliches Verhalten des Fußgängers voraus, das die Erwartung des Kraftfahrers, ihm werde die Vorbeifahrt gestattet, stützen kann (KG VersR 1968, 259: „Blickkontakt“; OLG Karlsruhe VersR 1971, 1177; OLG Hamm r+s, 2002, 192; BGH VersR 1961, 592).

- Darüber hinaus bestehen besondere Sorgfaltspflichten gegenüber Kindern (§ 3 IIa StVO), diesen gegenüber muss sich ein Kraftfahrer, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten, dass eine Gefährdung ausgeschlossen ist (BGH NJW 1994, 2829: gegenüber alten Menschen). Diese Fassung des Gesetzestextes begründet zusätzlich eine Anscheinsbeweislage, die für Kinder und gegen den Kraftfahrer streitet. Nach dem unstreitigen Tatbestand des Ersturteils (EU 2 = Bl. 72 d. A.) fuhr die zum Unfallzeitpunkt elfjährige Klägerin, mit einem Tretroller und gefolgt von ihrer achtjährigen Schwester, fahrbahnparallel auf dem Gehweg, um diesen nach links zu verlassen und die Straße an einer als Überquerungshilfe dienenden Verkehrsinsel zu überfahren. Die Klägerin ist somit wegen ihres erheblich unter dem 14. Lebensjahr liegenden Alters (OLG Hamburg NZV 1990, 71) ersichtlich in den Schutzbereich der Verkehrsvorschrift einbezogen, dagegen finden Erwägungen des Erstgerichts zur Unzumutbarkeit dieser besonderen Vorsicht (EU 8 = Bl. 78 d. A.) eine Stütze weder im Gesetz, noch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die Meinung, erhebliche, verkehrsbedingte Geschwindigkeitsverringerungen eines Kraftfahrers zum Schutz von Kindern auf dem fahrbahnnahen Gehweg könnten den Stadtverkehr beeinträchtigen und ein erhöhtes Unfallrisiko herbeiführen, ist nicht nur durch keinerlei tatsächliche Feststellungen belegt, sondern auch nicht zu begründen.

Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand liegt nahe, dass die Beklagte zu 1) den sie treffenden Sorgfaltsanforderungen nicht gerecht geworden ist. Allein die Anwesenheit von Schulkindern auf dem rechten Bürgersteig und die Nähe einer als Überquerungshilfe gedachten Verkehrsinsel zwingen zu besonderer Aufmerksamkeit und Geschwindigkeitsverringerung (OLG Hamm r+s 2001, 60; NZV 1990, 473; NZV 1991, 69; NZV 2006, 151), zumal eine gegenseitige Beeinflussung der Klägerin und ihrer noch jüngeren Schwester (BGH NJW 1991, NJW Jahr 1990 Seite 292; KG NZV 1999, 329; OLG Hamburg NZV 1990, 71) nicht auszuschließen ist und sogar nahe liegt.

- Aus dem grundsätzlichen Vorrang des Kraftfahrzeugverkehrs folgt schon allgemein keineswegs ein geschütztes Vertrauen darauf, dass Fußgänger sich immer verkehrsgerecht, vorsichtig und der StVO entsprechend verhalten, sondern nur unter besonderen Umständen (BGH VersR 1955, 156; BayObLG VRS 58, 85 = S. 221; BGH NJW 1966, 1211; BayObLG NJW 1978, 1491; OLG Karlsruhe VersR 1982, 450; OLG Hamm r+s 1988, 102; BGH NJW 2000, 3069). Dies gilt verstärkt gegenüber Kindern (OLG Hamburg NJOZ 2008, 2792; OLG Karlsruhe NZV 2012, 596).

- Hieraus folgt, dass eine Bewertung des klägerischen Mitverschuldens als so gewichtig, dass jegliche Haftung der Beklagten entfalle, kaum vertretbar ist (OLG Karlsruhe NZV 2012, 596, OLG Hamm NZV 1991, 69: Haftung des Kraftfahrers zu 1/3 bei leichtem Verschulden oder bloßer Betriebsgefahr; OLG Hamm NZV 2006, 151: zu 40% wegen groben Verschuldens des Kindes; OLG Hamm r+s 2001, 60: Haftung des Kraftfahrers zu 2/3).

bb) Darlegungs- und beweisbelastet für eine schuldhafte Unfallverursachung durch die Klägerin und ein dieser anspruchsmindernd zuzurechnendes Mitverschulden, aber auch für deren Ausmaß, sind die Beklagten. Dies hat zur Folge, dass Sachverständiger und Gericht zu allen Bewegungen der Klägerin in die und auf der Fahrbahn bei nicht eindeutig feststellbaren Umständen die für die Klägerin (nicht die Beklagten) günstigsten technisch möglichen Werte anzusetzen haben. Gleiches gilt für den Nachweis der Einhaltung der an einen Idealfahrer zu stellenden Anforderungen (unabwendbares Ereignis i. S. d. § 17 III StVG), was eine vollständige und genaue Prüfung und Darlegung des Fahrverhaltens, insbesondere der Wahrnehmung und Beurteilung des Verhaltens der Klägerin erfordert. Soweit grundsätzlich die Klägerin die Beweisführungs- und Feststellungslast für Sorgfaltspflichtverstöße und Verursachungsbeiträge der Beklagten trifft, ist die aus dem Gesetzeswortlaut (§ 3 IIa StVO) abgeleitete Beweiserleichterung durch den Anscheinsbeweis zu beachten.

Bei dieser Sachlage ist bisher nicht vertretbar, Sorgfaltspflichtverletzung und Verschulden der Beklagten zu 1) für ausgeschlossen oder nicht erwiesen zu halten, vielmehr wird das Erstgericht hierfür maßgebliche und geeignete Umstände erst noch verfahrensfehlerfrei zu ermitteln und sachgerecht zu würdigen haben. Sollte das Erstgericht wiederum zu dem Ergebnis gelangen, dass das Mitverschulden der Klägerin jegliche Haftung der Beklagten, selbst diejenige für Betriebsgefahr, aufzehre, wäre folgendes zu berücksichtigen: In die Abwägung sind alle Faktoren, soweit unstreitig oder erwiesen, einzubeziehen, die eingetreten sind, zur Entstehung des Schadens beigetragen haben und einem der Beteiligten zuzurechnen sind (BGH NJW 1995, 1029; 2007, 506 [207]; NJW-RR 1988, 1177; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.08.2014 - 1 U 151/13 [juris, Rz. 64]), insbesondere auch Fahrverhalten und festgestellte Sorgfaltsverstöße des Unfallgegners (BGH NJW-RR 1993, 480: Mitverschulden im Verhältnis zur Betriebsgefahr bei der Bahn). Eine Gewichtung der Mitverursachung oder des Mitverschuldens kann nur aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erfolgen, insbesondere der genauen Klärung des Unfallhergangs (BGH NJW 2014, 217, [8]: „Mangels ausreichender Feststellungen zum Unfallhergang ergibt sich ein derart überwiegendes Mitverschulden der Klägerin am Zustandekommen des Unfalls nicht bereits daraus, dass diese … unter Verstoß gegen § 25 § 25 III StVO die Straße überquerte, ohne auf den Fahrzeugverkehr zu achten“).

II.

Der Senat hat eine eigene Sachentscheidung nach § 538 I ZPO erwogen, sich aber - entgegen seiner sonstigen Praxis - aus folgenden Gründen dagegen entschieden:

1. Eine derartig mangelhafte Beweiserhebung stellt einen Zurückverweisungsgrund nach § 538 II 1 Nr. 1 ZPO dar (Senat, Urt. v. 09.10.2009 - 10 U 2309/09 [juris, dort Rz. 23]; v. 25.06.2010 - 10 U 1847/10 [juris, dort Rz. 13]; VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729 und v. 22.07.2011 - 10 U 1481/11). Als schwerwiegender Verfahrensfehler erweist sich, dass das Erstgericht die Pflicht zu umfassender Sachverhaltsaufklärung, insbesondere durch vollständige Parteianhörungen und geeignete sachverständige Begutachtung, verletzt hat. Die erforderliche Beweisaufnahme wäre umfangreich und aufwändig (§ 538 II 1 Nr. 1, 2. Satzhälfte ZPO), weil der Senat sich nicht darauf beschränken dürfte, ein vollständiges Sachverständigengutachten zu erholen. Vielmehr wären zusätzlich beide Parteien anzuhören und auch die aus der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige ersichtlichen Zeugen zu vernehmen, sobald sich eine Partei darauf bezieht (§§ 525 S. 1, 273 II Nr. 4 ZPO). Denn eine Beurteilung sowohl der Glaubhaftigkeit der Sachdarstellung, als auch der Glaubwürdigkeit der Zeugen und Parteien anhand früherer Aussagen wäre rechtsfehlerhaft, wenn der Senat auf einen eigenen persönlichen Eindruck verzichten wollte (s. etwa BGH r + s 1985, 200; NJW 1997, 466; NZV 1993, 266; VersR 2006, 949). Durch die gebotene Beweisaufnahme würde der Senat zu einer mit der Funktion eines Rechtsmittelgerichts unvereinbaren vollständigen Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens einschließlich der gesamten Beweisaufnahme (Senat VersR 2011, 549 ff.) gezwungen. Hinzu kommt, dass je nach dem Ergebnis der durchzuführenden Beweiserhebung über den genauen Hergang des Unfalls auch zur Höhe des Schmerzensgelds erstmals entschieden werden müsste (§ 538 II 1 Nr. 4, 2. Alt. ZPO, Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Köln NJW 2004, 521).

2. Auch die aus unzureichender Beweiserhebung und fehlerhafter Rechtsauffassung folgende, erheblich fehlerhafte Beweiswürdigung stellt einen Verfahrensverstoß dar, welcher zur Zurückverweisung gemäß § 538 II 1 Nr. 1 ZPO berechtigt (Senat, Urt. v. 14.07.2006 - 10 U 5624/05 [juris]; v. 01.12.2006 - 10 U 4328/06; v. 04.09.2009 - 10 U 3291/09; v. 06.11.2009 - 10 U 3254/09; v. 19.03.2010 - 10 U 3870/09 [juris, dort Rz. 23]; v. 25.06.2010 - 10 U 1847/10 [juris, dort Rz. 13]; VersR 2011, 549 ff.; v. 22.07.2011 - 10 U 1481/11 [juris, dort Rz. 8]).

3. Der durch die Zurückverweisung entstehende grundsätzliche Nachteil einer Verzögerung und Verteuerung des Prozesses muss hingenommen werden, wenn ein ordnungsgemäßes Verfahren in erster Instanz nachzuholen ist und den Parteien die vom Gesetz zur Verfügung gestellten zwei Tatsachenrechtszüge erhalten bleiben sollen (Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Naumburg NJW-RR 2012, 1535 [1536]); eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits durch den Senat ist im Übrigen angesichts seiner außerordentlich hohen Geschäftsbelastung vorliegend nicht zu erwarten.

III.

Die Kostenentscheidung war dem Erstgericht vorzubehalten, da der endgültige Erfolg der Berufung erst nach der abschließenden Entscheidung beurteilt werden kann (OLG Köln NJW-RR 1987, 1032; Senat in st. Rspr., zuletzt VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729).

Die Gerichtskosten waren gemäß § 21 I 1 GKG niederzuschlagen, weil ein wesentlicher Verfahrensmangel - nur ein solcher kann zur Aufhebung und Zurückverweisung führen (§ 538 II 1 Nr. 1 ZPO) -, denknotwendig eine unrichtige Sachbehandlung i. S. des § 21 I 1 GKG darstellt.

§ 21 I 1 GKG erlaubt auch die Niederschlagung von Gebühren des erstinstanzlichen Verfahrens (vgl. OLG Brandenburg OLGR 2004, 277; OLG Düsseldorf NJW-RR 2007, 1151; Senat, Beschl. v. 17.09.2008 - 10 U 2272/08, st. Rspr., zuletzt Urt. v. 19.03.2010 - 10 U 3870/09 [juris, dort Rz. 93] und v. 27.01.2012 - 10 U 3065/11 [juris, dort Rz. 12]).

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 S. 1 ZPO. Auch im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung ist im Hinblick auf §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit geboten (BGH JZ 1977, 232; Senat in st. Rspr., zuletzt u. a. VersR 2011, 549 ff. und NJW 2011, 3729), allerdings ohne Abwendungsbefugnis (Senat a. a. O.). Letzteres gilt umso mehr, als das vorliegende Urteil nicht einmal hinsichtlich der Kosten einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist.

V.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben.

Weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 [2419, Tz. 26-32]; BGH NJW-RR 2014, 505) noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG a. a. O. [2418/2420, Tz. 33]) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG a. a. O. [2420, Tz. 34]; BGH NJW 2003, 1943) erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung weicht nicht von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung ab und betrifft einen Einzelfall, der grundlegende Rechtsfragen nicht aufwirft.

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

(1) Enthält der Tatbestand des Urteils Unrichtigkeiten, die nicht unter die Vorschriften des vorstehenden Paragraphen fallen, Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche, so kann die Berichtigung binnen einer zweiwöchigen Frist durch Einreichung eines Schriftsatzes beantragt werden.

(2) Die Frist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Der Antrag kann schon vor dem Beginn der Frist gestellt werden. Die Berichtigung des Tatbestandes ist ausgeschlossen, wenn sie nicht binnen drei Monaten seit der Verkündung des Urteils beantragt wird.

(3) Das Gericht entscheidet ohne Beweisaufnahme. Bei der Entscheidung wirken nur diejenigen Richter mit, die bei dem Urteil mitgewirkt haben. Ist ein Richter verhindert, so gibt bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung die Stimme des ältesten Richters den Ausschlag. Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt. Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(4) Die Berichtigung des Tatbestandes hat eine Änderung des übrigen Teils des Urteils nicht zur Folge.

Der Tatbestand des Urteils liefert Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Der Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden.

(1) Das Urteil enthält:

1.
die Bezeichnung der Parteien, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Prozessbevollmächtigten;
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Richter, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben;
3.
den Tag, an dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist;
4.
die Urteilsformel;
5.
den Tatbestand;
6.
die Entscheidungsgründe.

(2) Im Tatbestand sollen die erhobenen Ansprüche und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel unter Hervorhebung der gestellten Anträge nur ihrem wesentlichen Inhalt nach knapp dargestellt werden. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden.

(3) Die Entscheidungsgründe enthalten eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 149/12 Verkündet am:
19. November 2013
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. November 2013 durch den Vorsitzenden RichterProf. Dr. Bergmann
und den Richter Prof. Dr. Strohn, die Richterin Dr. Reichart, die Richter
Dr. Drescher und Born

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 17. April 2012 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Beklagte ist Gesellschafter der Immobilien-Fonds B. Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (künftig: Alt-GbR), einem geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Gesellschaft wurde im Jahr 1990 zu dem Zweck gegründet, das Grundstück Z. in B. zu erwerben, auf ihm ein Wohnhaus mit Tiefgarage zu errichten und dieses zu vermieten. Das Gesellschaftskapital ist rechnerisch in 164 Anteile aufgeteilt; der Beklagte zeichnete drei Anteile, was einer Beteiligungsquote von 1,8293 % entspricht.
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Zur Objektfinanzierung gewährte die Hypothekenbank in H. AG der Alt-GbR im Jahr 1990 ein grundpfandrechtlich gesichertes Darlehen in Höhe von 2.666.700 DM (umgerechnet 1.363.462,06 €). Der Beklagte übernahm ausweislich der notariellen Urkunde vom 11. November 1992 entsprechend seiner Beteiligungsquote die persönliche Haftung für den aus der Grundschuld geschuldeten Betrag. Der auf ihn entfallende Haftungsbetrag ist mit 48.781,11 DM (umgerechnet 24.941,39 €) zuzüglich 15 % Zinsen p.a. angegeben. Ab dem Jahre 1998 konnte das Darlehen von der Alt-GbR nicht mehr ordnungsgemäß bedient werden. Sanierungsverhandlungen, die Rechtsanwalt Dr. P. im Auftrag der Alt-GbR mit der E. AG als Rechtsnachfolgerin der Hypothekenbank in H. AG (künftig: Bank) führte, mündeten im Jahr 2006 in einem Angebot der Bank, die Alt-GbR gegen Zahlung von 1.250.000 € aus dem Darlehen zu entlassen. Die Umsetzung des Angebots scheiterte daran, dass die Alt-GbR lediglich einen Betrag von 800.000 € aufbringen konnte, weil nicht alle Gesellschafter die erforderlichen, auf sie entfallenden Nachschussbeträge leisteten. Der Beklagte zahlte den seiner Beteiligungsquote entsprechenden, unter Berücksichtigung nicht sanierungswilliger und nicht erreichbarer Gesellschafter von einer Summe von 1.270.000 € er- rechneten Sanierungsanteil nicht. Mit Schreiben vom 8. November 2006 kündigte die von der Bank mit der Betreuung, Verwaltung und Verwertung des Darlehens beauftragte S. GmbH das Darlehen und stellte die Darlehensforderung zur sofortigen Zahlung fällig.
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Auf Initiative des Gesellschafters der Alt-GbR O. , der - ebenso wie der Beklagte - den auf ihn entfallenden Nachschuss zur angestrebten Sanierung der Alt-GbR in Höhe von 194.000 € nicht geleistet hatte, gründeten einige Gesellschafter der Alt-GbR ohne Wissen ihrer Mitgesellschafter am 22. September 2006 die N. GbR (im Folgenden: Neu-GbR). Zweck der Neu-GbR, deren Geschäftsführung dem Gesellschafter O.
übertragen wurde, ist nach § 2 ihres Gesellschaftsvertrags der Ankauf und die Beitreibung der Darlehensforderung der Bank gegen die Alt-GbR nebst allen Rechten und Pflichten sowie der An- und Verkauf sowie die gemeinschaftliche Nutzung und Bewirtschaftung der gesellschaftseigenen Immobilien der Alt-GbR. Der Neu-GbR gelang es durch weitere Verhandlungen mit der Bank, die Rechtsanwalt Dr. P. nunmehr für sie führte, eine Herabsetzung des Ablösebetrags zu erreichen. Mit Forderungskaufvertrag vom 21. August/ 27. September 2007 kaufte die Neu-GbR die Darlehensforderung der Bank gegen die Alt-GbR nebst rückständiger Zinsen, Verzugszinsen und Kosten einschließlich sämtlicher Nebenrechte, insbesondere der Rechte aus der akzessorischen Haftung der Gesellschafter, der erstrangigen Grundschuld auf dem Gesellschaftsgrundstück und der persönlichen Schuldübernahme der Gesellschaf- ter zum Preis von 1.015.000 €. In derselben Urkunde trat die Bank die Darle- hensforderung einschließlich der mitverkauften Rechte an die Neu-GbR ab. Bei Unterzeichnung des Forderungskaufvertrags war der Kaufpreis aufgrund eines Treuhandvertrags vom 10. Oktober 2006/16. Oktober 2006 auf ein Konto der Bank geleistet.
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Die Neu-GbR hat von der Alt-GbR Zahlung der Darlehensforderung in voller Höhe verlangt und gegen sie vor dem Landgericht Berlin einen Zahlungs- titel über 2.063.678,82 € nebst Zinsen erwirkt. Das Urteil des Landgerichts Ber- lin ist seit dem 23. Januar 2012 infolge der Rücknahme der für die GbR eingelegten Berufung rechtskräftig. In verschiedenen weiteren Verfahren hat die NeuGbR außerdem Gesellschafter der Alt-GbR, die nicht auch ihr angehören, analog § 128 HGB auf Zahlung des jeweiligen quotal auf diese entfallenden Teilbetrags der von der Bank erworbenen Darlehensforderung nebst Zinsen und Kos- ten in Höhe von 2.063.678,82 € in Anspruch genommen. In diesem Verfahren verlangt sie vom Beklagten entsprechend seiner Beteiligungsquote von 1,8293 % Zahlung von 37.751,43 € zuzüglich Verzugszinsen.
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Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Das Beru- fungsgericht hat das Urteil des Landgerichts in Höhe von 18.567,07 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Aushändigung einer Kopie der Urkunde über die Abtretung der Darlehensforderung, bestätigt und hat die Klage im Übrigen abgewiesen. Hiergegen richtet sich die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie die vollständige Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils verfolgt.

Entscheidungsgründe:

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Die Revision hat keinen Erfolg.
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I. Das Berufungsgericht (OLG München, ZIP 2013, 165) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
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Der Beklagte hafte als Gesellschafter der Alt-GbR grundsätzlich analog § 128 HGB anteilig für die Darlehensschuld der Alt-GbR. Nach der rechtskräftigen Verurteilung der Alt-GbR zur Zahlung der Darlehensforderung einschließlich Nebenforderungen könne er analog § 129 HGB Einwendungen gegen die Forderungsberechtigung der Klägerin, die Wirksamkeit der Darlehenskündigung sowie die Höhe der Darlehensforderung nicht mehr erheben und deren Verjährung nicht mehr geltend machen. Dennoch sei er zu weiteren Zahlungen nicht verpflichtet. Denn die Gesellschafter der Neu-GbR seien den Mitgesellschaftern der Alt-GbR, denen sie nicht die Möglichkeit eingeräumt hätten, an einer Sanierung der Alt-GbR auf der Grundlage des von ihnen mit der Bank ausgehandelten ermäßigten Ablösebetrags teilzunehmen, zum Schadensersatz verpflichtet. Mit ihrem Vorgehen, ohne Information und Beteiligungsmöglichkeit ihrer Mitgesellschafter die Neu-GbR zu dem Zweck zu gründen, die gegen die Alt-GbR gerichtete Darlehensforderung gegen Zahlung von ca. 50 % des noch offenen Betrags zu kaufen, sie in voller Höhe gegen die Alt-GbR und analog § 128 HGB quotal gegen ihre nicht an der Neu-GbR beteiligten Mitgesellschafter geltend zu machen und auf diesem Weg die Immobilie Z. im Wege der Zwangsvollstreckung zu erwerben und anstelle der Alt-GbR zu bewirtschaften, hätten sie die gesellschafterliche Treuepflicht gegenüber ihren Mitgesellschaftern verletzt. Bei der gebotenen Information hätten die Alt-Gesellschafter die Möglichkeit erhalten, die Forderung zu dem ermäßigten Betrag von 1.015.000 € zu Gunsten der Alt-GbR abzulösen. Es sei auch davon auszugehen, dass dieser Betrag von den Gesellschaftern der Alt-GbR aufgebracht worden wäre. Unter Berücksichtigung des auf den Gesellschafter O. entfallenden Sanierungsbeitrags von 194.000 € hätten zusätzlich zu den für die gescheiterte Sa- nierung bereits geleisteten 800.000 € nur noch ca. 21.000 € gezahlt werden müssen. Dass ein Betrag dieser Größenordnung angesichts der Alternative, dass die Forderung durch eine von einigen Mitgesellschaftern gegründete neue Gesellschaft aufgekauft und in voller Höhe gegen die Mitgesellschafter geltend gemacht würde, von den Alt-Gesellschaftern nicht zur Verfügung gestellt worden wäre, sei nach den gegebenen Umständen auszuschließen. Der Beklagte könne seiner weitergehenden Inanspruchnahme durch die Neu-GbR auch die Treuepflichtverletzung ihrer Gesellschafter entgegenhalten, weil die Berufung auf die Eigenständigkeit der Neu-GbR gegen Treu und Glauben verstoße. Andernfalls würde der Beklagte zur Leistung an die Neu-GbR gezwungen, obwohl Bestehen und Zahlungsanspruch der Neu-GbR auf dem Treuepflichtverstoß ihrer Gesellschafter beruhe, bei denen es sich ausschließlich um schadensersatzpflichtige Gesellschafter der Alt-GbR handele. Er sei deshalb nur zur Zahlung des Teilbetrags der Darlehensforderung verpflichtet, den er bei pflichtgemäßem Verhalten der Gesellschafter der Neu-GbR aufzubringen gehabt hätte.
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II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand.
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Der Beklagte haftet der Klägerin analog § 128 HGB nur anteilig in Höhe des für den Erwerb der Darlehensforderung aufgewandten Kaufpreises. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Gesellschafter der Klägerin ihre gesellschafterliche Treuepflicht gegenüber dem Beklagten als Mitgesellschafter der Alt-GbR verletzt haben und der Beklagte dem Zahlungsbegehren der Klägerin als nunmehriger Gläubigerin der Darlehensforderung die Treuepflichtverletzung ihrer Gesellschafter entgegenhalten kann. Er ist deshalb der Klägerin gegenüber jedenfalls so zu stellen, wie er stünde, wenn der AltGbR von den Gesellschaftern der Klägerin Gelegenheit gegeben worden wäre, den Ablösebetrag aufzubringen.
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1. Das Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass der Beklagte als Gesellschafter der Alt-GbR der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Gläubigerbank für die Darlehensverbindlichkeiten der Alt-GbR in voller Höhe analog § 128 HGB entsprechend seiner Beteiligungsquote haftet (vgl. auch BGH, Urteil vom 5. April 2011 - II ZR 279/08, ZIP 2011, 1103 Rn. 12). Ebenso frei von Rechtsfehlern ist die Auffassung des Berufungsgerichts, dass das von der Klägerin gegen die Alt-GbR erwirkte, rechtskräftige Urteil des Landgerichts Berlin, das deren Zahlungspflicht für die Darlehensverbindlichkeiten ausspricht, dem Beklagten als ihrem Gesellschafter diejenigen Einwendungen gegen das Bestehen der Darlehensverbindlichkeit nimmt, die schon der AltGbR abgesprochen wurden (BGH, Urteil vom 22. März 2011 - II ZR 249/09, ZIP 2011, 1143 Rn. 9; Urteil vom 3. April 2006 - II ZR 40/05, ZIP 2006, 994 Rn. 15). Weiterhin zutreffend hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass die Darlehensverbindlichkeit der Alt-GbR in der vom Landgericht Berlin festgestellten Höhe besteht. Hiergegen wird von der Revision als ihr günstig auch nichts erinnert.
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2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Würdigung des Berufungsgerichts , dass die Gesellschafter der Neu-GbR die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht gegenüber dem Beklagten als Mitgesellschafter der Alt-GbR verletzt haben und sie dem Beklagten deshalb zum Schadensersatz verpflichtet sind. Diese Würdigung ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtlich nicht zu beanstanden.
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a) Die Revision meint, der Beklagte könne sich schon deshalb nicht auf eine Verletzung der Treuepflicht berufen, weil dem die Rechtskraft des gegen die Fondsgesellschaft ergangenen Urteils entgegenstehe. Darin kann ihr nicht gefolgt werden. Der Beklagte ist durch das gegen die Alt-GbR ergangene Urteil nicht analog § 129 HGB gehindert, sich gegenüber dem Zahlungsverlangen der Klägerin auf eine ihm als Mitgesellschafter gegenüber begangene Verletzung der Treuepflicht und einen hierauf gestützten, ihm zustehenden Schadensersatzanspruch zu berufen. Im Zahlungsprozess gegen die Alt-GbR konnte nur über die der Gesellschaft zustehenden Einwendungen analog § 129 Abs. 1 HGB mit Wirkung für ihre Gesellschafter entschieden werden (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2011 - II ZR 249/09, ZIP 2011, 1143 Rn. 9). Darum geht es hier aber nicht. Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch des Beklagten nicht aus einer Verletzung der Treuepflicht gegenüber der Alt-GbR, sondern gegenüber dem Beklagten hergeleitet, weil er ebenso wie andere Gesellschafter der Alt-GbR von einer Sanierung und einer Beteiligung am Erwerb der Darlehensforderung gegen die Alt-GbR ausgeschlossen wurde. Eigene Schadensersatzansprüche der Gesellschafter werden durch das rechtskräftige Urteil gegen die Gesellschaft nicht berührt (vgl. Hillmann in Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 129 Rn. 9 mwN; Roth in Baumbach/ Hopt, HGB, 36. Aufl., § 129 Rn. 6).
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b) Ebenfalls ohne Erfolg rügt die Revision die Annahme des Berufungsgerichts , dass die Gesellschafter der Klägerin gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstoßen haben, als fehlerhaft, weil nach der Rechtsprechung des Senats die Pflicht, Geschäftschancen der Gesellschaft nicht für sich selbst, sondern für die Gesellschaft zu nutzen, regelmäßig nur den geschäftsführenden Gesellschafter treffe, die Gesellschafter der Klägerin als Gesellschafter der AltGbR aber nach § 5 Abs. 1 Satz 3 des Gesellschaftsvertrags der Alt-GbR von der Geschäftsführung und Vertretung der Alt-GbR ausgeschlossen sind. Entgegen der Darstellung der Revision hat das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung jedoch nicht maßgeblich darauf abgestellt, dass die Gesellschafter der Klägerin eine der Alt-GbR zugeordnete Geschäftschance an sich gezogen haben (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 4. Dezember 2012 - II ZR 159/10, ZIP 2013, 361 Rn. 20; Urteil vom 23. September 1985 - II ZR 257/84, ZIP 1985, 1482, 1483 zur OHG; vgl. auch MünchKommBGB/Schäfer, 6. Aufl., § 708 Rn. 18). Der den Gesellschaftern der Klägerin vom Berufungsgericht gemachte Vorwurf ist anders gelagert. Bei dem Erwerb der Darlehensforderung gegen die in Schieflage geratene Alt-GbR durch die Klägerin zu einem unter dem hälftigen Forderungsbetrag liegenden Kaufpreis ging es nicht um eine bloße Geschäftschance der Alt-GbR, sondern um ihr weiteres Bestehen. Das Berufungsgericht hat den Gesellschaftern der Klägerin als treupflichtwidriges Handeln angelastet, dass sie nach dem von ihnen verfolgten Sanierungsplan beabsichtigten, den Geschäftsgegenstand der Alt-GbR auf die Neu-GbR zu verlagern, ohne allen Mitgesellschaftern der Alt-GbR Gelegenheit zu geben, sich auf der Grundlage des von ihnen ausgehandelten, weiter reduzierten Ablösebetrags an der Sanierung der Alt-GbR und der Aufbringung des Sanierungsbeitrags zu beteiligen, um sich auf diese Weise auf Kosten der ausgeschlossenen Mitgesellschafter und der Alt-GbR wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen.
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c) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Beurteilung des Berufungsgerichts , das von den Gesellschaftern der Klägerin gewählte Vorgehen verstoße gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
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aa) Die Gesellschafter übernehmen mit der Gründung oder dem Beitritt zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts die gemeinsame Verpflichtung, ihr Handeln an dem von der Gesellschaft verfolgten Zweck auszurichten und seine Verwirklichung zu fördern (vgl. MünchKommBGB/Ulmer/Schäfer, 6. Aufl., § 705 Rn. 142). Mit der Begründung des Gesellschaftsverhältnisses unterliegen sie außerdem der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht schließt gegenüber der Gesellschaft die Pflicht ein, deren Interessen wahrzunehmen und gesellschaftsschädigende Handlungen zu unterlassen (vgl. Soergel/ Hadding/Kießling, BGB, 13. Aufl., § 705 Rn. 60 mwN). Diese Pflicht ist in § 2 Abs. 7 des Gesellschaftsvertrags der Alt-GbR ausdrücklich geregelt. Gegenüber den einzelnen Mitgesellschaftern gebietet sie, in dem durch den Gesellschaftszweck vorgegebenen mitgliedschaftlichen Bereich bei der Verfolgung der eigenen Interessen an der Beteiligung auf die Belange der Mitgesellschafter Rücksicht zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 1966 - II ZR 230/63, WM 1966, 511, 512 für einen Poolvertrag; OLG Nürnberg, WM 1962, 731 für eine OHG; MünchKommBGB/Ulmer/Schäfer, 6. Aufl., § 705 Rn. 229; Soergel/ Hadding/Kießling, BGB, 13. Aufl., § 705 Rn. 60).
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bb) Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Gesellschafter der Neu-GbR mit dem von ihnen unter Ausschluss der übrigen Gesellschafter der Alt-GbR verfolgten und umgesetzten Sanierungsplan die gesellschafterliche Treuepflicht nicht nur gegenüber der Alt-GbR, sondern auch gegenüber ihren Mitgesellschaftern verletzt haben.
Das Berufungsgericht ist in rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung zu der Überzeugung gekommen, dass die Gründer der Klägerin es unterließen, die übrigen Gesellschafter der Alt-GbR von der beabsichtigten Gründung der Klägerin zu informieren und ihnen Gelegenheit zu geben, sich an einer Sanierung unter anteiliger Aufbringung des mit der Bank vereinbarten Ablösebetrags zu beteiligen, um auf diese Weise auf Kosten der ausgeschlossenen Mitgesellschafter ihrer Gesellschafterhaftung zu entgehen oder jedenfalls den auf sie entfallenden Haftungsbetrag zu ermäßigen sowie im Falle der Zahlungsunfähigkeit einzelner Gesellschafter der Alt-GbR durch eine zwangsweise Verwertung der Fondsimmobilie den einzigen Vermögenswert der Alt-GbR auf die Klä- gerin „überzuleiten“ und die Alt-GbR aus ihrer Geschäftstätigkeit zu drängen. Die Gründung einer neuen Gesellschaft durch die Gesellschafter einer bestehenden Gesellschaft, die denselben Zweck wie die Altgesellschaft verfolgt, ist regelmäßig als treuwidrig zu beurteilen, wenn sie nicht mit Billigung aller Altgesellschafter geschieht.
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Unter welchen Voraussetzungen ein solches Vorgehen auch ohne Zustimmung aller Altgesellschafter im Einzelfall gerechtfertigt sein kann, weil sich einige Altgesellschafter einer notwendigen Sanierung der Altgesellschaft verweigern , bedarf keiner Entscheidung. Jedenfalls bei der vorliegenden Fallgestaltung stellt sich das Vorgehen der Gesellschafter der Klägerin, deren Zweck nicht nur darauf gerichtet ist, die Darlehensforderung der Bank gegen die Altgesellschaft anzukaufen und beizutreiben, sondern auch die gesellschaftseigenen Immobilien des Immobilienfonds der Altgesellschaft zu erwerben sowie gemeinschaftlich zu nutzen und zu bewirtschaften, deshalb als Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht dar, weil nicht allen Gesellschaftern der Alt-GbR Gelegenheit gegeben wurde, sich an der Aufbringung des mit der Bank ausgehandelten Ablösebetrags gegen Haftungsfreistellung entsprechend ihrem Anteil an der Gesellschaft zu beteiligen und auf diese Weise entsprechend dem von den Gesellschaftern der Klägerin verfolgten „Sanierungsplan“, der darauf ab- zielte, dass sich die Gesellschafter der Klägerin auf Kosten aller - auch der sanierungswilligen - anderen Gesellschafter der Alt-GbR finanzielle Vorteile verschafften , eine mögliche Sanierung unter Beteiligung aller sanierungswilligen Mitgesellschafter der Altgesellschaft von vornherein verhindert wurde.
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cc) Anders als die Revision meint, steht der Beurteilung des Berufungsgerichts , dass die Gesellschafter der Klägerin gegenüber dem Beklagten ihre gesellschafterliche Treuepflicht verletzt haben, nicht entgegen, dass es zur Gründung der Klägerin nur deshalb kam, weil die langjährigen Bemühungen um eine Sanierung der Alt-GbR gescheitert waren und nach Kündigung des Darlehens durch die Bank einzelnen Gesellschaftern der Alt-GbR die Zwangsvollstreckung durch die Bank drohte. Auch dieser Umstand lässt das Vorgehen der Gesellschafter der Klägerin, unter Ausschluss ihrer Mitgesellschafter die Klägerin zu gründen und mit den erforderlichen Mitteln auszustatten, um die Forderung günstig zu erwerben und gegen die Mitgesellschafter Zahlung des auf sie entfallenden Haftungsbetrags für die gesamte noch offene Forderung durchzusetzen , nicht in einem milderen Licht erscheinen. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass der Initiator und nunmehrige Gesellschaftergeschäftsführer der Klägerin selbst den zur Sanierung der Alt-GbR erforderlichen, auf ihn entfallenden Beitrag in erheblicher Höhe nicht geleistet hatte. Die betroffenen Gesellschafter der Alt-GbR hätten die drohende Zwangsvollstreckung durch die Bank - ohne Missachtung der berechtigten Interessen ihrer Mitgesellschafter - auch dadurch abwenden können, dass sie die auf sie entfallenden Haftungsbeträge zur Sanierung der Alt-GbR dieser selbst oder unmittelbar der Bank zur Verfügung gestellt hätten.
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dd) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, ein Schadensersatzanspruch des Beklagten wegen Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht komme nicht in Betracht, weil sich der Beklagte selbst treuwidrig verhalten habe , indem er den zur Sanierung der Alt-GbR erforderlichen, von der Gesellschafterversammlung beschlossenen Nachschuss nicht geleistet habe. Dies trifft nicht zu. Der Beklagte war nicht ohne seine Zustimmung zur Zahlung des geforderten Nachschusses verpflichtet (§ 707 BGB). Durch den Gesellschafterbeschluss konnte ohne seine Zustimmung eine nachträgliche Beitragspflicht zu seinen Lasten nicht begründet werden. Anders als die Revision meint, hat der Beklagte einer nachträglichen Beitragserhöhung auch nicht vorab im Gesellschaftsvertrag zugestimmt. Die Regelung in § 2 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrags , der die Gesellschafter insbesondere zu Nachschüssen verpflichtet, „wenn sich die Herstellungs- und Finanzierungskosten des Bauvorhabens auf Grund unvorhergesehener Verzögerungen der Baudurchführung und/oder behördlicher und technischer Auflagen und Änderungen über die kalkulierten Beträge hinaus erhöhen und durch eine entsprechende Erhöhung der von der Gesellschaft aufzunehmenden Fremdmittel nicht in wirtschaftlicher Weise gedeckt werden können“, genügt nicht den Anforderungen, die nach der ständigen Rechtsprechung des Senats an die wirksame Erteilung einer antizipierten Zustimmung zu einer nachträglichen Beitragserhöhung im Gesellschaftsvertrag zu stellen sind. Die gesellschaftsvertragliche Bestimmung ist weder eindeutig noch lässt sie Ausmaß und Umfang einer möglichen zusätzlichen Belastung der Gesellschafter erkennen (BGH, Urteil vom 23. Januar 2006 - II ZR 306/04, ZIP 2006, 562 Rn.18 f.; Urteil vom 19. März 2007 - II ZR 73/06, ZIP 2007, 812 Rn. 17; Urteil vom 21. Mai 2007 - II ZR 96/06, ZIP 2007, 1458 Rn. 13 ff.; Urteil vom 9. Februar 2009 - II ZR 231/07, ZIP 2009, 864 Rn. 14 f.).
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d) Zu Unrecht meint die Revision, die Annahme eines Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht scheitere daran, dass die Auffassung des Berufungsgerichts, die Alt-GbR hätte den von den Gesellschaftern der Klägerin ausgehandelten Ablösebetrag von 1.015.000 € aufbringen können, „rein spekulativ“ sei. Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts ist vertretbar und rechtlich möglich. Sie ist einer weitergehenden Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen. Ungeachtet dessen kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob die Sanierung der Alt-GbR im Falle der Beteiligung aller Gesellschafter gelungen wäre. Auch wenn davon auszugehen wäre, dass der reduzierte Abfindungsbetrag nicht aufgebracht worden wäre, kommt ein Schadensersatzanspruch des Beklagten in Betracht. Die Revision verkennt, dass der Treuepflichtverstoß (auch) darin liegt, dass nicht allen sanierungswilligen Gesellschaftern der Alt-GbR Gelegenheit gegeben wurde, sich an der Erhaltung des Gesellschaftsgrundstücks, bei dem es sich um den einzigen Vermögensgegenstand der Alt-GbR handelte, zu beteiligen. Auch wenn diese vorrangig durch Sanierung der Alt-GbR zu geschehen hatte, konnte die Rettung des Fondsgrundstücks bei deren Scheitern auch dadurch erfolgen, dass allen sanierungswilligen Gesellschaftern Gelegenheit gegeben wurde, sich an der Neu-GbR, zumindest aber an der Aufbringung des Ablösebetrags gegen Haftungsfreistellung zu beteiligen. Dass der Beklagte den unter Berücksichtigung des von der Neu-GbR vereinbarten, geringeren Ablösebetrags auf ihn entfallenden Sanierungsbeitrag nicht geleistet und sich einer Sanierung auf dieser Grundlage verweigert hätte, macht die Revision nicht geltend. Hierfür ist auch nichts ersichtlich.
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Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht entscheidungserheblich, ob die Bank auch gegenüber der Alt-GbR zu einem entsprechenden Nachlass bereit gewesen wäre. Im Übrigen kann die Revision nicht damit gehört werden, das Berufungsgericht habe sich bei der Feststellung, dass dies der Fall war, über das gegenteilige, unter Beweis gestellte Vorbringen der Klägerin hinweggesetzt. Das Berufungsgericht hat mit Tatbestandswirkung (§ 314 ZPO) festgestellt, dass die Bank bereit gewesen wäre, den Forderungskaufvertrag zu dem ermäßigten Betrag mit der Alt-GbR abzuschließen und dass die Klägerin nichts Ge- genteiliges vorgetragen habe. Die Klägerin hat nicht mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag (§ 320 ZPO) geltend gemacht, dass diese Feststellungen unrichtig sind; sie sind deshalb für das Revisionsgericht bindend und einer Verfahrensrüge nicht zugänglich (BGH, Urteil vom 8. Januar 2007 - II ZR 334/04, NJW-RR 2007, 1434 Rn. 11; Urteil vom 1. Dezember 2008 - II ZR 102/07, BGHZ 179, 71 Rn. 16; Urteil vom 16. Dezember 2010 - I ZR 161/08, NJW 2011, 1513 Rn. 12).
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Ungeachtet dessen ist jedoch die Feststellung des Berufungsgerichts, dass ein entsprechender Vertragsschluss auch zwischen der Bank und der AltGbR möglich gewesen wäre, frei von Rechtsfehlern. Das Berufungsgericht musste dem als übergangen gerügten Beweisangebot der Klägerin dafür, dass die Bank gegenüber der Alt-GbR den Ablösebetrag nicht ermäßigt hätte, nicht nachgehen, weil es erst in einem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz enthalten war. Die Revision macht nicht geltend, dass das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft davon abgesehen hat, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (§156 ZPO). Hierfür bestehen auch keine Anhaltspunkte.
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3. Schließlich ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte könne der Klägerin den ihm wegen der Treuepflichtverletzung ihrer Gesellschafter zustehenden Schadensersatzanspruch nach § 242 BGB ausnahmsweise entgegenhalten, rechtlich nicht zu beanstanden.
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a) Die Klägerin ist als Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwar keine juristische Person. Als Gesamthand ist sie aber ein eigenes Zuordnungssubjekt, das rechtsfähig ist und grundsätzlich am Rechtsverkehr teilnehmen kann (BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 343 ff.). Die Vermögensrechte der Gesellschafter beschränken sich auf ihre gesamthänderische Beteiligung an der Gesellschaft (MünchKommBGB/Ulmer/Schäfer, 6. Aufl., Vor § 705 Rn. 11; Soergel/Hadding/Kießling, BGB, 13. Aufl., Vor § 705 Rn. 21). Handelt es sich bei der Klägerin um ein eigenständiges Zuordnungssubjekt, ist zwischen ihr und ihren Gesellschaftern zu trennen. Dies hat zur Folge, dass eine Treuepflichtverletzung der Gesellschafter der Klägerin, die sie sich als Gesellschafter der Alt-GbR gegenüber dem Beklagten als Mitgesellschafter haben zuschulden kommen lassen, der Klägerin grundsätzlich nicht anzulasten ist.
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b) Wie das Berufungsgericht zutreffend gesehen hat, gilt das Trennungsprinzip zwischen einer Gesellschaft als selbständigem Rechtsträger und ihren Gesellschaftern im Gesellschaftsrecht nicht ausnahmslos. Es ist für die GmbH allgemein anerkannt, dass in besonders gelagerten Ausnahmefällen ausnahmsweise eine Durchbrechung des zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern geltenden Trennungsprinzips in Betracht kommen kann. Eine Abweichung vom Trennungsprinzip wird unter anderem dann zugelassen, wenn die Berufung auf die Verschiedenheit von Gesellschaft und Gesellschafter gegen Treu und Glauben verstoßen würde (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1956 - II ZR 156/55, BGHZ 22, 226, 230; Urteil vom 4. Mai 1977 - VIII ZR 298/75, BGHZ 68, 312, 314 f. jeweils zur Einpersonen-GmbH; BSG, ZIP 1996, 1134, 1135 zur GmbH; Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 13 Rn. 10). Für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die anders als die GmbH kein gegenüber ihren Gesellschaftern völlig verselbständigtes Rechtssubjekt ist, kann nichts anderes gelten. Soweit für die hier gegebene Fallgestaltung von Bedeutung, kann die Durchbrechung des Trennungsprinzips dadurch geschehen, dass rechtserhebliche Umstände auf Seiten der Gesellschafter der Gesellschaft zugerechnet werden. Sie ist - anders als bei einer GmbH (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 1999 - II ZR 368/97, DStR 1999, 1822 mit Anm. von Goette; MünchKommGmbHG/Merkt, § 13 Rn. 361 mwN) - bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, für deren Verbindlichkeiten ihre Gesellschafter den Gesellschaftsgläubigern analog § 128 HGB persönlich haften, auch in der Weise denkbar, dass bei Vorliegen besonderer Umstände ein Dritter dem gegen ihn erhobenen Anspruch der Gesellschaft seinen - gegen alle Gesellschafter gerichteten - Schadensersatzanspruch im Wege der Einwendung entgegenhalten kann.
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c) Das Berufungsgericht ist in rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung der hier gegebenen Umstände des Falles zu dem Ergebnis gekommen, dass die Berufung der Klägerin auf ihre Eigenständigkeit gegen Treu und Glauben verstößt und der Beklagte deshalb seinen Schadensersatzanspruch gegen die Gesellschafter der Klägerin auch ihrem Zahlungsbegehren entgegensetzen kann. Die hiergegen erhobenen Rügen der Revision greifen nicht durch. Die Feststellungen des Berufungsgerichts rechtfertigen die Beurteilung, dass es grob unbillig wäre, den Beklagten ungeachtet des treuwidrigen Verhaltens aller Gesellschafter der Klägerin zu verpflichten, an diese den gesamten, seiner quotalen Beteiligung an der Alt-GbR entsprechenden Teilbetrag der Darlehensschuld zu zahlen und ihn darauf zu verweisen, seinen Schadensersatzanspruch im Wege des Regresses gegen seine Mitgesellschafter durchzusetzen. Die Annahme , dass ein solches Ergebnis gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt und untragbar ist, ist hier deshalb gerechtfertigt, weil die Gründung der Klägerin selbst auf einem grob treupflichtwidrigen Verhalten ihrer Gesellschafter beruht, die Forderung der Klägerin und der Schadensersatzanspruch gegen ihre Gesellschafter in einem untrennbarem Zusammenhang stehen und die Klägerin ausschließlich aus Gesellschaftern besteht, denen ein solcher Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht gegenüber dem Beklagten anzulasten ist. Die gegen diese letzte Feststellung von der Revision erhobene Verfahrensrüge geht fehl. Die Revision übersieht, dass das Berufungsgericht diese Feststellung mit Tatbestandswirkung (§ 314 ZPO) getroffen hat. Da die Klägerin ihr nicht mit einem Antrag auf Berichtigung des Tatbestands entgegengetreten ist, ist sie für das Revisionsverfahren zugrunde zu legen (BGH, Urteil vom 8. Januar 2007 - II ZR 334/04, NJW-RR 2007, 1434 Rn. 11; Urteil vom 1. Dezember 2008 - II ZR 102/07, BGHZ 179, 71 Rn. 16; Urteil vom 16. Dezember 2010 - I ZR 161/08, NJW 2011, 1513 Rn. 12).
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4. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte sei im Wege des Schadensersatzes gegenüber der Klägerin nur in dem Umfang für die Darlehensschuld der Gesellschaft zur Zahlung verpflichtet, in dem er ohne den Pflichtenverstoß ihrer Gesellschafter Zahlung hätte leisten müssen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Der Einwand der Revision, das Berufungsgericht habe verkannt, dass die Gesellschafter der Klägerin nach der Rechtsprechung des Senats (BGH, Urteil 19. Oktober 2009 - II ZR 240/08, BGHZ 183, 1 - Sanieren oder Ausscheiden) mit dem Beschluss, die Alt-GbR zu sanieren, einen Ausschluss der nicht sanierungswilligen Gesellschafter aus der Gesellschaft hätten herbeiführen können, mit der Folge, dass ein Schadensersatzanspruch des Beklagten nicht nach dem Kaufpreis, sondern nach Maßgabe des hypothetischen Liquidationsfehlbetrags zu berechnen sei, greift nicht durch. Die Gesellschafter der Alt-GbR haben einen - dem vom Senat in der genannten Entscheidung gebilligten Sanierungskonzept entsprechenden - Beschluss zur Änderung des Gesellschaftsvertrags der Alt-GbR, durch den nachträglich eine Ausschlussregelung für diejenigen Gesellschafter eingefügt wurde, die ihren Sanierungsbeitrag in Form der Kapitalerhöhung nicht geleistet hatten, nicht gefasst. Nur sie und nicht die Gesellschafter der Klägerin allein hätten ein solches Sanierungskonzept beschließen können. Dafür, dass ein solcher Beschluss wirksam zustande gekommen wäre, bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Erst recht ist nichts dafür ersichtlich, dass der Beklagte im Rahmen eines solchen Sanierungskonzepts seinen Sanierungsbeitrag nicht geleistet hätte. Ungeachtet dessen ist den Gesellschaftern der Klägerin der von der Revision erhobene Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens schon deshalb verwehrt, weil sie, anders als durch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht geboten und bei der Sanierung, die in der genannten Entscheidung zur Überprüfung des Senats stand, geschehen, ihren Mitgesellschaftern der Alt-GbR keine Gelegenheit gegeben haben, an dem von ihnen verfolgten Sanierungskonzept teilzunehmen, nachdem sie eine weitere Ermäßigung des Kaufpreises für die Darlehensforderung erreicht hatten.
Bergmann Strohn Reichart Drescher Born
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 19.04.2011 - 12 O 13215/09 -
OLG München, Entscheidung vom 17.04.2012 - 5 U 2168/11 -