Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 20. Feb. 2018 - 12 U 40/17

bei uns veröffentlicht am20.02.2018

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mosbach - 2. Zivilkammer - vom 22.09.2016 - 2 O 63/16 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Parteien streiten um die Zulässigkeit von Lichtimmissionen sowie die Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Schmerzensgeld und Schadensersatz im Zusammenhang mit der nächtlichen Beleuchtung eines Kirchturms in T.
Die Klägerin ist Eigentümerin einer von ihr genutzten Wohnung im Anwesen M-Gasse 2, das sich nahe der Stadtkirche Sankt M in T befindet. Der Beklagte zu 1 ist Eigentümer des Grundstücks S-Platz 3; die Beklagte zu 2 [Kirchengemeinde] ist Eigentümerin der Stadtkirche und des Anwesens S-Platz 5.
Seit Dezember 2015 wird der Kirchturm der Stadtkirche von dessen Sockel und von den Dächern der Anwesen S-Platz 3 und 5 aus ab Einsetzen der Dämmerung bis zum Anbruch des Tageslichts mit 23 LED-Scheinwerfern angestrahlt. Zudem ist die obere Balustrade des Turms mit umlaufenden LED-Leuchtleisten ausgestattet. Die Gesamtbeleuchtung führt zu einem Lichteinfall in die Wohnung der Klägerin, die sich hierdurch beeinträchtigt sieht.
Die Klägerin forderte den Beklagten zu 1 auf, die Lichtanlage abzuschalten. Von der Beklagten zu 2 verlangte sie, die Belästigung zu unterlassen. Hierauf führte der Sachgebietsleiter Umweltschutz des Landratsamts M-Kreis in der Wohnung der Klägerin am 19.01.2016 gegen 02:00 Uhr eine Immissionsmessung der Beleuchtungsstärke mit Hilfe eines sog. Luxmeters durch. Dabei stellte er Werte zwischen 0,03 lx (Wohnküche) bis 0,38 lx (Dachterrasse) fest.
Die Klägerin hat behauptet, ihr Schlafraum sei mit dem Dachgeschoss und einer Dachterrasse erhöht auf den Kirchturm hin ausgerichtet und direkt unterhalb der Turmbalustrade gelegen. Die Bestrahlung des Kirchturms führe dazu, dass ihre Schlaf- und Ruheräume nächtlich ununterbrochen mit der mehrfachen Lichtstärke einer hellen Vollmondnacht ausgeleuchtet würden. Sie erfahre durch das intensive Dauerlicht eine elementare Einschränkung ihrer Lebensqualität und körperlichen Unversehrtheit. Eine nächtlich ungestörte und unbeobachtete Nutzung der Dachterrasse als einziger Freisitz sei nicht mehr möglich. Ab 02:30 Uhr werde der permanente Lichtschein besonders hell wahrgenommen und die Tiefschlafphase abgebrochen, so dass ein erholsamer Schlaf regelmäßig nicht mehr möglich sei. Aufgrund der ständigen Störung der Nachtruhe leide die Klägerin an Schlafstörungen, Herz- und Kreislaufproblemen sowie persistierenden Kopfschmerzen. Weitere und noch ernstere Gesundheitsschäden seien bei fortgesetztem Betrieb der Lichtanlagen sicher zu erwarten. Die durchgeführte Lichtmessung habe keine Aussagekraft. Ein Luxmeter sei zur Messung der Leuchtstärke der verwendeten LED ungeeignet, weil diese einen engen Spektralbereich aufwiesen, der von der Photozelle eines Luxmeters nicht erfasst werden könne. Vielmehr sei der Einsatz eines Spektrum-Analysegeräts erforderlich. Die LED wiesen die Lichtfarbe kaltweiß mit einer Farbtemperatur von über 5.500 Grad Kelvin auf.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sich nicht auf die Anschaffung und Anbringung von Schutzvorkehrungen verweisen lassen zu müssen, weil Rollläden oder Jalousien bei Erbauung des Anwesens, in dem sie wohne, im 17. Jahrhundert noch nicht bekannt gewesen und nach den Vorgaben des Denkmalschutzes unzulässig seien. Zudem werde durch die Lichtverschmutzung unzulässig in den Natur- und Artenschutz eingegriffen. Für die erlittenen Gesundheitsbeeinträchtigungen sei ein Schmerzensgeld von mindestens 2.000 EUR angemessen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
1. den Beklagten zu 1 zu verurteilen, die Scheinwerferanlagen auf dem Grundstück S-Platz 3 (Dach), T, abzustellen,
2. die Beklagte zu 2 zu verurteilen, die Scheinwerfer- und Lichtanlagen auf dem Grundstück S-Platz 5 (Dach), T, sowie der Stadtkirche Sankt M (Kirchturm) abzustellen,
10 
hilfsweise zu 1 und 2, die Beklagten zu verurteilen, durch geeignete Maßnahmen, etwa Abschaltung der Lichtanlagen in der Zeit von 22:00 Uhr bis 06:45 Uhr zu verhindern, dass das Anwesen der Klägerin mehr als unwesentlich beeinträchtigt wird,
11 
3. die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin jeweils vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 571,44 EUR zu bezahlen,
12 
4. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 2.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen und
13 
5. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche, den Betrag gemäß Klageantrag Ziffer 4 übersteigende materielle und immaterielle Schäden, die mit den Lichtimmissionen des Kirchturms Sankt M in T künftig entstehen, zu ersetzen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen.
14 
Die Beklagten haben beantragt,
15 
die Klage abzuweisen.
16 
Die Beklagten haben die Behauptungen der Klägerin zur Gestaltung ihrer Wohnung, zu ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung durch die Turmbeleuchtung sowie zu den negativen Einwirkungen auf den Natur- und Artenschutz bestritten. Sie sind der Ansicht, die Klägerin werde durch die Beleuchtung des Kirchturms nicht unzumutbar beeinträchtigt, zumal ihr zuzumuten sei, der Störung durch Anbringung von Schutzmechanismen selbst abzuhelfen.
17 
Das Landgericht hat die Klage nach Inaugenscheinnahme der örtlichen Verhältnisse bei Nacht abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin könne nicht verlangen, den Betrieb der Lichtanlagen - auch nicht zeitlich beschränkt - zu unterlassen.
18 
Sie sei für ihre Behauptung, dass die Leuchtintensität der Anlagen deutlich über den Messungen des Landratsamts lägen und das Farbspektrum gesundheitsschädigend sei, beweisfällig geblieben, nachdem sie den zur Einholung eines Sachverständigengutachtens angeforderten Vorschuss nicht fristgemäß entrichtet und erklärt habe, diesen auch künftig nicht zu leisten. Im Rahmen des Ortstermins am 01.09.2016 ab 22:00 Uhr habe sich das Gericht nicht davon überzeugen können, dass die Lichtimmissionen im konkreten Einzelfall zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Klägerin führten.
19 
Der Lichteinfall auf die Dachterrasse sowie in das Schlafzimmer erfolge ausschließlich durch reflektiertes Licht. Die Dachterrasse sei aufgrund des beidseitig vorgezogenen Dachs von umliegenden Wohngebäuden nicht gut - falls überhaupt - einsehbar. Es hätten sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass man sich dort beobachtet fühlen müsste. Eine besondere Störwirkung aufgrund der Lichtfarbe habe das Gericht nicht wahrnehmen können.
20 
Die Intensität der Erhellung der Dachterrasse bleibe deutlich hinter anderweitigen, zumutbaren Ausleuchtungen zurück, die für innerstädtische Gebiete typisch seien. Die Intensität des Lichteinfalls in das Schlafzimmer sei nochmals deutlich geringer einzustufen. Bei nicht vorgezogenen Vorhängen sei das Schlafzimmer nur unbeträchtlich erhellt, wobei das meiste Licht nicht über das Schlafzimmerfenster, sondern über das offen gehaltene Bad in das Schlafzimmer eindringe, bei dem die Tür ausgehängt sei. Nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen ergebe sich unter Berücksichtigung der Gesamtumstände durch die Kirchturmbeleuchtung eine nur unwesentliche Beeinträchtigung der Wohnung der Klägerin. Dass die Klägerin offensichtlich äußert lichtempfindlich sei, mache die Kirchturmbeleuchtung ebenfalls nicht unzumutbar. Soweit die Klägerin Belange des Natur- und Artenschutzes vorbringe, fehle es an einer entsprechenden Anspruchsgrundlage.
21 
Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes und auf Feststellung einer Ersatzpflicht. Es liege bereits keine wesentliche Beeinträchtigung durch die Beklagten vor. Eine rechtswidrige Verletzungshandlung sei nicht gegeben.
22 
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt. Sie rügt, dass das Landgericht nur die Beeinträchtigung durch reflektierendes Licht bewertet und die am Kirchturm montierten LED-Leuchtleisten außer Acht gelassen habe, die in der Farbtemperatur kaltweiß direkt auf ihr Anwesen abstrahlten. Zudem sei die tatsächliche Intensität der Erhellung sowie die Farbigkeit des Lichts verkannt worden. Die Dachterrasse sei von den direkt benachbarten Gebäuden und deren Fensterfronten frei einsehbar und werde in der Nacht ununterbrochen ausgeleuchtet. Eine Lüftung der Schlaf- und Wohnräume sei in der Nacht bei geschlossenen blickdichten Vorhängen unmöglich. Die angefochtene Entscheidung lasse eine Auseinandersetzung mit dem Grundsatz der nachbarlichen Rücksichtnahme und den LAI Beurteilungsgrundsätzen vermissen.
23 
Die Klägerin beantragt,
24 
1. den Beklagten zu 1 zu verurteilen, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass der Betrieb der Scheinwerferanlagen auf dem Grundstück S-Platz 3 (Dach), T, unterlassen wird,
25 
2. die Beklagte zu 2 zu verurteilen, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass der Betrieb der Scheinwerfer- und Lichtanlagen auf dem Grundstück S-Platz 5 (Dach), T, sowie der Stadtkirche Sankt M (Kirchturm) unterlassen wird,
26 
hilfsweise zu 1 und 2, die Beklagten zu verurteilen, durch geeignete Maßnahmen, etwa Abschaltung der Lichtanlagen in der Zeit von 22:00 Uhr bis 06:45 Uhr zu verhindern, dass das Anwesen der Klägerin mehr als unwesentlich beeinträchtigt wird,
27 
3. die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin jeweils vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 571,44 EUR zu bezahlen,
28 
4. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 2.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen und
29 
5. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche, den Betrag gemäß Klageantrag Ziffer 4 übersteigende materielle und immaterielle Schäden, die mit den Lichtimmissionen des Kirchturms Sankt M in T künftig entstehen, zu ersetzen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen.
30 
Die Beklagten beantragen,
31 
die Berufung zurückzuweisen.
32 
Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil. Eine direkte Lichteinstrahlung auf das Grundstück der Klägerin liege nicht vor. Eine qualifizierte Beeinträchtigung der Klägerin sei nicht substantiiert vorgetragen. Hinsichtlich der behaupteten Intensität und Qualität der Lichteinstrahlung sei die Klägerin beweisfällig geblieben. Der weitere Vortrag sei als verspätet zurückzuweisen.
33 
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines lichttechnischen Sachverständigengutachtens. Wegen der Ergebnisses wird verwiesen auf das schriftliche Gutachten des Dr.-Ing. P vom 11.09.2017 sowie das Protokoll seiner Anhörung durch den Senat vom 15.02.2018. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend auf die Feststellungen des Landgerichts, soweit sie zu den hier getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen, sowie auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Verhandlungsprotokolle Bezug genommen.
II.
34 
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
35 
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Unterbindung des Betriebs der auf ihren Anwesen montierten Anlagen zur Beleuchtung des Turms der Stadtkirche Sankt M in T zu.
36 
a) Ein solcher ergibt sich nicht aus § 1004 Abs. 1 BGB, weil die Klägerin nach den §§ 1004 Abs. 2, 906 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Duldung der durch die genannten Anlagen verursachten Lichtimmissionen verpflichtet ist.
37 
aa) Gemäß § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als diese die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen. Die Beurteilung, ob eine Beeinträchtigung wesentlich i.S.d. § 906 BGB ist, richtet sich nach dem Empfinden eines „verständigen Durchschnittsmenschen“ und danach, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist (BGH, Urteil vom 14.11.2003 - V ZR 102/03, BGHZ 157, 33 [juris Rn. 27]). Dabei muss der Emittent darlegen und beweisen, dass die Einwirkung nicht wesentlich ist (BGH, Urteil vom 20.11.1992 - V ZR 82/91, BGHZ 120, 239 [juris Rn. 49]).
38 
bb) Nach dem Ergebnis der ergänzenden zweitinstanzlichen Beweisaufnahme ist den Beklagten der Nachweis gelungen, dass die von den streitgegenständlichen Beleuchtungsanlagen während der Dunkelheit ausgehenden Lichteinwirkungen die Benutzung der Eigentumswohnung der Klägerin nur unwesentlich beeinträchtigen.
39 
(1) Wie der Sachverständige Dr.-Ing. P in seinem schriftlichen Sachverständigengutachten vom 11.09.2017 anschaulich und überzeugend dargestellt hat, erreicht die in den Fenster- und Dachterrassentürebenen der Wohnung der Klägerin festzustellende Vertikalbeleuchtungsstärke nicht annähernd die Immissionsrichtwerte, die sich aus den „Hinweisen zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen“ der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) vom 13.09.2012 ergeben.
40 
Danach beträgt der in der Zeit von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr in Wohngebieten anzulegende Richtwert für die mittlere Beleuchtungsstärke 1 lx. Demgegenüber ist der höchste, am Flurfenster vom Sachverständigen gemessene Beleuchtungsstärkewert mit lediglich 0,46 lx gemessen worden. An der Terrassentür sowie am Schlafzimmerfenster sind hingegen nur 0,04 lx festgestellt worden, was insoweit von besonderer Bedeutung ist, als die Klägerin gerade die Beeinträchtigung ihres Nachtschlafs beklagt.
41 
Soweit die Beklagte die Aussagekraft der Messung mit der Behauptung in Zweifel ziehen möchte, dass um 23:45 Uhr und damit erhebliche Zeit nach der Ortsbesichtigung des Sachverständigen von 20:30 Uhr bis 22:15 Uhr (vgl. S. 10 seines Gutachtens) die Lichtanlage auf dem Dach des Anwesens des Beklagten zu 1 „plötzlich“ nicht mehr in Betrieb gewesen sei, erschließt sich ihr Einwand nicht, weil ein Abschalten nach der Messung dieselbe nicht mehr beeinflussen konnte. Anhaltspunkte dafür, dass die Anlage bereits während der Messung abgeschaltet oder die Gesamtbeleuchtung gedimmt gewesen wäre, sind nicht ersichtlich, zumal die Werte des Sachverständigen in Einklang mit denen stehen, die der Sachgebietsleiter des Landratsamts M-Kreis gemessen und durch die von den Beklagten als Anlage B1 vorgelegte Email vom 02.02.2016 mitgeteilt hatte.
42 
(2) Eine darüber hinausgehende Blendwirkung konnte vom Sachverständigen nicht festgestellt werden.
43 
Die streitgegenständlichen Beleuchtungsanlagen strahlen allesamt nicht in Richtung der Eigentumswohnung der Klägerin, sondern erhellen die Wand des Kirchturms (S. 10 des Gutachtens). Danach geht der Einwand der Berufung fehl, das Landgericht habe nur die Beeinträchtigung durch reflektierendes Licht und nicht durch die montierten LED-Leuchtleisten berücksichtigt. Denn auch von Letzteren gehen für die Wohnung der Klägerin nur insoweit Lichteinwirkungen aus, als dies auf einer Reflexion der emittierten Strahlung durch die Kirchturmwand beruht. Die Bewertung des reflektierten Lichts erfasst dementsprechend auch die Beeinträchtigung, die von den LED-Leuchtleisten ausgeht.
44 
Von dem reflektierten Licht geht nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen im Termin vom 15.02.2017 keine Blendwirkung aus. Während der - vom Balkon der Klägerin nicht eröffnete - Blick in einzelne Lichtquellen einen solchen Effekt haben könnte, führt die Verteilung des von diesen ausgehenden Lichts auf die Kirchturmwand zu einer starken Verringerung der Leuchtdichte. Die Fassadenreflexion wirkt danach nicht blendend.
45 
(3) Auf Grundlage der Hinweise der LAI liegt nach dem Gesagten eine wesentliche Beeinträchtigung der Wohnung der Klägerin fern. Zwar haben diese Hinweise weder normativen noch quasi-normativen Charakter (OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.12.2013 - 9 U 184/11, juris Rn. 25; VGH Mannheim, Urteil vom 29.03.2012 - 3 S 2658/10, juris Rn. 39). Insbesondere enthalten sie keine Grenz- oder Richtwerte i.S.v. § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB. Sie können indes als von Sachverständigen ausgearbeitete und von allen Ländern mitgetragene Hinweise gleichwohl als Entscheidungshilfe herangezogen werden (Vgl. BGH, Urteil vom 23.03.1990 - V ZR 58/89, BGHZ 111, 63 [juris Rn. 10] zu den LAI-Hinweisen zum Freizeitlärm). Die in ihnen enthaltenen Grenz- und Richtwerte binden dementsprechend im Streitfall nicht, bieten aber eine Orientierung (BGH, Urteil vom 10.12.2004 - V ZR 72/04, BGHZ 161, 323 [juris Rn. 25]), zumal sie gerade Lichtimmissionen durch künstliche Beleuchtung zum Gegenstand haben (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.12.2013 aaO Rn. 25).
46 
(4) Die Gesamtabwägung aller Umstände, die die Lichtimmissionen im Streitfall charakterisieren, rechtfertigt in Anbetracht dieser Orientierungshilfe nicht die Annahme einer mehr als nur unwesentlichen Beeinträchtigung.
47 
(a) Die Bestrahlung des Kirchturms führt - anders als die Klägerin behauptet - nicht dazu, dass die Schlaf- und Ruheräume nächtlich ununterbrochen mit einer mehrfachen Lichtstärke einer hellen Vollmondnacht ausgeleuchtet werden. Nachdem die Fensterflächen des Schlafzimmers auf die Dachterrasse und damit im rechten Winkel zum angeleuchteten Turm ausgerichtet sind, tendieren bereits die dort gemessenen Beleuchtungswerte gegen Null. Insofern ist die im Rahmen des Augenscheins gewonnene Feststellung des Landgerichts überzeugend, dass im Schlafzimmer der Klägerin bei zugezogenen Vorhängen nachts ein Grad an Dunkelheit herrscht, der es einer mit den örtlichen Verhältnissen nicht vertrauten Person nicht erlaubt, sich ohne Hilfsmittel gefahrlos im Raum zu bewegen.
48 
(b) Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Maß der Schutzbedürftigkeit des von einer Immission betroffenen Nachbarn im Einzelfall davon abhängen kann, ob und inwieweit er ohne größeren Aufwand im Rahmen des Ortsüblichen und Sozialadäquaten zumutbare Abschirmmaßnahmen ergreifen kann. Dabei ist anerkannt, dass Eigenschutz gegen Lichtimmissionen innerhalb der Gebäude ohne Einbußen der Wohnqualität häufig durch herkömmliche Maßnahmen wie Vorhänge und Jalousien bewerkstelligt werden kann (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 29.03.2012 - 3 S 2658/10, juris Rn. 40).
49 
Das ist auch hier der Fall. Denn ein höherer Grad an Dunkelheit könnte im Schlafraum der Klägerin ohne weiteres durch Verwendung blickdichter, anstatt lichtdurchlässiger Vorhänge und durch das Einhängen der Verbindungstür zum Bad erreicht werden, aus dem - ausweislich der insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts - mehr Licht in den Schlafraum dringt, als durch die auf die Dachterrasse hin ausgerichteten Fensterflächen.
50 
Unerheblich ist insoweit die Gebrauchsüblichkeit entsprechender Vorrichtungen bei Erbauung des fraglichen Anwesens, nachdem die damaligen Wohnverhältnisse auch in denkmalgeschützten Wohngebäuden heute nicht mehr als sozialadäquat anzusehen sind. Ebenso ohne Belang ist das geltend gemachte Lüftungsbedürfnis der Klägerin in den Sommermonaten, weil selbst bei geöffneten Fenstern Vorhänge zugezogen und Badezimmertüren geschlossen werden können. Im Übrigen ist einem verständigen Durchschnittsmenschen beim nächtlichen Lüften einer Wohnung in Innenstadtlage durch geöffnete Fenster ein gewisser Grad an Helligkeit zuzumuten.
51 
(c) Nichts anderes ergibt sich unter Berücksichtigung der Ausleuchtung der Dachterrasse. Zwar sind dort die Lichtimmissionen deutlich höher als im Schlafzimmer der Klägerin. Indes stellt es im Innenstadtbereich keine wesentliche Beeinträchtigung dar, wenn auf einem Freisitz nicht das Maß an Dunkelheit herrscht wie in ländlichen Gebieten.
52 
Die Behauptung der Klägerin, die Dachterrasse sei aufgrund der Ausleuchtung den Blicken der Nachbarschaft ausgesetzt, hat sich bereits im Rahmen des erstinstanzlichen Augenscheins nicht bestätigt. Im Übrigen könnte die Klägerin auch hier durch zumutbare Sichtschutzmaßnahmen im Außenwohnbereich für ein Gefühl größerer Privatheit auf ihrer Dachterrasse sorgen.
53 
(d) Eine abweichende Beurteilung ist nicht deshalb geboten, weil die Klägerin den Einfall von Licht mit einer Lichtfarbe von über 5.500 Grad Kelvin behauptet. Denn dieser Vortrag ist durch den Sachverständigen Dr.-Ing. P widerlegt worden, der die Farbtemperatur auf den Bereich von 2.700 bis 4.000 Grad Kelvin bestimmt (S. 11 seines Gutachtens) und im Rahmen seiner Anhörung von einem warmweißen/neutralweißen Eindruck berichtet hat.
54 
Eine besondere farbliche Beeinträchtigung liegt danach nicht vor. Insbesondere ist keine gesonderte Bewertung der Lichtimmissionen nach Maßgabe der Hinweise der LAI für farbiges Licht geboten. Ob der Lichteinfall nach Erlöschen der Umgebungsbeleuchtung aufgrund des Putzes des Vorderhauses bläulicher erscheinen könnte als zuvor, kann demnach dahinstehen, weil auch dieser Umstand die Farbe des von den Beleuchtungsanlagen herrührenden Lichts nicht verändert. Einen regelmäßigen Wechsel der Lichtfarbe im Laufe der Nacht hat der Sachverständige im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat ausgeschlossen.
55 
(e) Ohne Belang sind die Ausführungen der Klägerin zu den Kosten und zur Finanzierung der Beleuchtungsanlagen, zu der päpstlichen Enzyklika laudato si, zu Belangen des Natur- und Artenschutzes, zur Bedeutung der Kirchturmbeleuchtung und damit einhergehender Lichtsmogwirkungen für das T-Tal sowie zu ihren ethischen Bedenken hinsichtlich der Herausstellung eines katholischen Bauwerks; denn all diese Umstände haben nach dem maßgeblichen Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen keinen Einfluss darauf, wie sich die streitgegenständlichen Lichtimmissionen auf die Wohnung der Klägerin auswirken.
56 
(f) Die Ausführungen der Klägerin in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz ihres Prozessvertreters vom 20.02.2018 sind gemäß § 296a Satz 1 ZPO nicht zu berücksichtigen. Sie geben auch keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO. Weder liegt ein Wiedereröffnungsgrund nach § 156 Abs. 2 ZPO vor noch sind Umstände ersichtlich, welche eine Wiedereröffnung im Übrigen geboten oder angebracht erscheinen ließen.
57 
Im Übrigen verkennt die Klägerin erneut, dass allein die Einwirkung (Immission) des Lichts auf ihre Wohnung und Dachterrasse entscheidend ist, zu deren Feststellung und Beurteilung es ausweislich der ausführlichen Stellungnahme des Sachverständigen weder der Besichtigung noch der Abschaltung der Beleuchtungsanlage oder einer weiteren Messung um Mitternacht bedurfte.
58 
b) Ein Unterbindungsanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus den von der Berufung angesprochenen Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses.
59 
aa) Aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) folgt für Grundstücksnachbarn eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme. Deren Auswirkungen auf den konkreten Fall fasst man unter dem Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zusammen (BGH, Urteil vom 24.01. 2008 - IX ZR 216/06, NJW-RR 2008, 610 Rn. 19).
60 
Die Rücksichtnahmepflicht wirkt sich dabei hauptsächlich als bloße Schranke der Rechtsausübung aus. Sie kann indes im Einzelfall auch eine positive Handlungspflicht begründen, wenn dies - über die gesetzlichen Regelungen hinausgehend - für einen billigen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zwingend geboten erscheint (BGH, Urteil vom 08.0.2013 - V ZR 56/12; NJW-RR 2013, 650 Rn. 6).
61 
bb) So liegt der Fall hier nicht. Die von der Klägerin begehrte Unterbindung der Kirchturmbeleuchtung führte nicht zu einem notwendigen Interessenausgleich, sondern vielmehr zu einer der gesetzlichen Wertung des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB widersprechenden, alleinigen Durchsetzung des Interesses der Klägerin. Eine solche ist nach § 242 BGB nicht geboten.
62 
2. Nach all dem scheidet auch ein Schmerzensgeldanspruch der Klägerin nach § 253 Abs. 2 BGB aus. Eine Schadensersatzpflicht der Beklagten ist nicht ersichtlich. Eine solche ergibt sich insbesondere nicht aus § 823 Abs. 1 BGB, nachdem die Klägerin in Anbetracht des geringen Lichteinfalls weder eine Verletzung ihres Eigentum noch ihrer Gesundheit nachgewiesen hat.
63 
Entsprechendes gilt für das Feststellungsbegehren der Klägerin.
64 
3. Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten als Nebenforderung ist mangels Hauptanspruchs ebenfalls nicht gegeben.
III.
65 
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
66 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

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(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 102/03 Verkündet am:
14. November 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Nds. NachbarrechtsG § 54 Abs. 2; BGB § 910 Abs. 2; BGB § 906 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2
Satz 2 analog; BGB § 1004 Abs. 1

a) Der Eigentümer von Bäumen, die den in § 50 Abs. 1 Nds. NRG vorgeschriebenen
Grenzabstand nicht einhalten, muß sie auf Verlangen des Nachbarn nach dem Ablauf der
Ausschlußfrist des § 54 Abs. 2 Nds. NRG weder auf die zulässige noch auf eine andere
Höhe zurückschneiden.

b) § 910 Abs. 2 BGB gilt auch für den Anspruch des Grundstückseigentümers gegen den
Nachbarn auf Beseitigung herüberragender Zweige nach § 1004 Abs. 1 BGB.

c) Das Abfallen von Laub, Nadeln, Blüten und Zapfen von Sträuchern und Bäumen gehört zu
den "ähnlichen Einwirkungen" im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB.

d) Der Eigentümer eines Baumes ist für die von diesem ausgehenden natürlichen
Immissionen (Laub, Nadeln, Blüten, Zapfen) auf benachbarte Grundstücke jedenfalls
dann verantwortlich und damit "Störer" im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB, wenn er sie
unter Verletzung der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen über den Grenzabstand
unterhält.

e) Dem Nachbarn, der von dem Eigentümer von Bäumen, die den landesrechtlich
vorgeschriebenen Grenzabstand nicht einhalten, deren Zurückschneiden wegen des
Ablaufs der dafür in dem Landesnachbarrecht vorgesehenen Ausschlußfrist nicht mehr
verlangen kann, kann für den erhöhten Reinigungsaufwand infolge des Abfallens von
Nadeln und Zapfen dieser Bäume ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906
Abs. 2 Satz 2 BGB analog zustehen.
BGH, Urt. v. 14. November 2003 - V ZR 102/03 - LG Stade
AG Cuxhaven
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. November 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Dr. Lemke, Dr. Gaier und
Dr. Schmidt-Räntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 18. März 2003 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als die auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines jährlichen Ausgleichsbetrags von 204,52 ! " ! $#% & ' )( *+ , -. von 1.227,10 worden sind.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Auf dem Grundstück der Beklagten stehen nahe der Grundstücksgrenze zwei Kiefern, die bei Klageerhebung ca. 14 m hoch waren. Von einem der Bäume ragten Zweige in einer Höhe
von ca. 9 m ungefähr 2,3 m, von dem anderen Baum ragen Zweige in einer Höhe von ca. 5 m ungefähr 0,4 m auf das Grundstück des Klägers herüber; auch fallen Kiefernnadeln und -zapfen auf sein Grundstück.
Der Kläger behauptet, daß er wegen der abfallenden Nadeln und Zapfen das Dach, die Dachrinnen und Dacheinläufe seines Wohnhauses sowie seinen Garten mehrfach im Jahr säubern müsse; auch habe er wegen des starken Nadelfalls einen Gartenteich verschließen müssen.
Der Kläger hat die Verurteilung der Beklagten zum Zurückschneiden der Kiefern auf die Höhe, die sie fünf Jahre vor der Klageerhebung hatten, und zum künftigen jährlichen Zurückschneiden auf diese Höhe sowie zur Beseitigung der auf sein Grundstück herüberragenden Zweige beantragt; weiter hat er von den Beklagten die Zahlung eines jährlichen Ausgleichsbetrags von (, 0 1' & 2' 34 657 8 -9 ;: 3 )<9= >#@?9 ! A B 204,52 / / hat die Verpflichtung der Beklagten, die Kiefern durch jährliches Zurückschneiden auf einer Höhe von 14 m zu halten, festgestellt; weiter hat es die Beklagten zur Beseitigung der von einem der Bäume in ca. 9 m Höhe auf das Grundstück des Klägers herüberragenden Zweige verurteilt. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Nach dem Erlaß dieses Urteils haben die Beklagten die Bäume auf eine Höhe von 10 m bzw. 11 m gekürzt und die in ca. 9 m Höhe auf das Grundstück des Klägers herüberragenden Zweige entfernt.
Die Berufung des Klägers, mit der er seine in erster Instanz abgewiesenen Klageanträge weiterverfolgt und hilfsweise die Verurteilung der Beklagten
beantragt hat, die Kiefern durch jährliches Zurückschneiden auf einer Höhe von 11 m bzw. 12 m zu halten, ist erfolglos geblieben. Die Anschlußberufung der Beklagten hat insoweit Erfolg gehabt, als das Landgericht ihre Verpflichtung zum jährlichen Zurückschneiden der Kiefern aufgehoben und lediglich ihre Verurteilung zur Beseitigung der in ca. 9 m Höhe auf das Grundstück des Klägers herüberragenden Zweige aufrecht erhalten hat.
Mit der in dem Berufungsurteil zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, will der Kläger die Feststellung erreichen, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, soweit die Verurteilung der Beklagten zum Zurückschneiden der Kiefern in der Zeit vom 1. Oktober 2002 bis 15. März 2003 beantragt worden ist; im übrigen verfolgt er seine in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:


I.


Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist ein Anspruch des Klägers auf Zurückschneiden der Kiefern nach § 54 Abs. 2 des Niedersächsischen Nachbarrechtsgesetzes (Nds.NRG) wegen Fristablaufs ausgeschlossen. Die Vorschrift bezwecke, daß der weitere Wuchs von Bäumen später als fünf Jahre nach Erreichen der gesetzlich zulässigen Höhe von dem Nachbarn nicht mehr verhindert werden könne. Auch aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergebe sich kein Anspruch des Klägers auf Zurückschneiden der Kiefern oder auf die künftige Einhaltung einer bestimmten Wuchshöhe. Ein Anspruch
auf Beseitigung der in ca. 5 m Höhe herüberragenden Zweige habe der Kläger ebenfalls nicht, weil der Überhang so geringfügig sei, daß hiervon keine bemerkenswerte Beeinträchtigung ausgehe.
Ein Ausgleichsbetrag wegen erhöhten Reinigungsaufwands stehe dem Kläger nicht zu. Es fehle an einer wesentlichen und unzumutbaren Beeinträchtigung seines Grundstücks im Sinne von § 906 BGB. Nach dem Ablauf der in § 54 Abs. 2 Nds.NRG genannten Frist stünden die Bäume rechtmäßig auf dem Grundstück der Beklagten; deshalb seien die Auswirkungen der Anpflanzungen nicht rechtswidrig. Die natürlichen Emissionen der Bäume seien von dem Nachbarn hinzunehmen. Im übrigen stelle die Einwirkung durch Nadelfall keine über das ortsübliche zumutbare Maß hinausgehende Beeinträchtigung des Grundstücks des Klägers dar. Der Nadel- und Zapfenfall sei angesichts der überragenden Nützlichkeit von Bäumen für die Gesellschaft entschädigungslos hinzunehmen.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung teilweise nicht stand.

II.


1. Zutreffend verneint das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers auf das Kürzen der Kiefern.

a) Ein auf landesrechtliche Grundlage gestützter Anspruch ist nach § 54 Abs. 2 Nds.NRG, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Oberlan-
desgerichts hinaus erstreckt und deshalb der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (§ 545 Abs. 1 ZPO), wegen Fristablaufs ausgeschlossen.
aa) Ursprünglich stand dem Kläger der Anspruch zu. Die beiden Kiefern auf dem Grundstück der Beklagten sind unstreitig über die nach § 50 Abs. 1 Nds.NRG in Abhängigkeit von ihrem Abstand zu der Grundstücksgrenze zulässige Höhe hinausgewachsen. Sie hätten daher auf Verlangen des Klägers auf die zulässige Höhe zurückgeschnitten werden müssen, wenn die Beklagten sie nicht beseitigen wollten (§ 53 Abs. 2 Nds.NRG). Der Anspruch ist jedoch ausgeschlossen , weil der Kläger nicht spätestens im fünften auf das Hinauswachsen folgenden Kalenderjahr Klage auf Zurückschneiden erhoben hat (§ 54 Abs. 2 Nds.NRG). Diese Ausschlußfrist (vgl. LG Lüneburg, Nds.Rpfl. 2000, 168, 169; Lehmann, Kommentar zum Niedersächsischen Nachbarrechtsgesetz, 3. Aufl., § 54 Rdn. 9; Pardey, Nds.NRG, 2. Aufl., § 54 Anm. 1) war hier bei Klageerhebung abgelaufen.
bb) Für eine Auslegung der Vorschrift dahin, daß nach Fristablauf zwar kein Zurückschneiden auf die gesetzlich zulässige Höhe, wohl aber verlangt werden kann, daß der Eigentümer die Bäume künftig durch regelmäßiges Zurückschneiden auf der Höhe hält, die sie im Zeitpunkt der Klageerhebung hatten (vgl. AG Winsen/Luhe, Nds.Rpfl. 1999, 317; Hoof/Keil, Das Nachbarrecht in Niedersachsen, 7. Aufl., § 54 Anm. 3), oder daß die Bäume auf die Höhe zurückgeschnitten werden, die sie fünf Jahre vor Klageerhebung hatten (vgl. OLG Celle, AgrarR 1993, 154 f.; AG Göttingen, Nds.RPfl. 1999, 292; für das NachbG NRW: Rammert, Nachbarrecht Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., S. 31 Fn. 75), ist kein Raum. Der Gesetzeswortlaut ist klar und eindeutig; er läßt keine Interpretation zu. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten es, dem
Nachbarn nach Fristablauf jeden Anspruch auf Zurückschneiden der Bäume zu versagen. Denn mit der Ausschlußfrist soll innerhalb eines Zeitraums, der die Interessen des Nachbarn und des Eigentümers der Bäume gleichermaßen berücksichtigt , grundsätzlich eine abschließende Klärung der nachbarlichen Verhältnisse in Bezug auf das Höhenwachstum herbeigeführt werden (vgl. LG Lüneburg , aaO).
Die Frist gibt dem Nachbarn genügend Zeit zu überlegen, ob er seinen Anspruch (§ 53 Abs. 2 Nds.NRG) durchsetzen will. Es ist ihm ohne weiteres möglich, innerhalb von fünf Jahren nach dem Hinauswachsen von Bäumen über die gesetzlich zulässige Höhe hinaus den jährlichen Zuwachs und die daraus gegebenenfalls folgenden Beeinträchtigungen seines Grundstücks wie z.B. den Entzug von Licht, die Bildung von Windzirkulationen und das Abwerfen von Blättern, Nadeln oder Früchten zu beobachten. Auch läßt sich - notfalls mit Hilfe fachmännischer Beratung - ermitteln, wie lange das Wachstum der Bäume andauern wird, so daß auch der Umfang späterer Beeinträchtigungen eingeschätzt werden kann. Der Nachbar kann somit innerhalb der Frist entscheiden , ob er das Zurückschneiden der Bäume verlangen will.

b) Das alles besagt allerdings noch nicht, daß der Eigentümer Bäume auf seinem Grundstück, deren Zurückschneiden der Nachbar nach landesrechtlichen Vorschriften wegen Fristablaufs nicht mehr verlangen kann, bis zum natürlichen Ende ihres Wachstums in eine beliebige Höhe wachsen lassen darf. Vielmehr kommt unter dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses in Verbindung mit Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Verpflichtung des Eigentümers in Betracht, die Bäume auf Verlangen des Nachbarn auch nach dem Fristablauf zurückzuschneiden. Davon geht das Be-
rufungsgericht zutreffend aus. Es verneint jedoch zu Recht eine solche Verpflichtung der Beklagten.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (siehe nur Urteil vom 31. Januar 2003, V ZR 143/02, NJW 2003, 1392 mit umfangreichen Nachweisen ) haben die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn insbesondere durch die Vorschriften der §§ 905 ff. BGB und die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder eine ins einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Daneben kommt eine allgemeine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme aus dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses nur dann zum Tragen, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint. Ist das der Fall, kann die Ausübung gewisser aus dem Eigentum fließender Rechte ganz oder teilweise unzulässig werden (Senat, Urteil vom 11. Juli 2003, V ZR 199/02, NJW-RR 2003, 1313, 1314 m.w.N.).
bb) Die behaupteten Folgen des Höhenwachstums der Kiefern rechtfertigen keine Abweichung von der nachbarrechtlichen Sonderregelung des § 54 Abs. 2 Nds.NRG. Nur wenn der Nachbar wegen der Höhe der Bäume ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinzunehmenden Beeinträchtigungen ausgesetzt wäre, könnte er von dem Eigentümer unter dem Gesichtspunkt der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme ihren Rückschnitt auf eine beiden Interessen gerecht werdende Höhe verlangen, wenn dies dem Eigentümer zumutbar ist (vgl. KG, NJW-RR 2000, 160, 161; Pardey, aaO, § 54 Anm. 1.3). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Zwar sollen die Kiefern den Lichteinfall und die Windzirkulation auf dem Grundstück des Klägers beeinträchtigen ; der Nadel- und Zapfenfall soll zu zusätzlichen Reinigungsarbei-
ten an dem Wohnhaus und dem Garten des Klägers führen, auch habe ein Gartenteich verschlossen werden müssen. Dies reicht jedoch nicht aus, um eine Verpflichtung der Beklagten zum Zurückschneiden der Bäume unter dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses anzunehmen.

c) Nach alledem sind die auf das Zurückschneiden der Kiefern gerichteten Anträge des Klägers unbegründet, auch soweit die Beklagten die Bäume künftig auf einer bestimmten Höhe halten sollen. Daraus folgt zugleich, daß die von dem Kläger erstmalig im Revisionsverfahren erklärte Teil-Erledigung der Hauptsache, die der Senat zu berücksichtigen hat (BGHZ 106, 359, 368), ebenfalls unbegründet ist. Die beantragte Teil-Erledigung ist deshalb nicht auszusprechen.
2. Ebenfalls zu Recht verneint das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers nach § 1004 Abs. 1 BGB auf Beseitigung des noch von einer der beiden Kiefern in ca. 5 m Höhe auf sein Grundstück herüberragenden Zweiges. Der Kläger muß nach § 1004 Abs. 2 BGB das Herüberragen dulden, weil dadurch die Benutzung seines Grundstücks nicht beeinträchtigt wird.

a) Nach § 910 Abs. 2 BGB steht dem Grundstückseigentümer das Selbsthilferecht nach Abs. 1 nicht zu, wenn die herüberragenden Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen. Die Vorschrift gilt auch für den Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB (vgl. LG Saarbrücken, NJW-RR 1986, 1341; LG Bonn, NJW-RR 1987, 1421; AG Würzburg, NJW-RR 2001, 953; Staudinger/Roth, BGB [2002], § 910 Rdn. 2). In welchen Fällen keine Beeinträchtigung vorliegt, entscheidet nicht das subjektive Empfinden des Grundstückseigentümers; maßgebend ist vielmehr die objektive Beeinträchti-
gung der Grundstücksbenutzung (MünchKomm-BGB/Säcker, 3. Aufl., § 910 Rdn. 6; Staudinger/Roth, aaO, § 910 Rdn. 18). Ob, wovon auch das Berufungsgericht ausgeht, der Nachbar ganz unerhebliche Beeinträchtigungen hinnehmen muß (so OLG Köln, NJW-RR 1989, 1177; 1997, 656; LG Kleve, MDR 1982, 230, 231; LG Saarbrücken, NJW-RR 1986, 1341; MünchKomm-BGB/ Säcker, aaO; Palandt/Bassenge, BGB, 62. Aufl., § 910 Rdn. 3; Staudinger /Roth, aaO, Rdn. 18; a.A. AG Königstein, NJW-RR 2000, 1256; AG Würzburg , aaO), kann offenbleiben. Denn der Zweig, der von einer der beiden Kiefern in ca. 5 m Höhe ungefähr 0,4 m weit auf das Grundstück des Klägers herüberragt , beeinträchtigt dessen Benutzung nicht.

b) Die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß von herüberragenden Zweigen keine Beeinträchtigung ausgeht, trägt der Nachbar (Palandt/ Bassenge, aaO; Staudinger/Roth, aaO, Rdn. 33). Das sind hier die Beklagten. Sie haben das Fehlen einer Beeinträchtigung ausreichend dargelegt. Nach ihrem beweisbewehrten Vortrag in der Berufungserwiderung, der auf den erstinstanzlichen Vortrag Bezug nimmt, ragen nicht nur der Zweig, dessen Beseitigung der Kläger verlangt, sondern auch Zweige anderer Bäume auf sein Grundstück herüber; außerdem stehen dort nahe der Grundstücksgrenze mehrere Bäume und Sträucher. Das wird durch die von den Parteien zu den Akten gereichten Lichtbilder bestätigt; danach wachsen auf beiden Seiten der gemeinsamen Grundstücksgrenze Laub- und Nadelgewächse. Darauf stützen die Beklagten ihre Behauptung, daß eine Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks gerade durch den Zweig, dessen Beseitigung der Kläger noch verlangt, ausgeschlossen ist. Die von der Revision erhobene Verfahrensrüge (§ 286 ZPO), das Berufungsgericht habe das Beweisangebot des Klägers zur Erheblichkeit der von den herüberragenden Zweigen ausgehenden Beein-
trächtigungen übergangen, ist unbegründet; es betrifft nicht die von den herüberragenden Zweigen, sondern die von den Kiefern insgesamt ausgehenden Beeinträchtigungen.
3. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß dem Kläger gegen die Beklagten für den behaupteten erhöhten Reinigungsaufwand ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zustehen kann. Es verneint jedoch zu Unrecht das Bestehen eines solchen Anspruchs.

a) Gehen von der ortsüblichen Benutzung eines Grundstücks Einwirkungen im Sinne von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB auf ein anderes Grundstück aus und beeinträchtigen sie dessen Benutzung wesentlich, muß der betroffene Grundstückseigentümer die Einwirkungen dulden, wenn die Beeinträchtigungen nicht durch Maßnahmen verhindert werden können, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind (§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB). In diesem Fall kann der Grundstückseigentümer von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkungen eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigen (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB). Danach kommt es zunächst darauf an, ob das Abfallen von Kiefernnadeln und -zapfen auf ein Nachbargrundstück zu den "ähnlichen Einwirkungen" im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB gehört. Davon geht das Berufungsgericht im Anschluß an das Amtsgericht stillschweigend aus. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden; es wird auch von der Revision als dem Kläger günstig nicht angegriffen. Die von § 906 BGB erfaßten Einwirkungen stimmen darin überein, daß sie in ihrer Ausbreitung weithin unkontrollierbar und unbeherrschbar sind, in ihrer Intensität schwanken und damit andere Grundstücke überhaupt nicht, unwesentlich oder
wesentlich beeinträchtigen können (Senat, BGHZ 117, 110, 112). Das trifft auf das Abfallen von Laub, Nadeln, Blüten und Zapfen von Sträuchern und Bäumen zu (vgl. BayObLG, AgrarR 1992, 312, 313; OLG Karlsruhe, NJW 1983, 2886; OLG Stuttgart, NJW 1986, 2768; NJW-RR 1988, 204; OLG Frankfurt a.M., NJW 1988, 2618, 2619; NJW-RR 1991, 1364, 1365; MünchKomm/ Säcker, aaO, § 906 Rdn. 81; Palandt/Bassenge, aaO, § 906 Rdn. 13; Staudinger /Roth, aaO, § 906 Rdn. 169; Horst, DWW 1991, 322, 323; Müller, NJW 1988, 2587; zweifelnd OLG Düsseldorf, NJW-RR 1990, 144, 145).

b) Ebenfalls stillschweigend gehen die Vorinstanzen davon aus, daß die Beklagten für das Abfallen der Kiefernnadeln und -zapfen verantwortlich sind. Auch das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und wird von der Revision hingenommen. Zwar beruhen die Einwirkungen auf natürlichen Vorgängen. Aber auch durch Naturereignisse ausgelöste Störungen können dem Eigentümer zurechenbar sein. So hat der Senat in den Fällen des Eindringens von Baumwurzeln in die Abwasserleitungen des Nachbarn den Eigentümer für verantwortlich gehalten, weil er den Baum gepflanzt (BGHZ 97, 231; 106, 142; 135, 235; Urt. v. 8.2.1991, V ZR 346/89, NJW 1991, 2826) bzw. unterhalten hat (Urt. v. 21.10.1994, V ZR 12/94, NJW 1995, 395, 396). In dem Froschlärm-Fall hat er darauf abgestellt, dass der Eigentümer mit der auf seinem Willen beruhenden Anlage und Unterhaltung des Gartenteichs die Bedingungen dafür geschaffen hat, daß sich dort Frösche ansiedeln konnten (BGHZ 120, 239, 254). In der Wolläuse – Entscheidung (Urt. v. 7. 7. 1995, V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2634) hat er die Störereigenschaft des Eigentümers dagegen verneint, weil er die Störung weder durch eigene Handlungen ermöglicht noch durch ein pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt hat, sondern die Einwirkung durch ein zufälliges und zusätzliches Naturereignis ausgelöst wurde. Diese Differenzie-
rung ist in der Literatur auf Kritik gestoßen (Herrmann NJW 1997, 153, 154). Ob und inwieweit sie berechtigt ist, kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben. Denn der Senat hat den der Wolläuse – Entscheidung zugrunde liegenden Gedanken, dass beim Einwirken von Naturkräften eine Störung nur bei einem pflichtwidrigen Unterlassen in Betracht kommt, in dem Mehltau-Fall (Urt. v. 16. 2. 2001, V ZR 422/99, WM 2001, 1299) weitergeführt. Er hat dort darauf abgestellt, ob sich aus der Art der Nutzung des Grundstücks, von dem die Störung ausgeht, eine „Sicherungspflicht“, also eine Pflicht zur Verhinderung möglicher Beeinträchtigungen ergibt (vgl. auch Senat, BGHZ 90, 255 - Niederschlagswasser). Das trägt den Ansätzen der Kritik Rechnung (Herrmann aaO; vgl. auch Armbrüster NJW 2003, 3087, 3088 f.). Insoweit gilt für natürliche Immissionen nichts anderes als für Immissionen aufgrund eines technischen Defekts (Senatsurt. v. 30. Mai 2003, V ZR 37/02, NJW 2003, 2377 - Wasserrohrbruch). Ob eine solche Pflicht besteht, ist jeweils an Hand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Maßgebend sind hierbei vor allem die Konfliktlösungsregeln des öffentlichen und privaten Nachbarrechts sowie die Art der Nutzung der benachbarten Grundstücke und die vorbeugende Beherrschbarkeit der Störung. Dabei ist, wie der Senat in dem Mehltau-Fall ausgeführt hat, bei natürlichen Immissionen u.a. entscheidend, ob die Nutzung des störenden Grundstücks sich im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung hält. Von diesem Ansatz aus lässt sich auch die Frage beantworten, ob der Laubabwurf oder der Nadelflug eine abwehrbare Beeinträchtigung im Sinne des § 1004 BGB darstellen. Hierbei ist, wie § 907 Abs. 2 BGB zu entnehmen ist, ohne Bedeutung, ob der Baum, Strauch oder die Pflanze, von der die Immission ausgeht, auf natürlichem Wege angewachsen oder von dem Grundstückseigentümer angepflanzt worden ist (Staudinger/Gursky, BGB [1999], § 1004, RdNr. 58). Entscheidend kann nur sein, ob der Bewuchs mit seiner na-
türlichen Emission ordnungsgemäßer Grundstücksbewirtschaftung und dem das Nachbarrecht bestimmenden Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme entspricht. Dies ist hier zu verneinen. Dabei kann offen bleiben, ob schon allein das Anpflanzen oder Unterhalten der Kiefern als Waldbäume in einem Wohngebiet bei der gebotenen Rücksichtnahme auf die Nachbarinteressen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung entspricht. Jedenfalls werden sie unter Verletzung der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen über den Grenzabstand unterhalten. Daß der Kläger wegen Fristablaufs nicht mehr ihre Beseitigung oder das Zurückschneiden auf die zulässige Höhe verlangen kann, hat nicht zur Folge, daß der Bewuchs nunmehr ordnungsgemäßer Bewirtschaftung entspricht. Dann aber sind die Beklagten für die von den Kiefern ausgehenden natürlichen Immission auch verantwortlich.

c) Mit Erfolg rügt die Revision allerdings, daß das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil die von dem Kläger behaupteten Beeinträchtigungen als nicht wesentlich ansieht. Dies ist zunächst eine Tatfrage. Revisionsrechtlich nachprüfbar ist, ob das Berufungsgericht die nötigen Tatsachenfeststellungen verfahrensfehlerfrei getroffen und bei ihrer Würdigung die zutreffenden rechtlichen Gesichtspunkte zugrunde gelegt hat (Senat , BGHZ 120, 239, 254 f.). Das ist hier nicht der Fall.
(1) Die Verfahrensrüge des Klägers (§ 286 ZPO) greift durch. Das Berufungsurteil läßt nicht erkennen, von welchen Auswirkungen des Nadel- und Zapfenfalls das Berufungsgericht ausgeht; entsprechende Feststellungen fehlen. Die Parteien haben dazu gegensätzlich vorgetragen. Damit setzt sich das Berufungsgericht nicht auseinander. Auch ist dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen , ob das Berufungsgericht erkannt hat, daß den Beklagten die Darle-
gungs- und Beweislast für die Unwesentlichkeit der Beeinträchtigungen obliegt (vgl. Senat, BGHZ 120, 239, 257). Falls es seine Auffassung, daß der Nadelund Zapfenfall die Benutzung des Grundstücks des Klägers nur unwesentlich beeinträchtigt, auf den in der Berufungserwiderung der Beklagten in Bezug genommenen erstinstanzlichen Vortrag, daß nicht nur die Nadeln und Zapfen ihrer Kiefern, sondern alle pflanzlichen Bestandteile sämtlicher auf dem Grundstück des Klägers und auf den Nachbargrundstücken stehender Bäume auf das Dach, die Dachrinnen und Dacheinläufe des Hauses des Klägers und in seinen Garten fallen, und die von den Beklagten vorgelegten Lichtbilder stützt, wäre wegen des dem entgegenstehenden Vortrags des Klägers eine Beweisaufnahme erforderlich gewesen. Falls das Berufungsgericht jedoch meint, daß sich schon aus dem Vortrag des Klägers die Unwesentlichkeit der behaupteten Einwirkungen ergibt, so daß es keiner Beweisaufnahme bedurfte, hätte es den Begriff der Wesentlichkeit verkannt. Bei der Beurteilung, ob eine Beeinträchtigung wesentlich im Sinne des § 906 BGB ist, muß auf das Empfinden eines "verständigen Durchschnittsmenschen" und das, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist, abgestellt werden (Senat, BGHZ 148, 261, 264 m.w.N.). Damit können auch wertende Momente, wie z.B. die Beachtung des Naturschutzes und des Umweltbewußtseins der Bevölkerung, in die Beurteilung einbezogen werden (vgl. Senat, BGHZ 120, 239, 255). Dieser Gedanke liegt dem Berufungsurteil offensichtlich zugrunde. Er kann jedoch nicht dazu führen, die Wesentlichkeit auch dann zu verneinen, wenn die Einwirkungen von dem Nachbargrundstück objektiv feststellbare physische Auswirkungen auf das Eigentum des betroffenen Grundstückseigentümers haben (vgl. Senat, Urteil vom 20. November 1998, V ZR 411/97, WM 1999, 554, 555). In einem solchen Fall ist die Grenze von der Unwesentlichkeit zur Wesentlichkeit der Beeinträchtigungen überschritten. So kann es hier sein.
Nach dem Vortrag des Klägers verstopfen die von den Kiefern der Beklagten abfallenden Nadeln die Dachrinnen und Dacheinläufe seines Wohnhauses. Führt das zu Schäden, liegt eine wesentliche Beeinträchtigung vor (vgl. OLG Frankfurt a.M., NJW 1988, 2688). Auch hat der Kläger vorgetragen, daß er wegen des Nadelfalls seinen Gartenteich verschließen mußte. Trifft das zu, wäre auch das eine wesentliche Beeinträchtigung. Insoweit bedarf die Sache also weiterer Aufklärung.
(2) Ebenfalls rechtlich nicht haltbar ist die von dem Berufungsgericht übernommene Auffassung des Amtsgerichts, daß die Auswirkungen einer nicht abwehrbaren Bepflanzung auf die Nachbarschaft nicht rechtswidrig sein können. Damit verkennen die Vorinstanzen in einem entscheidenden Punkt die Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. Er kommt in Betracht, wenn der Grundstückseigentümer wesentliche Einwirkungen dulden muß, die von einer im übrigen rechtmäßigen Nutzung des Nachbargrundstücks ausgehen. Deshalb läßt sich die Wesentlichkeit der Beeinträchtigungen mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung ebenfalls nicht verneinen.

d) Wenn der Nadel- und Zapfenfall die Benutzung des Grundstücks des Klägers wesentlich beeinträchtigt, hängt die Begründetheit des Anspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB weiter davon ab, daß die Beeinträchtigung auf eine ortsübliche Benutzung des Grundstücks der Beklagten zurückzuführen ist und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. Zweifel an der Ortsüblichkeit der Grundstücksbenutzung bestehen bereits deshalb , weil die Kiefern den nach § 50 Abs. 1 Nds.NRG gebotenen Grenzabstand nicht einhalten. Die Frage der Ortsüblichkeit und der Verhinderbarkeit braucht
hier jedoch nicht entschieden zu werden. Denn selbst wenn sie zu verneinen wäre und der Kläger die Einwirkungen deshalb grundsätzlich nicht dulden müßte, sondern sie nach § 1004 Abs. 1 BGB abwehren könnte, käme ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog in Betracht. aa) Ein solcher Anspruch ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung auf ein benachbartes Grundstück Einwirkungen ausgehen, die zwar rechtswidrig sind und deshalb nicht geduldet werden müßten, der betroffene Eigentümer jedoch aus besonderen Gründen gehindert ist, solche Störungen nach § 1004 Abs. 1 BGB zu unterbinden; der Anspruch setzt voraus, daß der Betroffene hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (siehe nur Senat, Urt. v. 30. Mai 2003, V ZR 37/02, WM 2003, 1969, 1970 m.w.N.). Dieser allgemein für das Nachbarrecht entwickelte Grundsatz ist nicht etwa nur auf andere als die von § 906 Abs. 1 BGB erfaßten Einwirkungen beschränkt , wie z.B. auf Grobimmissionen (BGHZ 58, 149, 158 f.; 111, 158, 162), Vertiefungsschäden (BGHZ 72, 289, 292; 85, 375, 384), Abschwemmung von Unkrautvernichtungsmitteln (Senat, BGHZ 90, 255 ff.), Wasserschaden infolge Rohrbruchs auf dem Nachbargrundstück (Senat, Urt. v. 19. Mai 1985, V ZR 33/84, WM 1985, 1041; Urt. v. 30. Mai 2003, aaO) oder durch technischen Defekt an elektrischen Leitungen verursachter Brandschaden an dem benachbarten Haus (Senat, Urt. v. 11. Juni 1999, V ZR 377/98, WM 1999, 2168, 2169); er gilt ebenso für Einwirkungen im Sinne dieser Vorschrift, wenn der beeinträchtigte Eigentümer eine solche Einwirkung trotz ihrer Rechtswidrigkeit nicht verhindern kann, denn maßgeblicher Gesichtspunkt ist in diesen Fällen nicht die Art der Einwirkung, sondern der Umstand, daß eine unzumutbare Be-
einträchtigung des Eigentums eintritt (Senat, BGHZ 90, 255, 262 f.). Dieser Gedanke liegt auch dem § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zugrunde.
bb) Einen Abwehranspruch hätte hier der Kläger zwar unter der Voraussetzung , daß eine wesentliche Beeinträchtigung der Benutzung seines Grundstücks auf die nicht ortsübliche Benutzung des Grundstücks der Beklagten zurückzuführen wäre und/oder von ihnen durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden könnte. Aber der Kläger wäre aus Rechtsgründen daran gehindert, die Einwirkungen zu unterbinden. Eine andere Möglichkeit zur Störungsbeseitigung als die, daß die den Beklagten gehörenden Kiefern entfernt oder so weit gekürzt werden, daß das Abfallen von Nadeln und Zapfen auf das Grundstück des Klägers nahezu ausgeschlossen ist, ist nämlich nicht ersichtlich. Darauf hat der Kläger jedoch wegen Ablaufs der Ausschlußfrist (§ 54 Abs. 2 Nds.NRG) keinen Anspruch mehr; er muß das Höhenwachstum der Bäume dulden (siehe vorstehend unter II. 1.).
cc) Ob der Kläger die Beeinträchtigungen entschädigungslos hinnehmen muß, bedarf ebenfalls der Klärung durch das Berufungsgericht. Es wird zu ermitteln haben, in welchem Verhältnis der von dem Kläger behauptete zusätzliche Reinigungsaufwand zu dem Aufwand steht, den er für die Reinigung seines Grundstücks von Laub, Nadeln u.ä. sowieso hat. Dabei ist zu berücksichtigen , daß sich beide Grundstücke in einem seit vielen Jahren gewachsenen Wohngebiet mit teilweise hohem Baumbestand befinden, weshalb das Grundstück des Klägers - wie auch die benachbarten Grundstücke - dem Abfallen von Laub, Nadeln, Zapfen und anderen pflanzlichen Bestandteilen der eigenen und fremden Bäume und Sträucher ausgesetzt ist. Deshalb muß der Kläger - ebenso wie seine Nachbarn - Reinigungsarbeiten auf seinem Grundstück
vornehmen, um das Laub u.ä. zu entfernen. Dabei müssen auch die Dachrinne und die Dacheinläufe gesäubert werden. Der zeitliche Aufwand dafür hängt von der Art und Größe der eigenen und umliegenden Anpflanzungen, der Jahreszeit sowie den Witterungsverhältnissen ab. Dazu muß der Kläger noch vortragen. Bei der dann erforderlichen Abwägung können allerdings Gesichtspunkte wie der, daß derjenige, der die mit dem "Wohnen im Grünen" verbundenen Annehmlichkeiten wie z.B. den auf Bäume und Sträucher zurückzuführenden Sicht-, Schall- und Windschutz sowie reine und sauerstoffreiche Luft in Anspruch nimmt, bis zu einem gewissen Grad auch die damit verbundenen Nachteile, jedenfalls soweit sie auf natürlichen Gegebenheiten beruhen, in Kauf nehmen müsse (vgl. OLG Frankfurt a.M., NJW 1988, 2618, 2620 m.w.N.; NJW-RR 1991, 1364, 1366 f.; OLG Düsseldorf, NJWE-MietR 1996, 2, 3), oder das gewachsene Umweltbewußtsein weiter Kreise der Bevölkerung, welches das Anpflanzen und Halten von Bäumen auch in Wohngebieten als erstrebenswert ansieht, keine Rolle spielen. Denn hier verstoßen die Beklagten dadurch , daß die Bäume nicht den gesetzlich vorgegebenen Grenzabstand einhalten , gegen das Gebot der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung ihres Grundstücks. Dies kann durch die genannten Gesichtspunkte nicht kompensiert werden. Inwiefern sie zu berücksichtigen wären, wenn das störende Grundstück ordnungsgemäß bewirtschaftet und rechtmäßig genutzt würde, bedarf hier keiner Entscheidung.
dd) Der Umfang des Ausgleichsanspruchs bestimmt sich nach den Grundsätzen, die für die Bemessung der Enteignungsentschädigung gelten; diese unterscheidet sich vom Schadenersatz darin, daß nicht der Zustand herzustellen ist, der bestünde, wenn die Störung nicht eingetreten wäre, vielmehr beschränkt sich der Ausgleich auf die Beseitigung der durch die Störung ein-
getretenen Vermögenseinbuße (Senat, BGHZ 147, 45, 53). Deshalb kann der Kläger höchstens den Betrag erhalten, den er für die zusätzliche Reinigung durch ein Unternehmen aufwenden müßte.
4. Nach alledem ist das Berufungsurteil unter Zurückweisung des erfolglosen Teils der Revision (vorstehend II. 1. und 2.) im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als die Zahlungsanträge des Klägers abgewiesen worden sind. In diesem Umfang ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen. Es muß aufklären, ob die von dem Kläger behaupteten Einwirkungen die ortsübliche Benutzung seines Grundstücks wesentlich beeinträchtigen und ob ihm nicht zugemutet werden kann, daß er die daraus herrührenden Nachteile entschädigungslos hinzunehmen hat. Für das alles trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast.
Wenzel Tropf Lemke Gaier Schmidt-Räntsch

Tenor

I.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 30.09.2011 - 5 O 42/08 R - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, die von der Solaranlage auf dem Gebäude ihres Hausgrundstücks S. Straße … Si. ausgehende unzumutbare Sonnenblendwirkung zu verhindern, soweit die Wohnung der Klägerin im Hausgrundstück B. Straße … Si. betroffen ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III.

Die Streithelferin behält ihre Kosten in beiden Instanzen auf sich. Im Übrigen trägt die Beklagte die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

IV.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann eine Vollstreckung der Klägerin abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 EUR, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Parteien sind Nachbarn. Die Klägerin ist in ungeteilter Erbengemeinschaft mit ihrem Bruder Eigentümerin des Grundstücks B. Straße … in Si., die Beklagte ist Eigentümerin des Grundstücks S. Straße …. in Si.. Die Klägerin wohnt selbst in ihrem Haus.
Auf dem Haus der Beklagten befindet sich ein Satteldach. Sowohl auf der nach Westen geneigten Dachfläche als auch auf der östlichen Dachfläche befinden sich Paneele für eine Photovoltaikanlage. Das Grundstück der Klägerin befindet sich östlich vom Anwesen der Beklagten. Unter bestimmten Umständen wird Sonnenlicht von der Solaranlage, die sich auf dem östlichen Teil des Hausdaches der Beklagten befindet, so reflektiert, dass Blendwirkungen in der Wohnung der Klägerin im Nachbarhaus auftreten. Über Umfang und Intensität dieser Blendwirkungen besteht teilweise Streit.
Die Klägerin hat im Verfahren vor dem Landgericht von der Beklagten verlangt, Maßnahmen zu ergreifen, welche die Blendwirkungen für die von ihr bewohnte Wohnung verhindern. Außerdem hat die Klägerin die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1.291,03 EUR verlangt. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Beeinträchtigungen der Klägerin durch die von der Photovoltaikanlage ausgehenden Blendungen seien geringfügig und daher nur unwesentlich im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB. Die Klägerin müsse eventuelle Beeinträchtigungen auch deshalb hinnehmen, weil Solaranlagen auf Hausdächern inzwischen allgemein üblich seien, auch in dem von den Parteien bewohnten Wohngebiet. Auch wenn die Energieausbeute auf einem nach Osten weisenden Dach geringer sei als bei einer Ausrichtung der Paneele nach Süden oder nach Westen, sei die Anlage auch auf dem Ostdach für die Beklagte wirtschaftlich sinnvoll und notwendig. Eine vollständige Verhinderung von Blendwirkungen für die Klägerin (beispielsweise durch einen Sichtschutz oder durch eine Verkippung der Paneele) sei aus technischen Gründen nicht möglich und wäre im Übrigen - hilfsweise - wegen der damit verbundenen Kosten für die Beklagte unzumutbar.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung von zwei Sachverständigengutachten zur Feststellung und lichttechnischen Bewertung der Blendwirkungen einerseits und zu möglichen baulichen Maßnahmen zur Verhinderung von Blendwirkungen andererseits. Mit Urteil vom 30.09.2011 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zwar stehe nach dem Gutachten des Sachverständigen D. B. fest, dass erhebliche Blendungswirkungen von der Photovoltaikanlage ausgehen, die als wesentlich im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB anzusehen seien. Die Klägerin sei jedoch verpflichtet, diese Beeinträchtigungen zu dulden. Denn Photovoltaikanlagen auf den Hausdächern seien im Wohngebiet der Parteien ortsüblich. Bauliche Maßnahmen zur Verhinderung der Blendungen seien der Beklagten nicht zuzumuten, da solche Maßnahmen nach den Feststellungen des Sachverständigen Feth mit unvertretbaren Kosten verbunden wären.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie greift zum einen die Feststellung des Sachverhalts durch das Landgericht insoweit an, als die Klägerin noch in wesentlich größerem zeitlichen Umfang mit Blendungen rechnen müsse, als vom Landgericht angenommen. Vor allem könne nicht von ortsüblichen Einwirkungen ausgegangen werden. Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass eine Montage von Solaranlagen auf einem nach Osten gerichteten Dach - wie bei dem Haus der Beklagten - wirtschaftlich nicht sinnvoll, und daher im Wohngebiet der Parteien auch nicht üblich sei. Im Übrigen wäre eine Verhinderung der Blendwirkungen durch bestimmte bauliche Maßnahmen technisch möglich und entgegen der Auffassung des Landgerichts der Beklagten auch wirtschaftlich zumutbar.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 30.09.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die von der Solaranlage auf dem Gebäude ihres Hausgrundstücks S. Straße … Si. ausgehende Sonnenblendwirkung zu verhindern, soweit die Wohnung der Klägerin im Hausgrundstück B. Straße …. Si. betroffen ist, und die Beklagte zu verurteilen, die vorprozessualen Kosten in Höhe von 1.291,03 EUR zu tragen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
10 
Die Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts und ergänzt und vertieft ihr Vorbringen.
11 
Die auf Beklagtenseite beigetretene Streithelferin schließt sich dem Antrag der Beklagten an.
12 
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
13 
Die Berufung der Klägerin hat überwiegend Erfolg. Die Beklagte ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass von der Solaranlage auf dem Dach ihres Hauses keine unzumutbaren Blendwirkungen für die Wohnung der Klägerin ausgehen. Die Beklagte ist hingegen nicht verpflichtet, die vorgerichtlichen Anwaltskosten der Klägerin zu erstatten.
14 
1. Die Klage ist zulässig. Der Antrag, mit dem die Klägerin erreichen möchte, dass in der Zukunft für sie bestimmte Beeinträchtigungen durch die Solaranlage der Beklagten unterbleiben, ist genügend bestimmt. Es reicht aus, dass der Antrag den von der Klägerin erstrebten Erfolg beschreibt, und der Beklagten die Mittel überlässt, mit denen sie diesen Erfolg ggfs. herbeiführen will (beispielsweise Anbringung von Folien, Anbringung eines Sichtschutzes, „Aufkippen“ der Paneele oder auch eine komplette Beseitigung der Paneele auf der Ostseite des Daches). Im Hinblick auf die Regelung in § 906 Abs. 1 BGB (Duldungspflicht bei unwesentlichen Beeinträchtigungen) ist es zudem nicht zu beanstanden, wenn die Klägerin lediglich das Unterbleiben solcher Beeinträchtigungen in allgemeiner Form verlangt, die „unzumutbar“ („wesentlich“) sind (vgl. zur Antragsfassung und zur möglicherweise erforderlichen Konkretisierung im Vollstreckungsverfahren in ähnlichen Fällen BGH, Urteil vom 05.02.1993 - V ZR 62/91 -, zitiert nach Juris; BGH, NJW 1999, 356).
15 
In der Antragsformulierung der Klägerin findet sich zwar das Wort „unzumutbar“ bzw. „wesentlich“ nicht. Aus der Klagebegründung ergibt sich jedoch, dass die Klägerin im Hinblick auf § 906 Abs. 1 BGB eine Verhinderung von Beeinträchtigungen nur insoweit erstrebt, als sie „unzumutbar“ bzw. „wesentlich“ sind. Soweit der Senat im Tenor des Urteils das Wort „unzumutbar“ ergänzt hat, handelt es sich mithin gegenüber dem Begehren der Klägerin nicht um eine Einschränkung, sondern lediglich um eine Klarstellung (vgl. für einen gleichartigen Fall BGH, Urteil vom 05.02.1993 - V ZR 62/91 -, zitiert nach Juris).
16 
2. Der Anspruch auf Unterbindung von Blendungen durch die Solaranlage am Haus der Beklagten beruht auf § 1004 Abs. 1 BGB. Die Klägerin ist als Miteigentümerin berechtigt, von der Beklagten Beeinträchtigungen ihres Eigentums zu verlangen. Zwar steht der Anspruch an sich der Miterbengemeinschaft als Gesamthandsgemeinschaft zu. Die Klägerin kann die Klage jedoch mit Wirkung für die Erbengemeinschaft erheben im Rahmen einer gewillkürten Prozessstandschaft für ihren Bruder (§§ 2038 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 745 Abs. 1 BGB; vgl. VG München, Urteil vom 30.11.2006 - M 10 K 01.2455, M 10 K M 10 K 01.3239 -, RdNr. 24, zitiert nach Juris). Die Ermächtigung durch den Miterben (Bruder) ergibt sich aus der Erklärung vom 10.08.2006 (Anlage K 9, I, 607).
17 
Die Beklagte ist für den Anspruch der Klägerin passiv legitimiert. Denn sie ist als Eigentümerin des Grundstücks, von welchem die Beeinträchtigungen für das klägerische Grundstück ausgehen, Zustandsstörerin (vgl. zum Begriff des Zustandsstörers Palandt/Bassenge, BGB, 72. Auflage 2013, § 1004 BGB, RdNr. 19 ff.).
18 
3. Die von der Solaranlage verursachten Blendungen sind Beeinträchtigungen des Eigentums im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB, die von der Klägerin nicht zu dulden sind.
19 
a) Es handelt sich um Beeinträchtigungen des Eigentums der Klägerin im Sinne von § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB. Denn Lichtreflexe, die von Menschen in der Wohnung der Klägerin oder auf dem Balkon als erhebliche Blendung wahrgenommen werden, sind für die Bewohner unangenehm und beeinträchtigen die Nutzung des Eigentums. Es handelt sich auch nicht um „Natureinwirkungen“, die keine Haftung des Zustandsstörers begründen können. Denn ursächlich für die Einwirkungen ist zwar auch das Sonnenlicht, aber nur im Zusammenhang mit den Reflexionswirkungen, die durch die Solaranlage auf dem Hausdach der Beklagten verursacht werden. (vgl. zur Haftung für Blendwirkungen, die vom Grundstück des Zustandsstörers ausgehen, OLG Stuttgart, Urteil vom 09.02.2009 - 10 U 146/08 -, Rdn. 28, zitiert nach Juris; Palandt/Bassenge, Bürgerliches Gesetzbuch, 72. Aufl. 2013, § 906 BGB Rdn. 11).
20 
b) Für die Beurteilung der Beeinträchtigungen ist von den folgenden Feststellungen auszugehen, die das Landgericht insbesondere auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen D. B. getroffen hat: Auf dem östlichen Hausdach der Beklagten sind Solarpaneele montiert (vgl. das Bild Nr. 5 im schriftlichen Gutachten D. B.), die in der Zeit von Mai bis Juli jeden Jahres nachmittags zu intensiven Blendwirkungen für die Wohnung der Klägerin führen können, und zwar in diesen drei Monaten jeweils bis zu 2 Stunden in der Zeit von ca. 15.00 Uhr bis ca. 17.00 Uhr. Da die Dachflächen der Gebäudeteile unterschiedlich geneigt sind, weisen auch die Solarpaneele unterschiedliche Winkel zur Horizontalen auf, mit der Konsequenz, dass je nach dem jeweiligen Sonnenstand die Blendung zu unterschiedlichen Zeiten (in dem angegebenen Zeitraum) von dem einen oder von dem anderen Teil der Paneele verursacht wird. Unter Berücksichtigung der örtlichen Bedingungen, des jeweils zu erwartenden Sonnenstandes und der im Hinblick auf die Wetterbedingungen zu erwartenden Sonnenscheindauer ergibt sich für die Monate Mai bis Juli jeden Jahres für die Wohnung der Klägerin eine jährliche mittlere Blendungswahrscheinlichkeit von 26 Stunden. Blendungswirkungen ergeben sich für die Wohnung der Klägerin zudem auch außerhalb der Monate Mai bis Juli, insbesondere im August und September, jedoch für geringere Zeiträume im Hinblick auf den veränderten Sonnenstand. Im Winter ist nicht mit Blendungen zu rechnen.
21 
Nach dem Gutachten des Sachverständigen werden die kritischen Grenzwerte für Beeinträchtigungen durch Blendungen signifikant überschritten. Die Blendungen treten unter den gegebenen örtlichen Bedingungen nachmittags bei einem relativ hohen Sonnenstand bei intensiver Lichteinwirkung auf. Die Solarpaneele auf dem Hausdach der Beklagten bewirken eine nahezu horizontale Reflexion des Lichts in Richtung der Wohnung der Klägerin. Solche horizontale Reflexionen sind nicht vergleichbar mit einer möglichen Blendung durch direktes Licht einer hoch am Himmel stehenden Sonne, weil der Betrachter einer direkten Blendung durch die am Himmel stehende Sonne durch sein Verhalten ausweichen kann. Die Intensität der Blendung ist nach dem Gutachten des Sachverständigen in ihren Auswirkungen für die Bewohner im Haus der Klägerin auch nicht vergleichbar mit einer möglichen Blendung durch eine tief am Horizont stehende Sonne.
22 
Bei den Beeinträchtigungen für die Klägerin ist zu berücksichtigen, dass die Blendungen vom Anwesen der Beklagten auf die Westseite des Hauses der Klägerin treffen. An der Westfassade befinden sich Terrasse und Balkon, sowie die Fenster des Wohnzimmers und der Wohnküche.
23 
Die dargestellten Feststellungen des Landgerichts sind von der Beklagten im Berufungsverfahren nicht angegriffen. Einwendungen der Klägerin gegen die Feststellungen (zeitlich längere Blenddauer) können dahinstehen, weil sich bereits aus den Feststellungen des Landgerichts ergibt, dass der geltend gemachte Anspruch der Klägerin zusteht (siehe im Einzelnen unten).
24 
c) Die Klägerin ist nicht verpflichtet, die Blendwirkungen zu dulden, da es sich nicht um „unwesentliche“ Beeinträchtigungen im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB handelt.
25 
aa) Maßgeblich für die „Wesentlichkeit“ ist das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen (vgl. Palandt/Bassenge, a.a.O., § 906 BGB Rdn. 17; BGH, NJW 1993, 925; OLG Stuttgart, Urteil vom 09.02.2009 - 10 U 146/08 -, Rdn. 31, zitiert nach Juris). Dabei sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere im Hinblick auf die Dauer der Blendungen, die Intensität der Lichtreflexe und die konkreten Auswirkungen auf die Nutzung des Nachbargrundstücks. Normen oder Grenzwerte für die „Wesentlichkeit“ von Blendungswirkungen bei Solaranlagen gibt es nicht. Insbesondere können die „Hinweise zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen“ (sogenannte Licht-Richtlinie) nicht herangezogen werden, auch nicht etwa analog, da diese Richtlinie zum einen keinen normativen oder quasi-normativen Charakter hat, und da sich die Richtlinie zum anderen nicht auf Blendwirkungen bei der Reflexion von Sonnenlicht bezieht, sondern nur auf Lichtimmissionen durch künstliche Beleuchtung (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 09.02.2009 - 10 U 146/08 -, Rdn. 32, zitiert nach Juris; VG Neustadt, Urteil vom 17.10.2012 – 4 K 481/12 NW - Rdn. 29, zitiert nach Juris).
26 
bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Landgericht die Blendwirkungen durch die Solaranlage im vorliegenden Fall zutreffend als wesentlich eingestuft. Bei dieser Bewertung spielen die festgestellten erheblichen Zeiten der Einwirkungen und die Intensität der Reflexionen eine wesentliche Rolle. Die horizontale, direkte Blendung vom Nachbarhaus ist nicht vergleichbar mit einer ansonsten durchaus üblichen Blendung durch direktes Sonnenlicht. Der Sachverständige D. B. hat in seinem Gutachten (vgl. S. 9 des Gutachtens) zu Recht darauf hingewiesen, dass die Wahrnehmung der Blendung von der Wahrnehmung einer direkten Besonnung schon deshalb erheblich abweicht, weil eine direkte Besonnung normalerweise unter weniger kritischen Sonnenhöhenwinkeln erfolgt, auf die sich ein Bewohner, auch bei nach Westen ausgerichteten Fenstern bzw. Terrassen, anders einstellen kann. Unter diesen Umständen können auch relativ kurze Lichtreflexionen schon als „wesentlich“ angesehen werden. Die Beeinträchtigungen entsprechen nicht dem, womit der Bewohner einer nach Westen ausgerichteten Wohnung normalerweise rechnet. Angesichts der Intensität der festgestellten Blendwirkungen wäre es auch nicht ausreichend, wenn die Beklagte lediglich die von einer Teilfläche des Daches (beispielsweise Hausdach einerseits bzw. Dach des sogenannten Garagenaufbaus andererseits) ausgehenden Beeinträchtigungen beseitigen würde; vielmehr wären die Wirkungen für die Klägerin, auch dann, wenn die Beklagte sie auf eine Teilfläche reduzieren würde, unzumutbar. (Vgl. zur „Wesentlichkeit“ von Blendwirkungen in ähnlichen Fällen OLG Stuttgart, Urteil vom 09.02.2009 - 10 U146/08 -, zitiert nach Juris; LG Heidelberg, Urteil vom 15.05.2009 - 3 S 21/08 -, zitiert nach Juris; LG Frankfurt, Urteil vom 21.07.1995 - 2 11 O 93/94 -, zitiert nach Juris; ähnliche Bewertungen der Blendung durch bestimmte Anlagen auf einem Nachbargrundstück finden sich im Urteil des OLG Schleswig vom 11.08.2004 - 2 A 21/04 -, zitiert nach Juris und in VG Augsburg, Urteil vom 05.10.2012 – Au 4 K12.399 -, zitiert nach Juris).
27 
cc) Gesichtspunkte der Ökologie führen nicht zu einer anderen Bewertung. Zwar ist die für die Wesentlichkeit maßgebliche Figur des „verständigen Durchschnittsmenschen“ so zu verstehen, dass dieser nicht nur sein Privatinteresse im Auge hat, sondern dass er auch Allgemeininteressen, insbesondere Gesichtspunkte des Umweltschutzes, berücksichtigt (vgl. Palandt/Bassenge, a.a.O., § 906 BGB, Rdn. 17). Das kann jedoch nur bedeuten, dass ein „verständiger Durchschnittsmensch“ generell die Anbringung von Solarpaneelen auf Hausdächern akzeptiert, nicht jedoch die damit im Einzelfall verbundenen Blendwirkungen. Denn Photovoltaikanlagen auf Hausdächern sind keineswegs zwingend mit Beeinträchtigungen der Nachbarn durch Blendungen verbunden. Vielmehr werden die Anlagen erfahrungsgemäß in der Regel so angebracht, dass für Nachbarn keine Beeinträchtigungen entstehen, insbesondere bei Anlagen auf nach Süden geneigten Hausdächern, die wegen des Einfallswinkels des Sonnenlichts normalerweise nicht zu horizontalen Reflexionen führen können. Es sind auch keine Gesichtspunkte ersichtlich, dass die Beklagte direkt oder indirekt gezwungen war, eine Solaranlage auf dem nach Osten geneigten Teil des Hausdaches anzubringen, zumal sich entsprechende Paneele auch auf der Westseite des Daches befinden. Auch unter Berücksichtigung eines gesteigerten Umweltbewusstseins hat ein „verständiger Durchschnittsmensch“ keinen Anlass, die Blendwirkungen vom Hausdach der Beklagten als „unwesentlich“ zu betrachten. Dabei kommt es nicht auf die zwischen den Parteien streitige Frage an, ob die Solaranlage der Beklagten auch auf dem Ostdach des Hauses wirtschaftlich sinnvoll und ertragreich ist.
28 
d) Auf die Frage, ob und inwieweit die Klägerin die Möglichkeit hätte, durch eigene Maßnahmen Blendungen auszuschließen, kommt es nicht an. In Betracht käme für die Klägerin die Nutzung von Jalousien, Rollläden oder Markisen. Solche Maßnahmen würden den Ausblick aus der Wohnung, bzw. den freien Blick vom Balkon, für die Klägerin beeinträchtigen. Da die Voraussetzungen für einen Unterlassungs- bzw. Beseitigungsanspruch gemäß §§ 1004 Abs. 1, 906 Abs. 1 BGB vorliegen, braucht die Klägerin solche Maßnahmen, die die Nutzungsmöglichkeiten der eigenen Wohnung in gewissem Umfang einschränken würden, nicht zu ergreifen. Aus Rechtsgründen gibt es keine Abwägung, ob der Klägerin selbst solche Abwehrmaßnahmen eventuell „zumutbar“ sein könnten.
29 
4. Die Beeinträchtigungen wären von der Klägerin allerdings dann - unter bestimmten weiteren Voraussetzungen - hinzunehmen, wenn die Blendwirkungen durch eine „ortsübliche Benutzung“ des Grundstücks der Beklagten entstehen würden (§ 906 Abs. 2 ZPO). Dies ist jedoch entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht der Fall. Die von den Solarpaneelen ausgehenden Blendwirkungen sind nicht „ortsüblich“.
30 
a) Es kommt nicht darauf an, ob Photovoltaikanlagen auf Hausdächern im Wohngebiet der Parteien „ortsüblich“ sind. Nach dem Gesetz (§ 906 Abs. 2 BGB) geht es um „eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks“. Das heißt: Ortsüblichkeit im Sinne des Gesetzes ist nur dann anzunehmen, wenn nicht nur die abstrakte Nutzung des anderen Grundstücks (Photovoltaikanlage) als solche ortsüblich ist, sondern wenn gleichzeitig die durch die konkrete Gestaltung verursachten Beeinträchtigungen für andere Nachbarn „ortsüblich“ sind. Diese Auslegung des Gesetzes ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt. (Vgl. BGH, NJW 1959, 1632; BGHZ 38, 61; BGH, NJW 1992, 1389; BGH, NJW 1993, 925; LG Heidelberg, NZM 2010, 919; Palandt/Bassenge, aaO, § 906 BGB Rn. 23; missverständlich hingegen die Formulierungen von Fritzsche in Bamberger/Roth, BGB, 3. Auflage 2012, § 906 BGB Rn. 56; unklar OLG Stuttgart, Urteil vom 30.04.2013 – 3 U 46/13 –, Rn. 24, zitiert nach Juris.) Die für die Klägerin störende Anlage auf dem Dach des Nachbarhauses wäre mithin nur dann „ortsüblich“ im Sinne des Gesetzes, wenn von anderen Photovoltaikanlagen im selben Ort, bzw. im selben Wohngebiet, Blendwirkungen auf Nachbarhäuser in ungefähr gleicher Art und gleicher Intensität ausgehen würden. Die Darlegungs- und Beweislast für solche gleichartigen Beeinträchtigungen in der Nachbarschaft obliegt hierbei der Beklagten (vgl. Palandt/Bassenge, a.a.O., § 906 BGB Rdn. 26). Eventuelle Unklarheiten bei der Frage der „Ortsüblichkeit“ würden im Rechtsstreit mithin zu Lasten der Beklagten gehen.
31 
b) Hiervon ausgehend lässt sich eine „Ortsüblichkeit“ nicht feststellen. Es ist, auch nach dem Vorbringen der Beklagten, nicht ersichtlich, dass in der näheren oder weiteren räumlichen Umgebung der Parteien ähnliche nachteilige Blendungen für Nachbarn durch Photovoltaikanlagen auftreten würden.
32 
aa) Von wesentlicher Bedeutung für das Ausmaß und die konkreten Auswirkungen von Blendungen ist die Himmelsrichtung, nach der das jeweilige Hausdach ausgerichtet ist. Bei einer Ausrichtung des Daches nach Osten, wie im vorliegenden Fall, können im Sommer nachmittags horizontale Reflexionen auftreten (siehe oben), während bei der Ausrichtung eines Daches beispielsweise nach Süden aufgrund der jeweils maßgeblichen Reflexionswinkel kaum mit einer horizontalen Reflexion zu rechnen ist. Die Beklagte hat vorliegend in der weiteren Wohnumgebung der Häuser der Parteien lediglich auf sechs nach Osten ausgerichtete Hausdächer hingewiesen, auf denen ebenfalls Solarpaneele montiert seien. Es ist zweifelhaft, ob von diesen Dächern – wie die Beklagte behauptet – gleichartige Blendwirkungen für Nachbarn auftreten wie im vorliegenden Fall; denn es kommt, wie aus dem erstinstanzlich eingeholten Gutachten ersichtlich, für Art und Ausmaß von Blendwirkungen zum Einen auf die jeweilige Dachneigung an, und zum anderen auf die exakten räumlichen Beziehungen zu den Nachbarhäusern. Genauer Feststellungen hierzu waren jedoch nicht erforderlich; denn von „ortsüblichen“ Beeinträchtigungen ist auch dann nicht auszugehen, wenn die sechs von der Beklagten genannten Solaranlagen auf Ostdächern jeweils gleiche oder ähnliche nachteilige Wirkungen für Nachbarn hätten, wie die Solaranlage der Beklagten.
33 
bb) Von ortsüblichen Beeinträchtigungen (bzw. einer ortsüblichen Benutzung der Grundstücke) ist auszugehen, wenn „eine Mehrheit von Grundstücken in dem für den Vergleich zu betrachtenden Bezirk in annähernd gleicher Weise, d. h. mit einer der Art und dem Maß nach einigermaßen gleichen beeinträchtigenden Einwirkung auf fremde Grundstücke benutzt werden“ (BGH, NJW 1959, 1867, 1868). Es ist erforderlich, dass die Einwirkung „öfter vorkommt“ (BGH aaO.). Von Ortsüblichkeit spricht man, wenn bestimmte Grundstücksnutzungen, die mit Immissionen verbunden sind, einem bestimmten Gebiet ein „Gepräge“ geben, wenn also die Immissionen für die Mehrheit der Vergleichsgrundstücke eine Rolle spielen (vgl. Säcker, in Münchener Kommentar, 6. Auflage 2013, § 906 BGB Rn. 117).
34 
Diese Voraussetzungen liegen, auch nach dem Vorbringen der Beklagten, nicht vor. Bei den von ihr aufgeführten sechs Ostdächern handelt es sich – auch wenn man jeweils eine gleichartige Blendung für Nachbarn unterstellt – nur um eine geringe Zahl innerhalb eines größeren Wohngebiets mit mehreren hundert Wohnhäusern. Die von Solardächern ausgehenden Blendwirkungen unterscheiden sich zudem von Immissionen durch Lärm oder Gerüchen dadurch, dass von einer einzelnen Immissionsquelle (Solardach) nur einzelne Nachbarn betroffen werden. Das heißt, auch nach dem Sachvortrag der Beklagten ist davon auszugehen, dass – wenn überhaupt – im Wohnumfeld der Klägerin nur einzelne Hauseigentümer bzw. Bewohner von ähnlichen – erheblichen – Reflexionswirkungen durch Solardächer betroffen sind. Es kann daher nicht davon die Rede sein, dass Solardächer mit erheblichen Reflexionswirkungen dem fraglichen Wohngebiet ein bestimmtes „Gepräge“ geben. Anders ausgedrückt: Wer, ohne die örtlichen Verhältnisse im Detail zu kennen, eine Wohnung in der Nähe der Häuser der Parteien sucht, muss mit nur einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit mit ähnlichen Beeinträchtigungen wie die Klägerin rechnen. Dies steht einer „Ortsüblichkeit“ entgegen.
35 
c) Eine Duldungspflicht ergibt sich für die Klägerin auch nicht daraus, dass die Blendwirkungen, wie auch der Sachverständige D. B. ausgeführt hat, vergleichbar sind mit Blendwirkungen, die durch glasierte Dachziegel oder Blechdächer auf Nachbarhäusern entstehen können. Denn auch solche ähnlichen Blendwirkungen bräuchte die Klägerin nur dann hinzunehmen, wenn sie „ortsüblich“ wären. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich nicht, dass in der Nachbarschaft vergleichbare Blendwirkungen durch gläserne Dachziegel oder Blechdächer auftreten. In der Rechtsprechung werden daher nicht nur bei Photovoltaikanlagen, sondern auch bei Blendwirkungen durch Glasdächer oder andere Anlagen auf einem Nachbargrundstück, gegebenenfalls Unterlassungs- bzw. Beseitigungsansprüche zuerkannt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 09.02.2009 - 10 U 146/08 -, zitiert nach Juris; LG Frankfurt, Urteil vom 21.07.1995 - 2/11 O 93/94 -, zitiert nach Juris; ähnlich im öffentlichen Recht VG Schleswig, Urteil vom 11.08.2004 - 2 A 21/04 -, zitiert nach Juris).
36 
d) Da die Anlage auf dem Hausdach der Beklagten nicht ortsüblich ist, bedarf es keiner Prüfung, auf welche Weise die Beklagte die Beeinträchtigungen für die Klägerin verhindern kann. Es kommt - wegen fehlender Ortsüblichkeit - nicht auf die wirtschaftliche Zumutbarkeit für die Beklagte gemäß § 906 Abs. 2 BGB an. Es ist Sache der Beklagten, ob sie aus ihrer Sicht mögliche und sinnvolle Maßnahmen zur Verhinderung der nicht zumutbaren Beeinträchtigungen findet, oder ob sie die Solarpaneele auf der Ostseite des Hausdaches beseitigt.
37 
5. Die Berufung der Klägerin ist hingegen nicht begründet, soweit sie den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1.291,03 EUR geltend macht. Für einen Ersatzanspruch gibt es keine rechtliche Grundlage. Insbesondere scheidet ein Anspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB (Schadensersatz bei Verzug) aus. Die Anwaltskosten der Klägerin sind entstanden durch das vorprozessuale Schreiben vom 31.08.2006 (I 13/15, Anlage K 3). Zum Zeitpunkt dieses Schreibens befand sich die Beklagte mit Beseitigungsmaßnahmen nicht in Verzug. Denn eine verzugsbegründende Mahnung (§ 286 Abs. 1 BGB)vor dem Anwaltsschreiben ist nicht ersichtlich.
38 
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.
39 
7. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.
40 
8. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Denn die für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt. Das gilt insbesondere für die Frage, wie der Begriff der „Ortsüblichkeit“ in § 906 Abs. 2 ZPO zu verstehen ist.

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20. Mai 2009 - 2 K 1583/08 - wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Kläger wenden sich gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Anbringung einer Videowerbeanlage (City-Board).
Der Kläger zu 1 ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flst.Nr. ... (...), die Klägerin zu 2 Eigentümerin des ebenfalls mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flst.Nr. ... (...) auf der Gemarkung der Beklagten. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Goethestraße" der Beklagten, der insoweit ein allgemeines Wohngebiet festsetzt.
Die Beklagte erteilte der Beigeladenen mit Bescheid vom 18.07.2006 eine Baugenehmigung für die Errichtung einer „City-Board" genannten Videowerbeanlage mit laufend wechselnden Bildern auf dem mit einem mehrgeschossigen Wohnhaus bebauten Grundstück Flst.Nr. ... (... ...-...). Die 4,08 m x 3,02 m große, an der westlichen Außenwand des Wohnhauses angebrachte Anlage wurde im Dezember 2006 in Betrieb genommen. Der Anbringungsort ist von den Wohnhäusern der Kläger ca. 35 bis 40 m entfernt. Das Bauvorhabengrundstück liegt nicht im räumlichen Geltungsbereich eines Bebauungsplans.
Gegen die Baugenehmigung legten die Kläger jeweils Widerspruch ein.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens legte die Beigeladene ein Gutachten des Sachverständigen für Lichttechnik Dr.-Ing. ... ... vom 19.02.2007 zur Beurteilung der Lichtimmissionen auf der Grundlage von Messungen für die Gebäude ... xx, xx und xx vor. Am 07.03.2007 wurden von dem Sachverständigen ergänzende Messungen vorgenommen.
In der Folgezeit erließ die Beklagte mit Bescheid vom 11.07.2007 als Ergänzung zur Baugenehmigung vom 18.07.2006 die Nebenbestimmung, dass das City-Board werktags maximal von 6.00 Uhr bis 20.00 Uhr und sonntags von 9.00 Uhr bis 20.00 Uhr betrieben werden (Nr. 1) und die Beleuchtungsstärke (Leuchtdichte) in den Dunkelstunden maximal 2 % betragen darf (Nr. 2). Als Dunkelheit galt die Zeit 30 Minuten vor Sonnenaufgang und 30 Minuten nach Sonnenuntergang, für die Berechnung der Beleuchtungsstärke galten die beigefügten Hinweise zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen (Beschluss des Länderausschusses für Immissionsschutz vom 10.05.2000).
Das Regierungspräsidium Stuttgart fasste mit Widerspruchsbescheiden vom 26.03.2008 die Baugenehmigung der Beklagten vom 11.07.2007 zur Klarstellung wie folgt:
1. Der Betrieb des City-Boards (Videowerbeanlage) darf werktags maximal von 06.00 Uhr bis 20.00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen maximal von 09.00 Uhr bis 20.00 Uhr erfolgen.
2. In dieser Zeitspanne darf in Dunkelstunden die am Immissionsort (hier ... xx und ...) erzeugte vertikale Beleuchtungsstärke 1 Lux nicht überschreiten. Das ist bei der Anlage der Fall, wenn ihre Leuchtdichte auf maximal 2 % des möglichen Höchstwertes eingestellt wird. Dunkelstunden sind die Zeiten, die in die Zeitspanne von 30 Minuten nach Sonnenuntergang bis 30 Minuten vor Sonnenaufgang fallen. Für die Berechnung der Beleuchtungsstärke gelten die Hinweise zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen (Beschluss des Länderausschusses für Immissionsschutz vom 10.05.2002, beigefügt als Anlage)."
10 
Im Übrigen wurden die Widersprüche zurückgewiesen.
11 
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 20.05.2009 - 2 K 1583/08 -die von Klägern erhobenen Klagen abgewiesen.
12 
Der Senat hat auf Antrag der Kläger mit Beschluss vom 23.11.2010 - 3 S 1539/09 - die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart zugelassen.
13 
Die Kläger beantragen zuletzt,
14 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20.05.2009 - 2 K 1583/08 - zu ändern und die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 18.07.2006, geändert durch Bescheid vom 11.07.2007, in der Fassung vom 27.03.2012 und die Widerspruchsbescheide des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 26.03.2008 aufzuheben.
15 
Die Kläger tragen zur Begründung im Wesentlichen vor: Ein Betrieb der Videowerbeanlage sei an Feiertagen durch die Baugenehmigung in der Fassung vom 11.07.2007 nicht vorgesehen gewesen. Die Beigeladene habe sich mit einem Betrieb der Anlage in diesem Umfang bereits einverstanden erklärt. Es verstoße gegen Treu und Glauben, wenn die Widerspruchsbehörde zum Nachteil der Kläger den Betrieb der Anlage auch auf Feiertage ausweite. Zudem sei der Betrieb der Werbeanlage an Sonn- und Feiertagen rücksichtlos. Die LAI-Hinweise seien Bestandteil der Baugenehmigung geworden. Der Sachverständige Dr. Ing. ... habe in seinem Gutachten vom 10.03.2007 ausgeführt, aus dem Wert Ev = 3 lx werde die zulässige vertikale Beleuchtungsstärke Ev = 0,3 lx für höchste Ansprüche. Soweit mit der Baugenehmigung eine maximale vertikale Beleuchtungsstärke von 1 lx in den „Dunkelstunden“ als Grenzwert angegeben werde, sei dieser Wert zu hoch und übersteige die zulässige vertikale Beleuchtungsstärke nach der LAI-Hinweisen um mehr als dreifache. Des Weiteren lasse die Baugenehmigung eine Beschränkung auf einen maximal zulässigen Leuchtdichtewert hinsichtlich der Blendungswirkung vermissen. Außerdem sehe die Baugenehmigung keine Beschränkung außerhalb der „Dunkelstunden“ vor. Es träten indessen nicht nur in den Abendstunden, sondern auch am Tage regelmäßig unerträgliche Beleuchtungssituationen auf. Dies gelte insbesondere in den Herbst- und Wintermonaten, da es bereits am Tage witterungsbedingt häufig dunkel sei. Eine automatische Anpassung der Leuchtstärke an das Wetter erfolge nicht. Auch beziehe sich die Beschränkung der Einstellung der Leuchtdichte des Videoboards auf 2 % lediglich auf die momentan angebrachte Werbeanlage, während die Baugenehmigung nicht die Errichtung eines bestimmten Gerätes vorsehe. Die Anknüpfung an einen Hersteller- und bauartabhängigen Wert von 2 % sei daher fehlerhaft. Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruhe zudem auf Unterlagen, die ihnen nicht zugänglich gemacht worden seien. Bei den Gutachten handle es sich um Parteigutachten, wobei sie sich nicht grundsätzlich gegen Inhalt der Gutachten wendeten. Das genehmigte Vorhaben verstoße schließlich auch gegen § 5 BImSchG. Aus der Sicht der Kläger entspreche es dem Stand der Technik, einen Sensor zu installieren, der jeweilige Beleuchtungsstärken an die Außenhelligkeit automatisch anpasse.
16 
Die Beklagte beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Sie trägt zusammengefasst vor: Eine reformatio in peius zu Lasten der Kläger liege nicht vor. Die Widerspruchsbehörde habe die Nebenbestimmung zur Baugenehmigung hinsichtlich des Betriebs an Sonntagen lediglich dahin konkretisiert, dass diese Betriebseinschränkung auch feiertags gelte. Auch habe die Beigeladene nicht auf einen Betrieb an Sonn- und Feiertagen verzichtet. Die Vorgaben der LAI-Hinweise sowie des Sachverständigen Dr. Ing. ... seien hinreichend berücksichtigt worden. Dies gelte insbesondere für die zulässige vertikale Beleuchtungsstärke. Der zur Beurteilung der Lichtstärken und Blendwirkung hinzugezogene Gutachter Dr. Ing. ... führe in seinem Gutachten vom 19.02.2007 aus, dass eine Übereinstimmung der montierten Anlage mit den Hinweisen zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen in jedem Fall dann gegeben sei, wenn die Anlage auf 2 % ihrer maximalen Beleuchtungsstärke, d.h. „Brightness“, eingestellt werde. Durch die „Brightness“ Einstellung auf 2 % des möglichen Höchstwertes der Anlage werde auch die Einhaltung der maximal zulässigen mittleren Leuchtdichte sichergestellt. Entgegen der Auffassung der Kläger müsse für den Tagbetrieb kein maximaler Lichtwert vorgeschrieben werden. Im Tagbetrieb außerhalb der Dunkelstunden stelle der Betrieb des Videoboards keine unzumutbare Beeinträchtigung der Grundstücke der Kläger dar. Der Einwand der Kläger, die erlassene Nebenbestimmung würde nicht bei einem Wechsel der Anlage gelten, überzeuge nicht. Die Nebenbestimmung beziehe sich auf das konkret montierte Modell eines City-Boards. Sollte die Anlage gewechselt werden, müsste ein erneutes Genehmigungsverfahren durchlaufen und erforderlichenfalls eine neue Nebenbestimmung in Bezug auf die zulässige Art des Betriebs erlassen werden. Es entspreche nicht dem Stand der Technik, das Videoboard mit einem Lichtsensor auszustatten, damit eine automatische Anpassung der „Brightness“ Einstellung an die Lichtverhältnisse erfolgen könne.
19 
Die Beigeladene beantragt,
20 
die Berufung zurückzuweisen
21 
Sie schließt sich den Ausführungen der Beklagten an.
22 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 27.03.2012 hat die Beklagte erklärt:
23 
Die Nebenbestimmung im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 26.03.2008 wird wie folgt geändert und neu gefasst:
Nr. 1
24 
Der Betrieb des City-Boards (Videowerbeanlage) darf werktags maximal von 06.00 Uhr bis 20.00 Uhr und an Sonntagen, die nicht gesetzliche Feiertage sind, maximal von 09.00 Uhr bis 20.00 Uhr betrieben werden. An gesetzlichen Feiertagen in Baden-Württemberg darf das Videoboard nicht betrieben werden.
Nr. 2
25 
In dieser Zeitspanne darf in Dunkelstunden die am Immissionsort (hier ... xx und ... xx) erzeugte vertikale Beleuchtungsstärke Ev = 0,3 lx nicht überschreiten. Hierbei wurden die Abschläge für eine farbige und wechselnde Lichtquelle berücksichtigt. Das ist bei der Anlage der Fall, wenn ihre Leuchtdichte auf maximal 2 % „Brightness“ des möglichen Höchstwertes eingestellt wird. Dunkelstunden sind die Zeiten, die in der Zeitspanne von 30 Minuten nach Sonnenuntergang bis 30 Minuten vor Sonnenaufgang fallen. Für die Berechnung der Beleuchtungsstärke gelten die Hinweise zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen (Beschluss des Länderausschusses für Immissionsschutz vom 10.05.2000, beigefügt als Anlage).
Nr. 3
26 
Der Betreiber wird verpflichtet, durch Vorlage eines Prüfgutachtens eines anerkannten Sachverständigen bis zum 31.08.2012 nachzuweisen, dass die Nebenbestimmung Nr. 2 bei einem Betrieb in den Dunkelstunden eingehalten ist.
27 
Die Akten der Beklagten und des Regierungspräsidiums Stuttgart sowie des Verwaltungsgerichts Stuttgart Az.: 2 K 3211/07 und 2 K 1583/08 liegen dem Senat vor. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Akten und auf die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
28 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet.
29 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
30 
Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 18.07.2006 in der Fassung vom 11.07.2007 verletzt unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten erklärten Änderung und Neufassung der Nebenbestimmung in den Widerspruchsbescheiden des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 26.03.2008 die Kläger weder in bauplanungsrechtlicher (I.) noch in bauordnungsrechtlicher (II.) Hinsicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
31 
I. Das Vorhaben der Beigeladenen verstößt nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.
32 
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich vorliegend grundsätzlich nach § 34 Abs. 1 BauGB. Denn das Vorhabengrundstück Flst.-Nr. ... liegt innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Gebiets, für das außer eines sich auf die Festsetzung von Baulinien beschränkenden Stadtbauplans aus dem Jahr 1885 kein Bebauungsplan existiert.
33 
1. Den Klägern steht kein - auch für ein faktisches Baugebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB grundsätzlich geltender - Anspruch auf Bewahrung der Gebietsart zu. Zwar kommt der Art eines Baugebiets, das nach § 34 Abs. 2 BauGB aufgrund der näheren Umgebung tatsächlich in jeder Hinsicht einem der in der BauNVO bezeichneten Baugebiete entspricht, ebenso wie der Festsetzung eines Baugebiets durch Bebauungsplan, grundsätzlich nachbarschützende Wirkung zu und der Eigentümer eines im Baugebiet gelegenen Grundstücks hat als Nachbar einen - von tatsächlichen Beeinträchtigungen unabhängigen - Schutzanspruch auf Bewahrung der Gebietsart (sog. Gebietserhaltungsanspruch, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 22.12.2011 - 4 B 32.11 -, BBB 2012, Nr. 4, 60). Der Abwehranspruch des Nachbarn wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsart unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch das nachbarliche Austauschverhältnis gestört und eine Verfremdung des Gebiets eingeleitet wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.02.2008 - 4 B 60.07 -, NVwZ 2008, 786; Urteil vom 21.03.2002 - 4 C 1.02 -, BVerwGE 116, 155 = NVwZ 2002, 1118; Beschluss vom 13.05.2002 - 4 B 86.01 -, NVwZ 2002, 1384; Urteil vom 16.09.1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151). Vorliegend entspricht die Eigenart der näheren Umgebung indessen keinem der in der Baunutzungsverordnung bezeichneten Baugebiete, sondern stellt eine Gemengelage dar, in dem der Gebietserhaltungsanspruch keine Anwendung findet. Insbesondere scheidet eine Einstufung als faktisches allgemeines Wohngebiet aus.
34 
Nach ständiger Rechtsprechung reicht die nähere Umgebung im Sinn dieser Vorschrift so weit, wie sich - erstens - die Ausführung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens auswirken kann und - zweitens - wie die Umgebung ihrerseits die bodenrechtliche Situation des Baugrundstücks prägt (BVerwG, Urteil vom 18.10.1974 - 4 C 77.73 -, NJW 1975, 460; Urteil vom 26.5.1978 - 4 C 9.77 -, BVerwGE 55, 369; Urteil vom 11.2.1993 - 4 C 15.92 -, NVwZ 1994, 285). Sie ist daher nicht auf die in der unmittelbaren Nachbarschaft vorhandene Bebauung beschränkt, sondern bezieht auch die Bebauung in der weiteren Umgebung des Baugrundstücks ein, soweit diese noch prägend auf das Grundstück einwirkt (BVerwG, Urteil vom 19.9.1986 - 4 C 15.84 -, BVerwGE 75, 34).
35 
Gemessen daran umfasst nach den in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigten Feststellungen des Verwaltungsgerichts Stuttgart in dem Erörterungstermin im Verfahren 2 K 1583/08 am 09.03.2009 die nähere Umgebung des Baugrundstücks außer der ganz überwiegend aus Wohnhäusern bestehenden Bebauung entlang der ... und dem auf dem Baugrundstück selbst vorhandenen Wohnhaus auch das nach Osten an das Baugrundstück grenzende, mit einem Geschäftshaus bebaute Grundstück ... Str. x sowie die nördlich der ... Straße gelegenen, größtenteils ebenfalls gewerblich genutzten Grundstücke. Hierzu zählen eine Filiale des Unternehmens ..., sowie (westlich davon) u.a. eine Videothek und ein Tiernahrungshandel. Weiter westlich, im Gebäude an der Ecke zur Bahnhofsstraße, findet sich eine Bankfiliale. Soweit diese östlich und nördlich des Baugrundstücks vorhandenen gewerbliche Nutzungen in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 Abs. 2 und 3 BauNVO überhaupt noch zulässig wären, stellen sie jedenfalls in diesem Bereich nach Anzahl, Umfang und Gewicht keine Ausnahme mehr dar, sondern prägen die Umgebung, so dass sich eine Einstufung als allgemeines Wohngebiet verbietet. Hinzu kommt, dass der ... als großflächiger Einzelhandelsbetrieb das Wohnen wesentlich stört, wegen seiner Größe und Auswirkungen wohl nur in einem Kern- oder Sondergebiet zulässig wäre, und aufgrund der vorwiegend gewerblichen Nutzung in diesem Bereich auch nicht als „Ausreißer" angesehen werden kann. Aufgrund der uneinheitlichen Art der Bebauung kann dieser Bereich demnach weder als allgemeines Wohngebiet noch als Mischgebiet qualifiziert werden.
36 
Nach dem damit anzuwendenden § 34 Abs. 1 BauGB hängt die Zulässigkeit des Vorhabens der Beigeladenen - objektiv-rechtlich - davon ab, ob es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Ob das Vorhaben der Beigeladenen diese Voraussetzung in jeder Hinsicht erfüllt (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 16.06.2009 - 4 B 50.08 -, BauR 2009, 1564), kann im Rahmen des vorliegenden Verfahrens dahinstehen, weil § 34 Abs. 1 BauGB nur insoweit nachbarschützende Wirkung hat, als das in dieser Vorschrift im Tatbestandsmerkmal des „Sich-Einfügens" verankerte Rücksichtnahmegebot in seiner drittschützenden Ausprägung verletzt ist (st. Rspr. vgl. BVerwG, Urteil v. 25.02.1977 - IV C 22.75 -, BVerwGE 52, 122; Urteil v. 13.03.1981 - 4 C 1.78 -, DVBI 1981, 928; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.03.2012 - 3 S 223/12 -, juris).
37 
Nach welchen Maßstäben eine derartige Rücksichtslosigkeit anzunehmen ist, beurteilt sich, sofern Immissionen als Beeinträchtigungen in Rede stehen, nach den Regelungen des Immissionsschutzrechts. Eine Anlage, deren Immissionen sich in den Grenzen des der Nachbarschaft gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bzw. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG Zumutbaren halten, erweist sich auch in bauplanungsrechtlicher Hinsicht als nicht rücksichtslos. Es gibt kein bauplanungsrechtliches Rücksichtnahmegebot, das etwa dem Verursacher von Umwelteinwirkungen mehr an Rücksichtnahme zugunsten der Nachbarn abverlangt, als es das BImSchG gebietet. Dieses Gesetz hat vielmehr die Grenze der Zumutbarkeit für Umwelteinwirkungen für Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme auch für das Baurecht allgemein bestimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.09.1983 - 4 C 74.78 -, BRS 40 Nr. 206; Urteil vom 27.08.1998 - 4 C 5.98 -, BRS 60 Nr. 83, Urteil vom 23.09.1999 - 4 C 6.98 -, BRS 62 Nr. 86).
38 
Nach § 22 Abs. 1 BImSchG sind - nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz - nicht genehmigungsbedürftige Anlagen (vgl. § 3 Abs. 5 BImSchG) u.a. so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche, nach dem Stand der Technik vermeidbare Umwelteinwirkungen verhindert oder nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Nach § 3 Abs. 1 BImSchG sind schädliche Umwelteinwirkungen Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Zu den Immissionen zählt nach § 3 Abs. 2 BImSchG u.a. auch auf Menschen einwirkendes Licht. Rechtsverbindliche Vorschriften zur Bestimmung der immissionsschutzrechtlichen Erheblichkeitsgrenzen für Lichtimmissionen fehlen bisher. Die Beurteilung, wann Lichteinwirkungen zu erheblichen Belästigungen für die Nachbarschaft führen, kann nicht anhand allgemein gültiger Grenzwerte und Bewertungsmethoden vorgenommen werden, da solche weder durch Gesetz noch durch Rechtsverordnung bindend geregelt sind.
39 
Die vom Länderausschuss für Immissionsschutz am 10.05.2000 beschlossenen Hinweise zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen (im Folgenden: LAI-Hinweise) haben keine normative Wirkung und können folglich keine Allgemeinverbindlichkeit für sich beanspruchen (OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 21.12.2006 - 7 B 2193/06 -, BauR 2007, 861; Urteil vom 15.03.2007 - 10 A 998/06 -, DVBl. 2008, 791; Beschluss vom 27.02.2009 - 7 B 1647/08 -, NVwZ-RR 2009, 716).
40 
Die Zumutbarkeit von Lichtimmissionen beurteilt sich daher grundsätzlich nach den Grundsätzen, die die Rechtsprechung zum Gebot der Rücksichtnahme entwickelt hat. Abzustellen ist auf den Grad der tatsächlichen und rechtlichen Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Innen- und Außenwohnbereiche des Nachbarn. Das Maß der Schutzbedürftigkeit in tatsächlicher Hinsicht kann im Einzelfall davon abhängen, ob und inwieweit der Nachbar ohne größeren Aufwand im Rahmen des Ortsüblichen und Sozialadäquaten zumutbare Abschirmmaßnahmen ergreifen kann (zumutbarer Eigenschutz). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Eigenschutz gegen Lichtimmissionen, anders als der Schutz gegen Lärm oder Gerüche, ohne Einbußen für die Wohnqualität häufig durch herkömmliche Maßnahmen wie Vorhänge oder Jalousien innerhalb der Gebäude oder durch Hecken oder Rankgerüste in den Außenwohnbereichen bewerkstelligt werden kann. Dies gilt auch deswegen, weil Lichtimmissionen oft gleichsam zwangsläufige Folge typischer Wohnformen sind und von daher auch akzeptiert werden (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss v. 17.03.1999 - 4 B 14.99 -, BauR 1999, 1279). Andererseits ist die Intensität der Blendwirkung und ist das Gewicht der dem Nachbarn durch die Schutzmaßnahmen abverlangten Nutzungseinschränkungen seines Wohngrundstücks - im Innen- wie im Außenwohnbereich - in Rechnung zu stellen. Schließlich ist im Rahmen der rechtlichen Schutzwürdigkeit der Beteiligten darauf abzustellen, ob die die Blendwirkung auslösenden baulichen Maßnahmen vom materiellen Baurecht gedeckt sind oder nicht. Ob und in welchem Umfang innerhalb dieses Rahmens Abschirmmaßnahmen möglich und im Verhältnis zwischen Grundstücksnachbarn zumutbar sind, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls (vgl. zu alledem VGH Bad.-Württ., Urteil v. 19.07.2007 - 3 S 1654/06 -, VBIBW 2008, 184). Bei Beurteilung dieser Zumutbarkeit scheidet, wie dargelegt, eine Bindung an die LAI-Hinweise mangels Allgemeinverbindlichkeit aus. Mithin dürfen die in ihnen vorgeschlagenen Mess- und Rechenverfahren, Richtwerte sowie Zu- und Abschläge nicht ungeprüft zugrunde gelegt werden. Gleichwohl ist der Senat nicht gehindert, die LAI-Hinweise als sachverständige Beurteilungshilfe und als Bewertungsmaßstab in seine Erwägungen einzubeziehen (so auch OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 21.12.2006 - 7 B 2193/06 -, BauR 2007, 861; Urteil vom 15.03.2007 - 10 A 998/06 -, DVBl. 2008, 791; Beschluss vom 27.02.2009 - 7 B 1647/08 -, NVwZ-RR 2009, 716).
41 
Die LAI-Hinweise gehen von dem nachvollziehbaren und den Senat überzeugenden Ansatz aus, dass zu den maßgeblichen Kriterien für die Beurteilung der durch Lichtimmissionen verursachten Belästigungen zum einen die Raumaufhellung und zum anderen die als psychologische Blendung bezeichnete Störempfindung gehören. Eine Raumaufhellung ist dann anzunehmen, wenn die Immission des Lichts zu einer signifikant erhöhten Helligkeit des Raumes mit der Folge führt, dass die Nutzung eines Wohnbereichs (etwa Schlafzimmer oder Wohnzimmer) eingeschränkt ist. Eine (psychologische) Blendung wird hingegen angenommen, wenn durch eine Lichtquelle in der Nachbarschaft zwar aufgrund der Entfernung oder Eigenart der Lichtquelle keine oder keine übermäßige Aufhellung erzeugt wird, eine Belästigung aber aus psychologischen Gründen vorliegt. Eine solche Belästigung entsteht durch die ungewollte Ablenkung der Blickrichtung zur Lichtquelle hin, die eine ständige Umadaptation des Auges auslösen kann (vgl. hierzu Nr. 3 Buchst. a und b LAI-Hinweise).
42 
Für die Zumutbarkeit der Raumaufhellung - beschrieben durch die mittlere Beleuchtungsstärke - sehen die LAI-Hinweise für Immissionsorte in reinen, allgemeinen, besonderen Wohngebieten, Kleinsiedlungsgebieten und Erholungsgebieten (Nr. 2 der Tabelle 1) als Richtwert für den Zeitraum von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr 3 lx und für den Zeitraum von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr 1 lx vor. Für Beleuchtungsanlagen mit veränderbaren Betriebszuständen ist der Beleuchtungszustand mit der maximalen Beleuchtungsstärke zu bewerten. In besonders auffälligen Wechsellichtsituationen (z.B. große Schwankungen der Beleuchtungsstärke), die lästiger als zeitig konstantes Licht empfunden werden, sind bei der Beurteilung der Raumaufhellung die Maximalwerte je nach Auffälligkeit mit einem Faktor 2 bis 5 zu multiplizieren und mit den Immissionsrichtwerten der Tabelle 1 zu vergleichen (Nr. 4.1 der LAI-Hinweise). Strahlt die Beleuchtungsanlage intensiv farbiges Licht aus, so ist bei besonderer Auffälligkeit der Messwert mit einem Faktor 2 zu multiplizieren und mit den Immissionsrichtwerten der Tabelle 1 zu vergleichen.
43 
Für die psychologische Blendung ist die mittlere Leuchtdichte der Blendlichtquelle (Ls) , die Umgebungsleuchtdichte (Lu) und der Raumwinkel (Ωs) maßgebend (vgl. LAI-Hinweise Nr. 5.1). Zur Berechnung der Werte für die maximal tolerable mittlere Leuchtdichte (Lmax) werden die Umgebungsleuchtdichte und der Raumwinkel zu einander in Beziehung gesetzt und mit dem in Tabelle 2 für einen bestimmten Immssionsort festgelegten Proportionalitätsfaktor k multipliziert (vgl. Nr. 5.1 der LAI-Hinweise). Die mittlere Leuchtdichte der zu beurteilenden Blendquelle (zu deren Berechnung - gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Wechsellichtsituationen - vgl. Nrn. 5.1 und 5.3.1 der LAI-Hinweise) soll den nach dem zuvor beschriebenen Berechnungsmodus ermittelten Wert für die maximal tolerable mittlere Leuchtdichte nicht überschreiten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Leuchtdichte eine Eigenschaft einer flächigen Lichtquelle ist, die an einem entfernten Ort eine bestimmte Beleuchtungsstärke erzeugt; die Größen sind direkt proportional.
44 
Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben erweist sich die streitgegenständliche Videowerbeanlage gegenüber den Klägern nicht als rücksichtslos.
45 
Das von der Beigeladenen eingeholte und auf der Grundlage der LAI-Hinweise erstellte Gutachten des Sachverständigen für Lichttechnik Dr. Ing. ... ... vom 19.02.2007 sowie die von ihm im Weiteren abgegebenen ergänzenden Stellungnahmen und Erläuterungen vom 10.03.2007, 30.09.2009, 26.01.2001 und 23.03.2012 kommen zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die Videowerbeanlage bei einer Einstellung des Betriebsgeräts des Videoboards während der Dunkelstunden auf eine Leuchtdichte („Brightness“) von 2 % die in den LAI-Hinweisen aufgeführten Immissionsrichtwerte einhält. Denn bei dieser Einstellung werde der nach den LAI-Hinweisen im vorliegenden Fall geltende Höchstwert der mittleren Beleuchtungsstärke von Ev = 0,3 lx in jedem Fall eingehalten. Die von dem Videoboard herrührenden Lichtimmissionen würden unter diesen Betriebsbedingungen auch mit Blick auf die maßgebende maximal tolerable Leuchtdichte der Blendlichtquelle alle Anforderungen der LAI-Hinweise erfüllen und demzufolge als zumutbar angesehen. Dies gelte auch für das Haus ... xx. Zwar fehle es insoweit an Messungen. Nach den Berechnungsergebnissen, die auf der Grundlage der für die Anwesen ... xx, xx und xx stattgefundenen Messungen beruhten, würden die Grenzwerte der Lichtrichtlinie bei einer „Brightness“-Einstellung des Videoboards auf 2 % auch für das Haus ... xx weder erreicht noch gar überschritten (vgl. die überzeugende Stellungnahme vom 30.09.2009). Für die Beurteilung der Raumaufhellung und der Berechnung der mittleren Beleuchtungsstärke ist der Gutachter hinsichtlich der Anwesen der Kläger von Nr. 2 der Tabelle 1 der LAI-Hinweise ausgegangen und hat damit - insoweit durchaus zugunsten der Kläger - als Immissionsort ein Wohngebiet zugrunde gelegt. Ferner hat der Gutachter bei der Ermittlung der mittleren Leuchtstärke den nach den LAI-Hinweisen vorgesehenen Faktor 2 für farbiges Licht berücksichtigt und für die Wechsellicht-Situation den höchst möglichen Faktor 5 eingestellt. Auch bei der Beurteilung der Blendung hat der Gutachter für die Ermittlung der mittleren Leuchtdichte mit dem Höchstfaktor 5 gerechnet. Diese Grundannahmen zeigen, dass der Gutachter für die Beurteilung der streitgegenständlichen Videowerbeanlage die Höchstanforderungen der LAI-Hinweise für Lichtimmissionen angelegt hat, seine Berechnungen daher „auf der sicheren Seite“ liegen.
46 
Hinsichtlich der Beschränkung der Leuchtdichte („Brightness“) auf 2 % in den Dunkelstunden hat der Gutachter in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30.09.2009 ausgeführt, die vom Tageslicht erzeugten Beleuchtungsstärken erreichten Werte bis zu 100.000 lx. Bei Tageslichtberechnungen gehe man meist von einer Beleuchtungsstärke von 5.000 lx aus. Vergleiche man dies mit den bei der Einstellung „Brightness“ = 2 % erzeugten ca. 0,15 lx, erkenne man, dass die Anlage selbst dann nur ca. 3/100.000 der natürlichen Beleuchtungsstärke bewirke. Diese nachvollziehbaren - auch von den Klägern nicht in Zweifel gezogenen - Ausführungen zeigen, dass die Videowerbeanlage hinsichtlich ihrer Lichtimmissionen während der Hellstunden des Tages keine unzumutbare Beeinträchtigung bewirkt, so dass die in der Baugenehmigung nur für die Dunkelstunden ausgesprochene Betriebsbeschränkung keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Im Übrigen stellt der Gutachter in seiner Erläuterung vom 23.03.2012 klar, dass die Lichtrichtlinie wie auch die ihr zugrunde liegende LITG-Publikation naturgemäß nur für die Dunkelstunden innerhalb der Zeitgrenzen von 6.00 bis 20.00 Uhr, 20.00 bis 22.00 Uhr und 22.00 bis 6.00 Uhr gelten und gelten können.
47 
Das Gutachten sowie die zu seiner Ergänzung und Erläuterung ergangenen Stellungnahmen geben dem Senat keinen Anlass, an seiner Tragfähigkeit zu zweifeln. Die gutachterlichen Äußerungen weisen weder grobe Mängel noch unlösbare Widersprüche auf noch gehen sie von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen aus. Ebenso wenig bestehen Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 19.02.2007 - 2 B 19.07 -, Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 49; Beschluss vom 22.12.2011 - 2 B 87.11 -, juris). Insoweit ist auch auf die Ausführungen der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg hinzuweisen. Diese teilte nach Übersendung des Gutachtens von Dr. ... durch das Regierungspräsidium Stuttgart am 22.01.2008 mit, dass dieses nicht zu beanstanden sei; die Beurteilung sei fachlich korrekt und nachvollziehbar durchgeführt. Auch die Kläger zeigen im Ergebnis keine Umstände auf, die die Unverwertbarkeit des Gutachtens und der weiteren Stellungnahmen begründen. Ferner stellen sie die Ergebnisse, zu denen der Gutachter gelangt ist, nicht schlüssig in Frage. Allein ihr Einwand, die Messungen seien entgegen Nr. 5.3.1.2 der LAI-Hinweise nicht in den Innenräumen vor dem Fenster vorgenommen wurden, vermag hieran nichts zu ändern. Denn in diesem Fall wäre, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, der Abstand zur Videoanlage noch größer und die Belästigung damit geringer.
48 
Die Vorgaben des Gutachters, die die Einhaltung der LAI-Anforderungen an zumutbare Lichtimmissionen gewährleisten, werden unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten erklärten Änderung und Neufassung der Nebenbestimmung in den Widerspruchsbescheiden des Regierungspräsidiums Stuttgart nunmehr durch die Baugenehmigung vollständig umgesetzt. Nach der neu gefassten Nebenbestimmung Nr. 2 darf in der Zeitspanne, die in Nr. 1 der neu gefassten Nebenbestimmung festgelegt ist, in Dunkelstunden die am Immissionsort (hier: ... xx und ...- ... xx) erzeugte vertikale Beleuchtungsstärke Ev = 0,3 lx nicht überschreiten. Gleichzeitig wird festgelegt, dass dies bei einer Einstellung der Anlage auf 2 % „Brightness“ gewährleistet ist. Damit wird insbesondere die Widersprüchlichkeit in Nr. 2 der Nebenbestimmung in der Fassung der Widerspruchsbescheide des Regierungspräsidium Stuttgart beseitigt, wonach einerseits die vertikale Beleuchtungsstärke 1 lx nicht überschritten werden durfte und andererseits die Leuchtdichte auf maximal 2 % des möglichen Höchstwertes festgelegt wurde. Der Einwand der Kläger, die Beschränkung der Einstellung der Leuchtdichte des Videoboards auf 2 % beziehe sich lediglich auf die momentan angebrachte Werbeanlage, greift nicht durch. Die Nebenbestimmung bestimmt in Nr. 1 und Nr. 2 Satz 1 zunächst allgemein und damit für alle weiteren Anlagen, dass der Betrieb des City-Boards (Videowerbeanlage) werktags maximal von 06.00 Uhr bis 20.00 Uhr und an Sonntagen, die nicht gesetzliche Feiertage sind, maximal von 09.00 Uhr bis 20.00 Uhr erfolgen und dass in dieser Zeitspanne in Dunkelstunden die am Immissionsort (hier ... xx und xx) erzeugte vertikale Beleuchtungsstärke Ev = 0,3 lx nicht überschritten werden darf. Erst Satz 2 der Nr. 2 bezieht sich auf die verwendete Anlage und konkretisiert, unter welchen Bedingungen diese die Anforderungen nach Satz 1 der Nr. 2 erfüllt. Maßgebend bleibt aber für alle „erdenklichen“ Anlagen die Bestimmung über die Einhaltung der vertikalen Beleuchtungsstärke von 0,3 lx.
49 
Des Weiteren wurde in Nr. 1 Satz 2 der neugefassten Nebenbestimmung festgelegt, dass das Videoboard an gesetzlichen Feiertagen nicht betrieben werden darf, so dass sich der Einwand der Kläger, die Widerspruchsbescheide beinhalteten eine unzulässige Schlechterstellung, insoweit erledigt hat. Im Übrigen überzeugt der Einwand der reformatio in peius schon deshalb nicht, weil die Widerspruchsbehörde die Nebenbestimmung zur Baugenehmigung hinsichtlich des Betriebs an Sonn- und Feiertagen ausschließlich konkretisiert hat, nämlich dahin, dass die zunächst nur die Sonntage betreffende Betriebseinschränkung auch für Feiertage gelte. Denn nach der von der Beklagten erteilten Baugenehmigung - auch in der Fassung der Nebenbestimmung vom 11.07.2007 - hätte die Videowerbeanlage feiertags unbeschränkt betrieben werden können. Ein Verzicht der Beigeladenen auf den Betrieb der Videowerbeanlage an Sonn- und Feiertagen vor der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist nicht ersichtlich.
50 
Bei Einhaltung der nunmehr in Nr. 2 der neugefassten Nebenbestimmung zur Baugenehmigung aufgeführten Bedingungen, die die Beigeladene nach Nr. 3 der in der mündlichen Verhandlung erklärten Nebenbestimmung überdies durch die Vorlage eines Prüfgutachtens nachzuweisen hat, kann von einer erheblichen Belästigung der von der Videowerbeanlage ausgehenden Lichtimmissionen, die die Grenze der Zumutbarkeit überschreiten, nicht ausgegangen werden. Eine andere Beurteilung ist auch nicht insoweit angezeigt, als die Kläger eine Beeinträchtigung auch während derjenigen Tagstunden befürchten, in denen die Helligkeit aufgrund bestimmter Witterungsverhältnisse eingeschränkt ist. In diesen begrenzten Zeiträumen ist es den Klägern im Rahmen des sozialadäquaten und ortsüblichen Eigenschutzes zumutbar, die Auswirkungen der Werbeanlage durch Vorhänge und Rollläden abzufangen. Eine ständige Verdunklung der Räume ist damit nicht verbunden.
51 
II. Das Vorhaben der Beigeladenen verstößt schließlich auch nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts.
52 
1. Soweit die Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals auf die unzureichenden Bauvorlagen hingewiesen haben, führt dies nicht zum Erfolg ihrer Berufung. Das Verwaltungsgericht hat unter Bezug auf die maßgebende Rechtsprechung insbesondere auch des erkennenden Senats mit zutreffenden Erwägungen ausgeführt, ein mit Blick auf Nachbarschutz rechtlich durchgreifender Verstoß gegen die Vorschriften über die Anforderungen an die Bauvorlagen und den Bauantrag in § 53 LBO liege nicht vor. Trotz gewisser Mängel ergebe sich aus der Baugenehmigung mit der erforderlichen Bestimmtheit, welches Bauvorhaben konkret zur Genehmigung gestanden habe. Insoweit verweist der Senat auf die überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts (§ 117 Abs. 5 VwGO).
53 
2. Das Verwaltungsgericht hat ferner zu Recht entschieden, dass sich die Kläger nicht auf einen Verstoß gegen die Gestaltungsvorschriften des § 11 LBO berufen können, weil diese ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit erlassen und daher nicht dazu bestimmt seien, auch den Individualinteressen (insbesondere der Nachbarn) zu dienen. Sie seien demzufolge nicht nachbarschützend. Diese zutreffenden Erwägungen bedürfen seitens des Senats keiner weiteren Vertiefung.
54 
Die Berufung war nach all dem zurückzuweisen.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 2 VwGO. Es entsprach der Billigkeit (§ 162 Abs. 3 VwGO), den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen. Denn diese hat einen Antrag gestellt und damit ein Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO übernommen (so die nunmehr einheitliche Rechtsprechung aller Bausenate des beschließenden Gerichtshofs, vgl. zuletzt Beschluss vom 10.01.2011 - 8 S 2667/10 -, DVBl. 2011, 315 [Ls.]).
56 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
57 
Beschluss vom 27. März 2012
58 
Der Streitwert für das Verfahren auf 15.000,-- EUR festgesetzt (§ 39 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit [Streitwertkatalog 2004, NVwZ 2004, 1327]).
59 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
28 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet.
29 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
30 
Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 18.07.2006 in der Fassung vom 11.07.2007 verletzt unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten erklärten Änderung und Neufassung der Nebenbestimmung in den Widerspruchsbescheiden des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 26.03.2008 die Kläger weder in bauplanungsrechtlicher (I.) noch in bauordnungsrechtlicher (II.) Hinsicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
31 
I. Das Vorhaben der Beigeladenen verstößt nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.
32 
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich vorliegend grundsätzlich nach § 34 Abs. 1 BauGB. Denn das Vorhabengrundstück Flst.-Nr. ... liegt innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Gebiets, für das außer eines sich auf die Festsetzung von Baulinien beschränkenden Stadtbauplans aus dem Jahr 1885 kein Bebauungsplan existiert.
33 
1. Den Klägern steht kein - auch für ein faktisches Baugebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB grundsätzlich geltender - Anspruch auf Bewahrung der Gebietsart zu. Zwar kommt der Art eines Baugebiets, das nach § 34 Abs. 2 BauGB aufgrund der näheren Umgebung tatsächlich in jeder Hinsicht einem der in der BauNVO bezeichneten Baugebiete entspricht, ebenso wie der Festsetzung eines Baugebiets durch Bebauungsplan, grundsätzlich nachbarschützende Wirkung zu und der Eigentümer eines im Baugebiet gelegenen Grundstücks hat als Nachbar einen - von tatsächlichen Beeinträchtigungen unabhängigen - Schutzanspruch auf Bewahrung der Gebietsart (sog. Gebietserhaltungsanspruch, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 22.12.2011 - 4 B 32.11 -, BBB 2012, Nr. 4, 60). Der Abwehranspruch des Nachbarn wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsart unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch das nachbarliche Austauschverhältnis gestört und eine Verfremdung des Gebiets eingeleitet wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.02.2008 - 4 B 60.07 -, NVwZ 2008, 786; Urteil vom 21.03.2002 - 4 C 1.02 -, BVerwGE 116, 155 = NVwZ 2002, 1118; Beschluss vom 13.05.2002 - 4 B 86.01 -, NVwZ 2002, 1384; Urteil vom 16.09.1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151). Vorliegend entspricht die Eigenart der näheren Umgebung indessen keinem der in der Baunutzungsverordnung bezeichneten Baugebiete, sondern stellt eine Gemengelage dar, in dem der Gebietserhaltungsanspruch keine Anwendung findet. Insbesondere scheidet eine Einstufung als faktisches allgemeines Wohngebiet aus.
34 
Nach ständiger Rechtsprechung reicht die nähere Umgebung im Sinn dieser Vorschrift so weit, wie sich - erstens - die Ausführung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens auswirken kann und - zweitens - wie die Umgebung ihrerseits die bodenrechtliche Situation des Baugrundstücks prägt (BVerwG, Urteil vom 18.10.1974 - 4 C 77.73 -, NJW 1975, 460; Urteil vom 26.5.1978 - 4 C 9.77 -, BVerwGE 55, 369; Urteil vom 11.2.1993 - 4 C 15.92 -, NVwZ 1994, 285). Sie ist daher nicht auf die in der unmittelbaren Nachbarschaft vorhandene Bebauung beschränkt, sondern bezieht auch die Bebauung in der weiteren Umgebung des Baugrundstücks ein, soweit diese noch prägend auf das Grundstück einwirkt (BVerwG, Urteil vom 19.9.1986 - 4 C 15.84 -, BVerwGE 75, 34).
35 
Gemessen daran umfasst nach den in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigten Feststellungen des Verwaltungsgerichts Stuttgart in dem Erörterungstermin im Verfahren 2 K 1583/08 am 09.03.2009 die nähere Umgebung des Baugrundstücks außer der ganz überwiegend aus Wohnhäusern bestehenden Bebauung entlang der ... und dem auf dem Baugrundstück selbst vorhandenen Wohnhaus auch das nach Osten an das Baugrundstück grenzende, mit einem Geschäftshaus bebaute Grundstück ... Str. x sowie die nördlich der ... Straße gelegenen, größtenteils ebenfalls gewerblich genutzten Grundstücke. Hierzu zählen eine Filiale des Unternehmens ..., sowie (westlich davon) u.a. eine Videothek und ein Tiernahrungshandel. Weiter westlich, im Gebäude an der Ecke zur Bahnhofsstraße, findet sich eine Bankfiliale. Soweit diese östlich und nördlich des Baugrundstücks vorhandenen gewerbliche Nutzungen in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 Abs. 2 und 3 BauNVO überhaupt noch zulässig wären, stellen sie jedenfalls in diesem Bereich nach Anzahl, Umfang und Gewicht keine Ausnahme mehr dar, sondern prägen die Umgebung, so dass sich eine Einstufung als allgemeines Wohngebiet verbietet. Hinzu kommt, dass der ... als großflächiger Einzelhandelsbetrieb das Wohnen wesentlich stört, wegen seiner Größe und Auswirkungen wohl nur in einem Kern- oder Sondergebiet zulässig wäre, und aufgrund der vorwiegend gewerblichen Nutzung in diesem Bereich auch nicht als „Ausreißer" angesehen werden kann. Aufgrund der uneinheitlichen Art der Bebauung kann dieser Bereich demnach weder als allgemeines Wohngebiet noch als Mischgebiet qualifiziert werden.
36 
Nach dem damit anzuwendenden § 34 Abs. 1 BauGB hängt die Zulässigkeit des Vorhabens der Beigeladenen - objektiv-rechtlich - davon ab, ob es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Ob das Vorhaben der Beigeladenen diese Voraussetzung in jeder Hinsicht erfüllt (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 16.06.2009 - 4 B 50.08 -, BauR 2009, 1564), kann im Rahmen des vorliegenden Verfahrens dahinstehen, weil § 34 Abs. 1 BauGB nur insoweit nachbarschützende Wirkung hat, als das in dieser Vorschrift im Tatbestandsmerkmal des „Sich-Einfügens" verankerte Rücksichtnahmegebot in seiner drittschützenden Ausprägung verletzt ist (st. Rspr. vgl. BVerwG, Urteil v. 25.02.1977 - IV C 22.75 -, BVerwGE 52, 122; Urteil v. 13.03.1981 - 4 C 1.78 -, DVBI 1981, 928; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.03.2012 - 3 S 223/12 -, juris).
37 
Nach welchen Maßstäben eine derartige Rücksichtslosigkeit anzunehmen ist, beurteilt sich, sofern Immissionen als Beeinträchtigungen in Rede stehen, nach den Regelungen des Immissionsschutzrechts. Eine Anlage, deren Immissionen sich in den Grenzen des der Nachbarschaft gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bzw. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG Zumutbaren halten, erweist sich auch in bauplanungsrechtlicher Hinsicht als nicht rücksichtslos. Es gibt kein bauplanungsrechtliches Rücksichtnahmegebot, das etwa dem Verursacher von Umwelteinwirkungen mehr an Rücksichtnahme zugunsten der Nachbarn abverlangt, als es das BImSchG gebietet. Dieses Gesetz hat vielmehr die Grenze der Zumutbarkeit für Umwelteinwirkungen für Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme auch für das Baurecht allgemein bestimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.09.1983 - 4 C 74.78 -, BRS 40 Nr. 206; Urteil vom 27.08.1998 - 4 C 5.98 -, BRS 60 Nr. 83, Urteil vom 23.09.1999 - 4 C 6.98 -, BRS 62 Nr. 86).
38 
Nach § 22 Abs. 1 BImSchG sind - nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz - nicht genehmigungsbedürftige Anlagen (vgl. § 3 Abs. 5 BImSchG) u.a. so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche, nach dem Stand der Technik vermeidbare Umwelteinwirkungen verhindert oder nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Nach § 3 Abs. 1 BImSchG sind schädliche Umwelteinwirkungen Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Zu den Immissionen zählt nach § 3 Abs. 2 BImSchG u.a. auch auf Menschen einwirkendes Licht. Rechtsverbindliche Vorschriften zur Bestimmung der immissionsschutzrechtlichen Erheblichkeitsgrenzen für Lichtimmissionen fehlen bisher. Die Beurteilung, wann Lichteinwirkungen zu erheblichen Belästigungen für die Nachbarschaft führen, kann nicht anhand allgemein gültiger Grenzwerte und Bewertungsmethoden vorgenommen werden, da solche weder durch Gesetz noch durch Rechtsverordnung bindend geregelt sind.
39 
Die vom Länderausschuss für Immissionsschutz am 10.05.2000 beschlossenen Hinweise zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen (im Folgenden: LAI-Hinweise) haben keine normative Wirkung und können folglich keine Allgemeinverbindlichkeit für sich beanspruchen (OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 21.12.2006 - 7 B 2193/06 -, BauR 2007, 861; Urteil vom 15.03.2007 - 10 A 998/06 -, DVBl. 2008, 791; Beschluss vom 27.02.2009 - 7 B 1647/08 -, NVwZ-RR 2009, 716).
40 
Die Zumutbarkeit von Lichtimmissionen beurteilt sich daher grundsätzlich nach den Grundsätzen, die die Rechtsprechung zum Gebot der Rücksichtnahme entwickelt hat. Abzustellen ist auf den Grad der tatsächlichen und rechtlichen Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Innen- und Außenwohnbereiche des Nachbarn. Das Maß der Schutzbedürftigkeit in tatsächlicher Hinsicht kann im Einzelfall davon abhängen, ob und inwieweit der Nachbar ohne größeren Aufwand im Rahmen des Ortsüblichen und Sozialadäquaten zumutbare Abschirmmaßnahmen ergreifen kann (zumutbarer Eigenschutz). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Eigenschutz gegen Lichtimmissionen, anders als der Schutz gegen Lärm oder Gerüche, ohne Einbußen für die Wohnqualität häufig durch herkömmliche Maßnahmen wie Vorhänge oder Jalousien innerhalb der Gebäude oder durch Hecken oder Rankgerüste in den Außenwohnbereichen bewerkstelligt werden kann. Dies gilt auch deswegen, weil Lichtimmissionen oft gleichsam zwangsläufige Folge typischer Wohnformen sind und von daher auch akzeptiert werden (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss v. 17.03.1999 - 4 B 14.99 -, BauR 1999, 1279). Andererseits ist die Intensität der Blendwirkung und ist das Gewicht der dem Nachbarn durch die Schutzmaßnahmen abverlangten Nutzungseinschränkungen seines Wohngrundstücks - im Innen- wie im Außenwohnbereich - in Rechnung zu stellen. Schließlich ist im Rahmen der rechtlichen Schutzwürdigkeit der Beteiligten darauf abzustellen, ob die die Blendwirkung auslösenden baulichen Maßnahmen vom materiellen Baurecht gedeckt sind oder nicht. Ob und in welchem Umfang innerhalb dieses Rahmens Abschirmmaßnahmen möglich und im Verhältnis zwischen Grundstücksnachbarn zumutbar sind, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls (vgl. zu alledem VGH Bad.-Württ., Urteil v. 19.07.2007 - 3 S 1654/06 -, VBIBW 2008, 184). Bei Beurteilung dieser Zumutbarkeit scheidet, wie dargelegt, eine Bindung an die LAI-Hinweise mangels Allgemeinverbindlichkeit aus. Mithin dürfen die in ihnen vorgeschlagenen Mess- und Rechenverfahren, Richtwerte sowie Zu- und Abschläge nicht ungeprüft zugrunde gelegt werden. Gleichwohl ist der Senat nicht gehindert, die LAI-Hinweise als sachverständige Beurteilungshilfe und als Bewertungsmaßstab in seine Erwägungen einzubeziehen (so auch OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 21.12.2006 - 7 B 2193/06 -, BauR 2007, 861; Urteil vom 15.03.2007 - 10 A 998/06 -, DVBl. 2008, 791; Beschluss vom 27.02.2009 - 7 B 1647/08 -, NVwZ-RR 2009, 716).
41 
Die LAI-Hinweise gehen von dem nachvollziehbaren und den Senat überzeugenden Ansatz aus, dass zu den maßgeblichen Kriterien für die Beurteilung der durch Lichtimmissionen verursachten Belästigungen zum einen die Raumaufhellung und zum anderen die als psychologische Blendung bezeichnete Störempfindung gehören. Eine Raumaufhellung ist dann anzunehmen, wenn die Immission des Lichts zu einer signifikant erhöhten Helligkeit des Raumes mit der Folge führt, dass die Nutzung eines Wohnbereichs (etwa Schlafzimmer oder Wohnzimmer) eingeschränkt ist. Eine (psychologische) Blendung wird hingegen angenommen, wenn durch eine Lichtquelle in der Nachbarschaft zwar aufgrund der Entfernung oder Eigenart der Lichtquelle keine oder keine übermäßige Aufhellung erzeugt wird, eine Belästigung aber aus psychologischen Gründen vorliegt. Eine solche Belästigung entsteht durch die ungewollte Ablenkung der Blickrichtung zur Lichtquelle hin, die eine ständige Umadaptation des Auges auslösen kann (vgl. hierzu Nr. 3 Buchst. a und b LAI-Hinweise).
42 
Für die Zumutbarkeit der Raumaufhellung - beschrieben durch die mittlere Beleuchtungsstärke - sehen die LAI-Hinweise für Immissionsorte in reinen, allgemeinen, besonderen Wohngebieten, Kleinsiedlungsgebieten und Erholungsgebieten (Nr. 2 der Tabelle 1) als Richtwert für den Zeitraum von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr 3 lx und für den Zeitraum von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr 1 lx vor. Für Beleuchtungsanlagen mit veränderbaren Betriebszuständen ist der Beleuchtungszustand mit der maximalen Beleuchtungsstärke zu bewerten. In besonders auffälligen Wechsellichtsituationen (z.B. große Schwankungen der Beleuchtungsstärke), die lästiger als zeitig konstantes Licht empfunden werden, sind bei der Beurteilung der Raumaufhellung die Maximalwerte je nach Auffälligkeit mit einem Faktor 2 bis 5 zu multiplizieren und mit den Immissionsrichtwerten der Tabelle 1 zu vergleichen (Nr. 4.1 der LAI-Hinweise). Strahlt die Beleuchtungsanlage intensiv farbiges Licht aus, so ist bei besonderer Auffälligkeit der Messwert mit einem Faktor 2 zu multiplizieren und mit den Immissionsrichtwerten der Tabelle 1 zu vergleichen.
43 
Für die psychologische Blendung ist die mittlere Leuchtdichte der Blendlichtquelle (Ls) , die Umgebungsleuchtdichte (Lu) und der Raumwinkel (Ωs) maßgebend (vgl. LAI-Hinweise Nr. 5.1). Zur Berechnung der Werte für die maximal tolerable mittlere Leuchtdichte (Lmax) werden die Umgebungsleuchtdichte und der Raumwinkel zu einander in Beziehung gesetzt und mit dem in Tabelle 2 für einen bestimmten Immssionsort festgelegten Proportionalitätsfaktor k multipliziert (vgl. Nr. 5.1 der LAI-Hinweise). Die mittlere Leuchtdichte der zu beurteilenden Blendquelle (zu deren Berechnung - gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Wechsellichtsituationen - vgl. Nrn. 5.1 und 5.3.1 der LAI-Hinweise) soll den nach dem zuvor beschriebenen Berechnungsmodus ermittelten Wert für die maximal tolerable mittlere Leuchtdichte nicht überschreiten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Leuchtdichte eine Eigenschaft einer flächigen Lichtquelle ist, die an einem entfernten Ort eine bestimmte Beleuchtungsstärke erzeugt; die Größen sind direkt proportional.
44 
Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben erweist sich die streitgegenständliche Videowerbeanlage gegenüber den Klägern nicht als rücksichtslos.
45 
Das von der Beigeladenen eingeholte und auf der Grundlage der LAI-Hinweise erstellte Gutachten des Sachverständigen für Lichttechnik Dr. Ing. ... ... vom 19.02.2007 sowie die von ihm im Weiteren abgegebenen ergänzenden Stellungnahmen und Erläuterungen vom 10.03.2007, 30.09.2009, 26.01.2001 und 23.03.2012 kommen zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die Videowerbeanlage bei einer Einstellung des Betriebsgeräts des Videoboards während der Dunkelstunden auf eine Leuchtdichte („Brightness“) von 2 % die in den LAI-Hinweisen aufgeführten Immissionsrichtwerte einhält. Denn bei dieser Einstellung werde der nach den LAI-Hinweisen im vorliegenden Fall geltende Höchstwert der mittleren Beleuchtungsstärke von Ev = 0,3 lx in jedem Fall eingehalten. Die von dem Videoboard herrührenden Lichtimmissionen würden unter diesen Betriebsbedingungen auch mit Blick auf die maßgebende maximal tolerable Leuchtdichte der Blendlichtquelle alle Anforderungen der LAI-Hinweise erfüllen und demzufolge als zumutbar angesehen. Dies gelte auch für das Haus ... xx. Zwar fehle es insoweit an Messungen. Nach den Berechnungsergebnissen, die auf der Grundlage der für die Anwesen ... xx, xx und xx stattgefundenen Messungen beruhten, würden die Grenzwerte der Lichtrichtlinie bei einer „Brightness“-Einstellung des Videoboards auf 2 % auch für das Haus ... xx weder erreicht noch gar überschritten (vgl. die überzeugende Stellungnahme vom 30.09.2009). Für die Beurteilung der Raumaufhellung und der Berechnung der mittleren Beleuchtungsstärke ist der Gutachter hinsichtlich der Anwesen der Kläger von Nr. 2 der Tabelle 1 der LAI-Hinweise ausgegangen und hat damit - insoweit durchaus zugunsten der Kläger - als Immissionsort ein Wohngebiet zugrunde gelegt. Ferner hat der Gutachter bei der Ermittlung der mittleren Leuchtstärke den nach den LAI-Hinweisen vorgesehenen Faktor 2 für farbiges Licht berücksichtigt und für die Wechsellicht-Situation den höchst möglichen Faktor 5 eingestellt. Auch bei der Beurteilung der Blendung hat der Gutachter für die Ermittlung der mittleren Leuchtdichte mit dem Höchstfaktor 5 gerechnet. Diese Grundannahmen zeigen, dass der Gutachter für die Beurteilung der streitgegenständlichen Videowerbeanlage die Höchstanforderungen der LAI-Hinweise für Lichtimmissionen angelegt hat, seine Berechnungen daher „auf der sicheren Seite“ liegen.
46 
Hinsichtlich der Beschränkung der Leuchtdichte („Brightness“) auf 2 % in den Dunkelstunden hat der Gutachter in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30.09.2009 ausgeführt, die vom Tageslicht erzeugten Beleuchtungsstärken erreichten Werte bis zu 100.000 lx. Bei Tageslichtberechnungen gehe man meist von einer Beleuchtungsstärke von 5.000 lx aus. Vergleiche man dies mit den bei der Einstellung „Brightness“ = 2 % erzeugten ca. 0,15 lx, erkenne man, dass die Anlage selbst dann nur ca. 3/100.000 der natürlichen Beleuchtungsstärke bewirke. Diese nachvollziehbaren - auch von den Klägern nicht in Zweifel gezogenen - Ausführungen zeigen, dass die Videowerbeanlage hinsichtlich ihrer Lichtimmissionen während der Hellstunden des Tages keine unzumutbare Beeinträchtigung bewirkt, so dass die in der Baugenehmigung nur für die Dunkelstunden ausgesprochene Betriebsbeschränkung keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Im Übrigen stellt der Gutachter in seiner Erläuterung vom 23.03.2012 klar, dass die Lichtrichtlinie wie auch die ihr zugrunde liegende LITG-Publikation naturgemäß nur für die Dunkelstunden innerhalb der Zeitgrenzen von 6.00 bis 20.00 Uhr, 20.00 bis 22.00 Uhr und 22.00 bis 6.00 Uhr gelten und gelten können.
47 
Das Gutachten sowie die zu seiner Ergänzung und Erläuterung ergangenen Stellungnahmen geben dem Senat keinen Anlass, an seiner Tragfähigkeit zu zweifeln. Die gutachterlichen Äußerungen weisen weder grobe Mängel noch unlösbare Widersprüche auf noch gehen sie von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen aus. Ebenso wenig bestehen Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 19.02.2007 - 2 B 19.07 -, Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 49; Beschluss vom 22.12.2011 - 2 B 87.11 -, juris). Insoweit ist auch auf die Ausführungen der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg hinzuweisen. Diese teilte nach Übersendung des Gutachtens von Dr. ... durch das Regierungspräsidium Stuttgart am 22.01.2008 mit, dass dieses nicht zu beanstanden sei; die Beurteilung sei fachlich korrekt und nachvollziehbar durchgeführt. Auch die Kläger zeigen im Ergebnis keine Umstände auf, die die Unverwertbarkeit des Gutachtens und der weiteren Stellungnahmen begründen. Ferner stellen sie die Ergebnisse, zu denen der Gutachter gelangt ist, nicht schlüssig in Frage. Allein ihr Einwand, die Messungen seien entgegen Nr. 5.3.1.2 der LAI-Hinweise nicht in den Innenräumen vor dem Fenster vorgenommen wurden, vermag hieran nichts zu ändern. Denn in diesem Fall wäre, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, der Abstand zur Videoanlage noch größer und die Belästigung damit geringer.
48 
Die Vorgaben des Gutachters, die die Einhaltung der LAI-Anforderungen an zumutbare Lichtimmissionen gewährleisten, werden unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten erklärten Änderung und Neufassung der Nebenbestimmung in den Widerspruchsbescheiden des Regierungspräsidiums Stuttgart nunmehr durch die Baugenehmigung vollständig umgesetzt. Nach der neu gefassten Nebenbestimmung Nr. 2 darf in der Zeitspanne, die in Nr. 1 der neu gefassten Nebenbestimmung festgelegt ist, in Dunkelstunden die am Immissionsort (hier: ... xx und ...- ... xx) erzeugte vertikale Beleuchtungsstärke Ev = 0,3 lx nicht überschreiten. Gleichzeitig wird festgelegt, dass dies bei einer Einstellung der Anlage auf 2 % „Brightness“ gewährleistet ist. Damit wird insbesondere die Widersprüchlichkeit in Nr. 2 der Nebenbestimmung in der Fassung der Widerspruchsbescheide des Regierungspräsidium Stuttgart beseitigt, wonach einerseits die vertikale Beleuchtungsstärke 1 lx nicht überschritten werden durfte und andererseits die Leuchtdichte auf maximal 2 % des möglichen Höchstwertes festgelegt wurde. Der Einwand der Kläger, die Beschränkung der Einstellung der Leuchtdichte des Videoboards auf 2 % beziehe sich lediglich auf die momentan angebrachte Werbeanlage, greift nicht durch. Die Nebenbestimmung bestimmt in Nr. 1 und Nr. 2 Satz 1 zunächst allgemein und damit für alle weiteren Anlagen, dass der Betrieb des City-Boards (Videowerbeanlage) werktags maximal von 06.00 Uhr bis 20.00 Uhr und an Sonntagen, die nicht gesetzliche Feiertage sind, maximal von 09.00 Uhr bis 20.00 Uhr erfolgen und dass in dieser Zeitspanne in Dunkelstunden die am Immissionsort (hier ... xx und xx) erzeugte vertikale Beleuchtungsstärke Ev = 0,3 lx nicht überschritten werden darf. Erst Satz 2 der Nr. 2 bezieht sich auf die verwendete Anlage und konkretisiert, unter welchen Bedingungen diese die Anforderungen nach Satz 1 der Nr. 2 erfüllt. Maßgebend bleibt aber für alle „erdenklichen“ Anlagen die Bestimmung über die Einhaltung der vertikalen Beleuchtungsstärke von 0,3 lx.
49 
Des Weiteren wurde in Nr. 1 Satz 2 der neugefassten Nebenbestimmung festgelegt, dass das Videoboard an gesetzlichen Feiertagen nicht betrieben werden darf, so dass sich der Einwand der Kläger, die Widerspruchsbescheide beinhalteten eine unzulässige Schlechterstellung, insoweit erledigt hat. Im Übrigen überzeugt der Einwand der reformatio in peius schon deshalb nicht, weil die Widerspruchsbehörde die Nebenbestimmung zur Baugenehmigung hinsichtlich des Betriebs an Sonn- und Feiertagen ausschließlich konkretisiert hat, nämlich dahin, dass die zunächst nur die Sonntage betreffende Betriebseinschränkung auch für Feiertage gelte. Denn nach der von der Beklagten erteilten Baugenehmigung - auch in der Fassung der Nebenbestimmung vom 11.07.2007 - hätte die Videowerbeanlage feiertags unbeschränkt betrieben werden können. Ein Verzicht der Beigeladenen auf den Betrieb der Videowerbeanlage an Sonn- und Feiertagen vor der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist nicht ersichtlich.
50 
Bei Einhaltung der nunmehr in Nr. 2 der neugefassten Nebenbestimmung zur Baugenehmigung aufgeführten Bedingungen, die die Beigeladene nach Nr. 3 der in der mündlichen Verhandlung erklärten Nebenbestimmung überdies durch die Vorlage eines Prüfgutachtens nachzuweisen hat, kann von einer erheblichen Belästigung der von der Videowerbeanlage ausgehenden Lichtimmissionen, die die Grenze der Zumutbarkeit überschreiten, nicht ausgegangen werden. Eine andere Beurteilung ist auch nicht insoweit angezeigt, als die Kläger eine Beeinträchtigung auch während derjenigen Tagstunden befürchten, in denen die Helligkeit aufgrund bestimmter Witterungsverhältnisse eingeschränkt ist. In diesen begrenzten Zeiträumen ist es den Klägern im Rahmen des sozialadäquaten und ortsüblichen Eigenschutzes zumutbar, die Auswirkungen der Werbeanlage durch Vorhänge und Rollläden abzufangen. Eine ständige Verdunklung der Räume ist damit nicht verbunden.
51 
II. Das Vorhaben der Beigeladenen verstößt schließlich auch nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts.
52 
1. Soweit die Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals auf die unzureichenden Bauvorlagen hingewiesen haben, führt dies nicht zum Erfolg ihrer Berufung. Das Verwaltungsgericht hat unter Bezug auf die maßgebende Rechtsprechung insbesondere auch des erkennenden Senats mit zutreffenden Erwägungen ausgeführt, ein mit Blick auf Nachbarschutz rechtlich durchgreifender Verstoß gegen die Vorschriften über die Anforderungen an die Bauvorlagen und den Bauantrag in § 53 LBO liege nicht vor. Trotz gewisser Mängel ergebe sich aus der Baugenehmigung mit der erforderlichen Bestimmtheit, welches Bauvorhaben konkret zur Genehmigung gestanden habe. Insoweit verweist der Senat auf die überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts (§ 117 Abs. 5 VwGO).
53 
2. Das Verwaltungsgericht hat ferner zu Recht entschieden, dass sich die Kläger nicht auf einen Verstoß gegen die Gestaltungsvorschriften des § 11 LBO berufen können, weil diese ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit erlassen und daher nicht dazu bestimmt seien, auch den Individualinteressen (insbesondere der Nachbarn) zu dienen. Sie seien demzufolge nicht nachbarschützend. Diese zutreffenden Erwägungen bedürfen seitens des Senats keiner weiteren Vertiefung.
54 
Die Berufung war nach all dem zurückzuweisen.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 2 VwGO. Es entsprach der Billigkeit (§ 162 Abs. 3 VwGO), den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen. Denn diese hat einen Antrag gestellt und damit ein Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO übernommen (so die nunmehr einheitliche Rechtsprechung aller Bausenate des beschließenden Gerichtshofs, vgl. zuletzt Beschluss vom 10.01.2011 - 8 S 2667/10 -, DVBl. 2011, 315 [Ls.]).
56 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
57 
Beschluss vom 27. März 2012
58 
Der Streitwert für das Verfahren auf 15.000,-- EUR festgesetzt (§ 39 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit [Streitwertkatalog 2004, NVwZ 2004, 1327]).
59 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 72/04 Verkündet am:
10. Dezember 2004
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Ist ein Planfeststellungsverfahren nach §§ 8, 9, 10 LuftVG durchgeführt worden, kommt ein zivilrechtlicher
Entschädigungsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB wegen Lärmbelästigungen
grundsätzlich nicht in Betracht.

b) Wird eine Planfeststellung nach § 71 Abs. 2 Satz 1 LuftVG fingiert, gilt dasselbe. Dem von Lärmimmissionen
Betroffenen steht in solchen Fällen Rechtsschutz in entsprechender Anwendung des

c) Die Sperrwirkung der Regelungen des Planfeststellungsverfahrens gilt nicht nur für den Anspruch
auf Erstattung der Kosten für passive Schallschutzmaßnahmen, sondern auch für Ansprüche auf
Ausgleich eines verbleibenden Minderwerts des Grundstücks.

d) Bei der Beurteilung, ob Fluglärm eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 906 Abs. 2
Satz 1 BGB bedeutet, ist der Tatrichter auf eine Würdigung aller die Lärmimmissionen charakterisierenden
Umstände angewiesen. Die Vorschriften des Fluglärmgesetzes, der TA-Lärm und der
Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) stellen keine Normen im Sinne des § 906 Abs. 1
Satz 2 und 3 BGB dar; von den dort geregelten Grenzwerten geht daher keine Indizwirkung aus,
sie können aber bei der Gesamtwürdigung als Entscheidungshilfe Berücksichtigung finden.
BGH, Urteil vom 10. Dezember 2004 - V ZR 72/04 - OLG Köln
LG Bonn
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Dezember 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und
die Richterin Dr. Stresemann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 18. März 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte betreibt den erstmals 1959 genehmigten F lughafen Köln/Bonn. Die Kläger sind seit 1989 Eigentümer eines Hausgrundstücks in L. -S. , das zuvor der Mutter des Klägers gehörte, die den Klägern etwaige Ansprüche gegen die Beklagte wegen Fluglärmbelästigung abgetreten hat.
Das Haus befindet sich außerhalb der durch das Gesetz zum S chutz gegen Fluglärm (Fluglärmschutzgesetz) gezogenen Schutzzonen unter dem Gleitpfad der einfliegenden Flugzeuge beim Anflug auf eine bestimmte, über-
wiegend nur bei Westwindwetterlagen genutzte Landebahn. Die durchschnittliche Überflughöhe beträgt, bedingt durch die Hanglage des Grundstücks, regelmäßig weniger als 300 m.
Die Kläger haben behauptet, daß von dem Flugverkehr, insbesondere nachts, eine unzumutbare Lärmbelästigung ausgehe, der durch Schallschutzmaßnahmen nicht in ausreichendem Maße begegnet werden könne. Sie haben im Jahre 2000 die Fenster im Erdgeschoß ausgetauscht und mit Wärmeschutzverglasung versehen. Außerdem haben sie eine Isolierung des Flachdaches - soweit nicht überbaut - anbringen lassen. Die Kosten hierfür (10.849,14 € und 4.366,14 €) machen sie als Aufwendungsersatz für Schallschutzmaßnahmen geltend. Ferner verlangen sie Ausgleich einer nach ihrer Behauptung auf der Lärmimmission beruhenden Wertminderung von 54.467,16 € (25 % des Grundstückswerts).
Das Landgericht hat eine Beweisaufnahme durch Einholun g von Sachverständigengutachten zum Ausmaß der Lärmbeeinträchtigung und durch Beobachtung der Flugbewegungen zu nächtlicher Zeit durchgeführt und der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Frage, ob auch die Flugbelästigung tagsüber für die Kläger unzumutbar ist und neben der im Grundurteil festgestellten nächtlichen Fluglärmbelastung eine Wertminderung von insgesamt 25 % des Grundstückswertes rechtfertigt, dem Betragsverfahren überlassen bleibt. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Abweisungsantrag weiter. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht hält den geltend gemachten Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB dem Grunde nach für gerechtfertigt. Der Umstand, daß der Flughafen - vom Berufungsgericht unterstellt - nach § 71 Abs. 2 LuftVG als genehmigt gelte, führe nicht dazu, daß nach § 9 Abs. 2, 3 LuftVG, § 75 Abs. 2 Satz 2 bis 4 VwVfG oder nach § 11 LuftVG, § 14 BImSchG die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche ausgeschlossen sei. Zur Annahme einer wesentlichen Beeinträchtigung durch den Fluglärm ist das Berufungsgericht auf der Grundlage der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme gekommen. Es hat sich dabei nicht an den Regelungen der technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm - orientiert, sondern hat im Rahmen einer Gesamtbetrachtung vor allem auf einen Mittelungspegel abgestellt und dabei unter Berücksichtigung, daß das Hausgrundstück in einem allgemeinen Wohngebiet liegt, Grenzwerte verschiedener DIN-Vorschriften über die Messung und Beurteilung von Flugzeuggeräuschen sowie über städtebaulichen Schallschutz, ferner eine VDI-Richtlinie über Arbeitslärm zur Bewertung mit herangezogen. Daß das Landgericht - nach Auffassung des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft - keine Feststellungen zu etwaigen Lärmbelästigungen tagsüber getroffen hat, hält das Berufungsgericht nicht für entscheidungserheblich, da der Anspruch dem Grunde nach schon wegen der nächtlichen Lärmbeeinträchtigung gerechtfertigt sei und Weiteres dem Betragsverfahren überlassen bleiben könne.

II.


Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision n icht in allen Punkten stand.
1. Entgegen der Auffassung der Revision stellt es allerd ings keinen Verfahrensfehler dar, daß das Berufungsgericht durch Grundurteil entschieden hat, obwohl es an Feststellungen zu etwaigen Lärmbeeinträchtigungen tagsüber fehlt. Für den Grund des Anspruchs genügt es, daß das Berufungsgericht sich die Überzeugung davon verschafft hat, daß der von dem Flughafen der Beklagten ausgehende Fluglärm eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB darstellt, die die Kläger in der Benutzung ihres Grundstücks in nicht mehr zumutbarer Weise beeinträchtigt. Beruht diese Überzeugung nur auf Feststellungen, die zur Nachtzeit getroffen wurden, so ändert sich daran nichts, wenn tagsüber eine weitere Lärmbelästigung hinzutritt , mag sie die Zumutbarkeitsschwelle überschreiten oder nicht. Daß der Senat - in einem obiter dictum - gemeint hat, eine Lärmdauerbelastung durch überfliegende Flugzeuge könne nur insgesamt unter Berücksichtigung ihrer Besonderheiten gewürdigt werden, wobei zwischen landenden und startenden Flugzeugen ebensowenig unterschieden werden könne wie zwischen leisen oder lauten (Urt. v. 16. September 1988, V ZR 267/86, NJW-RR 1989, 396, 397), steht dem nicht entgegen. In jenem Verfahren hatte das Berufungsgericht die sich widersprechenden Feststellungen getroffen, daß die Kläger zwar die Geräusche landender Flugzeuge hinnehmen müßten, "unter Umständen" aber "einen Ausgleichsanspruch wegen der Geräuscheinwirkung startender Flugzeuge" hätten. Andererseits - so das Berufungsgericht in dem damaligen Verfahren - sei die "Häufigkeit von Geräuschbeeinträchtigung der landenden Flug-
zeuge wesentlich größer, was zur Folge haben könne, daß die zusätzliche Belastung durch startende Flugzeuge doch nicht ins Gewicht falle". Angesichts dessen fehlte es schon an der für den Erlaß des Grundurteils notwendigen Feststellung, daß mit hoher Wahrscheinlichkeit der Klageanspruch in irgendeiner Höhe bestand (Senat, aaO). Solche Bedenken können vorliegend nicht erhoben werden. Schon die Lärmbeeinträchtigungen bei Nacht rechtfertigen nach Auffassung des Berufungsgerichts einen Ausgleichsanspruch. Somit kommt es nur noch für dessen Höhe auf eine Gesamtbetrachtung des Lärms bei Tag und bei Nacht an.
2. Die Revision wendet sich nicht gegen die - aus Rechtsgr ünden auch nicht zu beanstandende - Auffassung des Berufungsgerichts, daß der Zivilrechtsweg vorliegend unbeschadet des Umstands gegeben ist, daß möglicherweise fiktiv von einem bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluß auszugehen ist. Sie hält aber materiellrechtlich den geltend gemachten Ausgleichsanspruch wegen der Wirkungen einer solchen Fiktion und - generell - wegen des Verhältnisses von öffentlichem und zivilrechtlichem Immissionsschutzrecht für ausgeschlossen.

a) Geht man - wie revisionsrechtlich geboten - davon aus, daß der von der Beklagten betriebene Flugplatz nach § 71 Abs. 2 Satz 1 LuftVG als im Plan festgestellt gilt, so ist der Rechtsansicht der Revision beizutreten, daß für einen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB kein Raum ist.
aa) Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat für de n Bereich des Straßenbaus entschieden, daß ein öffentlich-rechtlicher, unter dem Gesichtspunkt des enteignenden Eingriffs geltend gemachter Entschädigungsanspruch
wegen Lärmimmissionen infolge nicht ausreichender Schallschutzmaßnahmen dann ausscheidet, wenn die öffentliche Unternehmung (in jenem Fall der Ausbau einer Autobahn), die zu der Lärmimmission führt, auf einem bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluß beruht, der Schallschutzmaßnahmen nicht berücksichtigt (BGHZ 140, 285, 293 ff., 298 ff., beruhend auf der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, NJW 1987, 2884 f.; NJW 1989, 467, 469). Maßgebend für diese Entscheidung sind die folgenden Überlegungen.
Das Planfeststellungsverfahren gibt dem von der geplante n Unternehmung betroffenen Nachbarn die Möglichkeit, Einwendungen vorzubringen und die Behörde anzuhalten, Schallschutzmaßnahmen zum Schutze der Anlieger anzuordnen (§ 74 Abs. 2 Satz 1 und 2 VwVfG). Dazu zählen alle aktiven und insbesondere auch passiven Schallschutzeinrichtungen, wie etwa Schallschutzfenster , die am Haus des Nachbarn installiert werden können (Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 74 Rdn. 88; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., § 74 Rdn. 107 ff., 111). Hat die Planfeststellungsbehörde sich, etwa aufgrund von Einwendungen, mit der Frage der erforderlichen aktiven und passiven Schallschutzmaßnahmen bezogen auf das benachbarte Eigentum im Planfeststellungsverfahren, wie geboten, umfassend auseinandergesetzt, so ist damit dem Eigentumsschutz der Anlieger Genüge getan. Ist der betroffene Eigentümer der Meinung, daß der Planfeststellungsbeschluß dem Schutz seines Eigentums im Hinblick auf mögliche Schallschutzmaßnahmen nicht genügend Rechnung trägt, so kann er im Wege der Anfechtung des Beschlusses Ergänzungen durchsetzen. Sieht er hiervon ab, muß er sich, wenn nicht ein Verfahren nach § 75 Abs. 2 und 3 VwVfG auf nachträgliche Anordnung von Maßnahmen bei nicht voraussehbaren Wirkungen des Vorhabens in Betracht kommt, mit der Bestandskraft der Ablehnung weiterge-
hender Schallschutzmaßnahmen abfinden. Für einen Anspruch auf eine für passive Schallschutzmaßnahmen zu verwendende Entschädigung besteht bei einer solchen Sachlage auch unter dem Gesichtspunkt des enteignenden Eingriffs , der sich aus dem allgemeinen Aufopferungsgrundsatz herleitet, kein Bedürfnis und kein Raum (BGHZ 140, 285, 301 f.).
bb) Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für einen Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB.
(1) Die Verwandtschaft des öffentlich-rechtlichen Aufopf erungsanspruchs mit dem zivilrechtlichen Entschädigungsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB legt eine grundsätzliche Gleichbehandlung nahe. Die Parallele beider Ansprüche zeigt sich darin, daß die Anspruchsvoraussetzungen des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf den öffentlich-rechtlichen Anspruch übertragen werden (BGHZ 91, 20, 27; Krohn, in: Roth/Lemke/Krohn, Der bürgerlichrechtliche Aufopferungsanspruch als Problem der Systemgerechtigkeit im Schadensersatzrecht, 2001, S. 57), daß mit anderen Worten die zivilrechtliche Norm schlicht analog im öffentlichen Recht angewandt wird (Erman/A. Lorenz, BGB, 11. Aufl., § 906 Rdn. 50; Staudinger/Roth, BGB [2001], § 906 Rdn. 84; Hagen, WM 1984, 677, 682). So wird im allgemeinen der öffentlich-rechtliche Anspruch auf Entschädigung zuerkannt, wenn Immissionen von hoher Hand, deren Zuführung nicht untersagt werden kann, sich als ein unmittelbarer Eingriff in nachbarliches Eigentum darstellen und die Grenze dessen überschreiten , was ein Nachbar nach § 906 BGB entschädigungslos hinnehmen muß (BGHZ 91, 20, 21 f.; 122, 76).
(2) Daß für einen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht anders als für den strukturell vergleichbaren öffentlichrechtlichen Entschädigungsanspruch der Grundsatz des Vorrangs der im Planfeststellungsverfahren gebotenen Rechtsschutzmöglichkeiten gelten muß, entspricht seiner Konzeption. Er kommt nur in Betracht, wenn nicht eine andere gesetzliche Bestimmung den konkreten Fall abschließend regelt (BGHZ 72, 289, 295; Senat, BGHZ 142, 227, 236). Ferner setzt er stets voraus, daß der primäre Störungsabwehranspruch (§ 1004 BGB) dem betroffenen Eigentümer aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen versagt ist (BGHZ 72, 289, 292 f.; Senat, BGHZ 85, 375; Hagen, WM 1984, 677, 684). In diesem Zusammenhang ist in der Vergangenheit stets gefragt worden, ob und mit welcher Folge es von Bedeutung ist, daß der betroffene Nachbar von zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln oder Rechtsbehelfen keinen Gebrauch gemacht hat. Für den Bereich des öffentlichen Rechts ist eine entsprechende Anwendung des § 254 BGB herangezogen worden. Danach soll dem Nachbarn, der zumutbare Rechtsbehelfe einzulegen unterläßt, wegen Nichtwahrung eigener Belange ein Ausgleich für solche Nachteile verwehrt bleiben, die er durch den Gebrauch der Rechtsbehelfe hätte vermeiden können (BGHZ 113, 17, 22 f.; 140, 285, 297). Im Zivilrecht sind die gleichen Überlegungen - mit demselben Ergebnis - unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit angestellt worden (Hagen, WM 1984, 677, 684 unter Hinweis auf BGHZ 72, 289, 294 f.). Solche Erwägungen erfassen die Problematik nicht im Kern und bleiben unscharf. Klar ist demgegenüber der Ansatz, den der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs für den öffentlich -rechtlichen Entschädigungsanspruch nunmehr verfolgt. Wenn der Gesetzgeber für bestimmte Immissionen im Vorfeld ein spezifisches Verfahren zur Vermeidung von Eigentumsbeeinträchtigungen im nachbarlichen Bereich vorsieht , in dem die Rechte des Einzelnen berücksichtigt werden können, so sind
diese Rechtsschutzmöglichkeiten zu ergreifen. Ein Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB tritt dahinter zurück (vgl. schon OLG Stuttgart, NJWRR 2001, 1313, 1315).
Ein solches Verfahren stellt das Planfeststellungsverfahren dar. Die Behörde hat dem Träger des Vorhabens, von dem Immissionen ausgehen können , nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Auflagen aufzuerlegen, die zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich sind. Ist dies nicht möglich oder untunlich, steht den Betroffenen nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG ein Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld zu. Neben dieser ausdifferenzierten Regelung besteht im Regelfall für einen zusätzlichen Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB kein Bedürfnis. Nur soweit die im Planfeststellungsverfahren zu Gebote stehenden Möglichkeiten dem berechtigten Interesse des benachbarten Grundstückseigentümers nicht ausreichend Rechnung tragen, etwa weil sie Besonderheiten des Einzelfalls nicht erfassen können, ist ein Rückgriff auf § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB denkbar.
cc) Dies bedeutet auch für den hier zu unterstellenden F all einer fiktiven Planfeststellung, daß ein Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ausgeschlossen ist.
(1) Das Berufungsgericht, das die Problematik nicht verken nt, sieht Bedarf für einen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch, weil vorliegend kein Planfeststellungsverfahren durchgeführt worden ist und sich die bestandskräftige Planfeststellung nur aufgrund einer Fiktion ergibt (§ 71 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 LuftVG). Dem Betroffenen hätten daher die Möglichkeiten, die § 74 Abs. 2
VwVfG vorsieht, nicht zur Verfügung gestanden. Dies trifft im Ergebnis nicht zu. Allerdings scheiden bei einem nur fingierten Planfeststellungsverfahren Anordnungen und Auflagen aus, die die Planfeststellungsbehörde ansonsten nach § 74 Abs. 2 VwVfG in dem Verfahren treffen und vorsehen kann. Es bleibt aber die Möglichkeit, in entsprechender Anwendung des § 75 Abs. 2 Satz 2 bis 4 VwVfG nachträglich die Maßnahmen einzufordern, die ansonsten nach § 74 Abs. 2 VwVfG zu treffen gewesen wären (BVerfG, NVwZ-RR 2001, 209; BVerwG, NVwZ 2004, 869 f.). Dieser Rechtsbehelf unterscheidet sich in seiner Qualität nicht von den im Planfeststellungsverfahren selbst vorgesehenen Regularien. Die Vorschriften sind inhaltlich gleich gestaltet. Auch § 75 Abs. 2 Satz 2 bis 4 VwVfG sieht die Anordnung von Vorkehrungen gegen Immissionen bzw. die Errichtung und Unterhaltung von schützenden Anlagen vor sowie, falls solche Maßnahmen nicht möglich oder untunlich sind, eine Entschädigung in Geld. Soweit die nachträgliche Anordnung von Vorkehrungen gegen Immissionen nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG davon abhängig ist, daß es sich um Wirkungen des genehmigten Vorhabens handeln muß, die im Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit des Plans nicht voraussehbar waren, unterliegt die Norm im Anwendungsbereich fiktiver Planfeststellungen im Sinne von § 72 Abs. 2 LuftVG einer Modifizierung. Der Grund dafür, daß die Wirkungen objektiv erst nach der Unanfechtbarkeit in Erscheinung getreten (Bonk/Neumann, in: Stelkens /Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 75 Rdn. 52) und für den Betroffenen bei verständiger Sicht nicht voraussehbar gewesen sein dürfen (BVerwGE 80, 7, 13; Bonk/Neumann aaO; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., § 75 Rdn. 25), liegt darin, daß vorher aufgetretene Beeinträchtigungen Einzelner im Planfeststellungsverfahren hätten Berücksichtigung finden können. Bei einer fiktiven Planfeststellung scheiden solche Überlegungen aus. Der Betroffene muß daher grundsätzlich auch solche ihn beeinträchtigende Wirkungen geltend machen
können, die schon vor der kraft gesetzlicher Fiktion eingetretenen Unanfechtbarkeit des Plans bestanden haben, jedenfalls, wenn die mit dem Anlagenbetrieb verbundenen Immissionen ein Ausmaß erreichen, durch das der Gewährleistungsgehalt des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG oder des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG angetastet wird (BVerwG aaO). Die zeitlichen Grenzen der Geltendmachung ergeben sich dann allein aus § 75 Abs. 3 Satz 2 VwVfG.
Einem solchen Verständnis steht auch nicht der Zweck der Fi ktion des § 71 Abs. 2 LuftVG entgegen. Mit dieser am 1. März 1999 in Kraft getretenen Änderung des Luftverkehrsgesetzes (Giemulla, in: Giemulla/ Schmid, LuftVG, Stand: Dez. 2000, § 71 Rdn. 1) sollte für ältere Flugplätze in den alten Bundesländern Rechtssicherheit geschaffen werden (BT-Drucks. 13/9513, S. 54 f., 60 f.). Es sollte eine Rechtsgrundlage geschaffen werden für den zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesänderung bestehenden tatsächlichen Zustand (Giemulla, aaO Rdn. 5). Die Norm hat aber nicht den Charakter einer allgemeinen Heilungsklausel (BVerwG aaO S. 871) und schließt somit nicht weitergehende Anordnungen zum Schutz vor Lärmimmissionen aus.
(2) Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat offen gelassen, ob die Sperrwirkung eines bestandskräftigen Planfeststellungsverfahrens nur für den Anspruch auf Erstattung der Kosten für passive Schallschutzmaßnahmen gilt oder auch für Ansprüche auf Ausgleich eines verbleibenden Minderwerts des Grundstücks (BGHZ 140, 285, 300 f.). Die Frage ist im Sinne eines umfassenden Ausschlusses zivilrechtlicher Ausgleichsansprüche zu beantworten. Die Vorschriften der §§ 74 Abs. 2, 75 Abs. 2 VwVfG verfolgen das Ziel, jede fachplanungsrechtlich erhebliche Beeinträchtigung im nachbarlichen Bereich auszuschließen. Dazu dient die Vornahme aktiver und passiver Schallschutzmaß-
nahmen. Ein Minderwert, der zu entschädigen wäre, verbleibt dann ohnehin nicht. Er kommt nur in Betracht, wenn Schallschutzmaßnahmen nicht ausreichen oder mit dem Vorhaben nicht vereinbar oder untunlich sind. Dann sieht § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG, wie auch § 75 Abs. 2 Satz 4 VwVfG, eine Geldentschädigung zum Ausgleich des Minderwerts vor (BGHZ 140, 285, 298). Diese Regelung ist ausreichend und läßt, auch hinsichtlich der Entschädigung für einen Minderwert des Grundstücks, keinen Raum für einen Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. Dabei kommt es auf die in Rechtsprechung und Literatur eher unscharf behandelte Frage, ob für öffentlich-rechtliche Aufopferungsansprüche aus enteignendem Eingriff und für zivilrechtliche Ausgleichsansprüche nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB unterschiedliche Zumutbarkeitsschwellen gelten (siehe dazu etwa BGHZ 122, 76, 78 f.; Staudinger/Roth, BGB [2001], § 906 Rdn. 257) nicht an. Die Ansprüche nach §§ 74 Abs. 2, 75 Abs. 2 VwVfG, und damit auch die auf Geldentschädigung, die ja nichts anderes als Ersatz für nicht mögliche Schutzmaßnahmen darstellen, sind schon bei Überschreiten der (fachplanungsrechtlichen) Erheblichkeitsschwelle gegeben, nicht erst, wenn auch die deutlich höher liegende enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle erreicht ist (BGHZ 140, 285, 298), die nach der Rechtsprechung des III. Zivilsenats zugleich das zumutbare Maß bezeichnen soll, bis zu dem der Eigentümer Beeinträchtigungen nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB entschädigungslos hinnehmen muß (BGHZ 122, 76, 79). Der Betroffene steht sich daher mit den Möglichkeiten, die die Vorschriften der §§ 74 Abs. 2, 75 Abs. 2 VwVfG bieten, grundsätzlich sogar besser als mit zivilrechtlichen Ausgleichsansprüchen. Um so weniger ist für letztere ein Bedarf.

b) Sind hingegen die Voraussetzungen für eine Fiktion nach § 71 Abs. 2 LuftVG nicht gegeben, steht der Weg für nachträgliche Schutzanordnungen
nach § 75 Abs. 2 Satz 2 bis 4 VwVfG nicht zur Verfügung. Für diesen Fall kommt ein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in Betracht (Giemulla, in: Giemulla/Schmid, § 9 LuftVG Rdn. 12). Ausgehend hiervon halten die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es einen solchen Anspruch dem Grunde nach bejaht, den Angriffen der Revision stand.
aa) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die von dem Flugverkehr herrührenden Lärmimmissionen von den Klägern zu dulden sind, wenn sie keine oder eine nur unwesentliche Beeinträchtigung darstellen (§ 906 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ob eine Beeinträchtigung wesentlich ist, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen ab und davon, was diesem auch unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange billigerweise nicht mehr zuzumuten ist (Senat, BGHZ 120, 239, 255; 121, 248, 255; 148, 261, 264). Die dazu von dem Berufungsgericht in tatrichterlicher Verantwortung vorgenommene Bewertung mit dem Ergebnis einer wesentlichen Beeinträchtigung weist keine Rechtsfehler auf. Das führt, da nach den Feststellungen des Landgerichts auch die Voraussetzungen des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB gegeben sind, zu einem Ausgleichsanspruch nach Satz 2 der Norm.
bb) So ist es insbesondere nicht zu beanstanden, daß das B erufungsgericht die Voraussetzungen des § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB nicht für gegeben erachtet hat.
Das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm (Fluglärmgesetz) fäll t nicht unter § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB, da es nicht der Beurteilung individueller Lärmbeeinträchtigungen dient, sondern lediglich eine Grundlage für die Festlegung
von Lärmschutzzonen bietet (BGHZ 122, 76, 82; Staudinger/Roth, § 906 Rdn. 148; Palandt/Bassenge, BGB, 63. Aufl., § 906 Rdn. 17; vgl. auch schon Senat, BGHZ 69, 105, 109 f.). Soweit die Revision darauf verweist, daß nach der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zum Sachenrechtsänderungsgesetz vom 21. September 1994 das Fluglärmgesetz zu den Gesetzen im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB gehören solle (vgl. BT-Drucks. 12/7425, S. 88), führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Der Charakter des Fluglärmgesetzes, das nicht Gegenstand der Beratungen war, konnte und sollte durch das Sachenrechtsänderungsgesetz, das die jetzige Fassung des § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 zur Folge hatte, nicht geändert werden. Wenn der Rechtsausschuß das Fluglärmgesetz als Beispiel für ein Gesetz im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB genannt hat, so erlag er einem Irrtum - ebenso wie er einem Irrtum hinsichtlich der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast in § 906 Abs. 1 BGB unterlag (Senat, Urt. v. 13. Februar 2004, V ZR 217/03, NJW 2004, 1317, 1318). Infolgedessen geht auch die Verfahrensrüge der Revision fehl, soweit eine Frage der Beklagten nach einer an dem Fluglärmgesetz ausgerichteten Meßbewertung im Beweisverfahren nicht zugelassen worden ist.
Die TA-Lärm und die Verkehrslärmschutzverordnung (16. BI mSchV; beides Regelungen, die im Bundesimmissionsschutzgesetz ihre Grundlage haben; vgl. §§ 66 Abs. 2, 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG) sind im konkreten Fall nicht nach § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB heranzuziehen, da die Vorschriften des Bundesimmissionsschutzgesetzes nach § 2 Abs. 2 LuftVG nicht für Flugplätze gelten (vgl. Landmann/Rohmer/Hansmann, Umweltrecht, Bd. II, 3.1 TA-Lärm Nr. 1 Rdn. 7). Für den durch den Luftverkehr hervorgerufenen Lärm gibt es im Rahmen der Beurteilung auch nach § 9 Abs. 2 LuftVG keine generell festgeleg-
ten Grenzen (BVerwG, UPR 1999, 153, 154; BVerwG, NVwZ 2004, 1229, 1232; Landmann/Rohmer/Hansmann, aaO). Ebensowenig gibt es damit Grenz- oder Richtwerte, die für § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB Bedeutung erlangen könnten. Solche ergeben sich auch nicht aus der Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Juni 2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm (ABl EG 2002, L 189/12), deren Umsetzungsfrist abgelaufen ist. Diese Richtlinie dient zwar der Erarbeitung eines gemeinsamen Konzepts zur Bekämpfung von Lärm, auch Fluglärm, dem Menschen insbesondere in bebauten Gebieten ausgesetzt sind. Sie regelt aber zunächst nur die Ermittlung der Belastung durch Umgebungslärm anhand von Lärmkarten nach gemeinsamen Bewertungsmethoden und legt keine Grenzwerte fest, an denen sich Behörden und Gerichte bei der Beurteilung von Unterlassungsbegehren oder Schadensersatzansprüchen orientieren könnten.
Der Tatrichter ist daher auf eine Gesamtwürdigung all er die Lärmimmissionen charakterisierenden Umstände angewiesen, ohne daß ihn Grenz- oder Richtwerte hierbei binden könnten. Das schließt nicht aus, daß er - wie es das Berufungsgericht getan hat - in seine Würdigung Grenz- und Richtwerte aus Lärmschutzvorschriften einbezieht, auch wenn diese nicht unter § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB fallen. Sie können eine Entscheidungshilfe darstellen (Senat , BGHZ 111, 63, 67; 120, 239, 256 f.; 121, 248, 253; Urt. v. 26. September 2003, V ZR 41/03, NJW 2003, 3699, 3700). Dabei wäre es dem Berufungsgericht auch nicht verwehrt gewesen - wie die Revision geltend macht -, auch die Grenzwerte der TA-Lärm oder der Verkehrslärmschutzverordnung in den Blick zu nehmen, statt allein auf privatrechtliche Umweltstandards abzustellen. Es ist indes nicht ersichtlich, und wird auch von der Revision nicht aufgezeigt, daß eine Berücksichtigung dieser öffentlich-rechtlichen Grenzwerte zu einem ande-
ren Ergebnis geführt hätte. Die Grenzwerte der TA-Lärm für allgemeine Wohngebiete liegen bei nachts 40 dB(A) und tags 55 dB (A) und reihen sich damit in die Größenordnung der Werte ein, auf die das Berufungsgericht abgestellt hat. Ähnlich verhält es sich mit den Werten der Verkehrslärmschut zverordnung (49 dB(A)/59 dB(A)), zumal diese ohnehin kaum aussagekräftig sind, weil sie nicht für ständige Lärmquellen, sondern für vorübergehende Immissionen durch den Bau oder durch wesentliche Änderungen von öffe ntlichen Straßen gelten.
cc) Daß das Berufungsgericht den Ausgleich der Wertminder ung durch Zahlung eines einmaligen Betrages statt monatlicher Beträge festgesetzt hat, ist entgegen der Auffassung der Revision nicht von Rechtsirrtum beeinflußt. Eine Rentenzahlung kommt in Betracht, wenn die Nutzungswertminderung vorübergehender Natur ist (vgl. nur Staudinger/Roth, § 906 Rdn. 264 m.w.N.). Dies hat das Berufungsgericht in tatrichterlich nicht zu beanstandender Weise ausgeschlossen.
dd) Soweit die Revision meint, die Kläger hätten den geltend gemachten Anspruch verwirkt, verweist sie nicht auf Sachvortrag in den Tatsacheninstanzen , der geeignet wäre, die für die Annahme einer Verwirkung erforderlichen Zeit- und Umstandsmomente (Senat, BGHZ 43, 289, 292; BGHZ 84, 280, 281) auszufüllen. Der Überlegung, die Ausschlußfrist des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG schlicht auf die Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu übertragen, kann nicht gefolgt werden. Eine Anwendung der Ausschlußfrist des Verwaltungsverfahrensgesetzes bedeutete nicht die Konkretisierung eines Verwirkungstatbestandes, sondern die Implantierung einer besonderen Verjährung für zivilrechtliche Immissionsschutzansprüche.
Dem stehen die Verjährungsregelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die auch für Ansprüche aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gelten, entgegen (vgl. nur Senat, Urt. v. 18. November 1994, V ZR 98/93, NJW 1995, 714, 715).

III.

Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif, da die Feststel lungen des Berufungsgerichts nicht die Beurteilung zulassen, ob die Voraussetzungen des § 71 Abs. 2 LuftVG mit der Folge der Fiktion eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses gegeben sind. Das Berufungsgericht wird daher diese von ihm offen gelassene Frage zu klären haben. Wenzel Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20. Mai 2009 - 2 K 1583/08 - wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Kläger wenden sich gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Anbringung einer Videowerbeanlage (City-Board).
Der Kläger zu 1 ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flst.Nr. ... (...), die Klägerin zu 2 Eigentümerin des ebenfalls mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flst.Nr. ... (...) auf der Gemarkung der Beklagten. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Goethestraße" der Beklagten, der insoweit ein allgemeines Wohngebiet festsetzt.
Die Beklagte erteilte der Beigeladenen mit Bescheid vom 18.07.2006 eine Baugenehmigung für die Errichtung einer „City-Board" genannten Videowerbeanlage mit laufend wechselnden Bildern auf dem mit einem mehrgeschossigen Wohnhaus bebauten Grundstück Flst.Nr. ... (... ...-...). Die 4,08 m x 3,02 m große, an der westlichen Außenwand des Wohnhauses angebrachte Anlage wurde im Dezember 2006 in Betrieb genommen. Der Anbringungsort ist von den Wohnhäusern der Kläger ca. 35 bis 40 m entfernt. Das Bauvorhabengrundstück liegt nicht im räumlichen Geltungsbereich eines Bebauungsplans.
Gegen die Baugenehmigung legten die Kläger jeweils Widerspruch ein.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens legte die Beigeladene ein Gutachten des Sachverständigen für Lichttechnik Dr.-Ing. ... ... vom 19.02.2007 zur Beurteilung der Lichtimmissionen auf der Grundlage von Messungen für die Gebäude ... xx, xx und xx vor. Am 07.03.2007 wurden von dem Sachverständigen ergänzende Messungen vorgenommen.
In der Folgezeit erließ die Beklagte mit Bescheid vom 11.07.2007 als Ergänzung zur Baugenehmigung vom 18.07.2006 die Nebenbestimmung, dass das City-Board werktags maximal von 6.00 Uhr bis 20.00 Uhr und sonntags von 9.00 Uhr bis 20.00 Uhr betrieben werden (Nr. 1) und die Beleuchtungsstärke (Leuchtdichte) in den Dunkelstunden maximal 2 % betragen darf (Nr. 2). Als Dunkelheit galt die Zeit 30 Minuten vor Sonnenaufgang und 30 Minuten nach Sonnenuntergang, für die Berechnung der Beleuchtungsstärke galten die beigefügten Hinweise zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen (Beschluss des Länderausschusses für Immissionsschutz vom 10.05.2000).
Das Regierungspräsidium Stuttgart fasste mit Widerspruchsbescheiden vom 26.03.2008 die Baugenehmigung der Beklagten vom 11.07.2007 zur Klarstellung wie folgt:
1. Der Betrieb des City-Boards (Videowerbeanlage) darf werktags maximal von 06.00 Uhr bis 20.00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen maximal von 09.00 Uhr bis 20.00 Uhr erfolgen.
2. In dieser Zeitspanne darf in Dunkelstunden die am Immissionsort (hier ... xx und ...) erzeugte vertikale Beleuchtungsstärke 1 Lux nicht überschreiten. Das ist bei der Anlage der Fall, wenn ihre Leuchtdichte auf maximal 2 % des möglichen Höchstwertes eingestellt wird. Dunkelstunden sind die Zeiten, die in die Zeitspanne von 30 Minuten nach Sonnenuntergang bis 30 Minuten vor Sonnenaufgang fallen. Für die Berechnung der Beleuchtungsstärke gelten die Hinweise zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen (Beschluss des Länderausschusses für Immissionsschutz vom 10.05.2002, beigefügt als Anlage)."
10 
Im Übrigen wurden die Widersprüche zurückgewiesen.
11 
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 20.05.2009 - 2 K 1583/08 -die von Klägern erhobenen Klagen abgewiesen.
12 
Der Senat hat auf Antrag der Kläger mit Beschluss vom 23.11.2010 - 3 S 1539/09 - die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart zugelassen.
13 
Die Kläger beantragen zuletzt,
14 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20.05.2009 - 2 K 1583/08 - zu ändern und die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 18.07.2006, geändert durch Bescheid vom 11.07.2007, in der Fassung vom 27.03.2012 und die Widerspruchsbescheide des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 26.03.2008 aufzuheben.
15 
Die Kläger tragen zur Begründung im Wesentlichen vor: Ein Betrieb der Videowerbeanlage sei an Feiertagen durch die Baugenehmigung in der Fassung vom 11.07.2007 nicht vorgesehen gewesen. Die Beigeladene habe sich mit einem Betrieb der Anlage in diesem Umfang bereits einverstanden erklärt. Es verstoße gegen Treu und Glauben, wenn die Widerspruchsbehörde zum Nachteil der Kläger den Betrieb der Anlage auch auf Feiertage ausweite. Zudem sei der Betrieb der Werbeanlage an Sonn- und Feiertagen rücksichtlos. Die LAI-Hinweise seien Bestandteil der Baugenehmigung geworden. Der Sachverständige Dr. Ing. ... habe in seinem Gutachten vom 10.03.2007 ausgeführt, aus dem Wert Ev = 3 lx werde die zulässige vertikale Beleuchtungsstärke Ev = 0,3 lx für höchste Ansprüche. Soweit mit der Baugenehmigung eine maximale vertikale Beleuchtungsstärke von 1 lx in den „Dunkelstunden“ als Grenzwert angegeben werde, sei dieser Wert zu hoch und übersteige die zulässige vertikale Beleuchtungsstärke nach der LAI-Hinweisen um mehr als dreifache. Des Weiteren lasse die Baugenehmigung eine Beschränkung auf einen maximal zulässigen Leuchtdichtewert hinsichtlich der Blendungswirkung vermissen. Außerdem sehe die Baugenehmigung keine Beschränkung außerhalb der „Dunkelstunden“ vor. Es träten indessen nicht nur in den Abendstunden, sondern auch am Tage regelmäßig unerträgliche Beleuchtungssituationen auf. Dies gelte insbesondere in den Herbst- und Wintermonaten, da es bereits am Tage witterungsbedingt häufig dunkel sei. Eine automatische Anpassung der Leuchtstärke an das Wetter erfolge nicht. Auch beziehe sich die Beschränkung der Einstellung der Leuchtdichte des Videoboards auf 2 % lediglich auf die momentan angebrachte Werbeanlage, während die Baugenehmigung nicht die Errichtung eines bestimmten Gerätes vorsehe. Die Anknüpfung an einen Hersteller- und bauartabhängigen Wert von 2 % sei daher fehlerhaft. Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruhe zudem auf Unterlagen, die ihnen nicht zugänglich gemacht worden seien. Bei den Gutachten handle es sich um Parteigutachten, wobei sie sich nicht grundsätzlich gegen Inhalt der Gutachten wendeten. Das genehmigte Vorhaben verstoße schließlich auch gegen § 5 BImSchG. Aus der Sicht der Kläger entspreche es dem Stand der Technik, einen Sensor zu installieren, der jeweilige Beleuchtungsstärken an die Außenhelligkeit automatisch anpasse.
16 
Die Beklagte beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Sie trägt zusammengefasst vor: Eine reformatio in peius zu Lasten der Kläger liege nicht vor. Die Widerspruchsbehörde habe die Nebenbestimmung zur Baugenehmigung hinsichtlich des Betriebs an Sonntagen lediglich dahin konkretisiert, dass diese Betriebseinschränkung auch feiertags gelte. Auch habe die Beigeladene nicht auf einen Betrieb an Sonn- und Feiertagen verzichtet. Die Vorgaben der LAI-Hinweise sowie des Sachverständigen Dr. Ing. ... seien hinreichend berücksichtigt worden. Dies gelte insbesondere für die zulässige vertikale Beleuchtungsstärke. Der zur Beurteilung der Lichtstärken und Blendwirkung hinzugezogene Gutachter Dr. Ing. ... führe in seinem Gutachten vom 19.02.2007 aus, dass eine Übereinstimmung der montierten Anlage mit den Hinweisen zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen in jedem Fall dann gegeben sei, wenn die Anlage auf 2 % ihrer maximalen Beleuchtungsstärke, d.h. „Brightness“, eingestellt werde. Durch die „Brightness“ Einstellung auf 2 % des möglichen Höchstwertes der Anlage werde auch die Einhaltung der maximal zulässigen mittleren Leuchtdichte sichergestellt. Entgegen der Auffassung der Kläger müsse für den Tagbetrieb kein maximaler Lichtwert vorgeschrieben werden. Im Tagbetrieb außerhalb der Dunkelstunden stelle der Betrieb des Videoboards keine unzumutbare Beeinträchtigung der Grundstücke der Kläger dar. Der Einwand der Kläger, die erlassene Nebenbestimmung würde nicht bei einem Wechsel der Anlage gelten, überzeuge nicht. Die Nebenbestimmung beziehe sich auf das konkret montierte Modell eines City-Boards. Sollte die Anlage gewechselt werden, müsste ein erneutes Genehmigungsverfahren durchlaufen und erforderlichenfalls eine neue Nebenbestimmung in Bezug auf die zulässige Art des Betriebs erlassen werden. Es entspreche nicht dem Stand der Technik, das Videoboard mit einem Lichtsensor auszustatten, damit eine automatische Anpassung der „Brightness“ Einstellung an die Lichtverhältnisse erfolgen könne.
19 
Die Beigeladene beantragt,
20 
die Berufung zurückzuweisen
21 
Sie schließt sich den Ausführungen der Beklagten an.
22 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 27.03.2012 hat die Beklagte erklärt:
23 
Die Nebenbestimmung im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 26.03.2008 wird wie folgt geändert und neu gefasst:
Nr. 1
24 
Der Betrieb des City-Boards (Videowerbeanlage) darf werktags maximal von 06.00 Uhr bis 20.00 Uhr und an Sonntagen, die nicht gesetzliche Feiertage sind, maximal von 09.00 Uhr bis 20.00 Uhr betrieben werden. An gesetzlichen Feiertagen in Baden-Württemberg darf das Videoboard nicht betrieben werden.
Nr. 2
25 
In dieser Zeitspanne darf in Dunkelstunden die am Immissionsort (hier ... xx und ... xx) erzeugte vertikale Beleuchtungsstärke Ev = 0,3 lx nicht überschreiten. Hierbei wurden die Abschläge für eine farbige und wechselnde Lichtquelle berücksichtigt. Das ist bei der Anlage der Fall, wenn ihre Leuchtdichte auf maximal 2 % „Brightness“ des möglichen Höchstwertes eingestellt wird. Dunkelstunden sind die Zeiten, die in der Zeitspanne von 30 Minuten nach Sonnenuntergang bis 30 Minuten vor Sonnenaufgang fallen. Für die Berechnung der Beleuchtungsstärke gelten die Hinweise zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen (Beschluss des Länderausschusses für Immissionsschutz vom 10.05.2000, beigefügt als Anlage).
Nr. 3
26 
Der Betreiber wird verpflichtet, durch Vorlage eines Prüfgutachtens eines anerkannten Sachverständigen bis zum 31.08.2012 nachzuweisen, dass die Nebenbestimmung Nr. 2 bei einem Betrieb in den Dunkelstunden eingehalten ist.
27 
Die Akten der Beklagten und des Regierungspräsidiums Stuttgart sowie des Verwaltungsgerichts Stuttgart Az.: 2 K 3211/07 und 2 K 1583/08 liegen dem Senat vor. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Akten und auf die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
28 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet.
29 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
30 
Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 18.07.2006 in der Fassung vom 11.07.2007 verletzt unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten erklärten Änderung und Neufassung der Nebenbestimmung in den Widerspruchsbescheiden des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 26.03.2008 die Kläger weder in bauplanungsrechtlicher (I.) noch in bauordnungsrechtlicher (II.) Hinsicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
31 
I. Das Vorhaben der Beigeladenen verstößt nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.
32 
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich vorliegend grundsätzlich nach § 34 Abs. 1 BauGB. Denn das Vorhabengrundstück Flst.-Nr. ... liegt innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Gebiets, für das außer eines sich auf die Festsetzung von Baulinien beschränkenden Stadtbauplans aus dem Jahr 1885 kein Bebauungsplan existiert.
33 
1. Den Klägern steht kein - auch für ein faktisches Baugebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB grundsätzlich geltender - Anspruch auf Bewahrung der Gebietsart zu. Zwar kommt der Art eines Baugebiets, das nach § 34 Abs. 2 BauGB aufgrund der näheren Umgebung tatsächlich in jeder Hinsicht einem der in der BauNVO bezeichneten Baugebiete entspricht, ebenso wie der Festsetzung eines Baugebiets durch Bebauungsplan, grundsätzlich nachbarschützende Wirkung zu und der Eigentümer eines im Baugebiet gelegenen Grundstücks hat als Nachbar einen - von tatsächlichen Beeinträchtigungen unabhängigen - Schutzanspruch auf Bewahrung der Gebietsart (sog. Gebietserhaltungsanspruch, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 22.12.2011 - 4 B 32.11 -, BBB 2012, Nr. 4, 60). Der Abwehranspruch des Nachbarn wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsart unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch das nachbarliche Austauschverhältnis gestört und eine Verfremdung des Gebiets eingeleitet wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.02.2008 - 4 B 60.07 -, NVwZ 2008, 786; Urteil vom 21.03.2002 - 4 C 1.02 -, BVerwGE 116, 155 = NVwZ 2002, 1118; Beschluss vom 13.05.2002 - 4 B 86.01 -, NVwZ 2002, 1384; Urteil vom 16.09.1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151). Vorliegend entspricht die Eigenart der näheren Umgebung indessen keinem der in der Baunutzungsverordnung bezeichneten Baugebiete, sondern stellt eine Gemengelage dar, in dem der Gebietserhaltungsanspruch keine Anwendung findet. Insbesondere scheidet eine Einstufung als faktisches allgemeines Wohngebiet aus.
34 
Nach ständiger Rechtsprechung reicht die nähere Umgebung im Sinn dieser Vorschrift so weit, wie sich - erstens - die Ausführung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens auswirken kann und - zweitens - wie die Umgebung ihrerseits die bodenrechtliche Situation des Baugrundstücks prägt (BVerwG, Urteil vom 18.10.1974 - 4 C 77.73 -, NJW 1975, 460; Urteil vom 26.5.1978 - 4 C 9.77 -, BVerwGE 55, 369; Urteil vom 11.2.1993 - 4 C 15.92 -, NVwZ 1994, 285). Sie ist daher nicht auf die in der unmittelbaren Nachbarschaft vorhandene Bebauung beschränkt, sondern bezieht auch die Bebauung in der weiteren Umgebung des Baugrundstücks ein, soweit diese noch prägend auf das Grundstück einwirkt (BVerwG, Urteil vom 19.9.1986 - 4 C 15.84 -, BVerwGE 75, 34).
35 
Gemessen daran umfasst nach den in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigten Feststellungen des Verwaltungsgerichts Stuttgart in dem Erörterungstermin im Verfahren 2 K 1583/08 am 09.03.2009 die nähere Umgebung des Baugrundstücks außer der ganz überwiegend aus Wohnhäusern bestehenden Bebauung entlang der ... und dem auf dem Baugrundstück selbst vorhandenen Wohnhaus auch das nach Osten an das Baugrundstück grenzende, mit einem Geschäftshaus bebaute Grundstück ... Str. x sowie die nördlich der ... Straße gelegenen, größtenteils ebenfalls gewerblich genutzten Grundstücke. Hierzu zählen eine Filiale des Unternehmens ..., sowie (westlich davon) u.a. eine Videothek und ein Tiernahrungshandel. Weiter westlich, im Gebäude an der Ecke zur Bahnhofsstraße, findet sich eine Bankfiliale. Soweit diese östlich und nördlich des Baugrundstücks vorhandenen gewerbliche Nutzungen in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 Abs. 2 und 3 BauNVO überhaupt noch zulässig wären, stellen sie jedenfalls in diesem Bereich nach Anzahl, Umfang und Gewicht keine Ausnahme mehr dar, sondern prägen die Umgebung, so dass sich eine Einstufung als allgemeines Wohngebiet verbietet. Hinzu kommt, dass der ... als großflächiger Einzelhandelsbetrieb das Wohnen wesentlich stört, wegen seiner Größe und Auswirkungen wohl nur in einem Kern- oder Sondergebiet zulässig wäre, und aufgrund der vorwiegend gewerblichen Nutzung in diesem Bereich auch nicht als „Ausreißer" angesehen werden kann. Aufgrund der uneinheitlichen Art der Bebauung kann dieser Bereich demnach weder als allgemeines Wohngebiet noch als Mischgebiet qualifiziert werden.
36 
Nach dem damit anzuwendenden § 34 Abs. 1 BauGB hängt die Zulässigkeit des Vorhabens der Beigeladenen - objektiv-rechtlich - davon ab, ob es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Ob das Vorhaben der Beigeladenen diese Voraussetzung in jeder Hinsicht erfüllt (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 16.06.2009 - 4 B 50.08 -, BauR 2009, 1564), kann im Rahmen des vorliegenden Verfahrens dahinstehen, weil § 34 Abs. 1 BauGB nur insoweit nachbarschützende Wirkung hat, als das in dieser Vorschrift im Tatbestandsmerkmal des „Sich-Einfügens" verankerte Rücksichtnahmegebot in seiner drittschützenden Ausprägung verletzt ist (st. Rspr. vgl. BVerwG, Urteil v. 25.02.1977 - IV C 22.75 -, BVerwGE 52, 122; Urteil v. 13.03.1981 - 4 C 1.78 -, DVBI 1981, 928; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.03.2012 - 3 S 223/12 -, juris).
37 
Nach welchen Maßstäben eine derartige Rücksichtslosigkeit anzunehmen ist, beurteilt sich, sofern Immissionen als Beeinträchtigungen in Rede stehen, nach den Regelungen des Immissionsschutzrechts. Eine Anlage, deren Immissionen sich in den Grenzen des der Nachbarschaft gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bzw. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG Zumutbaren halten, erweist sich auch in bauplanungsrechtlicher Hinsicht als nicht rücksichtslos. Es gibt kein bauplanungsrechtliches Rücksichtnahmegebot, das etwa dem Verursacher von Umwelteinwirkungen mehr an Rücksichtnahme zugunsten der Nachbarn abverlangt, als es das BImSchG gebietet. Dieses Gesetz hat vielmehr die Grenze der Zumutbarkeit für Umwelteinwirkungen für Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme auch für das Baurecht allgemein bestimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.09.1983 - 4 C 74.78 -, BRS 40 Nr. 206; Urteil vom 27.08.1998 - 4 C 5.98 -, BRS 60 Nr. 83, Urteil vom 23.09.1999 - 4 C 6.98 -, BRS 62 Nr. 86).
38 
Nach § 22 Abs. 1 BImSchG sind - nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz - nicht genehmigungsbedürftige Anlagen (vgl. § 3 Abs. 5 BImSchG) u.a. so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche, nach dem Stand der Technik vermeidbare Umwelteinwirkungen verhindert oder nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Nach § 3 Abs. 1 BImSchG sind schädliche Umwelteinwirkungen Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Zu den Immissionen zählt nach § 3 Abs. 2 BImSchG u.a. auch auf Menschen einwirkendes Licht. Rechtsverbindliche Vorschriften zur Bestimmung der immissionsschutzrechtlichen Erheblichkeitsgrenzen für Lichtimmissionen fehlen bisher. Die Beurteilung, wann Lichteinwirkungen zu erheblichen Belästigungen für die Nachbarschaft führen, kann nicht anhand allgemein gültiger Grenzwerte und Bewertungsmethoden vorgenommen werden, da solche weder durch Gesetz noch durch Rechtsverordnung bindend geregelt sind.
39 
Die vom Länderausschuss für Immissionsschutz am 10.05.2000 beschlossenen Hinweise zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen (im Folgenden: LAI-Hinweise) haben keine normative Wirkung und können folglich keine Allgemeinverbindlichkeit für sich beanspruchen (OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 21.12.2006 - 7 B 2193/06 -, BauR 2007, 861; Urteil vom 15.03.2007 - 10 A 998/06 -, DVBl. 2008, 791; Beschluss vom 27.02.2009 - 7 B 1647/08 -, NVwZ-RR 2009, 716).
40 
Die Zumutbarkeit von Lichtimmissionen beurteilt sich daher grundsätzlich nach den Grundsätzen, die die Rechtsprechung zum Gebot der Rücksichtnahme entwickelt hat. Abzustellen ist auf den Grad der tatsächlichen und rechtlichen Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Innen- und Außenwohnbereiche des Nachbarn. Das Maß der Schutzbedürftigkeit in tatsächlicher Hinsicht kann im Einzelfall davon abhängen, ob und inwieweit der Nachbar ohne größeren Aufwand im Rahmen des Ortsüblichen und Sozialadäquaten zumutbare Abschirmmaßnahmen ergreifen kann (zumutbarer Eigenschutz). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Eigenschutz gegen Lichtimmissionen, anders als der Schutz gegen Lärm oder Gerüche, ohne Einbußen für die Wohnqualität häufig durch herkömmliche Maßnahmen wie Vorhänge oder Jalousien innerhalb der Gebäude oder durch Hecken oder Rankgerüste in den Außenwohnbereichen bewerkstelligt werden kann. Dies gilt auch deswegen, weil Lichtimmissionen oft gleichsam zwangsläufige Folge typischer Wohnformen sind und von daher auch akzeptiert werden (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss v. 17.03.1999 - 4 B 14.99 -, BauR 1999, 1279). Andererseits ist die Intensität der Blendwirkung und ist das Gewicht der dem Nachbarn durch die Schutzmaßnahmen abverlangten Nutzungseinschränkungen seines Wohngrundstücks - im Innen- wie im Außenwohnbereich - in Rechnung zu stellen. Schließlich ist im Rahmen der rechtlichen Schutzwürdigkeit der Beteiligten darauf abzustellen, ob die die Blendwirkung auslösenden baulichen Maßnahmen vom materiellen Baurecht gedeckt sind oder nicht. Ob und in welchem Umfang innerhalb dieses Rahmens Abschirmmaßnahmen möglich und im Verhältnis zwischen Grundstücksnachbarn zumutbar sind, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls (vgl. zu alledem VGH Bad.-Württ., Urteil v. 19.07.2007 - 3 S 1654/06 -, VBIBW 2008, 184). Bei Beurteilung dieser Zumutbarkeit scheidet, wie dargelegt, eine Bindung an die LAI-Hinweise mangels Allgemeinverbindlichkeit aus. Mithin dürfen die in ihnen vorgeschlagenen Mess- und Rechenverfahren, Richtwerte sowie Zu- und Abschläge nicht ungeprüft zugrunde gelegt werden. Gleichwohl ist der Senat nicht gehindert, die LAI-Hinweise als sachverständige Beurteilungshilfe und als Bewertungsmaßstab in seine Erwägungen einzubeziehen (so auch OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 21.12.2006 - 7 B 2193/06 -, BauR 2007, 861; Urteil vom 15.03.2007 - 10 A 998/06 -, DVBl. 2008, 791; Beschluss vom 27.02.2009 - 7 B 1647/08 -, NVwZ-RR 2009, 716).
41 
Die LAI-Hinweise gehen von dem nachvollziehbaren und den Senat überzeugenden Ansatz aus, dass zu den maßgeblichen Kriterien für die Beurteilung der durch Lichtimmissionen verursachten Belästigungen zum einen die Raumaufhellung und zum anderen die als psychologische Blendung bezeichnete Störempfindung gehören. Eine Raumaufhellung ist dann anzunehmen, wenn die Immission des Lichts zu einer signifikant erhöhten Helligkeit des Raumes mit der Folge führt, dass die Nutzung eines Wohnbereichs (etwa Schlafzimmer oder Wohnzimmer) eingeschränkt ist. Eine (psychologische) Blendung wird hingegen angenommen, wenn durch eine Lichtquelle in der Nachbarschaft zwar aufgrund der Entfernung oder Eigenart der Lichtquelle keine oder keine übermäßige Aufhellung erzeugt wird, eine Belästigung aber aus psychologischen Gründen vorliegt. Eine solche Belästigung entsteht durch die ungewollte Ablenkung der Blickrichtung zur Lichtquelle hin, die eine ständige Umadaptation des Auges auslösen kann (vgl. hierzu Nr. 3 Buchst. a und b LAI-Hinweise).
42 
Für die Zumutbarkeit der Raumaufhellung - beschrieben durch die mittlere Beleuchtungsstärke - sehen die LAI-Hinweise für Immissionsorte in reinen, allgemeinen, besonderen Wohngebieten, Kleinsiedlungsgebieten und Erholungsgebieten (Nr. 2 der Tabelle 1) als Richtwert für den Zeitraum von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr 3 lx und für den Zeitraum von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr 1 lx vor. Für Beleuchtungsanlagen mit veränderbaren Betriebszuständen ist der Beleuchtungszustand mit der maximalen Beleuchtungsstärke zu bewerten. In besonders auffälligen Wechsellichtsituationen (z.B. große Schwankungen der Beleuchtungsstärke), die lästiger als zeitig konstantes Licht empfunden werden, sind bei der Beurteilung der Raumaufhellung die Maximalwerte je nach Auffälligkeit mit einem Faktor 2 bis 5 zu multiplizieren und mit den Immissionsrichtwerten der Tabelle 1 zu vergleichen (Nr. 4.1 der LAI-Hinweise). Strahlt die Beleuchtungsanlage intensiv farbiges Licht aus, so ist bei besonderer Auffälligkeit der Messwert mit einem Faktor 2 zu multiplizieren und mit den Immissionsrichtwerten der Tabelle 1 zu vergleichen.
43 
Für die psychologische Blendung ist die mittlere Leuchtdichte der Blendlichtquelle (Ls) , die Umgebungsleuchtdichte (Lu) und der Raumwinkel (Ωs) maßgebend (vgl. LAI-Hinweise Nr. 5.1). Zur Berechnung der Werte für die maximal tolerable mittlere Leuchtdichte (Lmax) werden die Umgebungsleuchtdichte und der Raumwinkel zu einander in Beziehung gesetzt und mit dem in Tabelle 2 für einen bestimmten Immssionsort festgelegten Proportionalitätsfaktor k multipliziert (vgl. Nr. 5.1 der LAI-Hinweise). Die mittlere Leuchtdichte der zu beurteilenden Blendquelle (zu deren Berechnung - gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Wechsellichtsituationen - vgl. Nrn. 5.1 und 5.3.1 der LAI-Hinweise) soll den nach dem zuvor beschriebenen Berechnungsmodus ermittelten Wert für die maximal tolerable mittlere Leuchtdichte nicht überschreiten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Leuchtdichte eine Eigenschaft einer flächigen Lichtquelle ist, die an einem entfernten Ort eine bestimmte Beleuchtungsstärke erzeugt; die Größen sind direkt proportional.
44 
Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben erweist sich die streitgegenständliche Videowerbeanlage gegenüber den Klägern nicht als rücksichtslos.
45 
Das von der Beigeladenen eingeholte und auf der Grundlage der LAI-Hinweise erstellte Gutachten des Sachverständigen für Lichttechnik Dr. Ing. ... ... vom 19.02.2007 sowie die von ihm im Weiteren abgegebenen ergänzenden Stellungnahmen und Erläuterungen vom 10.03.2007, 30.09.2009, 26.01.2001 und 23.03.2012 kommen zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die Videowerbeanlage bei einer Einstellung des Betriebsgeräts des Videoboards während der Dunkelstunden auf eine Leuchtdichte („Brightness“) von 2 % die in den LAI-Hinweisen aufgeführten Immissionsrichtwerte einhält. Denn bei dieser Einstellung werde der nach den LAI-Hinweisen im vorliegenden Fall geltende Höchstwert der mittleren Beleuchtungsstärke von Ev = 0,3 lx in jedem Fall eingehalten. Die von dem Videoboard herrührenden Lichtimmissionen würden unter diesen Betriebsbedingungen auch mit Blick auf die maßgebende maximal tolerable Leuchtdichte der Blendlichtquelle alle Anforderungen der LAI-Hinweise erfüllen und demzufolge als zumutbar angesehen. Dies gelte auch für das Haus ... xx. Zwar fehle es insoweit an Messungen. Nach den Berechnungsergebnissen, die auf der Grundlage der für die Anwesen ... xx, xx und xx stattgefundenen Messungen beruhten, würden die Grenzwerte der Lichtrichtlinie bei einer „Brightness“-Einstellung des Videoboards auf 2 % auch für das Haus ... xx weder erreicht noch gar überschritten (vgl. die überzeugende Stellungnahme vom 30.09.2009). Für die Beurteilung der Raumaufhellung und der Berechnung der mittleren Beleuchtungsstärke ist der Gutachter hinsichtlich der Anwesen der Kläger von Nr. 2 der Tabelle 1 der LAI-Hinweise ausgegangen und hat damit - insoweit durchaus zugunsten der Kläger - als Immissionsort ein Wohngebiet zugrunde gelegt. Ferner hat der Gutachter bei der Ermittlung der mittleren Leuchtstärke den nach den LAI-Hinweisen vorgesehenen Faktor 2 für farbiges Licht berücksichtigt und für die Wechsellicht-Situation den höchst möglichen Faktor 5 eingestellt. Auch bei der Beurteilung der Blendung hat der Gutachter für die Ermittlung der mittleren Leuchtdichte mit dem Höchstfaktor 5 gerechnet. Diese Grundannahmen zeigen, dass der Gutachter für die Beurteilung der streitgegenständlichen Videowerbeanlage die Höchstanforderungen der LAI-Hinweise für Lichtimmissionen angelegt hat, seine Berechnungen daher „auf der sicheren Seite“ liegen.
46 
Hinsichtlich der Beschränkung der Leuchtdichte („Brightness“) auf 2 % in den Dunkelstunden hat der Gutachter in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30.09.2009 ausgeführt, die vom Tageslicht erzeugten Beleuchtungsstärken erreichten Werte bis zu 100.000 lx. Bei Tageslichtberechnungen gehe man meist von einer Beleuchtungsstärke von 5.000 lx aus. Vergleiche man dies mit den bei der Einstellung „Brightness“ = 2 % erzeugten ca. 0,15 lx, erkenne man, dass die Anlage selbst dann nur ca. 3/100.000 der natürlichen Beleuchtungsstärke bewirke. Diese nachvollziehbaren - auch von den Klägern nicht in Zweifel gezogenen - Ausführungen zeigen, dass die Videowerbeanlage hinsichtlich ihrer Lichtimmissionen während der Hellstunden des Tages keine unzumutbare Beeinträchtigung bewirkt, so dass die in der Baugenehmigung nur für die Dunkelstunden ausgesprochene Betriebsbeschränkung keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Im Übrigen stellt der Gutachter in seiner Erläuterung vom 23.03.2012 klar, dass die Lichtrichtlinie wie auch die ihr zugrunde liegende LITG-Publikation naturgemäß nur für die Dunkelstunden innerhalb der Zeitgrenzen von 6.00 bis 20.00 Uhr, 20.00 bis 22.00 Uhr und 22.00 bis 6.00 Uhr gelten und gelten können.
47 
Das Gutachten sowie die zu seiner Ergänzung und Erläuterung ergangenen Stellungnahmen geben dem Senat keinen Anlass, an seiner Tragfähigkeit zu zweifeln. Die gutachterlichen Äußerungen weisen weder grobe Mängel noch unlösbare Widersprüche auf noch gehen sie von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen aus. Ebenso wenig bestehen Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 19.02.2007 - 2 B 19.07 -, Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 49; Beschluss vom 22.12.2011 - 2 B 87.11 -, juris). Insoweit ist auch auf die Ausführungen der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg hinzuweisen. Diese teilte nach Übersendung des Gutachtens von Dr. ... durch das Regierungspräsidium Stuttgart am 22.01.2008 mit, dass dieses nicht zu beanstanden sei; die Beurteilung sei fachlich korrekt und nachvollziehbar durchgeführt. Auch die Kläger zeigen im Ergebnis keine Umstände auf, die die Unverwertbarkeit des Gutachtens und der weiteren Stellungnahmen begründen. Ferner stellen sie die Ergebnisse, zu denen der Gutachter gelangt ist, nicht schlüssig in Frage. Allein ihr Einwand, die Messungen seien entgegen Nr. 5.3.1.2 der LAI-Hinweise nicht in den Innenräumen vor dem Fenster vorgenommen wurden, vermag hieran nichts zu ändern. Denn in diesem Fall wäre, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, der Abstand zur Videoanlage noch größer und die Belästigung damit geringer.
48 
Die Vorgaben des Gutachters, die die Einhaltung der LAI-Anforderungen an zumutbare Lichtimmissionen gewährleisten, werden unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten erklärten Änderung und Neufassung der Nebenbestimmung in den Widerspruchsbescheiden des Regierungspräsidiums Stuttgart nunmehr durch die Baugenehmigung vollständig umgesetzt. Nach der neu gefassten Nebenbestimmung Nr. 2 darf in der Zeitspanne, die in Nr. 1 der neu gefassten Nebenbestimmung festgelegt ist, in Dunkelstunden die am Immissionsort (hier: ... xx und ...- ... xx) erzeugte vertikale Beleuchtungsstärke Ev = 0,3 lx nicht überschreiten. Gleichzeitig wird festgelegt, dass dies bei einer Einstellung der Anlage auf 2 % „Brightness“ gewährleistet ist. Damit wird insbesondere die Widersprüchlichkeit in Nr. 2 der Nebenbestimmung in der Fassung der Widerspruchsbescheide des Regierungspräsidium Stuttgart beseitigt, wonach einerseits die vertikale Beleuchtungsstärke 1 lx nicht überschritten werden durfte und andererseits die Leuchtdichte auf maximal 2 % des möglichen Höchstwertes festgelegt wurde. Der Einwand der Kläger, die Beschränkung der Einstellung der Leuchtdichte des Videoboards auf 2 % beziehe sich lediglich auf die momentan angebrachte Werbeanlage, greift nicht durch. Die Nebenbestimmung bestimmt in Nr. 1 und Nr. 2 Satz 1 zunächst allgemein und damit für alle weiteren Anlagen, dass der Betrieb des City-Boards (Videowerbeanlage) werktags maximal von 06.00 Uhr bis 20.00 Uhr und an Sonntagen, die nicht gesetzliche Feiertage sind, maximal von 09.00 Uhr bis 20.00 Uhr erfolgen und dass in dieser Zeitspanne in Dunkelstunden die am Immissionsort (hier ... xx und xx) erzeugte vertikale Beleuchtungsstärke Ev = 0,3 lx nicht überschritten werden darf. Erst Satz 2 der Nr. 2 bezieht sich auf die verwendete Anlage und konkretisiert, unter welchen Bedingungen diese die Anforderungen nach Satz 1 der Nr. 2 erfüllt. Maßgebend bleibt aber für alle „erdenklichen“ Anlagen die Bestimmung über die Einhaltung der vertikalen Beleuchtungsstärke von 0,3 lx.
49 
Des Weiteren wurde in Nr. 1 Satz 2 der neugefassten Nebenbestimmung festgelegt, dass das Videoboard an gesetzlichen Feiertagen nicht betrieben werden darf, so dass sich der Einwand der Kläger, die Widerspruchsbescheide beinhalteten eine unzulässige Schlechterstellung, insoweit erledigt hat. Im Übrigen überzeugt der Einwand der reformatio in peius schon deshalb nicht, weil die Widerspruchsbehörde die Nebenbestimmung zur Baugenehmigung hinsichtlich des Betriebs an Sonn- und Feiertagen ausschließlich konkretisiert hat, nämlich dahin, dass die zunächst nur die Sonntage betreffende Betriebseinschränkung auch für Feiertage gelte. Denn nach der von der Beklagten erteilten Baugenehmigung - auch in der Fassung der Nebenbestimmung vom 11.07.2007 - hätte die Videowerbeanlage feiertags unbeschränkt betrieben werden können. Ein Verzicht der Beigeladenen auf den Betrieb der Videowerbeanlage an Sonn- und Feiertagen vor der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist nicht ersichtlich.
50 
Bei Einhaltung der nunmehr in Nr. 2 der neugefassten Nebenbestimmung zur Baugenehmigung aufgeführten Bedingungen, die die Beigeladene nach Nr. 3 der in der mündlichen Verhandlung erklärten Nebenbestimmung überdies durch die Vorlage eines Prüfgutachtens nachzuweisen hat, kann von einer erheblichen Belästigung der von der Videowerbeanlage ausgehenden Lichtimmissionen, die die Grenze der Zumutbarkeit überschreiten, nicht ausgegangen werden. Eine andere Beurteilung ist auch nicht insoweit angezeigt, als die Kläger eine Beeinträchtigung auch während derjenigen Tagstunden befürchten, in denen die Helligkeit aufgrund bestimmter Witterungsverhältnisse eingeschränkt ist. In diesen begrenzten Zeiträumen ist es den Klägern im Rahmen des sozialadäquaten und ortsüblichen Eigenschutzes zumutbar, die Auswirkungen der Werbeanlage durch Vorhänge und Rollläden abzufangen. Eine ständige Verdunklung der Räume ist damit nicht verbunden.
51 
II. Das Vorhaben der Beigeladenen verstößt schließlich auch nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts.
52 
1. Soweit die Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals auf die unzureichenden Bauvorlagen hingewiesen haben, führt dies nicht zum Erfolg ihrer Berufung. Das Verwaltungsgericht hat unter Bezug auf die maßgebende Rechtsprechung insbesondere auch des erkennenden Senats mit zutreffenden Erwägungen ausgeführt, ein mit Blick auf Nachbarschutz rechtlich durchgreifender Verstoß gegen die Vorschriften über die Anforderungen an die Bauvorlagen und den Bauantrag in § 53 LBO liege nicht vor. Trotz gewisser Mängel ergebe sich aus der Baugenehmigung mit der erforderlichen Bestimmtheit, welches Bauvorhaben konkret zur Genehmigung gestanden habe. Insoweit verweist der Senat auf die überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts (§ 117 Abs. 5 VwGO).
53 
2. Das Verwaltungsgericht hat ferner zu Recht entschieden, dass sich die Kläger nicht auf einen Verstoß gegen die Gestaltungsvorschriften des § 11 LBO berufen können, weil diese ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit erlassen und daher nicht dazu bestimmt seien, auch den Individualinteressen (insbesondere der Nachbarn) zu dienen. Sie seien demzufolge nicht nachbarschützend. Diese zutreffenden Erwägungen bedürfen seitens des Senats keiner weiteren Vertiefung.
54 
Die Berufung war nach all dem zurückzuweisen.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 2 VwGO. Es entsprach der Billigkeit (§ 162 Abs. 3 VwGO), den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen. Denn diese hat einen Antrag gestellt und damit ein Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO übernommen (so die nunmehr einheitliche Rechtsprechung aller Bausenate des beschließenden Gerichtshofs, vgl. zuletzt Beschluss vom 10.01.2011 - 8 S 2667/10 -, DVBl. 2011, 315 [Ls.]).
56 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
57 
Beschluss vom 27. März 2012
58 
Der Streitwert für das Verfahren auf 15.000,-- EUR festgesetzt (§ 39 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit [Streitwertkatalog 2004, NVwZ 2004, 1327]).
59 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
28 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet.
29 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
30 
Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 18.07.2006 in der Fassung vom 11.07.2007 verletzt unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten erklärten Änderung und Neufassung der Nebenbestimmung in den Widerspruchsbescheiden des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 26.03.2008 die Kläger weder in bauplanungsrechtlicher (I.) noch in bauordnungsrechtlicher (II.) Hinsicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
31 
I. Das Vorhaben der Beigeladenen verstößt nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.
32 
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich vorliegend grundsätzlich nach § 34 Abs. 1 BauGB. Denn das Vorhabengrundstück Flst.-Nr. ... liegt innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Gebiets, für das außer eines sich auf die Festsetzung von Baulinien beschränkenden Stadtbauplans aus dem Jahr 1885 kein Bebauungsplan existiert.
33 
1. Den Klägern steht kein - auch für ein faktisches Baugebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB grundsätzlich geltender - Anspruch auf Bewahrung der Gebietsart zu. Zwar kommt der Art eines Baugebiets, das nach § 34 Abs. 2 BauGB aufgrund der näheren Umgebung tatsächlich in jeder Hinsicht einem der in der BauNVO bezeichneten Baugebiete entspricht, ebenso wie der Festsetzung eines Baugebiets durch Bebauungsplan, grundsätzlich nachbarschützende Wirkung zu und der Eigentümer eines im Baugebiet gelegenen Grundstücks hat als Nachbar einen - von tatsächlichen Beeinträchtigungen unabhängigen - Schutzanspruch auf Bewahrung der Gebietsart (sog. Gebietserhaltungsanspruch, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 22.12.2011 - 4 B 32.11 -, BBB 2012, Nr. 4, 60). Der Abwehranspruch des Nachbarn wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsart unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch das nachbarliche Austauschverhältnis gestört und eine Verfremdung des Gebiets eingeleitet wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.02.2008 - 4 B 60.07 -, NVwZ 2008, 786; Urteil vom 21.03.2002 - 4 C 1.02 -, BVerwGE 116, 155 = NVwZ 2002, 1118; Beschluss vom 13.05.2002 - 4 B 86.01 -, NVwZ 2002, 1384; Urteil vom 16.09.1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151). Vorliegend entspricht die Eigenart der näheren Umgebung indessen keinem der in der Baunutzungsverordnung bezeichneten Baugebiete, sondern stellt eine Gemengelage dar, in dem der Gebietserhaltungsanspruch keine Anwendung findet. Insbesondere scheidet eine Einstufung als faktisches allgemeines Wohngebiet aus.
34 
Nach ständiger Rechtsprechung reicht die nähere Umgebung im Sinn dieser Vorschrift so weit, wie sich - erstens - die Ausführung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens auswirken kann und - zweitens - wie die Umgebung ihrerseits die bodenrechtliche Situation des Baugrundstücks prägt (BVerwG, Urteil vom 18.10.1974 - 4 C 77.73 -, NJW 1975, 460; Urteil vom 26.5.1978 - 4 C 9.77 -, BVerwGE 55, 369; Urteil vom 11.2.1993 - 4 C 15.92 -, NVwZ 1994, 285). Sie ist daher nicht auf die in der unmittelbaren Nachbarschaft vorhandene Bebauung beschränkt, sondern bezieht auch die Bebauung in der weiteren Umgebung des Baugrundstücks ein, soweit diese noch prägend auf das Grundstück einwirkt (BVerwG, Urteil vom 19.9.1986 - 4 C 15.84 -, BVerwGE 75, 34).
35 
Gemessen daran umfasst nach den in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigten Feststellungen des Verwaltungsgerichts Stuttgart in dem Erörterungstermin im Verfahren 2 K 1583/08 am 09.03.2009 die nähere Umgebung des Baugrundstücks außer der ganz überwiegend aus Wohnhäusern bestehenden Bebauung entlang der ... und dem auf dem Baugrundstück selbst vorhandenen Wohnhaus auch das nach Osten an das Baugrundstück grenzende, mit einem Geschäftshaus bebaute Grundstück ... Str. x sowie die nördlich der ... Straße gelegenen, größtenteils ebenfalls gewerblich genutzten Grundstücke. Hierzu zählen eine Filiale des Unternehmens ..., sowie (westlich davon) u.a. eine Videothek und ein Tiernahrungshandel. Weiter westlich, im Gebäude an der Ecke zur Bahnhofsstraße, findet sich eine Bankfiliale. Soweit diese östlich und nördlich des Baugrundstücks vorhandenen gewerbliche Nutzungen in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 Abs. 2 und 3 BauNVO überhaupt noch zulässig wären, stellen sie jedenfalls in diesem Bereich nach Anzahl, Umfang und Gewicht keine Ausnahme mehr dar, sondern prägen die Umgebung, so dass sich eine Einstufung als allgemeines Wohngebiet verbietet. Hinzu kommt, dass der ... als großflächiger Einzelhandelsbetrieb das Wohnen wesentlich stört, wegen seiner Größe und Auswirkungen wohl nur in einem Kern- oder Sondergebiet zulässig wäre, und aufgrund der vorwiegend gewerblichen Nutzung in diesem Bereich auch nicht als „Ausreißer" angesehen werden kann. Aufgrund der uneinheitlichen Art der Bebauung kann dieser Bereich demnach weder als allgemeines Wohngebiet noch als Mischgebiet qualifiziert werden.
36 
Nach dem damit anzuwendenden § 34 Abs. 1 BauGB hängt die Zulässigkeit des Vorhabens der Beigeladenen - objektiv-rechtlich - davon ab, ob es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Ob das Vorhaben der Beigeladenen diese Voraussetzung in jeder Hinsicht erfüllt (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 16.06.2009 - 4 B 50.08 -, BauR 2009, 1564), kann im Rahmen des vorliegenden Verfahrens dahinstehen, weil § 34 Abs. 1 BauGB nur insoweit nachbarschützende Wirkung hat, als das in dieser Vorschrift im Tatbestandsmerkmal des „Sich-Einfügens" verankerte Rücksichtnahmegebot in seiner drittschützenden Ausprägung verletzt ist (st. Rspr. vgl. BVerwG, Urteil v. 25.02.1977 - IV C 22.75 -, BVerwGE 52, 122; Urteil v. 13.03.1981 - 4 C 1.78 -, DVBI 1981, 928; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.03.2012 - 3 S 223/12 -, juris).
37 
Nach welchen Maßstäben eine derartige Rücksichtslosigkeit anzunehmen ist, beurteilt sich, sofern Immissionen als Beeinträchtigungen in Rede stehen, nach den Regelungen des Immissionsschutzrechts. Eine Anlage, deren Immissionen sich in den Grenzen des der Nachbarschaft gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bzw. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG Zumutbaren halten, erweist sich auch in bauplanungsrechtlicher Hinsicht als nicht rücksichtslos. Es gibt kein bauplanungsrechtliches Rücksichtnahmegebot, das etwa dem Verursacher von Umwelteinwirkungen mehr an Rücksichtnahme zugunsten der Nachbarn abverlangt, als es das BImSchG gebietet. Dieses Gesetz hat vielmehr die Grenze der Zumutbarkeit für Umwelteinwirkungen für Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme auch für das Baurecht allgemein bestimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.09.1983 - 4 C 74.78 -, BRS 40 Nr. 206; Urteil vom 27.08.1998 - 4 C 5.98 -, BRS 60 Nr. 83, Urteil vom 23.09.1999 - 4 C 6.98 -, BRS 62 Nr. 86).
38 
Nach § 22 Abs. 1 BImSchG sind - nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz - nicht genehmigungsbedürftige Anlagen (vgl. § 3 Abs. 5 BImSchG) u.a. so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche, nach dem Stand der Technik vermeidbare Umwelteinwirkungen verhindert oder nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Nach § 3 Abs. 1 BImSchG sind schädliche Umwelteinwirkungen Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Zu den Immissionen zählt nach § 3 Abs. 2 BImSchG u.a. auch auf Menschen einwirkendes Licht. Rechtsverbindliche Vorschriften zur Bestimmung der immissionsschutzrechtlichen Erheblichkeitsgrenzen für Lichtimmissionen fehlen bisher. Die Beurteilung, wann Lichteinwirkungen zu erheblichen Belästigungen für die Nachbarschaft führen, kann nicht anhand allgemein gültiger Grenzwerte und Bewertungsmethoden vorgenommen werden, da solche weder durch Gesetz noch durch Rechtsverordnung bindend geregelt sind.
39 
Die vom Länderausschuss für Immissionsschutz am 10.05.2000 beschlossenen Hinweise zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen (im Folgenden: LAI-Hinweise) haben keine normative Wirkung und können folglich keine Allgemeinverbindlichkeit für sich beanspruchen (OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 21.12.2006 - 7 B 2193/06 -, BauR 2007, 861; Urteil vom 15.03.2007 - 10 A 998/06 -, DVBl. 2008, 791; Beschluss vom 27.02.2009 - 7 B 1647/08 -, NVwZ-RR 2009, 716).
40 
Die Zumutbarkeit von Lichtimmissionen beurteilt sich daher grundsätzlich nach den Grundsätzen, die die Rechtsprechung zum Gebot der Rücksichtnahme entwickelt hat. Abzustellen ist auf den Grad der tatsächlichen und rechtlichen Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Innen- und Außenwohnbereiche des Nachbarn. Das Maß der Schutzbedürftigkeit in tatsächlicher Hinsicht kann im Einzelfall davon abhängen, ob und inwieweit der Nachbar ohne größeren Aufwand im Rahmen des Ortsüblichen und Sozialadäquaten zumutbare Abschirmmaßnahmen ergreifen kann (zumutbarer Eigenschutz). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Eigenschutz gegen Lichtimmissionen, anders als der Schutz gegen Lärm oder Gerüche, ohne Einbußen für die Wohnqualität häufig durch herkömmliche Maßnahmen wie Vorhänge oder Jalousien innerhalb der Gebäude oder durch Hecken oder Rankgerüste in den Außenwohnbereichen bewerkstelligt werden kann. Dies gilt auch deswegen, weil Lichtimmissionen oft gleichsam zwangsläufige Folge typischer Wohnformen sind und von daher auch akzeptiert werden (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss v. 17.03.1999 - 4 B 14.99 -, BauR 1999, 1279). Andererseits ist die Intensität der Blendwirkung und ist das Gewicht der dem Nachbarn durch die Schutzmaßnahmen abverlangten Nutzungseinschränkungen seines Wohngrundstücks - im Innen- wie im Außenwohnbereich - in Rechnung zu stellen. Schließlich ist im Rahmen der rechtlichen Schutzwürdigkeit der Beteiligten darauf abzustellen, ob die die Blendwirkung auslösenden baulichen Maßnahmen vom materiellen Baurecht gedeckt sind oder nicht. Ob und in welchem Umfang innerhalb dieses Rahmens Abschirmmaßnahmen möglich und im Verhältnis zwischen Grundstücksnachbarn zumutbar sind, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls (vgl. zu alledem VGH Bad.-Württ., Urteil v. 19.07.2007 - 3 S 1654/06 -, VBIBW 2008, 184). Bei Beurteilung dieser Zumutbarkeit scheidet, wie dargelegt, eine Bindung an die LAI-Hinweise mangels Allgemeinverbindlichkeit aus. Mithin dürfen die in ihnen vorgeschlagenen Mess- und Rechenverfahren, Richtwerte sowie Zu- und Abschläge nicht ungeprüft zugrunde gelegt werden. Gleichwohl ist der Senat nicht gehindert, die LAI-Hinweise als sachverständige Beurteilungshilfe und als Bewertungsmaßstab in seine Erwägungen einzubeziehen (so auch OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 21.12.2006 - 7 B 2193/06 -, BauR 2007, 861; Urteil vom 15.03.2007 - 10 A 998/06 -, DVBl. 2008, 791; Beschluss vom 27.02.2009 - 7 B 1647/08 -, NVwZ-RR 2009, 716).
41 
Die LAI-Hinweise gehen von dem nachvollziehbaren und den Senat überzeugenden Ansatz aus, dass zu den maßgeblichen Kriterien für die Beurteilung der durch Lichtimmissionen verursachten Belästigungen zum einen die Raumaufhellung und zum anderen die als psychologische Blendung bezeichnete Störempfindung gehören. Eine Raumaufhellung ist dann anzunehmen, wenn die Immission des Lichts zu einer signifikant erhöhten Helligkeit des Raumes mit der Folge führt, dass die Nutzung eines Wohnbereichs (etwa Schlafzimmer oder Wohnzimmer) eingeschränkt ist. Eine (psychologische) Blendung wird hingegen angenommen, wenn durch eine Lichtquelle in der Nachbarschaft zwar aufgrund der Entfernung oder Eigenart der Lichtquelle keine oder keine übermäßige Aufhellung erzeugt wird, eine Belästigung aber aus psychologischen Gründen vorliegt. Eine solche Belästigung entsteht durch die ungewollte Ablenkung der Blickrichtung zur Lichtquelle hin, die eine ständige Umadaptation des Auges auslösen kann (vgl. hierzu Nr. 3 Buchst. a und b LAI-Hinweise).
42 
Für die Zumutbarkeit der Raumaufhellung - beschrieben durch die mittlere Beleuchtungsstärke - sehen die LAI-Hinweise für Immissionsorte in reinen, allgemeinen, besonderen Wohngebieten, Kleinsiedlungsgebieten und Erholungsgebieten (Nr. 2 der Tabelle 1) als Richtwert für den Zeitraum von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr 3 lx und für den Zeitraum von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr 1 lx vor. Für Beleuchtungsanlagen mit veränderbaren Betriebszuständen ist der Beleuchtungszustand mit der maximalen Beleuchtungsstärke zu bewerten. In besonders auffälligen Wechsellichtsituationen (z.B. große Schwankungen der Beleuchtungsstärke), die lästiger als zeitig konstantes Licht empfunden werden, sind bei der Beurteilung der Raumaufhellung die Maximalwerte je nach Auffälligkeit mit einem Faktor 2 bis 5 zu multiplizieren und mit den Immissionsrichtwerten der Tabelle 1 zu vergleichen (Nr. 4.1 der LAI-Hinweise). Strahlt die Beleuchtungsanlage intensiv farbiges Licht aus, so ist bei besonderer Auffälligkeit der Messwert mit einem Faktor 2 zu multiplizieren und mit den Immissionsrichtwerten der Tabelle 1 zu vergleichen.
43 
Für die psychologische Blendung ist die mittlere Leuchtdichte der Blendlichtquelle (Ls) , die Umgebungsleuchtdichte (Lu) und der Raumwinkel (Ωs) maßgebend (vgl. LAI-Hinweise Nr. 5.1). Zur Berechnung der Werte für die maximal tolerable mittlere Leuchtdichte (Lmax) werden die Umgebungsleuchtdichte und der Raumwinkel zu einander in Beziehung gesetzt und mit dem in Tabelle 2 für einen bestimmten Immssionsort festgelegten Proportionalitätsfaktor k multipliziert (vgl. Nr. 5.1 der LAI-Hinweise). Die mittlere Leuchtdichte der zu beurteilenden Blendquelle (zu deren Berechnung - gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Wechsellichtsituationen - vgl. Nrn. 5.1 und 5.3.1 der LAI-Hinweise) soll den nach dem zuvor beschriebenen Berechnungsmodus ermittelten Wert für die maximal tolerable mittlere Leuchtdichte nicht überschreiten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Leuchtdichte eine Eigenschaft einer flächigen Lichtquelle ist, die an einem entfernten Ort eine bestimmte Beleuchtungsstärke erzeugt; die Größen sind direkt proportional.
44 
Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben erweist sich die streitgegenständliche Videowerbeanlage gegenüber den Klägern nicht als rücksichtslos.
45 
Das von der Beigeladenen eingeholte und auf der Grundlage der LAI-Hinweise erstellte Gutachten des Sachverständigen für Lichttechnik Dr. Ing. ... ... vom 19.02.2007 sowie die von ihm im Weiteren abgegebenen ergänzenden Stellungnahmen und Erläuterungen vom 10.03.2007, 30.09.2009, 26.01.2001 und 23.03.2012 kommen zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die Videowerbeanlage bei einer Einstellung des Betriebsgeräts des Videoboards während der Dunkelstunden auf eine Leuchtdichte („Brightness“) von 2 % die in den LAI-Hinweisen aufgeführten Immissionsrichtwerte einhält. Denn bei dieser Einstellung werde der nach den LAI-Hinweisen im vorliegenden Fall geltende Höchstwert der mittleren Beleuchtungsstärke von Ev = 0,3 lx in jedem Fall eingehalten. Die von dem Videoboard herrührenden Lichtimmissionen würden unter diesen Betriebsbedingungen auch mit Blick auf die maßgebende maximal tolerable Leuchtdichte der Blendlichtquelle alle Anforderungen der LAI-Hinweise erfüllen und demzufolge als zumutbar angesehen. Dies gelte auch für das Haus ... xx. Zwar fehle es insoweit an Messungen. Nach den Berechnungsergebnissen, die auf der Grundlage der für die Anwesen ... xx, xx und xx stattgefundenen Messungen beruhten, würden die Grenzwerte der Lichtrichtlinie bei einer „Brightness“-Einstellung des Videoboards auf 2 % auch für das Haus ... xx weder erreicht noch gar überschritten (vgl. die überzeugende Stellungnahme vom 30.09.2009). Für die Beurteilung der Raumaufhellung und der Berechnung der mittleren Beleuchtungsstärke ist der Gutachter hinsichtlich der Anwesen der Kläger von Nr. 2 der Tabelle 1 der LAI-Hinweise ausgegangen und hat damit - insoweit durchaus zugunsten der Kläger - als Immissionsort ein Wohngebiet zugrunde gelegt. Ferner hat der Gutachter bei der Ermittlung der mittleren Leuchtstärke den nach den LAI-Hinweisen vorgesehenen Faktor 2 für farbiges Licht berücksichtigt und für die Wechsellicht-Situation den höchst möglichen Faktor 5 eingestellt. Auch bei der Beurteilung der Blendung hat der Gutachter für die Ermittlung der mittleren Leuchtdichte mit dem Höchstfaktor 5 gerechnet. Diese Grundannahmen zeigen, dass der Gutachter für die Beurteilung der streitgegenständlichen Videowerbeanlage die Höchstanforderungen der LAI-Hinweise für Lichtimmissionen angelegt hat, seine Berechnungen daher „auf der sicheren Seite“ liegen.
46 
Hinsichtlich der Beschränkung der Leuchtdichte („Brightness“) auf 2 % in den Dunkelstunden hat der Gutachter in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30.09.2009 ausgeführt, die vom Tageslicht erzeugten Beleuchtungsstärken erreichten Werte bis zu 100.000 lx. Bei Tageslichtberechnungen gehe man meist von einer Beleuchtungsstärke von 5.000 lx aus. Vergleiche man dies mit den bei der Einstellung „Brightness“ = 2 % erzeugten ca. 0,15 lx, erkenne man, dass die Anlage selbst dann nur ca. 3/100.000 der natürlichen Beleuchtungsstärke bewirke. Diese nachvollziehbaren - auch von den Klägern nicht in Zweifel gezogenen - Ausführungen zeigen, dass die Videowerbeanlage hinsichtlich ihrer Lichtimmissionen während der Hellstunden des Tages keine unzumutbare Beeinträchtigung bewirkt, so dass die in der Baugenehmigung nur für die Dunkelstunden ausgesprochene Betriebsbeschränkung keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Im Übrigen stellt der Gutachter in seiner Erläuterung vom 23.03.2012 klar, dass die Lichtrichtlinie wie auch die ihr zugrunde liegende LITG-Publikation naturgemäß nur für die Dunkelstunden innerhalb der Zeitgrenzen von 6.00 bis 20.00 Uhr, 20.00 bis 22.00 Uhr und 22.00 bis 6.00 Uhr gelten und gelten können.
47 
Das Gutachten sowie die zu seiner Ergänzung und Erläuterung ergangenen Stellungnahmen geben dem Senat keinen Anlass, an seiner Tragfähigkeit zu zweifeln. Die gutachterlichen Äußerungen weisen weder grobe Mängel noch unlösbare Widersprüche auf noch gehen sie von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen aus. Ebenso wenig bestehen Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 19.02.2007 - 2 B 19.07 -, Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 49; Beschluss vom 22.12.2011 - 2 B 87.11 -, juris). Insoweit ist auch auf die Ausführungen der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg hinzuweisen. Diese teilte nach Übersendung des Gutachtens von Dr. ... durch das Regierungspräsidium Stuttgart am 22.01.2008 mit, dass dieses nicht zu beanstanden sei; die Beurteilung sei fachlich korrekt und nachvollziehbar durchgeführt. Auch die Kläger zeigen im Ergebnis keine Umstände auf, die die Unverwertbarkeit des Gutachtens und der weiteren Stellungnahmen begründen. Ferner stellen sie die Ergebnisse, zu denen der Gutachter gelangt ist, nicht schlüssig in Frage. Allein ihr Einwand, die Messungen seien entgegen Nr. 5.3.1.2 der LAI-Hinweise nicht in den Innenräumen vor dem Fenster vorgenommen wurden, vermag hieran nichts zu ändern. Denn in diesem Fall wäre, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, der Abstand zur Videoanlage noch größer und die Belästigung damit geringer.
48 
Die Vorgaben des Gutachters, die die Einhaltung der LAI-Anforderungen an zumutbare Lichtimmissionen gewährleisten, werden unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten erklärten Änderung und Neufassung der Nebenbestimmung in den Widerspruchsbescheiden des Regierungspräsidiums Stuttgart nunmehr durch die Baugenehmigung vollständig umgesetzt. Nach der neu gefassten Nebenbestimmung Nr. 2 darf in der Zeitspanne, die in Nr. 1 der neu gefassten Nebenbestimmung festgelegt ist, in Dunkelstunden die am Immissionsort (hier: ... xx und ...- ... xx) erzeugte vertikale Beleuchtungsstärke Ev = 0,3 lx nicht überschreiten. Gleichzeitig wird festgelegt, dass dies bei einer Einstellung der Anlage auf 2 % „Brightness“ gewährleistet ist. Damit wird insbesondere die Widersprüchlichkeit in Nr. 2 der Nebenbestimmung in der Fassung der Widerspruchsbescheide des Regierungspräsidium Stuttgart beseitigt, wonach einerseits die vertikale Beleuchtungsstärke 1 lx nicht überschritten werden durfte und andererseits die Leuchtdichte auf maximal 2 % des möglichen Höchstwertes festgelegt wurde. Der Einwand der Kläger, die Beschränkung der Einstellung der Leuchtdichte des Videoboards auf 2 % beziehe sich lediglich auf die momentan angebrachte Werbeanlage, greift nicht durch. Die Nebenbestimmung bestimmt in Nr. 1 und Nr. 2 Satz 1 zunächst allgemein und damit für alle weiteren Anlagen, dass der Betrieb des City-Boards (Videowerbeanlage) werktags maximal von 06.00 Uhr bis 20.00 Uhr und an Sonntagen, die nicht gesetzliche Feiertage sind, maximal von 09.00 Uhr bis 20.00 Uhr erfolgen und dass in dieser Zeitspanne in Dunkelstunden die am Immissionsort (hier ... xx und xx) erzeugte vertikale Beleuchtungsstärke Ev = 0,3 lx nicht überschritten werden darf. Erst Satz 2 der Nr. 2 bezieht sich auf die verwendete Anlage und konkretisiert, unter welchen Bedingungen diese die Anforderungen nach Satz 1 der Nr. 2 erfüllt. Maßgebend bleibt aber für alle „erdenklichen“ Anlagen die Bestimmung über die Einhaltung der vertikalen Beleuchtungsstärke von 0,3 lx.
49 
Des Weiteren wurde in Nr. 1 Satz 2 der neugefassten Nebenbestimmung festgelegt, dass das Videoboard an gesetzlichen Feiertagen nicht betrieben werden darf, so dass sich der Einwand der Kläger, die Widerspruchsbescheide beinhalteten eine unzulässige Schlechterstellung, insoweit erledigt hat. Im Übrigen überzeugt der Einwand der reformatio in peius schon deshalb nicht, weil die Widerspruchsbehörde die Nebenbestimmung zur Baugenehmigung hinsichtlich des Betriebs an Sonn- und Feiertagen ausschließlich konkretisiert hat, nämlich dahin, dass die zunächst nur die Sonntage betreffende Betriebseinschränkung auch für Feiertage gelte. Denn nach der von der Beklagten erteilten Baugenehmigung - auch in der Fassung der Nebenbestimmung vom 11.07.2007 - hätte die Videowerbeanlage feiertags unbeschränkt betrieben werden können. Ein Verzicht der Beigeladenen auf den Betrieb der Videowerbeanlage an Sonn- und Feiertagen vor der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist nicht ersichtlich.
50 
Bei Einhaltung der nunmehr in Nr. 2 der neugefassten Nebenbestimmung zur Baugenehmigung aufgeführten Bedingungen, die die Beigeladene nach Nr. 3 der in der mündlichen Verhandlung erklärten Nebenbestimmung überdies durch die Vorlage eines Prüfgutachtens nachzuweisen hat, kann von einer erheblichen Belästigung der von der Videowerbeanlage ausgehenden Lichtimmissionen, die die Grenze der Zumutbarkeit überschreiten, nicht ausgegangen werden. Eine andere Beurteilung ist auch nicht insoweit angezeigt, als die Kläger eine Beeinträchtigung auch während derjenigen Tagstunden befürchten, in denen die Helligkeit aufgrund bestimmter Witterungsverhältnisse eingeschränkt ist. In diesen begrenzten Zeiträumen ist es den Klägern im Rahmen des sozialadäquaten und ortsüblichen Eigenschutzes zumutbar, die Auswirkungen der Werbeanlage durch Vorhänge und Rollläden abzufangen. Eine ständige Verdunklung der Räume ist damit nicht verbunden.
51 
II. Das Vorhaben der Beigeladenen verstößt schließlich auch nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts.
52 
1. Soweit die Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals auf die unzureichenden Bauvorlagen hingewiesen haben, führt dies nicht zum Erfolg ihrer Berufung. Das Verwaltungsgericht hat unter Bezug auf die maßgebende Rechtsprechung insbesondere auch des erkennenden Senats mit zutreffenden Erwägungen ausgeführt, ein mit Blick auf Nachbarschutz rechtlich durchgreifender Verstoß gegen die Vorschriften über die Anforderungen an die Bauvorlagen und den Bauantrag in § 53 LBO liege nicht vor. Trotz gewisser Mängel ergebe sich aus der Baugenehmigung mit der erforderlichen Bestimmtheit, welches Bauvorhaben konkret zur Genehmigung gestanden habe. Insoweit verweist der Senat auf die überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts (§ 117 Abs. 5 VwGO).
53 
2. Das Verwaltungsgericht hat ferner zu Recht entschieden, dass sich die Kläger nicht auf einen Verstoß gegen die Gestaltungsvorschriften des § 11 LBO berufen können, weil diese ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit erlassen und daher nicht dazu bestimmt seien, auch den Individualinteressen (insbesondere der Nachbarn) zu dienen. Sie seien demzufolge nicht nachbarschützend. Diese zutreffenden Erwägungen bedürfen seitens des Senats keiner weiteren Vertiefung.
54 
Die Berufung war nach all dem zurückzuweisen.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 2 VwGO. Es entsprach der Billigkeit (§ 162 Abs. 3 VwGO), den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen. Denn diese hat einen Antrag gestellt und damit ein Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO übernommen (so die nunmehr einheitliche Rechtsprechung aller Bausenate des beschließenden Gerichtshofs, vgl. zuletzt Beschluss vom 10.01.2011 - 8 S 2667/10 -, DVBl. 2011, 315 [Ls.]).
56 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
57 
Beschluss vom 27. März 2012
58 
Der Streitwert für das Verfahren auf 15.000,-- EUR festgesetzt (§ 39 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit [Streitwertkatalog 2004, NVwZ 2004, 1327]).
59 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, können Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden. § 139 Abs. 5, §§ 156, 283 bleiben unberührt.

(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.

(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn

1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt,
2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder
3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 56/12 Verkündet am:
8. Februar 2013
Mayer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Grundstückseigentümer ist nach den Grundsätzen über das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis
auch zu einem positiven Tun - hier: Mitbeheizen der benachbarten
Doppelhaushälfte - nur verpflichtet, wenn dies für einen billigen Interessenausgleich
zwingend geboten ist (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung, vgl.
Senat, Urteil vom 29. Juni 2012 - V ZR 97/11, NJW-RR 2012, 1160).
BGH, Urteil vom 8. Februar 2013 - V ZR 56/12 - OLG Celle
LG Lüneburg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Februar 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richter
Dr. Lemke, Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth und die Richterin
Dr. Brückner

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 14. September 2011 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 1. März 2011 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Beklagte errichtete auf seinem Grundstück ein Doppelhaus, das nur über eine Heizungsanlage verfügt, die in der einen Doppelhaushälfte untergebracht ist und die andere mit Heizwärme und Warmwasser mitversorgt. Die mit der mitversorgten Doppelhaushälfte bebaute Teilfläche verkaufte er 1995 an ein Ehepaar. Der Kaufvertrag enthielt einen Hinweis auf das Fehlen einer eigenen Heizungsanlage und die Vereinbarung, dass der Beklagte die verkaufte Doppelhaushälfte gegen Erstattung der Verbrauchskosten und der Hälfte der Kosten für Instandhaltung, Wartung und Erneuerung mit Heizwärme und Warmwasser versorgt und für die Funktionsfähigkeit der Heizung Sorge trägt. Diese Vereinbarung sollte auch den Rechtsnachfolger des Verkäufers binden. 2001 verkauften die Erwerber ihre Doppelhaushälfte an den Kläger. Dieser Kaufvertrag enthält zu der Beheizung keine Regelung. Der Beklagte versorgte die Hälfte des Klägers zunächst weiter mit Heizwärme und Warmwasser. Mit Schreiben vom 8. Februar 2010 kündigte er die Vereinbarung und teilte mit, die Kappung der Leitungen solle im Zusammenhang mit einer Veränderung der Heizungsanlage erfolgen und werde rechtzeitig vorher angekündigt.
2
Der Kläger verlangt von dem Beklagten in erster Linie, seine Doppelhaushälfte gegen Abrechnung der anteiligen Kosten weiterhin mit Heizwärme und Warmwasser mitzuversorgen, hilfsweise, ihm Zutritt zu dem Heizungsraum in dessen Doppelhaushälfte zu gewähren, damit er die witterungsbedingte Beheizung von dort selbst sicherstellen könne. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat den Beklagten nach dem Hauptantrag verurteilt. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision möchte der Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts erreichen. Der Kläger beantragt , das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht leitet die Verpflichtung des Beklagten, den Kläger weiterhin mit Heizwärme zu versorgen, aus den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses ab. Die Beheizbarkeit und die Warmwasserversorgung eines Haushalts seien grundlegende und existenznotwendige Versorgungsgüter. Sie ließen sich zwar baulich auch auf anderem Wege erreichen. Hier aber sei die gemeinsame Versorgung von Anfang an so vorgesehen und sowohl bei den Ersterwerbern während ihrer gesamten Besitzzeit als auch in den ersten sechs Jahren bei dem Kläger so gehandhabt worden. Aus der hieraus entstandenen gesetzlichen Sonderrechtsbeziehung könne sich der Beklagte allenfalls dann einseitig lösen, wenn dafür so gewichtige Gründe vorlägen, dass der dem Kläger zu gewährende Bestandsschutz zurückzustehen habe. Daran fehle es.

II.

4
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Der Kläger kann von dem Beklagten weder die mit dem Hauptantrag angestrebte (dauernde ) Versorgung seiner Doppelhaushälfte mit Heizwärme und Warmwasser noch die mit dem Hilfsantrag geltend gemachte (dauernde) Duldung der Selbstbeheizung seiner Doppelhaushälfte unter Verwendung der Heizungsanlage und der Vorräte des Beklagten verlangen.
5
1. Die mit dem Hauptantrag geltend gemachte Versorgungsverpflichtung des Beklagten lässt sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ableiten.
6
a) Nach der Rechtsprechung des Senats begründet der Gedanke von Treu und Glauben im Rahmen eines nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses in der Regel keine selbständigen Ansprüche, sondern wirkt sich hauptsächlich als bloße Schranke der Rechtsausübung aus (etwa Senat, Urteile vom 21. Oktober 1983 - V ZR 166/82, BGHZ 88, 344, 351 und vom 7. Juli 1995 - V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2634 f.). Diese Schranke kann den Grundstückseigentümer zwingen, eine bestimmte eigene Nutzung seines Grundstücks zu unterlassen oder eine bestimmte Nutzung seines Grundstücks durch den Nach- barn zu dulden. Die Pflicht zur Rücksichtnahme muss sich zwar darauf nicht beschränken; sie kann den Grundstückseigentümer im Einzelfall auch zu positivem Handeln verpflichten (Senat, Urteile vom 29. April 1977 - V ZR 71/75, BGHZ 68, 350, 354 und vom 22. Februar 1991 - V ZR 308/89, BGHZ 113, 384, 389). Solche Ansprüche gegen den Grundstückseigentümer ergeben sich aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis aber in jedem Fall nur, wenndies - über die gesetzlichen Regelungen hinausgehend - für einen billigen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zwingend geboten erscheint (etwa Senat, Urteile vom 16. Februar 2001 - V ZR 422/99, NJW-RR 2001, 1208, 1209, vom 31. Januar 2003 - V ZR 143/02, NJW 2003, 1392 und vom 29. Juni 2012 - V ZR 97/11, NJW-RR 2012, 1160, 1162 Rn. 20; vgl. auch BVerfG, BVerfGK 11, 420,

433).

7
b) Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben.
8
aa) Ob sie im Einzelfall vorliegt, ist eine Frage tatrichterlicher Würdigung, die im Revisionsverfahren nur eingeschränkt überprüfbar ist. Die Würdigung des Berufungsgerichts ist in diesem Rahmen aber zu beanstanden, weil es lediglich allgemeine Billigkeitserwägungen angestellt und den anzulegenden Prüfungsmaßstab verkannt hat. Die erforderliche Würdigung kann der Senat selbst nachholen, weil der Sachverhalt feststeht und weitere Erkenntnisse nicht zu erwarten sind.
9
bb) Danach fehlt es an zwingenden Gründen, die es geböten, den Beklagten auf unbestimmte Dauer zu verpflichten, die Doppelhaushälfte des Klägers mitzubeheizen.
10
(1) Es fehlt schon an einem schützenswerten Vertrauen des Klägers auf den unbefristeten Fortbestand der Versorgung. Seine Doppelhaushälfte ist zwar ohne eigene Heizungsanlage errichtet worden. Die Rechtsvorgänger des Klä- gers und dieser selbst haben die Doppelhaushälfte aber in Kenntnis dieses Umstands erworben. Beide haben es auch nicht für erforderlich gehalten, den Anschluss der Heizung und Warmwasserversorgung ihrer Doppelhaushälfte an die Heizungsanlage des Beklagten dinglich zu sichern. Die Rechtsvorgänger des Klägers haben sich mit einer schuldrechtlichen Regelung begnügt, die nur eine Rechtsnachfolge auf Seiten des Beklagten, nicht aber eine Rechtsnachfolge auf ihrer Seite regelt und keinerlei Bestimmungen über eine mögliche Kündigung enthält. Sie haben damit in Kauf genommen, dass diese Form der Versorgung enden könnte und sie gezwungen sein könnten, ihre Doppelhaushälfte mit einer eigenen Heizungsanlage zu versehen. Das gilt umso mehr für den Kläger selbst, der sich mit der stillschweigenden Fortsetzung der Versorgung durch den Beklagten begnügt hat.
11
(2) Der Kläger ist ferner nicht darauf angewiesen, dass seine Doppelhaushälfte an die Heizungsanlage des Beklagten angeschlossen bleibt und so mitversorgt wird. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kann der Kläger seine Doppelhaushälfte mit einer eigenen Heizungsanlage versehen. Es mag zwar sein, dass der Einbau einer solchen Heizung, wie der Kläger behauptet , unverhältnismäßigen Aufwand verursacht, wenn er dazu ein neues Rohrleitungssystem einbauen lassen müsste und die vorhandenen Leitungen zur Versorgung seiner Doppelhaushälfte auf dem Grundstück des Beklagten nicht benutzen dürfte. Dieser Umstand könnte aber allenfalls dazu führen, dass der Beklagte dem Kläger die Nutzung dieser Leitungen für den Einbau einer neuen Heizung in seiner Doppelhaushälfte gestatten müsste. Eine Rechtfertigung dafür , es dem Beklagten zuzumuten, auf unbestimmte Zeit und ohne Entgelt eine Heizungsanlage mit entsprechenden Vorräten vorzuhalten und zu betreiben, die zur Versorgung beider Doppelhaushälften ausreicht, ergibt sich hieraus nicht.
12
c) Aus den vorgenannten Gründen ist der Beklagte aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis auch nicht verpflichtet, wie mit dem Hilfsantrag geltend gemacht, die Selbstbeheizung von dessen Doppelhaushälfte durch den Kläger unter Benutzung seiner Heizungsanlage und seiner Vorräte zu dulden.
13
2. Das Berufungsurteil erweist sich entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht aus anderen Gründen als richtig.
14
a) Die Vorschrift des § 1004 Abs. 1 BGB kommt weder als Grundlage einer Versorgungsverpflichtung noch einer Duldungspflicht des Beklagten in Betracht. Die Norm setzt eine Beeinträchtigung des Eigentums des Klägers in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes voraus. Hierunter ist jeder dem Inhalt des Eigentums (§ 903 BGB) widersprechende Zustand zu verstehen (Senat, Urteile vom 19. Dezember 1975 - V ZR 38/74, BGHZ 66, 37, 39, vom 19. September 2003 - V ZR 319/01, BGHZ 156, 172, 175 und vom 1. Juli 2011 - V ZR 154/10, NJW-RR 2011, 1476, 1477 Rn. 14). Um die Abwehr eines solchen Zustands geht es hier aber nicht. Der Kläger wendet sich mit seinen Anträgen nicht gegen eine Beeinträchtigung in seinen Rechten als Eigentümer durch den Beklagten. Dieser soll ihm durch die weitere Versorgung mit Heizwärme und Warmwasser oder die Duldung einer entsprechenden Selbstversorgung unter Benutzung der Heizungsanlage vielmehr Nutzungsmöglichkeiten erhalten, die sein Grundstück ohne diese Leistungen des Beklagten mangels einer eigenen Heizungsanlage nicht hätte. Das ist keine Abwehr einer Eigentumsbeeinträchtigung.
15
b) Beides - Mitbeheizung wie Duldung der Heizungsnutzung - kann der Kläger von dem Beklagten auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer gemeinschaftlichen Berechtigung an der Heizung auf Grund von § 743 Abs. 2 und § 745 Abs. 2 BGB verlangen. Anders als der Kläger meint, steht die Heizungs- anlage in der Doppelhaushälfte des Beklagten nicht im Miteigentum der Parteien , mit der Folge, dass diese sie bis zu einer Auflösung der Gemeinschaft nach § 749 BGB gemeinschaftlich nutzen dürften, sondern im Alleineigentum des Beklagten. Dafür muss nicht entschieden werden, ob eine Heizungsanlage überhaupt wesentlicher Bestandteil zweier verschiedener Gebäude sein kann. Eine Heizungsanlage ist zwar auch dann Bestandteil des Gebäudes, dessen Beheizung sie dient, wenn sie sich auf einem anderen Grundstück befindet als demjenigen, dem das Gebäude zugeordnet ist (Senat, Urteil vom 19. Oktober 2012 - V ZR 263/11, juris Rn. 11 bis 13). Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Heizungsanlage zur Errichtung des Gebäudes oder bei der Erneuerung oder dem Austausch der Heizungsanlage in das Gebäude eingefügt worden ist (Senat, Urteile vom 13. März 1970 - V ZR 71/67, BGHZ 53, 324, 326 und vom 19. Oktober 2012 - V ZR 263/11 aaO Rn. 11). Daran fehlt es hier. Die Doppelhaushälfte des Klägers sollte nach dem Kauf- und Bauvertrag des Beklagten mit den Rechtsvorgängern des Klägers abweichend von dem üblichen Standard ohne eine eigene Heizungsanlage errichtet und an ihrer Stelle ein Anschluss an die Heizungsanlage in der Doppelhaushälfte des Beklagten vorgesehen werden. Das hat zur Folge, dass die Heizungsanlage nur zur Errichtung der Doppelhaushälfte des Beklagten eingefügt worden ist und allein deren Bestandteil geworden ist.
16
c) Der ansonsten noch in Betracht kommende Anspruch aus einem Versorgungsvertrag gemäß § 311 Abs. 1 BGB scheitert, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, an der wirksamen Kündigung durch den Beklagten.
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aa) Die Parteien haben allerdings stillschweigend eine Versorgungsvereinbarung geschlossen, indem sie die bisherige Form der Versorgung des Grundstücks des Klägers mit Heizung und Warmwasser tatsächlich fortsetzten. Diese Versorgungsvereinbarung war in Rechtsanalogie zu § 604 Abs. 3 und § 671 Abs. 1 BGB jederzeit kündbar. Der Beklagte sollte für die Mitversorgung der Doppelhaushälfte des Klägers kein Entgelt erhalten. Nach der aus den genannten Vorschriften zu entnehmenden Wertung des Gesetzgebers entspricht dem Fehlen eines Entgelts das Recht, das Vertragsverhältnis jederzeit zu beenden.
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bb) Anhaltspunkte dafür, dass dieses Recht stillschweigend eingeschränkt oder ausgeschlossen worden ist, sind nicht ersichtlich. Schon die ausdrückliche Vereinbarung des Beklagten mit den Rechtsvorgängern des Klägers enthielt keine entsprechende ausdrückliche Regelung. Ob sich dieser Vereinbarung eine stillschweigende Einschränkung des Kündigungsrechts mit Rücksicht darauf entnehmen lässt, dass der Vertrag mit Rechtsnachfolgern des Beklagten fortgesetzt werden und damit auf Dauer angelegt sein sollte, muss hier nicht entschieden werden. Veranlassung, sich auf eine Einschränkung des Kündigungsrechts einzulassen, hatte der Beklagte allenfalls gegenüber den Rechtsvorgängern des Klägers. Diesen hatte er die Doppelhaushälfte ohne eine eigene Heizung verkauft, was ihn bewogen haben mag, sich stärker zu binden. Ein vergleichbares Motiv hat der Beklagte gegenüber dem Kläger jedenfalls nicht. Das Vorhandensein der Anlage legte es zwar nahe, es vorläufig bei der bisherigen Praxis zu belassen. Ebenso nahe lag es aber, sich die Möglichkeit zu erhalten , sich jederzeit von der Vereinbarung zu lösen. Die unentgeltliche Mitversorgung der anderen Doppelhaushälfte ließ sich auf Dauer sinnvoll nur fortführen, wenn der Kläger und der Beklagte ähnlich gut miteinander auskamen wie der Beklagte mit den Rechtsvorgängern des Klägers. Das konnten weder der Beklagte noch der Kläger überblicken. Sie durften die Vereinbarung deshalb beide jederzeit kündigen.
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cc) Kündigen durfte der Beklagte in analoger Anwendung von § 671 Abs. 2 Satz 1 BGB jedoch nur in der Art, dass der Kläger für eine alternative Art der Versorgung seiner Doppelhaushälfte mit Heizwärme und Warmwasser Sorge tragen konnte. Diesen Anforderungen genügte die Kündigung, weil der Beklagte darin das Kappen der Leitungen für den Fall der Veränderung der Heizung angekündigt und eine rechtzeitige Unterrichtung des Klägers in Aussicht gestellt hat. Der Kläger wird deshalb - und muss aber auch - bei dem anstehenden Vollzug der Kündigung der Mitversorgung seiner Doppelhaushälfte ausreichend Zeit erhalten, diese mit einer eigenen Heizungsanlage auszustatten, bevor die Versorgung durch den Beklagten tatsächlich beendet wird.

III.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Stresemann Lemke Schmidt-Räntsch Roth Brückner
Vorinstanzen:
LG Lüneburg, Entscheidung vom 01.03.2011 - 9 O 281/10 -
OLG Celle, Entscheidung vom 14.09.2011 - 4 U 62/11 -

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.