Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 03. Dez. 2014 - Verg 8/14, 1 Verg 8/14

ECLI:ECLI:DE:OLGKOBL:2014:1203.VERG8.14.0A
bei uns veröffentlicht am03.12.2014

Tenor

1. Auf sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 2. Vergabekammer Rheinland-Pfalz vom 5. September 2014 - VK 2 18/14 aufgehoben.

2. Dem Auftraggeber wird untersagt, die in der Zweckvereinbarung zwischen ihm und dem Beigeladenen vom 20. Mai 2014 umschriebene Dienstleistung „Behandlung und Verwertung von Bioabfällen“ ohne förmliches Vergabeverfahren an eine natürliche oder von ihm personenverschiedene, nicht unter Art. 12 Abs. 1 - 3 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG fallende juristische Person zu vergeben.

3. Der Auftraggeber und die Beigeladene tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens und insoweit je zur Hälfte die notwendigen Auslagen der Antragstellerin. Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Antragstellerin trägt der Auftraggeber alleine.

4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Verfahren vor der Vergabekammer durch die Antragstellerin war notwendig.

5. Der Beschwerdewert wird auf 270.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin (Beschwerdeführerin) ist ein privates Entsorgungsunternehmen, das nach einer gewonnenen unionsweiten Ausschreibung im Auftrag des Landkreises N. Bioabfälle entsorgt. Sie betreibt das ihr gehörende Kompostwerk N., in dem überwiegend Bioabfall aus dem Landkreis N. verarbeitet wird. Der Dienstleistungsvertrag läuft zum 31. Dezember 2015 aus; von einer Verlängerungsoption will der Auftraggeber keinen Gebrauch machen.

2

Vielmehr beschloss der Kreistag am 30. April 2014, ab Anfang 2016 den für die Abfallentsorgung zuständigen Eigenbetrieb „RLK Abfallwirtschaft" des Beigeladenen, der in S. unter Mitwirkung eines als Betriebsführer beauftragten Privatunternehmens das Abfallwirtschaftszentrum RL. betreibt, mit der Behandlung und Verwertung der im Gebiet des Landkreises N. anfallenden Bioabfälle zu betrauen.

3

In Umsetzung dieses Beschlusses schlossen der Auftraggeber und der Beigeladene am 20. Mai 2014 eine nach § 12 Abs. 2 KomZG RP genehmigungsbedürftige, aber der zuständigen Behörde noch nicht zur Genehmigung vorgelegte „Zweckvereinbarung“ mit einer Laufzeit von 12 Jahren (mit Verlängerungsoption). Gemäß § 1 dieser Vereinbarung „delegiert“ der Landkreis N. ab dem 1. Januar 2016 die Behandlung und Verwertung von Bioabfällen auf den Beigeladenen; dieser soll gemäß § 4 als Gegenleistung „für den Eintritt in die Pflichten und Zuständigkeiten“ des Vertragspartners einen „Jahresdeckungsbeitrag“ erhalten, der sich nach derzeitigen Schätzungen auf ca. 1,35 Mio. € beläuft. Im Übrigen enthält die Vereinbarung lediglich Detailregelungen zur Durchführung der Leistung (wie Anlieferungszeiten, Umgang mit Störstoffen oder Leistungsnachweise), begründet aber keine weitergehenden Rechte und Pflichten eines Beteiligten.

4

Die Antragstellerin ist der Ansicht, Inhalt der Zweckvereinbarung sei ein unionsweit auszuschreibender „normaler“ Dienstleistungsauftrag, während sich der Auftraggeber und der Beigeladene darauf berufen, es handele sich um eine vergaberechtsfreie horizontale Zusammenarbeit kommunaler Gebietskörperschaften.

5

Die Vergabekammer ist mit Beschluss vom 5. September 2014 auf diesen Streitpunkt nicht eingegangen, sondern hat den Nachprüfungsantrag (der jetzigen Beschwerdeführerin) als unzulässig verworfen: § 101b Abs. 2 GWB sei (noch) nicht anwendbar, weil die nach § 12 Abs. 2 KomZG RLP für die Wirksamkeit der Vereinbarung notwendige Genehmigung fehle, und für den (hilfsweise) geltend gemachten Unterlassungsanspruch fehle es ebenfalls an einer „vollziehbaren Vergabemaßnahme“.

6

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde.

II.

7

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

8

1. Gegen die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags bestehen keine Bedenken.

9

a) Gemäß § 97 Abs. 7 GWB hat die Antragstellerin als ein am Auftrag interessiertes Unternehmen einen Anspruch auf Einhaltung der einschlägigen Vergabevorschriften. Zu diesen gehört als Grundregel auch die in § 97 Abs. 1 GWB normierte Ausschreibungspflicht (so schon die amtl. Begründung des Entwurfs des Vergaberechtsänderungsgesetzes 1999, BT-DRs 13/9340 S. 17 zu § 117-E). Nach (nahezu) einhelliger Auffassung in Rechtsprechung (BGH v. 01.02.2005 - X ZB 27/04 - VergabeR 2005; 328, BGH v. 18.06.2012 - X ZB 9/11 - VergabeR 2012, 839; OLG Düsseldorf v. 20.06.2001 - Verg 3/01 - VergabeR 2001, 329; BayObLG v. 28.05.2003 - Verg 7/03 - VergabeR 2003, 563; OLG Frankfurt v. 07.09.2004 - 11 Verg 11/04 - VergabeR 2005, 80; OLG Schleswig v. 07.10.2011 - 1 Verg 1/11 - juris; OLG Celle v. 30.10.2014 - 13 Verg 8/14 - VPR 2014, 4719; EuGH v. 11.01.2005 - C-26/03 - VergabeR 2005, 44) und Literatur (siehe z.B. Eschenbruch in: Kulartz/Kus/Portz, GWB, 3. Aufl., § 99 Rn. 125 f.; Kullack/Schüttpelz in: Heiermann/Riedl/Rusam, 13. Aufl., § 104 GWB Rn. 16) gehört zu den der Nachprüfung zugänglichen Handlungen eines öffentlichen Auftraggebers auch dessen Entscheidung, seinen Bedarf in einem ungeregelten Vergabeverfahren zu decken; dies jedenfalls dann, wenn er - wie hier - bereits nach außen gerichtete Aktivitäten zur Umsetzung dieser Entscheidung entfaltet hat (OLG Düsseldorf v. 29.10.2008 - VII-Verg 35/08 - juris). Der vom Auftraggeber mehrmals angeführte, in sich widersprüchliche Beschluss des OLG Schleswig vom 15.03.2013 (1 Verg 4/12 - VergabeR 2013, 577) steht dem nicht entgegen - zumal es dort (juris Rn. 54) auch heißt, die Frage, ob ein förmliches Vergabeverfahren durchzuführen sei, könne „vor Vertragsschluss im Wege der Nachprüfung … überprüft werden“.

10

b) Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 107 Abs. 2, 3 GWB sind zu bejahen. Die Antragstellerin hat schlüssig ein Interesse daran bekundet, als derzeitige Leistungserbringerin und Betreiberin des Kompostwerks N. die verfahrensgegenständlichen Entsorgungsleistungen auch nach dem 31. Dezember 2015 zu erbringen. Sie hat zudem dargelegt, dass und warum sie ein förmliches Vergabeverfahren für notwendig hält und dass ihr ein Schaden droht, weil ihr durch die Vereinbarung des Auftraggebers mit der Beigeladenen die Möglichkeit genommen werden solle, sich um einen Folgeauftrag zu bewerben. Rügepräklusion ist nicht eingetreten.

11

2. Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet.

12

a) Unerheblich ist allerdings, dass der Beigeladene das Abfallwirtschaftszentrum RL. nicht mit eigenem Personal betreibt, sondern ein von ihm unabhängiges Privatunternehmen mit dem Betrieb der Anlagen betraut hat. Dass der Beigeladene die Dienste eines Erfüllungsgehilfen in Anspruch nimmt, ändert nichts daran, dass die Abfallbehandlung und -entsorgung in S. weiterhin unter seiner alleinigen Verantwortung erfolgt und auch er allein derjenige ist, der die in der Zweckvereinbarung umschriebene Leistung erbringen soll. Eine (indirekte) Beauftragung oder Bevorzugung eines Privaten liegt nicht vor.

13

b) Bei der Abfallentsorgung handelt es sich um eine Tätigkeit, die nach nationalem Recht zwar Aufgabe kommunaler Gebietskörperschaften ist. Die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger müssen diese Aufgabe aber nicht „eigenhändig“ erfüllen, sondern können die Dienste von auf dem Markt tätigen und untereinander im Wettbewerb stehenden Wirtschaftsteilnehmern in Anspruch nehmen. Die Durchführung der Abfallentsorgung ist somit eine marktfähige Leistung, die grundsätzlich im Wettbewerb nach den Regeln des Vergaberechts zu vergeben ist.

14

c) Die Vereinbarung vom 20. Mai 2014 erfüllt alle Tatbestandsmerkmale eines ausschreibungspflichtigen öffentlichen Auftrags im Sinne des § 99 GWB: Ein öffentlicher Auftraggeber (§ 98 Nr. 1 GWB) will eine ihm gesetzlich übertragene Aufgabe nicht selbst erledigen, sondern von einer von ihm personenverschiedenen (und unabhängigen) juristischen Person erledigen lassen; diese soll als Gegenleistung jährlich ca. 1,35 Mio. € erhalten. Der Annahme eines Auftrags im Sinne des Vergaberechts steht nicht entgegen, dass die Vereinbarung öffentlich-rechtlicher Natur und der Ausführende seinerseits öffentlicher Auftraggeber in Sinne des § 98 Nr. 1 GWB ist. Auch ist es unerheblich, ob die Gegenleistung des Auftraggebers kostendeckend oder gar gewinnbringend ist (OLG Düsseldorf v. 06.11.2013 - VII-Verg 39/11 - VergabeR 2014, 169). Da nichts geliefert oder gebaut werden soll, handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag (§ 99 Abs. 4 GWB).

15

d) Es ist bereits fraglich, ob sich der Auftraggeber überhaupt auf die vom EuGH entwickelte und in Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24/EU kodifizierte Unanwendbarkeit des Vergaberechts der Union auf bestimmte Vereinbarungen zwischen zwei oder mehr öffentlichen Auftraggebern berufen kann. Die Richtlinie ist noch nicht in nationales Recht umgesetzt; die Umsetzungsfrist ist noch nicht abgelaufen. Der EuGH legt ausschließlich Unionsrecht aus; seine Entscheidungen haben nicht zwangsläufig Auswirkungen auf das nationale Recht, das von nationalen Auftraggebern, Vergabekammern und Vergabesenaten in erster Linie anzuwenden ist.

16

Die Reichweite des im Ersten Abschnitt des Vierten Teils des GWB geregelten Vergaberegimes bestimmt sich zunächst einmal nach deutschem Recht (BGH v. 01.12.2008 - X ZB 32/08 - juris). Der nationale Gesetzgeber darf zwar bei der Umsetzung von Richtlinien der Union nicht hinter deren Regelungsgehalt zurückbleiben. Es ist ihm aber nicht untersagt, einen Vorgang, der nach dem Unionsrecht (in Gestalt seiner Auslegung durch den EuGH) vergaberechtsfrei wäre, dem Anwendungsbereich des nationalen Vergaberechts zu unterwerfen (sog. überschießende Richtlinienumsetzung).

17

Das geltende deutsche Recht (§ 100 Abs. 2 - § 100c GWB) enthält keine Regelung, die eine Vereinbarung, welche einerseits alle Merkmale eines öffentlichen Auftrages erfüllt, an denen andererseits aber nur öffentliche Auftraggeber beteiligt sind, von der Anwendbarkeit des Ersten Abschnitt des Vierten Teils des GWB ausnähme. Zudem ist auch ein dahingehender Wille des deutschen Gesetzgebers nicht erkennbar; eher ist das Gegenteil der Fall. Der Entwurf (der Bundesregierung) eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 13. August 2008 (BT-DRs.16/10117 S. 1) enthielt zwar einen neuen § 99 Abs. 1 Satz 2 GWB, wonach die Beschaffung einer Leistung bei einem anderen öffentlichen Auftraggeber unter bestimmten Voraussetzungen nicht als ausschreibungspflichtiger öffentlicher Auftrag gelten sollte. Diese Regelung wurde aber auf Empfehlung des (federführenden) Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (BT-DRs. 16/11428 S. 7, 33) ersatzlos gestrichen. Übrig blieb ein Appell des Bundesrats an den Bund vom 13. Februar 2009 (BR-DRs 35/09), das GWBbei der nächsten Novellierung“ um eine Regelung zur „Vergaberechtsfreiheit der interkommunalen Zusammenarbeit“ zu ergänzen.

18

e) Aber auch wenn man im Vorgriff auf eine bis Mitte April 2016 zu treffende nationale Regelung und im Wege der teleologischen Reduktion des § 99 Abs. 1 GWB in Verbindung mit einer richtlinienfreundlichen Auslegung die vom EuGH entwickelten und in Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24/EU niedergelegten Grundsätze zur Unanwendbarkeit des Vergaberechts für bestimmte im öffentlichen Sektor geschlossene Verträge auf den vorliegenden Fall anwendet, hat dies nicht zur Folge, dass die Erfüllung der Aufgabe „Behandlung und Verwertung von Bioabfällen“ ohne förmliches Vergabeverfahren auf eine vom Auftraggeber unabhängige juristische Person übertragen werden darf.

19

Dass alle Parteien einer Vereinbarung selbst öffentliche Auftraggeber sind, reicht allein nicht aus, um die Anwendung der Vergabevorschriften auszuschließen. Der Sonderfall der Aufgabenübertragung ohne Vergütung (Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24/EU), die grundsätzlich als vergaberechtfreie Angelegenheit der internen Staatsorganisation angesehen wird, liegt nicht vor. Dem Unionsrecht ist auch nicht zu entnehmen, dass eine Aufgabenübertragung schon deshalb vergaberechtsfrei wäre, weil sie delegierend ist. Nach Art. 12 Abs. 4 lit a) der Richtlinie 2014/24/EU ist vielmehr unabhängig von der rechtlichen Einordnung einer Vereinbarung nach nationalem Recht eine von mehreren Voraussetzungen für die Unanwendbarkeit des Vergaberechts „eine Zusammenarbeit zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern mit dem Ziel sicherzustellen, dass von ihnen zu erbringende öffentliche Dienstleistungen im Hinblick auf die Erreichung gemeinsamer Ziele ausgeführt werden“.

20

Zusammenarbeit (im englischen Richtlinientext: „cooperation“, im französischen: „coopération“) ist schon begrifflich mehr als bloße Leistung gegen Bezahlung (siehe auch Dreher in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Band 2 GWB/Teil 2, 5. Aufl. 2014, § 99 Rn. 147: „gegenseitige Kooperationspflichten“) und meint ein bewusstes Zusammenwirken bei der Verrichtung einer Tätigkeit zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels. Dass diese Sichtweise auch dem Unionsrecht zugrunde liegt, kann man in Erwägungsgrund 33 der Richtlinie 2014/24/EU nachlesen. Danach sollen öffentliche Auftraggeber das Recht haben, ohne Anwendung des Vergaberechts „ihre öffentlichen Dienstleistungen gemeinsam im Wege der Zusammenarbeit zu erbringen“; … Aufträge für die gemeinsame Erbringung öffentlicher Dienstleistungen sollten nicht der Anwendung der in dieser Richtlinie festgelegten Vorschriften unterliegen“. Die Rede ist von einer Zusammenarbeit, die auf „auf einem kooperativen Konzept“ beruht und bei der jeder Beteiligte „einen Beitrag zur gemeinsamen Ausführung der betreffenden öffentlichen Dienstleistung“ leistet. Angesichts dieser eindeutigen Aussagen verbietet es sich, aus dem Umstand, dass in Erwägungsgrund 33 Abs. 3 Satz 2 von einer „Durchführung der Zusammenarbeit einschließlich etwaiger Finanztransfers zwischen den teilnehmenden öffentlichen Auftraggebern“ die Rede ist, zu schließen, für eine (auch nach nationalem Recht) vergaberechtsfreie Kooperation reiche es aus, wenn sich der Beitrag eines Vertragspartners auf die bloße Zahlung beschränkt.

21

Die Zweckvereinbarung vom 20. Mai 2014 enthält keinerlei kooperative, über die bloße Erbringung einer marktfähigen Leistung gegen Bezahlung hinausgehende Elemente. Somit beinhaltet sie einen „normalen“ ausschreibungspflichtigen Dienstleistungsauftrag.

22

Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die vorliegende Vereinbarung angesichts ihrer inhaltlichen Kargheit noch nicht einmal im Ansatz dem komplexen Vertragswerk entspricht, über das der EuGH mit Urteil vom 9. Juni 2009 (C-480/06 - NZBau 2009, 527 [Stadtreinigung Hamburg]) entschieden und befunden hat, es bilde eine hinreichende Grundlage für die Annahme eines vergaberechtsfreien Zusammenarbeit von Gebietskörperschaften bei der Wahrnehmung einer ihnen allen obliegenden öffentlichen Aufgabe. Auch aus dem Urteil des EuGH vom 13. Juni 2013 (C-386/11 - VergabeR 2013, 686) lässt sich nichts ableiten, was für die Auffassung des Auftraggebers sprechen könnte.

23

c) Um die Rechte der Antragstellerin aus § 97 Abs. 1, 7 GWB zu schützen, ist es notwendig, wie unter 2. tenoriert zu entscheiden. Dabei geht der Senat davon aus, dass dem Auftraggeber eine sog. In-House-Vergabe nicht untersagt werden kann. Diese fällt auch schon vor der Umsetzung des Art. 12 Abs. 1-3 Richtlinie 2014/24/EU nicht unter den Anwendungsbereich des Ersten Abschnitt des Vierten Teils des GWB, weil faktisch nicht ein vom Auftraggeber unabhängiger externer Wirtschaftsteilnehmer beauftragt, sondern eine abhängige interne Organisationseinheit mit der Erfüllung einer Aufgabe betraut wird und somit kein öffentlicher Auftrag im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB vorliegt (BGH v. 12.06.2001 - X ZB 10/01 - VergabeR 2001, 286). Der Hinweis auf Art. 12 Abs. 1-3 Richtlinie 2014/24/EU dient „nur“ der Abgrenzung und Klarstellung.

24

d) Eine Vorlage zum Bundesgerichtshof (§ 124 Abs. 2 GWB) wegen des Beschlusses des OLG Schleswig vom 15. März 2013 (1 Verg 4/12 - VergabeR 2013, 577) ist nicht geboten. Zum einen enthält jene Entscheidung nicht den diese tragenden Rechtssatz, vergaberechtlicher Rechtsschutz gegen eine drohende Direktvergabe sei überhaupt nicht möglich. Trotz der Beschäftigung mit mehreren Haupt- und Hilfsanträgen der damaligen Antragstellerin hielt das Gericht den Nachprüfungsantrag nicht für unzulässig, sondern für unbegründet, weil es eine nicht dem Vergaberecht unterliegende Vereinbarung annahm. Zum anderen wäre eine Vorlage nicht notwendig, wenn ein Oberlandesgericht ohne die gebotene Vorlage von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes - hier u.a. von BGH v. 01.02.2005 - X ZB 27/04 - VergabeR 2005 - abgewichen wäre und sich das jetzt zur Entscheidung berufene Oberlandesgericht dem Bundesgerichtshof anschließen will (Meyer-Goßner/Schmidt, StPO, 57. Aufl., § 121 GVG Rn. 8).

III.

25

Soweit sich die Antragstellerin dagegen wendet, dass die Vergabekammer die Anwaltskosten des Auftraggebers gemäß § 128 Abs. 4 Satz 4 GWB (i.V.m. § 19 Abs. 2 AGVwGO RLP) für erstattungsfähig erklärt hat, hat sich die Sache dadurch erledigt, dass der Nachprüfungsantrag letztlich Erfolg hat und der Auftraggeber seine Auslagen ohnehin selbst tragen muss.

IV.

26

Hingegen ist die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Verfahren vor der Vergabekammer durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären, weil Schwerpunkt des Nachprüfungsverfahrens eine schwierige Rechtsfrage ist.

V.

27

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 78 Satz 1, 120 Abs. 2, 128 Abs. 3, 4 GWB i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die im Verfahren vor der Vergabekammer noch passive Beigeladene ist erst im Beschwerdeverfahren mit einem Sachantrag aktiv geworden und auch nur insoweit an den Kosten zu beteiligen.

VI.

28

Bei der Festsetzung des Gegenstandswerts hat der Senat berücksichtigt, dass sich die Antragstellerin gegen eine (drohende) Direktvergabe wendet, nicht aber ihrerseits eine Beauftragung mit einer - für förmliche Vergabeverfahren sehr ungewöhnlichen - Laufzeit von 12 Jahren anstrebt. Da aber ungewiss ist, welche Laufzeit ein in einem förmlichen Vergabeverfahren ausgeschriebener Vertrag haben würde, hat sich der Senat hinsichtlich des Auftragswerts an § 3 Abs. 4 Nr. 2 VgV orientiert und den Streitwert auf 270.000 € festgesetzt.

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(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 27/04
vom
1. Februar 2005
in dem Nachprüfungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
§ 97 Abs. 7 GWB begründet ein subjektives Recht auf Einleitung und Durchführung
eines nach Maßgabe des § 97 Abs. 1 GWB geregelten Vergabeverfahrens.
Die Verletzung dieses subjektiven Rechts unterliegt der durch § 102 GWB eröffneten
Nachprüfung.
Ein Vertrag zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem Unternehmen
hat Dienstleistungen zum Gegenstand, wenn der öffentliche Auftraggeber hiermit
eine Leistung beschaffen will, die nicht unter § 99 Abs. 2 oder 3 GWB fällt,
und das Unternehmen jedenfalls unter anderem diese Leistung zu erbringen
hat.
Verpflichtet sich der öffentliche Auftraggeber seinerseits zu einer geldwerten
Gegenleistung, handelt es sich um einen entgeltlichen Vertrag, wenn Leistung
und Gegenleistung voneinander nicht trennbare Teile eines einheitlichen Leistungsaustauschgeschäfts
sind.
§ 13 VgV ist entsprechend anzuwenden, wenn es im Anwendungsbereich der
§§ 97 bis 99, 100 Abs. 1 GWB bei der Beschaffung von Dienstleistungen zur
Beteiligung mehrerer Unternehmen gekommen ist, die Angebote abgegeben
haben, und der öffentliche Auftraggeber eine Auswahl unter diesen Unternehmen
trifft.
BGH, Beschl. v. 1. Februar 2005 - X ZB 27/04 - OLG Düsseldorf
Vergabekammer bei der Bezirksregierung
Arnsberg
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Februar 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Scharen, die Richterinnen
Ambrosius und Mühlens sowie den Richter Dr. Meier-Beck

beschlossen:
Die sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen den Beschluß der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Arnsberg vom 17. Juni 2004 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragsgegnerin und die Beigeladene zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf 125.000,-- € festgesetzt.

Gründe:


A. Die Antragstellerin und die Beigeladene sind Entsorgungsunternehmen. Die Antragstellerin war von der Antragsgegnerin, einer kreisfreien Stadt, beauftragt, bis zum Ablauf des Jahres 2004 Container für Altpapier an bestimmten Stellen im Stadtgebiet aufzustellen, diese zu leeren und das Altpapier zu verwerten. Die Antragsgegnerin wollte/will diese sich aus Sicht der Bürger
als Bringsystem darstellende Vorgehensweise beginnend ab Januar 2005 auf ein haushaltsnahes Holsystem umstellen. Sie will den Bürgern Abfallbehälter für das Altpapier zur Verfügung stellen sowie das darin abgelegte Altpapier durch einen Eigenbetrieb einsammeln und zu einer Umschlagsanlage bringen. Wegen der weiteren Behandlung des Altpapiers an bzw. ab der Umschlagsanlage nahm sie mit der Antragstellerin und der Beigeladenen sowie mit mindestens zwei weiteren Entsorgungsunternehmen Kontakt auf. Diese Kontaktaufnahme führte zu Angeboten über die "Papiervermarktung" bzw. "Altpapierentsorgung" einer H. GmbH, eines Unternehmens R. K. S. und der Antragstellerin sowie zu Verhandlungen mit der Beigeladenen.
Am 27./28. April 2004 unterzeichneten die Antragsgegnerin und die Beigeladene einen Kaufvertrag mit einer am 1. Januar 2005 beginnenden Laufzeit von fünf Jahren. Danach verkauft die Antragsgegnerin für 50 € pro Tonne das gesamte von ihr oder Unterauftragnehmern im Stadtgebiet erfaßte Altpapier. Die Durchführung des Vertrags soll wie folgt geschehen: Die Antragsgegnerin soll bis auf Widerruf durch die Beigeladene sämtliche gesammelten Altpapiermengen bei einer bestimmten von der Beigeladenen mit der Annahme beauftragten Betriebsstätte anliefern. Das dortige Personal soll den angelieferten Altpapiermengen grobe Störstoffe entnehmen und der Antragsgegnerin zur (Wieder-)Abholung bereitstellen. Die Beigeladene soll monatlich angeben, welche Mengen getrennt nach Papier und Störstoffen die Betriebsstätte im Vormonat verlassen haben und, falls eine Umladung dort nicht mehr stattfindet, welche Altpapiermengen direkt der Verwertung zugeführt worden sind. Außerdem soll die Beigeladene die verkehrsüblichen Nachweise und Belege über die Verwertung der gesammelten und angelieferten Verkaufspackungen aus "PPK"
vorlegen, damit die Antragsgegnerin ihren vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Betreibern des sogenannten Dualen Systems nachkommen kann.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 30. April 2004 rügte die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin, daß ein Vertrag über die Altpapierverwertung nicht ohne vorheriges Ausschreibungsverfahren abgeschlossen werden dürfe. Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin daraufhin mit Schreiben vom 6. Mai 2004 mit, "daß ein Kaufvertrag über das im Stadtgebiet durch den Abfallwirtschafts - und Stadtreinigungsbetrieb erfaßte Altpapier unterschrieben worden" sei.
Hierauf hat die Antragstellerin am 10. Mai 2004 die Vergabekammer angerufen und beantragt, der Antragsgegnerin zu untersagen, einen Auftrag zur Verwertung des im Gebiet der Antragsgegnerin anfallenden, der öffentlichen Entsorgungsverantwortlichkeit unterliegenden Altpapiers an ein Unternehmen der privaten Entsorgungswirtschaft ohne vorangegangene öffentliche Ausschreibung zu vergeben. Diesen Nachprüfungsantrag hat die Vergabekammer für zulässig und begründet erachtet. Mit Beschluß vom 17. Juni 2004 hat sie die Antragsgegnerin verpflichtet, den in Frage stehenden Auftrag zur Verwertung des Altpapiers aus Haushalten der Stadt nicht ohne EU-weite Ausschreibung zu vergeben.
Gegen diesen Beschluß haben sowohl die Antragsgegnerin als auch die Beigeladene sofortige Beschwerde mit dem Antrag eingelegt,
den Beschluß der Vergabekammer aufzuheben und den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zurückzuweisen.
Das angerufene Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit Beschluß vom 27. Oktober 2004 (red. LS abgedr. in AbfallR 2004, 293) das Nachprüfungsverfahren dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Es hält den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin für statthaft, für nach § 107 GWB zulässig und auch für begründet, weil die Antragsgegnerin öffentlicher Auftraggeber gemäß § 98 Nr. 1 GWB sei und es sich bei dem am 27./28. April 2004 von der Antragsgegnerin und der Beigeladenen unterzeichneten Vertrag um einen öffentlichen Auftrag im Sinne von § 99 GWB handele, der den gemäß § 100 Abs. 1 GWB in Verbindung mit § 2 Nr. 3 VgV erforderlichen Schwellenwert übersteige und nicht nach § 100 Abs. 2 GWB vom Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausgenommen sei. Hinsichtlich der Einordnung des Vertrags vom 27./28. April 2004 als entgeltlicher Dienstleistungsauftrag sieht das Oberlandesgericht Düsseldorf jedoch eine Divergenz zu dem Beschluß des Oberlandesgerichts Celle vom 1. Juli 2004 (13 Verg 8/04, abgedr. in OLGR Celle 2004, 593 f.), die eine Vorlage an den Bundesgerichtshof erforderlich mache.
B. Der Senat hat gemäß § 124 Abs. 2 Satz 2 GWB anstelle des Oberlandesgerichts über die sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu entscheiden, weil das Oberlandesgericht Düsseldorf die Sache zu Recht vorgelegt hat. Das Oberlandesgericht Celle hat einen Kaufvertrag , der im Gebiet des öffentlichen Auftraggebers eingesammeltes Altpapier
betraf und mit dem Unternehmen abgeschlossen wurde, das für die Überlassung das unter mehreren insoweit eingegangenen Angeboten günstigste abgegeben hatte, nicht als entgeltlichen öffentlichen Auftrag im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB gewertet, der Dienstleistungen zum Gegenstand hat, und deshalb das Unterlassen der Einleitung und Durchführung eines Vergabeverfahrens nach Maßgabe von § 97 Abs. 1 GWB (geregeltes Vergabeverfahren) als nicht in dem durch § 102 GWB eröffneten Verfahren nachprüfbar angesehen. Diese Auffassung will das Oberlandesgericht Düsseldorf in der vorgelegten Sache nicht zugrunde legen, weil es den Kaufvertrag mit dem Unternehmen, welches das nach Ansicht der Antragsgegnerin günstigste Angebot abgegeben hat, als entgeltlichen öffentlichen Auftrag über Dienstleistungen im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB ansieht. Da es nach den weiteren Ausführungen des vorlegenden Oberlandesgerichts hierauf für die von diesem beabsichtigte Entscheidung in der Sache ankommt, ist der nach § 124 Abs. 2 Satz 1 GWB vorausgesetzte, die Vorlagepflicht begründende Tatbestand gegeben.
C. Die zulässigen sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen den Beschluß der Vergabekammer vom 17. Juni 2004 bleiben ohne Erfolg, weil der von der Antragstellerin angebrachte Nachprüfungsantrag zulässig und begründet ist.
I. 1. Der Nachprüfungsantrag vom 10. Mai 2004 ist statthaft, obwohl mit ihm nicht die Art und Weise der Einleitung oder Durchführung eines geregelten Vergabeverfahrens gerügt wird, sondern beanstandet wird, daß ein nach Maßgabe des § 97 Abs. 1 GWB geregeltes Vergabeverfahren bislang nicht stattgefunden hat (für Primärrechtsschutz in diesen Fällen z.B. BayObLG u.a. VergabeR 2003, 563; OLG Jena VergabeR 2002, 52; OLG Düsseldorf u.a. NZBau
2003, 55 u. aus der Lit. z.B. Burgi, NZBau 2003, 16, 19; zweifelnd OLG Naumburg NZBau 2003, 224).

a) Nach § 102 GWB unterliegt der Nachprüfung "die Vergabe öffentlicher Aufträge". § 107 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 GWB, der ebenfalls die Zulässigkeit eines Nachprüfungsverfahrens nach § 102 GWB betrifft, stellt auf die Nichtbeachtung, die Verletzung oder den Verstoß gegen Vergabevorschriften "im Vergabeverfahren" ab. Daraus kann abgeleitet werden, daß um Primärrechtsschutz auf dem durch § 102 GWB eröffneten Weg erst nachgesucht werden kann, wenn ein öffentlicher Auftraggeber zur Deckung seines Bedarfs bereits in ein Verfahren eingetreten ist, das der Beschaffung beispielsweise von Dienstleistungen am Markt dient, hierauf ausgerichtet ist und mit der Vergabe des Auftrags seinen Abschluß finden soll. Ob den genannten Bestimmungen darüber hinaus wegen des Zusammenhangs, in dem sie stehen, überhaupt entnommen werden kann, daß ein Vergabeverfahren notwendig ist, das nach Maßgabe des § 97 Abs. 1 GWB geregelt ist, kann dahinstehen. Denn die einzig mögliche Auslegung wäre das nicht. Da in den genannten, die Zulässigkeit eröffnenden und näher regelnden Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen von einer bestimmten Förmlichkeit des angesprochenen Vergabeverfahrens und seiner Einleitung nicht die Rede ist, sondern in § 107 GWB wesentlich auf die materiellen Vergabevorschriften und deren Mißachtung abgestellt ist, kommt vielmehr jedenfalls auch in Betracht, daß es ausreicht, wenn überhaupt ein Verfahren in Frage steht, an dem ein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 GWB und mindestens ein außenstehender Dritter (Unternehmen) beteiligt ist und das eingeleitet ist, um einen entgeltlichen Vertrag im Sinne des § 99 GWB beispielsweise über eine von einem Unternehmen zu erbringende Dienstleistung abzuschließen, der nicht nach § 100 Abs. 2 GWB von den Regelungen des Vierten Teiles des
Abs. 2 GWB von den Regelungen des Vierten Teiles des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausgenommen ist und dessen Wert den nach § 100 Abs. 1 GWB festgelegten Schwellenwert erreicht oder übersteigt. Eröffnen die maßgeblichen Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auch diese Auslegung, muß aber auch außerhalb eines nach Maßgabe des § 97 Abs. 1 GWB geregelten Vergabeverfahrens ein Nachprüfungsantrag statthaft sein. Dies gebietet der Grundsatz gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung nationalen Rechts, der eingreift, wenn der Wortlaut der einschlägigen nationalen Norm oder Normen einen Entscheidungsspielraum eröffnet (BGHZ 149, 165, 173 f.). Denn nach Gemeinschaftsrecht dürfen die Mitgliedstaaten die vergaberechtliche Nachprüfungsmöglichkeit nicht von der Einleitung und Durchführung eines bestimmten Vergabeverfahrens abhängig machen.

b) Zu beachten ist insoweit Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 98/665/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer - und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 92/50/EWG geänderten Fassung. Diese Vorgabe verlangt, daß die Entscheidungen der Vergabebehörden hinsichtlich der in den Anwendungsbereich der letztgenannten Richtlinie fallenden Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, nachgeprüft werden können. Nach der Auslegung, die diese Regelung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften erfahren hat, liegt bereits dann eine Entscheidung vor, die der Nachprüfung zugänglich sein muß, wenn ein öffentlicher Auftraggeber beschließt, kein geregeltes Vergabeverfahren einzuleiten, weil der zu erteilende Auftrag seiner Auffassung nach nicht in den
zu erteilende Auftrag seiner Auffassung nach nicht in den Anwendungsbereich der einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts bzw. des diese umsetzenden nationalen Rechts fällt (EuGH, Urt. v. 11.01.2005 - C-26/03 Rdn. 33). Auch im Streitfall muß deshalb das in Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben nach § 102 GWB vorgesehene Nachprüfungsverfahren eröffnet sein.

c) Das kann auch nicht im Hinblick darauf in Zweifel gezogen werden, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften das Gemeinschaftsrecht eine Nachprüfbarkeit nicht fordert hinsichtlich Handlungen, die eine bloße Vorstudie des Marktes darstellen oder die rein vorbereitend sind und sich im Rahmen der internen Überlegungen des öffentlichen Auftraggebers im Hinblick auf die Vergabe eines öffentlichen Auftrags abspielen (EuGH, aaO Rdn. 35). Denn dieses Stadium hatte die Antragsgegnerin bereits verlassen, weil sie mehreren Unternehmen Gelegenheit zu Angeboten gegeben hatte, mit der Beigeladenen über deren Angebot verhandelt hatte und hierauf schließlich dieser den Vorzug gegeben hat. Die Einleitung eines in gewisser Hinsicht sogar wettbewerblichen Verfahrens steht im Streitfall deshalb fest, so daß auch die Gründe des Beschlusses vom 8. Januar 2003 (NZBau 2003, 224, 227), die das Oberlandesgericht Naumburg insoweit zu den vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften dann mit Urteil vom 11. Januar 2005 beschiedenen Vorlagefragen veranlaßt haben, der Statthaftigkeit des Nachprüfungsantrags der Antragstellerin nicht entgegenstehen können.
2. Die Antragstellerin ist antragsbefugt.
Wegen des verfassungsrechtlichen Gebots, effektiven Rechtsschutzzu gewähren, dürfen an die in § 107 Abs. 2 GWB genannten Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden; die Darlegungslast darf insoweit nicht überspannt werden (BVerfG, Beschl. v. 29.07.2004 - 2 BvR 2248/03, NZBau 2004, 564; vgl. auch Sen.Beschl. v. 18.05.2004 - X ZB 7/04, NZBau 2004, 457, 458). Das hiernach Erforderliche hat die Antragstellerin vorgebracht. Ihr Interesse am Auftrag hat sie bereits durch den Hinweis geltend gemacht, der Antragsgegnerin ein Angebot abgegeben zu haben. Die Verletzung in Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB ist durch die insbesondere auf abfallrechtliche Gesichtspunkte gestützte Darlegung geltend gemacht, daß trotz der Anlieferung des Altpapiers durch die Antragsgegnerin und dessen Verkauf an die Beigeladene noch eine Entsorgungsaufgabe bestehe und deshalb eine Dienstleistung zu erbringen sei, weshalb der Auftrag nicht wie geschehen habe vergeben werden dürfen, sondern nach § 97 Abs. 1 GWB habe ausgeschrieben werden müssen. Dafür, daß der Antragstellerin infolge der Mißachtung von § 97 Abs. 1 GWB zumindest ein Schaden zu entstehen droht, genügt, daß der behauptete Vergaberechtsverstoß geeignet ist, die Aussichten auf den Zuschlag zu beeinträchtigen (BVerfG, NZBau 2004, 564, 566). Das kann im Streitfall nicht zweifelhaft sein, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß bei einem geregelten Vergabeverfahren, das unter für alle Bieter gleichen Bedingungen und ohne weitere Vertragsverhandlungen mit lediglich einem Unternehmen stattfindet, die Antragstellerin den Zuschlag hätte erhalten müssen.
3. Der Zulässigkeit des Begehrens der Antragstellerin steht nicht § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entgegen, wonach der Nachprüfungsantrag unzulässig ist,
soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren erkannt und nicht unverzüglich gerügt hat.

a) Anders als § 107 Abs. 2 GWB macht diese einen Ausnahmetatbestand regelnde Vorschrift die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags nicht von einer entsprechenden Darlegung durch den Antragsteller abhängig und verlangt von diesem auch nicht, einen etwaigen Verdacht auszuräumen, verspätet gerügt zu haben; lediglich im Rahmen der Mitwirkungs- und Wahrheitspflicht, die jede Partei eines förmlichen Streitverfahrens trifft, hat der Antragsteller sich hierzu zu äußern. Die Unzulässigkeit eines ansonsten zulässigen Nachprüfungsantrags kann deshalb nur angenommen werden, wenn dem Antragsteller nachgewiesen ist, daß er den behaupteten Vergaberechtsverstoß erkannt und diesen gleichwohl nicht unverzüglich gerügt hat (OLG Düsseldorf u.a. VergabeR 2001, 419, 421; Meier, VergabeR 2004, 176, 179).

b) Die hierzu erforderliche Überzeugung läßt sich im Streitfall nicht gewinnen. Denn es ist weder von der Antragsgegnerin oder der Beigeladenen dargetan noch etwas dafür ersichtlich, daß die Antragstellerin bereits vor dem 29. April 2004 positive Kenntnis hatte, hinsichtlich des im Stadtgebiet gesammelten Altpapiers werde es ein geregeltes Vergabeverfahren nicht geben, obwohl ein solches notwendig sei. Zwar kann der Antragstellerin nicht verborgen geblieben sein, daß bisher kein geregeltes Vergabeverfahren eingeleitet worden war. Der gerügte Vergabeverstoß war jedoch erst bekannt, wenn die Antragstellerin aus den ihr bekannten Umständen auch geschlossen hatte, daß ein geregeltes Vergabeverfahren erforderlich ist, es hierzu aber nicht kommen würde, oder - was nach ständiger Rechtsprechung (z.B. BGHZ 133, 192, 198 f.; BGH, Urt. v. 18.01.2000 - VI ZR 375/98, NJW 2000, 953 m.w.N.) Wissen re-
gelmäßig gleichsteht - wenn sie sich dieser Erkenntnis, obwohl sie sich aufdrängte , verschlossen oder entzogen hatte. Hierzu hat die Antragstellerin unwidersprochen vorgetragen, ihr sei erst am 29. April 2004 in einem persönlichen Gespräch seitens der Antragsgegnerin mitgeteilt worden, die Stadt beabsichtige , jetzt ein regionales Entsorgungsunternehmen mit der Altpapiervermarktung für die nächsten fünf Jahre zu beauftragen. Da der bisherige Kontakt der Antragsgegnerin mit der Antragstellerin auch als eine noch der Erkundung der Möglichkeiten des Marktes dienende Vorbereitungsmaßnahme verstanden werden konnte, kann daher der Antragstellerin jedenfalls nicht widerlegt werden , erst zu diesem Zeitpunkt einen aussagekräftigen Anhaltspunkt gehabt zu haben, daß es bei dem bisherigen Vorgehen der Antragsgegnerin verbleiben solle und es ein geregeltes Vergabeverfahren nicht geben werde. Der Antragstellerin kann deshalb nicht vorgeworfen werden, die Notwendigkeit des bisher unterbliebenen geregelten Vergabeverfahrens nicht früher gerügt zu haben, als es mit dem Schreiben vom 30. April 2004 geschehen ist. Unter diesen Umständen bedarf es im Streitfall auch keiner Beantwortung der streitigen Frage, ob § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nach seinem Wortlaut oder Sinngehalt der Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags überhaupt entgegenstehen kann, wenn das Nachprüfungsverfahren geführt wird, damit ein bisher unterbliebenes geregeltes Vergabeverfahren eingeleitet und durchgeführt wird (verneinend z.B. BayObLG u.a. VergabeR 2002, 244; OLG Frankfurt NZBau 2004, 692, 693; OLG Düsseldorf NZBau 2001, 696; Burgi, NZBau 2003, 16, 21; bejahend z.B. Wagner, VergabeR 2002, 250, 251; Otting, VergabeR 2002, 146, 147; Bär, ZfBR 2001, 375, 377).
4. Die Zulässigkeit des am 10. Mai 2004 angebrachten Nachprüfungsantrags der Antragstellerin scheitert schließlich auch nicht daran, daß die An-
tragsgegnerin und die Beigeladene bereits am 27./28. April 2004 den Kaufvertrag über das im Stadtgebiet gesammelte Altpapier unterzeichnet hatten. Zwar kann die Vergabekammer in zulässiger Weise nicht mehr angerufen werden, sobald der Vertrag, an welchem ein Antragsteller Interesse zu haben behauptet , wirksam zustande gekommen ist, weil dann zuvor begangene Verstöße gegen vergaberechtliche Bestimmungen nicht mehr beseitigt werden können (BGHZ 146, 202, 206). Diese Folge tritt unabhängig davon ein, ob die Einigung unter Beachtung der Vorgaben des § 97 Abs. 1 GWB oder sonstwie zustande gekommen ist, weshalb nach einem wirksamen Vertragsschluß ein Nachprüfungsantrag auch dann unzulässig ist, wenn der Mangel eines geregelten Vergabeverfahrens gerügt wird (ebenso Burgi, NZBau 2003, 16, 20 m.w.N.). Mit ihrer Übereinkunft vom 27./28. April 2004 haben die Antragsgegnerin und die Beigeladene einen wirksamen Vertrag jedoch nicht geschlossen, weil die Antragsgegnerin , die öffentlicher Auftraggeber nach § 98 Nr. 1 GWB ist, die Antragstellerin entgegen § 13 Satz 1, 2 VgV zuvor nicht darüber unterrichtet hat, daß und warum beabsichtigt sei, deren Angebot nicht zu berücksichtigen und statt dessen das Geschäft mit der Beigeladenen zu tätigen.

a) § 13 Satz 6 VgV, der anordnet, daß ein ohne vorherige Information der Bieter abgeschlossener Vertrag nichtig ist, betrifft entgeltliche Verträge zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem außenstehenden Dritten (Unternehmen), die den maßgeblichen Schwellenwert erreichen oder überschreiten und Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen des Unternehmens zum Gegenstand haben. Das folgt aus §§ 97 Abs. 1 u. 6, 98, 99 Abs. 1, 100 Abs. 1 GWB. Auf einen solchen Vertrag in der Form des Dienstleistungsauftrags haben die Antragsgegnerin und die Beigeladene sich geeinigt.
aa) Der Vertrag vom 27./28. April 2004 hat Dienstleistungen zum Gegenstand , weil die Antragstellerin einen weder durch Lieferung von Waren noch durch Bauleistungen zu erfüllenden Bedarf hat (vgl. § 99 Abs. 4 GWB), diesen nicht durch Einsatz eigener Einrichtungen, Arbeitskräfte o.ä. befriedigen will und die Beigeladene sich verpflichtet hat, das insoweit Nötige für die Antragsgegnerin zu erledigen.
(1) Wann ein Dienstleistungsauftrag im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB vorliegt , kann nicht losgelöst vom Zweck des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen beantwortet werden, der gemäß § 97 Abs. 1 GWB darin besteht, die Beschaffung von Dienstleistungen durch öffentliche Auftraggeber zu erfassen und zu regeln. Das rückt die Frage in den Vordergrund , ob der öffentliche Auftraggeber einen entsprechenden Bedarf hat und ob dieser mit dem abgeschlossenen Vertrag gedeckt werden soll. Da das Vergaberecht des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen andererseits nicht der Durchsetzung sonstiger rechtlicher oder tatsächlicher Vorgaben dient, die ein öffentlicher Auftraggeber zu beachten haben mag, entscheidet darüber, ob ein Bedarf besteht und deshalb eine Dienstleistung beschafft werden soll, allein der öffentliche Auftraggeber. Sobald er einen tatsächlich bestehenden Bedarf erkennt oder auch nur meint, einen durch Dienstleistung zu befriedigenden Bedarf zu haben, den er nicht selbst decken will, kommt deshalb die Einordnung eines zu diesem Zweck geschlossenen Vertrags als Dienstleistungsauftrag im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB in Betracht.
(2) Der Streitfall ist insoweit dadurch gekennzeichnet, daß der Antragsgegnerin nach den einschlägigen gesetzlichen oder sie im Verhältnis zum sogenannten Dualen System vertraglich bindenden Regeln die Entsorgung der im
Stadtgebiet anfallenden und ihr überlassenen Abfälle verpflichtet ist und daß die hierzu erforderlichen Arbeiten sich nicht auf das Einsammeln, das Befördern zu einer Umschlagsanlage und das dortige Überlassen an einen Dritten beschränken. Diese Vorgänge allein bewirken lediglich eine Zusammenführung von Altpapier und können ferner zu einer Änderung der Besitz- und Eigentumslage führen. Um das Altpapier zu entsorgen, bedarf es jedoch weiterer Behandlung , sei es in Form von Handlungen, die bestimmt und geeignet sind, das Altpapier einer stofflichen Verwertung zuzuführen, und die so zu dieser gesetzlich erlaubten Art der Entsorgung (vgl. § 4 Abs. 1 KrW-/AbfG) beitragen, sei es in Form von Handlungen, die der Beseitigung des Altpapiers dienen. Erst wenn sichergestellt ist, daß auch das insoweit Nötige getan wird, ist deshalb der Entsorgungslast der Antragsgegnerin Rechnung getragen.
(3) Unter den Umständen des Streitfalls sind Zweifel nicht angebracht, daß die Antragsgegnerin den Vertrag vom 27./28. April 2004 unterzeichnet hat, um Leistungen zu erhalten, die bestimmt und geeignet sind, gerade dies sicherzustellen. Die Umstellung der Altpapierentsorgung von dem bisherigen Bringsystem auf das von der Antragsgegnerin beschlossene Holsystem hat einen ständigen Anfall großer Mengen von Altpapier auf einer Umschlagsanlage zur Folge, die beginnend mit einer sukzessiven Entfernung von dort einer geordneten Weiterverwendung zugeführt werden müssen. Dies erfordert Dienstleistungen im Sinne von § 97 Abs. 4 GWB. Daß die Antragsgegnerin davon ausging, diese ohne Vergabe selbst erbringen zu müssen, muß schon deshalb angenommen werden, weil sie das Holsystem beschlossen hat, sie deshalb für dessen Funktionieren ihren Bürgern gegenüber einzustehen hat und das neue System anderenfalls nicht weiter zu praktizieren wäre. Bereits
damit ist der für einen Dienstleistungsauftrag erforderliche Dienstleistungsbedarf gegeben.
(4) Daß der am 27./28. April 2004 geschlossene Vertrag die Beigeladene zu der Erbringung der vorstehend genannten Dienstleistungen verpflichtet, steht ebenfalls fest. Zwar ist eine Entfernungs- und der stofflichen Verwertung dienende Weiterverwendungspflicht nicht ausdrücklich genannt. In § 2 Abs. 1 des Vertrags wird jedoch vorausgesetzt, daß das Altpapier die Umschlagsanlage "verläßt" und von der Beigeladenen "der Verwertung zugeführt" wird. Der von der Beigeladenen zu erledigende "Output", wie es dort ferner heißt, ist also Inhalt des von der Beigeladenen vertraglich Übernommenen. Das erlaubt im Rückschluß die Überzeugung, daß das Geschäft vom 27./28. April 2004 auch mit einer entsprechenden Verpflichtung der Beigeladenen gewollt ist. Bestätigt wird dies dadurch, daß in der Beschlußvorlage der Verwaltung der Antragsgegnerin der Vertrag, der zur Durchführung der dann vom Rat beschlossenen Umstellung der Altpapiererfassung abgeschlossen werden soll, als "Papierverwertungsvertrag" bezeichnet ist.
(5) Der Feststellung, daß der am 27./28. April 2004 unterzeichnete Vertrag daher ein Dienstleistungsauftrag ist, steht nicht entgegen, daß die Antragsgegnerin und die Beigeladene die gegenseitigen Rechte und Pflichten mittels eines Kaufvertrags geregelt haben, weil sie das Altpapier als ein werthaltiges Gut angesehen haben und es deshalb an die Beigeladene gegen Entgelt veräußert werden soll. Denn § 99 Abs. 1 GWB stellt weder auf die zivilrechtliche Einordnung eines Vertrags noch darauf ab, ob in der Übernahme der Leistung im Sinne des § 99 Abs. 4 GWB, die von dem Unternehmen erbracht werden soll, ein wesentlicher oder gar der Hauptzweck des Vertrags liegt. Der
Vertrag muß lediglich Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Gemäß der Erläuterung, die § 99 Abs. 4 GWB gibt, reicht es aus, daß der Vertrag sich überhaupt über Leistungen verhält, die das Unternehmen zu erbringen hat. Ob ein Vertrag gleichwohl ausnahmsweise Dienstleistungen dann nicht im Sinne von § 99 Abs. 1 GWB zum Gegenstand hat, wenn die vertragsgemäß von dem Unternehmen zu erbringende Leistung angesichts des rechtlichen und wirtschaftlichen Schwerpunkts des Vertrags nicht ins Gewicht fällt, braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden. Angesichts des vor allem in § 97 Abs. 1 GWB zum Ausdruck kommenden Anliegens des in diesem Gesetz normierten Vergaberechtssystems, daß öffentliche Beschaffung, soweit sie nicht ausdrücklich ausgenommen ist, umfassend unter geregelten Wettbewerbsbedingungen erfolgt, könnte eine solche Ausnahme ohnehin nur in Fällen in Erwägung gezogen werden, in denen die Pflicht zur Dienstleistung völlig untergeordneter Natur ist und es deshalb ausgeschlossen erscheint, daß auch ihretwegen der Vertrag abgeschlossen worden ist. Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht zu beurteilen.
bb) Der Vertrag vom 27./28. April 2004 weist unabhängig von den vom vorlegenden Oberlandesgericht hierzu angestellten Überlegungen und getroffenen Feststellungen die nach § 99 Abs. 1 GWB ferner erforderliche Entgeltlichkeit bereits deshalb auf, weil die Antragsgegnerin sich zur Überlassung des im Stadtgebiet gesammelten Altpapiers verpflichtet hat und daher ihrerseits eine Verpflichtung zu einer geldwerten Leistung eingegangen ist.
Von Entgeltlichkeit eines Vertrags wird üblicherweise gesprochen, wenn der Empfänger einer versprochenen Leistung seinerseits eine (Gegen-)Leistung zu erbringen hat (vgl. BGHZ 141, 96, 99 m.w.N.). Es ist nichts dafür er-
sichtlich, warum dies nicht auch hinsichtlich § 99 Abs. 1 GWB gelten sollte. Vor allem erfordert die Vorschrift nicht, in Fällen, in denen die von dem Unternehmen übernommene (Dienst-)Leistung in der weiteren Behandlung eines Gutes von Wert liegt und in denen der öffentliche Auftraggeber - wegen dieser Eigenschaft - eine Bezahlung durch das Unternehmen erreichen kann, Entgeltlichkeit erst dann anzunehmen, wenn feststeht, daß und gegebenenfalls inwieweit bei der Höhe des von dem Unternehmen zu zahlenden Preises die Pflicht zur Erbringung der übernommenen (Dienst-)Leistung preismindernd berücksichtigt worden ist. Dabei kann dahinstehen, ob sich das bereits daraus ergibt, daß § 99 Abs. 1 GWB nicht von einem Entgelt für die (Dienst-)Leistung spricht, die der betreffende Vertrag zum Gegenstand hat, sondern von einem entgeltlichen Vertrag und es hiernach ausreichen könnte, daß ein Vertrag, der wenigstens unter anderem Beschaffungszwecken dient, überhaupt eine geldwerte Gegenleistung des öffentlichen Auftraggebers vorsieht. Die Leistungen, die die Beigeladene vertragsgemäß zu erbringen hat, damit für die geordnete Altpapierverwertung Sorge getragen wird, lassen sich nämlich nicht von den kaufvertraglichen Komponenten trennen, welche die Antragsgegnerin und die Beigeladene hinsichtlich des betreffenden Altpapiers vereinbart haben. Der Vertrag vom 27./28. April 2004 mit seinen Komponenten ist vielmehr das wesentliche Mittel, deren sich die Antragsgegnerin bedient, um die gewünschte Dienstleistung zu erhalten. Die Altpapierverwertung einerseits und die Veräußerung des Altpapiers andererseits stellen nicht zwei voneinander trennbare Leistungsaustauschgeschäfte dar, die mehr oder weniger willkürlich in einem Rechtsgeschäft miteinander verbunden worden sind. Aus vergaberechtlicher Sicht ist der Verkauf des Altpapiers das rechtliche Gewand, in dem sich die Antragsgegnerin die Leistungen beschafft, die die ihr obliegende geordnete Altpapierverwertung sicherstellen oder zumindest fördern sollen, zumal der Erwerb des Altpa-
piers ein nachhaltiges Interesse der Beigeladenen an dessen (gewinnbringender ) Verwertung begründet. Daß bei wirtschaftlicher Betrachtung die Kauf- bzw. Verkaufskomponente des Vertrags bei weitem im Vordergrund stehen mag, ist unerheblich. Denn § 99 GWB schließt nicht Veräußerungsgeschäfte der öffentlichen Hand von der Anwendung der Vorschriften des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen aus. Ein Veräußerungsgeschäft kann lediglich als solches die Anwendbarkeit dieser Vorschriften nicht begründen. Ist es hingegen Mittel zur Beschaffung einer Leistung, ist der kaufrechtliche Aspekt des öffentlichen Auftrags ohne Bedeutung. Das entspricht auch dem Zweck des in §§ 97 ff. GWB geregelten Vergaberechts. Denn auf diese Weise wird eine vollständige Erfassung aller Beschaffungsvorgänge erreicht, die für den öffentlichen Auftraggeber mit geldwertem Aufwand verbunden sind.
Hiernach erübrigt es sich auch, sich mit der ergänzenden Vereinbarung der Beigeladenen und der Antragsgegnerin vom 2. Dezember 2004 zu befassen , in der diese nachträglich bekundet haben, den vereinbarten Zahlungsbetrag ausschließlich als Gegenleistung für die Übereignung des gelieferten Altpapiers gewollt zu haben.
cc) Angesichts der gebotenen Auslegung von § 99 Abs. 1 GWB kann entgegen der Meinung der Beigeladenen gegen die Anwendung des Vergaberechts des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auf den am 27./28. April 2004 unterzeichneten Vertrag auch nichts aus § 100 Abs. 1 GWB hergeleitet werden. Diese Vorschrift verlangt das Erreichen oder Übersteigen eines bestimmten Schwellenwerts für einen Auftrag, wie er in § 99 Abs. 1 GWB definiert ist. Auch insoweit ist deshalb der Vertrag selbst und da-
mit dessen Wert maßgebend. Dieser liegt hier - wie von keinem Beteiligten bezweifelt wird - über dem in § 2 Nr. 3 VgV festgelegten Schwellenwert.
dd) In Anbetracht der beiderseits bestehenden Pflichten aus dem Vertrag vom 27./28. April 2004 kann dieser schließlich nicht als Konzessionsvertrag , der beispielsweise bei der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor vom Anwendungsbereich der Richtlinie 93/38/EWG des Rates ausgenommen ist (EuGH, Urt. v. 07.12.2000 - C-324/98, Tz. 56, NZBau 2001, 148, 150 f. - Tele Austria), vergaberechtsfrei sein. Denn die Vereinbarung beschränkt sich nicht darauf, der Beigeladenen das Recht zu verschaffen, die eigene Leistung selbst zu nutzen oder entgeltlich zu verwerten (vgl. zu diesem Erfordernis z.B. EuGH, aaO; BayObLG NZBau 2002, 233; OLG Düsseldorf NZBau 2002, 634; OLG Celle NZBau 2005, 51).

b) § 13 VgV ist eine Regelung, die das Verfahren näher bestimmt, das § 97 Abs. 1 bis 5 GWB für die Beschaffung von Dienstleistungen durch öffentliche Auftraggeber vorschreibt. Die Informationspflicht und die öffentliche Aufträge nach § 99 Abs. 1 GWB treffende Nichtigkeitsfolge im Falle ihrer Mißachtung sind damit Teil eines nach Maßgabe des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen eingeleiteten und durchgeführten geregelten Vergabeverfahrens (vgl. Sen.Beschl. v. 09.02.2004 - X ZB 44/03, NZBau 2004, 229, für BGHZ 158, 43 vorgesehen; so auch z.B. Jasper/Pooth, ZfBR 2004, 543, 546; Dietlein/ Spießhofer, VergabeR 2003, 509, 513; Dieckmann, NZBau 2001, 481, 482; Hertwig, NZBau 2001, 241). Das hat zur Folge, daß diese Bestimmung nicht unmittelbar anwendbar ist, wenn - wie hier - bislang ein derart geregeltes Verfahren nicht stattgefunden hat (so auch z.B. Jasper/Pooth, ZfBR 2004, 543,
545 f.; Dietlein/Spießhofer, VergabeR 2003, 509, 513; Schimanek, ZfBR 2003, 39, 41; Delius, ZfBR 2003, 341, 342; Portz, VergabeR 2002, 211, 217; Hailbronner , NZBau 2002, 474, 479; Putzier, DÖV 2002, 517, 519; Dieckmann, NZBau 2001, 481, 482; Hertwig, NZBau 2001, 241, 242; Gesterkamp, WuW 2001, 665, 669; a.A. z.B. OLG Thüringen ZfBR 2004, 193, 195; OLG Düsseldorf ZfBR 2003, 605; OLG Dresden ZfBR 2002, 298).

c) Die Nichtigkeit des öffentlichen Vertrags vom 27./28. April 2004 folgt jedoch aus einer gebotenen entsprechenden Anwendung von § 13 VgV (für Analogie - allerdings in unterschiedlichem Umfang - z.B. Otting, VergabeR 2002, 11, 18 u. 147; Hertwig, NZBau 2001, 241 f.; Byok, NJW 2001, 2295, 2301; Prieß, EuZW 2001, 365, 367; Bär, ZfBR 2001, 375, 379; wohl auch Dreher , NZBau 2001, 244, 245; im Erg. ebenfalls für Nichtigkeit des Vertrags Burgi , NZBau 2003, 16, 21; gegen Analogie z.B. Jasper/Pooth, ZfBR 2004, 543, 545 f.; Delius, ZfBR 2003, 341, 343; Schimanek, ZfBR 2003, 39, 41; Hailbronner , NZBau 2002, 474, 481 ff.; Portz, VergabeR 2002, 211, 217 f.; Antweiler, u.a. VergabeR 2002, 109, 110; Müller-Wrede/Kaelble, VergabeR 2002, 1; Putzier , DÖV 2002, 517, 519; Braun, NZBau 2001, 675, 678; Diekmann, NZBau 2001, 481; Heuvels/Kaiser, NZBau 2001, 479; Wegmann, NZBau 2001, 475, 478; Stolz, VergabeR 2001, 154; Gesterkamp, WuW 2001, 665, 668 f.).
(1) Die Vorschrift ordnet die Informationspflicht und die Nichtigkeit eines ohne Information geschlossenen öffentlichen Auftrags an, weil anderenfalls ein übergangener Bieter zunächst unerkannten Verstößen gegen das Vergaberecht nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg begegnen könnte. Das sich hieraus ergebende Anliegen ist nicht auf den mit der Vorschrift geregelten Fall beschränkt. In ihm kommt vielmehr ein Grundgedanke effektiven Rechtsschutzes
zum Ausdruck (vgl. BT-Drucks. 455/00, S. 19). Damit steht die Regelung für eine Heranziehung bei vergleichbaren Sachverhalten zur Verfügung (a.A. z.B. Lindenthal, VergabeR 2003, 630, 635). § 114 Abs. 2 Satz 1 GWB, aus dem verschiedentlich geschlossen wird (z.B. Jasper/Pooth, ZfBR 2004, 543, 546), § 13 VgV sei eine der Analogie nicht zugängliche Einzelfallregelung, verbietet diese Wertung nicht. Der Senat hat bereits in seiner für BGHZ 158, 43 vorgesehenen Entscheidung vom 9. Februar 2004 (NZBau 2004, 229, 230) darauf hingewiesen, daß § 114 Abs. 2 Satz 1 GWB, nach dem ein bereits erteilter Zuschlag nicht aufgehoben werden kann, der Kompetenz der zur Gewährung des Primärrechtsschutzes berufenen Vergabekammern und der ihnen im Instanzenzug nachgeordneten Gerichte einerseits und der für die Entscheidungen über Schadensersatzklagen zuständigen Zivilgerichte andererseits dient. Eine Aussage darüber, daß die Vorschrift nicht entsprechend herangezogen werden dürfe, ist hiermit nicht verbunden. Ihr Grundgedanke ist vielmehr auch dann tangiert, wenn entgegen § 97 Abs. 1 GWB zur Beschaffung von Dienstleistungen ein geregeltes Vergabeverfahren nicht eingeleitet wird, weil auch dann droht, daß an dem Auftrag interessierte Unternehmen als Folge eines Vertragsschlusses keinen Primärrechtsschutz erlangen können.
Die damit gegebene Regelungslücke kann auch ohne weiteres mit der unter der Sanktion der Nichtigkeit stehenden Informationspflicht nach § 13 VgV ausgefüllt werden, wenn - wie hier - die Beschaffung einer Dienstleistung immerhin zur Beteiligung mehrerer Unternehmen, zu verschiedenen Angeboten und schließlich zu einer Auswahl durch den öffentlichen Auftraggeber geführt hat. Denn dann gibt es neben dem in Aussicht genommenen Unternehmen bestimmte andere außenstehende Dritte, die - wie im Falle eines geregelten Vergabeverfahrens - als Bieter aufgetreten sind, und deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, sowie Gründe für die Nichtberücksichtigung dieser
sichtigt werden sollen, sowie Gründe für die Nichtberücksichtigung dieser Angebote. Diese Gegebenheiten kann der öffentliche Auftraggeber wie bei einem geregelten Vergabeverfahren zu einer sachgerechten Information der Unternehmen nutzen, deren Angebote nicht zum Zuge kommen sollen, so daß insoweit Unsicherheiten hinsichtlich der Informationspflicht nicht bestehen. Eine Unkenntnis von der Notwendigkeit eines geregelten Vergabeverfahrens mit entsprechender Information von Unternehmen, die ebenfalls als Argument gegen eine entsprechende Anwendung von § 13 VgV ins Feld geführt wird (z.B. Lindenthal, VergabeR 2003, 630, 634), kann hingegen allenfalls bestehen, wenn der öffentliche Auftraggeber verkannt hat, daß er öffentlicher Auftraggeber ist, daß die beabsichtigte Beschaffung auf einen öffentlichen Auftrag im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB gerichtet ist oder daß dieser Vertrag den Schwellenwert erreicht oder übersteigt. Die richtige rechtliche Einordnung eines geplanten Vorgehens gehört aber zum allgemeinen Risiko, das jeder zu tragen hat, der am Rechtsleben teilnehmen will (ähnlich Petersen, ZfBR 2003, 611, 614; OLG Düsseldorf NZBau 2003, 400, 405). Es führt auch nicht etwa gerade hier zu nicht mehr hinnehmbaren Unzuträglichkeiten für die betreffende Partei, weil allenfalls in Zweifelsfällen die Entscheidung gegen ein geregeltes Vergabeverfahren weniger streng beurteilt werden kann, in diesen Fällen der öffentliche Auftraggeber die Notwendigkeit eines solchen Verfahrens aber regelmäßig erwogen haben wird und deshalb die mit einem Angebot hervorgetretenen Unternehmen jedenfalls vorsorglich hätten informiert werden können.
(2) Zu berücksichtigen ist auch nicht etwa ein vorrangiges Interesse des Unternehmens, mit dem sich der öffentliche Auftraggeber über den öffentlichen Auftrag geeinigt hat. Nach § 97 GWB, der insoweit die maßgebliche Bestimmung ist, gehört es nicht zu den Aufgaben des Vergaberechts, daß die Betei-
ligten auf die Wirksamkeit eines Vertragsschlusses über die Beschaffung am Markt vertrauen können, und auch aus zivilrechtlicher Sicht steht jede Einigung unter dem Vorbehalt der Anerkennung der rechtlichen Wirksamkeit. Außerdem ist dem Vergaberecht ein Anspruch auf einen zu erteilenden Auftrag unbekannt (vgl. BGHZ 154, 32, 40 f.; a.A. - Anspruch in engen Grenzen - Kaelble, ZfBR 2003, 657). Erst wenn der Vertrag nach der Gesetzeslage, zu der neben dem unmittelbaren Regelungsgehalt der einschlägigen Vorschriften auch durch Analogieschluß gewonnene Regeln gehören, wirksam zustande gekommen ist, besteht insoweit für das Unternehmen eine unter Eigentumsgarantie stehende Rechtsposition.
Eine Planwidrigkeit der damit bestehenden und ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke kann schließlich auch nicht mit der Begründung verneint werden (so aber Burgi, NZBau 2003, 16, 21; ähnlich Dietlein/Spießhofer, VergabeR 2003, 509, 517; Müller-Wrede/Kaelble, VergabeR 2002, 1, 5), allein der unmittelbare Regelungsgehalt von § 13 VgV sei durch die Ermächtigung in § 97 Abs. 6 GWB gedeckt (vgl. hierzu Sen.Beschl. v. 09.02.2004 - X ZB 44/03, NZBau 2004, 229, für BGHZ 158, 43 vorgesehen). Da die Bundesregierung befugt war, die Bestimmungen des § 13 VgV durch Rechtsverordnung zu treffen (Sen.Beschl. v. 09.02.2004, aaO, S. 230 f.), handelt es sich hierbei um ein verfassungsgemäß zustande gekommenes Gesetz im materiellen Sinne. Als solches hat die Regelung keine andere Qualität als eine durch den Gesetzgeber selbst getroffene. Sie bestimmt den materiellen Gehalt des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit, wie wenn sie unmittelbar dort aufgenommen worden wäre. Damit enthält das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen trotz eines grundsätzlichen Anliegens des dort geregelten Vergaberechts nur für einen Teilbereich desselben eine sachgerechte Lö-
sung. Das macht die entsprechende Heranziehung von § 13 VgV in den genannten Fällen nötig.
II. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist auch begründet.
Die Antragstellerin hat Anspruch darauf, daß die Antragsgegnerin die gewünschten Leistungen im Wege eines geregelten Vergabeverfahrens beschafft und den insoweit erstrebten Vertrag ausschreibt, letzteres weil Gründe für ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige öffentliche Vergabebekanntmachung nicht dargetan oder ersichtlich sind. Das folgt aus § 97 Abs. 1 GWB in Verbindung mit § 4 Abs. 1 VgV sowie § 3 a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A 2. Abschnitt.
Aus § 97 Abs. 1 GWB ergibt sich angesichts des bereits Ausgeführten die Pflicht der Antragsgegnerin, zur Beschaffung der erörterten Leistungen ein geregeltes Vergabeverfahren einzuleiten. Diese Pflicht hat nicht allein Ordnungsfunktion. Durch die Eröffnung eines Verfahrens mit bestimmten Regeln sollen die durch sie konkretisierten Grundsätze von Wettbewerb, Transparenz und Gleichbehandlung gewährleistet werden (vgl. auch § 97 Abs. 2 GWB). Da die insoweit geltenden Bestimmungen gemäß § 97 Abs. 7 GWB ein subjektives Recht begründen, bedingt das, auch hinsichtlich der Einleitung eines geregelten Vergabeverfahrens einen durchsetzbaren Anspruch zugunsten interessierter Unternehmen anzuerkennen, wenn in dieser Weise nach § 97 Abs. 1 GWB eine von dem öffentlichen Auftraggeber gewünschte Beschaffung vorzunehmen ist (ebenso z.B. Burgi, NZBau 2003, 16, 19; Schimanek, ZfBR 2003, 39, 40; a.A. z.B. Portz, VergabeR 2002, 211, 217 f.). Die Einleitung eines geregelten Vergabeverfahrens ist gleichsam "Existenzgrundlage" (so Müller-Wrede/ Kaelble, VergabeR 2002, 1, 8 unter Hinweis auf BT-Drucks. 13/9340, S. 13 f.)
für die bei Durchführung eines geregelten Vergabeverfahrens sich ergebenden subjektiven Rechte, so daß es nur konsequent ist, auch einen Anspruch der Unternehmen auf Einleitung eines geregelten Verfahrens anzuerkennen. Erst er eröffnet den umfassenden Rechtsschutz, der nach den erörterten europarechtlichen Vorgaben notwendig ist. Ihn der Regelung in § 97 Abs. 7 GWB zu entnehmen, ist auch mit dessen Wortlaut in Einklang zu bringen. Denn auch die oben genannten Vorschriften gehören zu den Bestimmungen über das Vergabeverfahren.
III. Die Verfolgung des Anspruchs auf Einleitung eines geregelten Vergabeverfahrens durch die Antragstellerin ist schließlich auch nicht rechtsmißbräuchlich.
Ein Unternehmen verhält sich nicht schon dann treuwidrig, wenn es einem öffentlichen Auftraggeber ein Angebot abgibt, das eine Dienstleistung zum Gegenstand hat, ohne bereits hierbei auf die Notwendigkeit eines geregelten Vergabeverfahrens hinzuweisen. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben kommt erst in Betracht, wenn das Unternehmen bereits zu diesem Zeitpunkt weiß oder - was regelmäßig positiver Kenntnis gleichsteht (vgl. z.B. BGHZ 133, 192, 198 f.; BGH, Urt. v. 18.01.2000 - VI ZR 375/98, NJW 2000, 953 m.w.N.) - sich aufdrängender Erkenntnis verschließt, daß der öffentliche Auftraggeber den Auftrag ohne Einleitung und Durchführung eines notwendigen geregelten Vergabeverfahrens vergeben will (vgl. OLG Brandenburg NJOZ 2004, 2759). Hierfür ist aber im Streitfall - wie bereits hinsichtlich § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ausgeführt - nichts dargetan oder ersichtlich. Da die Antragsgegnerin und die Beigeladene nach wie vor die Notwendigkeit eines geregelten Vergabeverfahrens leugnen, muß ohne derartige Darlegung oder entsprechende Anhaltspunkte im
übrigen auch der Antragstellerin zugute gehalten werden, hiervon nicht schon ausgegangen zu sein, als es zu dem formlosen Kontakt kam und dieser zu dem Angebot der Antragstellerin an die Antragsgegnerin führte.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO in entsprechender Anwendung (vgl. Sen. BGHZ 146, 202, 216).
Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten (vgl. Sen. BGHZ 146, 202, 217).
Melullis Scharen Ambrosius
Mühlens Meier-Beck

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 9/11
vom
18. Juni 2012
in dem Vergabenachprüfungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Abfallentsorgung II
Wird ein Anspruch auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren
darauf gestützt, dass die angekündigte Beschaffung von Entsorgungsleistungen
durch Vergabe einer Dienstleistungskonzession gesetzwidrig sei und nur im Wege
eines öffentlichen Auftrags erfolgen dürfe, sind die Nachprüfungsinstanzen des Vierten
BGH, Beschluss vom 18. Juni 2012 - X ZB 9/11 - Vergabekammer Düsseldorf
OLG Düsseldorf
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Juni 2012 durch
den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens, die Richter Gröning und
Hoffmann sowie die Richterin Schuster

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Vergabesenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. Oktober 2011 wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.
Der Wert des Gegenstands des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 100.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Antragsgegnerin ist eine im Jahr 2010 von der Stadt V. als Alleingesellschafterin gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Unternehmensgegenstand die Übernahme kommunaler Entsorgungs- und Straßenreinigungsaufgaben "als Erfüllungsgehilfe der Stadt V. " ist. Wie sich aus der Präambel einer von der Stadt V. und der Antragsgegnerin am 24. Februar 2011 als Konzessionsvertrag geschlossenen Vereinbarung ergibt, erfolgte die Gründung, um der Antragsgegnerin im Wege einer Dienstleistungskonzession die der Stadt als öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger obliegende gesetzliche Aufgabe zu übertragen, die im Stadtgebiet anfallenden Abfälle zu erfassen und dem Kreis V. zur Verwertung oder Beseitigung zu überlassen , wobei die öffentlich-rechtliche Verantwortung als Aufgabenträger bei der Stadt verbleiben sollte. Diese gewährte der Antragsgegnerin für das Stadtgebiet das alleinige Recht, die zur Durchführung der Abfallsatzung der Stadt erforderlichen Dienstleistungen mit Ausnahme der hoheitlichen Maßnahmen auszuführen. Die Antragsgegnerin sollte nach den vertraglichen Regelungen auch berechtigt sein, Rechte und Pflichten aus dem Vertrag ganz oder teilweise auf Dritte zu übertragen, insbesondere auch, eine Unterkonzession zu vergeben.
2
Unter Bezugnahme auf das ihr übertragene ausschließliche Recht zur Sammlung und zum Transport der andienungspflichtigen Abfälle in der Stadt V. machte die Antragsgegnerin Ende 2011 in verschiedenen Presseerzeugnissen die Vergabe einer Unterkonzession für die Sammlung und den Transport von Satzungsabfällen der Stadt V. bekannt (Entsorgung von Restabfällen, Papier und Pappe, Schadstoffen und sperrigen Abfällen sowie von kompostierbaren Pflanzenabfällen). Die Gegenleistung sollte in der Erteilung der Berechtigung bestehen, von den satzungsunterworfenen Nutzern der öffentlichen Einrichtung "Abfallentsorgung" Entgelte zu erheben. Die Dienstleistungskonzession sollte im Verhandlungsverfahren vergeben werden. Bietergemeinschaften und der Einsatz von Nachunternehmern waren nicht zugelassen und die Zahlung von Tariflöhnen sollte zugesichert werden.
3
Nachdem die Antragstellerin die Durchführung des Vergabeverfahrens vergeblich gegenüber der Antragsgegnerin gerügt hatte, hat sie ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet und mit näherer Begründung in erster Linie geltend gemacht, es gehe nicht um die Vergabe einer Dienstleistungskonzession, son- dern eines Dienstleistungsauftrags, im Übrigen sei die Vergabe einer Dienstleistungskonzession mit § 16 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschaft - und Abfallgesetz - KrW-/AbfG) nicht vereinbar. Sie hat vor der Vergabekammer beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, das eingeleitete Ausschreibungsverfahren aufzuheben und, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht , den Auftrag unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu vergeben.
4
Die Vergabekammer hat der Antragsgegnerin untersagt, das ausgeschriebene Wettbewerbsverfahren durch Vertragsabschluss zu beenden. Dagegen hat die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde eingelegt, deren Zurückweisung die Antragstellerin beantragt hat.
5
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Beschwerdegericht den Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen für zulässig erklärt und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

II.


6
Die zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft und auch sonst zulässig. Soweit das Beschwerdegericht zur Begründung seiner Entscheidung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, auf anderslautende Rechtsprechung (Thüringer OLG, Vergaberecht 2010, 705) hinweist, kann dahinstehen, ob die Sache dem Bundesgerichtshof auch im Wege der Divergenzvorlage (§ 124 Abs. 2 GWB) hätte vorgelegt werden können. Zur Klärung der Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch ein oberstes Lan- desgericht im Gesetz ausdrücklich vorgesehen (§ 17a Abs. 4 Satz 5 GVG). Dass diese Regelung auch im Verhältnis zwischen den Vergabesenaten der Oberlandesgerichte und Gerichten anderer Rechtswege gilt, hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2012 - X ZB 5/11, 440 Rn. 6 - Rettungsdienstleistungen III).

III.


7
In der Sache ist das Rechtsmittel nicht begründet.
8
1. Das Beschwerdegericht hat die Zuständigkeit der Vergabenachprüfungsinstanzen im Streitfall bejaht und dazu im Wesentlichen ausgeführt: Die Antragsgegnerin habe zwar dem äußeren Anschein nach eine Dienstleistungskonzession ausgeschrieben. Streitigkeiten aus der Vergabe solcher Konzessionen könnten an sich auch nicht vor die Vergabekammer und den Vergabesenat gebracht werden. Jedoch seien die Vergabenachprüfungsinstanzen nach § 104 Abs. 2 GWB zuständig, wenn ein Antragsteller geltend mache, die beabsichtigte Vergabe verletze ihn in seinen Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB. Die Norm schütze nicht nur vor Verstößen gegen vergaberechtliche Bestimmungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, sondern auch davor, dass Leistungen, die als Dienstleistungsaufträge vergeben werden müssten, unter Umgehung des Vergaberechts durch Dienstleistungskonzession beschafft werden sollten. So verhalte es sich hier, weil die Erteilung einer Dienstleistungskonzession nach § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG unzulässig sei. Nach dieser Bestimmung könnten Dritte mit der Erfüllung der Aufgaben der entsorgungspflichtigen Stelle beauftragt werden. Der Dritte werde dann als Erfüllungsgehilfe dieser Stelle tätig. Rechtsbeziehungen zwischen ihm und dem Nutzer entstünden nicht, sondern lediglich zwischen der entsorgungspflichtigen Stelle und dem Dritten einerseits und dem Nutzer andererseits. Dementsprechend könne auch nur die entsorgungspflichtige Stelle Entgeltansprüche gegenüber dem Nutzer erheben. Eine Dienstleistungskonzession sei in diesem Rahmen unzulässig. Eine Pflichtenübertragung nach § 16 Abs. 2 KrW-/AbfG, in deren Rahmen die Vergabe einer Dienstleistungskonzession in Betracht kommen könnte, sei weder von der Antragsgegnerin noch von der Stadt V. gewollt und die Voraussetzungen dafür (§ 16 Abs. 3 KrW-/AbfG) lägen auch nicht vor.
9
2. Die Bejahung der Zuständigkeit der Nachprüfungsinstanzen durch das Beschwerdegericht greift die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg an.
10
a) Ob das Begehren der Antragstellerin vor die im Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorgesehenen Nachprüfungsinstanzen gehört oder ein anderer Rechtsweg zu beschreiten ist, ist in Anlehnung an die Grundsätze zu beantworten, nach denen bei - wie hier - fehlender ausdrücklicher Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers zu entscheiden ist, ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich ist. Dafür kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes auf die Natur des Rechtsverhältnisses und dabei entscheidend auf die wahre Natur des Anspruchs an, wie er sich nach dem Sachvortrag des Klägers darstellt (GmS-OGB, Beschluss vom 10. Juli 1987 - GmS-OGB 1/88, BGHZ 108, 284, 286 mwN).
11
b) Nach der Natur des von der Antragstellerin geltend gemachten Anspruchs sind die Nachprüfungsinstanzen nach dem Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zuständig. Das Begehren der Antragstellerin geht dahin, der Antragsgegnerin die Vergabe einer Dienstleistungskonzession zu untersagen, weil die Wahl dieser Vertragsart der Vergabestelle gesetzlich (§ 16 Abs. 1 KrW-/AbfG) verwehrt und das für die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen oberhalb des einschlägigen Schwellenwerts geltende Vergaberecht zu beachten sei. Mit ihrem Angriff, die Wahl eines dem Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht unterliegenden Vertragstyps sei nicht statthaft, macht die Antragstellerin der Sache nach die Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren geltend (§ 97 Abs. 7 GWB). Dafür ist die Zuständigkeit der Vergabekammern (§§ 102 ff. GWB) und der Vergabesenate (§§ 116 ff. GWB) gegeben.
12
aa) Die Annahme des Oberlandesgerichts, das von der Antragstellerin beanstandete Vergabeverfahren sei auf die Vereinbarung einer Dienstleistungskonzession gerichtet, wird von der Rechtsbeschwerde als ihr günstig nicht angegriffen und begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken. Es entspricht des Weiteren der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen an sich nicht in den Anwendungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen fällt (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 - X ZB 4/10, BGHZ 188, 200 Rn. 28 f. - S-BahnVerkehr Rhein/Ruhr; Beschluss vom 23. Januar 2012 - X ZB 5/11, VergabeR 2012, 440 Rn. 10 ff. - Rettungsdienstleistungen III). Ohne Hinzutreten besonderer Umstände wären Vergabekammer und Vergabesenat nicht zuständig.
13
bb) Im Streitfall kommt jedoch hinzu, dass der Beschaffung der fraglichen Entsorgungsleistungen im Wege der Erteilung einer Dienstleistungskonzession nach dem Vorbringen der Antragstellerin und den von der Rechtsbeschwerde nicht infrage gestellten Ausführungen des Oberlandesgerichts die Regelung des § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG entgegensteht. Zu Recht hat das Oberlandesgericht im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung die Wahl der Dienstleistungskonzession als Vertragsart durch die Antragsgegnerin unter diesen Voraussetzungen einer vergaberechtswidrigen De-facto-Vergabe gleichgesetzt. Um eine solche handelt es sich u. a. dann, wenn die Vergabestelle einen öffentlichen Auftrag unmittelbar einem Unternehmen erteilt, obwohl sie andere Unternehmen ohne gesetzliche Gestattung nicht am Vergabeverfahren beteiligt hat (§ 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB). Diese Regelung will ermöglichen, dass ein vergaberechtswidrig erteilter Auftrag noch nachträglich einem geordneten Vergabeverfahren zugeführt werden kann. Vom Regelungsgegenstand des § 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB unterscheidet sich der Streitfall nur graduell durch den unerheblichen Umstand, dass die Antragsgegnerin zwar einen Teilnahmewettbewerb eröffnet hat, die Leistung aber im Übrigen frei von den Restriktionen des für die Vergabe öffentlicher Aufträge oberhalb der einschlägigen Schwellenwerte geltenden Vergaberechts vergeben will.
14
cc) Ohne Erfolg bleibt der Einwand der Rechtsbeschwerde, im Nachprüfungsverfahren seien nur Verstöße gegen vergaberechtliche Vorschriften zu prüfen, zu denen die vom Oberlandesgericht herangezogenen Bestimmungen des KrW-/AbfG und des Abfallgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen nicht zählten. Der Anspruch aus § 97 Abs. 7 GWB schließt das Recht ein, die Durchführung eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens zur Beschaffung einer dem Anwendungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen unterliegenden Leistung zu erzwingen, wenn die Vergabestelle den Beschaffungsvorgang nicht als ausschreibungspflichtig erachtet und ihn deshalb ohne förmliches Vergabeverfahren abschließen will. Um die Durchsetzung eines Vergabeverfahrens unter diesen Vorzeichen geht es der Antragstellerin im Streitfall. Er weist lediglich die Besonderheit auf, dass der Erfolg dieses Begehrens nach Lage des Sachverhalts davon abhängt, ob der Antragsgegnerin die Beschaffung der Leistung durch Vergabe einer Dienstleistungskonzession aufgrund einer gesetzlichen Regelung untersagt ist, die selbst nicht unmittelbar zu den Bestimmungen über das Vergabeverfahren im Sinne von § 97 Abs. 7 GWB zu rechnen ist (hier: § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG, aufgehoben durch Art. 6 des Gesetzes zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts vom 24. Februar 2012, BGBl. I S. 212; vgl. dazu die im Wesentlichen inhaltsgleiche Bestimmung in § 22 des als Art. 1 des vorgenannten Gesetzes zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts geschaffenen Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen [Kreislaufwirtschaftsgesetz - KrWG]). Diese Frage ist inzidenter im Rahmen der in die Zuständigkeit der Nachprüfungsinstanzen fallenden Prüfung zu beantworten, ob der Beschaffungsvorgang, wie von der Antragstellerin geltend gemacht, den Bestimmungen über das Vergabeverfahren im Sinne von § 97 Abs. 7 GWB unterliegt. Ob § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG - gegebenenfalls eine an die Stelle dieser Regelung getretene Norm - dem Abschluss einer Dienstleistungskonzession im Streitfall entgegensteht, kann nicht losgelöst von dieser Frage beurteilt werden und deshalb auch nicht die Zulässigkeit eines anderen Rechtswegs begründen, sondern ist im Rahmen der Prüfung der Begründetheit des Nachprüfungsantrags abschließend zu klären.
15
dd) Nicht zielführend für den Standpunkt der Antragstellerin ist ihr Einwand , die Abgrenzung von Dienstleistungsauftrag und -konzession diene der Festlegung, ob der Vergaberechtsweg eröffnet sei oder nicht, und, diese Abgrenzung werde durch die Erwägungen des Oberlandesgerichts zur Umgehung des Vergaberechts konterkariert. Dies lässt den vorstehend erörterten Umstand außer Acht, dass die Antragstellerin - als eine vor die Nachprüfungsinstanzen gehörende Verletzung ihrer Rechte aus § 97 Abs. 7 GWB - geltend macht, dass die Antragsgegnerin die in Rede stehende Beschaffung als Dienstleistungskonzession tätigen wolle. Das Oberlandesgericht hat deshalb zu Recht die Auffassung vertreten, dass das Petitum eines Unternehmens mit Interesse am Auftrag (§ 107 Abs. 2 GWB), der Gegenstand einer Dienstleistungskonzession müsse als Dienstleistungsauftrag ausgeschrieben werden, weil der Abschluss eines Konzessionsvertrages aufgrund gesetzlicher Regelung nicht statthaft sei, vor der Vergabekammer und dem Beschwerdegericht geltend zu machen sei.

III.


16
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Keukenschrijver Mühlens Gröning
Richter Hoffmann ist in Urlaub und ortsabwesend und kann deshalb nicht unterschreiben. Keukenschrijver Schuster
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 19.10.2011 - VII-Verg 51/11 -


Tenor

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung seiner sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer Rheinland-Pfalz vom 4. Januar 2011 wird abgelehnt.

Gründe

I.

1

1. Das Land Rheinland-Pfalz plant, baut und unterhält Bundesautobahnen und sonstige Bundesstraßen des Fernverkehrs auf dem Landesgebiet im Auftrag des Bundes (Art. 90 Abs. 2 GG). Bei der Durchführung dieser Aufgaben bedient es sich des Landesbetriebs Mobilität Rheinland-Pfalz (LBM), der dem rheinland-pfälzischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau zugeordnet ist. Der LBM tritt bei der Vergabe öffentlicher Aufträge auf dem Gebiet des Straßenbaus als Vergabestelle auf. Auftraggeber – und damit Beteiligter des Vergabeverfahrens – ist allein das Land (siehe auch OLG Düsseldorf v. 25.11.2009 - VII-Verg 27/09 - juris Rn. 44). Dies gilt auch, wenn der Bund in den Vergabeunterlagen als Mitauftraggeber bezeichnet wird.

2

2. Gegenstand des im Februar 2010 – noch unter Geltung der VOB/A 2006 – eingeleiteten Vergabeverfahrens ist der erste Bauabschnitt für den Neubau der Bundesstraße 50. Im Offenen Verfahren sollen Erd-, Entwässerungs- und Oberbauarbeiten vergeben werden. Die Oberbauarbeiten fallen in die Bauklasse SV.

3

Einziges Zuschlagskriterium ist der Preis. Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens ist die Frage, ob „Nebenangebote“ der Antragstellerin zu werten sind.

4

Unter II.1.9) der Bekanntmachung sind „Varianten/Alternativangebote“ zugelassen.

5

Umfangreiche Mindestanforderungen an Nebenangebote sind unter 1.5 der Baubeschreibung niedergelegt. In den „ EG-Bewerbungsbedingungen “ werden die Bieter darauf aufmerksam gemacht, dass sie mit Angebotsabgabe den Nachweis führen müssen, dass Nebenangebote die Mindestbedingungen erfüllen.

6

3. Mehrere Bieter, deren Eignung außer Frage steht, gaben wertbare Hauptangebote ab. Der Preisspiegel bietet insoweit folgendes Bild (jeweils Nettopreise):

7

Preisgünstigster Bieterin ist die A. GmbH & Co. KG, deren Hauptangebot auf 11.190.455,08 € lautet. Zeitplatzierte ist die S. GmbH & Co. KG mit 11.519.598 €.

8

Die Antragstellerin liegt mit 11.554.700,84 € an dritter Stelle. Sie hat insgesamt 11 als Nebenangebote bezeichnete Abweichungen vom Leistungsverzeichnis eingereicht, deren Wertung zu folgenden Einsparungen führen würde:

9

Nebenangebot I:

9.250,00 €

Nebenangebot II:

3.600,00 €

Nebenangebot III:

47.440,70 €

Nebenangebot IV:

56.472,00 €

Nebenangebot V:

23.269,50 €

Nebenangebot VI:

204.698,50 €

Nebenangebot VII:

100.085,55 €

Nebenangebot VIII:       

56.997,40 €

Nebenangebot IX:

3.150,00 €

Nebenangebot X:

31.862,20 €

Nebenangebot XI:

155.684,86 €

10

Die Einsparungen durch die „Nebenangebote“ I - V sowie VII - IX summieren sich auf 300.265,15 €. Angesichts der Differenz bei den Hauptangeboten von 364.245,76 € hätte die Antragstellerin ungeachtet der Frage, ob und inwieweit auch preisgünstigere „Nebenangebote“ der Amand GmbH & Co. KG wertbar sind, bestenfalls dann eine Chance auf den Zuschlag, wenn – bei unterstellter Wertbarkeit ihrer übrigen „Nebenangebote“ – zumindest die „Nebenangebote“ VI und X oder das „Nebenangebot“ XI berücksichtigt werden müsste.

11

4. Das „Nebenangebot“ VI der Antragstellerin bezieht sich auf eine Entwässerungsleitung mit einer Gesamtlänge von ca. 3,5 km. Ein Abschnitt von etwa 1,6 km Länge, der unter den Ordnungsziffern 00.19.0002 bis 00.19.0005 des Leistungsverzeichnisses beschrieben ist, soll aus „ kreisförmigen duktilen Gussrohren nach DIN EN 598“, die „ den statischen und konstruktiven Erfordernissen nach DIN EN1610 “ genügen müssen, hergestellt werden. Als Leitprodukt ist das Fabrikat Saint-Gobain Pluvial Standard mit dem Zusatz: „oder gleichwertig“ angegeben.

12

Im allgemeinen Teil der Baubeschreibung teilte der Auftraggeber unter 1.1.5 (Entwässerung) mit, dass und warum die Forderung nach Verwendung von duktilem Gussrohr den Besonderheiten an der Einbaustelle, „ die von der Standardentwässerung abweichende Maßnahmen“ erfordern, geschuldet ist.

13

Die Antragstellerin bietet "anstelle der Gussrohre GfK-Rohre aus glasfaserverstärktem Kunststoff nach DIN EN 14364/DIN 16868 bzw. nach DIN EN 1796 in Standardharzqualität“ an.

14

Gleiches gilt für die unter Ordnungsziffer 00.09 beschriebene Dükeranlage und das „Nebenangebot“ X.

15

Irgendwelche Unterlagen, die Auskunft über das angebotene Alternativprodukt geben könnten, waren dem Angebot nicht beigefügt.

16

5. Das „Nebenangebot“ XI betrifft die Ordnungsziffern 00.29.001 (Frostschutzschicht aus „ natürlichen gebrochenen Gesteinskörnungen “) und 00.30.001 (Asphalttragschicht) des Leistungsverzeichnisses. Die Asphalttragschicht soll eine Dicke von 22 cm haben.

17

In diesem Zusammenhang heißt es unter 1.5.2.1 Unterpunkt 6b (Mindestanforderungen an Nebenangebote) zu alternativen Bauweisen mit Tragschichten aus hydraulisch gebundenem pechhaltigem Material u.a.:

18

Werden in Ausnahmefällen und bei Zulassung von Nebenangeboten… auch bei den Bauklassen SV und I Tragschichten aus pechhaltigen Straßenbaustoffen eingesetzt, darf ihre Dicke lediglich auf die Frostschutzschicht angerechnet werden .

19

Die Antragstellerin bietet alternativ den „ Oberbau nach RSTO Tafel 1, Zeile 2.1 Bauklasse SV mit HGT aus teerhaltigem Ausbauasphalt “ an. Anstelle der ausgeschriebenen Leistung sollen eine 15 cm dicke „ hydraulisch gebundene pechhaltige Tragschicht“ und eine Tragschicht „ wie in OZ 00.30.0001 beschrieben …, jedoch Einbaudicke 14 cm" hergestellt werden. Sie hat die hydraulisch gebundene Schicht (HGT) mit 7 cm auf die darunterliegende Frostschutzschicht und mit 8 cm auf die Asphalttragschicht angerechnet.

20

Weitere Angaben enthalten die Angebotsunterlagen nicht.

II.

21

1. Mit Schreiben vom 4. November 2010 teilte die Vergabestelle der Antragstellerin mit, dass sie nicht für den Zuschlag vorgesehen sei; sie habe nicht das wirtschaftlichste Hauptangebot abgegeben. Ihre Nebenangebote könnten aufgrund der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf aus jüngerer Zeit nicht berücksichtigt werden, weil als einziges Wertungskriterium der niedrigste Preis genannt sei. Es sei beabsichtigt, den Zuschlag auf das Angebot der A. GmbH & Co. KG zu erteilen.

22

Dies rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 8. November 2010: Die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf sei nicht einschlägig, da sie keine Nebenangebote im Rechtsinne eingereicht, sondern Leistungsvarianten im Rahmen der Vorgaben des Leistungsverzeichnisses angeboten habe, die nach den für Hauptangebote geltenden Regeln zu behandeln seien.

23

Mit Schreiben vom 12. November 2010 wies die Vergabestelle die Rügen zurück. Ergänzend teilte sie mit, die Nebenangebote VI und X könnten auch deshalb nicht gewertet werden, weil die angebotenen Kunststoffrohre nicht gleichwertig seien. Bei dem ausgeschriebenen Gussmaterial sei von einer bedeutend längeren Lebensdauer auszugehen. Auch seien die Unterhaltungskosten bei Gusseisen deutlich niedriger. Hinsichtlich des Nebenangebots XI fehle es ebenfalls an der Gleichwertigkeit, weil die notwendige Tragfähigkeit nicht gewährleistet sei. Bereits die Nichtberücksichtigung dieser drei Nebenangebote habe zur Folge, dass das Angebot der Antragstellerin hinter dem Angebot der Firma A. zurücktreten müsse.

24

2. Den daraufhin eingereichten Nachprüfungsantrag der Antragstellerin hat die Vergabekammer mit Beschluss vom 4. Januar 2011 als unbegründet zurückgewiesen. Sie hat sich dabei weitgehend der Argumentation des Auftraggebers angeschlossen und ausgeführt:

25

Es könne dahin stehen, ob der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf zu folgen sei, wonach Nebenangebote grundsätzlich nicht gewertet werden können, wenn der Preis als einziges Wertungskriterium angegeben worden ist.

26

Vorliegend sei die Entscheidung der Vergabestelle, die „Nebenangebote“ VI, X und XI (sowie VIII) nicht zu werten, aus anderen Gründen im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Einsparungen, die sich aufgrund der übrigen „Nebenangebote“ ergeben könnten, seien zu gering, um den Abstand zum Hauptangebot der Firma Amand entscheidend verkürzen zu können.

27

Die Entscheidung der Vergabestelle, die „Nebenangebote“ VI und X der Antragstellerin gemäß §§ 21 Nr. 1 Abs. 3, 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A 2006 nicht zu werten, sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Vergabestelle habe im Sinne des § 9 Nr. 10 VOB/A 2006 die Verwendung von Rohren eines bestimmten Materials/Fabrikats vorgegeben und die Möglichkeit eröffnet, ein gleichwertiges Material/Fabrikat anzubieten. Die Vergabestelle sei in vertretbarer Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass das von der Antragstellerin angebotene Material/Fabrikat nicht gleichwertig zu dem ausgeschriebenen Material bzw. Fabrikat sei.

28

Bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit stehe dem öffentlichen Auftraggeber ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Dieser Beurteilungsspielraum könne nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob der öffentliche Auftraggeber sein Ermessen nicht oder deshalb fehlerhaft ausgeübt habe, weil er sich auf sachfremde Erwägungen gestützt oder einen unzutreffend oder unvollständig ermittelten Sachverhalt zu Grunde gelegt habe. Dies sei hier nicht feststellbar. Vielmehr sei es nicht zu beanstanden, dass die Vergabestelle zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Gleichwertigkeit der Kunststoffrohre aufgrund geringerer Lebensdauer und höherer Unterhaltskosten im Vergleich zu den ausgeschriebenen Metallrohren zu verneinen sei.

29

Auch das "Nebenangebot" XI der Antragstellerin sei gem. §§ 21 Nr. 1 Abs. 2 S. 5, 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A 2006 bzw. §§ 21 Nr. 1 Abs. 2 S. 5, 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A 2006 zwingend von der Wertung auszuschließen, da die Antragstellerin mit Angebotsabgabe keinen Gleichwertigkeitsnachweis vorgelegt hat. Es könne insofern offen bleiben, ob es sich bei dem "Nebenangebot" XI der Antragstellerin um ein "echtes" Nebenangebot oder um eine Abweichung von technischen Spezifikationen handele. Den so oder so notwendigen Gleichwertigkeitsnachweis habe die Antragstellerin nicht vorgelegt.

30

3. Gegen die Entscheidung der Vergabekammer wendet sich die Antragstellerin mit der mit einem Eilantrag nach § 118 Abs.1 Satz 3 GWB verbundenen sofortigen Beschwerde.

III.

31

Der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ist zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel der Antragstellerin nach dem aktuellen Sach- und Streitstand keine Aussichten auf Erfolg hat. Derzeit sind keine Umstände ersichtlich, die gegen eine vergaberechtskonforme Beauftragung eines Konkurrenzunternehmens sprechen.

32

1. Es kann hier offen bleiben, ob der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (zuletzt Besch. v. 18.10.2010 - VII-Verg 39/10 - NZBau 2011, 57) zu folgen ist, wonach Nebenangebote dann nicht zugelassen bzw. zugelassene Nebenangebote nicht gewertet werden dürfen, wenn der Preis das einzige Zuschlagskriterium ist. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass der Senatsentscheidung vom 26.07.2010 - 1 Verg 6/10 -ZfBR 2010, 708 nicht entnommen werden kann, dass der Senat eine gegenteilige Auffassung vertritt. Die Entscheidungen des OLG Düsseldorf waren damals noch nicht veröffentlicht, jedenfalls dem Senat unbekannt; mögliche Auswirkungen des Wortlauts der Art. 24 Abs. 1, 53 Abs. 1 VKR bzw. der Art. 36 Abs. 1, 55 Abs. 1 SKR auf die Wertbarkeit von Nebenangeboten wurden nicht problematisiert.

33

2. Die Antragstellerin hat schon deshalb keine Chance auf den Zuschlag, weil seine „Nebenangebote“ VI und X sowie das „Nebenangebot“ XI nicht berücksichtigt werden dürfen. Auf eine mögliche vergaberechtswidrige Behandlung der übrigen „Nebenangebote“ könnte sich die Antragstellerin nicht mit Aussicht auf Erfolg berufen, weil sie selbst bei deren Berücksichtigung das für die Auftragserteilung vorgesehene Unternehmen nicht vom ersten Platz verdrängen könnte.

34

a) „Nebenangebote“ VI und X

35

aa) Bei den technischen Vorgaben der Vergabestelle für die Rohre der Entwässerungsanlage handelt es sich um technische Spezifikationen im Sinne des § 9 Nr. 6 Abs. 1 lit. a) VOB/A 2006, denen die von der Antragstellerin angebotene Abweichung unzweifelhaft nicht genügt. Diese Abweichung ist allerdings nicht den Regeln für Nebenangebote unterworfen. Für sie gilt vielmehr § 9 Nr. 7 VOB/A 2006 in Verbindung mit §§ 21 Nr. 2, 25 Nr. 4 VOB/A 2006. Danach sind Abweichungen von technischen Spezifikationen als Hauptangebote zu behandeln, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Bieter bereits mit dem Angebot durch geeignete Unterlagen – wie Prüfberichte anerkannter Stellen oder aussagekräftige Herstellerangaben – der Vergabestelle die funktionale und qualitative Gleichwertigkeit – hier auch für den Einsatz an einer Stelle mit örtlichen Besonderheiten – nachweist (siehe dazu Kratzenberg in Ingenstau/Korbion, VOB, 17. Auflage, § 7 VOB/A Rn. 74 f.). Dies hat die Antragstellerin versäumt, so dass die von ihr angebotene Leistungsalternative nicht als technisch modifiziertes Hauptangebot gewertet werden kann.

36

bb) Dieser Mangel kann nicht durch im Nachprüfungsverfahren nachgereichte Unterlagen, darunter eine Herstellerbescheinigung vom 24. November 2010 und eine technische Mitteilung über die chemische Beständigkeit von GfK-Rohren vom 31. Oktober 2006, geheilt werden. Dass die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens durch den Senat nicht in Betracht kommt, versteht sich von selbst.

37

cc) Die Antragstellerin behauptet nicht, dass sich die Gleichwertigkeit – zumindest für Fachleute auf dem Gebiet des Straßenbaus – aus den von ihr selbst angegebenen Normen ergebe. Sie trägt vielmehr vor, dem Auftraggeber müsse die Gleichwertigkeit aus anderen Vergabeverfahren bekannt sein, weshalb ein entsprechender Nachweis entbehrlich sei. Zum einen hätten in jüngerer Zeit Vergabestellen in einem anderen Bundesland im Zusammenhang mit Baumaßnahmen an Bundesfernstraßen Kunststoffrohre ausgeschrieben. Zum anderen sei im Jahre 2004 bei einer Baumaßnahme an einer Landesstraße in Rheinland-Pfalz der Zuschlag auf ein Nebenangebot erteilt worden, das Kunststoffrohre anstelle der damals ausgeschriebenen Gusseisenrohre vorsah. Es müsse also auf Auftraggeberseite das für die Beurteilung der Gleichwertigkeit notwendige Wissen vorhanden sein.

38

Dem kann nicht gefolgt werden. Es geht nicht um (die Zurechnung von) Wissen innerhalb eines Behördenapparats, sondern um den tatsächlichen Vorgang der Angebotsprüfung durch die dafür im Einzelfall berufenen Personen. Sinn und Zweck der Nachweispflicht ist es, im Interesse der zügigen Durchführung des Vergabeverfahrens die mit der Angebotsprüfung befassten Personen in die Lage zu versetzen, allein anhand der vom Bieter vorgelegten Unterlagen und ohne weitere Nachforschungen beurteilen zu können, ob die angebotene technische Variante geeignet ist, den Beschaffungsbedarf für das konkrete Bauvorhaben zu befriedigen. Es kommt nicht darauf an, ob es einen Bediensteten des Landes – oder gar, wie die Antragstellerin meint, des Bundes – gibt oder geben könnte, der aufgrund eigener Sachkunde ohne entsprechende Angaben eines Bieters in der Lage wäre, die Frage der Gleichwertigkeit zu beurteilen (zur vergleichbaren Problematik bei der Nichtvorlage geforderter Eignungsnachweise durch „bekannte“ Unternehmen siehe VK Kiel v. 17.01.2006 - VK-SH 32/05 - juris Rn. 83; Glahs in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 3. Auflage, § 6 VOB/A Rn. 66). Die scheinbar anderslautende Entscheidung des BayObLG v. 02.12.2002 - Verg 24/02 (VergabeR 2003, 207, 212), betraf den atypischen, einer Verallgemeinerung nicht zugänglichen Fall, dass ein Bieter für die Herstellung von Straßenbanketten alternativ die Verwendung von Bodenmaterial aus dem Baustellenbereich vorgeschlagen hatte und die dortigen Boden- und Untergrundverhältnisse in den Vergabeunterlagen eingehend erläutert worden waren.

39

dd) An dem Fehlen jeglicher Darlegung zur Eignung des Alternativprodukts für den aus der Leistungsbeschreibung ersichtlichen Verwendungszweck würde im Übrigen auch die Berücksichtigung der Alternative Kunststoffrohre als „echtes“ Nebenangebot scheitern.

40

ee) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist ihr modifiziertes Hauptangebot nicht nach § 9 Nr. 10 Satz 2 VOB/A 2006 zu behandeln. Nach dieser Regelung ist die Angabe eines bestimmten Produkts nur zulässig, wenn dies zur Beschreibung des Auftragsgegenstandes unerlässlich ist. Es handelt sich also eine Ausschreibungshilfe in den seltenen Fällen, in denen eine verbale Umschreibung des Leistungsgegenstandes das Informationsinteresse der Wettbewerbsteilnehmer nicht hinreichend befriedigen kann. Dies ist hier nicht der Fall. Der Auftraggeber hat die zu verwendenden Rohre und deren Beschaffenheit durch Materialangabe und technische Normen hinreichend klar beschrieben. Die nicht nur überflüssige, sondern auch vergaberechtswidrige Angabe des Produkts eines namentlich bezeichneten Herstellers ändert nichts daran, dass Abweichungen von den vergaberechtskonform vorgegebenen technischen Spezifikationen an § 9 Nr. 7 VOB/A 2006 zu messen sind. Unabhängig davon konnte selbstverständlich jeder Bieter auch gleichartige Gusseisenrohre anderer Hersteller anbieten.

41

b) „Nebenangebot“ XI

42

aa) Das „Nebenangebot“ XI bezieht sich auf eine Teilleistung, die der Auftraggeber nicht unter Bezugnahme auf technischen Spezifikationen im Sinne des § 9 Nr. 6 Abs. 1 VOB/A 2006 definiert hat, sodass § 9 Nr. 7 VOB/A 2006 keine Anwendung findet. Es handelt sich vielmehr um eine Leistungsvariante, die den Regeln für „echte“ Nebenangebote unterliegt. Zu diesen Regeln gehört auch § 25a Nr. 3 VOB/A, wonach eine Berücksichtigung eine Übereinstimmung mit den publik gemachten Mindestanforderungen voraussetzt.

43

Diese Mindestanforderungen lassen hier zwar die von der Antragstellerin alternativ vorgeschlagene Schichtenfolge mit einer HTG als solche zu, nicht aber eine Abweichung von der in der Leistungsbeschreibung vorgegebenen Dicke der darüberliegenden Asphalttragschicht (14 cm statt 22 cm). Das Nebenangebot XI kann deshalb nicht gewertet werden.

44

Unerheblich ist, dass nach dem derzeitigen Kenntnisstand des Senats davon ausgegangen werden kann, dass der alternativ vorgeschlagene Schichtenaufbau den Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaues von Verkehrsflächen (RStO), Tafel 1. Zeile 2.1 entspricht und damit den Regeln der Straßenbautechnik hinreichend Rechnung tragen würde. Vergaberechtlich steht es dem Auftraggeber frei, für Haupt- und/oder Nebenangebote Leistungen zu fordern, die über (Mindest-)Standards hinausgehen. Hier hat der Auftraggeber für Nebenangebote von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine alternative Standardleistung nach RStO, Tafel 1. Zeile 2.1 jedenfalls dann nicht ausreicht, wenn pechhaltiges Recyclingmaterial Verwendung finden soll.

45

bb) Sollten die etwas unklaren Ausführungen im Schriftsatz der Antragstellerin vom 27. Januar 2011 so zu verstehen sein, dass vorgetragen werden soll, sie habe überhaupt keine HGT mit pechhaltigem Recyclingmaterial angeboten oder anbieten wollen, so wäre dies ebenfalls unerheblich. In dem Nebenangebot XI heißt es unter der Alternativordnungsziffer 00.30.0001a wörtlich: Hydraulisch gebundene pechhaltige Tragschicht liefern und entsprechend den gültigen Vorschriften einbauen .“

46

Es ist Sache des Bieters, sein Nebenangebot so klar und deutlich abzufassen, dass der Auftraggeber allein aufgrund dieser Angaben die Erfüllung seiner Vorgaben nachprüfen kann.

47

cc) Ob der Auftraggeber berechtigt wäre, Unklarheiten im Wege der Aufklärung (§ 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A 2006) zu beseitigen, kann ebenfalls dahinstehen. Er ist dazu nicht verpflichtet (OLG Dresden v. 10.07.2003 - WVerg 16/02 - VergabeR 2004, 92) und hat vorliegend – wie schon in den „ EG-Bewerbungsbedingungen “ angekündigt – von einer Aufklärung abgesehen.

IV.

48

Der Auftraggeber wird gebeten, eine Auftragsvergabe dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.

49

Die Antragstellerin wird gebeten, binnen 2 Wochen mitzuteilen, ob das Beschwerdeverfahren fortgesetzt werden soll.

(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen

1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen,
2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung,
3.
zu Arbeitsverträgen,
4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.

(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,

1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder
2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
Wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union können insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien betrifft. Ferner können im Fall des Satzes 1 Nummer 1 wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession
1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder
2.
Leistungen betreffen, die
a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder
b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.

Öffentliche Auftraggeber sind

1.
Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen,
2.
andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern
a)
sie überwiegend von Stellen nach Nummer 1 oder 3 einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise finanziert werden,
b)
ihre Leitung der Aufsicht durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 unterliegt oder
c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 bestimmt worden sind;
dasselbe gilt, wenn diese juristische Person einer anderen juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts einzeln oder gemeinsam mit anderen die überwiegende Finanzierung gewährt, über deren Leitung die Aufsicht ausübt oder die Mehrheit der Mitglieder eines zur Geschäftsführung oder Aufsicht berufenen Organs bestimmt hat,
3.
Verbände, deren Mitglieder unter Nummer 1 oder 2 fallen,
4.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie nicht unter Nummer 2 fallen, in den Fällen, in denen sie für Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden oder für damit in Verbindung stehende Dienstleistungen und Wettbewerbe von Stellen, die unter die Nummern 1, 2 oder 3 fallen, Mittel erhalten, mit denen diese Vorhaben zu mehr als 50 Prozent subventioniert werden.

Auftraggeber im Sinne dieses Teils sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99, Sektorenauftraggeber im Sinne des § 100 und Konzessionsgeber im Sinne des § 101.

Öffentliche Auftraggeber sind

1.
Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen,
2.
andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern
a)
sie überwiegend von Stellen nach Nummer 1 oder 3 einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise finanziert werden,
b)
ihre Leitung der Aufsicht durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 unterliegt oder
c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 bestimmt worden sind;
dasselbe gilt, wenn diese juristische Person einer anderen juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts einzeln oder gemeinsam mit anderen die überwiegende Finanzierung gewährt, über deren Leitung die Aufsicht ausübt oder die Mehrheit der Mitglieder eines zur Geschäftsführung oder Aufsicht berufenen Organs bestimmt hat,
3.
Verbände, deren Mitglieder unter Nummer 1 oder 2 fallen,
4.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie nicht unter Nummer 2 fallen, in den Fällen, in denen sie für Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden oder für damit in Verbindung stehende Dienstleistungen und Wettbewerbe von Stellen, die unter die Nummern 1, 2 oder 3 fallen, Mittel erhalten, mit denen diese Vorhaben zu mehr als 50 Prozent subventioniert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 32/08
vom
1. Dezember 2008
in dem Vergabenachprüfungsverfahren
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Dezember 2008
durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Scharen, die Richterin
Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Gröning

beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen beim Regierungspräsidium Leipzig vom 26. März 2008 wird zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Beschluss des Oberlandesgerichts vorbehalten.

Gründe:


1
A. Der Antragsgegner ist ein von mehreren sächsischen Kommunalkörperschaften gebildeter Zweckverband. Er hat als öffentliche Aufgabe den Rettungsdienst. Diese Aufgabe umfasst gemäß § 3 Nr. 3 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 des im Wesentlichen am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Sächsischen Gesetzes über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz (SächsBRKG) vom 24. Juni 2004 (SächsGVBl. S. 245) die Notfallrettung und den Krankentransport im Gebiet der angeschlossenen Körperschaften, daneben aber auch etwa noch die Unterhaltung von Leitstellen (§ 34 SächsBRKG).
2
Dieses Gesetz sieht in seinem erst am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen § 31 vor, dass der Aufgabenträger des Rettungsdienstes die dazu nötigen Leistungen selbst durchführt (Abs. 7) oder dass er die Durchführung der Notfallrettung und des Krankentransports nach einem Auswahlverfahren durch öffentlich -rechtlichen Vertrag auf private Hilfsorganisationen oder andere Unternehmer , die so genannten Leistungserbringer, überträgt (Abs. 1). Das Auswahlverfahren ist in § 31 und in der aufgrund dessen Absatz 3 erlassenen Landesrettungsdienstplanverordnung vom 24. Januar 2008 (SächsLRettDPVO, SächsGVBl. S. 79) näher geregelt. Diese Regeln sind nicht identisch mit denen der Verdingungsordnung für Leistungen - Teil A (VOL/A Ausgabe 2006) vom 6. April 2006. So heißt es in § 12 Abs. 6 SächsLRettDPVO nur, dass im Übrigen die allgemeinen vergaberechtlichen Grundsätze des § 97 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gelten. Im Übertragungsvertrag ist unter anderem die Höhe der Vergütung des Leistungserbringers zu regeln (§ 31 Abs. 4 SächsBRKG). Diese Vergütung ist gemäß § 32 SächsBRKG Teil der Benutzungsentgelte , die der Aufgabenträger mit Kostenträgern vereinbart und die für alle in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Benutzer verbindlich sind und für andere Benutzer durch Satzung als Gebühr festgelegt werden können.
3
Der Antragsgegner gab am 17. Januar 2008 im Sächsischen Amtsblatt bekannt, ein Auswahlverfahren nach § 31 SächsBRKG zur Übertragung der Notfallrettung nebst Krankentransport ab 1. Januar 2009 durchzuführen.
4
Die Antragstellerin ist der Meinung, dass die Leistungen nach Maßgabe des Kartellvergaberechts und europaweit auszuschreiben seien. Sie hat deshalb von dem Antragsgegner Abhilfe verlangt und das Nachprüfungsverfahren eingeleitet, in dem sie u.a. auch die vom Antragsgegner beabsichtigte losweise Aufteilung der Leistungen beanstandet hat. Der Antragsgegner ist hingegen der Auffassung, nach § 12 Abs. 6 SächsLRettDPVO sei nur ein öffentlich-rechtliches Auswahlverfahren nötig; eine Vergabe nach den Regeln des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und der Verdingungsordnung für Leistungen komme daher nicht in Betracht.
5
Die Vergabekammer hat den Antragsgegner als zur Beachtung des aufgrund des Ersten Abschnitts des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen einzuhaltenden Vergabeverfahrens (zukünftig auch kurz: GWB-Vergaberegime) verpflichtet angesehen. Allerdings bedürfe es keines europaweiten Vergabeverfahrens, weil Rettungsdienstleistungen als anteilig überwiegend medizinischen Inhalts nur nach § 1a Nr. 2 Abs. 2 VOL/A 2006 zu vergeben seien.
6
Gegen den teils stattgebenden, teils zurückweisenden Beschluss der Vergabekammer haben der Antragsgegner sofortige Beschwerde und die Antragstellerin Anschlussbeschwerde eingelegt.
7
Das Oberlandesgericht hat (ausschließlich) die sofortige Beschwerde dem Senat zur Entscheidung vorgelegt (Beschl. abgedr. u.a. VergabeR 2008, 809). In Streit stehe ein Dienstleistungsauftrag im Sinne von § 99 Abs. 1 und 4 GWB, keine Dienstleistungskonzession, weil der Leistungserbringer die ihm zustehende Vergütung ausschließlich und unmittelbar vom öffentlichen Aufgabenträger erhalte. Die beabsichtigte Auftragserteilung sei auch nicht wegen Art. 45, 55 EG-Vertrag von den Vorschriften des GWB-Vergaberegimes ausgenommen. Rettungsdienstleistungen trügen aus der Natur der Sache heraus keinen hoheitlichen Charakter. An der deshalb gebotenen Zurückweisung der sofortigen Beschwerde sehe man sich jedoch durch einen Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. April 2006 (abgedr. u.a. VergabeR 2006, 787) gehindert; denn dem liege die Auffassung zugrunde, dass das Handeln am Rettungsdienst beteiligter Privater der hoheitlichen Betätigung des Staates zuzurechnen sei mit der Folge, dass die Vergabe derartiger Leistungen nicht dem GWB-Vergaberegime unterworfen sei.
8
B. Die Vorlage ist zulässig.
9
Die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 GWB liegen vor, wenn das vorlegende Oberlandesgericht als tragende Begründung seiner Entscheidung einen Rechtssatz zugrunde legen will, der mit einem die Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts tragenden Rechtssatz nicht übereinstimmt (BGHZ 154, 32, 35 f. m.w.N.).
10
Eine solche Divergenz ist hier gegeben. Das vorlegende Oberlandesgericht will die sofortige Beschwerde des Antragsgegners mit der Begründung zurückweisen , Rettungsdienstleistungen, die an Private nicht im Wege eines Konzessionsmodells vertraglich übertragen werden sollen, seien nach Maßgabe des GWB-Vergaberegimes zu vergeben. Dieser Rechtssatz stimmt nicht mit der die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. April 2006 tragenden Begründung überein. Dieses Oberlandesgericht stützt seinen Beschluss auf den Rechtssatz, dass solche Rettungsdienstleistungen wegen Art. 45, 55 EG-Vertrag von dem GWB-Vergaberegime ausgenommen sind.
11
C. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere in rechter Frist und Form erhoben; sie ist aber unbegründet. Zu Recht hat die Vergabekammer auf den zulässigen Nachprüfungsantrag hin festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist, weil der Antragsgegner die im Januar 2008 angekündigte Übertragung der Notfallrettung nebst Krankentransport nicht in einem Vergabeverfahren vornehmen will, das die Regeln des Ersten Abschnitts des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und der wegen § 4 VgV ferner geltenden Verdingungsordnung für Leistungen - Teil A einhält.
12
I. Gegen das Erreichen des nach § 100 Abs. 1 GWB erforderlichen Schwellenwerts und gegen die Antragsbefugnis der Antragstellerin (§ 107 Abs. 2 GWB) gibt es ebenso wenig Bedenken wie Anhaltspunkte dafür bestehen , dass die Antragstellerin mit ihrem Begehren nach § 107 Abs. 3 GWB präkludiert sein könnte. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Oberlandesgerichts im Vorlagebeschluss verwiesen werden.
13
II. Näherer Ausführungen bedarf es hingegen im Hinblick darauf, dass sich der Regelungsgehalt des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB beschränkt. Nach der dort gegebenen gesetzlichen Definition sind das entgeltliche Verträge zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem Unternehmen, die, soweit es hier interessiert, Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Auch die sich hieraus ergebenden Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
14
1. Der Antragsgegner ist als Verband im Sinne des § 98 Nr. 3 GWB öffentlicher Auftraggeber.
15
2. Er will mit einem Dritten einen Vertrag abschließen, damit dessen Unternehmen verpflichtet ist, Notfallrettung und Krankentransporte im Sinne des § 2 Abs. 2 SächsBRKG durchzuführen. Ein solcher Vertrag hat Leistungen des Unternehmens zum Gegenstand, die, da keine Waren zu liefern sind und keine Bauausführung oder -planung geschuldet sein soll, gem. § 99 Abs. 4 GWB als Dienstleistungen einzustufen sind.
16
a) Der Feststellung, dass der Vertrag (Dienst)Leistungen zum Gegenstand hat, steht nicht entgegen, dass in Übereinstimmung mit § 31 Abs. 1 SächsBRKG nach dem Wortlaut des zu den Akten gereichten Entwurfs des abzuschließenden Vertrags (dort § 1) die Durchführung der Notfallrettung und des Krankentransports übertragen werden soll, was möglicherweise als Übertragung jedenfalls eines Teils der öffentlichen Aufgabe selbst bzw. als Anvertrauen eines öffentlichen Amts verstanden werden könnte. Ein solcher Inhalt der Vereinbarung änderte nämlich nichts daran, dass der Vertrag sich über Leistungen verhält, zu denen ein Dritter aufgrund der vertraglichen Vereinbarung verpflichtet sein soll, was nach der Rechtsprechung des Senats bereits zur Anwendung von § 99 Abs. 1 GWB führt (BGHZ 162, 116, 128). Denn der Leistungserbringer soll - wie es in § 2 Abs. 2 Satz 2 SächsBRKG heißt - lebensrettende Maßnahmen bei Notfallpatienten durchführen, deren Transportfähigkeit herstellen, sie unter fachgerechter Betreuung in ein Krankenhaus befördern, anderen Kranken , Verletzten oder sonstigen Hilfsbedürftigen Hilfe leisten und auch diese Personen befördern. Dass es bei dem abzuschließenden Vertrag um die Pflicht zur Erbringung gerade auch dieser Dienstleistungen geht, wird nicht zuletzt daran deutlich, dass der Antragsgegner nach § 31 Abs. 7 SächsBRKG diese Tätigkeiten ansonsten mit eigenen Kräften durchführen müsste (vgl. auch hierzu BGHZ 162, 115, 126).
17
b) Unerheblich ist auch, dass § 31 Abs. 1 SächsBRKG den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags vorschreibt und auch der Vertragsentwurf eine Vereinbarung dieser rechtlichen Art vorsieht. Denn § 99 Abs. 1 GWB unterscheidet nicht nach der Rechtsnatur des abzuschließenden Vertrags. Er weist Rechtsgeschäfte allein deshalb dem GWB-Vergaberegime zu, weil der öffentliche Auftraggeber Leistungen durch einen Dritten für wünschenswert oder notwendig erachtet und dies zum Anlass nimmt, deren Erbringung auf vertraglichem Weg und nicht in anderer Weise, etwa durch einen Beleihungsakt (vgl. hierzu Burgi, NVwZ 2007, 383), sicherzustellen (vgl. BGHZ 148, 55, 61), wobei angesichts des zu beurteilenden Sachverhalts dahinstehen kann, ob fallweise - etwa zur Vermeidung von Umgehungsmöglichkeiten - auch eine Beauftragung auf vertragsähnlichem Wege ausreichen kann.
18
3. Da in dem Vertragsentwurf vorgesehen ist (dort § 5), dass der Leistungserbringer vom Aufgabenträger für die Durchführung der übernommenen Tätigkeiten bzw. Aufgabe den im Angebot geforderten Eurobetrag als Vergütung erhält, soll schließlich auch ein entgeltlicher Vertrag abgeschlossen werden. Denn die erforderliche Entgeltlichkeit liegt jedenfalls dann vor, wenn der öffentliche Auftraggeber sich durch ein einheitliches Leistungsaustauschgeschäft zu einer geldwerten Gegenleistung für die Leistung des Unternehmens verpflichtet (vgl. BGHZ 162, 116, 129 m.w.N.).
19
4. Auf die von dem vorlegenden Oberlandesgericht einerseits und dem Oberlandesgericht Düsseldorf (aus der vergaberechtlichen Rspr. wie oder ähnlich wie dieses OLG Celle NZBau 2000, 299; OLG Naumburg VergabeR 2001, 134 u. Beschl. v. 11.07.2008 - 1 Verg 5/08; BayObLG VergabeR 2003, 563 f.; OLG Brandenburg NZBau 2005, 236 u. Beschl. v. 18.09.2008 - VergW 9/04) andererseits kontrovers diskutierte und den eigentlichen Grund für die Divergenzvorlage bildende Frage, ob von der Ankündigung des Antragsgegners betroffene Tätigkeiten dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind, so dass durch sie nach der Vorgabe von Art. 45, 55 EG-Vertrag weder die Niederlassungsfreiheit noch die Dienstleistungsfreiheit in den Mitgliedstaaten berührt wird, kommt es nicht an.
20
Die sich aus Art. 45, 55 EG-Vertrag ergebende so genannte Bereichsausnahme beschränkt sich nach dem Wortlaut von Art. 45 und dessen Zweck darauf, die Mitgliedstaaten in die Lage zu versetzen, Ausländer von den dort genannten Tätigkeiten im Inland fernzuhalten (EuGH, Urt. v. 21.06.1974 - 2/74, Slg. 1974, 631 Rdn. 44); ein Zwang für den nationalen Gesetzgeber ist damit nicht verbunden. Die Reichweite des durch den Ersten Abschnitt des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen eröffneten Vergaberegimes bestimmt sich mithin nach deutschem Recht. Nur wenn oder soweit das deutsche Gesetz einen bestimmten Dienstleistungsverkehr hiervon ausnähme, könnten der EG-Vertrag oder auf seiner Grundlage erlassene europäische Rechtsakte noch Bedeutung erlangen, nämlich dann, wenn das Gemeinschaftsrecht der Bundesrepublik Deutschland Derartiges untersagte (vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 18.12.2007 - C-357/06, ZfBR 2008, 400, 403). Die Vergabe von Dienstleistungen der hier interessierenden Art ist nach nationalem Recht jedoch nicht von dem GWB-Vergaberegime ausgenommen, wie die Auslegung der einschlägigen Gesetzesbestimmungen ergibt.
21
a) Ausgangspunkt für diese Auslegung ist - wie stets - der Gesetzeswortlaut. Dieser weist die beabsichtigte Vergabe von Rettungsdienstleistungen aber eindeutig dem GWB-Vergaberegime zu, weil § 99 Abs. 1 GWB allein darauf abstellt, dass die Leistung in dem bereits erörterten Sinne Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags zwischen öffentlichem Auftraggeber und Unterneh- men werden soll. Es kommt hinzu, dass das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen selbst in § 100 Abs. 2 einen allgemein als abschließend angesehenen Katalog von Verträgen benennt, für die das GWB-Vergaberegime nicht gelten soll, ohne darin Aufträge der im Januar 2008 vom Antragsgegner angekündigten Art aufgenommen zu haben.
22
b) Die Geltung des GWB-Vergaberegimes auch für die Vergabe dieser Verträge und das dabei einzuhaltende Verfahren kann auch nicht als mit dem Zweck des Gesetzes unvereinbar angesehen werden, der zur Auslegung ebenfalls herangezogen werden muss (BGHZ 162, 116, 126). Die hierzu ergangenen Vorschriften dienen dazu, unter Wahrung von Transparenz und Gleichbehandlung am Auftrag Interessierter der öffentlichen Hand zu ermöglichen und sie anzuhalten, möglichst unter Nutzung vorhandenen Wettbewerbs das wirtschaftlichste Angebot zu erhalten und wahrzunehmen. Dieser Zweck kann ohne weiteres auch für die im Streitfall interessierenden Verträge Geltung beanspruchen. Es erscheint geradezu sinnvoll, auch diese Nachfrage der öffentlichen Hand in der nach dem Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorgesehenen Weise abzuwickeln, nicht zuletzt angesichts des auch vom vorlegenden Oberlandesgericht herangezogenen Umstands, dass es bekanntermaßen althergebrachter Praxis entspricht, die fraglichen Leistungen durch außerhalb des Staates stehende Organisationen oder Unternehmen, häufig sogar auf rein privatrechtlicher Grundlage, erbringen zu lassen. Insoweit besteht ein wesentlicher Unterschied zu Verträgen, die nach der Rechtsprechung des Senats § 99 Abs. 1 GWB nicht unterfallen, obwohl auch sie in den Ausnahmekatalog des § 100 Abs. 2 GWB nicht aufgenommen sind (BGHZ 148, 155), nämlich zu Verträgen mit Unternehmen, deren alleiniger Anteilseigner der öffentliche Auftraggeber ist, über die er eine Kontrolle wie über eigene Dienststellen ausübt und die ihre Tätigkeit im Wesentlichen für diesen öffentlichen Auftraggeber verrichten. Denn dann wird der Sache nach kein anderer beauftragt; die Tätigkeit wird vielmehr von einer Stelle erbracht, die der öffentlichen Verwaltung bzw. dem Geschäftsbetrieb des öffentlichen Auftraggebers zuzurechnen ist, so dass für einen geregelten Wettbewerb schon von vornherein kein Raum ist.
23
c) Schließlich führt auch die historische Auslegungsmethode zu keinem anderen Ergebnis. Ein vom Wortlaut her gebotenes und vom Gesetzeszweck getragenes Auslegungsergebnis bedarf nicht des Nachweises entsprechenden gesetzgeberischen Willens. Es kann lediglich dann in Frage gestellt sein, wenn ein entgegenstehender gesetzgeberischer Wille feststeht. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, wobei der Senat unterstellt, dass die bereits erwähnte Bereichsausnahme europarechtlich die Vergabe von Aufträgen über Rettungsdienstleistungen nach Maßgabe des § 31 SächsBRKG erfasst.
24
Es kann nicht schon deshalb angenommen werden, das sich unter dieser Prämisse ergebende Hinausgehen über das nach dem Gemeinschaftsrecht Notwendige sei nicht vom Willen des deutschen Gesetzgebers gedeckt, weil Anlass für das am 1. Januar 1999 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung der Rechtsgrundlagen für die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergaberechtsänderungsgesetz - VgRÄG) vom 26. August 1998 (BGBl. I 2512) europarechtliche Vorgaben waren (vgl. EuGH, Urt. v. 11.08.1995 - C-433/93, Slg. 1995, 2317 Rdn. 18 f.; Urt. v. 02.05.1996 - C-253/95, Slg. 1996, 2430 Rdn. 15). Denn der vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften angemahnte Umsetzungsbedarf betraf nicht den Umfang der vom nationalen Vergaberecht erfassten Geschäfte, sondern ein Defizit an Rechtsschutz für die Bieter, weil die so genannte haushaltsrechtliche Lösung (2. Gesetz zur Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes v. 26.11.1993, BGBl. 1993 I 1928) keine individuellen einklagbaren Rechtsansprüche der am Auftrag interessierten Unternehmen begründet hatte (vgl. BT-Drucks. 12/4636, S. 12). Ebenso wenig folgt ein der vorgenommenen Auslegung entgegenstehender gesetzgeberischer Wille daraus, dass im Gesetzgebungsverfahren wiederholt der Wunsch geäußert worden ist, ausschließlich europarechtliche Vorgaben, insbesondere diejenigen der Vergaberichtlinien, umzusetzen. Denn dieser Wunsch hat tatsächlich keine vollständige Erfüllung gefunden. Das zeigt sich schon daran, dass im Falle einer echten Chance auf den Zuschlag die Richtlinie 92/13/EWG vom 25. Februar 1992 (ABl. Nr. L 76 v. 23.02.1992, S. 14; dort Art. 2 Abs. 7) nur den Nachweis eines ursächlichen Schadens im Streit um die Kosten der Vorbereitung des Angebots oder der Teilnahme an einem Vergabeverfahren erleichtert wissen wollte, und dies auch nur bei Auftragsvergaben im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor, während nach § 126 GWB die echte Chance auf den Zuschlag und deren Beeinträchtigung den Anspruch bereits auslösen, und zwar in allen Fällen, in denen ein Bieter Kostenerstattung verlangt, der sich durch eine erfolgte fehlerhafte Vergabe benachteiligt fühlt. Im Gesetzgebungsverfahren hätte demgemäß schon hervorgetreten sein müssen, dass vom GWB-Vergaberechtsregime trotz des entgegenstehenden allgemeinen Wortlauts von § 99 Abs. 1 GWB der sogenannten Bereichsausnahme unterfallende Verträge oder konkret solche der hier interessierenden Art ausgenommen sein sollen (a.A. z.B. Burgi, NVwZ 2007, 383, 385). Hieran fehlt es jedoch.
25
5. Diese Ausnahme ergibt sich schließlich auch nicht, wenn man die auch für das nationale Recht weitverbreitete Auffassung zu Grunde legt, Dienstleistungskonzessionen seien - sehe man davon ab, dass die sogenannten Grundfreiheiten des EG-Vertrags und der von dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hieraus abgeleitete Transparenzgrundsatz zu beachten seien - "vergaberechtsfrei" (so wörtlich Dreher/Stockmann, Kartellvergaberecht, § 99 GWB Rdn. 121). Denn zu Recht hat das vorlegende Oberlandesgericht festgestellt, dass im Streitfall keine Dienstleistungskonzession betroffen ist. Als ein derartiges Rechtsgeschäft werden in Übereinstimmung mit der Definition in Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18/EG vom 31. März 2004 (ABl. Nr. L 134 S. 114) Verträge angesehen, bei denen die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistung ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht. Notwendig ist danach, dass der Auftragnehmer ein Nutzungsrecht an der Dienstleistung erhält, die erbracht werden soll. Die Einräumung eines solchen Rechts ist nach dem bereits mehrfach erwähnten Vertragsentwurf im Streitfall jedoch nicht vorgesehen. Der Leistungserbringer soll nicht hierdurch in die Lage versetzt werden, von dem Benutzer oder dessen Krankenkasse eine Vergütung zu verlangen, sondern die Vergütung ausschließlich durch Geldzahlung des Aufgabenträgers erhalten. Nach § 5 des Vertragsentwurfs soll die so zu erbringende jährliche Vergütung zudem für die gesamte Laufzeit des Vertrags mit der Möglichkeit einer Anpassung im Falle wesentlicher tatsächlicher Veränderungen festgelegt sein. Demgemäß kann auch keine Rede davon sein, dass der Leistungserbringer ein Betriebs- oder Vergütungsrisiko trage. Er hat ausschließlich die öffentliche Hand als Schuldner. Wie diese ihrerseits die für die im Vorhinein vereinbarte Vergütung erforderlichen Mittel beschafft, berührt das Verhältnis zum Leistungserbringer nicht.
26
6. Nach allem darf der Antragsgegner sich nicht darauf beschränken, die mit seiner Bekanntmachung vom 17. Januar 2008 nachgefragten Dienstleistungen nach Maßgabe des in der Sächsischen Landesrettungsdienstplanverordnung näher geregelten Auswahlverfahrens zu vergeben. Angesichts der Feststellung der Vergabekammer, dass Leistungen der Kategorie 25 des Anhangs I B zur VOL/A 2006 betroffen sind und des mit der sofortigen Beschwerde nicht angegriffenen und daher hier auch nicht zur Überprüfung stehenden Ausspruchs, dass deshalb § 1a Nr. 2 Abs. 2 VOL/A 2006 eingreift, hat der Antragsgegner vielmehr - vorbehaltlich einer anderen Anschlussbeschwerdeentscheidung - jedenfalls nach Maßgabe der Basisparagraphen des Abschnitts 2 der VOL/A 2006 sowie der §§ 8a und 28a dieses Abschnitts im Rahmen des durch den Ersten Abschnitt des Vierten Teils des GWB geschaffenen Vergaberegimes zu verfahren.
27
Der Umstand, dass der Landesgesetzgeber ein besonderes Auswahlverfahren geschaffen hat, entbindet hiervon (entgegen dem vom OLG Naumburg VergabeR 2008, 821 hieraus gezogenen Schluss) nicht, weil eine Kompetenz des Freistaates Sachsen zur Einschränkung des bundeseinheitlichen Vergaberechts nicht mehr bestand, nachdem der Bund den Vierten Teil des GWB geschaffen hatte (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 11, 16, Art. 109 Abs. 3 GG).
28
D. Entgegen der Meinung der Antragstellerin hat der Senat nicht über die Anschlussbeschwerde zu entscheiden. Wenn es in § 124 Abs. 2 GWB heißt, im Falle einer Divergenz lege das Oberlandesgericht die Sache dem Bundesgerichtshof vor, so bedeutet dies nicht, dass immer und ausnahmslos der gesamte noch anhängige Nachprüfungsstreit dem Bundesgerichtshof vorzulegen ist. Die Vorlagepflicht besteht nur, soweit die Entscheidung des Bundesgerichtshofs anstelle des Oberlandesgerichts notwendig ist, um den abtrennbaren Teil des Streits zu erledigen, dessen Bescheidung nach Ansicht des vorlegenden Oberlandesgerichts von der zum Anlass der Vorlage genommenen Divergenz abhängt. Dementsprechend hat das Oberlandesgericht die Vorlage zu Recht auf die sofortige Beschwerde beschränkt. Ob der Senat, etwa aus Gründen der Prozessökonomie, befugt wäre, die Anschlussbeschwerde an sich zu ziehen, kann dahinstehen, weil der Senat im Streitfall keine Gründe für eine solche Maßnahme zu erkennen vermag.
29
E. In Anbetracht der Tatsache, dass nach allem das Oberlandesgericht über die Anschlussbeschwerde noch zu beschließen hat, bleibt die Kostenentscheidung insgesamt der Schlussentscheidung des Oberlandesgerichts überlassen.
30
F. Von einer mündlichen Verhandlung sieht der Senat ab, weil die Sache eilbedürftig und angesichts des unstreitigen Sachverhalts von einem Termin vor dem Senat eine weitere Sachaufklärung nicht zu erwarten ist. Hier kommt noch hinzu, dass der durch die Entscheidung des Senats allein beschwerte Antragsgegner vorgebracht hat, "eine mündliche Verhandlung dürfte entbehrlich sein".
Melullis Scharen Mühlens
Gröning Meier-Beck
Vorinstanz:
OLG Dresden, Entscheidung vom 04.07.2008 - WVerg 4/08 -

(1) Sektorenauftraggeber sind

1.
öffentliche Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3, die eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 ausüben,
2.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts, die eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 ausüben, wenn
a)
diese Tätigkeit auf der Grundlage von besonderen oder ausschließlichen Rechten ausgeübt wird, die von einer zuständigen Behörde gewährt wurden, oder
b)
öffentliche Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3 auf diese Personen einzeln oder gemeinsam einen beherrschenden Einfluss ausüben können.

(2) Besondere oder ausschließliche Rechte im Sinne von Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a sind Rechte, die dazu führen, dass die Ausübung dieser Tätigkeit einem oder mehreren Unternehmen vorbehalten wird und dass die Möglichkeit anderer Unternehmen, diese Tätigkeit auszuüben, erheblich beeinträchtigt wird. Keine besonderen oder ausschließlichen Rechte in diesem Sinne sind Rechte, die aufgrund eines Verfahrens nach den Vorschriften dieses Teils oder aufgrund eines sonstigen Verfahrens gewährt wurden, das angemessen bekannt gemacht wurde und auf objektiven Kriterien beruht.

(3) Die Ausübung eines beherrschenden Einflusses im Sinne von Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe b wird vermutet, wenn ein öffentlicher Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3

1.
unmittelbar oder mittelbar die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens besitzt,
2.
über die Mehrheit der mit den Anteilen am Unternehmen verbundenen Stimmrechte verfügt oder
3.
mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Unternehmens bestellen kann.

Öffentliche Auftraggeber sind

1.
Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen,
2.
andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern
a)
sie überwiegend von Stellen nach Nummer 1 oder 3 einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise finanziert werden,
b)
ihre Leitung der Aufsicht durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 unterliegt oder
c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 bestimmt worden sind;
dasselbe gilt, wenn diese juristische Person einer anderen juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts einzeln oder gemeinsam mit anderen die überwiegende Finanzierung gewährt, über deren Leitung die Aufsicht ausübt oder die Mehrheit der Mitglieder eines zur Geschäftsführung oder Aufsicht berufenen Organs bestimmt hat,
3.
Verbände, deren Mitglieder unter Nummer 1 oder 2 fallen,
4.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie nicht unter Nummer 2 fallen, in den Fällen, in denen sie für Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden oder für damit in Verbindung stehende Dienstleistungen und Wettbewerbe von Stellen, die unter die Nummern 1, 2 oder 3 fallen, Mittel erhalten, mit denen diese Vorhaben zu mehr als 50 Prozent subventioniert werden.

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

Öffentliche Auftraggeber sind

1.
Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen,
2.
andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern
a)
sie überwiegend von Stellen nach Nummer 1 oder 3 einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise finanziert werden,
b)
ihre Leitung der Aufsicht durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 unterliegt oder
c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 bestimmt worden sind;
dasselbe gilt, wenn diese juristische Person einer anderen juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts einzeln oder gemeinsam mit anderen die überwiegende Finanzierung gewährt, über deren Leitung die Aufsicht ausübt oder die Mehrheit der Mitglieder eines zur Geschäftsführung oder Aufsicht berufenen Organs bestimmt hat,
3.
Verbände, deren Mitglieder unter Nummer 1 oder 2 fallen,
4.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie nicht unter Nummer 2 fallen, in den Fällen, in denen sie für Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden oder für damit in Verbindung stehende Dienstleistungen und Wettbewerbe von Stellen, die unter die Nummern 1, 2 oder 3 fallen, Mittel erhalten, mit denen diese Vorhaben zu mehr als 50 Prozent subventioniert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 10/01
vom
12. Juni 2001
in dem Vergabenachprüfungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
Zur Wirksamkeit von Beschlüssen der Vergabekammer des Landes Thüringen
ist nicht erforderlich, daß diese auch vom ehrenamtlichen Beisitzer unterschrieben
werden, der an der Entscheidung mitgewirkt hat.
Betraut ein öffentlicher Auftraggeber eine GmbH mit Dienstleistungen, kommt
es nicht zu einem öffentlichen Auftrag i.S. von § 99 Abs. 1 GWB, wenn der
öffentliche Auftraggeber alleiniger Anteilseigner des Beauftragten ist, er über
diesen eine Kontrolle wie über eigene Dienststellen ausübt und der Beauftragte
seine Tätigkeit im wesentlichen für diesen öffentlichen Auftraggeber verrichtet.
BGH, Beschl. v. 12. Juni 2001 - X ZB 10/01 - OLG Jena
Thüringer Landesverwaltungsamt,
Vergabekammer
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 12. Juni 2001 durch
den Vorsitzenden Richter Rogge, die Richter Dr. Melullis, Scharen, die Richterin
Mühlens und den Richter Dr. Meier-Beck

beschlossen:
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß der Vergabekammer des Landes Thüringen vom 10. Oktober 2000 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert wird auf 75.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:


I. Zusammen mit der Gesellschaft für A. des Freistaats Thüringen mbH (nachfolgend: GFAW), deren Geschäftsanteile zu 100 % vom Antragsgegner gehalten werden, ist die Antragstellerin u.a. bei der Programm- und Projektentwicklung , der Antragsberatung und -bearbeitung sowie der EU-Begleitung (nachfolgend: Technische Hilfe) von aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds geförderten Maßnahmen der Berufsvorbereitung und Fortbildung für den Antragsgegner , den Freistaat Thüringen, tätig. Dieser Auftrag läuft im August 2001 aus.

Der Antragsgegner will die Durchführung der Technischen Hilfe künftig nicht mehr an außenstehende Unternehmen vergeben. Mit Bescheid vom 14. Dezember 2000 belieh er die GFAW mit hoheitlichen Befugnissen zur Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben im eigenen Namen in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts auf dem Gebiet der Zuwendungsverfahren , die in einer Anlage im einzelnen aufgeführte arbeitsmarkt- und berufsbildungspolitische Förderungsrichtlinien und Programme/Projekte des Antragsgegners und der Europäischen Union betreffen. In dieser Anlage ist auch die "Richtlinie für die Gewährung von Zuschüssen des Freistaats Thüringen und der Europäischen Union zur Förderung der Berufsvorbereitung und Fortbildung" im Rahmen des operationellen Programms des Freistaats Thüringen für den Europäischen Sozialfonds (Förderjahre 2001 bis 2006) aufgeführt. Nach Ziffer 5 des Bescheids vom 14. Dezember 2000 obliegt der GFAW im Rahmen der Richtlinien-/Programmumsetzung die Durchführung des gesamten Zuwendungsverfahrens. Am 22. Dezember 2000 schlossen der Antragsgegner und die GFAW sodann eine als öffentlich-rechtlicher Vertrag bezeichnete Vereinbarung , mit der die im Rahmen der Beleihung zu erfüllenden Aufgaben konkretisiert und die damit zusammenhängenden Rechte und Pflichten des Antragsgegners und der GFAW geregelt wurden.
Die Antragstellerin hat sich an die Vergabekammer des Landes Thüringen gewandt und beantragt, dem Antragsgegner zu verbieten, die beratungsund verwaltungsnahen Dienstleistungen im Rahmen der Technischen Hilfe zur Umsetzung der Richtlinie für die Gewährung von Zuschüssen des Freistaats Thüringen und der Europäischen Union zur Förderung der Berufsvorbereitung und Fortbildung im Rahmen des operationellen Programms des Freistaats Thü-
ringen für den Europäischen Sozialfonds (Förderjahre 2001 bis 2006) im Verhandlungsverfahren oder außerhalb eines förmlichen Vergabeverfahrens zu vergeben.
Mit der Antragstellerin am 12. Oktober 2000 zugestelltem Beschluß vom 10. Oktober 2000 hat die Vergabekammer des Landes Thüringen den Antrag als unzulässig verworfen. Dieser Beschluß ist vom Vorsitzenden der Vergabekammer und vom hauptamtlichen Beisitzer, dagegen nicht vom ehrenamtlichen Beisitzer unterschrieben.
Gegen diesen Beschluß hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt, die am 26. Oktober 2000 beim Oberlandesgericht eingegangen ist.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Auffassung der Vergabekammer , daß sie ihrer Rügepflicht nach § 107 Abs. 3 GWB nicht nachgekommen sei. Sie führt darüber hinaus im wesentlichen folgendes aus: Die Beleihung habe lediglich die Kompetenz der GFAW begründet, einzelne Verwaltungsmaßnahmen im Rahmen der Umsetzung der verfahrensgegenständlichen Richtlinie vorzunehmen und sich hierbei der hoheitlichen Handlungsformen des öffentlichen Rechts bedienen zu können. Die Beleihung habe nicht dazu geführt , daß die Umsetzung der Richtlinie eine Maßnahme der GFAW sei und diese somit keine Aufgaben der Technischen Hilfe mehr wahrnehme. Eine Beschränkung der Anwendbarkeit des bundesdeutschen Vergaberechts auf zivilrechtliche Verträge stünde im Widerspruch zum Regelungszweck der Koordinierungsrichtlinien. Der Anwendungsbereich des bundesdeutschen Vergaberechts sei auch auf Aufträge auszudehnen, die nicht zivilrechtlich, sondern öffentlich -rechtlich begründet seien. Auch die Voraussetzungen für ein "in-
house"-Geschäft lägen nicht vor. Die in § 100 Abs. 2 GWB aufgelisteten Tatbestände regelten abschließend, für welche Aufträge der Vierte Teil des GWB keine Anwendung finde. Die Ausnahmevorschrift des § 100 Abs. 2 lit. g GWB sei vorliegend nicht erfüllt.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluß des Thüringer Landesverwaltungsamtes, Vergabekammer , aufzuheben,
dem Antragsgegner zu verbieten, die beratungs- und verwaltungsnahen Dienstleistungen im Rahmen der Technischen Hilfe zur Umsetzung der "Richtlinie für die Gewährung von Zuschüssen des Freistaats Thüringen und der Europäischen Union zur Förderung der Berufsvorbereitung und Fortbildung" im Rahmen des operationellen Programms des Freistaats Thüringen für den Europäischen Sozialfonds (Förderjahre 2001 bis 2006) im Verhandlungsverfahren oder außerhalb eines förmlichen Vergabeverfahrens zu vergeben,
hilfsweise,
das Thüringer Landesverwaltungsamt, Vergabekammer, zu verpflichten , unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts eine die Rechte der Antragstellerin wahrende Entscheidung zu treffen,
hilfsweise,

festzustellen, daß die Vergabestelle durch die Beauftragung der Gesellschaft für A. des Freistaats Thüringen mbH (GFAW) mit der Durchführung der Technischen Hilfe zur Umsetzung der "Richtlinie für die Gewährung von Zuschüssen des Freistaates Thüringen und der Europäischen Union zur Förderung der Berufsvorbereitung und Fortbildung" gegen die Vorschriften des Vergaberechts verstoßen habe und die Antragstellerin dadurch in ihren Rechten verletzt worden sei.
Der Antragsgegner tritt der sofortigen Beschwerde entgegen.
Das Oberlandesgericht möchte die sofortige Beschwerde zurückweisen. Es ist der Meinung, die Unterschrift des ehrenamtlichen Beisitzers der Vergabekammer sei keine Voraussetzung für die Wirksamkeit des angefochtenen Beschlusses. Der sei auch in der Sache richtig, weil es an einem Sachverhalt fehle, der auf vergaberechtliche Verstöße hin überprüft werden könne. Der Antragsgegner habe mit der Beleihung vom 14. Dezember 2000 nach § 44 Abs. 3 ThürLHO die Umsetzung der streitgegenständlichen Richtlinie durch Verwaltungsakt in vollem Umfang der GFAW übertragen. Derartige Verwaltungsakte unterlägen nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 99 Abs. 1 GWB) und der maßgeblichen Richtlinie der EU (Art. 1 a Dienstleistungsrichtlinie der EG 92/50) sowie nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur nicht der vergaberechtlichen Überprüfung, weil es an einem entgeltlichen Vertrag fehle. Im übrigen stelle die jedenfalls spätestens mit dem öffentlich-rechtlichen Vertrag vom 22. Dezember 2000 erfolgte Beauftragung der GFAW für den Fall,
daß öffentlich-rechtliche Verträge dem Vergaberecht überhaupt unterfielen, nach Auffassung des Senats ein sogenanntes "in-house"-Geschäft dar.
Das Oberlandesgericht sieht sich an der von ihm beabsichtigten Entscheidung durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22. Januar 2001 (Az.: Verg 24/00) gehindert, weil das Oberlandesgericht Düsseldorf bei dieser Entscheidung davon ausgegangen ist, ein Beschluß der Vergabekammer müsse von allen Mitgliedern, die an der mündlichen Verhandlung und an der Entscheidungsfindung mitgewirkt haben, eigenhändig unterschrieben werden; das ergebe sich unmittelbar aus dem Gesetz, nämlich aus § 113 Abs. 1 Satz 1 GWB.
Das Oberlandesgericht hat deshalb die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die Vorlage ist zulässig.
Nach § 124 Abs. 2 Satz 1 GWB legt ein Oberlandesgericht, das über eine sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung einer Vergabekammer zu befinden hat, die Sache dem Bundesgerichtshof vor, wenn es von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofes abweichen will. Das ist hier gegeben.
III. Die in zulässiger Weise erhobene sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß der Vergabekammer des Landes Thüringen vom 10. Oktober 2000 bleibt ohne Erfolg.
1. Der angefochtene Beschluß ist wirksam, obwohl er von dem ehrenamtlichen Beisitzer der Vergabekammer, der bei der Beschlußfassung mitgewirkt hat, nicht unterschrieben ist.

a) Wie der Senat in anderem Zusammenhang bereits ausgeführt hat (Beschl. v. 10.05.1994 – X ZB 7/93, NJW-RR 1994, 1406 – Spinnmaschine), folgt aus dem gesetzlichen Erfordernis, eine staatliche Entscheidung in bestimmter Besetzung zu fällen, nicht ohne weiteres, daß alle Personen, welche die Entscheidung getroffen haben, die vollständige, mit Gründen versehene Fassung eigenhändig zu unterzeichnen haben. Es sind keine Gründe erkennbar , warum dies anders sein sollte, wenn es um die Unterschrift des ehrenamtlichen Beisitzers geht, der gemäß § 105 Abs. 2 Satz 1 GWB als Mitglied der Vergabekammer bei deren Entscheidung mitgewirkt hat.

b) Es fehlt eine bundesgesetzliche Regelung, wonach der ehrenamtliche Beisitzer Beschlüsse der Vergabekammer, die unter seiner Mitwirkung gefaßt wurden, zu unterzeichnen hat. Aus § 113 Abs. 1 Satz 1 GWB folgt nur, daß die Entscheidungen der Vergabekammer in schriftlicher Form ergehen. Aus der Vorschrift läßt sich aber nicht herleiten, daß unter Einschluß des ehrenamtlichen Beisitzers alle drei Mitglieder der Vergabekammer (§ 105 Abs. 2 Satz 1 GWB) den von ihr gefaßten Beschluß unterschreiben müssen. Auch aus § 61 GWB, der gemäß § 114 Abs. 3 Satz 3 GWB im Vergabenachprüfungsverfahren entsprechend anzuwenden ist, läßt sich nichts für die Frage des Unterschriftserfordernisses entnehmen.

c) Die Unterschrift des ehrenamtlichen Beisitzers der Vergabekammer ist nicht so bedeutsam, daß sie auch ohne eine dies anordnende Regelung, also
gleichsam von der Sache her vorgegeben neben den Unterschriften der hauptamtlichen Mitglieder notwendig erscheinen könnte.
Um die Herkunft des Beschlusses zu verbürgen und sicherzustellen, daß es sich hierbei nicht um einen bloßen Entwurf einer Entscheidung der Vergabekammer handelt, wie dies für die Sicherheit und Klarheit im Rechtsverkehr erforderlich ist, würde es schon ausreichen, wenn die eigenhändige Unterschrift eines hauptamtlichen Mitgliedes unter dem Text des Beschlusses vorhanden ist. Dies steht im Einklang mit gesetzlichen Regelungen, welche den Erlaß eines Verwaltungsaktes betreffen, in dessen Form die Entscheidung der Vergabekammer ergeht (§ 114 Abs. 3 S. 1 GWB). So muß sowohl nach § 37 Abs. 3 VwVfG als auch nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Freistaats Thüringen (§ 37 Abs. 3 ThürVwVfG) ein schriftlicher Verwaltungsakt die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Nach § 8 Abs. 3 Kriegsdienstverweigerungsverordnung muß der Bescheid, der – wie der Beschluß der Vergabekammer – durch ein mehrköpfiges Gremium zu treffen ist, vom Vorsitzenden unterzeichnet werden.
Auch im Hinblick auf die Tragweite, die einem Beschluß einer Vergabekammer nach Inhalt und Begründung zukommt, kann es nicht als unverzichtbar angesehen werden, daß neben den anderen Mitgliedern der Vergabekammer auch der ehrenamtliche Beisitzer den Beschluß unterzeichnet. Die Bedeutung eines Beschlusses der Vergabekammer übersteigt nicht diejenige, die ein zu den Akten gelangtes Strafurteil für die Gesellschaft und die von ihm Betroffenen haben kann. Bei einer solchen Entscheidung bedarf es der Unterschrift der ehrenamtlichen Mitglieder des Spruchkörpers nicht (§ 275 Abs. 2 S. 3 StPO).


d) Ob der schriftliche Beschluß der Vergabekammer auch von dem ehrenamtlichen Beisitzer unterschrieben werden muß, ist danach eine Frage, die dem Bereich der Organisation der Vergabekammer zugeordnet werden kann. Wenn es – wie hier – um Nachprüfungsbehörden der Länder geht, wird diese nach § 106 Abs. 2 S. 1 GWB von den nach Landesrecht zuständigen Stellen bestimmt. Für den Bereich des Landes Thüringen ist auf der Grundlage des § 106 Abs. 2 S. 1 GWB die Thüringer Verordnung zur Regelung der Einrichtung , Organisation und Besetzung der Vergabekammern vom 10. Juni 1999 (GVBl. S. 417) ergangen. Nach deren § 2 Abs. 3 erläßt das Landesverwaltungsamt die Geschäftsordnung der Vergabekammer und veröffentlicht diese im Thüringer Staatsanzeiger. Beruhend auf dieser Ermächtigung hat das Landesverwaltungsamt am 8. Oktober 1999 die Geschäftsordnung der Vergabekammer des Freistaates Thüringen (Thüringer Staatsanzeiger 1999, S. 2347, 2348) erlassen. In § 4 Abs. 1 Spiegelstrich 9 dieser Geschäftsordnung ist geregelt , daß der Beschluß der Vergabekammer die Unterschriften des Vorsitzenden und des hauptamtlichen Beisitzers enthält. Für das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer des Landes Thüringen besteht damit eine organisationsrechtliche Regelung des Unterschriftserfordernisses für die von der Vergabekammer zu erlassenden Entscheidungen. Danach ist es zur Wirksamkeit der Beschlüsse der Vergabekammer des Landes Thüringen nicht erforderlich, daß diese auch vom ehrenamtlichen Beisitzer unterschrieben werden.
2. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin unterliegt die rechtsgeschäftliche Betrauung der GFAW, die streitgegenständliche Richtlinie umzusetzen , nicht dem Vergaberecht; trotz der Personenverschiedenheit von An-
tragsgegnerin und GFAW ist ein öffentlicher Auftrag nicht gegeben, der nach § 99 Abs. 1 GWB notwendig ist, damit die Regeln des Vierten Teiles des GWB eingreifen.

a) Der Anwendungsbereich des in den §§ 97 ff. GWB geregelten Vergaberechts ist nicht durch das Geschehen vom 14. Dezember 2000 eröffnet. Nach § 99 Abs. 1 GWB sind öffentliche Aufträge entgeltliche Verträge. Ein entgeltlicher Vertrag wurde damals nicht geschlossen; es ist vielmehr ein Beleihungsakt zustandegekommen, der auf § 44 Abs. 3 ThürLHO beruht und materiell die Übertragung eines Teils der Staatsfunktion an ein Subjekt des Privatrechts darstellt mit der Befugnis, selbständig und im eigenen Namen öffentlichrechtliche Verwaltungstätigkeit auszuüben (vgl. nur Knack/Meyer, VwVfG, 7. Aufl., § 1 Rdn. 17 m.w.N.). Ein solcher Beleihungsvorgang allein kann einer den Anwendungsbereich des Vergaberechts eröffnenden vertraglichen Grundlage im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB auch nicht gleichgestellt werden.

b) Auch der zwischen dem Antragsgegner und der GFAW geschlossenen Vertrag vom 22. Dezember 2000 führt nicht zur Anwendbarkeit der §§ 97 ff. GWB.
aa) Betraut ein öffentlicher Auftraggeber eine GmbH mit Dienstleistungen , kommt es nicht zu einem öffentlichen Auftrag i.S. von § 99 Abs. 1 GWB, wenn der öffentliche Auftraggeber alleiniger Anteilseigner des Beauftragten ist, er über diesen eine Kontrolle wie über eigene Dienststellen ausübt und der Beauftragte seine Tätigkeit im wesentlichen für diesen öffentlichen Auftraggeber verrichtet. Denn dann wird der Sache nach kein anderer mit der Erbringung der Dienstleistung beauftragt; es kommt vielmehr zu einem sog "in-house"-
Geschäft, bei dem die Dienstleistung von einer Stelle erbracht wird, die der öffentlichen Verwaltung bzw. dem Geschäftsbetrieb des öffentlichen Auftraggebers zuzurechnen ist.
Diese Bewertung berücksichtigt die EG-Richtlinien im Bereich des öffentlichen Auftragswesens. Diese Berücksichtigung ist geboten, weil der Vierte Teil des GWB der vollständigen Umsetzung dieser Richtlinien dient und die §§ 97 ff. GWB im Einklang mit dem europäischen Recht die Rechte der Beteiligten festlegen sollen (vgl. BT-Drucks. 13/9340, S. 12). Dies führt zur Anwendung der Grundsätze, die der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem Urteil vom 18. November 1999 in der Rechtssache "Teckal" (Rs. C-107/98, Slg. 1999, I-8121 ff. = NZBau 2000, 90, 91) aufgestellt hat. In dieser Entscheidung hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge - ABl. EG Nr. L 199, S. 1-53 - (im folgenden: Richtlinie 93/36/EWG) für anwendbar gehalten, wenn ein öffentlicher Auftraggeber wie etwa eine Gebietskörperschaft beabsichtige, mit einer Einrichtung, die sich formal von ihm unterscheide und die ihm gegenüber eigene Entscheidungsgewalt besitze, einen schriftlichen entgeltlichen Vertrag über die Lieferung von Waren zu schließen. Etwas anderes könne nur gelten, wenn die Gebietskörperschaft über die fragliche Person eine Kontrolle ausübe wie über ihre eigenen Dienststellen und wenn diese Person zugleich ihre Tätigkeit im wesentlichen für die Gebietskörperschaft oder die Körperschaften verrichte, die ihre Anteile innehaben. Der Senat hat keine Bedenken, diese Grundsätze auch im Hinblick auf die vorliegend einschlägige Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge - ABl. EG Nr. L 209, S. 1-24 - (im folgen-
den: Richtlinie 92/50/EWG) anzuwenden. Die Gleichbehandlung ist sachgerecht , weil beide Richtlinien einen Vertrag zwischen öffentlichem Auftraggeber und Auftragnehmer voraussetzen (Gnittke/Siederer, ZVgR 2000, 236 f.). Sie verbietet sich auch nicht etwa deshalb, weil die Richtlinie 92/50/EWG für die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen in Art. 6 – anders als die Richtlinie 93/36/EWG für die ihr unterfallenden Verträge – eine die Anwendung ausschließende Ausnahme für den Fall enthält, daß eine Dienstleistung an einen Auftragnehmer vergeben wird, der seinerseits zum Lager der öffentlichen Auftraggeber gehört, und diese Ausnahme unter anderen als den vorstehend genannten Voraussetzungen eingreift. Denn es ist nichts dafür erkennbar, daß durch diese Regelung die Frage berührt wäre, welche Rechtsgeschäfte einen Vertrag i. S. von Art. 1 lit. a der Richtlinie darstellen. Bei ihrer Beantwortung ist eine funktionelle Betrachtungsweise nötig (vgl. dazu die Schlußanträge des Generalanwalts in der Rechtssache C-108/98 - RI.SAN., Slg. 1999, I-5219, 5234 Rdn. 52). Daß sie auch in dem Bereich, der bei Vorliegen eines entgeltlichen Vertrages der Richtlinie 92/50/EWG unterfallen würde, dazu führen kann, daß unter den oben genannten Voraussetzungen eine Auftragsvergabe i. S. von § 99 Abs. 1 GWB zu verneinen ist, wird bestätigt durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 7. Dezember 2000 (Rs. C-94/99 - ARGE Gewässerschutz, NZBau 2001, 99, 101), weil der Gerichtshof im Erwägungsgrund Nr. 40 seiner die Richtlinie 92/50/EWG betreffenden Ausführungen einen Hinweis darauf für notwendig gehalten hat, wie er die Vorlagefrage in der Rechtssache "Teckal" beantwortet hat. Bei richtlinienkonformer Anwendung des § 100 Abs. 2 GWB kann deshalb auch aus dieser Vorschrift nichts dagegen hergeleitet werden, daß unter den genannten Voraussetzungen sog. "in-house"-Geschäfte nicht dem Vierten Teil des GWB unterfallen. § 102 Abs. 2 GWB setzt einen öffentlichen Auftrag i. S. von § 99 Abs.
1 GWB voraus und schließt nur für derartige Aufträge die Anwendung der § 97 ff. GWB aus, wenn einer der in § 102 Abs. 2 GWB geregelten Fälle gegeben ist.
bb) Die eingangs aa) genannte Fallgestaltung liegt hier vor.
Der Antragsgegner übt über die GFAW eine vergleichbare Kontrolle aus wie über seine eigenen Dienststellen. Er hält alle Geschäftsanteile der GFAW. Die Auswahl der Rechtsform der GmbH für die als Eigengesellschaft anzusehende GFAW bietet dem Antragsgegner aufgrund der ihr eigenen Organisationsstruktur umfassende Einfluß- und Steuerungsmöglichkeiten (vgl. Faber, DVBl. 2001, 248, 254, unter Hinweis auf § 46 Nr. 5 und 6 GmbHG). Hinzu kommt, daß nach dem vorgelegten Gesellschaftsvertrag (§ 12) ein Aufsichtsrat gebildet wurde, dessen Mitglieder mehrheitlich aus Vertretern des Antragsgegners bestehen, dem die Geschäftsführer der GFAW regelmäßig über den Gang der Geschäfte zu berichten haben. Weiterhin ist in § 11 des Gesellschaftsvertrages ein Katalog von Geschäften aufgeführt, welche die Geschäftsführer nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vornehmen dürfen. Durch diese auf Gesetz und Gesellschaftsvertrag beruhenden Steuerungsmöglichkeiten wird gewährleistet , daß der Antragsgegner die GFAW vergleichbar einer eigenen Dienststelle kontrollieren kann. Die GFAW besitzt damit gegenüber dem Antragsgegner keine eigene Entscheidungsgewalt. Anhaltspunkte, die insoweit Anlaß zu Zweifeln böten und zu der von der Antragstellerin vorgetragenen Annahme berechtigten , der Antragsgegner verhalte sich rechtsmißbräuchlich, wenn er sich auf die Tatsache beruft, daß er alle Anteile der GFAW halte, bestehen nicht.
Schließlich ist auch festzustellen, daß die GFAW ihre Tätigkeit im wesentlichen für den Antragsgegner verrichtet, der alle ihre Geschäftsanteile innehat. Der Antragsgegner hat im Beschwerdeverfahren vorgetragen, daß die GFAW von ihm ausschließlich zum Zwecke einer effektiven Umsetzung arbeitsmarktpolitischer und berufsbildungspolitischer Richtlinien und Programme unterhalten werde und ausschließlich im Auftrag der Landesregierung und nicht für Dritte tätig sei bzw. am Markt auftrete. Diesem Vorbringen entspricht es, daß in § 2 des Gesellschaftsvertrages der GFAW als Gegenstand des Unternehmens die Unterstützung des Antragsgegners bei der Verwirklichung seiner arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitischen Ziele, insbesondere die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben bei der Vergabe von Zuwendungen, genannt ist. Die Antragstellerin ist diesem Vorbringen des Antragsgegners nicht entgegengetreten. Nach § 120 Abs. 2 i. V. mit § 70 Abs. 1 GWB ist im Beschwerdeverfahren der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt zwar von Amts wegen zu erforschen. Andere als die vorgetragenen Tatsachen und Beweismittel muß das Gericht aber nur berücksichtigen, wenn der Sachverhalt hierzu begründeten Anlaß bietet (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 117 Rdn. 40), woran es hier fehlt. Da die GFAW ausschließlich für den Antragsgegner tätig ist, bedarf es vorliegend keiner Stellungnahme dazu, ab welchem Umfang einer Tätigkeit am Markt nicht mehr davon ausgegangen werden kann, daß der Auftragnehmer seine Tätigkeit im wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber ausübt.

d) Der Fall gibt keine Veranlassung zu einer abschließenden Abgrenzung derjenigen Geschäfte, die als sog. "in-house"-Geschäfte nicht zur Beachtung der §§ 97 ff. GWB zwingen. Jedenfalls bei der vorliegenden engen Beziehung zwischen öffentlichem Auftraggeber und betrauter Stelle findet das
in den §§ 97 ff. GWB geregelte Vergaberecht keine Anwendung. Es kann deshalb auch dahinstehen, ob ein öffentlich-rechtlicher Vertrag wie der vom 22. Dezember 2000 überhaupt den Begriff des entgeltlichen Vertrages i. S. von § 99 Abs. 1 auszufüllen vermag (vgl. zum Streitstand einerseits - dafür - Schulte, NZBau 2000, 272, 275; Althaus, NZBau 2000, 277, 279; Eschenbruch in Niebuhr u.a., Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rdn. 22; vgl. auch Boesen, aaO, § 99 Rdn. 23-31; andererseits - dagegen - OLG Celle NZBau 2000, 299, 300; Bechtold, GWB, 2. Aufl., § 99 Rdn. 1; Dreher, DB 1998, 2579, 2587; vgl. im übrigen auch Begründung des Regierungsentwurfs zu § 99 GWB - BT-Drucks. 13/9340, S. 15). Unentschieden kann außerdem bleiben, ob die Antragstellerin ihrer Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 GWB nachgekommen ist.
IV. Die Voraussetzungen einer Vorlage der Sache an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Abs. 3 EG zur Beantwortung etwa der von der Antragstellerin angeregten Frage, ob die Verneinung der Ausschreibungspflichtigkeit eines Auftrags an eine juristische Person , an der die Vergabestelle zu 100 % beteiligt ist, mit der Dienstleistungsrichtlinie 92/50/EWG in Einklang stehe, sind nicht gegeben.
Erlangt die Frage der Auslegung von Gemeinschaftsrecht bzw. von Handlungen der Organe der Gemeinschaft in einem vor einem innerstaatlichen Gericht rechtshängigen Verfahren Bedeutung und können dessen Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln angefochten werden, ist dieses Gericht grundsätzlich verpflichtet, den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu ersuchen, die Auslegung im Wege einer Vorabentscheidung vorzunehmen
(Art. 234 Abs. 3 EG). Eine Vorlagepflicht besteht jedoch dann nicht, wenn die gestellte Frage bereits in einem gleichgelagerten Fall Gegenstand einer Vorabentscheidung gewesen ist (EuGH, Urt. v. 06.10.1982, Rs. C-283/81 - C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415, 3429 Rdn. 13; Urt. v. 04.11.1997, Rs. C-337/95 - Parfums Christian Dior, Slg. 1997, I-6013, 6045, Rdn. 29) oder wenn bereits eine gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vorliegt, durch welche die betreffende Rechtsfrage gelöst ist, gleich in welcher Art von Verfahren sich diese Rechtsprechung gebildet hat, und selbst dann, wenn die strittigen Fragen nicht vollkommen identisch sind (EuGH, Urt. v. 06.10.1982, aaO, 3429 Rdn. 14). Das ist hier der Fall.
Wie bereits ausgeführt, hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem Urteil vom 18. November 1999 in der Rechtssache "Teckal" (s. oben III 2 b aa)) für einen Sachverhalt, der dem Anwendungsbereich der Richtlinie 93/36/EWG unterfiel, die maßgeblichen Kriterien dafür entwickelt, nach denen zu beurteilen ist, ob eine Auftragsvergabe eines öffentlichen Auftraggebers an eine Eigengesellschaft, deren Anteile zu 100 % von dem Auftraggeber gehalten werden, dem Vergaberecht unterliegt. In dem zur Richtlinie 92/50/EWG ergangenen Urteil vom 7. Dezember 2000 in der Rechtssache "ARGE Gewässerschutz" (s. oben III 2 b) aa)) hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Erwägungsgrund Nr. 40 zu erkennen gegeben, daß die in der Rechtssache "Teckal" entwickelten Grundsätze auch im Bereich der Richtlinie 92/50/EWG anzuwenden sind.
V. 1. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Die Festsetzung des Beschwerdewerts hat ihre Rechtsgrundlage in § 12 a Abs. 2 GKG.
Rogge Melullis Scharen
Mühlens Meier-Beck

(1) Öffentliche Auftraggeber können unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn

1.
das Unternehmen bei der Ausführung öffentlicher Aufträge nachweislich gegen geltende umwelt-, sozial- oder arbeitsrechtliche Verpflichtungen verstoßen hat,
2.
das Unternehmen zahlungsunfähig ist, über das Vermögen des Unternehmens ein Insolvenzverfahren oder ein vergleichbares Verfahren beantragt oder eröffnet worden ist, die Eröffnung eines solchen Verfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist, sich das Unternehmen im Verfahren der Liquidation befindet oder seine Tätigkeit eingestellt hat,
3.
das Unternehmen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit nachweislich eine schwere Verfehlung begangen hat, durch die die Integrität des Unternehmens infrage gestellt wird; § 123 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden,
4.
der öffentliche Auftraggeber über hinreichende Anhaltspunkte dafür verfügt, dass das Unternehmen mit anderen Unternehmen Vereinbarungen getroffen oder Verhaltensweisen aufeinander abgestimmt hat, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken,
5.
ein Interessenkonflikt bei der Durchführung des Vergabeverfahrens besteht, der die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit einer für den öffentlichen Auftraggeber tätigen Person bei der Durchführung des Vergabeverfahrens beeinträchtigen könnte und der durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam beseitigt werden kann,
6.
eine Wettbewerbsverzerrung daraus resultiert, dass das Unternehmen bereits in die Vorbereitung des Vergabeverfahrens einbezogen war, und diese Wettbewerbsverzerrung nicht durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen beseitigt werden kann,
7.
das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags oder Konzessionsvertrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat,
8.
das Unternehmen in Bezug auf Ausschlussgründe oder Eignungskriterien eine schwerwiegende Täuschung begangen oder Auskünfte zurückgehalten hat oder nicht in der Lage ist, die erforderlichen Nachweise zu übermitteln, oder
9.
das Unternehmen
a)
versucht hat, die Entscheidungsfindung des öffentlichen Auftraggebers in unzulässiger Weise zu beeinflussen,
b)
versucht hat, vertrauliche Informationen zu erhalten, durch die es unzulässige Vorteile beim Vergabeverfahren erlangen könnte, oder
c)
fahrlässig oder vorsätzlich irreführende Informationen übermittelt hat, die die Vergabeentscheidung des öffentlichen Auftraggebers erheblich beeinflussen könnten, oder versucht hat, solche Informationen zu übermitteln.

(2) § 21 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, § 98c des Aufenthaltsgesetzes, § 19 des Mindestlohngesetzes, § 21 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes und § 22 des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes vom 16. Juli 2021 (BGBl. I S. 2959) bleiben unberührt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 27/04
vom
1. Februar 2005
in dem Nachprüfungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
§ 97 Abs. 7 GWB begründet ein subjektives Recht auf Einleitung und Durchführung
eines nach Maßgabe des § 97 Abs. 1 GWB geregelten Vergabeverfahrens.
Die Verletzung dieses subjektiven Rechts unterliegt der durch § 102 GWB eröffneten
Nachprüfung.
Ein Vertrag zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem Unternehmen
hat Dienstleistungen zum Gegenstand, wenn der öffentliche Auftraggeber hiermit
eine Leistung beschaffen will, die nicht unter § 99 Abs. 2 oder 3 GWB fällt,
und das Unternehmen jedenfalls unter anderem diese Leistung zu erbringen
hat.
Verpflichtet sich der öffentliche Auftraggeber seinerseits zu einer geldwerten
Gegenleistung, handelt es sich um einen entgeltlichen Vertrag, wenn Leistung
und Gegenleistung voneinander nicht trennbare Teile eines einheitlichen Leistungsaustauschgeschäfts
sind.
§ 13 VgV ist entsprechend anzuwenden, wenn es im Anwendungsbereich der
§§ 97 bis 99, 100 Abs. 1 GWB bei der Beschaffung von Dienstleistungen zur
Beteiligung mehrerer Unternehmen gekommen ist, die Angebote abgegeben
haben, und der öffentliche Auftraggeber eine Auswahl unter diesen Unternehmen
trifft.
BGH, Beschl. v. 1. Februar 2005 - X ZB 27/04 - OLG Düsseldorf
Vergabekammer bei der Bezirksregierung
Arnsberg
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Februar 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Scharen, die Richterinnen
Ambrosius und Mühlens sowie den Richter Dr. Meier-Beck

beschlossen:
Die sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen den Beschluß der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Arnsberg vom 17. Juni 2004 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragsgegnerin und die Beigeladene zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf 125.000,-- € festgesetzt.

Gründe:


A. Die Antragstellerin und die Beigeladene sind Entsorgungsunternehmen. Die Antragstellerin war von der Antragsgegnerin, einer kreisfreien Stadt, beauftragt, bis zum Ablauf des Jahres 2004 Container für Altpapier an bestimmten Stellen im Stadtgebiet aufzustellen, diese zu leeren und das Altpapier zu verwerten. Die Antragsgegnerin wollte/will diese sich aus Sicht der Bürger
als Bringsystem darstellende Vorgehensweise beginnend ab Januar 2005 auf ein haushaltsnahes Holsystem umstellen. Sie will den Bürgern Abfallbehälter für das Altpapier zur Verfügung stellen sowie das darin abgelegte Altpapier durch einen Eigenbetrieb einsammeln und zu einer Umschlagsanlage bringen. Wegen der weiteren Behandlung des Altpapiers an bzw. ab der Umschlagsanlage nahm sie mit der Antragstellerin und der Beigeladenen sowie mit mindestens zwei weiteren Entsorgungsunternehmen Kontakt auf. Diese Kontaktaufnahme führte zu Angeboten über die "Papiervermarktung" bzw. "Altpapierentsorgung" einer H. GmbH, eines Unternehmens R. K. S. und der Antragstellerin sowie zu Verhandlungen mit der Beigeladenen.
Am 27./28. April 2004 unterzeichneten die Antragsgegnerin und die Beigeladene einen Kaufvertrag mit einer am 1. Januar 2005 beginnenden Laufzeit von fünf Jahren. Danach verkauft die Antragsgegnerin für 50 € pro Tonne das gesamte von ihr oder Unterauftragnehmern im Stadtgebiet erfaßte Altpapier. Die Durchführung des Vertrags soll wie folgt geschehen: Die Antragsgegnerin soll bis auf Widerruf durch die Beigeladene sämtliche gesammelten Altpapiermengen bei einer bestimmten von der Beigeladenen mit der Annahme beauftragten Betriebsstätte anliefern. Das dortige Personal soll den angelieferten Altpapiermengen grobe Störstoffe entnehmen und der Antragsgegnerin zur (Wieder-)Abholung bereitstellen. Die Beigeladene soll monatlich angeben, welche Mengen getrennt nach Papier und Störstoffen die Betriebsstätte im Vormonat verlassen haben und, falls eine Umladung dort nicht mehr stattfindet, welche Altpapiermengen direkt der Verwertung zugeführt worden sind. Außerdem soll die Beigeladene die verkehrsüblichen Nachweise und Belege über die Verwertung der gesammelten und angelieferten Verkaufspackungen aus "PPK"
vorlegen, damit die Antragsgegnerin ihren vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Betreibern des sogenannten Dualen Systems nachkommen kann.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 30. April 2004 rügte die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin, daß ein Vertrag über die Altpapierverwertung nicht ohne vorheriges Ausschreibungsverfahren abgeschlossen werden dürfe. Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin daraufhin mit Schreiben vom 6. Mai 2004 mit, "daß ein Kaufvertrag über das im Stadtgebiet durch den Abfallwirtschafts - und Stadtreinigungsbetrieb erfaßte Altpapier unterschrieben worden" sei.
Hierauf hat die Antragstellerin am 10. Mai 2004 die Vergabekammer angerufen und beantragt, der Antragsgegnerin zu untersagen, einen Auftrag zur Verwertung des im Gebiet der Antragsgegnerin anfallenden, der öffentlichen Entsorgungsverantwortlichkeit unterliegenden Altpapiers an ein Unternehmen der privaten Entsorgungswirtschaft ohne vorangegangene öffentliche Ausschreibung zu vergeben. Diesen Nachprüfungsantrag hat die Vergabekammer für zulässig und begründet erachtet. Mit Beschluß vom 17. Juni 2004 hat sie die Antragsgegnerin verpflichtet, den in Frage stehenden Auftrag zur Verwertung des Altpapiers aus Haushalten der Stadt nicht ohne EU-weite Ausschreibung zu vergeben.
Gegen diesen Beschluß haben sowohl die Antragsgegnerin als auch die Beigeladene sofortige Beschwerde mit dem Antrag eingelegt,
den Beschluß der Vergabekammer aufzuheben und den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zurückzuweisen.
Das angerufene Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit Beschluß vom 27. Oktober 2004 (red. LS abgedr. in AbfallR 2004, 293) das Nachprüfungsverfahren dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Es hält den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin für statthaft, für nach § 107 GWB zulässig und auch für begründet, weil die Antragsgegnerin öffentlicher Auftraggeber gemäß § 98 Nr. 1 GWB sei und es sich bei dem am 27./28. April 2004 von der Antragsgegnerin und der Beigeladenen unterzeichneten Vertrag um einen öffentlichen Auftrag im Sinne von § 99 GWB handele, der den gemäß § 100 Abs. 1 GWB in Verbindung mit § 2 Nr. 3 VgV erforderlichen Schwellenwert übersteige und nicht nach § 100 Abs. 2 GWB vom Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausgenommen sei. Hinsichtlich der Einordnung des Vertrags vom 27./28. April 2004 als entgeltlicher Dienstleistungsauftrag sieht das Oberlandesgericht Düsseldorf jedoch eine Divergenz zu dem Beschluß des Oberlandesgerichts Celle vom 1. Juli 2004 (13 Verg 8/04, abgedr. in OLGR Celle 2004, 593 f.), die eine Vorlage an den Bundesgerichtshof erforderlich mache.
B. Der Senat hat gemäß § 124 Abs. 2 Satz 2 GWB anstelle des Oberlandesgerichts über die sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu entscheiden, weil das Oberlandesgericht Düsseldorf die Sache zu Recht vorgelegt hat. Das Oberlandesgericht Celle hat einen Kaufvertrag , der im Gebiet des öffentlichen Auftraggebers eingesammeltes Altpapier
betraf und mit dem Unternehmen abgeschlossen wurde, das für die Überlassung das unter mehreren insoweit eingegangenen Angeboten günstigste abgegeben hatte, nicht als entgeltlichen öffentlichen Auftrag im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB gewertet, der Dienstleistungen zum Gegenstand hat, und deshalb das Unterlassen der Einleitung und Durchführung eines Vergabeverfahrens nach Maßgabe von § 97 Abs. 1 GWB (geregeltes Vergabeverfahren) als nicht in dem durch § 102 GWB eröffneten Verfahren nachprüfbar angesehen. Diese Auffassung will das Oberlandesgericht Düsseldorf in der vorgelegten Sache nicht zugrunde legen, weil es den Kaufvertrag mit dem Unternehmen, welches das nach Ansicht der Antragsgegnerin günstigste Angebot abgegeben hat, als entgeltlichen öffentlichen Auftrag über Dienstleistungen im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB ansieht. Da es nach den weiteren Ausführungen des vorlegenden Oberlandesgerichts hierauf für die von diesem beabsichtigte Entscheidung in der Sache ankommt, ist der nach § 124 Abs. 2 Satz 1 GWB vorausgesetzte, die Vorlagepflicht begründende Tatbestand gegeben.
C. Die zulässigen sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen den Beschluß der Vergabekammer vom 17. Juni 2004 bleiben ohne Erfolg, weil der von der Antragstellerin angebrachte Nachprüfungsantrag zulässig und begründet ist.
I. 1. Der Nachprüfungsantrag vom 10. Mai 2004 ist statthaft, obwohl mit ihm nicht die Art und Weise der Einleitung oder Durchführung eines geregelten Vergabeverfahrens gerügt wird, sondern beanstandet wird, daß ein nach Maßgabe des § 97 Abs. 1 GWB geregeltes Vergabeverfahren bislang nicht stattgefunden hat (für Primärrechtsschutz in diesen Fällen z.B. BayObLG u.a. VergabeR 2003, 563; OLG Jena VergabeR 2002, 52; OLG Düsseldorf u.a. NZBau
2003, 55 u. aus der Lit. z.B. Burgi, NZBau 2003, 16, 19; zweifelnd OLG Naumburg NZBau 2003, 224).

a) Nach § 102 GWB unterliegt der Nachprüfung "die Vergabe öffentlicher Aufträge". § 107 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 GWB, der ebenfalls die Zulässigkeit eines Nachprüfungsverfahrens nach § 102 GWB betrifft, stellt auf die Nichtbeachtung, die Verletzung oder den Verstoß gegen Vergabevorschriften "im Vergabeverfahren" ab. Daraus kann abgeleitet werden, daß um Primärrechtsschutz auf dem durch § 102 GWB eröffneten Weg erst nachgesucht werden kann, wenn ein öffentlicher Auftraggeber zur Deckung seines Bedarfs bereits in ein Verfahren eingetreten ist, das der Beschaffung beispielsweise von Dienstleistungen am Markt dient, hierauf ausgerichtet ist und mit der Vergabe des Auftrags seinen Abschluß finden soll. Ob den genannten Bestimmungen darüber hinaus wegen des Zusammenhangs, in dem sie stehen, überhaupt entnommen werden kann, daß ein Vergabeverfahren notwendig ist, das nach Maßgabe des § 97 Abs. 1 GWB geregelt ist, kann dahinstehen. Denn die einzig mögliche Auslegung wäre das nicht. Da in den genannten, die Zulässigkeit eröffnenden und näher regelnden Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen von einer bestimmten Förmlichkeit des angesprochenen Vergabeverfahrens und seiner Einleitung nicht die Rede ist, sondern in § 107 GWB wesentlich auf die materiellen Vergabevorschriften und deren Mißachtung abgestellt ist, kommt vielmehr jedenfalls auch in Betracht, daß es ausreicht, wenn überhaupt ein Verfahren in Frage steht, an dem ein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 GWB und mindestens ein außenstehender Dritter (Unternehmen) beteiligt ist und das eingeleitet ist, um einen entgeltlichen Vertrag im Sinne des § 99 GWB beispielsweise über eine von einem Unternehmen zu erbringende Dienstleistung abzuschließen, der nicht nach § 100 Abs. 2 GWB von den Regelungen des Vierten Teiles des
Abs. 2 GWB von den Regelungen des Vierten Teiles des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausgenommen ist und dessen Wert den nach § 100 Abs. 1 GWB festgelegten Schwellenwert erreicht oder übersteigt. Eröffnen die maßgeblichen Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auch diese Auslegung, muß aber auch außerhalb eines nach Maßgabe des § 97 Abs. 1 GWB geregelten Vergabeverfahrens ein Nachprüfungsantrag statthaft sein. Dies gebietet der Grundsatz gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung nationalen Rechts, der eingreift, wenn der Wortlaut der einschlägigen nationalen Norm oder Normen einen Entscheidungsspielraum eröffnet (BGHZ 149, 165, 173 f.). Denn nach Gemeinschaftsrecht dürfen die Mitgliedstaaten die vergaberechtliche Nachprüfungsmöglichkeit nicht von der Einleitung und Durchführung eines bestimmten Vergabeverfahrens abhängig machen.

b) Zu beachten ist insoweit Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 98/665/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer - und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 92/50/EWG geänderten Fassung. Diese Vorgabe verlangt, daß die Entscheidungen der Vergabebehörden hinsichtlich der in den Anwendungsbereich der letztgenannten Richtlinie fallenden Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, nachgeprüft werden können. Nach der Auslegung, die diese Regelung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften erfahren hat, liegt bereits dann eine Entscheidung vor, die der Nachprüfung zugänglich sein muß, wenn ein öffentlicher Auftraggeber beschließt, kein geregeltes Vergabeverfahren einzuleiten, weil der zu erteilende Auftrag seiner Auffassung nach nicht in den
zu erteilende Auftrag seiner Auffassung nach nicht in den Anwendungsbereich der einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts bzw. des diese umsetzenden nationalen Rechts fällt (EuGH, Urt. v. 11.01.2005 - C-26/03 Rdn. 33). Auch im Streitfall muß deshalb das in Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben nach § 102 GWB vorgesehene Nachprüfungsverfahren eröffnet sein.

c) Das kann auch nicht im Hinblick darauf in Zweifel gezogen werden, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften das Gemeinschaftsrecht eine Nachprüfbarkeit nicht fordert hinsichtlich Handlungen, die eine bloße Vorstudie des Marktes darstellen oder die rein vorbereitend sind und sich im Rahmen der internen Überlegungen des öffentlichen Auftraggebers im Hinblick auf die Vergabe eines öffentlichen Auftrags abspielen (EuGH, aaO Rdn. 35). Denn dieses Stadium hatte die Antragsgegnerin bereits verlassen, weil sie mehreren Unternehmen Gelegenheit zu Angeboten gegeben hatte, mit der Beigeladenen über deren Angebot verhandelt hatte und hierauf schließlich dieser den Vorzug gegeben hat. Die Einleitung eines in gewisser Hinsicht sogar wettbewerblichen Verfahrens steht im Streitfall deshalb fest, so daß auch die Gründe des Beschlusses vom 8. Januar 2003 (NZBau 2003, 224, 227), die das Oberlandesgericht Naumburg insoweit zu den vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften dann mit Urteil vom 11. Januar 2005 beschiedenen Vorlagefragen veranlaßt haben, der Statthaftigkeit des Nachprüfungsantrags der Antragstellerin nicht entgegenstehen können.
2. Die Antragstellerin ist antragsbefugt.
Wegen des verfassungsrechtlichen Gebots, effektiven Rechtsschutzzu gewähren, dürfen an die in § 107 Abs. 2 GWB genannten Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden; die Darlegungslast darf insoweit nicht überspannt werden (BVerfG, Beschl. v. 29.07.2004 - 2 BvR 2248/03, NZBau 2004, 564; vgl. auch Sen.Beschl. v. 18.05.2004 - X ZB 7/04, NZBau 2004, 457, 458). Das hiernach Erforderliche hat die Antragstellerin vorgebracht. Ihr Interesse am Auftrag hat sie bereits durch den Hinweis geltend gemacht, der Antragsgegnerin ein Angebot abgegeben zu haben. Die Verletzung in Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB ist durch die insbesondere auf abfallrechtliche Gesichtspunkte gestützte Darlegung geltend gemacht, daß trotz der Anlieferung des Altpapiers durch die Antragsgegnerin und dessen Verkauf an die Beigeladene noch eine Entsorgungsaufgabe bestehe und deshalb eine Dienstleistung zu erbringen sei, weshalb der Auftrag nicht wie geschehen habe vergeben werden dürfen, sondern nach § 97 Abs. 1 GWB habe ausgeschrieben werden müssen. Dafür, daß der Antragstellerin infolge der Mißachtung von § 97 Abs. 1 GWB zumindest ein Schaden zu entstehen droht, genügt, daß der behauptete Vergaberechtsverstoß geeignet ist, die Aussichten auf den Zuschlag zu beeinträchtigen (BVerfG, NZBau 2004, 564, 566). Das kann im Streitfall nicht zweifelhaft sein, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß bei einem geregelten Vergabeverfahren, das unter für alle Bieter gleichen Bedingungen und ohne weitere Vertragsverhandlungen mit lediglich einem Unternehmen stattfindet, die Antragstellerin den Zuschlag hätte erhalten müssen.
3. Der Zulässigkeit des Begehrens der Antragstellerin steht nicht § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entgegen, wonach der Nachprüfungsantrag unzulässig ist,
soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren erkannt und nicht unverzüglich gerügt hat.

a) Anders als § 107 Abs. 2 GWB macht diese einen Ausnahmetatbestand regelnde Vorschrift die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags nicht von einer entsprechenden Darlegung durch den Antragsteller abhängig und verlangt von diesem auch nicht, einen etwaigen Verdacht auszuräumen, verspätet gerügt zu haben; lediglich im Rahmen der Mitwirkungs- und Wahrheitspflicht, die jede Partei eines förmlichen Streitverfahrens trifft, hat der Antragsteller sich hierzu zu äußern. Die Unzulässigkeit eines ansonsten zulässigen Nachprüfungsantrags kann deshalb nur angenommen werden, wenn dem Antragsteller nachgewiesen ist, daß er den behaupteten Vergaberechtsverstoß erkannt und diesen gleichwohl nicht unverzüglich gerügt hat (OLG Düsseldorf u.a. VergabeR 2001, 419, 421; Meier, VergabeR 2004, 176, 179).

b) Die hierzu erforderliche Überzeugung läßt sich im Streitfall nicht gewinnen. Denn es ist weder von der Antragsgegnerin oder der Beigeladenen dargetan noch etwas dafür ersichtlich, daß die Antragstellerin bereits vor dem 29. April 2004 positive Kenntnis hatte, hinsichtlich des im Stadtgebiet gesammelten Altpapiers werde es ein geregeltes Vergabeverfahren nicht geben, obwohl ein solches notwendig sei. Zwar kann der Antragstellerin nicht verborgen geblieben sein, daß bisher kein geregeltes Vergabeverfahren eingeleitet worden war. Der gerügte Vergabeverstoß war jedoch erst bekannt, wenn die Antragstellerin aus den ihr bekannten Umständen auch geschlossen hatte, daß ein geregeltes Vergabeverfahren erforderlich ist, es hierzu aber nicht kommen würde, oder - was nach ständiger Rechtsprechung (z.B. BGHZ 133, 192, 198 f.; BGH, Urt. v. 18.01.2000 - VI ZR 375/98, NJW 2000, 953 m.w.N.) Wissen re-
gelmäßig gleichsteht - wenn sie sich dieser Erkenntnis, obwohl sie sich aufdrängte , verschlossen oder entzogen hatte. Hierzu hat die Antragstellerin unwidersprochen vorgetragen, ihr sei erst am 29. April 2004 in einem persönlichen Gespräch seitens der Antragsgegnerin mitgeteilt worden, die Stadt beabsichtige , jetzt ein regionales Entsorgungsunternehmen mit der Altpapiervermarktung für die nächsten fünf Jahre zu beauftragen. Da der bisherige Kontakt der Antragsgegnerin mit der Antragstellerin auch als eine noch der Erkundung der Möglichkeiten des Marktes dienende Vorbereitungsmaßnahme verstanden werden konnte, kann daher der Antragstellerin jedenfalls nicht widerlegt werden , erst zu diesem Zeitpunkt einen aussagekräftigen Anhaltspunkt gehabt zu haben, daß es bei dem bisherigen Vorgehen der Antragsgegnerin verbleiben solle und es ein geregeltes Vergabeverfahren nicht geben werde. Der Antragstellerin kann deshalb nicht vorgeworfen werden, die Notwendigkeit des bisher unterbliebenen geregelten Vergabeverfahrens nicht früher gerügt zu haben, als es mit dem Schreiben vom 30. April 2004 geschehen ist. Unter diesen Umständen bedarf es im Streitfall auch keiner Beantwortung der streitigen Frage, ob § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nach seinem Wortlaut oder Sinngehalt der Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags überhaupt entgegenstehen kann, wenn das Nachprüfungsverfahren geführt wird, damit ein bisher unterbliebenes geregeltes Vergabeverfahren eingeleitet und durchgeführt wird (verneinend z.B. BayObLG u.a. VergabeR 2002, 244; OLG Frankfurt NZBau 2004, 692, 693; OLG Düsseldorf NZBau 2001, 696; Burgi, NZBau 2003, 16, 21; bejahend z.B. Wagner, VergabeR 2002, 250, 251; Otting, VergabeR 2002, 146, 147; Bär, ZfBR 2001, 375, 377).
4. Die Zulässigkeit des am 10. Mai 2004 angebrachten Nachprüfungsantrags der Antragstellerin scheitert schließlich auch nicht daran, daß die An-
tragsgegnerin und die Beigeladene bereits am 27./28. April 2004 den Kaufvertrag über das im Stadtgebiet gesammelte Altpapier unterzeichnet hatten. Zwar kann die Vergabekammer in zulässiger Weise nicht mehr angerufen werden, sobald der Vertrag, an welchem ein Antragsteller Interesse zu haben behauptet , wirksam zustande gekommen ist, weil dann zuvor begangene Verstöße gegen vergaberechtliche Bestimmungen nicht mehr beseitigt werden können (BGHZ 146, 202, 206). Diese Folge tritt unabhängig davon ein, ob die Einigung unter Beachtung der Vorgaben des § 97 Abs. 1 GWB oder sonstwie zustande gekommen ist, weshalb nach einem wirksamen Vertragsschluß ein Nachprüfungsantrag auch dann unzulässig ist, wenn der Mangel eines geregelten Vergabeverfahrens gerügt wird (ebenso Burgi, NZBau 2003, 16, 20 m.w.N.). Mit ihrer Übereinkunft vom 27./28. April 2004 haben die Antragsgegnerin und die Beigeladene einen wirksamen Vertrag jedoch nicht geschlossen, weil die Antragsgegnerin , die öffentlicher Auftraggeber nach § 98 Nr. 1 GWB ist, die Antragstellerin entgegen § 13 Satz 1, 2 VgV zuvor nicht darüber unterrichtet hat, daß und warum beabsichtigt sei, deren Angebot nicht zu berücksichtigen und statt dessen das Geschäft mit der Beigeladenen zu tätigen.

a) § 13 Satz 6 VgV, der anordnet, daß ein ohne vorherige Information der Bieter abgeschlossener Vertrag nichtig ist, betrifft entgeltliche Verträge zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem außenstehenden Dritten (Unternehmen), die den maßgeblichen Schwellenwert erreichen oder überschreiten und Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen des Unternehmens zum Gegenstand haben. Das folgt aus §§ 97 Abs. 1 u. 6, 98, 99 Abs. 1, 100 Abs. 1 GWB. Auf einen solchen Vertrag in der Form des Dienstleistungsauftrags haben die Antragsgegnerin und die Beigeladene sich geeinigt.
aa) Der Vertrag vom 27./28. April 2004 hat Dienstleistungen zum Gegenstand , weil die Antragstellerin einen weder durch Lieferung von Waren noch durch Bauleistungen zu erfüllenden Bedarf hat (vgl. § 99 Abs. 4 GWB), diesen nicht durch Einsatz eigener Einrichtungen, Arbeitskräfte o.ä. befriedigen will und die Beigeladene sich verpflichtet hat, das insoweit Nötige für die Antragsgegnerin zu erledigen.
(1) Wann ein Dienstleistungsauftrag im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB vorliegt , kann nicht losgelöst vom Zweck des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen beantwortet werden, der gemäß § 97 Abs. 1 GWB darin besteht, die Beschaffung von Dienstleistungen durch öffentliche Auftraggeber zu erfassen und zu regeln. Das rückt die Frage in den Vordergrund , ob der öffentliche Auftraggeber einen entsprechenden Bedarf hat und ob dieser mit dem abgeschlossenen Vertrag gedeckt werden soll. Da das Vergaberecht des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen andererseits nicht der Durchsetzung sonstiger rechtlicher oder tatsächlicher Vorgaben dient, die ein öffentlicher Auftraggeber zu beachten haben mag, entscheidet darüber, ob ein Bedarf besteht und deshalb eine Dienstleistung beschafft werden soll, allein der öffentliche Auftraggeber. Sobald er einen tatsächlich bestehenden Bedarf erkennt oder auch nur meint, einen durch Dienstleistung zu befriedigenden Bedarf zu haben, den er nicht selbst decken will, kommt deshalb die Einordnung eines zu diesem Zweck geschlossenen Vertrags als Dienstleistungsauftrag im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB in Betracht.
(2) Der Streitfall ist insoweit dadurch gekennzeichnet, daß der Antragsgegnerin nach den einschlägigen gesetzlichen oder sie im Verhältnis zum sogenannten Dualen System vertraglich bindenden Regeln die Entsorgung der im
Stadtgebiet anfallenden und ihr überlassenen Abfälle verpflichtet ist und daß die hierzu erforderlichen Arbeiten sich nicht auf das Einsammeln, das Befördern zu einer Umschlagsanlage und das dortige Überlassen an einen Dritten beschränken. Diese Vorgänge allein bewirken lediglich eine Zusammenführung von Altpapier und können ferner zu einer Änderung der Besitz- und Eigentumslage führen. Um das Altpapier zu entsorgen, bedarf es jedoch weiterer Behandlung , sei es in Form von Handlungen, die bestimmt und geeignet sind, das Altpapier einer stofflichen Verwertung zuzuführen, und die so zu dieser gesetzlich erlaubten Art der Entsorgung (vgl. § 4 Abs. 1 KrW-/AbfG) beitragen, sei es in Form von Handlungen, die der Beseitigung des Altpapiers dienen. Erst wenn sichergestellt ist, daß auch das insoweit Nötige getan wird, ist deshalb der Entsorgungslast der Antragsgegnerin Rechnung getragen.
(3) Unter den Umständen des Streitfalls sind Zweifel nicht angebracht, daß die Antragsgegnerin den Vertrag vom 27./28. April 2004 unterzeichnet hat, um Leistungen zu erhalten, die bestimmt und geeignet sind, gerade dies sicherzustellen. Die Umstellung der Altpapierentsorgung von dem bisherigen Bringsystem auf das von der Antragsgegnerin beschlossene Holsystem hat einen ständigen Anfall großer Mengen von Altpapier auf einer Umschlagsanlage zur Folge, die beginnend mit einer sukzessiven Entfernung von dort einer geordneten Weiterverwendung zugeführt werden müssen. Dies erfordert Dienstleistungen im Sinne von § 97 Abs. 4 GWB. Daß die Antragsgegnerin davon ausging, diese ohne Vergabe selbst erbringen zu müssen, muß schon deshalb angenommen werden, weil sie das Holsystem beschlossen hat, sie deshalb für dessen Funktionieren ihren Bürgern gegenüber einzustehen hat und das neue System anderenfalls nicht weiter zu praktizieren wäre. Bereits
damit ist der für einen Dienstleistungsauftrag erforderliche Dienstleistungsbedarf gegeben.
(4) Daß der am 27./28. April 2004 geschlossene Vertrag die Beigeladene zu der Erbringung der vorstehend genannten Dienstleistungen verpflichtet, steht ebenfalls fest. Zwar ist eine Entfernungs- und der stofflichen Verwertung dienende Weiterverwendungspflicht nicht ausdrücklich genannt. In § 2 Abs. 1 des Vertrags wird jedoch vorausgesetzt, daß das Altpapier die Umschlagsanlage "verläßt" und von der Beigeladenen "der Verwertung zugeführt" wird. Der von der Beigeladenen zu erledigende "Output", wie es dort ferner heißt, ist also Inhalt des von der Beigeladenen vertraglich Übernommenen. Das erlaubt im Rückschluß die Überzeugung, daß das Geschäft vom 27./28. April 2004 auch mit einer entsprechenden Verpflichtung der Beigeladenen gewollt ist. Bestätigt wird dies dadurch, daß in der Beschlußvorlage der Verwaltung der Antragsgegnerin der Vertrag, der zur Durchführung der dann vom Rat beschlossenen Umstellung der Altpapiererfassung abgeschlossen werden soll, als "Papierverwertungsvertrag" bezeichnet ist.
(5) Der Feststellung, daß der am 27./28. April 2004 unterzeichnete Vertrag daher ein Dienstleistungsauftrag ist, steht nicht entgegen, daß die Antragsgegnerin und die Beigeladene die gegenseitigen Rechte und Pflichten mittels eines Kaufvertrags geregelt haben, weil sie das Altpapier als ein werthaltiges Gut angesehen haben und es deshalb an die Beigeladene gegen Entgelt veräußert werden soll. Denn § 99 Abs. 1 GWB stellt weder auf die zivilrechtliche Einordnung eines Vertrags noch darauf ab, ob in der Übernahme der Leistung im Sinne des § 99 Abs. 4 GWB, die von dem Unternehmen erbracht werden soll, ein wesentlicher oder gar der Hauptzweck des Vertrags liegt. Der
Vertrag muß lediglich Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Gemäß der Erläuterung, die § 99 Abs. 4 GWB gibt, reicht es aus, daß der Vertrag sich überhaupt über Leistungen verhält, die das Unternehmen zu erbringen hat. Ob ein Vertrag gleichwohl ausnahmsweise Dienstleistungen dann nicht im Sinne von § 99 Abs. 1 GWB zum Gegenstand hat, wenn die vertragsgemäß von dem Unternehmen zu erbringende Leistung angesichts des rechtlichen und wirtschaftlichen Schwerpunkts des Vertrags nicht ins Gewicht fällt, braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden. Angesichts des vor allem in § 97 Abs. 1 GWB zum Ausdruck kommenden Anliegens des in diesem Gesetz normierten Vergaberechtssystems, daß öffentliche Beschaffung, soweit sie nicht ausdrücklich ausgenommen ist, umfassend unter geregelten Wettbewerbsbedingungen erfolgt, könnte eine solche Ausnahme ohnehin nur in Fällen in Erwägung gezogen werden, in denen die Pflicht zur Dienstleistung völlig untergeordneter Natur ist und es deshalb ausgeschlossen erscheint, daß auch ihretwegen der Vertrag abgeschlossen worden ist. Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht zu beurteilen.
bb) Der Vertrag vom 27./28. April 2004 weist unabhängig von den vom vorlegenden Oberlandesgericht hierzu angestellten Überlegungen und getroffenen Feststellungen die nach § 99 Abs. 1 GWB ferner erforderliche Entgeltlichkeit bereits deshalb auf, weil die Antragsgegnerin sich zur Überlassung des im Stadtgebiet gesammelten Altpapiers verpflichtet hat und daher ihrerseits eine Verpflichtung zu einer geldwerten Leistung eingegangen ist.
Von Entgeltlichkeit eines Vertrags wird üblicherweise gesprochen, wenn der Empfänger einer versprochenen Leistung seinerseits eine (Gegen-)Leistung zu erbringen hat (vgl. BGHZ 141, 96, 99 m.w.N.). Es ist nichts dafür er-
sichtlich, warum dies nicht auch hinsichtlich § 99 Abs. 1 GWB gelten sollte. Vor allem erfordert die Vorschrift nicht, in Fällen, in denen die von dem Unternehmen übernommene (Dienst-)Leistung in der weiteren Behandlung eines Gutes von Wert liegt und in denen der öffentliche Auftraggeber - wegen dieser Eigenschaft - eine Bezahlung durch das Unternehmen erreichen kann, Entgeltlichkeit erst dann anzunehmen, wenn feststeht, daß und gegebenenfalls inwieweit bei der Höhe des von dem Unternehmen zu zahlenden Preises die Pflicht zur Erbringung der übernommenen (Dienst-)Leistung preismindernd berücksichtigt worden ist. Dabei kann dahinstehen, ob sich das bereits daraus ergibt, daß § 99 Abs. 1 GWB nicht von einem Entgelt für die (Dienst-)Leistung spricht, die der betreffende Vertrag zum Gegenstand hat, sondern von einem entgeltlichen Vertrag und es hiernach ausreichen könnte, daß ein Vertrag, der wenigstens unter anderem Beschaffungszwecken dient, überhaupt eine geldwerte Gegenleistung des öffentlichen Auftraggebers vorsieht. Die Leistungen, die die Beigeladene vertragsgemäß zu erbringen hat, damit für die geordnete Altpapierverwertung Sorge getragen wird, lassen sich nämlich nicht von den kaufvertraglichen Komponenten trennen, welche die Antragsgegnerin und die Beigeladene hinsichtlich des betreffenden Altpapiers vereinbart haben. Der Vertrag vom 27./28. April 2004 mit seinen Komponenten ist vielmehr das wesentliche Mittel, deren sich die Antragsgegnerin bedient, um die gewünschte Dienstleistung zu erhalten. Die Altpapierverwertung einerseits und die Veräußerung des Altpapiers andererseits stellen nicht zwei voneinander trennbare Leistungsaustauschgeschäfte dar, die mehr oder weniger willkürlich in einem Rechtsgeschäft miteinander verbunden worden sind. Aus vergaberechtlicher Sicht ist der Verkauf des Altpapiers das rechtliche Gewand, in dem sich die Antragsgegnerin die Leistungen beschafft, die die ihr obliegende geordnete Altpapierverwertung sicherstellen oder zumindest fördern sollen, zumal der Erwerb des Altpa-
piers ein nachhaltiges Interesse der Beigeladenen an dessen (gewinnbringender ) Verwertung begründet. Daß bei wirtschaftlicher Betrachtung die Kauf- bzw. Verkaufskomponente des Vertrags bei weitem im Vordergrund stehen mag, ist unerheblich. Denn § 99 GWB schließt nicht Veräußerungsgeschäfte der öffentlichen Hand von der Anwendung der Vorschriften des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen aus. Ein Veräußerungsgeschäft kann lediglich als solches die Anwendbarkeit dieser Vorschriften nicht begründen. Ist es hingegen Mittel zur Beschaffung einer Leistung, ist der kaufrechtliche Aspekt des öffentlichen Auftrags ohne Bedeutung. Das entspricht auch dem Zweck des in §§ 97 ff. GWB geregelten Vergaberechts. Denn auf diese Weise wird eine vollständige Erfassung aller Beschaffungsvorgänge erreicht, die für den öffentlichen Auftraggeber mit geldwertem Aufwand verbunden sind.
Hiernach erübrigt es sich auch, sich mit der ergänzenden Vereinbarung der Beigeladenen und der Antragsgegnerin vom 2. Dezember 2004 zu befassen , in der diese nachträglich bekundet haben, den vereinbarten Zahlungsbetrag ausschließlich als Gegenleistung für die Übereignung des gelieferten Altpapiers gewollt zu haben.
cc) Angesichts der gebotenen Auslegung von § 99 Abs. 1 GWB kann entgegen der Meinung der Beigeladenen gegen die Anwendung des Vergaberechts des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auf den am 27./28. April 2004 unterzeichneten Vertrag auch nichts aus § 100 Abs. 1 GWB hergeleitet werden. Diese Vorschrift verlangt das Erreichen oder Übersteigen eines bestimmten Schwellenwerts für einen Auftrag, wie er in § 99 Abs. 1 GWB definiert ist. Auch insoweit ist deshalb der Vertrag selbst und da-
mit dessen Wert maßgebend. Dieser liegt hier - wie von keinem Beteiligten bezweifelt wird - über dem in § 2 Nr. 3 VgV festgelegten Schwellenwert.
dd) In Anbetracht der beiderseits bestehenden Pflichten aus dem Vertrag vom 27./28. April 2004 kann dieser schließlich nicht als Konzessionsvertrag , der beispielsweise bei der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor vom Anwendungsbereich der Richtlinie 93/38/EWG des Rates ausgenommen ist (EuGH, Urt. v. 07.12.2000 - C-324/98, Tz. 56, NZBau 2001, 148, 150 f. - Tele Austria), vergaberechtsfrei sein. Denn die Vereinbarung beschränkt sich nicht darauf, der Beigeladenen das Recht zu verschaffen, die eigene Leistung selbst zu nutzen oder entgeltlich zu verwerten (vgl. zu diesem Erfordernis z.B. EuGH, aaO; BayObLG NZBau 2002, 233; OLG Düsseldorf NZBau 2002, 634; OLG Celle NZBau 2005, 51).

b) § 13 VgV ist eine Regelung, die das Verfahren näher bestimmt, das § 97 Abs. 1 bis 5 GWB für die Beschaffung von Dienstleistungen durch öffentliche Auftraggeber vorschreibt. Die Informationspflicht und die öffentliche Aufträge nach § 99 Abs. 1 GWB treffende Nichtigkeitsfolge im Falle ihrer Mißachtung sind damit Teil eines nach Maßgabe des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen eingeleiteten und durchgeführten geregelten Vergabeverfahrens (vgl. Sen.Beschl. v. 09.02.2004 - X ZB 44/03, NZBau 2004, 229, für BGHZ 158, 43 vorgesehen; so auch z.B. Jasper/Pooth, ZfBR 2004, 543, 546; Dietlein/ Spießhofer, VergabeR 2003, 509, 513; Dieckmann, NZBau 2001, 481, 482; Hertwig, NZBau 2001, 241). Das hat zur Folge, daß diese Bestimmung nicht unmittelbar anwendbar ist, wenn - wie hier - bislang ein derart geregeltes Verfahren nicht stattgefunden hat (so auch z.B. Jasper/Pooth, ZfBR 2004, 543,
545 f.; Dietlein/Spießhofer, VergabeR 2003, 509, 513; Schimanek, ZfBR 2003, 39, 41; Delius, ZfBR 2003, 341, 342; Portz, VergabeR 2002, 211, 217; Hailbronner , NZBau 2002, 474, 479; Putzier, DÖV 2002, 517, 519; Dieckmann, NZBau 2001, 481, 482; Hertwig, NZBau 2001, 241, 242; Gesterkamp, WuW 2001, 665, 669; a.A. z.B. OLG Thüringen ZfBR 2004, 193, 195; OLG Düsseldorf ZfBR 2003, 605; OLG Dresden ZfBR 2002, 298).

c) Die Nichtigkeit des öffentlichen Vertrags vom 27./28. April 2004 folgt jedoch aus einer gebotenen entsprechenden Anwendung von § 13 VgV (für Analogie - allerdings in unterschiedlichem Umfang - z.B. Otting, VergabeR 2002, 11, 18 u. 147; Hertwig, NZBau 2001, 241 f.; Byok, NJW 2001, 2295, 2301; Prieß, EuZW 2001, 365, 367; Bär, ZfBR 2001, 375, 379; wohl auch Dreher , NZBau 2001, 244, 245; im Erg. ebenfalls für Nichtigkeit des Vertrags Burgi , NZBau 2003, 16, 21; gegen Analogie z.B. Jasper/Pooth, ZfBR 2004, 543, 545 f.; Delius, ZfBR 2003, 341, 343; Schimanek, ZfBR 2003, 39, 41; Hailbronner , NZBau 2002, 474, 481 ff.; Portz, VergabeR 2002, 211, 217 f.; Antweiler, u.a. VergabeR 2002, 109, 110; Müller-Wrede/Kaelble, VergabeR 2002, 1; Putzier , DÖV 2002, 517, 519; Braun, NZBau 2001, 675, 678; Diekmann, NZBau 2001, 481; Heuvels/Kaiser, NZBau 2001, 479; Wegmann, NZBau 2001, 475, 478; Stolz, VergabeR 2001, 154; Gesterkamp, WuW 2001, 665, 668 f.).
(1) Die Vorschrift ordnet die Informationspflicht und die Nichtigkeit eines ohne Information geschlossenen öffentlichen Auftrags an, weil anderenfalls ein übergangener Bieter zunächst unerkannten Verstößen gegen das Vergaberecht nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg begegnen könnte. Das sich hieraus ergebende Anliegen ist nicht auf den mit der Vorschrift geregelten Fall beschränkt. In ihm kommt vielmehr ein Grundgedanke effektiven Rechtsschutzes
zum Ausdruck (vgl. BT-Drucks. 455/00, S. 19). Damit steht die Regelung für eine Heranziehung bei vergleichbaren Sachverhalten zur Verfügung (a.A. z.B. Lindenthal, VergabeR 2003, 630, 635). § 114 Abs. 2 Satz 1 GWB, aus dem verschiedentlich geschlossen wird (z.B. Jasper/Pooth, ZfBR 2004, 543, 546), § 13 VgV sei eine der Analogie nicht zugängliche Einzelfallregelung, verbietet diese Wertung nicht. Der Senat hat bereits in seiner für BGHZ 158, 43 vorgesehenen Entscheidung vom 9. Februar 2004 (NZBau 2004, 229, 230) darauf hingewiesen, daß § 114 Abs. 2 Satz 1 GWB, nach dem ein bereits erteilter Zuschlag nicht aufgehoben werden kann, der Kompetenz der zur Gewährung des Primärrechtsschutzes berufenen Vergabekammern und der ihnen im Instanzenzug nachgeordneten Gerichte einerseits und der für die Entscheidungen über Schadensersatzklagen zuständigen Zivilgerichte andererseits dient. Eine Aussage darüber, daß die Vorschrift nicht entsprechend herangezogen werden dürfe, ist hiermit nicht verbunden. Ihr Grundgedanke ist vielmehr auch dann tangiert, wenn entgegen § 97 Abs. 1 GWB zur Beschaffung von Dienstleistungen ein geregeltes Vergabeverfahren nicht eingeleitet wird, weil auch dann droht, daß an dem Auftrag interessierte Unternehmen als Folge eines Vertragsschlusses keinen Primärrechtsschutz erlangen können.
Die damit gegebene Regelungslücke kann auch ohne weiteres mit der unter der Sanktion der Nichtigkeit stehenden Informationspflicht nach § 13 VgV ausgefüllt werden, wenn - wie hier - die Beschaffung einer Dienstleistung immerhin zur Beteiligung mehrerer Unternehmen, zu verschiedenen Angeboten und schließlich zu einer Auswahl durch den öffentlichen Auftraggeber geführt hat. Denn dann gibt es neben dem in Aussicht genommenen Unternehmen bestimmte andere außenstehende Dritte, die - wie im Falle eines geregelten Vergabeverfahrens - als Bieter aufgetreten sind, und deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, sowie Gründe für die Nichtberücksichtigung dieser
sichtigt werden sollen, sowie Gründe für die Nichtberücksichtigung dieser Angebote. Diese Gegebenheiten kann der öffentliche Auftraggeber wie bei einem geregelten Vergabeverfahren zu einer sachgerechten Information der Unternehmen nutzen, deren Angebote nicht zum Zuge kommen sollen, so daß insoweit Unsicherheiten hinsichtlich der Informationspflicht nicht bestehen. Eine Unkenntnis von der Notwendigkeit eines geregelten Vergabeverfahrens mit entsprechender Information von Unternehmen, die ebenfalls als Argument gegen eine entsprechende Anwendung von § 13 VgV ins Feld geführt wird (z.B. Lindenthal, VergabeR 2003, 630, 634), kann hingegen allenfalls bestehen, wenn der öffentliche Auftraggeber verkannt hat, daß er öffentlicher Auftraggeber ist, daß die beabsichtigte Beschaffung auf einen öffentlichen Auftrag im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB gerichtet ist oder daß dieser Vertrag den Schwellenwert erreicht oder übersteigt. Die richtige rechtliche Einordnung eines geplanten Vorgehens gehört aber zum allgemeinen Risiko, das jeder zu tragen hat, der am Rechtsleben teilnehmen will (ähnlich Petersen, ZfBR 2003, 611, 614; OLG Düsseldorf NZBau 2003, 400, 405). Es führt auch nicht etwa gerade hier zu nicht mehr hinnehmbaren Unzuträglichkeiten für die betreffende Partei, weil allenfalls in Zweifelsfällen die Entscheidung gegen ein geregeltes Vergabeverfahren weniger streng beurteilt werden kann, in diesen Fällen der öffentliche Auftraggeber die Notwendigkeit eines solchen Verfahrens aber regelmäßig erwogen haben wird und deshalb die mit einem Angebot hervorgetretenen Unternehmen jedenfalls vorsorglich hätten informiert werden können.
(2) Zu berücksichtigen ist auch nicht etwa ein vorrangiges Interesse des Unternehmens, mit dem sich der öffentliche Auftraggeber über den öffentlichen Auftrag geeinigt hat. Nach § 97 GWB, der insoweit die maßgebliche Bestimmung ist, gehört es nicht zu den Aufgaben des Vergaberechts, daß die Betei-
ligten auf die Wirksamkeit eines Vertragsschlusses über die Beschaffung am Markt vertrauen können, und auch aus zivilrechtlicher Sicht steht jede Einigung unter dem Vorbehalt der Anerkennung der rechtlichen Wirksamkeit. Außerdem ist dem Vergaberecht ein Anspruch auf einen zu erteilenden Auftrag unbekannt (vgl. BGHZ 154, 32, 40 f.; a.A. - Anspruch in engen Grenzen - Kaelble, ZfBR 2003, 657). Erst wenn der Vertrag nach der Gesetzeslage, zu der neben dem unmittelbaren Regelungsgehalt der einschlägigen Vorschriften auch durch Analogieschluß gewonnene Regeln gehören, wirksam zustande gekommen ist, besteht insoweit für das Unternehmen eine unter Eigentumsgarantie stehende Rechtsposition.
Eine Planwidrigkeit der damit bestehenden und ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke kann schließlich auch nicht mit der Begründung verneint werden (so aber Burgi, NZBau 2003, 16, 21; ähnlich Dietlein/Spießhofer, VergabeR 2003, 509, 517; Müller-Wrede/Kaelble, VergabeR 2002, 1, 5), allein der unmittelbare Regelungsgehalt von § 13 VgV sei durch die Ermächtigung in § 97 Abs. 6 GWB gedeckt (vgl. hierzu Sen.Beschl. v. 09.02.2004 - X ZB 44/03, NZBau 2004, 229, für BGHZ 158, 43 vorgesehen). Da die Bundesregierung befugt war, die Bestimmungen des § 13 VgV durch Rechtsverordnung zu treffen (Sen.Beschl. v. 09.02.2004, aaO, S. 230 f.), handelt es sich hierbei um ein verfassungsgemäß zustande gekommenes Gesetz im materiellen Sinne. Als solches hat die Regelung keine andere Qualität als eine durch den Gesetzgeber selbst getroffene. Sie bestimmt den materiellen Gehalt des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit, wie wenn sie unmittelbar dort aufgenommen worden wäre. Damit enthält das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen trotz eines grundsätzlichen Anliegens des dort geregelten Vergaberechts nur für einen Teilbereich desselben eine sachgerechte Lö-
sung. Das macht die entsprechende Heranziehung von § 13 VgV in den genannten Fällen nötig.
II. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist auch begründet.
Die Antragstellerin hat Anspruch darauf, daß die Antragsgegnerin die gewünschten Leistungen im Wege eines geregelten Vergabeverfahrens beschafft und den insoweit erstrebten Vertrag ausschreibt, letzteres weil Gründe für ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige öffentliche Vergabebekanntmachung nicht dargetan oder ersichtlich sind. Das folgt aus § 97 Abs. 1 GWB in Verbindung mit § 4 Abs. 1 VgV sowie § 3 a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A 2. Abschnitt.
Aus § 97 Abs. 1 GWB ergibt sich angesichts des bereits Ausgeführten die Pflicht der Antragsgegnerin, zur Beschaffung der erörterten Leistungen ein geregeltes Vergabeverfahren einzuleiten. Diese Pflicht hat nicht allein Ordnungsfunktion. Durch die Eröffnung eines Verfahrens mit bestimmten Regeln sollen die durch sie konkretisierten Grundsätze von Wettbewerb, Transparenz und Gleichbehandlung gewährleistet werden (vgl. auch § 97 Abs. 2 GWB). Da die insoweit geltenden Bestimmungen gemäß § 97 Abs. 7 GWB ein subjektives Recht begründen, bedingt das, auch hinsichtlich der Einleitung eines geregelten Vergabeverfahrens einen durchsetzbaren Anspruch zugunsten interessierter Unternehmen anzuerkennen, wenn in dieser Weise nach § 97 Abs. 1 GWB eine von dem öffentlichen Auftraggeber gewünschte Beschaffung vorzunehmen ist (ebenso z.B. Burgi, NZBau 2003, 16, 19; Schimanek, ZfBR 2003, 39, 40; a.A. z.B. Portz, VergabeR 2002, 211, 217 f.). Die Einleitung eines geregelten Vergabeverfahrens ist gleichsam "Existenzgrundlage" (so Müller-Wrede/ Kaelble, VergabeR 2002, 1, 8 unter Hinweis auf BT-Drucks. 13/9340, S. 13 f.)
für die bei Durchführung eines geregelten Vergabeverfahrens sich ergebenden subjektiven Rechte, so daß es nur konsequent ist, auch einen Anspruch der Unternehmen auf Einleitung eines geregelten Verfahrens anzuerkennen. Erst er eröffnet den umfassenden Rechtsschutz, der nach den erörterten europarechtlichen Vorgaben notwendig ist. Ihn der Regelung in § 97 Abs. 7 GWB zu entnehmen, ist auch mit dessen Wortlaut in Einklang zu bringen. Denn auch die oben genannten Vorschriften gehören zu den Bestimmungen über das Vergabeverfahren.
III. Die Verfolgung des Anspruchs auf Einleitung eines geregelten Vergabeverfahrens durch die Antragstellerin ist schließlich auch nicht rechtsmißbräuchlich.
Ein Unternehmen verhält sich nicht schon dann treuwidrig, wenn es einem öffentlichen Auftraggeber ein Angebot abgibt, das eine Dienstleistung zum Gegenstand hat, ohne bereits hierbei auf die Notwendigkeit eines geregelten Vergabeverfahrens hinzuweisen. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben kommt erst in Betracht, wenn das Unternehmen bereits zu diesem Zeitpunkt weiß oder - was regelmäßig positiver Kenntnis gleichsteht (vgl. z.B. BGHZ 133, 192, 198 f.; BGH, Urt. v. 18.01.2000 - VI ZR 375/98, NJW 2000, 953 m.w.N.) - sich aufdrängender Erkenntnis verschließt, daß der öffentliche Auftraggeber den Auftrag ohne Einleitung und Durchführung eines notwendigen geregelten Vergabeverfahrens vergeben will (vgl. OLG Brandenburg NJOZ 2004, 2759). Hierfür ist aber im Streitfall - wie bereits hinsichtlich § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ausgeführt - nichts dargetan oder ersichtlich. Da die Antragsgegnerin und die Beigeladene nach wie vor die Notwendigkeit eines geregelten Vergabeverfahrens leugnen, muß ohne derartige Darlegung oder entsprechende Anhaltspunkte im
übrigen auch der Antragstellerin zugute gehalten werden, hiervon nicht schon ausgegangen zu sein, als es zu dem formlosen Kontakt kam und dieser zu dem Angebot der Antragstellerin an die Antragsgegnerin führte.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO in entsprechender Anwendung (vgl. Sen. BGHZ 146, 202, 216).
Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten (vgl. Sen. BGHZ 146, 202, 217).
Melullis Scharen Ambrosius
Mühlens Meier-Beck

(1) Unternehmen haben bei der Ausführung des öffentlichen Auftrags alle für sie geltenden rechtlichen Verpflichtungen einzuhalten, insbesondere Steuern, Abgaben und Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten, die arbeitsschutzrechtlichen Regelungen einzuhalten und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wenigstens diejenigen Mindestarbeitsbedingungen einschließlich des Mindestentgelts zu gewähren, die nach dem Mindestlohngesetz, einem nach dem Tarifvertragsgesetz mit den Wirkungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag oder einer nach § 7, § 7a oder § 11 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes oder einer nach § 3a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnung für die betreffende Leistung verbindlich vorgegeben werden.

(2) Öffentliche Auftraggeber können darüber hinaus besondere Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags (Ausführungsbedingungen) festlegen, sofern diese mit dem Auftragsgegenstand entsprechend § 127 Absatz 3 in Verbindung stehen. Die Ausführungsbedingungen müssen sich aus der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen ergeben. Sie können insbesondere wirtschaftliche, innovationsbezogene, umweltbezogene, soziale oder beschäftigungspolitische Belange oder den Schutz der Vertraulichkeit von Informationen umfassen.

(1) Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde kann von den am Beschwerdeverfahren Beteiligten durch Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden.

(2) Über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheidet der Bundesgerichtshof durch Beschluss, der zu begründen ist. Der Beschluss kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich bei dem Oberlandesgericht einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung.

(4) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts zu begründen. Die Frist kann auf Antrag von dem oder der Vorsitzenden verlängert werden. In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde müssen die Zulassungsgründe des § 77 Absatz 2 dargelegt werden.

(5) Die Nichtzulassungsbeschwerdeschrift und -begründung müssen durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein; dies gilt nicht für Nichtzulassungsbeschwerden der Kartellbehörden.

(6) Wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, so wird die Entscheidung des Oberlandesgerichts mit der Zustellung des Beschlusses des Bundesgerichtshofs rechtskräftig. Wird die Rechtsbeschwerde zugelassen, so wird das Verfahren als Rechtsbeschwerdeverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Rechtsbeschwerde. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Frist für die Begründung der Rechtsbeschwerde.

(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.

(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.

(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.

(1) Bei der Schätzung des Auftragswerts ist vom voraussichtlichen Gesamtwert der vorgesehenen Leistung ohne Umsatzsteuer auszugehen. Zudem sind etwaige Optionen oder Vertragsverlängerungen zu berücksichtigen. Sieht der öffentliche Auftraggeber Prämien oder Zahlungen an den Bewerber oder Bieter vor, sind auch diese zu berücksichtigen.

(2) Die Wahl der Methode zur Berechnung des geschätzten Auftragswerts darf nicht in der Absicht erfolgen, die Anwendung der Bestimmungen des Teils 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen oder dieser Verordnung zu umgehen. Eine Auftragsvergabe darf nicht so unterteilt werden, dass sie nicht in den Anwendungsbereich der Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen oder dieser Verordnung fällt, es sei denn, es liegen objektive Gründe dafür vor, etwa wenn eine eigenständige Organisationseinheit selbstständig für ihre Auftragsvergabe oder bestimmte Kategorien der Auftragsvergabe zuständig ist.

(3) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Schätzung des Auftragswerts ist der Tag, an dem die Auftragsbekanntmachung abgesendet wird oder das Vergabeverfahren auf sonstige Weise eingeleitet wird.

(4) Der Wert einer Rahmenvereinbarung oder eines dynamischen Beschaffungssystems wird auf der Grundlage des geschätzten Gesamtwertes aller Einzelaufträge berechnet, die während der gesamten Laufzeit einer Rahmenvereinbarung oder eines dynamischen Beschaffungssystems geplant sind.

(5) Der zu berücksichtigende Wert im Falle einer Innovationspartnerschaft entspricht dem geschätzten Gesamtwert der Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten, die während sämtlicher Phasen der geplanten Partnerschaft stattfinden sollen, sowie der Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen, die zu entwickeln und am Ende der geplanten Partnerschaft zu beschaffen sind.

(6) Bei der Schätzung des Auftragswerts von Bauleistungen ist neben dem Auftragswert der Bauaufträge der geschätzte Gesamtwert aller Liefer- und Dienstleistungen zu berücksichtigen, die für die Ausführung der Bauleistungen erforderlich sind und vom öffentlichen Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden. Die Möglichkeit des öffentlichen Auftraggebers, Aufträge für die Planung und die Ausführung von Bauleistungen entweder getrennt oder gemeinsam zu vergeben, bleibt unberührt.

(7) Kann das beabsichtigte Bauvorhaben oder die vorgesehene Erbringung einer Dienstleistung zu einem Auftrag führen, der in mehreren Losen vergeben wird, ist der geschätzte Gesamtwert aller Lose zugrunde zu legen. Erreicht oder überschreitet der geschätzte Gesamtwert den maßgeblichen Schwellenwert, gilt diese Verordnung für die Vergabe jedes Loses.

(8) Kann ein Vorhaben zum Zweck des Erwerbs gleichartiger Lieferungen zu einem Auftrag führen, der in mehreren Losen vergeben wird, ist der geschätzte Gesamtwert aller Lose zugrunde zu legen.

(9) Der öffentliche Auftraggeber kann bei der Vergabe einzelner Lose von Absatz 7 Satz 3 sowie Absatz 8 abweichen, wenn der geschätzte Nettowert des betreffenden Loses bei Liefer- und Dienstleistungen unter 80 000 Euro und bei Bauleistungen unter 1 Million Euro liegt und die Summe der Nettowerte dieser Lose 20 Prozent des Gesamtwertes aller Lose nicht übersteigt.

(10) Bei regelmäßig wiederkehrenden Aufträgen oder Daueraufträgen über Liefer- oder Dienstleistungen sowie bei Liefer- oder Dienstleistungsaufträgen, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums verlängert werden sollen, ist der Auftragswert zu schätzen

1.
auf der Grundlage des tatsächlichen Gesamtwerts entsprechender aufeinanderfolgender Aufträge aus dem vorangegangenen Haushaltsjahr oder Geschäftsjahr; dabei sind voraussichtliche Änderungen bei Mengen oder Kosten möglichst zu berücksichtigen, die während der zwölf Monate zu erwarten sind, die auf den ursprünglichen Auftrag folgen, oder
2.
auf der Grundlage des geschätzten Gesamtwerts aufeinanderfolgender Aufträge, die während der auf die erste Lieferung folgenden zwölf Monate oder während des auf die erste Lieferung folgenden Haushaltsjahres oder Geschäftsjahres, wenn dieses länger als zwölf Monate ist, vergeben werden.

(11) Bei Aufträgen über Liefer- oder Dienstleistungen, für die kein Gesamtpreis angegeben wird, ist Berechnungsgrundlage für den geschätzten Auftragswert

1.
bei zeitlich begrenzten Aufträgen mit einer Laufzeit von bis zu 48 Monaten der Gesamtwert für die Laufzeit dieser Aufträge, und
2.
bei Aufträgen mit unbestimmter Laufzeit oder mit einer Laufzeit von mehr als 48 Monaten der 48-fache Monatswert.

(12) Bei einem Planungswettbewerb nach § 69, der zu einem Dienstleistungsauftrag führen soll, ist der Wert des Dienstleistungsauftrags zu schätzen zuzüglich etwaiger Preisgelder und Zahlungen an die Teilnehmer. Bei allen übrigen Planungswettbewerben entspricht der Auftragswert der Summe der Preisgelder und Zahlungen an die Teilnehmer einschließlich des Werts des Dienstleistungsauftrags, der vergeben werden könnte, soweit der öffentliche Auftraggeber diese Vergabe in der Wettbewerbsbekanntmachung des Planungswettbewerbs nicht ausschließt.