Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 27. Juli 2012 - 2 Ws 386/12, 2 Ws 387/12

ECLI:ECLI:DE:OLGKOBL:2012:0727.2WS386.12.0A
bei uns veröffentlicht am27.07.2012

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in Diez vom 1. Juni 2012 wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Untergebrachten trägt die Staatskasse (entsprechend § 467 Abs. 1 StPO).

Gründe

I.

1

1.) Das Landgericht Frankfurt am Main verurteilte den Untergebrachten am 14. März 1967 wegen fortgesetzter Unzucht mit einem Mann und Unzucht mit einem Kind in Tateinheit mit Verführung eines Minderjährigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und ordnete seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an. Seit dem 2. Januar 2000 wird die Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt Diez vollstreckt.

2

Mit Beschluss vom 18. November 2011 setzte die Strafvollstreckungskammer die weitere Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung aus und legte den Entlassungszeitpunkt auf den 30. März 2012 fest. Weiter bestimmte sie, dass mit der Entlassung des Untergebrachten Führungsaufsicht eintritt, und erteilte ihm die Weisung, das triebdämpfende Medikament „Androcur“ dauerhaft einzunehmen.

3

Nachdem es laut Mitteilung des Leiters der Justizvollzugsanstalt schon vor Erreichen des festgelegten Entlassungstags zu Unregelmäßigkeiten bei der vorgegebenen Medikamenteneinnahme gekommen war, hob die Strafvollstreckungskammer am 22. März 2012 ihren Aussetzungsbeschluss auf und stellte fest, dass die weitere Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nicht erledigt ist.

4

Auf Beschwerde des Untergebrachten beschloss der Senat am 5. Juni 2012 (2 Ws 183/12), ihm nochmals Gelegenheit zu geben, sich als bewährungsfähig zu erweisen, und setzte unter Aufrechterhaltung der Unterbringungsaussetzung zur Bewährung als neuen Entlassungszeitpunkt den 1. September 2012 fest.

5

2.) Vor dem derzeitigen Maßregelvollzug befand sich der Untergebrachte bis zum 1. Januar 2000 in einer ersten Sicherungsverwahrung aus dem Urteil des Landgerichts Trier vom 21. November 1960 (3 KLs 42/60) wegen Unzucht mit einem Kind. Nach Verbüßung der verhängten Freiheitsstrafe und zweimaliger - nachfolgend jeweils widerrufener - Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung war am 1. Januar 2000 die nach § 67d Abs. 1 StGB a.F. für die erstmalige Unterbringung in der Sicherungsverwahrung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 gültig gewesene Höchstfrist von zehn Jahren erreicht.

6

Im Hinblick auf die im laufenden Maßregelvollzug ergangene Aussetzungsentscheidung der Strafvollstreckungskammer vom 18. November 2011 greift die Staatsanwaltschaft nunmehr auf die bereits im Landeshauptarchiv abgelegt gewesenen Verfahrensakten zurück und beantragt, auf Grundlage des durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 eingefügten § 67d Abs. 3 StGB, mit dem die zehnjährige Höchstfrist entfallen ist, unter Berücksichtigung des zu dieser Vorschrift ergangenen Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (2 BvR 2365/09 u.a.) Fortdauer der ersten Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anzuordnen.

7

Sie ist der Auffassung, dass die Unterbringung nicht nach Art. 316e Abs. 3 EGStGB für erledigt zu erklären sei, da die Anlasstat unter den Deliktskatalog des § 66 Abs. 1 StGB n.F. subsumiert werden könne. Darüber hinaus sei nach dem forensisch-sexualmedizinischen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B. vom 17. Dezember 2010 und aufgrund der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt vom 14. März 2012, wonach der Untergebrachte schon in der beschützten Umgebung der Vollzugsanstalt die triebhemmenden Medikamente nicht regelmäßig einnehme, zu befürchten, dass dieser im Fall seiner Freilassung wiederum Sexualstraftaten an Kindern begehen wird.

8

Die Strafvollstreckungskammer hat mit Beschluss vom 1. Juni 2012 die zuerst angeordnete Sicherungsverwahrung aus dem Urteil des Landgerichts Trier vom 21. November 1960 gemäß Art. 316e Abs. 3 Satz 1 EGStGB für erledigt erklärt. Auf Grundlage der Urteilsfeststellungen sei eine Anordnung dieser Maßregel nach Maßgabe des derzeit geltenden § 66 StGB nicht mehr möglich. Zwar sei die damalige Anlasstat nach heutiger Rechtslage als sexueller Missbrauch von Kindern gem. § 176 Abs. 4 StGB und damit als Katalogtat im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a StGB zu bewerten, jedoch lägen die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht vor. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Untergebrachte, wie in dieser Vorschrift verlangt, wegen Straftaten dergleichen Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal zu Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden war.

9

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft, die die Generalstaatsanwaltschaft begründet hat. Nach ihrer Ansicht kommt es auf die formellen Voraussetzungen einer Unterbringungsanordnung gemäß § 66 StGB nicht an. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Beschluss 5 StR 451/11 vom 25.04.2012) sei eine Erledigungserklärung nach Art. 316e Abs. 3 EGStGB bereits dann ausgeschlossen, wenn sich auch nur eine der Anlass- oder Vortaten dem Katalog des § 66 StGB n.F. zuordnen lässt. Im Übrigen bezieht sie sich wiederum auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B. und eine aktuelle Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt, wonach der Untergebrachte nach wie vor das verschriebene Medikament nicht einnehme, und ist der Auffassung, dass eine Entlassung des Untergebrachten aus dem Maßregelvollzug nicht zu verantworten sei.

II.

10

Das nach §§ 463 Abs. 3, 454 Abs. 3 Satz 1 StPO statthafte und auch sonst zulässige Rechtsmittel hat im Ergebnis keinen Erfolg. Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung aus dem Urteil des Landgerichts Trier vom 21. November 1960 ist für erledigt zu erklären. Ob die Voraussetzungen für diese Entscheidung in Art. 316e Abs. 3 EGStGB zu finden sind, kann dahinstehen. Sie ist schon aus anderen Gründen geboten.

11

1.) Allein durch den Vollzug der zweiten Unterbringung in der Sicherungsverwahrung tritt eine Erledigung der ersten Maßregel jedoch nicht ein. § 67f StGB, der diese Folge bei mehrfacher Anordnung einer Maßregel vorsieht, gilt seinem Wortlaut entsprechend ausschließlich für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Eine analoge Anwendung auf die Maßregel der Sicherungsverwahrung kommt nicht in Betracht (Rissing-van Saan/Peglau in LK StGB § 67f Rdn. 3; Groß in MK StGB § 67f Rdn. 2).

12

2.) Die Erledigung der Maßregel ist auszusprechen, weil die Vorschrift des § 67d Abs. 3 StGB, die eine Verlängerung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus vorsieht, eine solche Entscheidung nicht zulässt.

13

a) Die Vorschrift ist verfassungswidrig (BVerfG, Urteil 2 BvR 2365/09 u.a. vom 4. Mai 2011, NJW 2011, 1931). Sie verletzt, wie die anderen Regelungen über die Anordnung und Dauer der Sicherungsverwahrung auch, das Abstandsgebot und ist deswegen mit dem Freiheitsgrundrecht nach Art. 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar (BVerfG a.a.O. Tenor Nummer II.1.). Soweit sie zur Anordnung der Fortdauer einer erstmaligen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus bei Verurteilten ermächtigt, deren Anlasstaten vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 begangen wurden (sog. „Altfälle“), verstößt sie außerdem gegen das rechtsstaatliche Vertrauensschutzgebot und damit gegen das Freiheitsgrundrecht nach Art. 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (BVerfG a.a.O. Tenor Nummer II. 2.; Absatz-Nr. 131). In Anbetracht des erheblichen Grundrechtseingriffs tritt in diesen „Altfällen“ der legitime Zweck der Maßregelvorschriften, die Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern zu schützen, weitgehend hinter das grundrechtlich geschützte Vertrauen in ein Ende der Sicherungsverwahrung nach Ablauf von zehn Jahren zurück (BVerfG a.a.O. Absatz-Nr. 156). Die durch Urteil vom 21. November 1960 angeordnete Sicherungsverwahrung stellt einen solchen „Altfall“ dar, so dass hier beide Grundrechtsverstöße zur Geltung kommen.

14

b) Zwar gelten die von der Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz betroffenen Vorschriften und damit auch § 67d Abs. 3 StGB trotz ihrer Verfassungswidrigkeit bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 31. Mai 2013 weiter fort (BVerfG a.a.O. Tenor Nummer III.), jedoch nur nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung, insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen an die Gefahrenprognose und die gefährdeten Rechtsgüter (BVerfG a.a.O. Absatz-Nr. 172). Während der Übergangszeit dürfen Eingriffe nur soweit reichen, als sie unerlässlich sind, um die Ordnung des betroffenen Lebensbereichs aufrechtzuerhalten. Bei Anwendung der Vorschriften, die allein aufgrund einer Verletzung des Abstandsgebots mit dem Grundgesetz unvereinbar sind, wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz regelmäßig nur unter der Voraussetzung gewahrt sein, dass eine Gefahr schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist (BVerfG a.a.O.).

15

In Bezug auf die „Altfälle“, in denen die zu einer Fortdauer der Unterbringung über zehn Jahre hinaus führenden Vorschriften auch gegen das Vertrauensschutzgebot verstoßen, gilt ein weiter modifizierter, noch strengerer Verhältnismäßigkeitsmaßstab. Die Fortdauer darf nur noch angeordnet werden, wenn eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist und dieser an einer psychischen Störung im Sinne von § 1 Absatz 1 Nummer 1 des Therapieunterbringungsgesetzes leidet (BVerfG a.a.O. Tenor Nummer III. 1. Buchst. a; BGH, Beschl. 5 StR 394/10 u.a. vom 23.05.2011, NJW 2011, 1981).

16

c) Ob diese gesteigerten Anforderungen an die Gefahrprognose und die gefährdeten Rechtsgüter im vorliegenden „Altfall“ erfüllt sind, kann dahinstehen. Die Fortdauer der Unterbringung aus dem Urteil vom 21. November 1960 ist schon deswegen nicht mehr unerlässlich und damit unverhältnismäßig, weil der Untergebrachte sich aufgrund Anordnung im Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14. März 1967 derzeit zum zweiten Mal im Maßregelvollzug der Sicherungsverwahrung befindet. Dort kann dem Schutzinteresse der Allgemeinheit hinreichend Rechnung getragen werden. Defizite in der Überprüfung der laufenden Maßregel zu Lasten des Allgemeininteresses gegenüber der für die erste Unterbringung zu treffenden Fortdauerentscheidung bestehen nicht. Im Gegenteil. Da auch nach altem Recht die Höchstdauer lediglich für die erstmalige Anordnung der Maßregel galt, für die wiederholte Anordnung dagegen keine Befristung vorgesehen war, verstößt die zehn Jahre überschreitende Fortdauer der laufenden Sicherungsverwahrung nicht gegen das rechtsstaatliche Vertrauensschutzgebot (vgl. bereits Senatsbeschluss vom 05.06.2012 S. 10). Ihre Überprüfung ist daher nach dem vom Bundesverfassungsgericht in Bezug auf die Verletzung des Abstandsgebots entwickelten Maßstab vorzunehmen. Die für die Verletzung des Vertrauensschutzgebots modifizierten und strengeren Verhältnismäßigkeitsanforderungen gelten nicht, so dass in der zweiten Sicherungsverwahrung selbst unter Beachtung der verfassungsgerichtlichen Vorgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung das Schutzinteresse der Allgemeinheit mehr Berücksichtigung finden kann als in der Entscheidung über die Fortdauer der ersten Unterbringung. Wie die erste vom 21. November 1960 hat auch die zweite Verurteilung vom 14. März 1967 sexuellen Missbrauch eines Kindes zum Gegenstand, so dass sich in Bezug auf das zu schützende Rechtsgut kein unterschiedlicher Prüfungsmaßstab ergibt.

17

Zwar ist, wie eingangs dargestellt, der Vollzug der zweiten Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt. Der Untergebrachte befindet sich jedoch noch nicht auf freiem Fuß. Der Senat hat den Entlassungszeitpunkt gem. §§ 463 Abs. 1, 454a Abs. 1 StPO auf den 1. September 2012 festgesetzt in der Erwartung, der Untergebrachte werde bis dahin seine Fähigkeit und seinen bekundeten Willen zur täglichen Medikamenteneinnahme unter Beweis gestellt haben. Sollte sich herausstellen, dass er dieser bei Aussetzung der Maßregel in ihn gesetzten Erwartung nicht gerecht wird, kann die Vollstreckungskammer die Aussetzung gem. § 454a Abs. 2 Satz 1 StPO wieder aufheben.

18

d) Fehlt es für die Fortdauer der ersten Sicherungsverwahrung schon an der Voraussetzung der Unerlässlichkeit, kann es offen bleiben, ob das rechtsstaatliche Vertrauensschutzgebot hier nicht in jedem Fall, unabhängig von den besonders strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen, dazu führen muss, die Maßregel für erledigt zu erklären. Denn der Vertrauensschutz des Untergebrachten gewinnt hier in zweifacher Hinsicht an Gewicht. Konnte er auf ein Ende der Sicherungsverwahrung nach Ablauf von zehn Jahren vertrauen, musste er erst Recht nicht damit rechnen, dass seine vertrauensgeschützte Rechtsposition noch zwölf Jahre nach Erreichen der Zehnjahresgrenze, wie von der Staatsanwaltschaft nunmehr beantragt, durch eine Fortdauerentscheidung wieder in Frage gestellt werden kann (vgl. BVerfG, Beschl. 2 BvR 847/09 vom 08.06.2009 Absatz-Nr. 18). Hinweise, dass die Entscheidung über die Erledigung der ersten Unterbringung nach § 67d Abs. 3 StGB noch ausstehe, hat ihm die Vollzugsbehörde zu keiner Zeit erteilt, auch nicht vor Fristablauf, obwohl die Befristung mit Einführung des § 67d Abs. 3 StGB schon zwei Jahre vor Fristende durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 entfallen ist.Selbst die im genannten Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2 BvR 2365/09 vom 4. Mai 2011 unter Nummer III. 2. Buchstabe b) des Tenors unter Fristsetzung bis zum 31. Dezember 2011 ausgesprochene Verpflichtung der zuständigen Gerichte, unverzüglich zu überprüfen, ob in den „Altfällen“ die strengen Fortdauervoraussetzungen bei den betroffenen Untergebrachten gegeben sind (vgl. auch BGH a.a.O.), hat der Vollzugsbehörde keinen Anlass gegeben, eine Entscheidung zur Fortdauer der ersten Sicherungsverwahrung bei der Strafvollstreckungskammer zu beantragen.

19

Letztlich kann die Reichweite des Vertrauensschutzes hier dahinstehen, da bereits die fehlende Unerlässlichkeit und damit die Unverhältnismäßigkeit des weiteren Vollzugs der ersten Sicherungsverwahrung Anlass gibt, die Maßregel für erledigt zu erklären (vgl. BGH a.a.O.).

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(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
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2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) sind nur anzuwenden, wenn die Tat oder mindestens eine der Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden soll, nach dem 31. Dezember 2010 begangen worden ist. In allen anderen Fällen ist das bisherige Recht anzuwenden, soweit in den Absätzen 2 und 3 sowie in Artikel 316f Absatz 2 und 3 nichts anderes bestimmt ist.

(2) Sind die Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung nach § 66 des Strafgesetzbuches angeordnet werden soll, vor dem 1. Januar 2011 begangen worden und ist der Täter deswegen noch nicht rechtskräftig verurteilt worden, so ist § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung anzuwenden, wenn diese gegenüber dem bisherigen Recht das mildere Gesetz ist.

(3) Eine nach § 66 des Strafgesetzbuches vor dem 1. Januar 2011 rechtskräftig angeordnete Sicherungsverwahrung erklärt das Gericht für erledigt, wenn die Anordnung ausschließlich auf Taten beruht, die nach § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung nicht mehr Grundlage für eine solche Anordnung sein können. Das Gericht kann, soweit dies zur Durchführung von Entlassungsvorbereitungen geboten ist, als Zeitpunkt der Erledigung spätestens den 1. Juli 2011 festlegen. Zuständig für die Entscheidungen nach den Sätzen 1 und 2 ist das nach den §§ 454, 462a Absatz 1 der Strafprozessordnung zuständige Gericht. Für das Verfahren ist § 454 Absatz 1, 3 und 4 der Strafprozessordnung entsprechend anzuwenden; die Vollstreckungsbehörde übersendet die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichtes, die diese umgehend dem Gericht zur Entscheidung übergibt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug tritt Führungsaufsicht ein.

(4) § 1 des Therapieunterbringungsgesetzes vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300, 2305) ist unter den dortigen sonstigen Voraussetzungen auch dann anzuwenden, wenn der Betroffene noch nicht in Sicherungsverwahrung untergebracht, gegen ihn aber bereits Sicherungsverwahrung im ersten Rechtszug angeordnet war und aufgrund einer vor dem 4. Mai 2011 ergangenen Revisionsentscheidung festgestellt wurde, dass die Sicherungsverwahrung ausschließlich deshalb nicht rechtskräftig angeordnet werden konnte, weil ein zu berücksichtigendes Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung dem entgegenstand, ohne dass es dabei auf den Grad der Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit angekommen wäre.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
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a)
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b)
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c)
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2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) sind nur anzuwenden, wenn die Tat oder mindestens eine der Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden soll, nach dem 31. Dezember 2010 begangen worden ist. In allen anderen Fällen ist das bisherige Recht anzuwenden, soweit in den Absätzen 2 und 3 sowie in Artikel 316f Absatz 2 und 3 nichts anderes bestimmt ist.

(2) Sind die Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung nach § 66 des Strafgesetzbuches angeordnet werden soll, vor dem 1. Januar 2011 begangen worden und ist der Täter deswegen noch nicht rechtskräftig verurteilt worden, so ist § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung anzuwenden, wenn diese gegenüber dem bisherigen Recht das mildere Gesetz ist.

(3) Eine nach § 66 des Strafgesetzbuches vor dem 1. Januar 2011 rechtskräftig angeordnete Sicherungsverwahrung erklärt das Gericht für erledigt, wenn die Anordnung ausschließlich auf Taten beruht, die nach § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung nicht mehr Grundlage für eine solche Anordnung sein können. Das Gericht kann, soweit dies zur Durchführung von Entlassungsvorbereitungen geboten ist, als Zeitpunkt der Erledigung spätestens den 1. Juli 2011 festlegen. Zuständig für die Entscheidungen nach den Sätzen 1 und 2 ist das nach den §§ 454, 462a Absatz 1 der Strafprozessordnung zuständige Gericht. Für das Verfahren ist § 454 Absatz 1, 3 und 4 der Strafprozessordnung entsprechend anzuwenden; die Vollstreckungsbehörde übersendet die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichtes, die diese umgehend dem Gericht zur Entscheidung übergibt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug tritt Führungsaufsicht ein.

(4) § 1 des Therapieunterbringungsgesetzes vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300, 2305) ist unter den dortigen sonstigen Voraussetzungen auch dann anzuwenden, wenn der Betroffene noch nicht in Sicherungsverwahrung untergebracht, gegen ihn aber bereits Sicherungsverwahrung im ersten Rechtszug angeordnet war und aufgrund einer vor dem 4. Mai 2011 ergangenen Revisionsentscheidung festgestellt wurde, dass die Sicherungsverwahrung ausschließlich deshalb nicht rechtskräftig angeordnet werden konnte, weil ein zu berücksichtigendes Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung dem entgegenstand, ohne dass es dabei auf den Grad der Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit angekommen wäre.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
In dem Verfahren nach Art. 316e Abs. 3 Satz 1 EGStGB ist die
nach § 66 StGB aF angeordnete Sicherungsverwahrung nur
dann für erledigt zu erklären, wenn alle für die Anordnung der
Sicherungsverwahrung kausalen Taten aus den Anlass- und
den Vorverurteilungen nicht mehr in den Katalog des § 66
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB in der am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen
Fassung fallen.
BGH, Beschluss vom 25. April 2012 - 5 StR 451/11
OLG Frankfurt a. M. -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 25. April 2012
in der Strafvollstreckungssache
gegen
wegen Diebstahls
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. April 2012

beschlossen:
In dem Verfahren nach Art. 316e Abs. 3 Satz 1 EGStGB ist die nach § 66 StGB aF angeordnete Sicherungsverwahrung nur dann für erledigt zu erklären, wenn alle für die Anordnung der Sicherungsverwahrung kausalen Taten aus den Anlass- und den Vorverurteilungen nicht mehr in den Katalog des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB in der am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Fassung fallen.
G r ü n d e

I.

1
Dem Vorlegungsverfahren liegt Folgendes zugrunde:
2
1. Das Landgericht Fulda verhängte gegen den Verurteilten am 10. Dezember 2007 wegen Diebstahls in drei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten und ordnete seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an. Der Verurteilung lagen drei Diebstähle im besonders schweren Fall zugrunde. Der Verurteilte führte diese im Mai und August 2005 und im April 2007 für einen Auftraggeber aus, indem er aus zwei Wohnhäusern und einem Geschäftshaus Gegenstände in einem Ge- samtwert von mehr als 1 Mio. € entwendete.
3
Die Anordnung der Sicherungsverwahrung erfolgte gemäß § 66 Abs. 1 StGB in der bis zum 31. Dezember 2010 gültigen Fassung (aF). Die Voraus- setzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF wurden durch zwei Vorverurteilungen erfüllt:
4
Am 30. Januar 1991 hatte das Landgericht Darmstadt gegen den Verurteilten wegen schwerer räuberischer Erpressung eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verhängt. Der Verurteilte hatte mit einem Mittäter einen Banküberfall begangen.
5
Am 31. Juli 1996 hatte das Landgericht Darmstadt den Verurteilten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dem lag wiederum ein Banküberfall zugrunde, den der Verurteilte während eines Hafturlaubs im Rahmen der Verbüßung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 30. Januar 1991 verübt hatte.
6
Auch die materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung hielt das Landgericht Fulda für gegeben. Sachverständig beraten bejahte es bei dem Verurteilten eine „intensive Neigung zu Rechtsbrüchen , insbesondere zu Banküberfällen und Diebstählen im besonders schweren Fall“ (UA S. 41 f.), und sah die „naheliegende Gefahr“, dass er wei- tere erhebliche rechtswidrige Taten, „insbesondere Diebstähle im besonders schweren Fall“, begehen werde. Für die Allgemeinheit bestehe „zumindest“ die Gefahr, dass der Verurteilte schweren wirtschaftlichen Schaden anrichten werde (UA S. 44).
7
2. Derzeit verbüßt der Verurteilte die Gesamtfreiheitsstrafe aus dem vorgenannten Urteil des Landgerichts Fulda. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 20. Dezember 2010 lehnte das Landgericht Gießen die Aussetzung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung ab. Das Strafende ist auf den 17. Dezember 2012 notiert; im Anschluss daran wäre die Sicherungsverwahrung zu vollstrecken.
8
3. Auf Antrag des Verurteilten hat das Landgericht Gießen mit Beschluss vom 11. Mai 2011 die Sicherungsverwahrung gemäß Art. 316e Abs. 3 Satz 1 EGStGB für erledigt erklärt. Unter Bezugnahme auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 1. April 2011 (NStZ 2011, 703) hat die Strafvollsteckungskammer die Auffassung vertreten, dass Art. 316e Abs. 3 Satz 1 EGStGB die Erledigungserklärung vorsehe, wenn die Sicherungsverwahrung auf Grundlage der im anordnenden Urteil getroffenen Feststellungen nach § 66 StGB in der am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Fassung (nF) aktuell nicht mehr angeordnet werden könnte, weil dessen Voraussetzungen nicht mehr vorlägen. Dies sei der Fall, da die vom Verurteilten begangenen Diebstähle nach § 66 Abs. 1 StGB nF keine tauglichen Anlasstaten mehr seien.
9
Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Fulda, der die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main beigetreten ist. In ihrer Stellungnahme begründete die Generalstaatsanwaltschaft dies damit, dass eine Erledigung der Sicherungsverwahrung nach Art. 316e Abs. 3 Satz 1 EGStGB sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem Willen des Gesetzgebers bereits dann nicht möglich sei, wenn auch nur eine der Anlass- und Vortaten in den Katalog des § 66 Abs. 1 StGB nF falle.
10
4. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main beabsichtigt, auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft den Beschluss der Strafvollstreckungskammer aufzuheben. Schon nach dem Wortlaut des Art. 316e Abs. 3 Satz 1 EGStGB lägen die Voraussetzungen für die Anordnung der Erledigung der Sicherungsverwahrung im verfahrensgegenständlichen Fall nicht vor, da beide Vortaten in den Katalog des § 66 Abs. 1 StGB nF fielen. Auch die Gesetzesbegründung mache deutlich, dass bei der Erledigungsprüfung nicht allein die Anlasstat, sondern jeweils auch die Vortaten in den Blick zu nehmen seien.
11
An der beabsichtigten Entscheidung sieht sichdas Oberlandesgericht Frankfurt am Main durch den genannten Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 1. April 2011 (aaO) gehindert und hat die Sache zur Entscheidung folgender Rechtsfrage dem Bundesgerichtshof vorgelegt: Ist in dem Verfahren nach Art. 316e Abs. 3 Satz 1 EGStGB die nach § 66 StGB aF angeordnete Sicherungsverwahrung ohne Berücksichtigung der Vorverurteilungen schon immer dann für erledigt zu erklären, wenn die der Anlassverurteilung zugrunde liegende Tat nicht mehr in den Katalog des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB in der am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Fassung fällt?
12
5. Der Generalbundesanwalt beantragt, die Vorlegungsfrage zu bejahen und die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landgerichts Gießen vom 11. Mai 2011 als unbegründet zu verwerfen. Er teilt die Rechtsauffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts nicht. Die dort favorisierte Auslegung enge den Anwendungsbereich der Erledigterklärung über Gebühr ein und versage Personen eine Aufhebung der gegen sie angeordneten Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, die nach der aktuellen Rechtslage eine Maßregelanordnung nicht mehr zu gewärtigen hätten. Dies entspreche nicht dem mit der Einführung eines Erledigungsverfahrens verfolgten Ziel des Gesetzgebers, die durch die Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung bewirkte Verengung des Anwendungsbereichs des § 66 StGB auch gegenüber solchen Personen anzuerkennen , gegen die die Maßregel nach altem Recht bereits rechtskräftig angeordnet worden sei.

II.


13
Die Vorlegungsvoraussetzungen gemäß § 121 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3 GVG liegen vor. Der Senat hält die Rechtsauffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts, die vom Oberlandesgericht Celle (NStZ 2012, 96, 97) obiter dictu geteilt wird, für zutreffend. Eine Erledigterklärung im formalisierten Verfahren nach Art. 316e Abs. 3 Satz 1 EGStGB ist ausgeschlossen, wenn sich auch nur eine der Anlass- oder Vortaten dem Katalog des § 66 StGB nF zuordnen lässt.
14
1. Dieses Verständnis legt bereits der Wortlaut der Norm zwingend nahe.
15
Nach Art. 316e Abs. 3 Satz 1 EGStGB erklärt das Gericht eine nach § 66 StGB vor dem 1. Januar 2011 rechtskräftig angeordnete Sicherungs- verwahrung für erledigt, wenn die Anordnung „ausschließlich auf Taten beruht“ , die nach § 66 StGB in der seitdem geltenden Fassung nicht mehr Grundlage für eine Anordnung sein können. In den Fällen, in denen sich die Anordnung der Sicherungsverwahrung auf § 66 Abs. 1 StGB aF stützt, sind neben einer Anlasstat qualifizierte Vorverurteilungen erforderlich; dort „be- ruht“ die Anordnung der Sicherungsverwahrung sowohl auf den Anlass- als auch auf den Vortaten. Der Regelung ist nicht zu entnehmen, dass sich der Begriff „Taten“ nur auf Anlasstatenbeziehen soll; vielmehr wird er als Oberbegriff für Anlass- und Vortaten verwendet.
16
Anders als das Landgericht Gießen in seiner angefochtenen Entscheidung meint, hätte es keiner Präzisierung im Wortlaut der Vorschrift bedurft, um diesen Regelungsgehalt zum Ausdruck zu bringen. Im Gegenteil: Hätte der Gesetzgeber eine Regelung treffen wollen, die eine Erledigungserklärung schon dann vorsähe, wenn nach Maßgabe des neuen Rechts die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht gegeben wären, so hätte eine entsprechend einfache, unmissverständliche Gesetzesformulierung auf der Hand gelegen. Zudem hat der Gesetzgeber in Regelungen in Art. 316e Abs. 1 und 2 EGStGB, die sich allein auf Anlasstaten beziehen, klare andere Formulierungen gewählt. Hinzu kommt schließlich , dass der Gesetzgeber die ihm unterstellte Intention, jede nach § 66 StGB aF angeordnete Sicherungsverwahrung, welche die formellen Anforderungen des § 66 StGB nF nicht erfüllt, für erledigt zu erklären, mit der gewählten Formulierung des Art. 316e Abs. 3 Satz 1 EGStGB, bei der sich jedoch der Begriff „Taten“ nur auf Anlasstaten beziehen würde, überhaupt nicht verwirklicht hätte: In den Fällen des § 66 Abs. 2 StGB aF, in denen es auf Vortaten nicht ankommt, würde ein solches Begriffsverständnis nämlich gerade nicht dazu führen, dass die Sicherungsverwahrung immer dann erledigt werden müsste, wenn sie nach neuem Recht nicht mehr angeordnet werden könnte. Denn in Fällen, in denen von mehreren erforderlichen Anlasstaten auch nur eine einzige dem Straftatenkatalog des § 66 StGB nF unterfiele, mithin die Sicherungsverwahrung nicht mehr angeordnet werden könnte, fände eine Erledigung nach Art. 316e Abs. 3 Satz 1 EGStGB gleichwohl nicht statt.
17
Insgesamt bringt der Wortlaut des Art. 316e Abs. 3 Satz 1 EGStGB deutlich zum Ausdruck, dass gerade nicht jede Unterbringung für erledigt erklärt werden soll, die heute nicht mehr angeordnet werden könnte.
18
2. Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers.
19
a) Eine übergeordnete Norm, die den Gesetzgeber gezwungen hätte, die Erledigung rechtskräftig angeordneter Sicherungsverwahrungen in allen Fällen herbeizuführen, die nach Maßgabe des neuen Rechts bereits die formellen Voraussetzungen des § 66 StGB nicht mehr erfüllt hätten, ist nicht ersichtlich.
20
Verfassungsrechtlich abgesicherte Vertrauensschutzbelange (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, Art. 7 Abs. 1, Art. 5 MRK), die im Bereich der Sicherungsverwahrung gelten (vgl. BVerfGE 128, 326), sind durch die Rechtsänderung nicht berührt.
21
Zwar wird das in § 2 Abs. 3 StGB festgelegte Meistbegünstigungsgebot teilweise als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips und als Ausprägung verhältnismäßiger Gerechtigkeit, mithin als Grundsatz mit Verfassungsrang, angesehen (so Dannecker in LK, StGB, 12. Aufl., § 2 Rn. 55 mwN; vgl. auch Art. 15 Abs. 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte). Indes gilt dieses Gebot nicht im Bereich der Maßregeln (vgl. § 2 Abs. 6 StGB) und überdies nur für Fälle der Rechtsänderung „vor der Ent- scheidung“.
22
Rechtskräftige Strafurteile werden durch eine nach Eintritt der Rechtskraft vorgenommene Milderung des Strafgesetzes grundsätzlich nicht berührt. Es steht vielmehr im Ermessen des Gesetzgebers, ob die Milderung eines Strafgesetzes auch auf rechtskräftige Verurteilungen ausgedehnt werden soll. Das Grundgesetz schreibt eine solche Rückwirkung nicht vor (BVerfGE 4, 110). Von einer „willkürlichen Grenzziehung der Rechtskraft“ (vgl. Pollähne, ZJS 2011, 216, 219) kann insoweit keine Rede sein. Vielmehr ist es Wesen der Rechtskraft, Rechtssicherheit herzustellen. Der Gesetzgeber handelt nicht willkürlich, wenn er der Rechtssicherheit Vorrang vor der Einzelfallgerechtigkeit gibt (vgl. BVerfGE 19, 150, 166 mwN). Trifft er keine entsprechenden Übergangsregelungen, so ist eine Rechtskraftdurchbrechung grundsätzlich nur auf dem Wege der Gnade möglich. Speziell innerhalb des Maßregelrechts bieten allerdings die Prüfungsverfahren nach § 67c Abs. 1, § 67e Abs. 1 StGB für eine Neuorientierung eine gesetzliche Handhabe.
23
b) Im Zuge der Änderungen der Voraussetzungen des § 66 StGB durch das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) hat sich der Gesetzgeber entschieden, mit Art. 316e Abs. 3 Satz 1 EGStGB eine Übergangsregelung zu treffen. Er wollte ein – gegenüber dem Prüfungsverfahren nach § 67c Abs. 1, § 67e Abs. 1 StGB vereinfachtes – Verfahren zur Erledigung auf der Grundlage alten Rechts rechtskräftig angeord- neter Sicherungsverwahrungen ohne weitere Hang- oder Gefährlichkeitsprüfung zur Verfügung stellen. Im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens wollte er dabei jedoch nicht so weit gehen, eine Erledigung für all diejenigen Unterbringungsfälle vorzusehen, bei denen eine Anordnung der Sicherungsverwahrung nach der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Gesetzeslage nicht mehr möglich wäre; er wollte auch nicht die Erledigung ohne Rücksicht auf die rechtliche Qualität der Vorverurteilung für alle die Fälle herbeiführen, in denen die den Anlass der Maßregelanordnung bildende Tat nicht mehr unter den Katalog des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB nF fällt.
24
Dieser Wille geht klar aus der Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und FDP (BT-Drucks. 17/3403, S. 50, 51) hervor, der Grundlage des Gesetzgebungsverfahrens war und zu der Neuregelung führte. Zwar wird dort einleitend als Regelungsziel der Rechtsgedanke formuliert , dass der (zukünftig) engere Anwendungsbereich des § 66 StGB nF auch denen zugute kommen solle, gegen die Sicherungsverwahrung bereits rechtskräftig angeordnet sei. Wenn bestimmte Delikte die Sicherungsverwahrung nicht mehr rechtfertigen könnten, erscheine es als Gebot der Gerechtig- keit, die Sicherungsverwahrung in solchen Fällen „grundsätzlich“ auch nicht mehr zu vollstrecken (aaO, S. 50). Daher sei in solchen Fällen die Siche- rungsverwahrung vom zuständigen Gericht „grundsätzlich“ für erledigt zu erklären (aaO, S. 51).
25
Dass der Gesetzentwurf diesem „Leitbild eines gerechtigkeitsmotivier- ten Unterbringungsverzichts“ (so die Stellungnahme desGeneralbundesan- walts, S. 10, 11, unter Bezugnahme auf Pollähne, aaO, S. 218) jedoch nicht uneingeschränkt folgt, ergibt sich aus den weiteren Ausführungen der Entwurfsbegründung. Das Erledigungsverfahren nach Art. 316e Abs. 3 Satz 1 EGStGB soll danach nur dann greifen, „wenn alle Taten, die nach bisherigem Recht die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB erfüllten, nicht mehr unter den Katalog des neuen Rechts fallen würden“. Es sei zu klären, ob die „damaligen Anlass- und Vor- taten“ auch vom zukünftigen Katalog des § 66 StGB erfasst wären.Wenn eine oder mehrere Taten auch die Voraussetzungen des § 66 StGB nF erfüll- ten, könne nämlich nicht mehr „im Wege einer typisierenden Betrachtung“ angenommen werden, dass der Täter allein im Hinblick auf die Begehung solcher Taten rückfallgefährdet sei, die nach neuem Recht die Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht mehr gestatteten. Daraus folge allerdings lediglich, dass sich diese „Mischfälle“ nicht für eine pauschale, von Gesetzes wegen vorgegebene Erledigung der Sicherungsverwahrung eigneten (aaO, S. 51). Der Entwurf, dem der Gesetzgeber gefolgt ist, überlässt diese „Misch- fälle“ damit den allgemeinen Prüfungsverfahren nach § 67c Abs. 1, § 67e Abs. 1 StGB.
26
c) Zwar hätte der Senat – in der Tendenz insoweit dem Generalbundesanwalt folgend – eine Übergangsregelung im Sinne einer Erledigung aller rechtskräftig angeordneten Sicherungsverwahrungen, die nach neuem Recht nicht mehr die formellen Voraussetzungen des § 66 StGB erfüllen würden, unter den Gesichtspunkten der materiellen Gerechtigkeit, der Rechtsklarheit und der Verfahrensökonomie für vorzugswürdig erachtet. Die mit der Neuregelung verwirklichten deutlich strengeren Anforderungen für die Verhängung der Sicherungsverwahrung werden auch eine Anordnung ihres (weiteren) Vollzugs durch die Strafvollstreckungskammer im Rahmen der Prüfung nach § 67c Abs. 1, § 67e Abs. 1 StGB in Fällen, in denen die Maßregel jetzt gar nicht mehr angeordnet werden dürfte, nur bei gleichwohl ausnahmsweise bestehender hochgradiger Gefährlichkeit des Verurteilten für im Sinne von § 66 StGB nF spezifische Rechtsgüter gestatten. Derartige Rechtssicherheit zum Schutze der Allgemeinheit in Ausnahmefällen durch eine flexiblere Übergangsregelung zu ermöglichen und sie nicht im Interesse ausnahmsloser Gleichbehandlung von Alt- und Neufällen von vornherein auszuschließen, stand dem Gesetzgeber aber frei. Es kann ihm nicht unterstellt werden, er habe sich sowohl im Gesetzestext als auch in der Begründung „vergalop- piert“ (so Pollähne, aaO, S.218). Es besteht, ungeachtet der eingangs pau- schal weit gefassten Formulierung zum Regelungsziel, kein Widerspruch in den Gesetzesmotiven:
27
Die Anlasstat ist – wie auch die Vortaten – bloßer Anknüpfungspunkt für das Merkmal der Gefährlichkeit, nicht deren Anordnungsgrund (BVerfGE 109, 133, 174). Hinter der Herausnahme insbesondere der gewaltlosen Vermögens- und Eigentumsdelikte aus dem Katalog tauglicher Anlassund Vortaten steht die Annahme, dass sich in der Regel auch die hangbedingte Gefährlichkeit des Täters nur auf die erneute Begehung solcher Taten erstreckt, da die Anlass- und Vortaten symptomatisch sowohl für den Hang als auch für die Gefährlichkeit des Täters sein müssen (BT-Drucks. 17/3403, S. 51). Fällt ein Teil der Taten auch nach neuem Recht unter den Katalog tauglicher Anlass- und Vortaten, so können diese im Einzelfall durchaus Symptom dafür sein, dass sich die hangbedingte Gefährlichkeit des Täters auf die erneute Begehung solcher Taten erstreckt.
28
Die formellen Voraussetzungen des § 66 StGB markieren insoweit le- diglich den „Türöffner“ für den Eintritt in eine qualifizierte Gefährlichkeitsprü- fung (Hang und Allgemeingefährlichkeit). Nach den Wertungen des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung sollen ein Hang zu gewaltlosen Eigentums- oder Vermögensdelikten und eine entsprechende Gefährlichkeit des Täters für die Anordnung der Sicherungsverwahrung grundsätzlich nicht mehr ausreichen. Diese Änderung des Anordnungsgrundes hat eine Neubestimmung des „Türöffners“, nämlich der formellen Kriterien des § 66 StGB, nach sich gezogen. Die Altfälle, in denen die Sicherungsverwahrung im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung bereits rechtskräftig angeordnet war, haben den damals gültigen „Türöffner“ bereits passiert; Hang und Allgemeingefährlichkeit wurden rechtskräftig festgestellt. Im Hinblick auf die im Zeitpunkt der Maßregelanordnung geltenden weiteren Hang- und Gefährlichkeitskriterien stellt sich allerdings die Frage, ob die nun enger definierte Gefährlichkeit hinreichend belegt ist. Das hat der Gesetzge- ber im Wege „typisierender Betrachtung“ jedenfalls für die Fälle verneint, bei denen keine der Anlass- und Vortaten mehr die formellen Voraussetzungen des § 66 StGB nF erfüllen würde. Hier ist es nämlich nahezu ausgeschlossen , dass bei individueller Betrachtung eine den engeren Maßstäben des § 66 StGB genügende Gefährlichkeit des Täters festgestellt werden könnte. Alle anderen Fälle überlässt der Gesetzgeber demgegenüber einer individu- ellen Prüfung. Er geht dabei davon aus, dass die „weitere Vollstreckung der Sicherungsverwahrung in absehbarer Zeit zumindest nach § 67d Abs. 2 StGB zur Bewährung auszusetzen“ ist, wenn das Gericht auf der Grundlage einer aktuellen Gefährlichkeitsprüfung zur Überzeugung gelangt, dass sich eine vom Täter etwa weiterhin ausgehende Rückfallgefahr nur auf solche Taten bezieht, die nach neuem Recht nicht mehr taugliche Anlass- oder Vortaten für die Sicherungsverwahrung sein können (BT-Drucks. 17/3403, S. 51).
29
3. Auch aus dem „systematischen Standort“ des Art. 316e Abs. 3 Satz 1 EGStGB – auf den der Generalbundesanwalt in der Begründung seines Antrags entscheidend abstellt – lassen sich zum Inhalt der Regelung keine der Auffassung des Senates widersprechenden Gesichtspunkte entnehmen.
30
Die bloße Nachbarschaft zu Art. 313 EGStGB begründet noch keinen gesetzessystematischen Zusammenhang, der einen bestimmten Regelungsinhalt des Art. 316e Abs. 3 Satz 1 EGStGB indizieren könnte. Eine „offensichtliche Parallele zur Regelung des Art. 313 Abs. 1 EGStGB“, die als „Beleg für ein allein an Gerechtigkeits- und nicht an Gefährlichkeitserwägungen orientiertes Erledigungsverfahren“ herangezogen werden könnte, besteht – entgegender Auffassung des Generalbundesanwalts – nicht. Zwar beruft sich der Gesetzentwurf im Eingang der Begründung zu Art. 316e Abs. 3 Satz 1 EGStGB auf den Rechtsgedanken des Art. 313 EGStGB. In der weiteren Begründung rückt er jedoch – wie dargelegt – von einer vollständigen Übernahme dieses Rechtsgedankens ab und stellt dabei gerade Gefährlichkeitserwägungen in den Mittelpunkt. Dies erscheint angesichts der Unter- schiedlichkeit des Regelungsgegenstandes von Art. 313 EGStGB einerseits und Art. 316e Abs. 3 Satz 1 EGStGB andererseits auch nicht widersprüchlich oder gar willkürlich. Denn Art. 313 EGStGB betrifft den Erlass von rechtskräftig verhängten Strafen für nach gesetzlicher Neuregelung nicht mehr als strafwürdig angesehene Taten. Demgegenüber ist Anordnungsgrund der Sicherungsverwahrung die Gefährlichkeit des Straftäters; die formellen Voraussetzungen des § 66 StGB markieren nur symptomatische Kriterien für diese Gefährlichkeit.

III.


31
Nach dem oben (unter II. 2. c) Gesagten verstößt die Regelung des Art. 316e Abs. 3 Satz 1 EGStGB, insbesondere mit Blick auf die allgemeinen Vorschriften über die Überprüfung der Unterbringung nach § 67c Abs. 1, § 67e Abs. 1 StGB, auch nicht gegen das Willkürverbot, das der Gesetzgeber bei der Gestaltung von Übergangsregelungen zu beachten hat (vgl. BVerfGE 44, 1, 21; BGH, Urteil vom 26. Oktober 2011, IV ZR 150/10, NJW 2012, 231 Rn. 24).

IV.


32
Die Vorlegungsfrage ist daher wie aus dem Leitsatz ersichtlich zu beantworten.
33
Demnach hat die Prüfung der Erledigung der Sicherungsverwahrung oder der Aussetzung ihrer Vollstreckung zur Bewährung in „Mischfällen“ (vgl. zur Eingrenzung dieses Begriffs OLG Karlsruhe NStZ 2011, 581; OLG München , Beschluss vom 24. Oktober 2011 – 1 Ws 868-869/11; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 17. November 2011 – 2 Ws 85/11 Rn. 109 ff.), zu denen auch der verfahrensgegenständliche Fall gehört, nach den allgemeinen Regeln der § 67c Abs. 1, § 67e Abs. 1, § 67d Abs. 2 StGB zu erfolgen. Der Senat geht dabei davon aus, dass die Änderung des § 66 StGB die Strafvollstreckungskammern in diesen Fällen zu einer Prüfung der Erledigung oder Aussetzung von Amts wegen verpflichtet. Im Rahmen dieser Prüfung sind die einschränkenden Maßgaben aufgrund der Fortgeltungsanordnung im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (BVerfGE 128, 326) zu beachten (vgl. zu der dort angemahnten Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drucks. 173/12). Dabei wird unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten keine Vollzugsfortdauer anzuordnen sein, wenn sich ein Hang und eine entsprechende Gefährlichkeit des Verurteilten nur noch in Bezug auf Taten ergeben, die nach der Wertung des Gesetzgebers in § 66 StGB nF nicht mehr Anlass für die Anordnung von Sicherungsverwahrung sein können. Die Erwägungen im Ausgangsurteil werden eine entsprechende Behandlung des vorliegenden Falles nahe legen.
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(1) Die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) sind nur anzuwenden, wenn die Tat oder mindestens eine der Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden soll, nach dem 31. Dezember 2010 begangen worden ist. In allen anderen Fällen ist das bisherige Recht anzuwenden, soweit in den Absätzen 2 und 3 sowie in Artikel 316f Absatz 2 und 3 nichts anderes bestimmt ist.

(2) Sind die Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung nach § 66 des Strafgesetzbuches angeordnet werden soll, vor dem 1. Januar 2011 begangen worden und ist der Täter deswegen noch nicht rechtskräftig verurteilt worden, so ist § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung anzuwenden, wenn diese gegenüber dem bisherigen Recht das mildere Gesetz ist.

(3) Eine nach § 66 des Strafgesetzbuches vor dem 1. Januar 2011 rechtskräftig angeordnete Sicherungsverwahrung erklärt das Gericht für erledigt, wenn die Anordnung ausschließlich auf Taten beruht, die nach § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung nicht mehr Grundlage für eine solche Anordnung sein können. Das Gericht kann, soweit dies zur Durchführung von Entlassungsvorbereitungen geboten ist, als Zeitpunkt der Erledigung spätestens den 1. Juli 2011 festlegen. Zuständig für die Entscheidungen nach den Sätzen 1 und 2 ist das nach den §§ 454, 462a Absatz 1 der Strafprozessordnung zuständige Gericht. Für das Verfahren ist § 454 Absatz 1, 3 und 4 der Strafprozessordnung entsprechend anzuwenden; die Vollstreckungsbehörde übersendet die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichtes, die diese umgehend dem Gericht zur Entscheidung übergibt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug tritt Führungsaufsicht ein.

(4) § 1 des Therapieunterbringungsgesetzes vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300, 2305) ist unter den dortigen sonstigen Voraussetzungen auch dann anzuwenden, wenn der Betroffene noch nicht in Sicherungsverwahrung untergebracht, gegen ihn aber bereits Sicherungsverwahrung im ersten Rechtszug angeordnet war und aufgrund einer vor dem 4. Mai 2011 ergangenen Revisionsentscheidung festgestellt wurde, dass die Sicherungsverwahrung ausschließlich deshalb nicht rechtskräftig angeordnet werden konnte, weil ein zu berücksichtigendes Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung dem entgegenstand, ohne dass es dabei auf den Grad der Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit angekommen wäre.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Die Vorschriften über die Strafvollstreckung gelten für die Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung sinngemäß, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) § 453 gilt auch für die nach den §§ 68a bis 68d des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen.

(3) § 454 Abs. 1, 3 und 4 gilt auch für die nach § 67c Abs. 1, § 67d Abs. 2 und 3, § 67e Abs. 3, den §§ 68e, 68f Abs. 2 und § 72 Abs. 3 des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen. In den Fällen des § 68e des Strafgesetzbuches bedarf es einer mündlichen Anhörung des Verurteilten nicht. § 454 Abs. 2 findet in den Fällen des § 67d Absatz 2 und 3 und des § 72 Absatz 3 des Strafgesetzbuches unabhängig von den dort genannten Straftaten sowie bei Prüfung der Voraussetzungen des § 67c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuches auch unabhängig davon, ob das Gericht eine Aussetzung erwägt, entsprechende Anwendung, soweit das Gericht über die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden hat; im Übrigen findet § 454 Abs. 2 bei den dort genannten Straftaten Anwendung. Zur Vorbereitung der Entscheidung nach § 67d Abs. 3 des Strafgesetzbuches sowie der nachfolgenden Entscheidungen nach § 67d Abs. 2 des Strafgesetzbuches hat das Gericht das Gutachten eines Sachverständigen namentlich zu der Frage einzuholen, ob von dem Verurteilten weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind. Ist die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden, bestellt das Gericht dem Verurteilten, der keinen Verteidiger hat, rechtzeitig vor einer Entscheidung nach § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches einen Verteidiger.

(4) Im Rahmen der Überprüfung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 des Strafgesetzbuches) nach § 67e des Strafgesetzbuches ist eine gutachterliche Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung einzuholen, in der der Verurteilte untergebracht ist. Das Gericht soll nach jeweils drei Jahren, ab einer Dauer der Unterbringung von sechs Jahren nach jeweils zwei Jahren vollzogener Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus das Gutachten eines Sachverständigen einholen. Der Sachverständige darf weder im Rahmen des Vollzugs der Unterbringung mit der Behandlung der untergebrachten Person befasst gewesen sein noch in dem psychiatrischen Krankenhaus arbeiten, in dem sich die untergebrachte Person befindet, noch soll er das letzte Gutachten bei einer vorangegangenen Überprüfung erstellt haben. Der Sachverständige, der für das erste Gutachten im Rahmen einer Überprüfung der Unterbringung herangezogen wird, soll auch nicht das Gutachten in dem Verfahren erstellt haben, in dem die Unterbringung oder deren späterer Vollzug angeordnet worden ist. Mit der Begutachtung sollen nur ärztliche oder psychologische Sachverständige beauftragt werden, die über forensisch-psychiatrische Sachkunde und Erfahrung verfügen. Dem Sachverständigen ist Einsicht in die Patientendaten des Krankenhauses über die untergebrachte Person zu gewähren. § 454 Abs. 2 gilt entsprechend. Der untergebrachten Person, die keinen Verteidiger hat, bestellt das Gericht für die Überprüfung der Unterbringung, bei der nach Satz 2 das Gutachten eines Sachverständigen eingeholt werden soll, einen Verteidiger.

(5) § 455 Abs. 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet ist. Ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden und verfällt der Verurteilte in Geisteskrankheit, so kann die Vollstreckung der Maßregel aufgeschoben werden. § 456 ist nicht anzuwenden, wenn die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung angeordnet ist.

(6) § 462 gilt auch für die nach § 67 Absatz 3, 5 Satz 2 und Absatz 6, den §§ 67a und 67c Abs. 2, § 67d Abs. 5 und 6, den §§ 67g, 67h und 69a Abs. 7 sowie den §§ 70a und 70b des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen. In den Fällen des § 67d Absatz 6 des Strafgesetzbuches ist der Verurteilte mündlich zu hören. Das Gericht erklärt die Anordnung von Maßnahmen nach § 67h Abs. 1 Satz 1 und 2 des Strafgesetzbuchs für sofort vollziehbar, wenn erhebliche rechtswidrige Taten des Verurteilten drohen.

(7) Für die Anwendung des § 462a Abs. 1 steht die Führungsaufsicht in den Fällen des § 67c Abs. 1, des § 67d Abs. 2 bis 6 und des § 68f des Strafgesetzbuches der Aussetzung eines Strafrestes gleich.

(8) Wird die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollstreckt, bestellt das Gericht dem Verurteilten, der keinen Verteidiger hat, für die Verfahren über die auf dem Gebiet der Vollstreckung zu treffenden gerichtlichen Entscheidungen einen Verteidiger. Die Bestellung hat rechtzeitig vor der ersten gerichtlichen Entscheidung zu erfolgen und gilt auch für jedes weitere Verfahren, solange die Bestellung nicht aufgehoben wird.

(1) Die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) sind nur anzuwenden, wenn die Tat oder mindestens eine der Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden soll, nach dem 31. Dezember 2010 begangen worden ist. In allen anderen Fällen ist das bisherige Recht anzuwenden, soweit in den Absätzen 2 und 3 sowie in Artikel 316f Absatz 2 und 3 nichts anderes bestimmt ist.

(2) Sind die Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung nach § 66 des Strafgesetzbuches angeordnet werden soll, vor dem 1. Januar 2011 begangen worden und ist der Täter deswegen noch nicht rechtskräftig verurteilt worden, so ist § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung anzuwenden, wenn diese gegenüber dem bisherigen Recht das mildere Gesetz ist.

(3) Eine nach § 66 des Strafgesetzbuches vor dem 1. Januar 2011 rechtskräftig angeordnete Sicherungsverwahrung erklärt das Gericht für erledigt, wenn die Anordnung ausschließlich auf Taten beruht, die nach § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung nicht mehr Grundlage für eine solche Anordnung sein können. Das Gericht kann, soweit dies zur Durchführung von Entlassungsvorbereitungen geboten ist, als Zeitpunkt der Erledigung spätestens den 1. Juli 2011 festlegen. Zuständig für die Entscheidungen nach den Sätzen 1 und 2 ist das nach den §§ 454, 462a Absatz 1 der Strafprozessordnung zuständige Gericht. Für das Verfahren ist § 454 Absatz 1, 3 und 4 der Strafprozessordnung entsprechend anzuwenden; die Vollstreckungsbehörde übersendet die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichtes, die diese umgehend dem Gericht zur Entscheidung übergibt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug tritt Führungsaufsicht ein.

(4) § 1 des Therapieunterbringungsgesetzes vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300, 2305) ist unter den dortigen sonstigen Voraussetzungen auch dann anzuwenden, wenn der Betroffene noch nicht in Sicherungsverwahrung untergebracht, gegen ihn aber bereits Sicherungsverwahrung im ersten Rechtszug angeordnet war und aufgrund einer vor dem 4. Mai 2011 ergangenen Revisionsentscheidung festgestellt wurde, dass die Sicherungsverwahrung ausschließlich deshalb nicht rechtskräftig angeordnet werden konnte, weil ein zu berücksichtigendes Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung dem entgegenstand, ohne dass es dabei auf den Grad der Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit angekommen wäre.

Ordnet das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an, so ist eine frühere Anordnung der Maßregel erledigt.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Steht auf Grund einer rechtskräftigen Entscheidung fest, dass eine wegen einer Straftat der in § 66 Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches genannten Art verurteilte Person deshalb nicht länger in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden kann, weil ein Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung zu berücksichtigen ist, kann das zuständige Gericht die Unterbringung dieser Person in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung anordnen, wenn

1.
sie an einer psychischen Störung leidet und eine Gesamtwürdigung ihrer Persönlichkeit, ihres Vorlebens und ihrer Lebensverhältnisse ergibt, dass sie infolge ihrer psychischen Störung mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person erheblich beeinträchtigen wird, und
2.
die Unterbringung aus den in Nummer 1 genannten Gründen zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich ist.

(2) Absatz 1 ist unabhängig davon anzuwenden, ob die verurteilte Person sich noch im Vollzug der Sicherungsverwahrung befindet oder bereits entlassen wurde.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
In Fällen, in denen die erstmalige Unterbringung
eines Verurteilten in der Sicherungsverwahrung wegen
Taten angeordnet wurde, die vor Inkrafttreten
des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten
und anderen schweren Straftaten vom 26. Januar
1998 (BGBl I 160) begangen worden waren, darf
die Fortdauer der Maßregelvollstreckung über zehn
Jahre hinaus auf der Grundlage der bis zu einer
Neuregelung, längstens bis 31. Mai 2013 weiter anwendbaren
i.V.m. § 2 Abs. 6 StGB nur noch angeordnet werden
, wenn eine hochgradige Gefahr schwerster
Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen
in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten
abzuleiten ist und dieser an einer
psychischen Störung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1
des Gesetzes zur Therapierung und Unterbringung
psychisch gestörter Gewalttäter (ThUG) leidet; andernfalls
ist die Maßregel – spätestens mit Wirkung
zum 31. Dezember 2011 – für erledigt zu erklären
(BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 – 2 BvR 2365/09
u.a.).
BGH, Beschluss vom 23. Mai 2011 – 5 StR 394/10
5StR440/10
5StR474/10
OLGe Stuttgart, Celle, Koblenz –
5 StR 440/10
5 StR 474/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 23. Mai 2011
in den Maßregelvollstreckungssachen
gegen
1.
– 5 StR 394/10 –
2.
– 5 StR 440/10 –
3.
– 5 StR 474/10 –
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Mai 2011

beschlossen:
In Fällen, in denen die erstmalige Unterbringung eines Verurteilten in der Sicherungsverwahrung wegen Taten angeordnet wurde, die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen schweren Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl I 160) begangen worden waren, darf die Fortdauer der Maßregelvollstreckung über zehn Jahre hinaus auf der Grundlage der bis zu einer Neuregelung, längstens bis 31. Mai 2013 weiter anwendbaren Vorschrift des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB i.V.m. § 2 Abs. 6 StGB nur noch angeordnet werden, wenn eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist und dieser an einer psychischen Störung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (ThUG) leidet; andernfalls ist die Maßregel – spätestens mit Wirkung zum 31. Dezember 2011 – für erledigt zu erklären (BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 – 2 BvR 2365/09 u.a.).
G r ü n d e
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Die verbundenen Vorlegungsverfahren (§ 121 Abs. 2 Nr. 3 GVG) betreffen die Frage der Fortgeltung der bis 30. Januar 1998 gültigen Höchstdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung von zehn Jahren (§ 67d Abs. 1 Satz 1 StGB aF) in „Altfällen“. Der Senat war berufen, darüber zu entscheiden , ob das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (NJW 2010, 2495) und entsprechende Folgeentscheidungen die deutschen Gerichte dazu zwingen, in Fällen, in denen die erstmalige Unterbringung eines Verurteilten in der Sicherungsverwahrung wegen Taten angeordnet wurde, die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen schweren Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl I 160) begangen worden waren, die Maßregel nach zehnjährigem Vollzug für erledigt zu erklären.
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1. Die vorlegenden Oberlandesgerichte Stuttgart, Celle und Koblenz möchten sofortige Beschwerden von Untergebrachten gegen landgerichtliche Fortdauerbeschlüsse verwerfen. Sie vertreten die Auffassung, dass auch unter Zugrundelegung der Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eine Erledigterklärung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in Altfällen nach Vollzug von zehn Jahren trotz fortbestehender Gefährlichkeit des Verurteilten nicht geboten sei. Vielmehr richte sich die Entscheidung über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung allein nach der gegenwärtigen Regelung des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB. An der beabsichtigten Entscheidung sehen sie sich jedoch durch Beschlüsse anderer Oberlandesgerichte gehindert. Sie haben deshalb die jeweilige Sache zur Entscheidung der Rechtsfrage gemäß § 121 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3 GVG dem Bundesgerichtshof vorgelegt.
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2. Der Senat hat sich durch entgegenstehende Rechtsprechung des 4. Strafsenats (Beschluss vom 12. Mai 2010 – 4 StR 577/09, NStZ 2010, 567) an der Entscheidung gehindert gesehen, dass sich aus der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten für die Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung keine die Rückwirkung hindernde andere Bestimmung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB ergibt; er hat die somit anzuwendende Vorschrift des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB allerdings einschränkend dahin ausgelegt, dass in Altfällen die erstmalige Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach zehnjährigem Vollzug für erledigt zu erklären ist, sofern nicht eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualverbrechen aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist. Wegen der Einzelheiten wird auf den Anfragebeschluss vom 9. November 2010 in dieser Sache (NJW 2011, 240; zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) Bezug genommen. Im Wesentlichen im Sinne des anfragenden Senats haben der 1. und der 2. Strafsenat (Beschlüsse vom 15. Dezember 2010 – 1 ARs 22/10 – und vom 22. Dezember 2010 – 2 ARs 456/10), im Sinne der entgegenstehenden Rechtsprechung des 4. Strafsenats der 3. und der 4. Strafsenat (Beschlüsse vom 17. Februar 2011 – 3 ARs 35/10 – und vom 18. Januar 2011 – 4 ARs 27/10) geantwortet.
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3. Nunmehr hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 4. Mai 2011 – 2 BvR 2365/09 u.a. – die Regelungen des Strafgesetzbuchs über die Sicherungsverwahrung mangels ausreichender Wahrung des „Abstandsgebots“ für unvereinbar mit dem – auch im Blick der Wertungen des Art. 7 Abs. 1 MRK auszulegenden – Freiheitsgrundrecht erklärt und eine gesetzliche Neuregelung bis 31. Mai 2013 verlangt. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht – neben der nachträglichen Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung – die rückwirkende unbefristete Anordnung der Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in einer an den Wertungen des Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 MRK orientierten Auslegung für unvereinbar mit dem Freiheitsgrundrecht in seiner Ausprägung durch den rechtsstaatlich gebotenen Vertrauensschutz erklärt; in solchen Altfällen hat es die Anordnung fortdauernder Unterbringung nur bei einer hochgradigen Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten des Untergebrachten , die aus konkreten Umständen in seiner Person oder seinem Verhalten abzuleiten ist, und unter der weiteren Voraussetzung einer psychischen Störung des Verurteilten im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (ThUG) für zulässig befunden; andernfalls sei spätestens mit Wirkung zum 31. Dezember 2011 die Freilassung anzuordnen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts Bezug genommen.
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Das Bundesverfassungsgericht hat im Blick auf die eindeutig entgegenstehende Gesetzeslage eine Auslegung verworfen, nach der die Art. 5 und Art. 7 MRK als andere gesetzliche Bestimmungen im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB die Rückwirkung ausschließen (BVerfG aaO Rn. 164 f.). Infolge dieser mit Wirkkraft des § 31 BVerfGG ergangenen Entscheidung ist eine Bindung des Senats an die dahingehende Rechtsprechung des 4. Strafsenats entfallen, die noch Anlass für das Anfrageverfahren nach § 132 GVG gegeben hatte; einer Vorlage an den Großen Senat für Strafsachen bedarf es nicht mehr (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 2000 – 4 StR 287/99, BGHSt 46, 17, 20 f.; Hannich in KK-StPO, 6. Aufl., § 132 GVG Rn. 8).
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4. Der Senat entscheidet danach in den Vorlageverfahren umfassend im Sinne der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. In Übereinstimmung mit den vorlegenden Oberlandesgerichten und mit der Stellungnahme des Generalbundesanwalts ist danach nicht etwa eine sofortige Entlassung der rückwirkend über zehn Jahre hinaus Untergebrachten wegen aus § 2 Abs. 6 StGB i.V.m. Art. 5 und 7 MRK herzuleitenden gesetzlichen Ausschlusses der Rückwirkung geboten. Es bedarf indes in jedem Fall neuer vollstreckungsgerichtlicher Überprüfung anhand des durch das Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Gefährlichkeitsmaßstabs, der mit dem durch den Senat entwickelten im Einklang steht (BVerfG aaO Rn. 156). Hinzu kommt das Erforder- nis einer psychischen Störung, das sich an Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. e MRK orientiert.
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Der Senat merkt an, dass eine derartige psychische Störung, die – klar abweichend von den Voraussetzungen für eine Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB – nicht zu einer Einschränkung der Schuldfähigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB geführt haben muss (vgl. BVerfG aaO Rn. 152, 173), nach den Erkenntnissen aus den Vorlegungsbeschlüssen der Oberlandesgerichte in allen drei verbundenen Sachen im Hinblick auf Persönlichkeitsstörungen der betroffenen Sicherungsverwahrten vorliegen dürfte (vgl. Anfragebeschluss aaO Rn. 6, 14, 22). Er weist ferner darauf hin, dass eine Aussetzung der Maßregel zur Bewährung nach § 67d Abs. 2 StGB (Anfragebeschluss aaO Rn. 47) nur bei Erfüllung der einschränkenden Vorgaben für die Maßregelfortdauer möglich, bejahendenfalls indes aus den im Anfragebeschluss (aaO) angeführten Gründen unter den dort genannten Voraussetzungen auch nicht schlechthin ausgeschlossen ist.
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(1) Die Vorschriften über die Strafvollstreckung gelten für die Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung sinngemäß, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) § 453 gilt auch für die nach den §§ 68a bis 68d des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen.

(3) § 454 Abs. 1, 3 und 4 gilt auch für die nach § 67c Abs. 1, § 67d Abs. 2 und 3, § 67e Abs. 3, den §§ 68e, 68f Abs. 2 und § 72 Abs. 3 des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen. In den Fällen des § 68e des Strafgesetzbuches bedarf es einer mündlichen Anhörung des Verurteilten nicht. § 454 Abs. 2 findet in den Fällen des § 67d Absatz 2 und 3 und des § 72 Absatz 3 des Strafgesetzbuches unabhängig von den dort genannten Straftaten sowie bei Prüfung der Voraussetzungen des § 67c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuches auch unabhängig davon, ob das Gericht eine Aussetzung erwägt, entsprechende Anwendung, soweit das Gericht über die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden hat; im Übrigen findet § 454 Abs. 2 bei den dort genannten Straftaten Anwendung. Zur Vorbereitung der Entscheidung nach § 67d Abs. 3 des Strafgesetzbuches sowie der nachfolgenden Entscheidungen nach § 67d Abs. 2 des Strafgesetzbuches hat das Gericht das Gutachten eines Sachverständigen namentlich zu der Frage einzuholen, ob von dem Verurteilten weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind. Ist die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden, bestellt das Gericht dem Verurteilten, der keinen Verteidiger hat, rechtzeitig vor einer Entscheidung nach § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches einen Verteidiger.

(4) Im Rahmen der Überprüfung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 des Strafgesetzbuches) nach § 67e des Strafgesetzbuches ist eine gutachterliche Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung einzuholen, in der der Verurteilte untergebracht ist. Das Gericht soll nach jeweils drei Jahren, ab einer Dauer der Unterbringung von sechs Jahren nach jeweils zwei Jahren vollzogener Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus das Gutachten eines Sachverständigen einholen. Der Sachverständige darf weder im Rahmen des Vollzugs der Unterbringung mit der Behandlung der untergebrachten Person befasst gewesen sein noch in dem psychiatrischen Krankenhaus arbeiten, in dem sich die untergebrachte Person befindet, noch soll er das letzte Gutachten bei einer vorangegangenen Überprüfung erstellt haben. Der Sachverständige, der für das erste Gutachten im Rahmen einer Überprüfung der Unterbringung herangezogen wird, soll auch nicht das Gutachten in dem Verfahren erstellt haben, in dem die Unterbringung oder deren späterer Vollzug angeordnet worden ist. Mit der Begutachtung sollen nur ärztliche oder psychologische Sachverständige beauftragt werden, die über forensisch-psychiatrische Sachkunde und Erfahrung verfügen. Dem Sachverständigen ist Einsicht in die Patientendaten des Krankenhauses über die untergebrachte Person zu gewähren. § 454 Abs. 2 gilt entsprechend. Der untergebrachten Person, die keinen Verteidiger hat, bestellt das Gericht für die Überprüfung der Unterbringung, bei der nach Satz 2 das Gutachten eines Sachverständigen eingeholt werden soll, einen Verteidiger.

(5) § 455 Abs. 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet ist. Ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden und verfällt der Verurteilte in Geisteskrankheit, so kann die Vollstreckung der Maßregel aufgeschoben werden. § 456 ist nicht anzuwenden, wenn die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung angeordnet ist.

(6) § 462 gilt auch für die nach § 67 Absatz 3, 5 Satz 2 und Absatz 6, den §§ 67a und 67c Abs. 2, § 67d Abs. 5 und 6, den §§ 67g, 67h und 69a Abs. 7 sowie den §§ 70a und 70b des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen. In den Fällen des § 67d Absatz 6 des Strafgesetzbuches ist der Verurteilte mündlich zu hören. Das Gericht erklärt die Anordnung von Maßnahmen nach § 67h Abs. 1 Satz 1 und 2 des Strafgesetzbuchs für sofort vollziehbar, wenn erhebliche rechtswidrige Taten des Verurteilten drohen.

(7) Für die Anwendung des § 462a Abs. 1 steht die Führungsaufsicht in den Fällen des § 67c Abs. 1, des § 67d Abs. 2 bis 6 und des § 68f des Strafgesetzbuches der Aussetzung eines Strafrestes gleich.

(8) Wird die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollstreckt, bestellt das Gericht dem Verurteilten, der keinen Verteidiger hat, für die Verfahren über die auf dem Gebiet der Vollstreckung zu treffenden gerichtlichen Entscheidungen einen Verteidiger. Die Bestellung hat rechtzeitig vor der ersten gerichtlichen Entscheidung zu erfolgen und gilt auch für jedes weitere Verfahren, solange die Bestellung nicht aufgehoben wird.

(1) Beschließt das Gericht die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe mindestens drei Monate vor dem Zeitpunkt der Entlassung, so verlängert sich die Bewährungszeit um die Zeit von der Rechtskraft der Aussetzungsentscheidung bis zur Entlassung.

(2) Das Gericht kann die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe bis zur Entlassung des Verurteilten wieder aufheben, wenn die Aussetzung aufgrund neu eingetretener oder bekanntgewordener Tatsachen unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht mehr verantwortet werden kann; § 454 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 3 Satz 1 gilt entsprechend. § 57 Abs. 5 des Strafgesetzbuches bleibt unberührt.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.