Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 01. Okt. 2014 - 2 (6) Ss 442/14; 2 (6) Ss 442/14 - AK 118/14

published on 01/10/2014 00:00
Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 01. Okt. 2014 - 2 (6) Ss 442/14; 2 (6) Ss 442/14 - AK 118/14
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Gründe

 
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 14.4.2014 wird auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe, die dem Verteidiger Gelegenheit zur Gegenäußerung gegeben hat, einstimmig kostenpflichtig (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 und 3 StPO).
Ergänzend zu den Ausführungen in der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 24.7.2014 bemerkt der Senat:
1. Ein Verfahrenshindernis besteht nicht. Das amtsgerichtliche Urteil ist infolge der Berufungseinlegung durch die Staatsanwaltschaft nicht rechtskräftig geworden. Entgegen der in der Revisionsbegründung vertretenen Auffassung ist die für die Einlegung des Rechtsmittels erforderliche Schriftform (§ 314 Abs. 1 StPO) gewahrt, obwohl das innerhalb der Rechtsmittelfrist eingegangene Telefaxschreiben weder - entgegen Nr. 149 RiStBV - vom bearbeitenden Staatsanwalt handschriftlich unterzeichnet war noch einen Beglaubigungsvermerk enthielt.
Zur Wahrung der Schriftform ist erforderlich, dass sich aus dem Schriftstück selbst (BGHSt 30, 182, 183; teilweise a.A. wohl LR-Gössel, StPO, 26. Aufl. 2012, § 314 Rn. 19) zweifelsfrei der Inhalt der abgegebenen Erklärung, die Person des Erklärenden, aber auch ergibt, dass es sich nicht um einen bloßen Entwurf handelt (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes - GmS-OGB - NJW 1980, 172; BVerfGE 15, 288; BGH NJW 1984, 1974; NStZ 2002, 558; OLG Zweibrücken NStZ-RR 2000, 308; OLG Nürnberg NStZ-RR 2008, 316; OLG Jena Beschluss vom 19.3.2008 - 1 Ws 99/09, bei juris; OLG Dresden StraFo 2014, 163; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl. 2014, Einl Rn. 128; LR-Gössel a.a.O. § 314 Rn. 15 ff.; KK-Paul, StPO, 7. Aufl. 2013, § 314 Rn. 10).
Nach der von Gössel (a.a.O.) vertretenen Auffassung, wonach jedenfalls zum Nachweis, dass es sich bei dem eingereichten Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, auf außerhalb der Erklärung liegende Umstände zurückgegriffen werden kann, wäre dieser Nachweis vorliegend bereits durch das wenige Tage später beim Amtsgericht eingegangene Original der Rechtsmitteleinlegung erbracht.
Unabhängig davon ergibt sich nach der Auffassung des Senats in der Zusammenschau aus dem Zusatz „gez.“ zu dem die Erklärung abschließenden Namen des bearbeitenden Staatsanwalts in Maschinenschrift und dem Hinweis auf die elektronische Erstellung des Schreibens hinreichend sicher, dass es sich um eine im Original vom Erklärenden unterzeichnete und in den Geschäftsgang gegebene Erklärung, mithin nicht um einen bloßen Entwurf handelt (im Ergebnis ebenso OLG Zweibrücken a.a.O.). Auch wenn es sich dabei nicht um eine förmliche Beglaubigung handelt - insoweit ist die vom Oberlandesgericht Dresden (a.a.O.) an der Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrücken (a.a.O.) erhobene Kritik berechtigt -, steht dieser Bewertung die Entscheidung des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes (a.a.O.) nicht entgegen. Insoweit verkennt das diese Auffassung vertretende Oberlandesgericht Dresden (a.a.O.), dass dort auf die entsprechend beschränkte Vorlagefrage (nur) darüber zu entscheiden war, ob nur bei handschriftlicher Zeichnung oder auch bei Einreichung einer beglaubigten Abschrift die Schriftform gewahrt ist. Der Beantwortung im letzteren Sinn lässt sich aber nach den Gründen der Entscheidung gerade nicht entnehmen, ob es zwingend der Beglaubigung der Unterschrift bedarf oder auch durch andere aus dem Schriftstück sich ergebende Anhaltspunkte festgestellt werden kann, dass den die Schriftform kennzeichnenden Anforderungen genügt ist.
Soweit der Senat damit von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden (a.a.O.) abweicht, gebietet dies keine Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 121 Abs. 2 Nr. 1 GVG, da das Oberlandesgericht Dresden nicht als Revisionsgericht entschieden hat (LR-Franke a.a.O., § 121 GVG Rn. 51 m.w.N.).
2. Die Rüge der Verletzung des § 319 Abs. 2 StPO greift nicht durch, weil das Urteil jedenfalls nicht hierauf beruht. Allerdings wäre, da dem Amtsgericht über die fristgerechte Einlegung des Rechtsmittels hinaus eine Zulässigkeitsprüfung, insbesondere auch die Einhaltung der Formvorschriften, durch § 319 Abs. 1 StPO nicht eröffnet war (Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O., § 319 Rn. 1 und 346 Rn. 2), auf den Antrag der Staatsanwaltschaft hin der die Unzulässigkeit der Berufung der Staatsanwaltschaft feststellende Beschluss des Amtsgerichts aufzuheben und die Sache wegen der Zulässigkeit der Berufung der Staatsanwaltschaft an das Amtsgericht zurückzugeben gewesen (LR-Gössel a.a.O., § 319 Rn. 17). Da die Akten dann aber erneut gemäß §§ 320, 321 StPO dem Landgericht zur Entscheidung in der Sache vorzulegen gewesen wären, kann das Urteil auf der verfahrensfehlerhaften Vorgehensweise nicht beruhen.
3. Die Rüge eines Verstoßes gegen § 265 Abs. 3 StPO erweist sich jedenfalls deshalb als unbegründet, weil die Aussetzung nach dieser Vorschrift vom Angeklagten nur begehrt werden kann, wenn die Richtigkeit der neu hinzugetretenen Umstände von ihm bestritten wird (BGH wistra 2006, 191). Vorliegend war der neu hinzugekommene Umstand, der Anlass für den erteilten Hinweis auf die veränderte konkurrenzrechtliche Bewertung war, dass entgegen der der Anklage zugrundeliegenden Annahme, der Angeklagte im angeklagten Zeitraum zeitweilig leistungsunfähig war. Der Angeklagte hat sich jedoch immer auf seine Leistungsunfähigkeit berufen.
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4. Die Rügen der Verletzung des Beweisantragsrechts (§ 244 Abs. 3 StPO) sind sämtlich unbegründet.
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a. Teilweise handelte es sich bei den in der Hauptverhandlung gestellten Anträgen bereits nicht um ordnungsgemäße Beweisanträge i.S.d. § 244 Abs. 3 StPO. Ein solcher liegt nur vor, wenn eine dem Beweis zugängliche, hinreichend konkrete Tatsache unter Beweis gestellt wird. Die Beweisbehauptung muss dabei so genau bezeichnet werden, dass dem Gericht eine exakte Entscheidung über die Erhebung des Beweises oder dessen Ablehnung aufgrund der in § 244 Abs. 3 bis 5 StPO vorgegebenen Ablehnungsgründe ermöglicht wird (BGHSt 37, 162 = NJW 1991, 435).
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Daran fehlte es, soweit mit den Anträgen die Leistungsunfähigkeit des Angeklagten im Anklagezeitraum unter Beweis gestellt werden sollte (II. 5. und 7. der Revisionsbegründung). Auch wenn die Leistungsfähigkeit in verkürzender Darstellung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 170 StGB bezeichnet wird (etwa Fischer, StGB, 61. Aufl. 2014, § 170 Rn. 8 m.w.N.), handelt es sich doch bei der Leistungsfähigkeit (oder ihrem Fehlen) um das Ergebnis einer (komplexen) rechtlichen Bewertung einer Vielzahl von äußeren Tatsachen, die allein ihrerseits unter Beweis gestellt werden können und im Beweisantrag erkennbar gemacht werden müssen (BGH a.a.O.). Das ist bei dem unter II. 5. der Revisionsbegründung wiedergegebenen Antrag überhaupt nicht, und bei dem weiteren unter II. 8. der Revisionsbegründung nur ungenügend geschehen. Dieser Antrag enthält insoweit nur die vage Formulierung, „aufgrund der Beratung durch seinen Rechtsanwalt“ habe sich der Angeklagte auf seine Leistungsunfähigkeit infolge der Inhaftierung bzw. der nur unregelmäßig eingehenden Leistungen seines damaligen Arbeitgebers verlassen dürfen. Ein über einen Hinweis auf die objektiven Gegebenheiten - die das Landgericht zutreffend für bereits erwiesen erachtet hat - hinausgehender Inhalt der Beratung durch den Zeugen wird jedoch nicht mitgeteilt, so dass eine Bewertung, ob die Beweisbehauptung für die Entscheidung über die subjektive Tatseite von Bedeutung war, nicht vorgenommen werden konnte. Soweit mit dem Antrag allein unter Beweis gestellt werden sollte, dass dem Angeklagten von dem Zeugen erklärt worden sei, dass er nicht leistungsfähig sei, ist im Übrigen ein Beruhen des Urteils auf der unterbliebenen Beweiserhebung (§ 337 Abs. 1 StPO) auszuschließen, weil die Strafkammer dies - wenn auch nur als möglich - in ihre Beweiswürdigung ausdrücklich einbezogen hat (UA S. 10).
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b. Die Ablehnung des Beweisantrags auf Einvernahme der als Zeugin benannten Kindesmutter stellt sich zwar als rechtsfehlerhaft dar, soweit der Antrag mit der Begründung abgelehnt wurde, die Zeugin sei zur Erbringung des Beweises über die inneren Einstellungen ein völlig ungeeignetes Beweismittel. Denn dieser Ablehnungsgrund ist nur gegeben, wenn das Beweismittel in dem Sinn gänzlich untauglich ist, dass nach sicherer Lebenserfahrung das behauptete Beweisergebnis nicht erbracht werden kann (BGH NStZ 2007, 476; 2012, 345; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O., § 244 Rn. 58). Dies trifft auf einen Zeugen, der zu Vorgängen aussagen soll, die sich im Innern eines anderen Menschen abgespielt haben, aber nicht zu, wenn er äußere Umstände - vorliegend Bekundungen des Angeklagten gegenüber der Zeugin - bekunden kann, die einen Schluss auf die inneren Tatsachen ermöglichen (BGH NStZ 2008, 707; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O., § 244 Rn. 59).
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Es ist jedoch wegen der besonderen Umstände des Falles auszuschließen, dass das Urteil auf der unterbliebenen Beweiserhebung beruhen kann. Denn in den Urteilsgründen setzt sich das Landgericht ausdrücklich mit der Einlassung des Angeklagten auseinander, die unterbliebenen Unterhaltsleistungen seien (auch) darauf zurückzuführen gewesen, dass er geglaubt habe, wegen der unregelmäßig eingehenden Zahlungen seines Arbeitgebers bzw. deshalb leistungsunfähig zu sein, weil aus dem im Freigang erzielten Einkünften zunächst das Überbrückungsgeld anzusparen gewesen sei (UA S. 6 f.). Die Überzeugung des Landgerichts, dass der Angeklagte mindestens damit rechnete und es in Kauf nahm, zur Bedienung der Unterhaltsverpflichtungen mindestens teilweise in der Lage zu sein, beruhte demgegenüber auf den Aussagen von zwei als Zeugen vernommenen Bediensteten der Justizvollzugsanstalt, in der der Angeklagte im Tatzeitraum inhaftiert war. Danach war der Angeklagte mehrfach auf den Vorrang bestehender Unterhaltsverpflichtungen hingewiesen und regelmäßig, zwei Mal im Monat, über die eingegangenen Zahlungen informiert worden. Im Hinblick auf das Gewicht, das die Kammer - zurecht - der Aussage der beiden Bediensteten der Justizvollzugsanstalt beigemessen hat, schließt der Senat aus, dass das Ergebnis der Beweiswürdigung bei Erhebung des - nur entfernt indiziellen - Beweises anders ausgefallen wäre.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Annotations

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Berufung muß bei dem Gericht des ersten Rechtszuges binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden.

(2) Hat die Verkündung des Urteils nicht in Anwesenheit des Angeklagten stattgefunden, so beginnt für diesen die Frist mit der Zustellung, sofern nicht in den Fällen der §§ 234, 387 Abs. 1, § 411 Abs. 2 und § 428 Absatz 1 Satz 1 die Verkündung in Anwesenheit des Verteidigers mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht stattgefunden hat.

(1) Die Oberlandesgerichte sind in Strafsachen ferner zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel:

1.
der Revision gegen
a)
die mit der Berufung nicht anfechtbaren Urteile des Strafrichters;
b)
die Berufungsurteile der kleinen und großen Strafkammern;
c)
die Urteile des Landgerichts im ersten Rechtszug, wenn die Revision ausschließlich auf die Verletzung einer in den Landesgesetzen enthaltenen Rechtsnorm gestützt wird;
2.
der Beschwerde gegen strafrichterliche Entscheidungen, soweit nicht die Zuständigkeit der Strafkammern oder des Bundesgerichtshofes begründet ist;
3.
der Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern nach den § 50 Abs. 5, §§ 116, 138 Abs. 3 des Strafvollzugsgesetzes und der Jugendkammern nach § 92 Abs. 2 des Jugendgerichtsgesetzes;
4.
des Einwands gegen die Besetzung einer Strafkammer im Fall des § 222b Absatz 3 Satz 1 der Strafprozessordnung.

(2) Will ein Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung

1.
nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder Buchstabe b von einer nach dem 1. April 1950 ergangenen Entscheidung,
2.
nach Absatz 1 Nummer 3 von einer nach dem 1. Januar 1977 ergangenen Entscheidung,
3.
nach Absatz 1 Nummer 2 über die Erledigung einer Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung oder in einem psychiatrischen Krankenhaus oder über die Zulässigkeit ihrer weiteren Vollstreckung von einer nach dem 1. Januar 2010 ergangenen Entscheidung oder
4.
nach Absatz 1 Nummer 4 von einer Entscheidung
eines anderen Oberlandesgerichtes oder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes abweichen, so hat es die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen.

(3) Ein Land, in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, kann durch Rechtsverordnung der Landesregierung die Entscheidungen nach Absatz 1 Nr. 3 einem Oberlandesgericht für die Bezirke mehrerer Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht zuweisen, sofern die Zuweisung für eine sachdienliche Förderung oder schnellere Erledigung der Verfahren zweckmäßig ist. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(1) Ist die Berufung verspätet eingelegt, so hat das Gericht des ersten Rechtszuges das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Berufungsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Berufungsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.

Ist die Berufung rechtzeitig eingelegt, so hat nach Ablauf der Frist zur Rechtfertigung die Geschäftsstelle ohne Rücksicht darauf, ob eine Rechtfertigung stattgefunden hat oder nicht, die Akten der Staatsanwaltschaft vorzulegen. Diese stellt, wenn die Berufung von ihr eingelegt ist, dem Angeklagten die Schriftstücke über Einlegung und Rechtfertigung der Berufung zu.

Die Staatsanwaltschaft übersendet die Akten an die Staatsanwaltschaft bei dem Berufungsgericht. Diese übergibt die Akten binnen einer Woche dem Vorsitzenden des Gerichts.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Wer sich einer gesetzlichen Unterhaltspflicht entzieht, so daß der Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten gefährdet ist oder ohne die Hilfe anderer gefährdet wäre, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer einer Schwangeren zum Unterhalt verpflichtet ist und ihr diesen Unterhalt in verwerflicher Weise vorenthält und dadurch den Schwangerschaftsabbruch bewirkt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.