Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg - 2. Zivilkammer - vom 8. November 2016 - 2 O 90/16 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Parteien streiten um Leistungsansprüche aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung.
Diese schloss der Kläger 2010 zum Tarif „BUV 2-Plus/2008“ bei der damals noch unter „D Leben“ firmierenden Beklagten ab. Der vom Kläger unterzeichnete Versicherungsantrag vom 25. März 2010 enthielt keine Gesundheitsfragen, sondern stattdessen in Punkt 6 unter der Überschrift „Bei Berufsunfähigkeits- oder Erwerbsminderungsrenten bis 12.000 EURO (gemäß A350)“ folgende vorgedruckte und vom Kläger angekreuzte Erklärung:
„Ich erkläre, dass bei mir bis zum heutigen Tage weder ein Tumorleiden (Krebs), eine HIV-Infektion (positiver AIDS-Test), noch eine psychische Erkrankung oder ein Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) diagnostiziert oder behandelt wurden. Ich bin nicht pflegebedürftig. Ich bin fähig, in vollem Umfang meiner Berufstätigkeit nachzugehen.
(Kann diese Erklärung nicht abgegeben werden, beantworten Sie bitte die Fragen gemäß Formular A122.)“
Das Formular A122 sah zahlreiche Gesundheitsfragen vor, die unter Punkt 4 Buchst. J auch Krankheiten „des Gehirns, Rückenmarks oder der weiteren Nerven“ betrafen. Ein solches Formular füllte der Kläger nicht aus.
Der Kläger war bei Antragstellung an multipler Sklerose erkrankt, was er auch wusste. Diese war bereits im Juli 2002 diagnostiziert und seither behandelt worden. Das zuständige Landratsamt hatte 2005 wegen der Erkrankung beim Kläger einen Grad der Behinderung von 40 % anerkannt, der 2006 auf 50 % und 2009 auf 60 % erhöht worden war.
Versicherungsbeginn war der 1. April 2010. Der Versicherungsschein weist als Versicherungsleistung eine garantierte monatliche Rente von 1.000 EUR, eine garantierte Leistungsdynamik von 3 %, eine Beitragsbefreiung im Falle der Berufsunfähigkeit und als Ende der Leistungs- sowie Beitragszahlungsdauer den 1. April 2033 aus. Der Versicherung liegen „Allgemeine Bedingungen für die Berufsunfähigkeitsversicherung mit einem generellen Verzicht auf die abstrakte Verweisbarkeit (Version 1/2008)“ zugrunde.
Am 31. August 2012 stellte der Kläger bei der Beklagten Leistungsantrag, in dem er angab, aufgrund seiner Erkrankung seit dem 7. Mai 2012 seine Vollzeittätigkeit als Orthopädietechniker nicht mehr ausüben zu können. Sein Arbeitsverhältnis mit dem Klinikum H sei zum 31. August 2012 wegen voller Erwerbsunfähigkeit beendet worden. Seit dem 1. Juni 2012 beziehe er eine volle Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Dem Leistungsantrag fügte er die Beschreibung eines typischen Arbeitstags bei. Hinsichtlich der Ausführungen zu Art und Umfang seiner Tätigkeit mit ihren Anforderungen an die gesundheitliche Leistungsfähigkeit wird auf diese Darstellung Bezug genommen. Zum 1. September 2012 stellte der Kläger aufgrund einer mit der Beklagten getroffenen Stundungsvereinbarung seine Prämienzahlung ein.
Mit Schreiben vom 7. März 2013 lehnte die Beklagte ihre Leistung ab und erklärte die Anfechtung des Versicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung, den Rücktritt vom Vertrag sowie hilfsweise die Vertragskündigung. Zur Begründung berief sie sich darauf, dass der Kläger eine unzutreffende Gesundheitserklärung abgegeben habe, weil er bereits bei Beantragung des Versicherungsschutzes nicht in der Lage gewesen sei, in vollem Umfang seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Dadurch habe er überdies gefahrerhebliche Umstände vorsätzlich verschwiegen und seine vorvertragliche Anzeigeobliegenheit in erheblichem Maße sowie arglistig verletzt.
10 
Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet,
die im Versicherungsantrag enthaltene Erklärung wahrheitsgemäß abgegeben zu haben. Er sei damals fähig gewesen, in vollem Umfang seiner Berufstätigkeit nachzugehen. Weitere Fragen zu seiner gesundheitlichen Situation seien ihm nicht gestellt worden. Er hat die Auffassung vertreten, es fehle an einer wirksamen Anfechtung. In dem Ablehnungsschreiben der Beklagten sei keine Aussage zu seiner konkreten Berufsausübungsfähigkeit im Antragszeitpunkt getroffen worden. Als Maßstab hierfür sei auf die im Arbeitsrecht entwickelten Grundsätze abzustellen, wonach die Leistung des Arbeitnehmers sich nach seinem individuellen Leistungsvermögen und nicht nach einem objektiven Maßstab richte. Sofern die Beklagte ihren Anforderungsmaßstab rein objektiv verstanden wissen wolle, trage sie gemäß § 305c BGB das Risiko der Mehrdeutigkeit. Ungeachtet dessen habe er im März 2010 aber auch nach objektiven Maßstäben seinen arbeitsrechtlichen Verpflichtungen in vollem Umfang nachkommen können. Noch ein halbes Jahr später hätten sich in der betriebsärztlichen Untersuchung keine gesundheitlichen Probleme im Sinne einer Leistungseinschränkung bezogen auf seine beruflichen Tätigkeiten ergeben. Deshalb sei bis dahin auch kein Antrag auf eine behindertengerechte bzw. krankheitsspezifische Anpassung des Arbeitsplatzes gestellt worden. Krankschreibungen seien im Zeitraum der Antragstellung und des Versicherungsbeginns ebenfalls nicht erfolgt. Erste Einschränkungen seien ausweislich betriebsärztlicher Bescheinigung erst ab April 2012 eingetreten. Auf die Richtigkeit der betriebsärztlichen Einschätzung habe der Kläger vertrauen dürfen. Arglist könne ihm nicht unterstellt werden.
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Soweit bei dem Kläger zuletzt ein Grad der Behinderung von 60 festgestellt und das Merkzeichen „G“ erteilt worden sei, ergebe sich daraus noch keine Beeinträchtigung der Berufsausübung, wie sie privatversicherungsrechtlich zugrunde zu legen sei. Die konkreten beruflichen Anforderungen an die „Laufstreckenfähigkeit“ des Klägers seien gering genug gewesen, um eine Einschränkung nicht zu begründen. Die erforderlichen Wege zum Patienten, um beispielsweise gefertigte Orthesen anzupassen, seien ihm problemlos möglich gewesen.
12 
Die Rücktrittserklärung der Beklagten sei ebenso unwirksam. Schon die Belehrung nach § 19 Abs. 5 VVG sei unzureichend gewesen. Im Übrigen sei die Erklärung erst nach Ablauf der Rücktrittsfrist erfolgt.
13 
Seit dem 7. Mai 2012 sei er berufsunfähig, weil er krankheitsbedingt nicht mehr über die erforderlichen feinmotorischen Fähigkeiten sowie die Fähigkeit zur Fortbewegung und zum Stehen verfüge. Gefahrgeneigte Tätigkeiten könnten aus Sicherheitsgesichtspunkten nicht mehr ausgeführt werden. Das Tragen schwerer Orthesen und Gipse sowie das Anpassen beim Patienten sei nicht mehr möglich.
14 
Der Kläger hat beantragt,
15 
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger aus der Versicherung Nr. ... (Kollektivvertrag Nr. ...) für den Zeitraum vom 1. Juni 2012 bis 31. März 2013 11.003,90 EUR zuzüglich Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit des Anspruchs zu zahlen,
16 
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger aus der Versicherung Nr. ... (Kollektivvertrag Nr. ...) für den Zeitraum vom 1. April 2013 bis 31. März 2014 13.600,82 EUR zuzüglich der Überschussanteile gemäß den Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeitsversicherung mit einem generellen Verzicht auf die abstrakte Verweisbarkeit (Version 1/2008 § 21 Abs. 5) zu zahlen, zuzüglich Zinsen aus dem Gesamtbetrag i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit des Anspruchs,
17 
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger aus der Versicherung Nr. ... (Kollektivvertrag Nr. ...) für den Zeitraum vom 1. April 2014 bis 31. März 2015 14.008,84 EUR zuzüglich der Überschussanteile gemäß den Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeitsversicherung mit einem generellen Verzicht auf die abstrakte Verweisbarkeit (Version 1/2008 § 21 Abs. 5) zu zahlen, zuzüglich Zinsen aus dem Gesamtbetrag i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit des Anspruchs,
18 
4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger aus der Versicherung Nr. ... (Kollektivvertrag Nr. ...) für den Zeitraum vom 1. April 2015 bis 31. März 2016 14.429,04 EUR zuzüglich der Überschussanteile gemäß den Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeitsversicherung mit einem generellen Verzicht auf die abstrakte Verweisbarkeit (Version 1/2008 § 21 Abs. 5) zu zahlen, zuzüglich Zinsen aus dem Gesamtbetrag i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit des Anspruchs,
19 
5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger aus der Versicherung Nr. ... (Kollektivvertrag Nr. ...) für den Zeitraum vom 1. April 2016 bis 31. Mai 2016 2.476,98 EUR zuzüglich der Überschussanteile gemäß den Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeitsversicherung mit einem generellen Verzicht auf die abstrakte Verweisbarkeit (Version 1/2008 § 21 Abs. 5) zu zahlen, zuzüglich Zinsen aus dem Gesamtbetrag i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit des Anspruchs,
20 
6. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu Versicherung Nr. ... (Kollektivvertrag Nr. ...) für den Zeitraum ab 1. Juni 2016 für die weitere Dauer der Berufsunfähigkeit, längstens jedoch bis 1. April 2033, eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente monatlich im Voraus zu zahlen, zuzüglich einer zum 1. April jeden weiteren Versicherungsjahrs hinzuzurechnenden dreiprozentigen Erhöhung der Vorjahresrente und einen für diesen Zeitraum anfallenden Überschussanteil gemäß Tarif BUV2-Plus/2008 und den Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeitsversicherung mit einem generellen Verzicht auf die abstrakte Verweisbarkeit (Version 1/2008, § 21 Abs. 5),
21 
7. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu Versicherung Nr. ... (Kollektivvertrag Nr. ...) bezahlte Beiträge für den Zeitraum 1. Juni 2012 bis 31. August 2012 i.H.v. 335,46 EUR zuzüglich Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit des Anspruchs zu zahlen,
22 
8. festzustellen, dass der Kläger der Beklagten zu Versicherung Nr. ... (Kollektivvertrag Nr. ...) für den Zeitraum vom 1. September 2012 bis 31. Mai 2016 keine weiteren Beiträge schuldet sowie
23 
9. die Beklagte weiter zu verurteilen, die Versicherung Nr. ... (Kollektivvertrag Nr. ...) für die weitere Dauer der Berufsunfähigkeit des Klägers, ab 1. Juni 2016, längstens jedoch bis 1. April 2033 beitragsfrei zu stellen und im Übrigen bedingungsgemäß fortzuführen.
24 
Die Beklagte hat beantragt,
25 
die Klage abzuweisen.
26 
Sie hat vorgetragen,
mit der Abgabe der Gesundheitserklärung bei Antragstellung habe der Kläger bewirkt, detaillierte Gesundheitsfragen nach Maßgabe des Formulars A122 nicht beantworten zu müssen. Der Kläger sei bereits im März 2010 krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen, in vollem Umfang seiner Berufstätigkeit nachzugehen. In der Zusammenschau seiner Angaben im Leistungsantrag und der dazu beigefügten Unterlagen sowie der von der Beklagten im Rahmen des Leistungsprüfungsverfahrens eingeholten Auskünfte sowie Berichte der behandelnden Ärzte habe sich ergeben, dass er unter den Beschwerden, aufgrund derer nun der Eintritt der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit geltend gemacht werde, bereits seit 2000 gelitten habe. Nur ein halbes Jahr vor Beantragung der Versicherung habe der Kläger eine Erhöhung des Grads der Behinderung auf 60 beantragt. Dem Kläger sei bekannt gewesen, dass es sich bei seiner Grunderkrankung um eine chronisch progrediente Verlaufsform handele. Zudem seien bereits im Vorfeld der Antragstellung zahlreiche krankheitsbedingte Funktionseinschränkungen bei dem Kläger ärztlich dokumentiert. In Kenntnis dieser Umstände hätte die Beklagte das streitgegenständliche Versicherungsverhältnis nicht abgeschlossen.
27 
Die Beklagte habe das Vertragsverhältnis wirksam gemäß § 123 BGB angefochten. Der Kläger habe seine vorvertragliche Anzeigepflicht gegenüber der Beklagten in arglistiger Weise verletzt. Insbesondere habe er in unzutreffender Weise erklärt, zum Zeitpunkt der Antragstellung in seiner Fähigkeit zur Berufsausübung nicht beeinträchtigt gewesen zu sein, was offenkundig falsch gewesen sei. Bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung hätten sämtliche krankheitsbedingte Funktionsbeeinträchtigungen vorgelegen, die nunmehr zur Berufsunfähigkeit geführt haben sollten. Das vom Kläger vorgetragene Verständnis der Antragsfrage sei abwegig. Der Kläger habe arglistig gehandelt, denn es habe ihm klar vor Augen gestanden, unter erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu leiden. Für ihn sei bei Vertragsschluss absehbar gewesen, dass - sollte dies nicht bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung der Fall gewesen sein - in näherer Zukunft bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit eintreten würde. Auf den ebenfalls erklärten Rücktritt gemäß § 19 Abs. 2 VVG komme es nicht an, wobei dessen Voraussetzungen vorgelegen hätten. Hilfsweise hat die Beklagte das Vorliegen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit bestritten und sich auf den Einwand der Vorvertraglichkeit berufen.
28 
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Beklagte den Versicherungsvertrag wirksam gemäß § 22 VVG i.V.m. § 123 BGB angefochten habe. Dabei könne offenbleiben, ob eine arglistige Täuschung des Klägers darin liege, dass er durch Ankreuzen der vorgedruckten Erklärung die Angabe gemacht habe, bei Antragstellung fähig gewesen zu sein, in vollem Umfang seiner Berufstätigkeit nachzugehen. Dagegen spräche, dass sich bei der betriebsärztlichen Untersuchung am 27. September 2010 noch keine spezifischen Anzeichen für eine Beeinträchtigung bezüglich der Ausübung des Berufs aufgrund der konkreten Ausgestaltung des dem Kläger zugewiesenen Arbeitsplatzes ergeben hätten und der Kläger seinen Beruf als Orthopädietechniker im Zeitpunkt der Antragstellung tatsächlich noch ausgeübt habe.
29 
Die Anfechtung sei jedenfalls begründet, weil der Kläger arglistig gefahrerhebliche Umstände, zu deren Offenbarung er nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen sei, verschwiegen habe. Eine arglistige Täuschung wegen unterlassener Angabe von offenbarungspflichtigen Umständen komme auch dann in Betracht, wenn diese Umstände vom Versicherer - wie hier - bei Vertragsschluss nicht ausdrücklich erfragt worden seien. Die Beschränkung der Anzeigepflicht auf eine Antwortpflicht solle den Versicherungsnehmer von dem Risiko entlasten, die Anzeigepflicht infolge einer Fehleinschätzung der Gefahrerheblichkeit eines Umstands zu verletzen. Gehe der Versicherungsnehmer aber selbst davon aus, dass die Kenntnis des Versicherers von bestimmten Umständen trotz des Fehlens entsprechender Fragen dessen Entscheidung beeinflusse, dann sei er diesem Risiko nicht ausgesetzt, weil das Unterbleiben ordnungsgemäßer Fragen keine Rolle für sein Verhalten gegenüber dem Versicherer spiele. Daher könne das Unterbleiben auch eine Offenbarungspflicht nicht hindern. Zudem sei im Rahmen der Arglistanfechtung nach § 123 BGB bereits seit langem anerkannt, dass eine Täuschung auch durch Verschweigen von offenbarungspflichtigen Umständen erfolgen könne.
30 
Indem der Kläger nicht angegeben habe, an einer multiplen Sklerose zu leiden, habe er einen gefahrerheblichen Umstand, der für die Bereitschaft der Beklagten, den Vertrag zu den angebotenen Konditionen abzuschließen, von erheblicher Bedeutung gewesen sei, arglistig verschwiegen. Bei der Erkrankung des Klägers habe es sich um einen gefahrerheblichen und damit offenbarungspflichtigen Umstand gehandelt. Dies liege so sehr auf der Hand, dass es einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, der bereits an multipler Sklerose erkrankt sei, nicht verborgen bleibe, sondern sich ihm geradezu aufdränge. Dem Kläger sei klar gewesen, dass die Beklagte den Vertrag nicht wie geschehen abgeschlossen hätte, auch wenn seine Krankheit in der im Antragsformular vorgedruckten Erklärung nicht ausdrücklich erwähnt gewesen sei. Redlicherweise hätte er diese daher bei Antragstellung offenbaren und fragen müssen, ob die Beklagte gleichwohl zum Vertragsschluss bereit sei. Es könne kein Zweifel daran bestehen, dass die Beklagte den Vertrag im Falle der Offenbarung nicht oder nur mit einem Leistungsausschluss für die Berufsunfähigkeit infolge der Krankheit abgeschlossen hätte.
31 
Die Erklärung der Anfechtung sei rechtzeitig und formgerecht erfolgt. Zwar sei sie in erster Linie darauf gestützt, dass der Kläger bei Vertragsschluss entgegen der von ihm abgegebenen Erklärung nicht in der Lage gewesen sei, in vollem Umfang seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen; dieser Gesichtspunkt sei aber untrennbar mit der bei Vertragsschluss bestehenden MS-Erkrankung verbunden, auf die in dem Anfechtungsschreiben ausdrücklich Bezug genommen worden sei. Zudem habe die Beklagte ausdrücklich das vorsätzliche Verschweigen von gefahrerheblichen Umständen - damit sei zweifelsohne die Erkrankung des Klägers gemeint - als Anfechtungsgrund angeführt.
32 
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er rügt, das Landgericht sei rechtsfehlerhaft von einer spontanen Anzeigepflicht des Klägers ausgegangen, die im reformierten Versicherungsvertragsgesetz keine Stütze finde. Zudem sei zu fragen, was aus Sicht des laienhaften Versicherungsnehmers als gefahrerheblich auf der Hand liege. Auf Grundlage von § 6 VVG könne der Versicherungsnehmer erwarten, dass ihm alle entscheidungsrelevanten Fragen gestellt würden. Der Kläger habe auch nicht arglistig gehandelt. Das Landgericht sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, er als Laie habe den Begriff der Gefahrerheblichkeit zutreffend erkennen können. Zudem habe es verkannt, dass die Verlaufsformen der MS-Erkrankung vielfältig seien und von einem sanften bis hin zu extremen Verläufen reichten. Gleiches gelte für die Auswirkungen der Krankheit auf den konkreten Beruf. Der Kläger habe die Fragen im Antragsformular als abschließend betrachtet und wahrheitsgemäß beantwortet. Der Fragenkatalog habe auch den Eindruck erweckt, der Versicherer beschränke sich bewusst nur auf diese Fragen, weil nur deren Beantwortung für ihn maßgeblich sei. Der Versicherer habe es mit seinem überlegenen Wissen in der Hand, alle für ihn erforderlichen Fragen an den Versicherungsnehmer zu richten.
33 
Er beantragt,
34 
das angefochtene Urteil aufzuheben und nach seinen erstinstanzlichen Anträgen zu erkennen.
35 
Die Beklagte beantragt,
36 
die Berufung zurückzuweisen.
37 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Sie bekräftigt, die Annahme einer spontanen Offenbarungspflicht des Klägers ergebe sich aus Treu und Glauben.
38 
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses wird verwiesen auf das schriftliche Gutachten des Prof. Dr. G vom 26. Juli 2017 nebst schriftlicher Ergänzungen vom 9. August 2017 und vom 14. August 2017 sowie auf das Protokoll des Termins zur Beweisaufnahme vom 15. März 2018.
39 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend auf die Feststellungen des Landgerichts, soweit sie zu den hier getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen, sowie auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Verhandlungsprotokolle Bezug genommen.
II.
40 
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
41 
Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Dem Kläger stehen keine Leistungsansprüche aus der streitgegenständlichen Berufsunfähigkeitsversicherung zu, weil diese durch die Beklagte gemäß § 22 VVG i.V.m. § 123 Abs. 1 BGB wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten wurde. Auf den Vertragsrücktritt der Beklagten kommt es danach nicht an.
42 
1. Das Landgericht hat allerdings rechtsfehlerhaft angenommen, der erforderliche Anfechtungsgrund ergebe sich daraus, dass es der Kläger bei Stellung des Versicherungsantrags unterlassen hat, die Beklagte auf die bei ihm diagnostizierte multiple Sklerose hinzuweisen. Insoweit fehlt es an einer Täuschung des Klägers.
43 
Zwar kann auch ein Verschweigen von Tatsachen eine Täuschung darstellen; dies setzt aber voraus, dass hinsichtlich der nicht offenbarten Tatsache eine Aufklärungspflicht besteht (BGH, Urteile vom 18. März 2003 - X ZR 19/01, GRUR 2003, 702 [juris Rn. 19]; vom 4. März 1998 - VIII ZR 378/96, NJW-RR 1998, 1406 [juris Rn. 14]; MünchKomm-BGB/Armbrüster, 7. Aufl. § 123 Rn. 30). Wie die Berufung zutreffend rügt, fehlt es an einer solchen in Bezug auf die Erkrankung des Klägers.
44 
a) Eine Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers kann sich im vorvertraglichen Bereich insbesondere aus seiner Anzeigeobliegenheit gemäß § 19 Abs. 1 VVG ergeben. Denn auch wenn deren Missachtung dem Versicherer die Rechte nach § 19 Abs. 2 bis 4 VVG eröffnet, steht dies gemäß § 22 VVG der Möglichkeit der Arglistanfechtung nicht entgegen. § 19 Abs. 1 VVG ist hier indes nicht einschlägig, weil die Beklagte dem Kläger in Form der vorformulierten Erklärung unstreitig nur spezifische Fragen zu seinem Gesundheitszustand gestellt hat, die seine bestehende Erkrankung nicht erfassten.
45 
b) Auch im Übrigen war der Kläger nicht verpflichtet, die Beklagte von sich aus auf die bei ihm diagnostizierte multiple Sklerose hinzuweisen.
46 
aa) Ob für einen Versicherungsnehmer nach der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes die Pflicht besteht, auch ohne entsprechende Frage des Versicherers auf gefahrerhebliche Umstände hinzuweisen, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
47 
Während dies eine Ansicht ablehnt (OLG Düsseldorf, r+s 2010, 325 [juris Rn. 16]; PK-VVG/Härle, 3. Aufl. § 22 VVG Rn. 10; Weiberle, VuR 2008, 170), hält die überwiegende Gegenauffassung eine spontane Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers grundsätzlich für möglich (OLG Celle, r+s 2016, 500 Rn. 63; OLG Hamm, r+s 2017, 68 Rn. 10; Rolfs in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 22 Rn. 10; HK-VVG/Schimikowski, 3. Aufl. § 22 Rn. 7; MünchKomm-VVG/Müller-Frank, 2. Aufl. § 22 Rn. 6; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. § 22 Rn. 3; Knappmann in Beckmann/Matusche-Beckmann, VersR-HdB 3. Aufl. § 14 Rn. 150; Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung 3. Aufl. O Rn. 72), wobei die Meinungen darüber auseinandergehen, unter welchen Voraussetzungen eine solche Pflicht anzunehmen ist. Während manche das Vorliegen eines Umstands genügen lassen, dessen Gefahrerheblichkeit evident sei oder auf der Hand liege (Rolfs; Müller-Frank jew. aaO), fordern andere, dass es um Umstände gehe, die nach Einschätzung des Versicherungsnehmers gefahrerheblich seien (Armbrüster aaO). Demgegenüber will eine dritte Ansicht eine spontane Aufklärungspflicht nur für Umstände bejahen, die zwar offensichtlich gefahrerheblich, aber so ungewöhnlich sind, dass eine auf sie zielende Frage des Versicherers nicht erwartet werden kann (OLG Celle; OLG Hamm; Knappmann jew. aaO; ähnlich Schäfers, VersR 2017, 994, 993 f.).
48 
bb) Der Senat hat in der Vergangenheit zu der von Armbrüster vertretenen Meinung tendiert (vgl. Senatsurteil vom 3. Dezember 2015 - 12 U 57/15, r+s 2017, 316 Rn. 33). Ob hieran in Anbetracht der zwischenzeitlichen Entwicklung in Rechtsprechung und Literatur weiter festzuhalten ist, kann dahinstehen. Denn nach allen Auffassungen kommt im Streitfall eine Anzeigepflicht des Klägers hinsichtlich seiner Erkrankung nicht in Betracht.
49 
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass sich der Meinungsstreit aus der Unklarheit ergibt, inwiefern die nach früherem Versicherungsvertragsrecht allgemein anerkannte spontane Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers durch die Einführung von § 19 VVG eine Einschränkung erfahren hat (MünchKomm-VVG/Müller-Frank, 2. Aufl. § 22 Rn. 5; vgl. auch BT-Drucks. 16/3945 S. 64). Den Kläger hätte aber schon nach alter Rechtslage keine Pflicht zur Anzeige seiner Erkrankung getroffen. Nach dem geltenden Versicherungsvertragsgesetz gilt nichts Anderes.
50 
(1) Bereits vor der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes entsprach es allgemeiner Meinung, dass es in erster Linie Sache jeder Vertragspartei ist, ihre Interessen selbst wahrzunehmen und zu erkennen zu geben, auf die Offenbarung welcher persönlichen Umstände ihres Vertragspartners sie Wert legt für ihre Entscheidung, sich ihm gegenüber vertraglich zu binden. Dies galt insbesondere für Großunternehmen wie für Versicherer, die mit den in ihren Antragsformularen gestellten Fragen an den Antragsteller zu erkennen geben, was sie für ihre Entscheidung als wesentlich ansehen und was sie deshalb wahrheitsgemäß und vollständig beantwortet sehen wollen. Sie mussten daher in Rechnung stellen, dass der künftige Vertragspartner in dem Fragenkatalog grundsätzlich die Entscheidung des jeweiligen Versicherers sieht, welche Umstände ihm für die zu treffende Entscheidung überhaupt wissenswert erscheinen und welche nicht (BGH, Urteil vom 24. September 1986 - IVa ZR 229/84, VersR 1986, 1089 [juris Rn. 24]).
51 
Scheute sich ein Versicherer aus geschäftstaktischen Gründen, eine Frage zu stellen, deren wahrheitsgemäße Beantwortung nach seiner Darstellung maßgeblich für seine Entscheidung war, ob er den angetragenen Vertrag schließt, so lieferte er selbst den Beweis dafür, dass er die unaufgeforderte Offenbarung des betreffenden Sachverhalts nicht erwarten konnte und durfte (BGH aaO Rn. 26).
52 
(2) Hieran hat sich durch die Einführung des neuen § 19 VVG, der die berechtigten Interessen des Versicherungsnehmers besser schützen soll als der frühere § 16 VVG (vgl. BT-Drucks. 16/3945 S. 64), nichts geändert. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber die spontane Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers - auch nicht in Teilbereichen - erweitern wollte. Dementsprechend hat auch der Bundesgerichtshof zur insoweit vergleichbaren spontanen Aufklärungsobliegenheit im Rahmen der Leistungsprüfung entschieden, dass der Versicherungsnehmer Erklärungen, die die Leistungspflicht des Versicherers betreffen, außer in sehr restriktiv zu handhabenden Ausnahmefällen nicht unaufgefordert abzugeben braucht, sondern vielmehr abwarten darf, bis der Versicherer an ihn herantritt und Informationen anfordert (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2011 - IV ZR 254/10, VersR 2011, 1549 Rn. 2 f.).
53 
(3) Nach dieser Maßgabe traf den Kläger keine Pflicht zur Anzeige seiner Erkrankung.
54 
Die Beklagte hatte in ihrem Versicherungsantragsformular für den Fall einer versicherten Berufsunfähigkeitsrente bis 12.000 EUR eine vorformulierte Erklärung des Versicherungsnehmers nur zu vier verschiedenen Krankheiten vorgesehen. Nur wenn der Versicherungsnehmer eine höhere Versicherungsleistung vereinbaren wollte oder sich gehindert sah, die vorgedruckte Erklärung abzugeben, sollte er den ausführlichen Fragenkatalog des von der Beklagten als Anlage B13 vorgelegten Formulars A122 beantworten, der sich unter Punkt 4 Buchst. J mit Krankheiten „des Gehirns, Rückenmarks oder der weiteren Nerven“ befasste und dort als Beispiel ausdrücklich „Multiple Sklerose“ nannte.
55 
Diese Gestaltung war - anders als das Landgericht annimmt - für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer, auf dessen Sicht es insoweit ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 84), so zu verstehen, dass die Beklagte eine entsprechende Erkrankung dann nicht interessierte, wenn die beantragte Berufsunfähigkeitsrente unter 12.000 EUR lag und die vorformulierte Erklärung abgegeben werden konnte. Die Beklagte konnte umgekehrt nicht erwarten, dass Fragen, die sie nur unter bestimmten Umständen stellte, durch Antragsteller von sich aus auch dann beantwortet würden, wenn die entsprechenden Voraussetzungen nicht vorlagen.
56 
Ob der Kläger von dem Formular A122 tatsächlich Kenntnis genommen und das Antragsformular der Beklagten in diesem Sinne verstanden hat, ist dabei entgegen der Auffassung des Landgerichts irrelevant, weil es hier nicht um Fragen des subjektiven Tatbestands, sondern das Bestehen einer Anzeigepflicht geht. Das „arglistige“ Verschweigen eines nicht anzeigepflichtigen Umstands stellt keine Täuschung im Sinne des Gesetzes dar.
57 
Gleichfalls ohne Belang ist, aus welchem Grund die Beklagte keine entsprechende Frage an den Kläger richtete, weil ihr eine solche - wie sich schon aus ihrem Formular A122 ergibt - jedenfalls möglich und zumutbar war. Etwaige geschäftspolitische Erwägungen der Beklagten rechtfertigen nach Treu und Glauben kein abweichendes Ergebnis.
58 
2. Das angefochtene Urteil erweist sich aber gleichwohl im Ergebnis als richtig. Denn der Kläger erfüllte die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB, indem er der Beklagten durch Unterzeichnung der im Antragsformular angekreuzten Erklärung vorspiegelte, fähig zu sein, seiner Berufstätigkeit in vollem Umfang nachzugehen.
59 
a) Der Kläger hat die Beklagte getäuscht, weil die fragliche Erklärung objektiv falsch war.
60 
aa) Der Kläger hat mit seiner Unterschrift zum Ausdruck gebracht, er könne den von ihm im Antragsformular angegebenen Beruf als technischer Angestellter in der Orthopädie (Meister) in seiner konkreten Ausgestaltung uneingeschränkt ausüben.
61 
Entgegen der Auffassung des Klägers sind zum Verständnis dieser Aussage nicht die Grundsätze des Arbeitsrechts, insbesondere nicht dessen Leistungsmaßstäbe heranzuziehen. Antragsfragen sind nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers auszulegen (vgl. BGH, 22. September 1999 - IV ZR 15/99, r+s 1999, 491 [juris Rn. 17]). Dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer einer Berufsunfähigkeitsversicherung sind weder die Grundsätze des Arbeitsrechts noch dessen Leistungsmaßstäbe bekannt. Vielmehr geht er als rechtlicher Laie davon aus, dass es bei der Erklärung darauf ankommt, ob er die Aufgaben, die sein Beruf an ihn stellt, uneingeschränkt erfüllen kann, wobei es keine Rolle spielt, weshalb dies nicht der Fall ist. Insbesondere liegt für ihn die Annahme fern, dass der Erklärungsinhalt in dem Fall, dass er krankheitsbedingten Einschränkungen unterliegt, die sein Leistungsvermögen reduzieren, so lange noch zutrifft, wie er die ihm verbleibende Leistungsfähigkeit noch ausschöpfen kann.
62 
Für die Beurteilung der Richtigkeit der unterzeichneten Erklärung kommt es danach darauf an, ob der Kläger bei der Antragstellung in der Lage war, seinem konkret ausgeübten Beruf ohne Einschränkung nachzugehen und den damit einhergehenden Anforderungen im Rahmen des Zumutbaren gerecht zu werden.
63 
bb) Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme war dies nicht der Fall.
64 
Wie der Sachverständige Prof. Dr. G nachvollziehbar dargelegt hat, waren die vom Kläger geschilderten typischen Arbeitstätigkeiten bereits im März 2010 merklich eingeschränkt (vgl. S. 12 seines Gutachtens vom 26. Juli 2017). Der Senat ist von der Richtigkeit dieser Feststellungen - trotz der von der Berufung aufgezeigten Unschärfen in den Ausführungen des Sachverständigen - nach eigener kritischer Prüfung überzeugt.
65 
(1) Bereits im Befundbericht der neurologischen Klinik des Universitätsklinikums H vom 19. April 2007 finden sich hinsichtlich einer Untersuchung des Klägers ca. drei Jahre vor der Antragstellung die Feststellung einer Bradydiadochokinese (Verlangsamung alternierender Bewegungen, wie das Hin- und Herdrehen der Hand) links sowie einer Fingerfeinmotorikstörung links, die unsichere Absolvierung des Romberg-Tests mit Fallneigung links und ein spastisch ataktisches Gangbild links wieder. Der Diagnose einer multiplen Sklerose mit chronisch progredientem Verlauf entsprechend finden sich im späteren Befundbericht vom 13. Mai 2008 ebenso Einschränkungen der Koordination und Feinmotorik, erneut ein spastisch ataktisches Gangbild, die schwankende Ausführung des Romberg-Tests sowie ein EDSS-Wert von 4,5. Wenngleich die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. G zu den hieraus ableitbaren Beeinträchtigungen der Gehfähigkeit des Klägers (vgl. S. 10 seines Gutachtens vom 26. Juli 2017) in Anbetracht der Einwendungen des Beklagten und dem Ergebnis der Anhörung des Sachverständigen Bedenken begegnen, so deutet der Wert nach der Teilwiedergabe der EDSS durch den Kläger gleichwohl auf eine relativ schwere Behinderung hin. Damit in Einklang steht der Befundbericht vom 5. Januar 2009, der eine weitere Verschlechterung der Gehfähigkeit auf nur noch 100 m Wegstrecke ohne Stock, neuropathische Schmerzen von der Halswirbelsäule in den ganzen Körper und eine atrophierte Muskulatur erbrachte.
66 
Demgegenüber erforderte die Berufstätigkeit des Klägers beim Klinikum H eine kontinuierliche Koordinationsfähigkeit der Hände und Beweglichkeit am Arbeitsplatz. Ausweislich der Beschreibung seines typischen Arbeitstags war der Kläger nahezu ein Drittel seiner Zeit mit dem Modellieren beschäftigt, bei dem es sich um eine ausschließlich stehende und gehende Tätigkeit gehandelt hat. Daneben hatte er zum Zweck des sog. Tiefziehens ca. 170 Grad heiße Kunststoffplatten vom Ofen zum eingespannten Gipsmodell zu tragen und das Modell zu formen. Überdies hatte er Hilfsmittel zu bohren, zu schleifen, zu kleben, zu nieten, zu schrauben und zu nähen.
67 
Bereits diese zentralen Tätigkeiten zeigen erhebliche Anforderungen an die Feinmotorik der Hände sowie an die Geh- und Stehfähigkeit des Klägers, die ausweislich der dargestellten Untersuchungsbefunde bereits Jahre vor der Antragsstellung beeinträchtigt waren. Dies gilt ungeachtet der den Senat nicht restlos überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen zur Bewertung der EDSS-Werte sowie der Schwerbehinderteneinstufung des Klägers, die insoweit nicht maßgeblich sind.
68 
(2) Angesichts des chronisch progredienten Verlaufs erscheint eine Besserung im Jahr 2010 nach den mündlichen Ausführungen des Sachverständigen im Termin ausgeschlossen, zumal der Kläger eine solche selbst nicht behauptet.
69 
Soweit der Kläger eingewandt hat, der Befundbericht der neurologischen Klinik des Universitätsklinikums H vom 20. April 2009 gebe zum 8. April 2009 nur noch einen EDSS-Wert von 3,5 wieder, ist diese Abweichung vom Sachverständigen nachvollziehbar mit den Unschärfen der EDSS-Skala sowie den verschiedenen Untersuchern begründet worden, die bei gleichem Grad der Einschränkung zu unterschiedlicher Einordnung kommen können. Diese Erklärung wird nicht durch die teilweise Wiedergabe der EDSS durch den Kläger in Frage gestellt. Vielmehr belegt diese, dass die Gradbeschreibungen einen Beurteilungsspielraum eröffnen, dessen Ausübung auch von der Person des jeweiligen Untersuchers abhängen kann (vgl. zum Grad von 3,5: „mit mäßiger Behinderung“; zum Grad von 4,5: „Gewisse Einschränkung der Aktivität, benötigt minimale Hilfe, relativ schwere Behinderung“).
70 
Gleichzeitig ist nicht festzustellen, dass der Sachverständige lediglich die Angaben in den Befundberichten relativiert hätte, die seine Einschätzung in Frage stellen. Umgekehrt lässt die Berufung die übrigen in den Befundberichten niedergelegten Angaben außer Betracht. Zu beachten ist insoweit, dass der textliche Teil des Befundberichts vom 20. April 2009 im Übrigen keine Besserung der Einschränkungen des Klägers erkennen lässt. So ist dort eine 4/5 Hand- und Fingerstreckerparese links festgestellt worden, während im Bericht vom 13. Mai 2008 angegeben worden war, dass zum damaligen Zeitpunkt keine manifesten oder latenten Paresen der oberen Extremitäten bestanden. Hinsichtlich der unteren Extremitäten ist im Bericht vom 20. April 2009 von einer linksbetonten Paraparese „3-4-/5“ die Rede, die sich im Bericht vom 13. Mai 2008 noch nicht finden lässt. Eine feststellbare Besserung geht aus dem Bericht danach - trotz der zwischenzeitlich neunten Gabe des Medikaments Mitoxantron - nicht hervor.
71 
Gleiches gilt für den Befundbericht vom 19. April 2007, der als Ergebnis des Romberg-Tests „unsicher mit Fallneigung nach links“ wiedergibt, während das Ergebnis etwa ein Jahr später laut des Befundberichts vom 13. Mai 2008 „schwankend, ohne eindeutige Fallneigung“ gewesen sei. Dabei zitiert der Kläger die Berichte wiederum nur in Teilaspekten, ohne zu berücksichtigen, dass der Bericht vom 13. Mai 2008 den erheblichen EDSS-Wert von 4,5 sowie die Feststellung „aufgehobene Fußhebung links“ enthält, während der Bericht vom 19. April 2007 hinsichtlich der Fußhebung noch einen Wert von „2/5“ mitteilt. Auch die im Bericht vom 13. Mai 2008 enthaltene Anamnese deutet keinerlei Besserung an. Vielmehr gab der Kläger damals eine „schleichende Verschlechterung rechts“ an, während die linke Körperhälfte „stagnier[e]“.
72 
(3) Der Feststellung, dass der Kläger bei Antragstellung seinen Beruf als technischer Angestellter in der Orthopädie in seiner konkreten Ausgestaltung nicht ohne Einschränkung ausüben konnte, wird durch die betriebsärztliche Bescheinigung vom 20. März 2014 nicht in Frage gestellt. Die darin enthaltene ärztliche Stellungnahme von Frau Dr. M ist mit den detaillierten Befundberichten der neurologischen Klinik des Universitätsklinikums H nicht in Einklang zu bringen. Dies kann darauf zurückzuführen sein, dass der Betriebsärztin die ärztlichen Befunde nicht vorlagen und sie ihre Stellungnahme allein auf Grundlage der Angaben des Klägers fertigte, wie der Sachverständige Prof. Dr. G in seinem Gutachten angedeutet hat (vgl. S. 12 seines Gutachtens vom 26. Juli 2017). Mangels fundierter Begründung vermag die Bescheinigung jedenfalls keine vernünftigen Zweifel an dem Bild begründen, das sich aus den übrigen fachärztlichen Unterlagen und auch der Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen ergibt.
73 
Abweichendes ist - entgegen der Meinung des Landgerichts - nicht deshalb geboten, weil der Kläger bei Antragstellung seiner beruflichen Tätigkeit tatsächlich nachging und nicht krankgeschrieben war. Denn auch dies lässt keine Rückschlüsse darauf zu, dass er seiner Berufstätigkeit noch ohne Einschränkung nachkommen konnte.
74 
b) Der Kläger handelte bei seiner Täuschung der Beklagten arglistig.
75 
aa) Dem Kläger war die Unrichtigkeit seiner Erklärung bewusst.
76 
Die bestehenden Einschränkungen konnte er ohne weiteres erkennen. Die vorgelegten und durch den Sachverständigen beigezogenen ärztlichen Unterlagen enthalten keine Anhaltspunkte, die auf kognitive Defizite des Klägers im Jahr 2010 hindeuteten. Obgleich entsprechende Einschränkungen typischerweise schon sehr frühzeitig im Krankheitsverlauf einer multiplen Sklerose auftreten, konnte der Sachverständige Prof. Dr. G solche im Streitfall für den fraglichen Zeitraum nicht feststellen. Vielmehr kam er im Rahmen seiner ergänzenden Stellungnahme vom 9. August 2017 zum Ergebnis, dass keine so wesentlichen Beeinträchtigungen bestanden haben, dass der Kläger seine funktionellen Beschränkungen nicht hätte erkennen können.
77 
Der Senat ist der Überzeugung, dass er diese auch erkannt hat. Das folgt schon daraus, dass sie ihm - ungeachtet des Ergebnisses der betriebsärztlichen Untersuchung - ausweislich ihres sich aus den ärztlichen Berichten ergebenden Ausmaßes nicht verborgen bleiben konnten. Unterstrichen wird dies durch die detaillierte Beschreibung des Klägers, wie sich die Erkrankung 2012 auf seine Berufstätigkeit auswirkte. Es ist nicht glaubhaft, dass ihm die entsprechenden, wenn auch noch weniger starken Auswirkungen 2010 trotz seiner im Hinblick auf die Krankheit erfolgten regelmäßigen Vorstellung bei Fachärzten entgangen sein sollten.
78 
bb) Der Kläger wollte durch die Falschangabe auch bewusst und willentlich auf die Entscheidung der Beklagten Einfluss nehmen.
79 
Falsche Angaben in einem Versicherungsantrag allein rechtfertigen nicht den Schluss auf ein arglistiges Verhalten; einen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Angabe immer und nur in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers einzuwirken, gibt es nicht. Vielmehr setzt die Annahme von Arglist voraus, dass der Versicherungsnehmer erkennt und billigt, dass der Versicherer seinen Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen werde (BGH, Urteil vom 24. November 2010 - IV ZR 252/08, r+s 2011, 58 Rn. 19 m.w.N.).
80 
Das ist hier der Fall. Angesichts der Formulierung der Erklärung war dem Kläger klar, dass es für die Entscheidung der Beklagten, ihm den begehrten Versicherungsschutz zu gewähren, von wesentlicher Bedeutung war, ob seine Fähigkeit zur Berufsausübung bereits eingeschränkt ist oder nicht. Dies zeigte ihm bereits die Begrenzung der Erklärung auf wenige zentrale Aussagen. Der Klammerzusatz machte ihm zudem deutlich, dass er bei wahrheitsgemäßer Nichterteilung der Erklärung weitere Formularfragen zu beantworten hatte, was aller Voraussicht nach zur Offenbarung seiner schwerwiegenden Erkrankung und auf diese Weise zu einer weiteren Gefährdung des Vertragsabschlusses geführt hätte. Damit billigte er zugleich, dass die Beklagte seinen Antrag u.U. bei Kenntnis des wahren Sachverhalts gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen würde.
81 
c) Die Täuschung des Klägers ist auch für die Willenserklärung der Beklagten kausal geworden (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2010 aaO). Die Beklagte hat bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass sie den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag in Kenntnis der wahren Umstände nicht abgeschlossen hätte. Das hat der Kläger auch zweitinstanzlich nicht bestritten.
82 
3. Die Beklagte hat das ihr zustehende Anfechtungsrecht durch ihr Schreiben vom 7. März 2013, das den geltend gemachten Anfechtungsgrund klar erkennen ließ, wirksam ausgeübt. Die Erklärung erfolgte nach § 124 Abs. 1 und 2 Satz 1 BGB fristgemäß. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Beklagte vor Eingang seines Leistungsantrags im August 2012 von der krankheitsbedingten Einschränkung der Fähigkeit des Klägers zur Berufsausübung bei Stellung des Versicherungsantrags Kenntnis hatte.
III.
83 
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
84 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage der spontanen Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers nach Inkrafttreten des neuen § 19 VVG ist nicht entscheidungserheblich.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 305c Überraschende und mehrdeutige Klauseln


(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 123 Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung


(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten. (2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 6 Beratung des Versicherungsnehmers


(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 124 Anfechtungsfrist


(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen. (2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im F

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 19 Anzeigepflicht


(1) Der Versicherungsnehmer hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 16 Insolvenz des Versicherers


(1) Wird über das Vermögen des Versicherers das Insolvenzverfahren eröffnet, endet das Versicherungsverhältnis mit Ablauf eines Monats seit der Eröffnung; bis zu diesem Zeitpunkt bleibt es der Insolvenzmasse gegenüber wirksam. (2) Die Vorschriften d

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 22 Arglistige Täuschung


Das Recht des Versicherers, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, bleibt unberührt.

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Bundesgerichtshof Urteil, 24. Nov. 2010 - IV ZR 252/08

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Bundesgerichtshof Urteil, 18. März 2003 - X ZR 19/01

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 19/01 Verkündet am: 18. März 2003 Mayer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein ArbEG §§ 5 Abs. 2,

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Tenor 1. Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Schlussurteil des Landgerichts Karlsruhe vom 13.03.2015 - 8 O 351/12 - im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt abgeändert: Die Beklagte wir

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Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 122.354,51 EUR festgesetzt.

Tatbestand

 
Der Kläger macht Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung geltend.
Der Kläger schloss mit der Beklagten eine Berufsunfähigkeitsversicherung mit dem Tarif BUV 2-plus/2008 bei einer ursprünglich garantierten Berufsunfähigkeitsrente für den Fall der Berufsunfähigkeit in Höhe von monatlich 1.000,00 EUR ab (Vers.-Nr. (Kollektivvertrag Nr.); Versicherungsschein vom 01.04.2010, Anl. K1). Als Versicherungsbeginn wurde der 01.04.2010 vereinbart, als Ende der Leistungs- und Beitragszahlungsdauer der 01.04.2033. Außerdem wurden eine Beitragsdynamik, eine Überschussverwendung und für den Fall der Berufsunfähigkeit eine garantierte Leistungsdynamik von 3 % jährlich vereinbart. Der Versicherung liegen die Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeitsversicherung mit einem generellen Verzicht auf die abstrakte Verweisbarkeit (Version 1/2008, Anl. K2), die Bedingungen für den Präventionsservice (Version 1/2008) und die Bedingungen für Versicherungen mit Dynamikplan (Anlage K3) zugrunde. Nach § 1 Abs. 1 der Allgemeinen Bedingungen für die Berufsunfähigkeitsversicherung mit einem generellen Verzicht auf die abstrakte Verweisbarkeit (nachfolgend: ABB) ist die Beklagte zur Zahlung einer monatlich im Voraus zu zahlenden Berufsunfähigkeitsrente bei voller Befreiung von der Beitragszahlungspflicht verpflichtet, wenn die versicherte Person während der Versicherungsdauer zu mindestens 50 % berufsunfähig wird. Eine Definition des Begriffs der Berufsunfähigkeit erfolgt in § 2 ABB. In § 9 ABB finden sich Regelungen zum Rücktritts- und Kündigungsrecht der Beklagten bei Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht.
Im Versicherungsantrag vom 25.03.2010 (Anl. K4), den der Kläger über den Versicherungsvertreter A. J. stellte, finden sich keine Gesundheitsfragen. Stattdessen enthält der Versicherungsantrag nur eine bereits vorgedruckte Erklärung, deren Richtigkeit der Kläger durch Ankreuzen des dafür vorgesehenen Leerkästchens bestätigte. Diese Erklärung hat folgenden Wortlaut:
„Ich erkläre, dass bei mir bis zum heutigen Tage weder ein Tumorleiden (Krebs), eine HIV-Infektion (positiver AIDS-Test), noch eine psychische Erkrankung oder ein Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) diagnostiziert oder behandelt wurden. Ich bin nicht pflegebedürftig. Ich bin fähig, in vollem Umfange meiner Berufstätigkeit nachzugehen.
(Kann diese Erklärung nicht abgegeben werden, beantworten Sie bitte die Fragen gemäß Formular A 122.)“
Am 30.08.2012 stellte der Kläger einen Leistungsantrag wegen Berufsunfähigkeit (Anlage BLD 2). In diesem Antrag gab er an, an multipler Sklerose (MS) erkrankt zu sein. Er gab weiterhin an, dass die Krankheit erstmals im Juli 2002 diagnostiziert und seitdem fortlaufend behandelt worden sei. Des Weiteren gab der Kläger an, dass er seinen zuletzt ausgeübten Beruf als Orthopädietechniker seit 07.05.2012 nicht mehr ausüben könne, dass sein Arbeitsverhältnis mit dem Universitätsklinikum Heidelberg zum 31.08.2012 wegen voller Erwerbsunfähigkeit beendet worden sei und dass er seit 01.06.2012 aufgrund Antrags vom 27.04.2012 eine volle Erwerbsminderungsrente von dem gesetzlichen Rentenversicherungsträger beziehe. Einen Antrag auf Feststellung eines Grades der Behinderung nach dem Schwerbehindertengesetz habe er erstmals am 31.05.2005 gestellt. Dem Versicherungsantrag fügte der Kläger unter anderem eine Beschreibung des typischen Arbeitsalltags (Anlage BLD 3) und mehrere Bescheide des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis zur Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers (Anlage BLD 5-7) bei.
Mit Schreiben vom 07.03.2013 (Anl. K5) erklärte die Beklagte die Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Kläger eine unzutreffende Gesundheitserklärung abgegeben habe, da unter Würdigung der Gesamtumstände davon auszugehen sei, dass er bereits bei Antragstellung nicht in der Lage gewesen sei, in vollem Umfang seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Darüber hinaus habe der Kläger gefahrerhebliche Umstände vorsätzlich verschwiegen und seine vorvertragliche Anzeigeobliegenheit in erheblichem Maße arglistig verletzt. Außerdem trat die Beklagte gemäß § 9 Ziffer 3 ABB i.V.m. § 19 Abs. 2 VVG vom Vertrag zurück. Seit dem 01.09.2012 entrichtete der Kläger aufgrund einer mit der Beklagten getroffenen Stundungsvereinbarung vom 25.08.2012 (Anlage BLD 1) keine Beiträge mehr.
Der Kläger trägt vor,
er habe die in dem Versicherungsantrag enthaltene Erklärung zu seiner Gesundheit wahrheitsgemäß abgegeben. Er habe weder an den dort aufgeführten Krankheiten gelitten noch seien diese Krankheiten bei ihm diagnostiziert oder behandelt worden. Er sei auch nicht pflegebedürftig gewesen. Er sei fähig gewesen, in vollem Umfange seine Berufstätigkeit nachzugehen. Weitere Fragen zur gesundheitlichen Situation des Klägers seien diesem von der Beklagten nicht gestellt worden. Eine wirksame Anfechtung sei innerhalb der Jahresfrist des § 124 BGB nicht erklärt worden. Alle in dem Ablehnungsschreiben aufgeführten Gründe träfen keine Aussage zur konkreten Berufsausübungsfähigkeit des Klägers zum Antragszeitpunkt. Insoweit sei auf die im Arbeitsrecht entwickelten Grundsätze als Maßstab abzustellen, wonach die Leistung des Arbeitnehmers sich nach seinem individuellen Leistungsvermögen und nicht nach dem objektiven Maßstab des § 243 Abs. 1 BGB richte. Sofern die Beklagte ihren Anforderungsmaßstab rein objektiv verstanden wissen wolle, trage sie hierfür das Risiko der Mehrdeutigkeit gemäß § 305c BGB. Der Kläger habe aber auch nach objektiven Maßstäben seinen arbeitsrechtlichen Verpflichtungen in vollem Umfang nachkommen können. Noch in der betriebsärztlichen Untersuchung vom 27.09.2010, ein halbes Jahr nach Antragstellung, hätten sich durch seine Erkrankung keine gesundheitlichen Probleme im Sinne einer Leistungseinschränkung bezogen auf seine beruflichen Tätigkeiten ergeben. Deshalb habe der Kläger bis dahin auch keinen Antrag auf eine behindertengerechte bzw. krankheitsspezifische Anpassung des Arbeitsplatzes gestellt. Arbeitsunfähige Krankschreibungen im Zeitraum der Antragstellung und des Versicherungsbeginns seien ebenfalls nicht erfolgt. Erste Einschränkungen des Klägers seien ausweislich der betriebsärztlichen Bescheinigung vom 20.03.2014 (Anl. K6) erst ab April 2012 festgestellt worden. Auf die betriebsärztliche Einschätzung habe der Kläger vertrauen dürfen. Arglist könne ihm deshalb nicht unterstellt werden. Soweit dem Kläger in den Bescheiden des Versorgungsamts vom 25.03.2006 und vom 22.12.2009 zuletzt ein Grad der Behinderung von 60 zuerkannt und ein Merkzeichen „G“ zugeteilt worden sei, ergebe sich daraus noch lange keine Beeinträchtigung der Berufsausübung, wie sie privatversicherungsrechtlich zugrunde zu legen wäre. An der eingeschränkten „Laufstreckenfähigkeit“ des Klägers könne eine nicht „volle Berufsfähigkeit“ des Klägers nicht festgemacht werden, weil die konkreten beruflichen Anforderungen des Klägers, was Laufstrecken anbelange, gering gewesen seien und keine Einschränkungen begründet hätten. Die erforderlichen Wege zum Patienten, um beispielsweise die gefertigten Orthesen anzupassen, seien ihm problemlos möglich gewesen.
Berufsunfähigkeit bestehe beim Kläger seit dem 07.05.2012. Seit diesem Tag könne der Kläger seinen Beruf länger als sechs Monate nicht mehr bedingungsgemäß zu noch mindestens 50 % ausüben (im Einzelnen: AS 21 f.). Gemäß „Standmitteilung“ der Beklagten vom 26.04.2012 (Anl. K9) habe die Versicherung mit dem 01.04.2012 eine garantierte monatliche BU-Rente i.H.v. 1.100,39 EUR erreicht. Dieser Betrag erhöhe sich während der Dauer der Berufsunfähigkeit zu Beginn eines jeden weiteren Versicherungsjahres (1. April) aufgrund der vereinbarten Dynamik um 3 %. Hinzu kämen, erstmalig mit Beginn des Versicherungsjahres des 01.04.2013, die der Höhe nach unbekannten, variierenden und daher nicht bezifferbaren Überschussanteile. Der Kläger könne außerdem Rückzahlung einer bereits während eingetretener Berufsunfähigkeit erbrachten Beitragszahlung i.H.v. 335,46 EUR verlangen.
10 
Durch die drucktechnische Gestaltung der Erklärung zur Gesundheitssituation werde auch kein besonderer Aufmerksamkeitseffekt erzielt, wie er für eine Belehrung nach § 19 VVG zu fordern sei (im Einzelnen: AS 169). Die Rücktrittserklärung sei im Übrigen unwirksam, weil die Monatsfrist des § 21 Abs. 1 S. 1 VVG nicht gewahrt sei (im Einzelnen: AS 173 f.).
11 
Der Kläger beantragt:
12 
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger aus der Versicherung Nr. (Kollektivvertrag Nr.) für den Zeitraum vom 01.06.2012 bis 31. März 2013 EUR 11.003,90 zuzüglich Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit des Anspruchs zu zahlen.
13 
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger aus der Versicherung Nr. (Kollektivvertrag Nr.) für den Zeitraum vom 01.04.2013 bis 31. 03.2014 EUR 13.600,82 zuzüglich der Überschussanteile gemäß den Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeitsversicherung mit einem generellen Verzicht auf die abstrakte Verweisbarkeit (Version 1/2008 § 21 Abs. 5) zu zahlen, zuzüglich Zinsen aus dem Gesamtbetrag i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit des Anspruchs.
14 
3. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger aus der Versicherung Nr. (Kollektivvertrag Nr.) für den Zeitraum vom 01.04.2014 bis 31.03.2015 EUR 14.008,84 zuzüglich der Überschussanteile gemäß den Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeitsversicherung mit einem generellen Verzicht auf die abstrakte Verweisbarkeit (Version 1/2008 § 21 Abs. 5) zu zahlen, zuzüglich Zinsen aus dem Gesamtbetrag i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit des Anspruchs.
15 
4. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger aus der Versicherung Nr. (Kollektivvertrag Nr.) für den Zeitraum vom 01.04.2015 bis 31.03.2016 EUR 14.429,04 zuzüglich der Überschussanteile gemäß den Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeitsversicherung mit einem generellen Verzicht auf die abstrakte Verweisbarkeit (Version 1/2008 § 21 Abs. 5) zu zahlen, zuzüglich Zinsen aus dem Gesamtbetrag i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit des Anspruchs.
16 
5. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger aus der Versicherung Nr. (Kollektivvertrag Nr.) für den Zeitraum vom 01.04.2016 bis 31.05.2016 EUR 2.476,98 zuzüglich der Überschussanteile gemäß den Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeitsversicherung mit einem generellen Verzicht auf die abstrakte Verweisbarkeit (Version 1/2008 § 21 Abs. 5) zu zahlen, zuzüglich Zinsen aus dem Gesamtbetrag i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit des Anspruchs.
17 
6. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger zu Versicherung Nr. (Kollektivvertrag Nr.) für den Zeitraum ab 01.06.2016 für dessen weitere Dauer der Berufsunfähigkeit, längstens jedoch bis 01.04.2033 eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente, monatlich im Voraus zu zahlen, zuzüglich einer zum 01.04. jeden weiteren Versicherungsjahres hinzuzurechnenden dreiprozentigen Erhöhung der Vorjahresrente und einen für diesen Zeitraum anfallenden Überschussanteil gemäß Tarif BUV 2-plus/2008 und den Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeitsversicherung mit einem generellen Verzicht auf die abstrakte Verweisbarkeit (Version 1/2008, § 21 Abs. 5).
18 
7. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger zu Versicherung Nr. (Kollektivvertrag Nr.) bezahlte Beiträge für den Zeitraum 01.06.2012 bis 31.08.2012 in Höhe von EUR 335,46 zuzüglich Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit des Anspruchs zu zahlen.
19 
8. Es wird festgestellt, dass der Kläger der Beklagten zu Versicherung Nr. (Kollektivvertrag Nr.) für den Zeitraum vom 01.09.2012 bis 31.05.2016 keine weiteren Beiträge schuldet.
20 
9. Die Beklagte wird weiter verurteilt, die Versicherung Nr. (Kollektivvertrag Nr.) für die weitere Dauer der Berufsunfähigkeit des Klägers, ab 01.06.2016, längstens jedoch bis 01.04.2033 beitragsfrei zu stellen und im Übrigen bedingungsgemäß fortzuführen.
21 
Die Beklagte beantragt,
22 
die Klage abzuweisen.
23 
Die Beklagte trägt vor,
mit der Abgabe der Gesundheitserklärung in dem Versicherungsantrag habe der Kläger bewirkt, detaillierte Gesundheitsfragen nach Maßgabe des Formulars A 122 (Anl. BLD 13) nicht beantworten zu müssen. Über die Folgen der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht gemäß § 19 Abs. 5 VVG sei der Kläger wirksam belehrt worden. In der Zusammenschau der Angaben des Klägers im Leistungsantrag vom 30.08.2012 und der dazu beigefügten Unterlagen (Anlagen BLD 3 - BLD 7) sowie der von der Beklagten im Rahmen des Leistungsprüfungsverfahrens eingeholten Auskünfte der behandelnden Ärzte (Anlagen BLD 8 - BLD 12) habe sich ergeben, dass der Kläger unter denjenigen Beschwerden, aufgrund derer nunmehr der Eintritt der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit ab Mai 2012 geltend gemacht werden sollte, bereits seit dem Jahre 2000 vorgelegen hätten, wobei ab dem Jahr 2005 die Beschwerden bereits ein solches Ausmaß angenommen hätten, dass - auf Antrag des Klägers und sodann aufgrund dessen Widerspruchs - ein GdB von 50 festgestellt worden sei. Nur ein halbes Jahr vor Antragstellung zu dem streitgegenständlichen Versicherungsvertragsverhältnis habe der Kläger eine Erhöhung des GdB auf 60 beantragt; diesem Antrag sei im September 2009 - drei Monate vor Antragstellung - stattgegeben worden. Damit korreliere die ärztliche Feststellung, dass es sich bei der Grunderkrankung - Multiple Sklerose - um eine chronisch progrediente Verlaufsform handele, was dem Kläger ebenfalls bekannt gewesen sei. Zudem seien bereits im Vorfeld der Antragstellung zahlreiche krankheitsbedingte Funktionseinschränkungen bei dem Kläger ärztlich dokumentiert gewesen. Vor diesem Hintergrund habe es sich so verhalten, dass bei dem Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung am 25.03.2010 krankheitsbedingte Einschränkungen im Hinblick auf seine Berufsausübung vorgelegen hätten. Der Kläger sei krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen, in vollem Umfange seiner Berufstätigkeit nachzugehen. Der Kläger habe auch gewusst, dass es sich bei seiner Erkrankung um eine chronisch-progrediente Verlaufsform handle. Für ihn sei daher bereits bei Abschluss des Versicherungsvertrages absehbar gewesen, dass - sollte dies nicht bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung der Fall gewesen sein - in näherer Zukunft bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit eintreten würde. In Kenntnis dieser Umstände hätte die Beklagte das streitgegenständliche Versicherungsverhältnis nicht abgeschlossen. Vielmehr wäre der Antrag des Klägers zurückgewiesen worden. Die Beklagte habe das Versicherungsvertragsverhältnis vor diesem Hintergrund wirksam gemäß § 123 BGB angefochten. Hierzu sei sie berechtigt gewesen, da der Kläger seine vorvertragliche Anzeigepflicht gegenüber der Beklagten in arglistiger Weise verletzt habe. Der Kläger habe insbesondere in unzutreffender Weise erklärt, er sei zum Zeitpunkt der Antragstellung in seiner Fähigkeit zur Berufsausübung nicht beeinträchtigt gewesen, was offenkundig falsch gewesen sei. Bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung hätten sämtliche krankheitsbedingte Funktionsbeeinträchtigungen, die nunmehr zur Berufsunfähigkeit geführt haben sollen, vorgelegen. (im Einzelnen: AS 105 f.). Der Kläger habe die falsche Erklärung gegenüber der Beklagten auch arglistig abgegeben (im Einzelnen: AS 107 f.).
24 
Auf den ebenfalls erklärten Rücktritt gemäß § 19 Abs. 2 VVG komme es nicht an, da der Vertrag wirksam angefochten worden sei. Die inhaltlichen Voraussetzungen für die Erklärung des Rücktritts hätten aber vorgelegen. Hilfsweise berufe sich die Beklagte auf den Einwand der Vorvertraglichkeit (im Einzelnen: AS 113 f.).
25 
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
26 
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
27 
1. Dem Kläger steht kein Leistungsanspruch aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrag über eine Berufsunfähigkeitsversicherung zu, weil die Beklagte diesen Vertrag mit Schreiben vom 07.03.2013 wirksam gemäß § 22 VVG i.V.m. § 123 BGB angefochten hat. Gemäß § 142 Abs. 1 BGB ist der Vertrag damit als von Anfang an nichtig anzusehen.
28 
a. Es kann offenbleiben, ob eine arglistige Täuschung der Beklagten darin liegt, dass der Kläger durch Ankreuzen der vorgedruckten Erklärung zu seinem Gesundheitszustand in dem Versicherungsantrag vom 25.03.2010 die Angabe machte, dass er bei Antragstellung fähig gewesen sei, in vollem Umfang seiner Berufstätigkeit nachzugehen. Gegen die Annahme einer bewusst wahrheitswidrigen Angabe spricht in diesem Zusammenhang jedoch, dass sich ungeachtet der bei dem Kläger bereits seit 2002 bestehenden MS-Erkrankung und der bereits vor Antragstellung erfolgten Feststellung seiner Schwerbehinderteneigenschaft durch das Versorgungsamt ausweislich der betriebsärztlichen Bescheinigung vom 20.03.2014 (Anl. K6) bei der betriebsärztlichen Untersuchung am 27.09.2010 noch „keine spezifischen Anzeichen für eine Beeinträchtigung bezüglich der Ausübung des Berufes“ aufgrund der konkreten Ausgestaltung des dem Kläger zugewiesenen Arbeitsplatzes ergeben hatten und dass der Kläger seinen Beruf als Orthopädietechniker im Zeitpunkt der Antragstellung auch tatsächlich noch ausübte.
29 
b. Die von der Beklagten erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist jedenfalls deswegen begründet, weil der Kläger arglistig gefahrerhebliche Umstände, zu deren Offenbarung er nach Treu und Glauben verpflichtet war, verschwiegen hat.
30 
aa. Ob eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung wegen des Unterlassens der Angabe von offenbarungspflichtigen Umständen auch dann in Betracht kommt, wenn diese Umstände vom Versicherer – wie hier – bei Vertragsschluss nicht ausdrücklich erfragt wurden, oder ob die Anfechtung in einem solchen Fall durch § 19 VVG ausgeschlossen ist, ist umstritten und bislang, soweit ersichtlich, noch nicht höchstrichterlich oder obergerichtlich entschieden worden (vgl. die Nachweise bei Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl., § 22 Rn. 3). Nach der wohl überwiegenden Auffassung im Schrifttum wird die Anfechtung in einem solchen Fall durch § 19 VVG nicht ausgeschlossen. Dieser Auffassung ist zu folgen. Die Beschränkung der Anzeigepflicht auf eine Antwortpflicht soll den Versicherungsnehmer nämlich von dem Risiko entlasten, die Anzeigepflicht (wenn auch schuldlos) infolge einer Fehleinschätzung der Gefahrerheblichkeit eines Umstandes zu verletzen. Geht der Versicherungsnehmer aber selbst davon aus, dass die Kenntnis des Versicherers von bestimmten Umständen trotz des Fehlens entsprechender Fragen dessen Entscheidung beeinflusst, was Voraussetzung einer Täuschung ist, dann ist er diesem Risiko nicht ausgesetzt, weil das Unterbleiben ordnungsgemäßer Fragen keinerlei Rolle für sein Verhalten gegenüber dem Versicherer spielt. Daher kann das Unterbleiben auch eine Offenbarungspflicht nicht hindern. Das bedeutet, dass eine solche Pflicht jedenfalls besteht, wenn es um Umstände geht, die auch nach der Einschätzung des Versicherungsnehmers trotz des Unterbleibens diesbezüglicher Fragen gefahrerheblich sind (so zutreffend Armbrüster, in: Prölss/Martin, a.a.O.,Rn 3). § 22 VVG verweist im Übrigen ohne jede Einschränkung auf das Recht zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB. Im Rahmen der Arglistanfechtung nach § 123 BGB ist aber bereits seit langem anerkannt, dass eine Täuschung auch durch Verschweigen von offenbarungspflichtigen Umständen erfolgen kann. Hätte der Gesetzgeber im Versicherungsvertragsrecht die Arglistanfechtung auf fehlerhafte Angaben zu gefahrerheblichen Umständen, die der Versicherer in Textform ausdrücklich erfragt hat, beschränken wollen, hätte es nahegelegen, eine solche Beschränkung in § 22 VVG – der dann freilich weitgehend leerliefe – zum Ausdruck zu bringen.
31 
bb. Indem der Kläger bei Antragstellung gegenüber (dem Versicherungsvertreter) der Beklagten nicht angab, dass er an einer multiplen Sklerose leidet, die erstmals im Jahr 2002 diagnostiziert und wegen der er seitdem fortlaufend ärztlich behandelt wurde, hat er einen gefahrerheblichen Umstand, der für die Bereitschaft der Beklagten, den Vertrag über eine Berufsunfähigkeitsversicherung zu den von ihr angebotenen Konditionen abzuschließen, von erheblicher Bedeutung war, arglistig verschwiegen.
32 
(1) Beim Abschluss von Verträgen besteht grundsätzlich eine Offenbarungspflicht über solche Umstände, hinsichtlich derer der Vertragspartner nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung erwarten durfte. Umstände, die für die Willensbildung des Vertragspartners offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind, müssen ungefragt offenbart werden. Das gilt vor allem für Umstände, die geeignet sind, dem Vertragspartner erheblichen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen (Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Aufl., § 123 Rn. 5 ff. m.w.N.). Auf den Versicherungsvertrag bezogen bedeutet dies, dass jedenfalls diejenigen Umstände offenbart werden müssen, die ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer für gefahrerheblich, d.h. für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, für bedeutsam halten muss.
33 
(2) Nach diesem Maßstab handelte es sich bei der MS-Erkrankung des Klägers im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung um einen gefahrerheblichen und damit offenbarungspflichtigen Umstand. Es ist allgemein und insbesondere einem an multipler Sklerose erkrankten Versicherungsnehmer bekannt, dass die multiple Sklerose eine nicht heilbare Krankheit mit in der Regel fortschreitendem Verlauf ist, mit der ein stark erhöhtes Risiko der Berufsunfähigkeit einhergeht. Die multiple Sklerose gehört damit zu den Krankheiten, für die sich der Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung besonders lohnt. Da diese Krankheit mit einem stark erhöhten Risiko der Berufsunfähigkeit einhergeht, ist undenkbar, dass ein Versicherer einen Vertrag über eine Berufsunfähigkeitsversicherung mit einem an multipler Sklerose erkrankten Versicherungsnehmer überhaupt oder jedenfalls zu den üblichen Konditionen abschließt, ohne einen Leistungsausschluss für den Fall der Berufsunfähigkeit wegen dieser Krankheit zu vereinbaren. Die Gefahrerheblichkeit der multiplen Sklerose im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Vertrages über eine Berufsunfähigkeitsversicherung liegt so sehr auf der Hand, dass sie einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, der bereits an multipler Sklerose erkrankt ist, nicht verborgen bleibt, sondern sich ihm geradezu aufdrängt. Auch wenn der Versicherer bei Vertragsschluss nicht ausdrücklich nach dem Vorliegen einer multiplen Sklerose gefragt hat, kann kein redlicher Versicherungsnehmer, der diese Krankheit hat, ernsthaft annehmen, dass das Vorliegen oder Nichtvorliegen dieser Krankheit für die Bereitschaft des Versicherers zum Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung zu den üblichen Konditionen nicht von wesentlicher Bedeutung ist. Vor diesem Hintergrund kann nicht zweifelhaft sein, dass auch dem Kläger klar war, dass die Beklagte den Vertrag über eine Berufsunfähigkeitsversicherung nicht oder zumindest nicht ohne einen Leistungsausschluss für den Fall der Berufsunfähigkeit wegen der bei Antragstellung bereits bestehenden MS-Erkrankung abgeschlossen hätte, auch wenn diese Krankheit in der im Antragsformular vorgedruckten Erklärung nicht ausdrücklich erwähnt war. Redlicherweise hätte der Kläger daher bei Antragstellung seine Krankheit offenbaren und danach fragen müssen, ob die Beklagte trotz dieser Krankheit zum Vertragsschluss bereit ist. Das Unterlassen der Offenbarung stellt eine arglistige Täuschung dar. Aus den bereits dargelegten Gründen kann auch kein Zweifel daran bestehen, dass die arglistige Täuschung für die Vertragsannahme durch die Beklagte ursächlich geworden ist und dass die Beklagte bei Offenbarung der MS-Erkrankung durch den Kläger den Versicherungsvertrag nicht oder nur mit einem Leistungsausschluss für den Fall der Berufsunfähigkeit infolge dieser Krankheit abgeschlossen hätte.
34 
Der Kläger konnte im vorliegenden Fall auch nicht annehmen, der Beklagten komme es für die Bereitschaft zum Abschluss eines Vertrages über eine Berufsunfähigkeitsversicherung nur darauf an, dass die in der vorgedruckten Erklärung ausdrücklich genannten Krankheiten nicht vorliegen. Denn es liegt auf der Hand und ist einem an multipler Sklerose erkrankten durchschnittlichen Versicherungsnehmer bekannt, dass diese Krankheit ein ebenso großes Risiko der Berufsunfähigkeit in sich birgt wie die in dem Antragsformular genannten Krankheiten und dass das Vorliegen oder Nichtvorliegen dieser Krankheit daher für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, von ebenso ausschlaggebender Bedeutung ist wie das Vorliegen oder Nichtvorliegen der in dem Antragsformular genannten Krankheiten. Anders als in Fällen, in denen der Versicherer dem Versicherungsnehmer vor Vertragsschluss einen umfangreichen Fragenkatalog präsentiert und darüber hinaus die Namen der Ärzte erfragt, die den Antragsteller regelmäßig behandeln oder in den zurückliegenden Jahren behandelten, durfte der Kläger im Streitfall redlicherweise nicht darauf vertrauen, er habe bereits mit dem wahrheitsgemäßen Ankreuzen der vorgedruckten Erklärung seine Anzeigepflicht vollständig erfüllt. Indem er gleichwohl eine von ihm selbst als gefahrerheblich erkannte Krankheit nicht angab, hat er zumindest billigend in Kauf genommen, dass der Versicherer den Vertrag bei Anzeige der Krankheit nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt abgeschlossen hätte.
35 
Indem die Beklagte im Vertrauen auf die Redlichkeit des Antragstellers für diesen erkennbar auf einen umfangreichen Fragenkatalog und auf routinemäßige Nachforschungen bei den behandelnden Ärzten verzichtete, ist ihr die Ausübung des Anfechtungsrechts - anders als in der von dem BGH (Urteil vom 25. März 1992 – IV ZR 55/91 –, BGHZ 117, 385-389, juris) entschiedenen Konstellation - auch nicht wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) verwehrt.
36 
cc. Die Beklagte hat die Anfechtung des Vertrages rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist des § 124 BGB erklärt. Die Anfechtungserklärung der Beklagten genügt auch dem Erfordernis, dass für den Anfechtungsgegner erkennbar sein muss, auf welchen tatsächlichen Grund die Anfechtung gestützt wird (vgl. Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 143 Rn. 3 m.w.N.). In dem Anfechtungsschreiben vom 07.03.2013 (Anl. K5) wird die Anfechtung – ebenso wie in der Klageerwiderung der Beklagten – zwar in erster Linie darauf gestützt, dass der Kläger bei Vertragsschluss entgegen der von ihm abgegebenen Erklärung nicht in der Lage gewesen sei, in vollem Umfang seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Dieser Gesichtspunkt ist aber untrennbar verbunden mit der bereits bei Vertragsschluss bestehenden MS-Erkrankung des Klägers, auf die in dem Anfechtungsschreiben vom 07.03.2013 ausdrücklich Bezug genommen wurde. Zudem führte die Beklagte in dem Anfechtungsschreiben (dort Seite 4, 5. Absatz) ausdrücklich das vorsätzliche Verschweigen von gefahrerheblichen Umständen – damit ist zweifelsohne die MS-Erkrankung des Klägers gemeint – als Anfechtungsgrund an. Das Erfordernis, dass für den Anfechtungsgegner der Anfechtungsgrund erkennbar sein muss, schließt es im Übrigen nicht aus, nach Ablauf der Anfechtungsfrist solche Gründe nachzuschieben, die in enger inhaltlicher Verbindung zu den bereits zuvor für den Versicherungsnehmer erkennbar gewesenen Gründen stehen (Armbrüster, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 22 Rn. 34).
37 
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in § 709 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 48 GKG, 3 ZPO.

Gründe

 
26 
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
27 
1. Dem Kläger steht kein Leistungsanspruch aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrag über eine Berufsunfähigkeitsversicherung zu, weil die Beklagte diesen Vertrag mit Schreiben vom 07.03.2013 wirksam gemäß § 22 VVG i.V.m. § 123 BGB angefochten hat. Gemäß § 142 Abs. 1 BGB ist der Vertrag damit als von Anfang an nichtig anzusehen.
28 
a. Es kann offenbleiben, ob eine arglistige Täuschung der Beklagten darin liegt, dass der Kläger durch Ankreuzen der vorgedruckten Erklärung zu seinem Gesundheitszustand in dem Versicherungsantrag vom 25.03.2010 die Angabe machte, dass er bei Antragstellung fähig gewesen sei, in vollem Umfang seiner Berufstätigkeit nachzugehen. Gegen die Annahme einer bewusst wahrheitswidrigen Angabe spricht in diesem Zusammenhang jedoch, dass sich ungeachtet der bei dem Kläger bereits seit 2002 bestehenden MS-Erkrankung und der bereits vor Antragstellung erfolgten Feststellung seiner Schwerbehinderteneigenschaft durch das Versorgungsamt ausweislich der betriebsärztlichen Bescheinigung vom 20.03.2014 (Anl. K6) bei der betriebsärztlichen Untersuchung am 27.09.2010 noch „keine spezifischen Anzeichen für eine Beeinträchtigung bezüglich der Ausübung des Berufes“ aufgrund der konkreten Ausgestaltung des dem Kläger zugewiesenen Arbeitsplatzes ergeben hatten und dass der Kläger seinen Beruf als Orthopädietechniker im Zeitpunkt der Antragstellung auch tatsächlich noch ausübte.
29 
b. Die von der Beklagten erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist jedenfalls deswegen begründet, weil der Kläger arglistig gefahrerhebliche Umstände, zu deren Offenbarung er nach Treu und Glauben verpflichtet war, verschwiegen hat.
30 
aa. Ob eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung wegen des Unterlassens der Angabe von offenbarungspflichtigen Umständen auch dann in Betracht kommt, wenn diese Umstände vom Versicherer – wie hier – bei Vertragsschluss nicht ausdrücklich erfragt wurden, oder ob die Anfechtung in einem solchen Fall durch § 19 VVG ausgeschlossen ist, ist umstritten und bislang, soweit ersichtlich, noch nicht höchstrichterlich oder obergerichtlich entschieden worden (vgl. die Nachweise bei Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl., § 22 Rn. 3). Nach der wohl überwiegenden Auffassung im Schrifttum wird die Anfechtung in einem solchen Fall durch § 19 VVG nicht ausgeschlossen. Dieser Auffassung ist zu folgen. Die Beschränkung der Anzeigepflicht auf eine Antwortpflicht soll den Versicherungsnehmer nämlich von dem Risiko entlasten, die Anzeigepflicht (wenn auch schuldlos) infolge einer Fehleinschätzung der Gefahrerheblichkeit eines Umstandes zu verletzen. Geht der Versicherungsnehmer aber selbst davon aus, dass die Kenntnis des Versicherers von bestimmten Umständen trotz des Fehlens entsprechender Fragen dessen Entscheidung beeinflusst, was Voraussetzung einer Täuschung ist, dann ist er diesem Risiko nicht ausgesetzt, weil das Unterbleiben ordnungsgemäßer Fragen keinerlei Rolle für sein Verhalten gegenüber dem Versicherer spielt. Daher kann das Unterbleiben auch eine Offenbarungspflicht nicht hindern. Das bedeutet, dass eine solche Pflicht jedenfalls besteht, wenn es um Umstände geht, die auch nach der Einschätzung des Versicherungsnehmers trotz des Unterbleibens diesbezüglicher Fragen gefahrerheblich sind (so zutreffend Armbrüster, in: Prölss/Martin, a.a.O.,Rn 3). § 22 VVG verweist im Übrigen ohne jede Einschränkung auf das Recht zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB. Im Rahmen der Arglistanfechtung nach § 123 BGB ist aber bereits seit langem anerkannt, dass eine Täuschung auch durch Verschweigen von offenbarungspflichtigen Umständen erfolgen kann. Hätte der Gesetzgeber im Versicherungsvertragsrecht die Arglistanfechtung auf fehlerhafte Angaben zu gefahrerheblichen Umständen, die der Versicherer in Textform ausdrücklich erfragt hat, beschränken wollen, hätte es nahegelegen, eine solche Beschränkung in § 22 VVG – der dann freilich weitgehend leerliefe – zum Ausdruck zu bringen.
31 
bb. Indem der Kläger bei Antragstellung gegenüber (dem Versicherungsvertreter) der Beklagten nicht angab, dass er an einer multiplen Sklerose leidet, die erstmals im Jahr 2002 diagnostiziert und wegen der er seitdem fortlaufend ärztlich behandelt wurde, hat er einen gefahrerheblichen Umstand, der für die Bereitschaft der Beklagten, den Vertrag über eine Berufsunfähigkeitsversicherung zu den von ihr angebotenen Konditionen abzuschließen, von erheblicher Bedeutung war, arglistig verschwiegen.
32 
(1) Beim Abschluss von Verträgen besteht grundsätzlich eine Offenbarungspflicht über solche Umstände, hinsichtlich derer der Vertragspartner nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung erwarten durfte. Umstände, die für die Willensbildung des Vertragspartners offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind, müssen ungefragt offenbart werden. Das gilt vor allem für Umstände, die geeignet sind, dem Vertragspartner erheblichen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen (Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Aufl., § 123 Rn. 5 ff. m.w.N.). Auf den Versicherungsvertrag bezogen bedeutet dies, dass jedenfalls diejenigen Umstände offenbart werden müssen, die ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer für gefahrerheblich, d.h. für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, für bedeutsam halten muss.
33 
(2) Nach diesem Maßstab handelte es sich bei der MS-Erkrankung des Klägers im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung um einen gefahrerheblichen und damit offenbarungspflichtigen Umstand. Es ist allgemein und insbesondere einem an multipler Sklerose erkrankten Versicherungsnehmer bekannt, dass die multiple Sklerose eine nicht heilbare Krankheit mit in der Regel fortschreitendem Verlauf ist, mit der ein stark erhöhtes Risiko der Berufsunfähigkeit einhergeht. Die multiple Sklerose gehört damit zu den Krankheiten, für die sich der Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung besonders lohnt. Da diese Krankheit mit einem stark erhöhten Risiko der Berufsunfähigkeit einhergeht, ist undenkbar, dass ein Versicherer einen Vertrag über eine Berufsunfähigkeitsversicherung mit einem an multipler Sklerose erkrankten Versicherungsnehmer überhaupt oder jedenfalls zu den üblichen Konditionen abschließt, ohne einen Leistungsausschluss für den Fall der Berufsunfähigkeit wegen dieser Krankheit zu vereinbaren. Die Gefahrerheblichkeit der multiplen Sklerose im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Vertrages über eine Berufsunfähigkeitsversicherung liegt so sehr auf der Hand, dass sie einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, der bereits an multipler Sklerose erkrankt ist, nicht verborgen bleibt, sondern sich ihm geradezu aufdrängt. Auch wenn der Versicherer bei Vertragsschluss nicht ausdrücklich nach dem Vorliegen einer multiplen Sklerose gefragt hat, kann kein redlicher Versicherungsnehmer, der diese Krankheit hat, ernsthaft annehmen, dass das Vorliegen oder Nichtvorliegen dieser Krankheit für die Bereitschaft des Versicherers zum Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung zu den üblichen Konditionen nicht von wesentlicher Bedeutung ist. Vor diesem Hintergrund kann nicht zweifelhaft sein, dass auch dem Kläger klar war, dass die Beklagte den Vertrag über eine Berufsunfähigkeitsversicherung nicht oder zumindest nicht ohne einen Leistungsausschluss für den Fall der Berufsunfähigkeit wegen der bei Antragstellung bereits bestehenden MS-Erkrankung abgeschlossen hätte, auch wenn diese Krankheit in der im Antragsformular vorgedruckten Erklärung nicht ausdrücklich erwähnt war. Redlicherweise hätte der Kläger daher bei Antragstellung seine Krankheit offenbaren und danach fragen müssen, ob die Beklagte trotz dieser Krankheit zum Vertragsschluss bereit ist. Das Unterlassen der Offenbarung stellt eine arglistige Täuschung dar. Aus den bereits dargelegten Gründen kann auch kein Zweifel daran bestehen, dass die arglistige Täuschung für die Vertragsannahme durch die Beklagte ursächlich geworden ist und dass die Beklagte bei Offenbarung der MS-Erkrankung durch den Kläger den Versicherungsvertrag nicht oder nur mit einem Leistungsausschluss für den Fall der Berufsunfähigkeit infolge dieser Krankheit abgeschlossen hätte.
34 
Der Kläger konnte im vorliegenden Fall auch nicht annehmen, der Beklagten komme es für die Bereitschaft zum Abschluss eines Vertrages über eine Berufsunfähigkeitsversicherung nur darauf an, dass die in der vorgedruckten Erklärung ausdrücklich genannten Krankheiten nicht vorliegen. Denn es liegt auf der Hand und ist einem an multipler Sklerose erkrankten durchschnittlichen Versicherungsnehmer bekannt, dass diese Krankheit ein ebenso großes Risiko der Berufsunfähigkeit in sich birgt wie die in dem Antragsformular genannten Krankheiten und dass das Vorliegen oder Nichtvorliegen dieser Krankheit daher für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, von ebenso ausschlaggebender Bedeutung ist wie das Vorliegen oder Nichtvorliegen der in dem Antragsformular genannten Krankheiten. Anders als in Fällen, in denen der Versicherer dem Versicherungsnehmer vor Vertragsschluss einen umfangreichen Fragenkatalog präsentiert und darüber hinaus die Namen der Ärzte erfragt, die den Antragsteller regelmäßig behandeln oder in den zurückliegenden Jahren behandelten, durfte der Kläger im Streitfall redlicherweise nicht darauf vertrauen, er habe bereits mit dem wahrheitsgemäßen Ankreuzen der vorgedruckten Erklärung seine Anzeigepflicht vollständig erfüllt. Indem er gleichwohl eine von ihm selbst als gefahrerheblich erkannte Krankheit nicht angab, hat er zumindest billigend in Kauf genommen, dass der Versicherer den Vertrag bei Anzeige der Krankheit nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt abgeschlossen hätte.
35 
Indem die Beklagte im Vertrauen auf die Redlichkeit des Antragstellers für diesen erkennbar auf einen umfangreichen Fragenkatalog und auf routinemäßige Nachforschungen bei den behandelnden Ärzten verzichtete, ist ihr die Ausübung des Anfechtungsrechts - anders als in der von dem BGH (Urteil vom 25. März 1992 – IV ZR 55/91 –, BGHZ 117, 385-389, juris) entschiedenen Konstellation - auch nicht wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) verwehrt.
36 
cc. Die Beklagte hat die Anfechtung des Vertrages rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist des § 124 BGB erklärt. Die Anfechtungserklärung der Beklagten genügt auch dem Erfordernis, dass für den Anfechtungsgegner erkennbar sein muss, auf welchen tatsächlichen Grund die Anfechtung gestützt wird (vgl. Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 143 Rn. 3 m.w.N.). In dem Anfechtungsschreiben vom 07.03.2013 (Anl. K5) wird die Anfechtung – ebenso wie in der Klageerwiderung der Beklagten – zwar in erster Linie darauf gestützt, dass der Kläger bei Vertragsschluss entgegen der von ihm abgegebenen Erklärung nicht in der Lage gewesen sei, in vollem Umfang seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Dieser Gesichtspunkt ist aber untrennbar verbunden mit der bereits bei Vertragsschluss bestehenden MS-Erkrankung des Klägers, auf die in dem Anfechtungsschreiben vom 07.03.2013 ausdrücklich Bezug genommen wurde. Zudem führte die Beklagte in dem Anfechtungsschreiben (dort Seite 4, 5. Absatz) ausdrücklich das vorsätzliche Verschweigen von gefahrerheblichen Umständen – damit ist zweifelsohne die MS-Erkrankung des Klägers gemeint – als Anfechtungsgrund an. Das Erfordernis, dass für den Anfechtungsgegner der Anfechtungsgrund erkennbar sein muss, schließt es im Übrigen nicht aus, nach Ablauf der Anfechtungsfrist solche Gründe nachzuschieben, die in enger inhaltlicher Verbindung zu den bereits zuvor für den Versicherungsnehmer erkennbar gewesenen Gründen stehen (Armbrüster, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 22 Rn. 34).
37 
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in § 709 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 48 GKG, 3 ZPO.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.

(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.

(1) Der Versicherungsnehmer hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen. Stellt der Versicherer nach der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, aber vor Vertragsannahme Fragen im Sinn des Satzes 1, ist der Versicherungsnehmer auch insoweit zur Anzeige verpflichtet.

(2) Verletzt der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht nach Absatz 1, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten.

(3) Das Rücktrittsrecht des Versicherers ist ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. In diesem Fall hat der Versicherer das Recht, den Vertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündigen.

(4) Das Rücktrittsrecht des Versicherers wegen grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht und sein Kündigungsrecht nach Absatz 3 Satz 2 sind ausgeschlossen, wenn er den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte. Die anderen Bedingungen werden auf Verlangen des Versicherers rückwirkend, bei einer vom Versicherungsnehmer nicht zu vertretenden Pflichtverletzung ab der laufenden Versicherungsperiode Vertragsbestandteil.

(5) Dem Versicherer stehen die Rechte nach den Absätzen 2 bis 4 nur zu, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat. Die Rechte sind ausgeschlossen, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte.

(6) Erhöht sich im Fall des Absatzes 4 Satz 2 durch eine Vertragsänderung die Prämie um mehr als 10 Prozent oder schließt der Versicherer die Gefahrabsicherung für den nicht angezeigten Umstand aus, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des Versicherers ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer in der Mitteilung auf dieses Recht hinzuweisen.

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

(1) Der Versicherungsnehmer hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen. Stellt der Versicherer nach der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, aber vor Vertragsannahme Fragen im Sinn des Satzes 1, ist der Versicherungsnehmer auch insoweit zur Anzeige verpflichtet.

(2) Verletzt der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht nach Absatz 1, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten.

(3) Das Rücktrittsrecht des Versicherers ist ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. In diesem Fall hat der Versicherer das Recht, den Vertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündigen.

(4) Das Rücktrittsrecht des Versicherers wegen grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht und sein Kündigungsrecht nach Absatz 3 Satz 2 sind ausgeschlossen, wenn er den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte. Die anderen Bedingungen werden auf Verlangen des Versicherers rückwirkend, bei einer vom Versicherungsnehmer nicht zu vertretenden Pflichtverletzung ab der laufenden Versicherungsperiode Vertragsbestandteil.

(5) Dem Versicherer stehen die Rechte nach den Absätzen 2 bis 4 nur zu, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat. Die Rechte sind ausgeschlossen, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte.

(6) Erhöht sich im Fall des Absatzes 4 Satz 2 durch eine Vertragsänderung die Prämie um mehr als 10 Prozent oder schließt der Versicherer die Gefahrabsicherung für den nicht angezeigten Umstand aus, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des Versicherers ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer in der Mitteilung auf dieses Recht hinzuweisen.

Das Recht des Versicherers, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, bleibt unberührt.

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.

(2) Für die Übermittlung des erteilten Rats und der Gründe hierfür gilt § 6a.

(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.

(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.

(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des § 210 Absatz 2 nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.

Das Recht des Versicherers, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, bleibt unberührt.

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 19/01 Verkündet am:
18. März 2003
Mayer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
ArbEG §§ 5 Abs. 2, 12; BGB § 123
Gehäusekonstruktion

a) Die Anfechtung einer Vergütungsvereinbarung wegen arglistiger Täuschung
kommt in Betracht, wenn ein Arbeitnehmer, der eine Diensterfindung gemacht hat,
seinem Arbeitgeber bei der Meldung der Erfindung eine nicht unerhebliche Mitwirkung
von Mitarbeitern am Zustandekommen der Erfindung vorsätzlich verschweigt
und als alleiniger Erfinder sich eine Vergütung versprechen läßt.

b) Bei der Meldung der Erfindung hat ein Arbeitnehmererfinder den Arbeitgeber
auch darüber zu informieren, ob und in welchem Umfang Mitarbeiter am Zustandekommen
der Erfindung beteiligt waren. Die Information über diese Angaben
steht nicht im Ermessen des Arbeitnehmers.
BGH, Urt. vom 18. März 2003 - X ZR 19/01 - OLG München
LG München I
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 18. März 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und
die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, Keukenschrijver und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das am 30. November 2000 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Vereinbarung auf Zahlung der fälligen Arbeitnehmererfindervergütung und Feststellung der künftigen Zahlungspflicht in Anspruch.

Der Kläger war von Oktober 1991 bis zum 31. Dezember 1998 bei der Beklagten, einer mit der Herstellung von Heizungs-, Lüftungs- und Klimageräten befaßten Maschinenfabrik, beschäftigt. Im Juli 1995 wurde er in die Forschungs - und Entwicklungsabteilung der Beklagten versetzt und war von da ab an der Entwicklung und Konstruktion neuer raumlufttechnischer Geräte beteiligt.
Im Rahmen des Projekts "Neuer ..." zeigte der Kläger der Beklagten eine neue Gehäusekonstruktion insbesondere für Heizungs-, Lüftungs- und Klimageräte und/oder -kanäle an. Die Beklagte nahm die Erfindung in Anspruch und meldete sie am 10. Juli 1997 beim Deutschen Patent- und Markenamt zum Patent an. Dabei benannte sie den Kläger als Alleinerfinder. Die Erteilung des Schutzrechts DE 197 ... wurde am 3. Dezember 1998 veröffentlicht.
Mit Schreiben vom 8. September 1997 bot die Beklagte dem Kläger den Abschluß folgender Vereinbarung an:
"Für die von Herrn H. gemachte Erfindung über die Detailmerkmale am neuen ... errechnet sich auf Grundlage des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen ... und den Richtlinien ... sowie unter Anwendung eines Risikozuschlags bis zur Erteilung des endgültigen Patents für die Dauer der Nutzung der Erfindung durch das Unternehmen eine jährliche Erfinderprämie von DM 10.000,-- bis zum Zeitpunkt der endgültigen Erteilung des Patents und DM 20.000,-- ab dem Zeitpunkt der endgültigen Erteilung des Patents (gerechnet auf die volle Nutzung über 12 Monate). Die Auszahlung der Prämie erfolgt einmalig am Ende jeden Jahres ..." Der Kläger erklärte auf derselben Urkunde:

"Hiermit erkenne ich die oben ausgeführte Prämienfestlegung der Erfindung nach dem ArbEG 450 und der Richtlinie 455 unwiderruflich an." Die Beklagte zahlte die Erfindervergütung für das Jahr 1997 vereinbarungsgemäß. Mit Schreiben vom 29. Dezember 1998 äußerte sie Zweifel an der Alleinerfinderschaft des Klägers und focht schließlich mit Schreiben ihres anwaltlichen Vertreters vom 25. Januar 1999 die Vereinbarung vom 8. September 1997 wegen arglistiger Täuschung an, weil der Kläger sie unter Verschweigen der Anteile seiner Miterfinder falsch informiert habe. Am 25. März 1999 verlangte sie unter Berufung auf § 12 Abs. 6 ArbEG Zustimmung zu einer Neuregelung für die Zeit ab 1998, wobei sie eine jährliche Prämie von 400,-- DM, berechnet auf der Grundlage von sieben weiteren Miterfindern, und einem Lizenzsatz von 1 % anbot. Mit Schreiben ihres Patentanwalts vom 14. Mai 1999 setzte sie schließlich die Erfindervergütung unter Berücksichtigung eines (unveränderten ) Anteilsfaktors von 10 %, eines Lizenzsatzes von 1 % sowie eines wegen drei Miterfinder geminderten Beteiligungsfaktors von 25 % auf 800,-- DM jährlich fest.
Mit der Behauptung, er sei im Rahmen des Projekts "Neuer ..." allein für die gesamte Entwicklung und Konstruktion zuständig gewesen, einen Miterfinder gebe es nicht, ein Anfechtungsgrund sei deshalb nicht gegeben, hat der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für das Jahr 1998 eine Erfindervergütung in Höhe von 10.833,-- DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen, 2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm über die Dauer der Benutzung des deutschen Patents 197 ... eine jährliche Erfindervergütung von 20.000,-- DM zu zahlen, und zwar jeweils zahlbar im Dezember, beginnend mit Dezember 1999. Die Beklagte hat die Ansprüche des Klägers jeweils in Höhe von 800,-- DM anerkannt und im übrigen beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat die Beklagte ihrem Anerkenntnis entsprechend zur Zahlung von jeweils 800,-- DM für die Jahre 1998 und 1999 sowie zur Zahlung von 10.033,-- DM für 1998 und 19.200,-- DM für 1999 verurteilt. Ferner hat es festgestellt, daß die Beklagte für die Dauer der Nutzung des Patents ab Dezember 2000 zu einer jährlichen Vergütung von 800,-- DM und 19.200,-- DM verpflichtet ist. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
In einem Verfahren vor dem Landgericht München I (21 O 14283/99) haben drei Kläger Miterfinderrechte an der streitigen Erfindung beansprucht. Das Landgericht München I hat durch Urteil vom 21. März 2001 den Kläger (dortigen Beklagten) rechtskräftig verurteilt, gegenüber dem Deutschen Patentund Markenamt seine Zustimmung zu erklären, daß neben ihm der (dortige) Kläger K. R. als Miterfinder in der Patentrolle eingetragen wird, weil R. einen wesentlichen Beitrag zu der streitigen Erfindung geleistet habe.

Mit der Revision erstrebt die Beklagte Aufhebung des angefochtenen Urteils und Klageabweisung, soweit der Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Erfindervergütung über ihr Anerkenntnis hinausgeht. Der Kläger bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat dem Kläger über das Anerkenntnis der Beklagten hinaus einen Anspruch auf Erfindervergütung aus dem Vertrag vom 8. September 1997 zugesprochen. Ein Anfechtungsrecht der Beklagten wegen arglistiger Täuschung hat es hingegen verneint. Dazu hat es unter Bezugnahme auf die Feststellungen des Landgerichts ausgeführt, die Beklagte habe Anfechtungsgründe in ausreichend substantiierter Weise nicht rechtzeitig vorgetragen ; eine andere Möglichkeit, die getroffene Vereinbarung zu beseitigen oder abzuändern, bestehe nicht. Die Beklagte habe nicht bewiesen, daß der Kläger objektiv falsche Angaben gemacht habe, so daß es auf die subjektive Seite der arglistigen Täuschung nicht ankomme. Da die Beklagte eine zeitlich vorausgehende Erfindung gegenüber der vom Kläger dem Arbeitgeber mitgeteilten eigenen Erfindung behaupte, auf die der Kläger nach seiner Versetzung ins Werk W. gestoßen sei, habe die Beklagte darlegen müssen, wann welcher ihrer Mitarbeiter welchen tatsächlichen Teil des Patentanspruchs 1 als lösungswesentlich erkannt und offenbart habe. Es komme nicht darauf an, ob die einzelnen Beiträge erfinderisch seien, sondern darauf, welche Merkmale des Patentanspruchs die Zeugen R., K. und B. (oder andere) wann gefunden und als wesentlich erkannt und beibehalten hätten. Der Umstand, daß der Kläger von der Entwicklungsabteilung der Beklagten ins Werk W. gesandt worden sei, um eine Lösung zu entwickeln, das Pflichtenheft und die weitere zeitliche Ab-

folge sprächen dagegen, daß der Kläger in W. mit einer bereits vorhandenen Lösung konfrontiert worden sei. Das Landgericht habe die Beklagte auf ihren mangelhaften Vortrag hingewiesen. Gleichwohl habe sie in ihrer Berufungsbegründung den als unzureichend zurückgewiesenen Vortrag wiederholt. Einzelheiten habe die Beklagte im Berufungsverfahren erst verspätet mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2000 vorgetragen, was sie nicht hinreichend entschuldigt habe. Eine Zulassung dieses Vortrags hätte die Erledigung des Rechtsstreits verzögert.
2. Diese Beurteilung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Gemäß § 123 BGB kann seine Willenserklärung anfechten, wer zu ihrer Abgabe durch arglistige Täuschung bestimmt worden ist. Die Täuschung kann durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen oder durch ihr Verschweigen begangen werden. Verschweigen von Tatsachen stellt nur dann eine Täuschungshandlung dar, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsachen eine Aufklärungspflicht besteht. Eine solche Pflicht gegenüber dem Arbeitgeber erwächst dem Arbeitnehmer aus dem arbeitsrechtlichen Treueverhältnis. Ein Arbeitnehmer, der im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses eine technische Neuerung gefunden hat, muß allein auf Grund dieses Umstandes davon ausgehen, daß die Neuerung für den Arbeitgeber von erheblicher technischer und wirtschaftlicher Bedeutung sein kann und daß die Wahrung der Interessen des Arbeitgebers ihn verpflichten, dem Arbeitgeber die Erfindung unverzüglich mitzuteilen. Aus der Bedeutung für den Arbeitgeber wird er weiter schließen müssen, daß die bloße Mitteilung der Erfindung nicht ausreicht, son-

dern daß er die Erfindung und die Umstände ihres Zustandekommens näher beschreiben muß, insbesondere welche technische Aufgabe im Betrieb gestellt war, welche Erfahrungen benutzt wurden sowie wer in welchem Umfang an der Erfindung mitgearbeitet hat, um den Arbeitgeber in den Stand zu setzen, die Erfindung sachgerecht zu bewerten, vor allem auch die Vergütung richtig festzusetzen. Veranlaßt der Arbeitnehmer durch falsche Angaben eine Fehlbewertung der Erfindung oder verschweigt er bewußt erkennbar erhebliche Umstände , welche die Erfindung und deren Zustandekommen betreffen, so kann der Arbeitgeber eine Vergütungsvereinbarung mit dem Arbeitnehmer wegen arglistiger Täuschung anfechten (vgl. Sen.Urt. v. 17.4.1973 - X ZR 59/69, GRUR 1973, 649, 650 - Absperrventil; Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindergesetz, 4. Aufl. § 12 Rdn. 94, 105).

b) Diese Verpflichtung des Arbeitnehmers zur umfassenden Information findet in den Regelungen des Arbeitnehmererfindergesetzes (ArbEG) Bestätigung. Nach § 5 Abs. 1 ArbEG hat der Arbeitnehmer, der eine Diensterfindung gemacht hat, diese unverzüglich seinem Arbeitgeber gesondert schriftlich zu melden und hierbei kenntlich zu machen, daß es sich um die Meldung einer Erfindung handelt. Abs. 2 der Vorschrift bestimmt den Inhalt der Meldung. Nach Satz 1 hat der Arbeitnehmer die technische Aufgabe, ihre Lösung und das Zustandekommen der Diensterfindung zu beschreiben. Nach Satz 3 soll die Meldung dem Arbeitnehmer dienstlich erteilte Weisungen oder Richtlinien, die benutzten Erfahrungen oder Arbeiten des Betriebes, die Mitarbeiter sowie Art und Umfang ihrer Mitarbeit angeben und hervorheben, was der meldende Arbeitnehmer als seinen eigenen Anteil an der Erfindung ansieht.

Die Information über diese Angaben steht nicht im Ermessen des Arbeitnehmers (Bartenbach/Volz, aaO, § 5 Rdn. 73). Zwar hat der Gesetzgeber die in Satz 3 genannten Kriterien nicht als zwingende (Muß-)Vorschrift entsprechend § 5 Abs. 2 Satz 1 ArbEG geregelt. Da der Arbeitgeber nach Meldung der Diensterfindung gemäß § 6 ArbEG über die Inanspruchnahme entscheiden muß, müssen die Angaben des Arbeitnehmers aber so gestaltet sein, daß der Arbeitgeber eine sachgerechte Entscheidung treffen kann. Die Entschließung des Arbeitgebers hängt zum einen davon ab, ob überhaupt eine Diensterfindung vorliegt. Sie wird aber auch von der Überlegung beeinflußt, in welchem Umfang der Arbeitgeber später Erfindervergütung zahlen muß. Die Höhe der Vergütung hängt wiederum unter anderem von der Frage ab, ob und wie viele Miterfinder beteiligt waren. Schon das begründet auch aus der Sicht des Arbeitnehmers ein erkennbares schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an der Information über die Beteiligung von Mitarbeitern an der Erfindung und die Art und den Umfang ihrer Tätigkeit. Dieses folgt zudem auch daraus, daß jeder Arbeitnehmererfinder einen eigenständigen Vergütungsanspruch gegen den Arbeitgeber besitzt. Bei einer Mehrzahl beteiligter Miterfinder ist deshalb die Vergütung für jeden gesondert zu vereinbaren ("festzustellen") oder festzusetzen (§ 12 ArbEG). Jeder Miterfinder hat gegen den Arbeitgeber einen eigenen, selbständigen Vergütungsanspruch, den er unabhängig von den übrigen Miterfindern geltend machen kann (BGH, Urt. v. 2.12.1960 - I ZR 23/59, GRUR 1961, 338, 341 - Chlormethylierung; Busse, Patentgesetz, 5. Aufl. § 12 ArbEG Rdn. 11). Kommt eine einverständliche Feststellung der Vergütung nur mit einzelnen Miterfindern zustande, ist gegenüber den übrigen die Vergütung festzusetzen (Bartenbach/Volz, aaO, § 12 Rdn. 39; Busse, aaO, § 12 ArbEG Rdn. 11). Wäre

bei dieser Sachlage der anmeldende Arbeitnehmer nicht verpflichtet, die Betei- ligung Dritter zu offenbaren, sähe sich der Arbeitgeber, wenn ein Miterfinder Rechte aus der Erfindung geltend macht, einem weiteren Vergütungsanspruch ausgesetzt, ohne diesem gegenüber auf die Zahlung an den Ersten verweisen zu können. Zwar richtet sich die Rechtsstellung von Miterfindern (§ 6 PatG) untereinander nach Vertrag, ergänzend nach §§ 705 ff. BGB und bei Fehlen einer Vereinbarung nach §§ 741 ff. BGB (Sen.Urt. v. 17.10.2000 - X ZR 223/98, GRUR 2001, 226, 227 - Rollenantriebseinheit m.w.N.). Daraus erwachsen aber dem Arbeitgeber, der an einen Miterfinder gezahlt hat, keine Ansprüche; ebensowenig ergibt sich daraus die Möglichkeit von Korrekturen festgesetzter Vergütungsansprüche zu Lasten der jeweils betroffenen Mitarbeiter.

c) Die Informationspflicht des Arbeitnehmers nach § 5 Abs. 2 Satz 3 ArbEG bezieht sich nicht nur auf die Mitteilung von Miterfindern und deren Anteil an der Erfindung, wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist, sondern auf jede Beteiligung weiterer Mitarbeiter an der Erfindung und Art und Umfang ihrer Mitarbeit. Wie der umfassende und wertneutrale Begriff "Mitarbeiter" verdeutlicht , sind darunter sowohl die Miterfinder im Sinne des § 6 Satz 2 PatG als auch sonstige am Zustandekommen der Erfindung beteiligte Personen (Erfindungsgehilfen ) zu verstehen (Bartenbach/Volz, aaO, § 5 Rdn. 80; Heine/ Rebitzki, Arbeitnehmererfindungen, 3. Aufl., § 5 Anm. 6; Reimer/Schade/ Schippel, Das Recht der Arbeitnehmererfindung, 6. Aufl., § 5 Rdn. 32; a.A. Volmer, Arbeitnehmererfindergesetz, 1958, § 5 Rdn. 43). Der Gesetzgeber hat den weiten Begriff gewählt, um die häufig schwierige Abgrenzung zwischen Miterfindern und Erfindungsgehilfen nicht dem anmeldenden Arbeitnehmer, sondern dem Arbeitgeber zu überlassen (Bartenbach/Volz, aaO, § 5 Rdn. 80),

der hierzu durch die tatsächlichen Angaben des Arbeitnehmers in den Stand versetzt werden muß. Die Angaben über Art und Umfang der Mitarbeit Dritter und die Bewertung des Anteils der Mitarbeiter und des eigenen Erfinderanteils sollen dem Arbeitgeber eine abschließende Bewertung der Mitwirkung der Beteiligten ermöglichen.

d) Dieser Auslegung des Gesetzes steht § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbEG nicht entgegen. Diese Vorschrift sieht zur Vermeidung von Meinungsverschiedenheiten der Arbeitsvertragsparteien über die Erfüllung der Inhaltserfordernisse der Anmeldung vor (Begründung BT-Drucks. II/1648 S. 22 = BlPMZ 1957, 230), daß eine nicht ordnungsgemäße Erfindungsmeldung als ordnungsgemäß gilt, wenn der Arbeitgeber sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zugang substantiiert beanstandet. Die Fiktionsregelung geht von einer - nicht ordnungsgemäßen - Meldung aus, die zwar den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 ArbEG , nicht aber denen des Abs. 2 entspricht (BGH, Urt. v. 25.2.1958 - I ZR 181/56, GRUR 1958, 334, 337 - Mitteilungs- und Meldepflicht). Die Fiktionswirkung greift selbst dann ein, wenn der Arbeitnehmer keine Angaben über die Erfindung im Sinne des § 5 Abs. 2 ArbEG gemacht hat (Bartenbach/Volz, aaO, § 5 Rdn. 84; Busse, aaO, § 5 ArbEG Rdn. 11). Dem Arbeitgeber ist es überlassen, die Anmeldung auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen und gegebenenfalls ergänzende Angaben zu verlangen, zu denen der Arbeitnehmer nach § 15 Abs. 2 ArbEG verpflichtet ist. Aus der Regelung in § 5 Abs. 3 ArbEG folgt hingegen ein Ausschluß des Rechts nicht, die Vergütungsvereinbarung wegen arglistiger Täuschung anzufechten.


e) Rechtsfehlerhaft haben das Landgericht und ihm folgend das Beru- fungsgericht bei der Frage, ob die Beklagte den Anfechtungsgrund schlüssig dargetan hat, darauf abgestellt, ob der Kläger der Wahrheit zuwider nicht Alleinerfinder der patentierten Gehäusekonstruktion ist. Beide Vorinstanzen haben zur Substantiierung des Anfechtungsgrundes Angaben der Beklagten dazu verlangt, "welche - über die Zugehörigkeit zu einem mit der nunmehr geschützten Erfindung befaßtes Arbeitsteam hinausgehenden - konkreten Beiträge die angeblichen Miterfinder geleistet haben" und "wer in welcher Weise das Merkmal der zweilagigen Ausbildung des Randflansches entwickelt hat" und "welcher ihrer Mitarbeiter welchen tatsächlichen Teil des Patentanspruchs als lösungswesentlich erkannt und offenbart haben soll". Das Berufungsgericht hat dabei zu Unrecht darauf abgestellt, daß Anfechtungsgrund eine Täuschung über die Alleinerfinderschaft des Klägers ist beziehungsweise das Verschweigen der Beteiligung mehrerer Miterfinder. Die von der Beklagten behauptete Täuschungshandlung besteht vielmehr darin, daß der Kläger unter Verletzung seiner Mitteilungspflicht nach § 5 Abs. 2 Satz 3 ArbEG die Mitarbeit Dritter und deren Art und Umfang der Beteiligung verschwiegen und dadurch die Beklagten zu einer Vergütungsvereinbarung zu seinen Gunsten veranlaßt haben soll.

f) Die Beklagte hat auch ihrer Substantiierungspflicht genügt. Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist nämlich schon dann schlüssig, wenn Tatsachen vorgetragen werden, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nur dann erforderlich, wenn diese für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind. Das Gericht muß in der Lage sein, aufgrund des tatsächlichen Vortrags zu entscheiden, ob die gesetz-

lichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen (st. Rspr. d. Sen. u.a., Urt. v. 23.4.1991 - X ZR 77/89, NJW 1991, 2707, 2709; Urt. v. 25.2.1992 - X ZR 88/90, NJW 1992, 1967; Urt. v. 8.12.1992 - X ZR 85/91, VersR 1993, 891).
Zur Stützung ihres Anfechtungsrechts nach § 123 BGB hat die Beklagte behauptet, der Kläger habe bei der gemeldeten Erfindung Beiträge anderer Mitarbeiter des Unternehmens verwertet, die im Rahmen eines Arbeitsteams entwickelt worden seien. Die Beklagte hat unter Beweisantritt vorgetragen, der Kläger sei Ende 1995 in dem in W. gebildeten Arbeitsteam mit den Herren Hi., Rö, R., B., K., P. und Z. tätig gewesen, das mit der Entwicklung eines neuen Gehäusedeckels befaßt gewesen sei. Die Grundideen der Erfindung seien von diesem Arbeitsteam im Rahmen von Beratungen und Versuchen entwickelt worden. Die Beklagte hat weiter unter Beweisantritt vorgetragen, welche Gedanken von den Mitgliedern des Arbeitsteams und welche vom Kläger beigebracht wurden und daß der Kläger über die Vorarbeiten des W. Teams informiert war. Der Kläger habe die Meldung der Erfindung betrieben, ohne die weiteren Mitarbeiter zu informieren. Er habe sich gegenüber dem Entwicklungsleiter der Beklagten als alleiniger Erfinder ausgegeben und die Beteiligung der Mitarbeiter verschwiegen, obwohl er diese gekannt habe. Das Verschweigen der Mitarbeiter und deren Beteiligung an der Erfindung sei für die Vergütungsvereinbarung ursächlich gewesen.
3. Das Berufungsgericht hat zu diesem streitigen Vortrag keine Feststellungen getroffen. Deshalb ist das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Sollte sich, gegebenenfalls nach weiterem Vortrag der Parteien, erwei- sen, daß der Kläger in der Erfindungsmeldung an die Beklagte die Mitarbeiter und deren Beteiligung nicht beschrieben und sich als alleiniger Erfinder ausgegeben oder geriert hat, so könnte bereits darin eine objektive Täuschungshandlung liegen, durch welche die Beklagte zum Abschluß der Vereinbarung vom 8. September 1997 veranlaßt worden ist. Sollte das Berufungsgericht des weiteren auf Grund der Umstände zu dem Schluß kommen, daß der Kläger den Beitrag der Mitarbeiter an der Erfindung gekannt hat und daß er diesen Beitrag nicht als unerheblich eingestuft hat oder bei objektiver Betrachtung hätte einstufen müssen, diesen aber gleichwohl der Beklagten vorenthalten hat, könnte dies für einen Täuschungswillen des Klägers und damit für ein arglistiges Handeln sprechen (dazu BGH, Urt. v. 25.3.1998 - VIII ZR 185/96, NJW 1998, 2360).
Melullis Jestaedt Scharen
Keukenschrijver Asendorf

(1) Der Versicherungsnehmer hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen. Stellt der Versicherer nach der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, aber vor Vertragsannahme Fragen im Sinn des Satzes 1, ist der Versicherungsnehmer auch insoweit zur Anzeige verpflichtet.

(2) Verletzt der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht nach Absatz 1, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten.

(3) Das Rücktrittsrecht des Versicherers ist ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. In diesem Fall hat der Versicherer das Recht, den Vertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündigen.

(4) Das Rücktrittsrecht des Versicherers wegen grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht und sein Kündigungsrecht nach Absatz 3 Satz 2 sind ausgeschlossen, wenn er den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte. Die anderen Bedingungen werden auf Verlangen des Versicherers rückwirkend, bei einer vom Versicherungsnehmer nicht zu vertretenden Pflichtverletzung ab der laufenden Versicherungsperiode Vertragsbestandteil.

(5) Dem Versicherer stehen die Rechte nach den Absätzen 2 bis 4 nur zu, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat. Die Rechte sind ausgeschlossen, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte.

(6) Erhöht sich im Fall des Absatzes 4 Satz 2 durch eine Vertragsänderung die Prämie um mehr als 10 Prozent oder schließt der Versicherer die Gefahrabsicherung für den nicht angezeigten Umstand aus, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des Versicherers ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer in der Mitteilung auf dieses Recht hinzuweisen.

Das Recht des Versicherers, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, bleibt unberührt.

(1) Der Versicherungsnehmer hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen. Stellt der Versicherer nach der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, aber vor Vertragsannahme Fragen im Sinn des Satzes 1, ist der Versicherungsnehmer auch insoweit zur Anzeige verpflichtet.

(2) Verletzt der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht nach Absatz 1, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten.

(3) Das Rücktrittsrecht des Versicherers ist ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. In diesem Fall hat der Versicherer das Recht, den Vertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündigen.

(4) Das Rücktrittsrecht des Versicherers wegen grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht und sein Kündigungsrecht nach Absatz 3 Satz 2 sind ausgeschlossen, wenn er den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte. Die anderen Bedingungen werden auf Verlangen des Versicherers rückwirkend, bei einer vom Versicherungsnehmer nicht zu vertretenden Pflichtverletzung ab der laufenden Versicherungsperiode Vertragsbestandteil.

(5) Dem Versicherer stehen die Rechte nach den Absätzen 2 bis 4 nur zu, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat. Die Rechte sind ausgeschlossen, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte.

(6) Erhöht sich im Fall des Absatzes 4 Satz 2 durch eine Vertragsänderung die Prämie um mehr als 10 Prozent oder schließt der Versicherer die Gefahrabsicherung für den nicht angezeigten Umstand aus, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des Versicherers ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer in der Mitteilung auf dieses Recht hinzuweisen.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Schlussurteil des Landgerichts Karlsruhe vom 13.03.2015 - 8 O 351/12 - im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 200.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit 28.04.2011 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.137,91 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit 23.04.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Klägerin macht nun in der zweiten und letzten Stufe der von ihr erhobenen Stufenklage einen Zahlungsanspruch aus einem zwischen ihrem verstorbenen Ehemann und der Beklagten geschlossenen Risikoversicherungsvertrag geltend.
Mit Antrag vom 18.09.2010 beantragte der zwischenzeitlich verstorbene Ehemann der Klägerin R. S. (künftig: Versicherungsnehmer) bei der Beklagten den Abschluss einer Risikoversicherung.
Im Rahmen der im Antrag enthaltenen Risiko- und Gesundheitserklärung beantwortete er die Frage Ziffer 1., ob er in den letzten 5 Jahren durch Ärzte oder andere Heilbehandler untersucht, beraten oder behandelt worden sei, nur bezüglich des Buchstabens a) „hinsichtlich des Herzens, des Kreislaufes, der Gefäße (…)“ mit „ja“ und erläuterte hierzu unter Ziffer 2. „1 Untersuchung wg. Bluthochdruck Dr. B. O.“. Die weitere Frage nach insoweit bestehenden Beschwerden und/oder Folgen wurde mit „Nein“ beantwortet. Die Frage Ziffer 3., ob er derzeit länger als 2 Wochen fortdauernd Medikamente einnehme oder innerhalb der letzten 5 Jahre einnahm, beantwortete er ebenfalls mit „Nein“.
Den daraufhin seitens der Beklagten zugesandten Fragebogen Blutdruck/Kreislauf beantwortete der Versicherungsnehmer am 09.10.2010 dahingehend, dass eine leichte Hypertonie vorliege, deswegen keine weiteren Beschwerden bestünden und er weder Medikamente nehme oder genommen habe. Auf die Frage nach durchgeführten Untersuchungen am Herzen, die einen von der Norm abweichenden Befund ergaben, erklärte der Versicherungsnehmer, dass eine „24 h Blutdruckmessung“ durchgeführt worden sei und insoweit ein leichter Bluthochdruck festgestellt worden sei.
Nach - auch aufgrund des vom Versicherungsnehmer ausgefüllten Fragebogens Blutdruck/Kreislauf - durchgeführter Risikoprüfung bot die Beklagte dem Versicherungsnehmer den Abschluss eines Risikovertrages mit einem Sonderbeitrag in Höhe von 859,65 EUR an, welcher sodann mit einer Versicherungssumme im Todesfall in Höhe von 200.000,00 EUR beginnend am 01.11.2010 zustande kam. Als Bezugsberechtigte für alle Leistungen aus der Versicherung war die Klägerin bestimmt.
Am 01.03.2011 erlitt der Versicherungsnehmer eine Synkope mit anschließender Aortendissektion und verstarb am 04.03.2011 an Organversagen nach Perikardtamponade und Myokardinfarkt. Die Klägerin ist die Erbin des Versicherungsnehmers.
Nach Mitteilung des Todes des Versicherungsnehmers forderte die Beklagte mit Schreiben vom 14.03.2011 weitere Unterlagen, insbesondere einen ärztlichen Bericht über die Todesursache und evtl. vorangegangene Erkrankungen laut Vordruck an. Nachdem die Klägerin diesen von Dr. B. am 17.03.2011 ausgefüllten Vordruck bei der Beklagten eingereicht hatte, forderte diese bei Dr. B. mit Schreiben vom 22.03.2011 die komplette Patientenakte des Versicherungsnehmers an.
In den daraufhin von Dr. B. übersandten Unterlagen befand sich ein Arztbrief des Kardiologen Dr. Bo. vom 22.10.2007, aus dem sich ergab, dass der Versicherungsnehmer von Dr. Bo. am Herzen untersucht worden war und sich im Rahmen einer farbkodierten Duplex-Echokardiografie eine beginnende konzentrische linksventrikuläre Hypertrophie sowie eine erweitere Aortenwurzel herausgestellte hatte. Dr. Bo. hatte deshalb eine beginnende hypertensive Herzerkrankung diagnostiziert und die Einnahme eines ACE-Hemmers empfohlen.
Auf Nachfrage der Beklagten bei Dr. B. teilte dieser mit ärztlichem Attest vom 15.04.2011 mit, dass der Befund des Dr. Bo. mit dem Versicherungsnehmer besprochen worden sei und auf Rat des Dr. Bo. eine medikamentöse Therapie mit einem Kombinationspräparat zur Senkung des Blutdrucks und Entlastung des Herzens begonnen worden sei. Das Medikament sei aus Sicht des Dr. B. als Dauermedikation angesetzt gewesen, vom Versicherungsnehmer aber auf eigene Verantwortung bei fehlender Beschwerdesymptomatik zeitweise abgesetzt worden. Ein letztes Rezept sei im Januar 2010 ausgestellt worden.
10 
Daraufhin erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 27.04.2011, der Klägerin zugegangen am 28.04.2011, den Rücktritt vom Lebensversicherungsvertrag wegen vorsätzlicher Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht und focht diesen wegen arglistiger Täuschung an.
11 
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Beklagte könne den Risikoversicherungsvertrag weder anfechten noch von diesem zurücktreten, denn der Versicherungsnehmer habe die ihm von der Beklagten im Antrag vom 18.09.2010 und im Fragebogen vom 09.10.2010 gestellten Fragen innerhalb seiner Obliegenheiten richtig beantwortet und daher weder grob fahrlässig bzw. vorsätzlich noch mit der für eine Anfechtung erforderlichen dolosen Absicht gehandelt.Gemäß § 19 VVG n. F. schulde ein Versicherungsnehmer nur noch die Beantwortung der vom Versicherer in Textform konkret gestellten Fragen. Darüber hinausgehende Angaben im Sinne einer vollständigen Offenlegung der gesundheitlichen Verhältnisse seien nicht geschuldet. Die ihm von der Beklagten im Antrag sowie in dem Fragebogen gestellten Fragen habe der Versicherungsnehmer daher richtig beantwortet. So sei in Frage 3. des Antrags vom 18.09.2010 lediglich nach der Einnahme von Medikamenten gefragt worden. Nachdem der Versicherungsnehmer keine Medikamente eingenommen habe, habe er diese Frage mit „Nein“ richtig beantwortet. Dasselbe gelte für Frage 7. des Fragebogens vom 09.10.2010. Hier beziehe sich die Frage nach der Einnahme von Medikamenten auf die vorausgegangene Frage nach Beschwerden. Nachdem der Versicherungsnehmer zwar leichten Bluthochdruck, aber keine Beschwerden gehabt habe und deshalb keine Medikamente eingenommen habe, habe er auch diese Frage mit „Nein“ richtig beantwortet. Dies ergebe sich auch aus dem Attest des Dr. B. vom 15.04.2011. Schließlich habe der Versicherungsnehmer bezüglich der Fragen nach erfolgten Untersuchungen die Behandlung bei Dr. B. und die dort stattgefundene 24-h-Blutdruckmessung offengelegt.
12 
Darüber hinaus komme ein Rücktritt auch deshalb nicht in Betracht, weil es an der Kausalität zwischen dem angeblichen Verschweigen von Umständen und der Ursache des beim Versicherungsnehmer eingetretenen Todes fehle. Die beim Versicherungsnehmer eingetretene und zum Tod führende Aortendissektion wäre auch bei der Gabe von Medikamenten zur Blutverflüssigung eingetreten, da diese von der Schwäche der Gefäßwand der Aorta vollständig zu trennen sei.Schließlich sei die Erklärung der Beklagten vom 27.04.2011 der Klägerin erst am 28.04.2011 zugegangen und damit verfristet, da die Beklagte spätestens um den 26.03.2011 Kenntnis von sämtlichen Gesundheitsumständen des Versicherungsnehmers gehabt habe, spätestens am 27.03.2011 sei die von Dr. B. überlassene Krankenakte dem Sachbearbeiter der Beklagten bekannt gewesen.
13 
Mit Teil-Urteil vom 29.04.2013 hat das Landgericht Karlsruhe den von der Klägerin in erster Stufe geltend gemachten Auskunftsansprüchen teilweise stattgegeben. Bezüglich der näheren Einzelheiten wird auf das Urteil vom 29.04.2013 verwiesen.
14 
Die Klägerin hat in der zweiten Stufe beantragt,
15 
1. die Beklagte zur Zahlung von 200.000,00 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zins über dem Basiszinssatz seit 28.04.2011 zu verurteilen,
16 
2. die Beklagte zur Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten unter dem Gesichtspunkt des Verzugs aus einem Gegenstandswert von 200.000,00 EUR und einer 1,8 Gebühr nach § 13 RVG VV 2300 zzgl Postpauschale und MwSt in Höhe von 3.913,67 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zins über dem Basiszinssatz seit 23.04.2014 zu verurteilen.
17 
Die Beklagte hat beantragt,
18 
die Klage abzuweisen.
19 
Die Beklagte hat ausgeführt, der Klägerin stünde der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zu, da die Beklagte den Risikoversicherungsvertrag wirksam angefochten habe und dieser daher nichtig sei. Der Versicherungsnehmer habe die Beklagte bei Abschluss des Vertrages arglistig getäuscht, als er wissentlich falsche Angaben machte bzw. offenbarungspflichtige Tatsachen verschwieg. Der Versicherungsnehmer habe die Frage 3. im Antrag vom 18.09.2010 bzw. die Frage 7. im Fragebogen vom 09.10.2010 nach der Einnahme von Medikamenten bewusst unwahr beantwortet, da er - wie sich aus dem Attest des Dr. B. vom 15.04.2011 ergebe - die von Dr. Bo. empfohlene und von Dr. B. verschriebene Medikation lediglich zeitweise abgesetzt habe. Doch auch wenn der Versicherungsnehmer die Medikamente tatsächlich nicht eingenommen hätte, hätte er anmerken müssen, dass ihm über mehrere Jahre starke Medikamente verschrieben worden seien, denn er sei verpflichtet gewesen, alles anzugeben, was für die Einschätzung des Risikos von Bedeutung sein könnte. Bereits aus der Diagnose einer beginnenden hypertensiven Herzerkrankung des Dr. Bo. ergebe sich, dass der Versicherungsnehmer gesundheitliche Beschwerden gehabt habe.
20 
Darüber hinaus habe der Versicherungsnehmer die Frage 8. im Fragebogen vom 09.10.2010 unvollständig beantwortet, als er die Ultraschall-Untersuchung des Herzens am 22.10.2007 bei Dr. Bo. verschwieg. Der Versicherungsnehmer habe - was sich aus einer Gesamtschau aller vorliegenden Indizien ergebe - arglistig gehandelt, weil ihm bewusst gewesen sei, dass die Beklagte bei Angabe wahrer Angaben den Vertrag möglicherweise nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen würde.
21 
Die Beklagte sei auch wirksam vom Vertrag zurückgetreten. Die bewusste Falschbeantwortung der Fragen durch den Versicherungsnehmer habe zu einem Rücktrittsrecht der Beklagten nach § 19 Absatz 2 VVG geführt.Die bewusst vom Versicherungsnehmer verschwiegenen Tatsachen hätten auch Einfluss auf den Tod des Versicherungsnehmer und damit auf den Eintritt des Versicherungsfalls gehabt. Der Versicherungsnehmer sei an einer Aortendissektion verstorben, welche kausal im Zusammenhang mit der beim Versicherungsnehmer bestehenden erweiterten Aortenwurzel gestanden habe.Die Rücktrittsfrist von einem Monat sei mit der der Klägerin am 28.04.2011 zugegangenen Rücktrittserklärung eingehalten. Das Antwortschreiben des Dr. B. auf die Anfrage der Beklagten vom 22.03.2011 habe die Beklagte am 28.03.2011 erhalten. Darüber hinaus habe die Frist von einem Monat auch nicht mit dem Zeitpunkt des Eingangs der von Dr. B. zugesandten Unterlagen begonnen, da der Beklagten bei Eingang der Unterlagen eine Zeit zur deren Prüfung zuzugestehen sei.
22 
Das Landgericht hat mit Schlussurteil vom 13.03.2015 die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass es auf die Wirksamkeit des Rücktritts nicht ankomme. Die Beklagte habe den Versicherungsvertrag gem. § 123 BGB wirksam angefochten. Der Versicherungsnehmer habe die Beklagte dadurch getäuscht, dass er die von Dr. Bo. sowie seinem Hausarzt Dr. B. empfohlene Medikation eines ACE-Hemmers abgesetzt und dies bei Zustandekommen des Vertrags nicht mitgeteilt habe. Die Nichteinnahme von Medikamenten sei entgegen ärztlichem Rat erfolgt und hätte der Beklagten mitgeteilt werden müssen. Auf Grund der Art der Befragung und auf Grund der Häufigkeit sei es dem Versicherungsnehmer auch ersichtlich gewesen, dass es sich bei den Fragen nach seinem Gesundheitszustand und einer evtl. bestehenden Medikation um für die Beklagte entscheidende Umstände handelte. Der Versicherungsnehmer habe auch dadurch getäuscht, dass er auf Frage 2. im Antrag vom 18.09.2010 und Frage 7. im Fragebogen vom 09.10.2010 nach Untersuchungen am Herz die von Dr. Bo. am 22.10.2007 durchgeführte Ultraschalluntersuchung verschwiegen habe. Der Versicherungsnehmer habe auch arglistig gehandelt. So habe er bei der Frage nach Untersuchungen des Herzens die vergleichsweise harmlose leichte Hypertonie und die 24h-Blutdrckmessung, nicht aber die Ultraschalluntersuchung angegeben, sondern sogar gestrichen.
23 
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der diese ihre erstinstanzlich gestellten Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt. Es sei nach einem Absetzen von Medikamenten nicht gefragt worden. Das Absetzen der Medikamente sei dem Arzt mitgeteilt worden, ebenso sei dessen Name und der Befund der Beklagten mitgeteilt worden. Auch die fehlende Angabe der Überweisung an Dr. Bo. begründe kein arglistiges Verschweigen. Der Versicherungsnehmer habe die entscheidende Untersuchung bei seinem Hausarzt angegeben. Dessen Überweisung an Dr. Bo. nicht anzugeben, begründe noch keine Arglist.
24 
Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
25 
Wegen des weiteren Sachverhalts wird - soweit hier keine abweichenden Feststellungen getroffen sind - auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
26 
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und hat auch in der Sache überwiegend Erfolg. Die Klägerin kann Zahlung von 200.000,00 EUR aus der Risikolebensversicherung ihres verstorbenen Ehemanns beanspruchen. Die Berufung ist bezüglich der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nur zu einem geringen Teil nicht begründet.
27 
1. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Versicherungssumme in Höhe von 200.000,00 EUR aus der zwischen der Beklagten und ihrem verstorbenen Ehemann (im Folgenden: Versicherungsnehmer) abgeschlossenen Risikolebensversicherung als Erbin zu.
28 
Die Beklagte hat den Versicherungsvertrag nicht wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten. Es fehlt am Nachweis eines arglistigen Verhaltens des Ehemanns der Klägerin bei Abschluss der Risikolebensversicherung. Dass der Versicherungsnehmer bei Ausfüllung des Antrags vom 18.09.2010 und des Fragebogens „Blutdruck/Kreislauf“ vom 09.10.2010 arglistig getäuscht hat, steht nicht zur Überzeugung des Senats fest.
29 
a. Von einem arglistigen Verhalten ist auszugehen, wenn der Täuschende weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass er unzutreffende Angaben macht, und dass dadurch bei dem Empfänger seiner Erklärung eine falsche Vorstellung entsteht und diese ihn zu einer Erklärung veranlasst, die er bei richtiger Kenntnis der Dinge nicht oder nicht so abgegeben haben würde. Das Tatbestandsmerkmal der Arglist erfasst nicht nur ein Handeln, das von betrügerischer Absicht getragen ist, sondern auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines "Fürmöglichhaltens" reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muss (BGH NJW 2001, 2326; Senat NJW-RR 2006, 463). Auf Arglist als innere Tatsache kann regelmäßig nur auf der Grundlage von Indizien geschlossen werden. Voraussetzung für die Annahme einer arglistigen Täuschung ist somit, dass der Versicherungsnehmer mit wissentlich falschen Angaben von Tatsachen bzw. dem Verschweigen anzeige- und offenbarungspflichtiger Umstände auf die Entschließung des Versicherers, seinen Versicherungsantrag anzunehmen, Einfluss nehmen will und sich bewusst ist, dass der Versicherer möglicherweise seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde, wenn er wahrheitsgemäße Angaben mache. Arglistig täuscht im Sinne des § 123 BGB damit nur derjenige, dem bei der Beantwortung der Fragen nach dem Gesundheitszustand oder früherer Behandlungen auch bewusst ist, dass die Nichterwähnung der nachgefragten Umstände geeignet ist, die Entschließung des Versicherers über die Annahme des Vertragsangebots zu beeinflussen (Senat NJW-RR 2006, 463; Senat NJW-RR 2013, 869).
30 
Dabei gibt es keinen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung von Fragen nach dem Gesundheitszustand oder früheren Behandlungen immer oder nur in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers Einfluss zu nehmen. Denn häufig werden unrichtige Angaben über den Gesundheitszustand auch aus falsch verstandener Scham, aus Gleichgültigkeit, aus Trägheit oder einfach in der Annahme gemacht, dass die erlittenen Krankheiten bedeutungslos seien. Deshalb muss der Versicherer entsprechend den allgemeinen Beweislastregeln nachweisen, dass der Versicherungsnehmer mit Hilfe der Abgabe einer falschen Erklärung auf den Willen des Versicherers einwirken wollte, sich also bewusst war, der Versicherer werde seinen Antrag nicht oder möglicherweise nur unter erschwerten Bedingungen annehmen, wenn der Versicherungsnehmer die Fragen wahrheitsgemäß beantworten würde. Da es sich bei dem Bewusstsein des Versicherungsnehmers um eine innere Tatsache handelt, kann der Beweis in der Praxis meist nur durch einen Indizienbeweis geführt werden.
31 
Das Verschweigen von Umständen, deren Gefahrerheblichkeit auch aus Sicht des Versicherungsnehmers auf der Hand liegt, also das Verschweigen schwerer oder chronischer Erkrankungen, rechtfertigt grundsätzlich die Annahme einer Täuschung. Hat der Versicherungsnehmer gewisse Umstände - auch Untersuchungen - stark verharmlost oder harmlosere Umstände als die Verschwiegenen angegeben, so folgt daraus, dass er sich der Gefahrerheblichkeit tatsächlich bewusst war und das Verschweigen daher auf Arglist schließen lässt. Gleiches gilt, wenn länger zurückliegende, nicht aber aktuelle Krankheiten angegeben werden. Dagegen spricht gegen Arglist, wenn der Versicherungsnehmer leichtere Erkrankungen oder solche, die von ihm als solche angesehen werden, verschwiegen oder gravierendere Umstände als die verschwiegenen angezeigt hat (BGH VersR 2004, 1297; Prölss/Martin, VVG, 29. Auflage, § 22, Rn. 15 ff.).
32 
Liegen objektive Falschangaben vor, ist es Sache des Versicherungsnehmers, substantiiert plausibel zu machen, warum und wie es zu diesen objektiven falschen Angaben gekommen ist (OLG Saarbrücken VersR 2007, 96; Senat NJW-RR 2013, 869). Den Versicherungsnehmer trifft damit eine sekundäre Darlegungslast (BGH NJW-RR 2008, 343).
33 
b. Der Versicherungsnehmer hat die Frage nach der Einnahme von Medikamenten innerhalb der letzten fünf Jahre im Antrag vom 18.09.2010 mit nein und auch die Frage Nr. 7 im Fragebogen vom 09.10.2010 nach der Einnahme von Medikamenten mit nein beantwortet. Tatsächlich nahm der Versicherungsnehmer das ihm von seinem Hausarzt Dr. B. verschriebene Medikament Ramipril comp. zur Blutdrucksenkung und Herzentlastung nicht ein. Der Versicherungsnehmer hat die verschriebene Medikation auf eigene Entscheidung nicht durchgeführt. Nach Mitteilung des behandelnden Arztes Dr. B. hat der Versicherungsnehmer das als Dauermedikation gedachte Medikament bei Beschwerdefreiheit auf eigene Verantwortung abgesetzt.
34 
Damit liegt objektiv keine falsche Angabe vor. Der Versicherungsnehmer hat keine Medikamente bei Antragstellung eingenommen. Ebenso wurden unstreitig keine Medikamente bei Beantwortung des Fragebogens eingenommen.
35 
Der Versicherungsnehmer musste auch nicht ungefragt angeben, dass er Ende 2007 die von zwei Ärzten empfohlenen Medikamente zur Blutdrucksenkung und Entlastung des Herzens nicht einnahm, und er musste auch nicht davon ausgehen, dass bei einer solchen Nichtangabe von einem arglistigen Verhalten auszugehen ist. Die Beklagte führt aus, aus der Nichteinnahme verschriebener Medikamente folge denknotwendig ein erhöhtes Risiko dahingehend, dass sich die bereits bestehende Erkrankung noch weiter verschlechtere. Auch das Landgericht sieht in der Nichtangabe zu der unterbliebenen Einnahme verschriebener Medikamente eine zusätzliche Risikoerhöhung, über welche der Versicherungsnehmer hätte von sich aus aufklären müssen.
36 
Im Rahmen von § 22 VVG kann das Unterbleiben von Angaben nicht ohne weiteres eine Offenbarungspflicht hindern. Das bedeutet, dass eine solche Pflicht jedenfalls besteht, wenn es um Umstände geht, die auch nach der Einschätzung des Versicherungsnehmers trotz des Unterbleibens diesbezüglicher Fragen gefahrerheblich sind (Prölss/Martin, a.a.O., § 22 Rn. 3). Anders als bei der Anzeigepflicht gemäß § 19 VVG, die nur die Anzeige erfragter Umstände erfasst, kann die Angabe nicht erfragter gefahrerheblicher Umstände eine Täuschung sein. Letzteres setzt weiter voraus, dass der Versicherungsnehmer auch ohne entsprechende Frage von der Gefahrerheblichkeit ausging, dass diese somit auf der Hand lag. Bei dem Vorwurf der Arglist muss der Versicherer mithin beweisen, dass der Versicherungsnehmer mit Hilfe der Abgabe einer falschen Erklärung auf seinen Willen zum Vertragsschluss einwirken wollte, er sich also bewusst war, der Versicherer werde seinen Antrag bei wahrheitsgemäßer Beantwortung der Fragen nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen. Für ein solches Bewusstsein spricht das Verschweigen schwerer, chronischer oder immer wieder auftretender Erkrankungen oder gesundheitlicher Beeinträchtigungen (BGH NJW 2011, 1213; OLG Köln BeckRS 2012, 20806).
37 
Hiervon kann bei der unterlassenen Angabe zur Nichteinnahme von Herzmedikamenten vorliegend nicht ausgegangen werden. Der Versicherungsnehmer befand sich zwar wegen seines Bluthochdruckes und der Herzerkrankung in ärztlicher Behandlung. Ausweislich des Schreibens von Dr. B. vom 15.04.2011 hatte der Versicherungsnehmer aber zu keiner Zeit Beschwerden seitens des Herzens beschrieben. Das Ruhe-EKG sowie das Belastungs-EKG zeigten einen unauffälligen Herzbefund. Auch unter Belastung hatte der Versicherungsnehmer zu keiner Zeit Beschwerden angegeben, weshalb nach der Untersuchung durch den Kardiologen Dr. Bo. auch keine weiteren Herzuntersuchungen gemacht wurden.
38 
Danach lag für den Versicherungsnehmer die unterlassene Angabe zur Nichteinnahme von Herztabletten als gefahrerhöhender Umstand nicht auf der Hand. Die Einholung eines von der Beklagten beantragten Sachverständigengutachtens zu der Frage, dass sich die bestehende Erkrankung durch die Nichteinnahme der Medikamente verschlechtert habe, kommt nicht in Betracht. Maßgeblich für die Annahme einer arglistigen Täuschung ist, ob die Gefahrerheblichkeit für den Versicherten bei Antragstellung auf der Hand lag. Hiervon kann in Anbetracht der gesamten Umstände nicht ausgegangen werden. Dass ein medizinischer Sachverständiger die Gefahrerheblichkeit anders beurteilen könnte, ist bei der Frage der Arglist nicht von Bedeutung. Anders wäre der Fall nur dann zu beurteilen, wenn es sich um das Verschweigen schwerer oder chronischer Erkrankungen handeln würde, die grundsätzlich die Annahme einer Täuschung rechtfertigen. Der Versicherungsnehmer hatte zudem die Blutwerte angegeben und auch mitgeteilt, dass er sich wegen einer leichten Hypertonie in ärztlicher Behandlung befand. Hinzu kommt, dass nach allgemein bekannter Einschätzung der Sachlage eine gänzlich unbehandelter Bluthochdruck gefährlicher ist als ein behandelter. Der Versicherungsnehmer befand sich wegen seines Bluthochdrucks in ärztlicher Behandlung bei seinem Hausarzt. Auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes kann in der Nichtangabe von einer unterlassenen Medikamenteneinnahme ohne erkennbare Beschwerden kein arglistiges Handeln gesehen werden.
39 
b. Die Beklagte ist auch nicht aus einem weiteren Grund zur Anfechtung berechtigt. Der Versicherungsnehmer hat zwar darüber hinaus eine von Dr. Bo. durchgeführte Ultraschalluntersuchung vom 22.10.2007 nicht angegeben, sondern im Fragebogen bei der ausdrücklichen Frage in Ziffer 8, ob Untersuchungen des Herzens durchgeführt wurden - z.B. 24-Stunden-Blutdruckmessung, EKG, Ultraschall, die einen von der Norm abweichenden Befund ergaben? - EKG und auch Ultraschall durchgestrichen und nur 24h Blutdruckmessung im Fragebogen ausgefüllt. Auch im Antragsformular hat der Versicherungsnehmer zu Frage 2. die von Dr. Bo. durchgeführte Untersuchung nicht angegeben.
40 
Damit liegt insoweit objektiv eine falsche Angabe zu Art und Umfang der am Herzen durchgeführten Untersuchungen vor. Die von Dr. Bo. durchgeführte Untersuchung führte zu der Feststellung einer beginnenden konzentrischen linksventrikulären Hypertrophie bei erweiterter Aortenwurzel und damit zu der Annahme einer beginnenden hypertensiven Herzerkrankung. Dieser Befund stellt einen gefahrerhöhenden Umstand dar, der der Beklagten mithin hätte angezeigt werden müssen. Mit dieser Diagnose war auch der zweite Teil der Frage 8. im Fragebogen vom 09.10.2010, ob sich ein von der Norm abweichender Befund ergeben hat, nicht richtig bzw. unvollständig beantwortet worden.
41 
Den Beweis, dass der Versicherungsnehmer arglistig gehandelt hat, weil er die Unrichtigkeit seiner Angaben kannte und es zumindest für möglich hielt, dass die Beklagte bei Kenntnis seines tatsächlichen Gesundheitszustandes den Vertrag über eine Risikolebensversicherung nicht oder nicht zu den erfolgten Bedingungen abgeschlossen hätte, hat die Beklagte jedoch nicht erbracht. Dass der Versicherungsnehmer den Befund von Dr. Bo. kannte, ergibt sich nicht schon daraus, dass Dr. B. in seinem Schreiben vom 15.04.2011 ausdrücklich anführt, dass der Befund von Dr. Bo. von Ende 2007 mit dem Patienten besprochen worden sei. Letzteres hat die Klägerin bestritten. Eine Privaturkunde begründet nach § 416 ZPO allein vollen Beweis dafür, dass die in der Urkunde enthaltenen Erklärungen von dem Aussteller abgegeben worden sind (BGH NJW-RR 2015, 819 - juris Rn. 14; BGH NJW-RR 1993, 1379; BGH NJW-RR 1989, 1323). Die Beweisregel erstreckt sich dagegen nicht auf die inhaltliche Richtigkeit des Erklärten. Ob die in der Privaturkunde enthaltenen Angaben zutreffen, ob die darin bestätigten tatsächlichen Vorgänge wirklich so geschehen sind oder nicht, ob beispielsweise ein Rechtsgeschäft zustande gekommen ist und welchen Inhalt es hat, unterliegt der freien tatrichterlichen Beweiswürdigung nach § 286 ZPO (BGH a.a.O.).
42 
Die Arztbriefe sind danach für die streitige Frage der Kenntniserlangung des Versicherungsnehmer keine tauglichen, insbesondere keine hinreichenden Beweismittel dafür, dass der Versicherungsnehmer tatsächlich wahrgenommen und auch verstanden hat, dass bei ihm anlässlich der Untersuchung durch Dr. Bo. eine Echokardiografie bzw. ein Ultraschall am Herz vorgenommen worden ist. Zu der speziell beim Verstorbenen durchgeführten Untersuchung verhält sich der Brief von Dr. B. nicht, so dass sich schon nach dem Inhalt des Arztbriefes vom 15.04.2011 nicht feststellen lässt, ob auch die Vornahme der einzelnen Untersuchungen durch Dr. Bo. überhaupt oder nur die angestrebte Behandlung durch die Einnahme von Medikamenten mit dem Verstorbenen besprochen worden ist. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage der Kenntniserlangung des Versicherungsnehmers zu den durchgeführten Untersuchungen stellt ebenfalls kein geeignetes Beweismittel dar.
43 
b. Die Vernehmung der Zeugen Dr. B. und Dr. Bo. zur Frage der Kenntnis des Versicherungsnehmers zu den Untersuchungen und Befunden anlässlich der Untersuchung durch Dr. Bo. kommt nicht in Betracht. Gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO steht beiden Zeugen ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Eine Vernehmung der beiden Zeugen ist damit gemäß § 383 Abs. 3 ZPO auf Fragen zu beschränken, die die Schweigepflicht nicht betreffen. Im vorliegenden Fall interessieren aber nur solche Fragen, die die Schweigepflicht betreffen. Hierzu fehlt es jedoch an einer wirksamen Schweigepflichtentbindungserklärung des Verstorbenen, weshalb von einer Ladung beider Zeugen abzusehen war.
44 
Von einer mutmaßlichen Entbindung von der Schweigepflicht kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Hierauf kommt es an, wenn der Versicherungsnehmer als Geschützter seinen Willen nicht mehr äußern kann, was nach seinem Tod der Fall ist. Dabei ist der Wille des Verstorbenen zu ermitteln. Auf Seiten des Verstorbenen ist im vorliegenden Fall kein Interesse an einer Aussage der benannten Ärzte auszumachen. Die Beweislast für den Anfechtungsgrund liegt bei der Beklagten. Treffen die Angaben zu den Gesundheitsfragen im Antragsformular und dem Fragebogen Blutdruck/Kreislauf zu, so bedarf es aus Sicht des Versicherten hierzu keiner Bestätigung der behandelnden Ärzte. Sind die Angaben unvollständig oder gar falsch, so geht das Interesse des Verstorbenen dahin, dass dies nicht in einer Beweisaufnahme geklärt wird (Senat, Beschluss vom 03.09.2014 - 12 W 37/14 - juris). Es ist damit hier nicht von einer mutmaßlichen Entbindung des Arztes von seiner Schweigepflicht auszugehen, weshalb der Arzt zur Zeugnisverweigerung gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO berechtigt ist. Der vom Oberlandesgericht Naumburg (VersR 2005, 817) angesprochene Zweifelsfall liegt hier nicht vor. Der Senat kann es daher auch im vorliegenden Fall offen lassen, ob und inwieweit bei derartigen Sachverhalten dem die Aussage verweigernden Zeugen eine nachvollziehbare Darlegung seiner Gründe abverlangt werden kann.
45 
Auf eine tatsächlich erklärte Schweigepflichtentbindung beruft sich die Beklagte nicht. Eine solche lässt sich auch nicht auf das Antragsformular vom 18.09.2010 stützen, soweit dort vom Versicherungsnehmer unter der Rubrik „Schweigepflichtentbindung“ angekreuzt worden ist - „Ich habe mich für eine Einzelermächtigung entschieden (Variante 2)“. Nach dem Inhalt dieses Teils der Erklärung ist eine einzelne Entbindung des Versicherungsnehmers gefordert, die dieser in Anbetracht seines Todes nicht mehr abgegeben kann.
46 
Die Entbindung von der Schweigepflicht kann auch nicht auf die im Falle des Todes und damit im Versicherungsfall wiederum in Bezug genommene Variante 1 der Schlusserklärung gestützt werden. Die Regelung zur Entbindung von der Schweigepflicht im Falle des Todes mit Bezug auf die Regelung nach Variante 1 im formularmäßigen Schlusserklärungstext ist gemäß § 305 Abs. 2 BGB unklar gefasst und ihr Inhalt daher durch Auslegung zu ermitteln.
47 
Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (BGHZ 123, 83, 85). Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH WM 2014, 851).
48 
Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird die Klausel - Variante 1 der Schlusserklärung - dahin verstehen, dass trotz einer bei Antragsausfüllung nach Variante 1 der Schlusserklärung seitens des Versicherten erteilten Befreiung von der Schweigepflicht diese wiederum unter dem Vorbehalt eines Widerspruchs des Versicherungsnehmers steht und nach dem Wortlaut der Variante 1 die in Variante 1 vorgesehene Regelung zum Widerspruch nach Vertragsschluss „entsprechend“ gelten soll. Damit ist nach Wortlaut und Sinn der Regelung zu prüfen, ob im Todesfall von einer Befreiung von der Schweigepflicht ausgegangen werden kann oder hier ein Widerspruch des Versicherten anzunehmen sein könnte. Letzteres dürfte nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmer dann wiederum der Fall sein, wenn eine Befreiung von der Schweigepflicht zu einem Nachteil für den Versicherten führen könnte. Die Klausel ist mit dem so verstandenen Inhalt wirksam und benachteiligt insbesondere auch den Versicherungsnehmer, der sich bei Ausfüllung des Antragsformulars - wie hier - für eine Einzelermächtigung (Variante 2) der formularmäßigen Schlusserklärung entschieden hat, nicht. Andernfalls könnte sich die Frage stellen, ob die Regelung in Variante 1 der Schlusserklärung überraschend ist, wenn sich der Versicherungsnehmer in dem Antragsformular für die Einzelermächtigung (Variante 2) entschieden hat und erst in der formularmäßigen Schlusserklärung für den Todesfall auf die Variante 1 verwiesen wird, ohne dass sich hierzu bereits ein Bezug aus dem Antragsformular entnehmen lässt. Ausgehend von dem durch Auslegung gewonnenen Verständnis der Regelung der Variante 1 in der Schlusserklärung ist hier von einem Widerspruch des Versicherten zur Einvernahme der Zeugen Dr. B. und Dr. Bo. aus den oben zu §§ 383 Abs. 1 Nr. 6, 385 ZPO ausgeführten Gründen auszugehen.
49 
c. Bezüglich der nicht angegebenen Ultraschalluntersuchung lässt sich die Arglist auch nicht daraus schließen, dass der Versicherungsnehmer die vergleichsweise harmlose „leichte Hypertonie“ und die „24h-Blutdruckmessung“ angegeben hat, die Frage nach der Ultraschalluntersuchung, die in Ziffer 8. des Fragebogens ausdrücklich gestellt worden ist, durchgestrichen hat. Eine plausible und nachvollziehbare Erklärung für die Handlungsweise des Verstorbenen vermochte die Klägerin nicht zu gegeben. Steht allerdings fest, dass der Versicherungsnehmer objektiv falsche Angaben gemacht hat, trifft diesen nach ständiger Rechtsprechung eine sekundäre Darlegungslast. Er muss plausibel darlegen, wie und weshalb es zu den Falschangaben gekommen ist (vgl. u.a. BGH, VersR 2008, 242). Die sekundäre Darlegungslast kann sich dabei auch auf Dritte wie den Begünstigten einer Lebensversicherung nach Eintritt des Versicherungsfalls erstrecken (BGH, a.a.O.). Eine abstrakt-generelle Beantwortung der Frage, wann sich die sekundäre Darlegungslast auch auf Dritte erstreckt, ist dabei nicht möglich. Dies hängt vielmehr von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, namentlich ob diese es rechtfertigen, den Dritten der Sphäre des Versicherungsnehmers zuzurechnen (BGH, a.a.O.).
50 
Trotz der feststehenden objektiv unrichtigen Beantwortung der Gesundheitsfragen trifft die Klägerin hier keine sekundäre Darlegungslast. Dieser liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass substantiierter Vortrag von einer Partei nicht gefordert werden kann, wenn nur der Gegner die wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, dazu nähere Angaben zu machen (BGH, a.a.O., Rn. 3). Dies ist hier aber nicht der Fall. Die Klägerin führt aus, dass sie keine Kenntnis von der Vorstellung ihres Ehemannes bei Ausfüllung der Fragen zum Gesundheitszustand gehabt hat und bestreitet auch eine Kenntniserlangung der Befunde und des Untersuchungsumfangs und damit eine Kenntnis vom Befundergebnis der Echokardiografie durch den Verstorbenen. Es ist daher schon nicht naheliegend, geschweige denn zwingend, dass sie hinsichtlich des damaligen Gesundheitszustands ihres Ehemannes, insbesondere über den Anlass durchgeführter ärztlicher Behandlungen und den Inhalt der gestellten und mitgeteilten Diagnosen, eine nähere Kenntnis hat. Das gleiche gilt für die Frage, welche Kenntnis der Versicherungsnehmer hinsichtlich dieser Umstände hatte. Die Klägerin kann daher nicht der Sphäre des Verstorbenen als weitere versicherte Person zugerechnet werden.
51 
2. Ein Rücktritt gem. § 19 Abs. 1 VVG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die Beklagte hat den Versicherungsnehmer nicht in der erforderlichen Form auf die Rechtsfolgen einer Anzeigenpflichtverletzung hingewiesen hatte (§ 19 Abs. 5 S. 1 VVG).
52 
Der Senat hat mit Verfügung vom 27.07.2015 auf § 19 Abs. 5 VVG hingewiesen. Die Beklagte hat daraufhin die Mitteilung nach § 19 Abs. 5 VVG vorgelegt und ausgeführt, dass der Versicherungsnehmer die beigefügte Mitteilung erhalten habe und zwar mit samt den Versicherungsbedingungen. Das genügt für eine anlassbezogene Hinweispflicht nicht. Die Mitteilung muss im Rahmen der Antragsfragen und deren Beantwortung erkennbar sein. Sie kann sich auf einem Extrablatt befinden (BGH VersR 2013, 297 - juris Rn. 19), aber sie muss dem Versicherungsnehmer in einem unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit den an ihn gerichteten Fragen zur Kenntnis gebracht werden. Eine erst mehrere Seiten nach dem Fragenkatalog angebrachte Belehrung genügt damit nicht (OLG Stuttgart VersR 2014, 691).
53 
Im Antrag auf Risikoversicherung wird zu Beginn der Seite 2 auf den möglichen Rücktritt hingewiesen, aber zum ausführlichen Hinweis in der Schlusserklärung verwiesen. Welches die Schlusserklärung sein soll, erschließt sich nicht. In dem Fragebogen „Blutdruck/Kreislauf“ wird auf die zusammen mit den Versicherungsbedingungen übersandte Mitteilung über die Folgen einer Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht verwiesen. Hieraus ergibt sich nicht, ob die mit Schriftsatz 12.08.2015 als Anlage B 18 vorgelegte Mitteilung, die inhaltlich die Voraussetzung der in Textform geforderten Belehrung erfüllt, dem Versicherungsnehmer in hinreichend getrennter Form, das heißt zeitlich wie räumlich in Zusammenhang mit den an ihn gerichteten Fragen zur Kenntnis gebracht worden ist. Die Überlassung mit den Versicherungsbedingungen, deren Erhalt der Versicherungsnehmer bestätigt hat, reicht als solches nicht aus. Denn es ist nicht dargelegt, an welcher Stelle und in welchem Teil der Versicherungsbedingungen sich die Mitteilung befunden haben soll. Es lässt sich mithin nicht beurteilen, ob die Mitteilung in Bezug auf ihre Anbringung bzw. Platzierung den Anforderungen gemäß § 19 Abs. 5 VVG entspricht. Eine nähere Aufklärung, wie der Formularsatz des Versicherungsantrags im Original aussah und ob und wie die „Mitteilungen nach § 19 Abs. 5 VVG“ in den Formularsatz integriert oder nur auf einem Extrablatt abgedruckt und beigefügt gewesen war, ist seitens der Beklagten trotz Hinweises des Senats nicht erfolgt.
54 
Die Rechtsbelehrung dient dem Schutz des Versicherungsnehmers; sie muss deshalb so rechtzeitig vor Vertragsabschluss erfolgen, dass der Versicherungsnehmers seine Anzeigepflicht auch noch erfüllen kann. Zudem besteht die Gefahr, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer sie übersieht, wenn die Belehrung erst mehrere Seiten nach dem Fragenkatalog angefügt ist, oder einen Text, der nach seiner Unterschrift auf dem Fragenkatalog angefügt ist, für unwichtig und typisch „Kleingedrucktes“ hält, das seine Bedeutung erst bei Eintritt des Versicherungsfalles gewinnt, also erst dann gelesen zu werden braucht (OLG Stuttgart VersR 2014, 691).
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Ein Rücktritt der Beklagten scheitert mithin vorliegend daran, dass die Beklagte den Ehemann der Klägerin nicht in der erforderlichen Form auf die Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hatte (§ 19 Abs. 5 S. 1 VVG).
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3. Zinsen in der beantragten Höhe kann die Klägerin aus Verzugsgesichtspunkten ab 28.04.2011 beanspruchen, nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 27.04.2011 den Versicherungsvertrag angefochten und ihre Leistung endgültig abgelehnt hat.
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4. Ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten besteht dem Grunde nach gem. § 286 Abs. 1 BGB. Der Höhe nach kann die Klägerin nur Zahlung von 3.137,91 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit 23.04.2014 - wie mit Schriftsatz vom 28.04.2014 zuletzt beantragt - verlangen.
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Auf die Erstattung vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten hat die Klägerin unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verzuges Anspruch (§ 286 Absatz 1 BGB). Der Erstattungsanspruch aus den §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB setzt voraus, dass der eingetretene Schuldnerverzug ursächlich für den geltend gemachten Schaden geworden ist. Das ist nicht der Fall, wenn die dem Schaden zugrunde liegende Vermögenseinbuße bereits vor Beginn des Verzuges eingetreten ist (BGH NJW-RR 2013, 487 Rn. 25). Zum Zeitpunkt der Mandatierung - hier mit Vollmacht vom 04.08.2011 - befand sich die Beklagte auf Grund ihrer an die Klägerin mit Schreiben vom 27.04.2011 gerichteten Leistungsverweigerung in Verzug. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin war mithin im Zeitpunkt des den Verzug begründenden Schreibens der Beklagten vom 27.04.2011 noch nicht mandatiert (BGH IV ZR 292/13 - Urteil vom 27.05.2015 - juris Rn. 51). Die Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten ist nach Eintritt des Verzugs erfolgt und damit schadensursächlich.
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Der Ansatz von einer höheren als 1,3 Geschäftsgebühr und damit einer solchen von 1,8 kommt nicht in Betracht. Es fehlt an den Voraussetzungen für eine Überschreitung der Regelgebühr. Es handelt sich nicht um einen überdurchschnittlichen Fall. Schwierig ist eine Tätigkeit nicht schon wegen des Umfangs der aufgewandten Stunden für die Bearbeitung. Schwierig ist die Tätigkeit, wenn nach objektivem Maßstab erhebliche, im Normalfall nicht auftretende Probleme auftauchen (OLG Stuttgart RuS 2011, 218 - juris Rn. 89; Gerold/Schmidt, RVG, Mayer, § 14, RN. 16). Nach objektivem Maßstab war die Sache nicht schwierig. Einer der Hauptstreitpunkte war die Frage des Vorliegens der Voraussetzung für die Annahme eines arglistigen Handelns des Versicherungsnehmers. Dies stellt im Rahmen einer Lebensversicherung nach Versterben des Versicherungsnehmers ein durchaus gängiges Problem dar.
60 
Der Einholung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer bedurfte es im vorliegenden Rechtsstreit nicht. Das Gericht muss ein solches nicht obligatorisch einholen. Dies gilt nur im Honorarprozess, an dem auf der einen Seite der Anwalt und auf der anderen Seite der Auftraggeber beteiligt sind (Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl., § 14 Rn. 61).
61 
Der Höhe nach berechnet sich die Gebühr nach der zugesprochenen Forderungen, soweit diese vorprozessual bereits verfolgt und sodann im Rechtsstreit zuerkannt worden ist. Die mit der Klage geltend gemachten Positionen waren auch schon vorprozessual im Streit. Gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 RVG richtet sich der Gegenstandswert auch für die anwaltliche Tätigkeit nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften. Die Gebühr ist hier aus einem Streitwert von 200.000,00 EUR zu berechnen. In dieser Höhe hat die Klägerin mit ihren Klageantrag obsiegt. Die Gebühr berechnet sich somit hieraus und beträgt nach der Gebührentabelle nach dem RVG 2.616,00 EUR. Zuzüglich Auslagenpauschale mit 20,00 EUR und 19% MWSt kann die Klägerin somit insgesamt 3.137,91 EUR beanspruchen.
III.
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Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
63 
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

(1) Der Versicherungsnehmer hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen. Stellt der Versicherer nach der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, aber vor Vertragsannahme Fragen im Sinn des Satzes 1, ist der Versicherungsnehmer auch insoweit zur Anzeige verpflichtet.

(2) Verletzt der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht nach Absatz 1, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten.

(3) Das Rücktrittsrecht des Versicherers ist ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. In diesem Fall hat der Versicherer das Recht, den Vertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündigen.

(4) Das Rücktrittsrecht des Versicherers wegen grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht und sein Kündigungsrecht nach Absatz 3 Satz 2 sind ausgeschlossen, wenn er den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte. Die anderen Bedingungen werden auf Verlangen des Versicherers rückwirkend, bei einer vom Versicherungsnehmer nicht zu vertretenden Pflichtverletzung ab der laufenden Versicherungsperiode Vertragsbestandteil.

(5) Dem Versicherer stehen die Rechte nach den Absätzen 2 bis 4 nur zu, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat. Die Rechte sind ausgeschlossen, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte.

(6) Erhöht sich im Fall des Absatzes 4 Satz 2 durch eine Vertragsänderung die Prämie um mehr als 10 Prozent oder schließt der Versicherer die Gefahrabsicherung für den nicht angezeigten Umstand aus, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des Versicherers ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer in der Mitteilung auf dieses Recht hinzuweisen.

(1) Wird über das Vermögen des Versicherers das Insolvenzverfahren eröffnet, endet das Versicherungsverhältnis mit Ablauf eines Monats seit der Eröffnung; bis zu diesem Zeitpunkt bleibt es der Insolvenzmasse gegenüber wirksam.

(2) Die Vorschriften des Versicherungsaufsichtsgesetzes über die Wirkungen der Insolvenzeröffnung bleiben unberührt.

19
Die aa) arglistige Täuschung setzt eine Vorspiegelung falscher oder ein Verschweigen wahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer zum Zwecke der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums voraus. Der Versicherungsnehmer muss vorsätzlich handeln, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Falsche Angaben in einem Versicherungsantrag allein rechtfertigen den Schluss auf eine arglistige Täuschung nicht; einen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung einer Antragsfrage immer und nur in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers einzuwirken, gibt es nicht (Senatsurteil vom 28. Februar 2007 - IV ZR 331/05, VersR 2007, 785 Rn. 8 m.w.N.). In subjektiver Hinsicht setzt die Annahme von Arglist vielmehr zusätzlich voraus, dass der Versicherungsnehmer erkennt und billigt, dass der Versicherer seinen Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen werde (Senatsurteil vom 28. Februar 2007 aaO; Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 22 Rn. 4; Langheid in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 22 Rn. 6; jeweils m.w.N.). Weiterhin muss die arglistige Täuschung für die Willenserklärung des Versicherers kausal geworden sein (Langheid in Römer/Langheid aaO § 22 Rn. 5 m.w.N.).

(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.

(2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.

(3) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Der Versicherungsnehmer hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen. Stellt der Versicherer nach der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, aber vor Vertragsannahme Fragen im Sinn des Satzes 1, ist der Versicherungsnehmer auch insoweit zur Anzeige verpflichtet.

(2) Verletzt der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht nach Absatz 1, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten.

(3) Das Rücktrittsrecht des Versicherers ist ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. In diesem Fall hat der Versicherer das Recht, den Vertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündigen.

(4) Das Rücktrittsrecht des Versicherers wegen grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht und sein Kündigungsrecht nach Absatz 3 Satz 2 sind ausgeschlossen, wenn er den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte. Die anderen Bedingungen werden auf Verlangen des Versicherers rückwirkend, bei einer vom Versicherungsnehmer nicht zu vertretenden Pflichtverletzung ab der laufenden Versicherungsperiode Vertragsbestandteil.

(5) Dem Versicherer stehen die Rechte nach den Absätzen 2 bis 4 nur zu, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat. Die Rechte sind ausgeschlossen, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte.

(6) Erhöht sich im Fall des Absatzes 4 Satz 2 durch eine Vertragsänderung die Prämie um mehr als 10 Prozent oder schließt der Versicherer die Gefahrabsicherung für den nicht angezeigten Umstand aus, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des Versicherers ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer in der Mitteilung auf dieses Recht hinzuweisen.