Oberlandesgericht Köln Urteil, 10. Juni 2015 - 16 U 147/13
Tenor
Die Berufung des beklagten Königreichs gegen das am 17.07.2013 verkündete Zwischenurteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn – 1 O 478/09 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt das beklagte Königreich.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Königreich kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 12.000.000 € festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Klägerin, eine GmbH mit Sitz in C, befasst sich u.a. mit internationaler Stadt- und Industrieentwicklung. Sie verlangt von dem beklagten Königreich T eine Vergütung von 12 Millionen Euro im Zusammenhang mit der Erstellung einer „Road Map“ und eines „Masterplans” für das Projekt „5th Economic City in U2“, T in 2006. Der Kontakt zwischen den Parteien kam Anfang 2006 zustande mit Scheich B als „Governor und Chairman“ des „Board of Directors“ der „T3“ (T3). Die T3 ist eine Regierungsstelle, zu deren Aufgaben u.a. die Entwicklung sog. „Economic Cities“ gehört. Scheich B stand als Leiter der T3 seinerzeit im Range eines Ministers. Nach Art. 2 ihres Statuts (Anl. K 56, GA 545, deutsche Übersetzung Anl. K 57, GA 548) ist die T3 – wie im Berufungsverfahren unstreitig – eine juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit. Die Klägerin macht geltend, dass über den Leiter der T3 ein entgeltlicher Vertrag mit dem beklagten Königreich über die vergütungspflichtige Erbringung der Planungsleistungen zustande gekommen sei, hilfsweise beruft sie sich auf Ansprüche gem. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB (geschäftliche Verhandlungen und deren unbegründeter Abbruch) und Bereicherungsrecht wegen Entgegennahme der Leistung (Schriftsatz vom 10.3.2015, GA 932). Sie behauptet, Scheich B habe ihr bei mehreren Gelegenheiten die Zahlung des Honorars für die Erstellung der „Road Map“ und des „Masterplans“ zugesagt.
4Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Klage und darüber, ob die Klägerin von der T3 entgeltlich mit der Erstellung eines sog. Masterplans für das Projekt beauftragt wurde.
5Die Klägerin stützt die internationale und örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Bonn auf § 23 ZPO. Das beklagte Königreich ist Eigentümer von 2 Grundstücken im Landgerichtsbezirk Bonn, Grundbuch von M. Auf dem größeren Grundstück ist die König G Akademie gelegen, eine Schule mit angeschlossener Moschee. Das benachbarte andere Grundstück ist ein Baugrundstück.
6Die Klägerin hat beantragt,
7die Beklagte zu verurteilen, an sie 12.000.000 € nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 11.11.2006 zu zahlen.
8Das beklagte Königreich rügt die Zulässigkeit der Klage und hat beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Es beruft sich gegenüber der Klage auf Staatenimmunität und hat geltend gemacht, die T3 handle ausschließlich hoheitlich. Es bestreitet das Zustandekommen eines Vertrages zwischen der T3 bzw. ihm und der Klägerin. Die T3 sei lediglich als sog. Faciliator tätig geworden, erteile aber selbst keinerlei privatrechtliche Aufträge.
11Das Landgericht hat gem. § 280 Abs. 1 ZPO angeordnet, dass über die Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt wird und durch Zwischenurteil die Zulässigkeit der Klage bejaht. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf das Zwischenurteil des Landgerichts verwiesen, gegen das sich das beklagte Königreich mit seiner Berufung wendet.
12Das beklagte Königreich macht weiterhin geltend, dass die Tätigkeit der T3 im Zusammenhang mit der Entwicklung der Economic Cities hoheitlicher Natur sei, welches der Staatenimmunität unterliege. Das Landgericht habe verkannt, dass die T3 bei der Erfüllung ihrer Aufgaben im Zusammenhang mit den Economic Cities ausschließlich hoheitlich tätig werde. Sie schließe grundsätzlich keine Verträge, sondern vermittle allenfalls kostenlos und unverbindlich den Abschluss von Verträgen mit den Masterplan-Developers und deren Teams. Die Projekte würden ausschließlich von Unternehmen des privaten Sektors realisiert. Die Kontakte von Scheich B mit der Klägerin seien nicht vertraglicher Natur gewesen, sondern allein als Realakte im Rahmen seiner hoheitlichen Tätigkeit zu werten. Zu diesen hoheitlichen Aufgaben gehöre auch die Beratung ausländischer Investoren hinsichtlich der Vorgaben des T Rechts bei der Umsetzung der Infrastrukturmaßnahmen.
13Das beklagte Königrecht legt ferner unter Vorlage von zwei Rechtsgutachten dar, dass nach völkerrechtlichen Grundsätzen eine Klage nur dann zulässig sei, wenn ein privatrechtliches Handeln des beklagten Staates, welches nicht der Staatenimmunität unterliege, feststehe. Die Beweislast hierfür liege beim Kläger. Die Staatenimmunität müsse im frühestmöglichen Zeitpunkt des Verfahrens, noch vor der Zulässigkeit der Klage, geprüft werden. Die Staatenimmunität sei die Regel, nur ausnahmsweise sei einem Staat die Berufung auf die Staatenimmunität verwehrt. Eine solche Ausnahme sei nur dann gegeben, wenn der verklagte Staat nachweislich einen privatrechtlichen Vertrag abgeschlossen habe. Ein bloßes tatsächliches Auftreten oder Verhalten ohne Vertragsschluss genüge nicht. Die Beweislast hierfür liege nach allgemeinem völkerrechtlichem Verständnis beim Kläger, der sich auf die Ausnahme von der allgemeinen Regel der Staatenimmunität berufe. Selbst schlüssiger Vortrag genüge nicht, vielmehr müsse der Vertragsabschluss unstreitig oder nachgewiesen sein. Nur wenn das Eingreifen der Ausnahme mit Sicherheit feststehe, könne ein souveräner Staat ohne Verstoß gegen Völkerrecht der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates unterworfen werden.
14Der Vortrag der Klägerin zum Zustandekommen eines privatrechtlichen Vertrages oder auch nur zu privatrechtlichem, dem beklagten Königreich zurechenbaren Handelns sei nicht schlüssig. Es sei schon unklar, wann und in welcher Form die behauptete Vergütungszusage erteilt worden sein soll. Für die Frage der Staatenimmunität genüge indes die einfache, nicht überprüfte Behauptung des Abschlusses eines privatrechtlichen Vertrages nicht. Das beklagte Königreich sei darüber hinaus offensichtlich nicht passivlegitimiert. Die T3 und erst Recht nicht deren Leiter seien nicht in der Lage, das Königreich T privatrechtlich zu verpflichten. Scheich B handle nicht für das beklagte Königreich, sondern lediglich für die T3, welche nach ihrem Statut eine eigenständige juristische Person sei. Er sei als Direktor der T3 nicht berechtigt, das beklagte Königreich zu vertreten oder zu verpflichten. Die T3 dürfe die Projekte nur durch hoheitliche Tätigkeiten unterstützen, indem sie die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften und wirtschaftspolitischen Ziele durch die Inverstoren überprüfe und ggfs. durchsetze. Auch ein konkludenter Vertragsschluss sei nicht schlüssig dargelegt. Es fehle schon Vortrag dazu, dass der Governor der T3 aufgrund seiner Funktion überhaupt zum Abschluss derartiger Verträge befugt sei, was auch tatsächlich nicht der Fall sei. Darüber hinaus hätte er auch die T3 selbst nicht wirksam durch mündliche Beauftragung vertreten können, da nach den einschlägigen T Vergabevorschriften ein solcher Vertrag nur schriftlich und in B Sprache abgeschlossen werden könne und auch weitere Vergabevorschriften (Bieterverfahren, nur lizenzierte Unternehmer zugelassen) nicht erfüllt seien.
15Die Klägerin versuche, durch unschlüssigen Vortrag bewusst den deutschen Gerichtsstand zu erschleichen und die Staatenimmunitätsregeln zu unterlaufen.
16Das beklagte Königreich beantragt,
17unter Aufhebung des Zwischenurteils des Landgerichts Bonn, Az. 1 O 478/09 vom 17.7.2013 zu erkennen, dass die Klage unzulässig ist,
18hilfsweise,
19die Revision zuzulassen.
20Die Klägerin beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Der hier abgeschlossene Vertrag sei nicht der hoheitlichen Tätigkeit des beklagten Königreichs zuzuordnen, so dass der Klage die Staatenimmunität nicht entgegenstehe. Die Vertretungsmacht von Scheich B richte sich nach deutschem Recht. Scheich B habe sie – die Klägerin – nicht als Vertreter der T3 beauftragt, sondern sei als Vertreter des beklagten Königreichs tätig geworden. Nicht die T3 investiere in die Economic Cities, sondern der Beklagte als Staat. Die T3 halte lediglich den Kontakt zwischen den Investoren und dem beklagten Königreich. Den Deutschlandbesuch, anlässlich dessen der Kontakt zur Klägerin zustande gekommen sei, habe Scheich B als Vertreter Ts durchgeführt. Die Klägerin habe sein Verhalten ebenfalls nur so verstehen können, dass er sie als Vertreter des Staates T beauftragt habe. Schriftform – so die Klägerin unter Bezugnahme auf zwei rechtsgutachterliche Stellungnahmen – sei nach dem in T geltenden Recht nicht erforderlich, Verträge könnten auch mündlich wirksam abgeschlossen werden. Die T3 sei zur Beauftragung der Klägerin befugt gewesen. Das beklagte Königreich habe für das Projekt mehr als 100 Milliarden US-Dollar aufwenden wollen, die Leistungen der Klägerin seien grundlegende Voraussetzung dafür, überhaupt einen ausländischen Investor interessieren zu können. Soweit der Beklagte die fehlende Schlüssigkeit der Klage rüge, gehe die Berufung nicht auf die vom Landgericht als maßgeblich zugrunde gelegten Tatsachen ein.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und die von ihnen vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
24II.
25Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Klage ist zulässig. Ihr steht die Staatenimmunität des beklagten Königreichs nicht entgegen. Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Bonn folgt aus dem Gerichtsstand des belegenen Vermögens nach § 23 ZPO.
261. Es ist zulässig, durch Zwischenurteil vorab über die Zulässigkeit der Klage zu entscheiden, § 280 ZPO. Das gilt auch bei Streit über die der eigentlichen Zulässigkeit der Klage vorgelagerte Frage der Staatenimmunität. Allerdings entfaltet ein die Staatenimmunität zu Unrecht verneinendes Zwischenurteil keine Rechtskraftwirkung, so dass auch im weiteren Verlauf des Verfahrens die Staatenimmunität zu berücksichtigen ist und weiter in Frage gestellt werden kann (BGH, Urt. v. 9.7.2009 – III ZR 46/08, NJW 2009, 3164). Trotz fehlender Bindungswirkung bleibt eine Vorabentscheidung über die Frage der Immunität aber sinnvoll und zulässig, weil der Streit zunächst auf die Frage des Bestehens der deutschen Gerichtsbarkeit konzentriert werden kann und so der größtmögliche Schutz für das Bestehen der Immunität gewährleistet ist. Ist die Immunität einer Partei zu bejahen, kann der Rechtsstreit sogleich durch Endurteil beendet werden. Dass das Zwischenurteil ausnahmsweise keine Rechtssicherheit zu begründen vermag, wenn das Gericht die Immunität zu Unrecht verneint, ist dem Völkerrecht geschuldet und hinzunehmen (BGH aaO; zur Zulässigkeit eines Zwischenurteils in Fällen der streitigen Staatenimmunität auch BAG, Urt. v. 23.11.2000 – 2 AZR 490/99, NZA 2001, 683).
272. Der Zulässigkeit der Klage steht die Staatenimmunität nicht entgegen. Das beklagte Königreich ist nicht gem. § 20 Abs. 2 GVG nach dem allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatz der Staatenimmunität von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Der Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits unterliegt nicht der Staatenimmunität.
28a) Zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, welche nach Art. 25 S. 1 GG Bestandteil des deutschen Bundesrechts sind, gehört der Grundsatz der Staatenimmunität. Dieser Grundsatz schließt die deutsche Gerichtsbarkeit für hoheitliches Handeln eines anderen Staates aus. Jedoch gilt der Ausschluss der Gerichtsbarkeit nicht absolut. Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der Gesetzeskraft zukommt (Schütze in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., Der Internationale Zivilprozess, Rn. 52), zu unterscheiden zwischen hoheitlichem Handeln (acta iure imperii) und nichthoheitlichem, privatrechtlichem Handeln (acta iure fori). Für letzteres ist die deutsche Gerichtsbarkeit nicht ausgeschlossen (BVerfGE 16, 27).
29Die beschränkte Staatenimmunität ist nicht nur im deutschen Recht (BGH, Beschl. v. 1.10.2009 – VII ZB 37/08, NJW 2010, 769 zur Vollstreckungsimmunität; BAG Urt. v. 3.7.1997 – 2 AZR 513/95, NZA 1996, 1229; Urt. v. 1.7.2010 – 2 AZR 270/99, RIW 2011, 167), sondern auch völkerrechtlich anerkannt (Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Rn. 559). Eine Regel des Völkerrechts ist allgemein im Sinne von Art. 25 GG, wenn sie von der überwiegenden Mehrheit der Staaten anerkannt wird (BVerfGE 117, 142). Auf dem Grundsatz der beschränkten Staatenimmunität, welche privatrechtliches Handeln nicht erfasst, beruht das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit vom 2.12.2004, welches allerdings noch nicht in Kraft getreten und von der Bundesrepublik Deutschland auch nicht ratifiziert ist. Auch die Entscheidung des International Court of Justice (IHG) vom 3.2.2012 (Jurisdictional Immunities of the State (Germany v. Italy: Greece intervening), Judgment, I.C.J. Reports 2012, p. 99) stellt fest, dass dieser Grundsatz dem Übereinkommen der Vereinten Nationen zugrunde liegt und von vielen Staaten anerkannt ist (a.a.O., Rn. 59). Ferner entspricht der Grundsatz der beschränkten Staatenimmunität der Rechtsprechung zahlreicher Staaten (Nachweise bei BVerfGE 16, 27) und der überwiegenden Auffassung im Schrifttum. Von ihm gehen auch die vom beklagten Königreich vorgelegten Rechtsgutachten aus.
30Der Grundsatz der beschränkten Staatenimmunität bedeutet, dass der Staat nicht generell als „Person“ von der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates befreit ist, vielmehr ist die Staatenimmunität „sachbezogen“, d.h. von der Natur des staatlichen Handelns abhängig, welches den Gegenstand des Rechtsstreits bildet. Eine Regel des Völkerrechts, nach der die inländische Gerichtsbarkeit für Klagen gegen einen ausländischen Staat in Bezug auf seine nichthoheitliche Betätigung ausgeschlossen ist, ist nicht Bestandteil des Bundesrechts (BVerfGE 16, 27).
31b) Der Gegenstand der Klage (vom gegenständlichen Charakter der Staatenimmunität geht auch der BGH aus, Urt. v. 9.7.2009 – III ZR 46/08, BGHZ 182, 10 Rn. 20 und 23 f.) betrifft nicht die hoheitliche Tätigkeit des beklagten Königreichs, sondern ist privatrechtlicher Natur und damit von der Staatenimmunität nicht erfasst.
32Sofern nicht schon aufgrund allgemeiner völkerrechtlicher Anschauung der Gegenstand der Klage dem hoheitlichen Tätigkeitsbereich zuzuordnen ist, was hier nicht der Fall ist, erfolgt die Abgrenzung zwischen hoheitlichem und privatrechtlichem Handeln grundsätzlich nach der lex fori, also deutschem Recht (BVerfGE 16, 27; BVerfG, NJW 2012, 29; BGH, Beschl. v. 1.10.2009 – VII ZB 37/08, NJW 2010, 769 Rn. 24; Beschl. v. 25.6.2014 – VII ZB 23/13, NJW-RR 2014, 1088; Rn. 13; Zimmermann in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., § 20 GVG Rn. 12). Maßgebend für die Einordnung der staatlichen Tätigkeit sind nicht Motiv oder Zweck der Tätigkeit, sondern deren Rechtsnatur (BVerfGE 16, 27). Danach gehört der Abschluss von privatrechtlichen Verträgen auch dann zum nichthoheitlichen Bereich, wenn der Zweck des Vertrages dem Bereich der Staatstätigkeit zuzuordnen ist.
33Die Klägerin leitet ihren Anspruch aus einem Vertrag über die entgeltliche Erstellung eines Masterplans für eine sog. Economic City her. Der Abschluss eines solchen Vertrages ist nach dem maßgeblichen deutschen Rechtsverständnis dem nichthoheitlichen, privatrechtlichen Handeln zuzuordnen, und zwar unabhängig davon, ob die Planung und Errichtung solcher Städte durch den Beklagten bzw. die T3 als hoheitlich zu qualifizieren ist oder nicht. Die Klägerin tritt als privatrechtliches Wirtschaftsunternehmen auf, hoheitliche Befugnisse werden ihr mit dem Entwurf eines Masterplans nicht übertragen. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus ihrem Schriftsatz vom 10.3.2015 und der dort vorgelegten Anlage K 63. Die Überschrift dieser Anlage „Hochheitliche Staatliche Aufgaben übertragen an V-Consult“ wird durch den Inhalt der Unterlage (offenbar eine Gegenüberstellung von Aufgaben der T3 und dem bei den Akten befindlichen „Masterplan“ der Klägerin) nicht getragen. Die Übertragung hoheitlicher Aufgaben oder Befugnisse des beklagten Königreichs auf die Klägerin ergibt sich hieraus gerade nicht. Irgendwelche Entscheidungsbefugnisse hatte die Klägerin nicht, ihre Aufgabe bestand lediglich in der Erarbeitung eines Konzepts und der Unterbreitung von Vorschlägen. Auch soweit die Klägerin danach ein deutsches Konsortium zusammengestellt haben will, welches gemeinsam mit Vertretern der T Regierung die Plattform für die konkrete Entwicklung der U2 Stadt bilden sollte, wäre das keine Wahrnehmung hoheitlicher Tätigkeiten für die T3 oder das beklagte Königreich.
34Schließlich ist auch nicht ersichtlich und wird auch vom beklagten Königreich nicht aufgezeigt, dass nach völkerrechtlichem Verständnis der Abschluss eines auf die Erbringung städtebaulicher Planungsleistungen zur Entwicklung einer Economic City gerichteten Vertrages zwischen einem Staat und einem privaten Architektenbüro als hoheitliches Handeln zu qualifizieren ist.
35c) Die Klage ist nicht deshalb nach § 20 Abs. 2 GVG aufgrund Staatenimmunität unzulässig, weil bisher nicht feststeht, ob zwischen dem beklagten Königreich und der Klägerin ein dem Privatrecht unterliegendes vertragliches Verhältnis besteht. Die Frage, ob der privatrechtliche Vertrag, aus dem die Klägerin ihre Ansprüche herleitet, tatsächlich wirksam abgeschlossen worden ist, betrifft nicht die Frage des Eingreifens der deutschen Gerichtsbarkeit, sondern die Begründetheit der Klage.
36Soweit das beklagte Königreich sich darauf beruft, dass einer Klage die Staatenimmunität nur dann nicht entgegenstehe, wenn feststehe – also zugestanden oder bewiesen sei – dass der beklagte Staat einen privatrechtlichen Vertrag abgeschlossen habe, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Eine allgemeine Regel des Völkerrechts oder anerkanntes Völkergewohnheitsrecht des Inhalts, dass die Gerichtsbarkeit über einen ausländischen Staat nur eröffnet ist, wenn der Abschluss eines solchen Vertrages feststeht, kann der Senat nicht feststellen und ist auch durch die völkerrechtlichen Rechtsgutachten von Prof. Dr. U vom 9.4.2014 und 12.9.2014, welche das beklagte Königreich vorgelegt hat, nicht hinreichend belegt.
37Zur Ermittlung des Völkergewohnheitsrechts sind richterliche Entscheidungen sowie völkerrechtliche Lehrmeinungen heranzuziehen (BVerfGE 117, 141).
38Weder der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs vom 3.2.2012 (Jurisdictional Immunities of the State (Germany v. Italy: Greece intervening), Judgement, I.C.J. Reports 2012, p. 99) lässt sich entnehmen, dass schon die Eröffnung der Gerichtsbarkeit voraussetzt, dass feststeht, dass der beklagte Staat ein unter privatwirtschaftliches Handeln fallendes Rechtsgeschäft tatsächlich abgeschlossen hat. Der IGH stellt fest, dass die Staatenimmunität in ihrem Geltungsbereich den fremden Staat nicht nur vor einem für ihn negativen Urteil schützen soll, sondern schon davor, überhaupt dem Gerichtsverfahren unterworfen zu werden, und deshalb die Gerichte die Frage der Staatenimmunität möglichst frühzeitig entscheiden müssen, bevor die Zulässigkeit und Begründetheit der Klage geprüft und Beweise erhoben werden (Rn. 82). Er zeigt das Dilemma (logical problem) auf, das sich ergibt, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen der Staatenimmunität streitig sind. Wenn die bloße Behauptung ausreichend ist, besteht die Gefahr, dass eine Partei die Immunität des fremden Staates durch geschickte Formulierung und Konstruktion des Anspruchs umgehen kann. Verlangt man dagegen, dass die Tatsachen feststehen, muss bereits im Rahmen der Prüfung der eigenen Gerichtsbarkeit über die Begründetheit des Anspruchs Beweis erhoben werden. Der IGH löst diesen Konflikt für die hier relevante Frage des Streits darüber, ob die Eröffnung der Gerichtsbarkeit voraussetzt, dass der beklagte Staat überhaupt (privatrechtlich) tätig geworden ist bzw. ein privatwirtschaftliches Rechtsgeschäft abgeschlossen hat, nicht auf. Das war nicht Thema seiner Entscheidung.
39Auch im Übrigen gibt es zu dieser Frage keine feststehende Rechtsprechung deutscher oder ausländischer Gerichte. Im Verfahren vor dem IGH war ebenso wie in der Mehrzahl der in den Rechtsgutachten von Prof. U zitierten Entscheidungen streitig, ob das Verhalten des beklagten Staates, welches Gegenstand der Klage war, hoheitlicher oder nicht-hoheitlicher Natur war. Diese Frage muss bereits auf der Ebene der deutschen Gerichtsbarkeit bzw. der Staatenimmunität geklärt werden. Das betrifft insbesondere die Fälle, in denen im Rahmen einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung streitig ist, ob der klagende Arbeitnehmer (auch) mit hoheitlichen Aufgaben betraut war (BAG, Urt. v. 3.7.1996 – 2 AZR 513/95, NZA 1996, 1229, 1230 Konsulatsangestellte; Urt. v. 23.11.2000 – 2 AZR 490/99, NZA 2001, 683, Pressereferent einer Abteilung der amerikanischen Botschaft; Urt. v. 1.7.2010 – 2 AZR 270/09, Botschaftsfahrer, der auch als Dolmetscher fungierte, hierzu auch EuGH, Urt. v. 19.7.2012 – Rs. C-165/11, Mahamdia ./. Demokratische Volksrepublik Algerien). Die im Rechtsgutachten von Prof. U zitierte Entscheidung des High Court in London im Fall Grovit v. De Nederlandsche Bank and others (Judgment of 20 December 2005, EWHC 2944) betraf ebenfalls den Fall, dass zwischen den Parteien streitig war, ob die Äußerung, auf welche der Kläger seinen Anspruch stützte, in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit abgegeben wurde oder nicht.
40Eine Regel des Völkerrechts oder eine über einzelne Entscheidungen hinausgehende anerkannte Rechtsprechung zu der hier vorliegenden Fallkonstellation, dass nicht die Einordnung der Tätigkeit als hoheitlich oder nicht-hoheitlich streitig und klärungsbedürftig ist, sondern die Frage, ob die behauptete privatwirtschaftliche Tätigkeit, aus welcher die Klägerin ihren Anspruch herleitet, stattgefunden hat und dem beklagten Staat zuzurechnen ist, gibt es – soweit ersichtlich – nicht.
41Auch aus der Frage, ob es nach allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen eine Vermutung für die Staatenimmunität und ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen der Staatenimmunität und den Ausnahmen von der Staatenimmunität für einzelne staatliche Handlungen gibt und welche Partei die Beweislast für das Eingreifen bzw. die Ausnahme von der Staatenimmunität trägt, lässt sich nicht herleiten, dass schon für die Frage der Gerichtsbarkeit von Bedeutung ist, dass nicht nur feststeht, dass der Gegenstand der Klage nicht der Staatenimmunität unterliegt, sondern auch feststeht, dass der behauptete privatwirtschaftliche Vertrag tatsächlich zustande gekommen ist.
42Schließlich ergibt sich auch aus dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit vom 2.12.2004 nicht, dass bereits auf der Ebene der Prüfung der Gerichtsbarkeit der wirksame Abschluss eines privatwirtschaftlichen Vertrages festgestellt werden muss. Das Übereinkommen ist bisher nicht in Kraft getreten und wurde auch von Deutschland nicht ratifiziert (Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 6. Aufl., Rn 173), so dass es nicht unmittelbar geltendes Völkervertragsrecht ist. Soweit nach dem Übereinkommen jeder Staat jedenfalls für hoheitliches Handeln Immunität vor der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates genießt (Art. 5) und die Gerichte von Amts wegen feststellen müssen, ob der Rechtsstreit der Staatenimmunität unterliegt und wenn dies der Fall ist, davon absehen müssen, Gerichtsbarkeit über diesen Staat auszuüben (Art. 6), entspricht dies auch der deutschen Rechtspraxis. Der Senat vermag dagegen dem Abkommen kein Völkergewohnheitsrecht dahin zu entnehmen, dass die Gerichtsbarkeit für privatwirtschaftliches Handeln eines Staates nur eröffnet ist, wenn schon auf der der Zulässigkeit der Klage vorgelagerten Ebene der Staatenimmunität feststeht, d.h. unstreitig oder bewiesen ist, dass der betreffende Staat einen privatwirtschaftlichen Vertrag abgeschlossen hat. Art. 10 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit vom 2.12.2004 könnte zwar ein solches Verständnis nahe legen. Danach kann sich ein Staat nicht auf seine Immunität berufen, wenn er ein privatwirtschaftliches Rechtsgeschäft mit einer ausländischen natürlichen oder juristischen Person getätigt hat und Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit dem privatwirtschaftlichen Rechtsgeschäft den Gegenstand des Rechtsstreits bilden. Die maßgebliche englische Fassung lautet: „If a State engages in a commercial transaction with a foreign natural or juridical person and, by virtue of the applicable rules of private international law, differences relating to the commercial transaction fall within the jurisdiction of a court of another State, the State cannot invoke immunity from that jurisdiction in a proceeding arising out of that commercial transaction.”. Es ist aber nicht ersichtlich, dass ein solches Verständnis bereits jetzt in der Praxis der Staaten anerkannt ist. Soweit das Rechtsgutachten Prof. U vom 12.9.2014 (S. 14 f.) in diesem Zusammenhang die Vorlage des schweizerischen Bundesrates vom 25.2.2009 „über die Genehmigung und die Umsetzung des UNO-Übereinkommens über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit“ (Bundesblatt Nr. 13 vom 31.3.2009, S. 1721, 1735) zitiert, wird dort der Inhalt des VN-Übereinkommens dargestellt, nicht aber die schweizerische Rechtspraxis. Zudem ist das Zitat auch missverständlich, da es sich nicht auf die Feststellung des Zustandekommens eines privatwirtschaftlichen Rechtsgeschäfts bezieht, sondern auf die Prüfung, ob der Handelnde als „Staat“ im Sinne des Übereinkommens anzuerkennen ist und damit überhaupt der Anwendungsbereich der Staatenimmunität nach Art. 5 des Übereinkommens eröffnet ist. Das Zitat bezieht sich dagegen nicht auf die Frage, wie die Ausnahme von der Staatenimmunität festzustellen ist. Die im Gutachten (S. 15) weiter zitierten US-amerikanischen Entscheidungen sind ebenfalls nicht maßgeblich. Sie entscheiden die Immunitätsfrage nicht auf der Grundlage des Völkergewohnheitsrechts, sondern des amerikanischen Immunitätsrechts, insbesondere des Foreign Sovereign Immunities Act (FTIA) (vgl. U, Immunität von Staatsbediensteten, Paper No. 6/2014 vom 22.9.2014, S. 4, erhältlich über papers.ssrn.com). Zudem zitiert das Gutachten auch eine abweichende Entscheidung eines US-Bundesgerichts.
43d) Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil schon dem eigenen Tatsachenvortrag der Klägerin kein dem beklagten Königreich zurechenbares privatwirtschaftliches Handeln zu entnehmen wäre.
44Dass es Kontakte zwischen der Klägerin und Scheich B über die Fertigung eines Masterplans für das geplante Projekt gegeben hat, ist zwischen den Parteien nicht streitig. Unstreitig ist auch, dass Scheich B Leiter einer staatlichen Behörde war, zu deren Zuständigkeit die Entwicklung der Economic Cities gehört. Die Klägerin hat ferner schlüssig vorgetragen und durch Zeugnis ihres damaligen Geschäftsführers P unter Beweis gestellt, dass Scheich B ihr die Bezahlung eines Honorars mündlich zugesagt hat. Ob diese Kontakte letztlich zu einem Vertrag zwischen der Klägerin und dem beklagten Königreich geführt haben, ist zwischen den Parteien umstritten und im Rahmen der Begründetheit der Klage zu klären.
45Ein Vertragsschluss zwischen der Klägerin und dem beklagten Königreich ist auch nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil die T3 ihrerseits – wie zwischen den Parteien unstreitig und durch ihre Satzung belegt – eine selbständige juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit und auch eigener Finanzausstattung ist und daher auch in der Lage wäre, selbst Verträge abzuschließen. Daraus folgt aber nicht zugleich zwingend, dass sie auch – sofern eine entsprechende Beauftragung erfolgt ist, was zwischen den Parteien streitig ist – Vertragspartner der Klägerin wäre. Denn ebenso ist möglich, dass sie lediglich den Bau der Economic Cities ermöglicht und organisiert, Träger der Baumaßnahme und Vertragspartner dagegen das beklagte Königreich selbst ist. Die Frage nach der Wirksamkeit einer eventuellen mündlichen oder aus E-Mails ableitbaren Beauftragung ist nach Ansicht des Senats keine Frage der Staatenimmunität, sondern ebenfalls Frage der Begründetheit der Klage. Das gilt auch für die Frage der Formbedürftigkeit eines eventuellen Vertrages mit der Klägerin.
463. Das Landgericht Bonn ist international zuständig. Die internationale Zuständigkeit ist abweichend von § 513 Abs. 2 ZPO und unabhängig von einer Rüge der beklagten Partei in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (BGH, Urt. v. 17.3.2015 – VI ZR 11/14, Rn. 14 m.w.Nachw.; Urt. v. 28.11.2001 – III ZR 102/02, NJW 2003, 426, zit. nach juris, Rn. 9; Urt. v. 25.2.1999 – VII ZR 408/97, NJW 1999, 2442).
47Da zwischen Deutschland und T keine internationalen Übereinkommen über die Gerichtszuständigkeit bestehen, richtet sich die internationale Zuständigkeit nach den Vorschriften der ZPO über die örtliche Zuständigkeit.
48a) Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Bonn nach § 29 ZPO (Erfüllungsort) hat das Landgericht im Hinweisbeschluss vom 25.4.2012 (GA 334) zutreffend verneint. Soweit in Literatur und Rechtsprechung für den Honoraranspruch wegen Planungsleistungen der Bürositz des Architekten als Erfüllungsort angenommen wurde (LG München I, NJW-RR 1993, 212; Koeble, in Locher/Koeble/Frik, HOAI, 12. Aufl., § 1 Rn. 35), steht dem schon entgegen, dass nach den allgemeinen Regeln der Erfüllungsort für Zahlungsansprüche der Sitz des Schuldners ist, also des Auftraggebers. Auf die Parallele zum Anwaltsvertrag kann sich diese Auffassung nicht mehr stützen, nachdem der Bundesgerichtshof seine diesbezügliche Rechtsprechung aufgegeben hat (BGH, Beschl. v. 11.11.2003 – X ARZ 91/03, NJW 2004, 54; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 29 Rn. 25 „Architektenvertrag“).
49b) Die internationale und damit auch örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Bonn ergibt sich aber – wie vom Landgericht zutreffend angenommen – aus § 23 ZPO.
50§ 23 ZPO kann nach überwiegender Ansicht, der der Senat sich anschließt, auch die internationale Zuständigkeit gegenüber dem ausländischen Fiskus begründen (Patzina in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., § 23 Rn. 14; Geimer, IZPR, 7. Aufl., Rn. 1378; H. Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 23 Rn. 7; a.A. Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 23 Rn. 3, wonach die Vorschrift auf den ausländischen Fiskus nach Wortlaut und Sinngehalt nicht zutreffe).
51Der für die Zuständigkeit aus § 23 ZPO erforderliche Inlandsbezug besteht. Die Klägerin hat ihren Sitz in Deutschland, was nach der neusten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausreicht (BGH, Beschl. v. 13.12.2012 – III ZR 282/11, NJW 2013, 386). Zudem hat sie auch die Leistung, deren Vergütung sie erstrebt, jedenfalls zu einem wesentlichen Teil im Inland erbracht.
52Der Beklagte verfügt unstreitig im Inland über Vermögen, dessen Wert die Vollstreckungskosten übersteigt.
53Der Gerichtsstand des Vermögens greift zwar gegenüber Klagen gegen einen ausländischen Staat nicht, soweit dessen inländisches Vermögen wegen Vollstreckungsimmunität nicht pfändbar ist (Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 6. Aufl., Rn. 372; Geimer, IZPR, 7. Aufl., Rn. 1378, jeweils m.w.Nachw.).
54Es spricht vieles dafür, dass das Grundstück, auf welchem die König G Akademie betrieben wird, der Vollstreckungsimmunität unterliegt (offen gelassen von OLG Köln, Beschl. v. 12.1.2004 – 16 W 20/03, zit. nach juris, dort Rn. 5 und 13). Denn auf dem Grundstück wird eine T2 Schule betrieben, hinter deren Träger der T2 Staat steht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterfallen kulturelle Einrichtungen eines ausländischen Staates, zu denen auch der Betrieb einer Auslandsschule gehören, unter die Vollstreckungsimmunität (BGH, Beschl. v. 25.6.2014 – VII ZB 23/13, NJW-RR 2014, 1088). Die Frage kann aber offen bleiben. Denn das beklagte Königreich ist Eigentümer eines weiteren Baugrundstücks im Landgerichtsbezirk Bonn, für welches Vollstreckungsimmunität nicht erkennbar ist. Das beklagte Königreich hat nicht dargelegt, dass dieses Grundstück hoheitlichen Zwecken dienen soll.
55III.
56Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
57Die Zulassung der Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der sich zur Reichweite der Staatenimmunität und ihrer Feststellung stellenden Rechtsfragen geboten, auf diese aber nicht beschränkt.
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(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.
(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch
- 1.
die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, - 2.
die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder - 3.
ähnliche geschäftliche Kontakte.
(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.
Für Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche gegen eine Person, die im Inland keinen Wohnsitz hat, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich Vermögen derselben oder der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand befindet. Bei Forderungen gilt als der Ort, wo das Vermögen sich befindet, der Wohnsitz des Schuldners und, wenn für die Forderungen eine Sache zur Sicherheit haftet, auch der Ort, wo die Sache sich befindet.
Für Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche gegen eine Person, die im Inland keinen Wohnsitz hat, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich Vermögen derselben oder der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand befindet. Bei Forderungen gilt als der Ort, wo das Vermögen sich befindet, der Wohnsitz des Schuldners und, wenn für die Forderungen eine Sache zur Sicherheit haftet, auch der Ort, wo die Sache sich befindet.
(1) Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich auch nicht auf Repräsentanten anderer Staaten und deren Begleitung, die sich auf amtliche Einladung der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten.
(2) Im übrigen erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit auch nicht auf andere als die in Absatz 1 und in den §§ 18 und 19 genannten Personen, soweit sie nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind.
Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.
Tenor
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Auf die Rechtsbehelfe der Schuldnerin werden der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Ansbach vom 16. April 2013, der Beschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - Ansbach vom 10. Dezember 2012 sowie der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - Ansbach vom 20. August 2012 aufgehoben und der Antrag der Gläubigerin vom 5. Juli 2012 auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses abgelehnt.
-
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Die Gläubigerin hat die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
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I.
- 1
-
Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil des Arbeitsgerichts N. in einen Anspruch auf Zahlung von Zuschüssen nach dem Bayerischen Schulfinanzierungsgesetz.
- 2
-
Die Schuldnerin betreibt eine "Private Volksschule der Republik Griechenland" in N. Hierfür erhält sie von Seiten des Drittschuldners Zuschüsse für den Personal- und Schulaufwand nach dem Bayerischen Schulfinanzierungsgesetz. Die Gläubigerin ist Inhaberin einer titulierten Forderung gegen die Schuldnerin in Höhe von 1.402,60 €. Wegen dieser Forderung hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - auf Antrag der Gläubigerin einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss betreffend die Ansprüche auf Auszahlung der Zuschüsse erlassen.
- 3
-
Die hiergegen eingelegte Vollstreckungserinnerung der Schuldnerin hat das Amtsgericht zurückgewiesen.
- 4
-
Gegen diesen Beschluss hat die Schuldnerin sofortige Beschwerde eingelegt, welche das Beschwerdegericht mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen hat.
- 5
-
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihr Begehren weiter.
-
II.
- 6
-
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen und zur Ablehnung des Antrags auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.
- 7
-
1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Pfändung sei zulässig. Die Schuldnerin sei nicht von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit, da sie bei dem Betrieb der Schule nicht hoheitlich handele.
- 8
-
Schwerpunktmäßige Aufgabe bei dem Betrieb einer Schule sei die Vermittlung von Wissen, somit die Unterrichtstätigkeit. Nach deutschem Verständnis nähmen Lehrer jedoch nicht hauptsächlich hoheitlich geprägte Aufgaben wahr, weshalb sie auch nicht der besonderen Absicherung durch den Beamtenstatus bedürften.
- 9
-
Zudem unterliege die von der Schuldnerin betriebene Schule einer besonders ausgestalteten Aufsicht durch den deutschen Staat. Aufgrund dessen könne die Schuldnerin ihren Bildungsauftrag nicht autonom, sondern nur im Rahmen der Beschränkungen des Art. 7 Abs. 4 GG wahrnehmen. Bei dem Betrieb der Schule habe sich die Schuldnerin daher der staatlichen Hoheit Deutschlands unterworfen.
- 10
-
Schließlich unterfielen die gepfändeten Forderungen auch nicht der völkerrechtlichen Vollstreckungsimmunität. Da schon der Betrieb der Schule nicht hoheitlich sei, dienten auch die Fördergelder keinen hoheitlichen Zwecken.
- 11
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2. Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
- 12
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Die Zwangsvollstreckung in die Ansprüche der Schuldnerin gegen den Drittschuldner auf Auszahlung der Zuschüsse für den Personal- und Schulaufwand nach dem Bayerischen Schulfinanzierungsgesetz ist unzulässig. Dabei kann es dahinstehen, ob das Amtsgericht für den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gemäß § 828 Abs. 2, 2. Alt., § 23 Satz 2 ZPO international zuständig war. Mit Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde jedenfalls, dass bezüglich der gepfändeten Zahlungsansprüche Vollstreckungsimmunität besteht.
- 13
-
a) Die Vollstreckungsimmunität ist eine Ausprägung des Grundsatzes der Staatenimmunität, der aus dem Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten folgt. Es besteht eine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG, wonach die Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsstaat aus einem Vollstreckungstitel gegen einen fremden Staat, der über ein nicht hoheitliches Verhalten (acta iure gestionis) dieses Staates ergangen ist, in dessen Vermögensgegenstände ohne seine Zustimmung unzulässig ist, soweit diese im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahme hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dienen. Ob ein Vermögensgegenstand hoheitlichen Zwecken dient, richtet sich danach, ob er für eine hoheitliche Tätigkeit verwendet werden soll. Die Abgrenzung zwischen hoheitlichen oder nicht hoheitlichen Zwecken ist mangels entsprechender Kriterien im allgemeinen Völkerrecht grundsätzlich nach der Rechtsordnung des Gerichtsstaats vorzunehmen (BVerfG, NJW 2012, 293, 295; BGH, Beschluss vom 4. Juli 2013 - VII ZB 63/12, NJW-RR 2013, 1532 Rn. 10 ff.; jeweils m.w.N.).
-
Nach deutschem Verständnis unterfallen unter anderem kulturelle Einrichtungen ausländischer Staaten der Vollstreckungsimmunität. Zur Wahrnehmung ausländischer Gewalt gehört auch die vom Staat abhängige Repräsentation von Kultur und Wissenschaft im Ausland (BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2009 - VII ZB 37/08, NJW 2010, 769 Rn. 26 m.w.N; vgl. auch IGH, Urteil vom 3. Februar 2012, Jurisdictional Immunities of the State (Germany v. Italy, Greece intervening), I.C.J. Reports 2012, 99 Rn. 119, abrufbar unter http://www.icj-cij.org/docket/files/143/16883.pdf).
- 14
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b) Bei dem Betrieb der Privaten Volksschule der Republik Griechenland in N. handelt es sich um eine kulturelle Einrichtung der Beklagten.
- 15
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Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts erfüllen Auslandsschulen nicht nur Gemeinwohlinteressen des Staates, in dem die Schule betrieben wird, indem sie als Ersatz für eine grundsätzlich vorgesehene öffentliche Schule eine verfassungsrechtlich anerkannte öffentliche Aufgabe des Erziehungs-, Bildungs- und Ausbildungswesen verwirklichen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 1988 - III ZR 134/87, NJW 1989, 216, 218; Badura in Maunz/Dürig, GG (2013), Art. 7 Rn. 111, 112). Auslandsschulen dienen darüber hinaus dem Zweck, einen Beitrag zur Förderung von Sprache und Kultur des ausländischen Staates im jeweiligen Sitzland zu erbringen. Demgemäß haben sich die Bundesrepublik Deutschland und die Schuldnerin mit ihrem Kulturabkommen vom 17. Mai 1956 (BGBl. 1957 II S. 501) verpflichtet, die Gründung von kulturellen Instituten des anderen Landes zur Erlernung der jeweiligen Sprache zuzulassen und zu fördern, Art. 5 des Kulturabkommens, und sich wechselseitig im Falle von Einschränkungen der Tätigkeiten von Auslandsschulen bei der Wiederinbetriebnahme zu unterstützen, Art. 12 des Kulturabkommens.
- 16
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Die Ansprüche auf Auszahlung von Zuschüssen für den Personal- und Schulaufwand nach dem Bayerischen Schulfinanzierungsgesetz dienen der Aufrechterhaltung des Betriebs einer Auslandsschule und mithin einem hoheitlichen Zweck.
- 17
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3. Eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes (RsprEinhG) war nicht veranlasst. Eine Abweichung von den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 10. April 2013 - 5 AZR 81/12, - 5 AZR 79/12 und - 5 AZR 78/12 (NJW 2013, 2461) sowie vom 25. April 2013 - 2 AZR 960/11 (NJOZ 2013, 1835) ist - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdegegnerin - nicht gegeben. Nach den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts soll weder das Vertragsverhältnis zwischen der Auslandsschule und ihren Lehren noch die Tätigkeit der Lehrer an Auslandsschulen als hoheitlich zu bewerten sein. Das Dienstverhältnis der Lehrer an einer Auslandsschule sei nicht Ausdruck der Souveränität des Staates nach innen oder außen in einem für diese Bestimmung maßgebenden Sinne. Diese Einordnung besagt jedoch nichts über die Qualifikation der von der Schuldnerin in Deutschland betriebenen Schule als kulturelle Einrichtung, deren Betrieb durch den gepfändeten Anspruch auf Zahlung eines staatlichen Zuschusses gewährleistet wird.
-
III.
- 18
-
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Eick Safari Chabestari Halfmeier
-
Kartzke Jurgeleit
(1) Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich auch nicht auf Repräsentanten anderer Staaten und deren Begleitung, die sich auf amtliche Einladung der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten.
(2) Im übrigen erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit auch nicht auf andere als die in Absatz 1 und in den §§ 18 und 19 genannten Personen, soweit sie nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind.
Tenor
-
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. Januar 2009 - 17 Sa 1719/08 - aufgehoben, soweit es der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 2. Juli 2008 - 86 Ca 13143/07 - entsprochen hat.
-
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen Kündigung, über Annahmeverzugslohn und Weiterbeschäftigung. Dabei steht im Vordergrund die Frage, ob die Beklagte Staatenimmunität genießt.
- 2
-
Der Kläger ist algerischer Herkunft. Er besitzt die algerische und die deutsche Staatsangehörigkeit, beherrscht neben der deutschen die arabische und die französische Sprache und wohnt in Berlin. Die Beklagte ist die Demokratische Volksrepublik Algerien. Sie beschäftigte den Kläger auf der Grundlage eines in französischer Sprache verfassten Arbeitsvertrags seit September 2002 als Kraftfahrer in ihrer Berliner Botschaft. Der Vertrag sieht für Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten die Zuständigkeit der algerischen Gerichte vor und weist den Kläger der deutschen Sozialversicherung zu.
- 3
-
Dem Kläger obliegt es, Gäste und Mitarbeiter - vertretungsweise auch den Botschafter - zu fahren. Ferner hat er die Korrespondenz der Botschaft zu deutschen Stellen oder zur Post zu befördern. Diplomatenpost wird von einem weiteren Mitarbeiter der Botschaft entgegengenommen bzw. weitergeleitet, der seinerseits ua. vom Kläger gefahren wird. Ob der Kläger auch Dolmetscherdienste leistet, ist streitig.
- 4
-
Ende August 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2007.
- 5
-
Der Kläger hat die Kündigung für sozialwidrig gehalten. Als Kraftfahrer sei er nicht hoheitlich tätig geworden, weshalb die Beklagte auch als ausländischer Staat vor deutschen Gerichten verklagt werden könne. International zuständig seien die deutschen, nicht die algerischen Gerichte. Die anderslautende arbeitsvertragliche Vereinbarung stehe dem nicht entgegen. In der Sache sei der Fall nach deutschem Recht zu beurteilen.
-
Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt
-
1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung vom 29. August 2007 aufgelöst worden ist,
2.
im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als Autofahrer der Berliner Botschaft weiterzubeschäftigen,
3.
hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungserklärung vom 29. August 2007 nicht zum 30. September 2007, sondern erst zum 31. Oktober 2007 geendet hat,
4.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 25.459,56 Euro brutto abzüglich 10.781,40 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 1.818,54 Euro brutto abzüglich 770,10 Euro netto seit dem 1. Dezember 2007, 1. Januar, 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli, 1. August, 1. September, 1. Oktober, 1. November, 1. Dezember 2008 sowie 1. Januar 2009 zu zahlen.
- 7
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, sie sei nach den Grundsätzen der Staatenimmunität von der deutschen Gerichtsbarkeit ausgenommen, weil der Kläger hoheitliche Aufgaben erfüllt habe. Der Kläger sei in einer Vertrauensstellung beschäftigt worden. Er habe nicht nur vertrauliche Unterlagen befördert, sondern vor allem Kontakt zu den Gästen und Mitarbeitern ihrer Botschaft und damit Kenntnis von botschaftsinternen Vorgängen gehabt, die nicht Gegenstand einer Verhandlung vor deutschen Gerichten sein könnten. Bei sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten habe der Kläger auch den Gästen der Botschaft als Dolmetscher zur Verfügung gestanden. International zuständig seien ausschließlich die algerischen Gerichte. Es sei algerisches Recht anzuwenden. Dafür sprächen ua. die algerische Staatsangehörigkeit des Klägers und die Tatsache, dass der Arbeitsvertrag in französischer Sprache abgefasst sei. Die Kündigung sei auf der Grundlage algerischer Rechtsvorschriften gerechtfertigt.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil die Beklagte für den Streitfall Staatenimmunität genieße. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und im Wesentlichen nach den Klageanträgen erkannt. Mit der vom Landesarbeitsgericht nur für sie zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
- 9
-
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Ob die Beklagte Staatenimmunität genießt, steht noch nicht fest (I.). Gegebenenfalls wird das Landesarbeitsgericht auch die Fragen der internationalen Zuständigkeit und der Anwendbarkeit deutschen oder algerischen Rechts neu zu würdigen haben (II.).
- 10
-
I. Ob die Beklagte der deutschen Gerichtsbarkeit unterfällt, kann der Senat nicht abschließend beurteilen.
- 11
-
1. Nach § 20 Abs. 2 GVG erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit nicht auf Personen, die gemäß den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind. Nach dem als Bundesrecht iSv. Art. 25 GG geltenden allgemeinen Völkergewohnheitsrecht sind Staaten der Gerichtsbarkeit anderer Staaten nicht unterworfen, soweit ihre hoheitliche Tätigkeit von einem Rechtsstreit betroffen ist. Ihre diplomatischen und konsularischen Beziehungen dürfen nicht behindert werden (vgl. zur nach wie vor hohen Bedeutung der Staatenimmunität: BVerfG 6. Dezember 2006 - 2 BvM 9/03 - BVerfGE 117, 141; BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - zu A I 2 a der Gründe mwN, BAGE 113, 327, 331; 23. November 2000 - 2 AZR 490/99 - zu II 3 b der Gründe, AP GVG § 20 Nr. 2 = EzA GVG § 20 Nr. 3). Andernfalls könnte die rechtliche Prüfung durch die Gerichte eine Beurteilung des hoheitlichen Handelns erfordern mit der Folge, dass die ungehinderte Erfüllung der Aufgaben der Botschaft bzw. des Konsulats beeinträchtigt wäre (Senat 16. Mai 2002 - 2 AZR 688/00 - zu II 1 der Gründe, AP GVG § 20 Nr. 3; Schack Internationales Zivilverfahrensrecht 5. Aufl. Rn. 172 ff.).
- 12
-
a) Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und nichthoheitlicher Staatstätigkeit richtet sich nicht nach deren Motiv oder Zweck. Maßgebend ist die Art der umstrittenen staatlichen Handlung oder des streitigen Rechtsverhältnisses (BVerfG 30. April 1963 - 2 BvM 1/62 - zu C II 2 der Gründe, BVerfGE 16, 27, 61 f.; BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - BAGE 113, 327). Mangels völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist die Abgrenzung grundsätzlich nach dem Recht des entscheidenden Gerichts zu beurteilen (BVerfG 30. April 1963 - 2 BvM 1/62 - zu C II 3 der Gründe, BVerfGE 16, 27, 62; BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - aaO; 23. November 2000 - 2 AZR 490/99 - zu II 3 c cc der Gründe, AP GVG § 20 Nr. 2 = EzA GVG § 20 Nr. 3; Schack Internationales Zivilverfahrensrecht 5. Aufl. Rn. 176).
- 13
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b) Gesetzliche Regeln für die Einordnung als hoheitliches oder nichthoheitliches Handeln bestehen im Hinblick auf den Gegenstand arbeitsrechtlicher Streitigkeiten zwischen außereuropäischen Botschaften und ihrem Personal nicht (vgl. das noch nicht in Kraft getretene UN-Übereinkommen zur Staatenimmunität vom 2. Dezember 2004 - Resolution 59/38 - Art. 11; vgl. auch das hier nicht anwendbare Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität vom 16. Mai 1972 - Art. 5, BGBl. II 1990, 34 - EuStImm). Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegen arbeitsrechtliche Bestandsstreitigkeiten zwischen Botschaftsangestellten und dem betreffendem Staat der deutschen Gerichtsbarkeit nicht, wenn der Arbeitnehmer für den anderen Staat hoheitlich tätig war (23. November 2000 - 2 AZR 490/99 - AP GVG § 20 Nr. 2 = EzA GVG § 20 Nr. 3). Es kommt dabei nicht auf die rechtliche Form der Rechtsbeziehung (privatrechtlicher Vertrag oder öffentlich-rechtliches Verhältnis), sondern auf den Inhalt der ausgeübten Tätigkeit an. So ist etwa die Tätigkeit eines Aufzugsmonteurs (Senat 20. November 1997 - 2 AZR 631/96 - zu II 1 der Gründe, BAGE 87, 144, 149) oder Haustechnikers (BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - zu A I 2 der Gründe, BAGE 113, 327, 331) nicht hoheitlich. Betrifft die geschuldete Leistung dagegen eine originär hoheitliche Aufgabe, ist Immunität gegeben (Senat 16. Mai 2002 - 2 AZR 688/00 - zu II 2 c der Gründe, AP GVG § 20 Nr. 3),zB bei Angestellten zur Visa-Bearbeitung (Senat 16. Mai 2002 - 2 AZR 688/00 - zu II 2 a aa der Gründe, aaO) oder bei einem Pressereferenten (Senat 23. November 2000 - 2 AZR 490/99 - zu II 3 c der Gründe, aaO). Entscheidend ist der funktionale Zusammenhang zwischen den diplomatischen Aufgaben und der zu beurteilenden Tätigkeit (vgl. Kissel/Mayer GVG 5. Aufl. § 20 Rn. 5).
- 14
-
2. Diesen Grundsätzen trägt die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe keine hoheitliche Tätigkeit ausgeübt und deshalb genieße die Beklagte im Streitfall keine Immunität, nicht ausreichend Rechnung. Das Landesarbeitsgericht hat erheblichen Tatsachenvortrag der Beklagten außer Acht gelassen. Sein Urteil war deshalb aufzuheben.
- 15
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a) Im Ansatz zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht an, dass die Tätigkeit eines Fahrers, der nicht in den diplomatischen Funktionszusammenhang eingebunden ist, keine hoheitliche Tätigkeit darstellt (vgl. BAG 30. Oktober 2007 - 3 AZB 17/07 - Rn. 22, IPRspr. 2007, 498, 501 f.).
- 16
-
b) Indes hat das Landesarbeitsgericht den unter Zeugenbeweis gestellten Vortrag der Beklagten, der Kläger sei nicht nur als Fahrer, sondern auch als Dolmetscher eingesetzt worden, zu Unrecht außer Acht gelassen. Trifft die entsprechende Behauptung in einem nennenswerten Umfang zu, so kann der Tätigkeit des Klägers eine andere Funktionalität zukommen als die einer reinen Hilfstätigkeit nichthoheitlicher Prägung.
- 17
-
c) Die Aufgaben einer diplomatischen Mission umfassen nach Art. 3 des Wiener Übereinkommens vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen (BGBl. II 1964, 957 ff.) die vielfältige Pflege politischer, kultureller, wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Beziehungen. Dass hierbei ebenso offizielle wie auch informelle Gespräche die wichtigste Rolle spielen, liegt auf der Hand. Wenn dem Kläger aufgrund seiner Herkunft und seiner Sprachkenntnisse aufgegeben war, seine Tätigkeit als Chauffeur mit der des Dolmetschers zu verbinden, indem er zur Anbahnung und Pflege derartiger Gesprächskontakte in nennenswertem Umfang beitrug, so kann dies zu der Beurteilung führen, dass seine Tätigkeit in einem funktionellen Zusammenhang mit den diplomatischen Zielen der Botschaft stand. Auch die Beförderung von vertraulicher Post und der gelegentliche Einsatz als Fahrer des Botschafters könnten dann in einem anderen Licht erscheinen.
- 18
-
d) Der Beweisantritt der Beklagten durfte nicht als Ausforschungsbeweis unbeachtet bleiben.
- 19
-
aa) Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen (vgl. BVerfG 10. Februar 2009 - 1 BvR 1232/07 - Rn. 26, NJW 2009, 1585; BGH 25. April 1995 - VI ZR 178/94 - AP ZPO § 286 Nr. 23; 4. März 1991 - II ZR 90/90 - EzA GG Art. 9 Nr. 51 mwN). Unerheblich ist dabei, wie wahrscheinlich die Darstellung ist und ob sie auf eigenem Wissen oder einer Schlussfolgerung aus Indizien beruht (BGH 9. Februar 2009 - II ZR 77/08 - Rn. 4 mwN, NJW 2009, 2137). Es ist dann Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls Zeugen nach weiteren Einzelheiten zu befragen (BGH 21. Mai 2007 - II ZR 266/04 - Rn. 8, NJW-RR 2007, 1409; 2. April 2009 - I ZR 16/07 - TranspR 2009, 410).
- 20
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bb) Legt man diesen Maßstab zugrunde, hätte der Beweisantritt der Beklagten nur dann unbeachtet bleiben dürfen, wenn ihre Behauptung als gänzlich substanzlos, willkürlich, aus der Luft gegriffen oder ins Blaue hinein aufgestellt erschiene. Davon kann nicht die Rede sein. Es trifft zwar zu, dass die Beklagte ihrer Behauptung, der Kläger sei als Dolmetscher eingesetzt worden, weder zeitlich noch räumlich genauere Konturen verliehen hat. Indes hätte das Landesarbeitsgericht der Beklagten, wenn ihm deren Vortrag nicht hinreichend konkret erschien, einen Hinweis nach § 139 ZPO erteilen müssen. Dabei hätte es beachten müssen, dass die Staatenimmunität nicht auf prozessrechtlichem Wege eine Entwertung erfahren darf: Der Schutz der Staatenimmunität soll verhindern, dass ein Staat über den anderen im Kernbereich der staatlichen Souveränität zu Gericht sitzt (par in parem non habet imperium). Die Anforderungen an die Substantiierungslast im Prozess dürfen nicht dazu führen, dass der Staat, der sich auf Immunität beruft, auf prozessrechtlichem Wege zur Aufgabe des ihm eingeräumten Vorrechts gezwungen wird, indem er nun Einzelheiten über die vom Kläger möglicherweise entfaltete Dolmetschertätigkeit, zB Namen von Personen, Gesprächsinhalte usf. preisgeben müsste.
- 21
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II. Sollte das Landesarbeitsgericht nach einer Beweisaufnahme zu dem Ergebnis kommen, die Beklagte sei nach den Grundsätzen der Staatenimmunität nicht von der deutschen Gerichtsbarkeit ausgenommen, wird es auch die Frage der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte und, falls es diese bejaht, die Anwendbarkeit deutschen oder algerischen Rechts erneut prüfen müssen.
- 22
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1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte kann, wovon auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist, nach Art. 19 Nr. 1, Art. 18 Abs. 2 der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen - Verordnung Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 (EuGVVO - ABl. EG L 12 vom 16. Januar 2001 S. 1, ber. ABl. EG L 307 vom 24. November 2001 S. 28) begründet sein.
- 23
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a) Die EuGVVO ist seit ihrem Inkrafttreten am 1. März 2002 in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat der EU. Die Verordnung geht nationalem Recht im Rang vor. Soweit ihr nationale Bestimmungen widersprechen, werden sie durch die EuGVVO verdrängt (BAG 24. September 2009 - 8 AZR 306/08 - AP EuGVVO Art. 18 Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Verordnung 44/2001 Nr. 4 mwN; vgl. Schack Internationales Zivilverfahrensrecht 5. Aufl. Rn. 218, 326).
- 24
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b) Sind - wofür Vieles sprechen wird - die Vorschriften der Art. 18 ff. EuGVVO anwendbar, so wird zu beachten sein, dass nach Art. 18 Abs. 2 EuGVVO ein Arbeitgeber, mit dem der Arbeitnehmer einen individuellen Arbeitsvertrag geschlossen hat und der im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats keinen Wohnsitz hat(Arbeitgeber mit Wohnsitz in einem Drittstaat), so behandelt wird, als habe er einen Wohnsitz, vorausgesetzt, er unterhält in einem Mitgliedstaat eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung.
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c) Die vom Landesarbeitsgericht bejahte Frage, ob als sonstige Niederlassung iSd. Art. 18 Abs. 2 EuGVVO auch die Botschaft eines Drittstaates angesehen werden kann, ist bisher von dem zur Auslegung der EuGVVO vorrangig zuständigen Gerichtshof der Europäischen Union nicht entschieden. Ob den Entscheidungen des Gerichtshofs in anderen Zusammenhängen ohne Weiteres mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnommen werden kann, die Botschaft der Beklagten sei als „sonstige Niederlassung“ anzusehen, erscheint zweifelhaft. Dagegen mag immerhin Artikel 7 EuStImm sprechen. Die Norm sieht vor, dass eine „andere Niederlassung“ die Staatenimmunität nur dann aufhebt, wenn der betreffende Staat von dieser anderen Niederlassung aus „auf die gleiche Weise wie eine Privatperson eine gewerbliche, kaufmännische oder finanzielle Tätigkeit ausübt“. Jedenfalls ist, soweit es die Auslegung von Art. 18 EuGVVO betrifft, Art. 267 AEUV zu beachten.
- 26
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2. Außerhalb des Geltungsbereichs der EuGVVO richtet sich die internationale Zuständigkeit nach den Regeln über die örtliche Zuständigkeit. Da die Beklagte keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, kann die im Arbeitsvertrag getroffene Vereinbarung der Zuständigkeit der algerischen Gerichte nach § 38 Abs. 2 ZPO wirksam sein.
- 27
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3. Sollte es auf die Frage ankommen, ob auf den Streitfall deutsches oder algerisches Recht anzuwenden ist, wird das Landesarbeitsgericht die folgenden Erwägungen beachten müssen.
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a) Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegt ein Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss nicht ausdrücklich erfolgen. Sie kann sich aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles ergeben. Die Voraussetzungen einer stillschweigenden (konkludenten) Rechtswahl bestimmen sich nicht nach dem gewählten Recht. Vielmehr bestimmt Art. 27 Abs. 1 EGBGB selbst, unter welchen Voraussetzungen von einer stillschweigenden Rechtswahl auszugehen ist(BAG 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 - BAGE 125, 24 mwN). Obgleich es keinen abschließenden Katalog einschlägiger Indizien gibt, sind bei Schuldverträgen aus Gerichtsstandsklauseln, Schiedsklauseln, vertraglichen Bezugnahmen auf ein bestimmtes Recht sowie aus der Vereinbarung eines für beide Parteien gemeinsamen Erfüllungsorts typische Hinweise auf eine stillschweigende Rechtswahl zu entnehmen. Bei Arbeitsverträgen stellt die Bezugnahme auf Tarifverträge und sonstige Regelungen am Sitz des Arbeitgebers ein gewichtiges Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl dar (vgl. BAG 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 - aaO; 12. Dezember 2001 - 5 AZR 255/00 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 100, 130; 26. Juli 1995 - 5 AZR 216/94 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 157 Nr. 7 = EzA BGB § 133 Nr. 19).
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b) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Parteien keine ausdrückliche Rechtswahl getroffen haben. Bei seiner weiteren Würdigung, es liege auch keine stillschweigende Wahl algerischen Rechts vor, hat es jedoch nicht alle wesentlichen Umstände ausreichend in Betracht gezogen. In Ziff. VI des Arbeitsvertrags haben die Parteien die Zuständigkeit der algerischen Gerichtsbarkeit vereinbart. Dies kann ein gewichtiger Hinweis darauf sein, dass auch das materielle Recht Algeriens angewendet werden sollte. Im Allgemeinen dürfte dem Willen der Vertragsparteien eine Rechtswahl fernliegen, nach der ein ausländisches Gericht materielles deutsches Recht anwenden soll. Das materielle Recht und das Prozessrecht stehen regelmäßig in einer engen Wechselwirkung, was im Fall des deutschen Arbeitsrechts ganz besonders greifbar ist. Außerdem dürfte die Sicherheit in der Anwendung des materiellen Rechts eines ausländischen Staates bei den Gerichten geringer sein als bei der Anwendung des jeweiligen eigenen, innerstaatlichen Rechts. Nimmt man im Streitfall die Vertragssprache, die Herkunft des Klägers und dessen Tätigkeit im öffentlichen Dienst der Beklagten hinzu, so sprechen gewichtige Anhaltspunkte für eine stillschweigend getroffene Wahl algerischen Rechts. Gegebenenfalls muss das Landesarbeitsgericht darauf hinwirken, dass die Parteien zur Vertragspraxis Vortrag halten. Dass die Erfüllung der beiderseitigen Vertragspflichten nur in Deutschland möglich war und die Bezahlung in Euro erfolgte, liegt in der Natur der Sache und dürfte wenig Aussagekraft für die Rechtswahl haben. Der Umstand, dass der Kläger der deutschen Sozialversicherung unterlag und die Steuerschuld in Deutschland anfiel, betrifft nicht den arbeitsrechtlichen Kern des vertraglichen Pflichtengefüges.
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c) Haben die Parteien algerisches Recht vereinbart, so ist noch zu prüfen, ob diese Rechtswahl den in Art. 30 EGBGB niedergelegten Anforderungen entspricht. Hier wird ggfs. in Betracht zu ziehen sein, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht engere Verbindungen zum algerischen Staat als zu Deutschland aufweist (Art. 30 Abs. 2 EGBGB).
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d) Die Anwendung deutschen Kündigungsrechts ergibt sich jedenfalls nicht aus Art. 34 EGBGB. Die Vorschriften der §§ 1 - 14 KSchG stellen keine „Eingriffsnormen“ iSd. Art. 34 EGBGB dar. Nach Art. 9 Abs. 1 Rom-I-VO, die zwar auf den Streitfall noch nicht anwendbar ist, aber zur Orientierung insoweit herangezogen werden kann, sind „Eingriffsnormen“ zwingende Vorschriften, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation angesehen wird, dass sie auf alle in Betracht kommenden Sachverhalte angewendet werden müssen. Hierher gehören im Arbeitsrecht etwa die Beschäftigungsverbote für werdende Mütter, die Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung uÄ. Es muss sich um Regelungen handeln, die nicht nur zwingendes Recht darstellen, sondern darüber hinaus in besonderer Weise das allgemeine Wohl betreffen; häufig werden es Regeln sein, über deren Einhaltung staatliche Stellen wachen. Diese Voraussetzungen liegen bei den Vorschriften des allgemeinen Kündigungsschutzes nicht vor. Sie dienen nach dem individualrechtlichen Konzept des deutschen Kündigungsschutzrechts in erster Linie dem Ausgleich eines Konflikts zwischen Privatleuten und nur mittelbar sozialpolitischen Zwecksetzungen (Senat 24. August 1989 - 2 AZR 3/89 - BAGE 63, 17; ErfK/Schlachter 10. Aufl. Art. 27 - 34 EGBGB Rn. 16; Palandt/Thorn BGB 68. Aufl. Art. 34 EGBGB Rn. 3b; Junker in jurisPK/BGB 4. Aufl. Art. 34 EGBGB Rn. 35; HWK/Tillmanns 4. Aufl. Art. 3, 8, 9 ROM-I-VO Rn. 33 ff.; Deinert RdA 2009, 144).
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Kreft
Eylert
Schmitz-Scholemann
Gans
Nielebock
(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte ist eine in den Niederlanden ansässige Versandhandelsgesellschaft. Mit Schreiben vom 30. Juni 2000 sandte sie der in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaften Klägerin eine "Wichtige Benachrichtigung wegen Bargeld-Zuteilung aus Auswahl-Verfahren". Darin teilte die Beklagte der Klägerin mit, im Zuge einer "Extra-Auszahlung" würden noch vor dem 20. Juli 2000 12.300 DM vergeben. Weiter hieß es in dem Schreiben:
"Und stellen Sie sich vor, Frau M., Ihr Name wurde nicht nur nominiert, sondern sogar als Gewinner gezogen. Das heißt für Sie, der Bargeld-Betrag gehört jetzt schon Ihnen!"
Entsprechend der im Schreiben vom 30. Juni 2000 gegebenen Anleitung sandte die Klägerin der Beklagten den "Ziehungs-Bescheid" mit aufgeklebter "Zuteilungs-Marke" zurück. Die Beklagte zahlte nicht.
Die Klägerin macht geltend, die Beklagte schulde ihr aufgrund einer Gewinnzusage (§ 661a BGB) 12.300 DM nebst Zinsen. Die Beklagte hat gerügt , das angerufene Landgericht Mönchengladbach sei weder international noch örtlich zuständig. Sie könne nur an ihrem Sitz in den Niederlanden verklagt werden. Das Landgericht hat abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage angeordnet und durch Zwischenurteil entschieden, daß die Klage zulässig sei. Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte weiterhin ihren Antrag, die Klage als unzulässig abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat das Landgericht Mönchengladbach für international und örtlich zuständig erachtet. Es könne dahinstehen, ob Mönchengladbach Gerichtsstand des Erfüllungsortes (Art. 5 Nr. 1 erster Halbsatz des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September
1968, BGBl. 1972 II S. 774, im folgenden: EuGVÜ) sei. Die internationale Zu- ständigkeit der deutschen Gerichte ergebe sich jedenfalls aus dem Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ). Denn die Klage werde auf ein deliktsähnliches Verhalten der Beklagten gestützt.
II.
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung im Ergebnis stand.
Die Klage ist zulässig. Die deutschen Gerichte sind international zuständig.
1. Das Revisionsgericht ist befugt, die internationale Zuständigkeit zu prüfen. § 545 Abs. 2 ZPO n.F., der hier anzuwenden ist (vgl. § 26 Nr. 7 Satz 1 EGZPO), steht insoweit nicht entgegen. Die Vorschrift hat die Regelungen in den bisherigen §§ 10, 549 Abs. 2 ZPO übernommen. Sie bestimmt - entsprechend dem neu gefaßten § 513 Abs. 2 ZPO (bisher: § 512 a ZPO) - darüber hinaus, die Revision könne nicht darauf gestützt werden, daß das erstinstanzliche Gericht seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat (Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses
a.E.; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl. 2002 § 280 Rn. 8; Zöller/Geimer aaO IZPR Rn. 38; s. auch BGH, Beschluß vom 17. September 2001 - VI ZR 105/02 - Umdruck S. 4; a.A. Reichold in Thomas/Putzo, ZPO 23. Aufl. 2001 § 545 Rn. 13; Zöller/Gummer aaO § 545 Rn. 16 und § 513 Rn. 8; vgl. ferner Musielak/Ball, ZPO 3. Aufl. 2002 § 545 Rn. 12 f).
a) Hinsichtlich des § 549 Abs. 2 ZPO a.F., der die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges sowie die Frage nach der Zuständigkeit des Arbeitsgerichts und dem Vorliegen einer Familiensache der revisionsrechtlichen Prüfung entzogen hatte, war anerkannt, daß er für die internationale Zuständigkeit nicht - auch nicht entsprechend - galt. Die internationale Zuständigkeit war in jedem Verfahrensabschnitt, auch im Revisionsverfahren , von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., vgl. BGHZ - GSZ - 44, 46; BGHZ 115, 90, 91; 134, 127, 129 f; BGH, Urteil vom 17. Dezember 1998 - IX ZR 196/97 - NJW 1999, 1395 f; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO 21. Aufl. 1993 §§ 549, 550 Rn. 56). Weder dem Wortlaut des § 545 Abs. 2 ZPO (n.F.) noch der Gesetzesbegründung ist ein ausreichender Hinweis darauf zu entnehmen, daß der Gesetzgeber daran etwas ändern wollte.
aa) Gemäß § 545 Abs. 2 ZPO (n.F.) erstreckt sich die revisionsrechtliche Prüfung nicht darauf, daß das Gericht des ersten Rechtszuges "seine" Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat. Damit kann allein die Zuständigkeitsverteilung unter den deutschen Gerichten gemeint sein, nämlich die Frage der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit, ferner - abweichend vom bisherigen Recht - der funktionellen Zuständigkeit, der Abgrenzung zwischen Zivilkammer und Kammer für Handelssachen sowie zwischen Prozeßgericht und Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. Musielak/Ball aaO Rn. 13
a.E.), nicht jedoch diejenige zwischen den deutschen und den ausländischen Gerichten.
bb) Die Gesetzesbegründung (Begründung aaO) verweist darauf, daß im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und der Entlastung des Revisionsgerichts Rechtsmittelstreitigkeiten, die allein auf die Frage der Zuständigkeit "des Gerichts" gestützt werden, vermieden werden sollen. Die in den Vorinstanzen geleistete Sacharbeit solle nicht wegen fehlender Zuständigkeit hinfällig werden. Diese Hinweise sind zu allgemein, als daß angenommen werden könnte, der Gesetzgeber habe die internationale Zuständigkeit ebenso wie die Zuständigkeitsverteilung unter den - unterstelltermaßen gleichwertigen (BGHZ 44, 46, 49) - innerstaatlichen Gerichten der revisionsrechtlichen Nachprüfung entziehen wollen. Die internationale Zuständigkeit hat nämlich ein ungleich größeres Gewicht. Sie betrifft die Abgrenzung zu den Souveränitätsrechten anderer Staaten. Es handelt sich darum, inwieweit die deutschen Gerichte in Rechtssachen mit Auslandsbeziehungen eine Entscheidungsbefugnis in Anspruch nehmen können (vgl. BGHZ aaO 51).
Es kommt hinzu, daß die internationale Zuständigkeit - anders als die örtliche, sachliche, funktionelle und ähnliche innerstaatliche Zuständigkeit - über das Verfahrensrecht entscheidet, dem der Rechtsstreit unterliegt. Denn nur das deutsche Gericht wendet deutsches Prozeßrecht, das ausländische Gericht aber sein eigenes Verfahrensrecht an. Darüber hinaus hängt von der internationalen Zuständigkeit nicht selten ab, nach welchem materiellen Recht die Rechtssache entschieden wird. Wird die deutsche internationale Zuständigkeit bejaht, so bestimmt das deutsche internationale Privatrecht, nach welchem materiellen Recht das streitige Rechtsverhältnis zu beurteilen ist; wird
aber die deutsche internationale Zuständigkeit verneint (und ruft deshalb der Kläger ein ausländisches Gericht an), so entscheidet dieses nach dem internationalen Privatrecht seines Landes über die anzuwendende Rechtsnorm. Demgemäß kann die Entscheidung über die internationale Zuständigkeit - im Gegensatz zu der Zuständigkeitsabgrenzung unter den deutschen Gerichten - die sachliche Entscheidung des Prozesses vorwegnehmen (BGHZ aaO 50; Geimer aaO Rn. 1009).
b) Die Auffassung, daß § 545 Abs. 2 ZPO (n.F.) die revisionsrechtliche Prüfung der internationalen Zuständigkeit nicht hindert, wahrt schließlich die Beachtung der Vorlagepflichten nach dem EuGVÜ und dem hierzu abgeschlossenen Protokoll betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch den Gerichtshof vom 3. Juni 1971 (BGBl. 1972 II S. 846, künftig: Protokoll). Danach können in der Bundesrepublik Deutschland nur die obersten Gerichtshöfe des Bundes (Art. 2 Nr. 1 des Protokolls) und andere Gerichte, sofern sie als Rechtsmittelgericht entscheiden (Art. 2 Nr. 2 des Protokolls), dem Gerichtshof eine Auslegungsfrage zur Vorabentscheidung vorlegen. Diese Vorlageberechtigung ginge ins Leere, wenn der Bundesgerichtshof aufgrund des § 545 Abs. 2 ZPO n.F. die internationale Zuständigkeit nicht mehr zu prüfen hätte. Entsprechendes gälte dann nämlich auch für die Berufungsgerichte (vgl. § 513 Abs. 2 ZPO n.F.), so daß es in der Bundesrepublik Deutschland kein Gericht gäbe, das berechtigt wäre, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Fragen zur Auslegung des EuGVÜ (und des am selben Tag und am selben Ort unterzeichneten Protokolls sowie des Protokolls vom 3. Juni 1971
3. Juni 1971 bestimmten Vorlageregelung unvereinbar (vgl. zu den völkerver- trags- und sekundärrechtlichen Kontrollpflichten Staudinger IPRax 2001, 298, 299 f).
2. Die mithin zulässige revisionsrechtliche Prüfung ergibt, daß im Streitfall die deutschen Gerichte entweder gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 zweite Alternative EuGVÜ oder gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ international zuständig sind.
a) Grundsätzlich sind natürliche Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates des EuGVÜ haben, vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen (Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ); entsprechendes gilt für Gesellschaften und juristische Personen, die ihren Sitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 53 Abs. 1 Satz 1 EuGVÜ ). Abweichend von dieser Regel können in einem Vertragsstaat ansässige (natürliche oder juristische) Personen vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaates verklagt werden, wenn dort einer der in Art. 5 ff EuGVÜ genannten Wahlgerichtsstände besteht (Art. 3 Abs. 1 EuGVÜ; vgl. auch Musielak/Weth, ZPO 2. Aufl. 2000 Art. 3 EuGVÜ Rn. 1). So liegt der Streitfall. Die in den Niederlanden ansässige Beklagte kann vor einem deutschen Gericht verklagt werden , weil in der Bundesrepublik Deutschland entweder die internationale Zuständigkeit für Verbrauchersachen (Art. 13, 14 EuGVÜ) oder der unerlaubten Handlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ) begründet ist.
b) Für Klagen aus einem Vertrag, den eine Person zu einem Zweck abgeschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person (Verbraucher) zugerechnet werden kann, bestimmt sich die Zuständig-
keit nach den Art. 13 ff. EuGVÜ für "andere Verträge" (als Teilzahlungskauf oder Darlehen), wenn sie die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand haben, sofern dem Vertragsschluß in dem Staat des Wohnsitzes des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist und der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluß des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat (Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 zweite Alternative EuGVÜ). Es handelt sich bei dieser Zuständigkeit um einen Sonderfall des Gerichtsstandes des Erfüllungsortes (Art. 5 Nr. 1 erster Halbsatz EuGVÜ). Während Art. 5 Nr. 1 erster Halbsatz EuGVÜ sich allgemein auf Klagen aus Vertrag bezieht, erfaßt Art. 13 EuGVÜ bestimmte Arten von Verträgen, die ein Verbraucher geschlossen hat (EuGH, Urteil vom 11. Juli 2002 - Rs. C-96/00
Die vorliegende auf eine Gewinnzusage im Sinne des § 661a BGB gestützte Klage kann als Klage aus einem Verbrauchervertrag (Art. 13 Abs. 1 EuGVÜ) angesehen werden.
aa) Zwar handelt es sich bei der Gewinnzusage oder vergleichbaren Mitteilung der Beklagten nicht um einen Vertrag, sondern um ein einseitiges Rechtsgeschäft oder eine geschäftsähnliche Handlung (vgl. Lorenz, NJW 2000, 3305, 3307; Palandt/Sprau, BGB 61. Aufl. 2002 § 661a Rn. 2; Ring, Fernabsatzgesetz 2002 Art. 2 Abs. 4 Rn. 172). Die vertragliche Natur des Klageanspruchs kann auch nicht daraus hergeleitet werden, daß eine untrennbare Verbindung zwischen der Gewinnzusage und der Warenbestellung bestanden
hätte (vgl. EuGH aaO S. 2699). Es ist nicht ersichtlich, daß die Klägerin bei der Beklagten Waren bestellt oder die Beklagte die Auszahlung des Gewinns von einer Warenbestellung abhängig gemacht hätte.
bb) Die an die Klägerin gerichtete Gewinnbenachrichtigung der Beklagten zielte jedoch auf eine Vertragsanbahnung. Die Klägerin, die unstreitig Verbraucherin im vorbeschriebenen Sinn war, sollte hierdurch veranlaßt werden, bei der Beklagten Waren zu bestellen (Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 zweite Alternative und lit. a EuGVÜ). Denn sie wurde in dem Schreiben der Beklagten vom 30. Juni 2000 aufgefordert, von der Klägerin angebotene "Schnäppchen" zu nutzen. Auch das in Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. b EuGVÜ bestimmte Erfordernis, daß der Verbraucher in dem Staat seines Wohnsitzes die zum Abschluß des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat, war - zumindest dem Rechtsgedanken nach - erfüllt. Die Klägerin versah entsprechend den Anweisungen der Beklagten im Schreiben vom 30. Juni 2000 den Ziehungsbescheid mit der Zuteilungsmarke und schickte ihn am 7. Juli 2000 zurück.
cc) Sind aber die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ gegeben , dann konnte die in der Bundesrepublik Deutschland wohnende Klägerin ihre "Klage eines Verbrauchers" gegen die in den Niederlanden ansässige Beklagte wahlweise vor den niederländischen (Art. 14 Abs. 1 erste Alternative EuGVÜ) oder - wie geschehen - vor den deutschen Gerichten (Art. 14 Abs. 1 zweite Alternative EuGVÜ) erheben.
c) Wäre hingegen für die Zuständigkeit für Verbrauchersachen (Art. 13 ff. EuGVÜ) entscheidend auf den - hier nicht erfolgten - Abschluß eines Vertra-
ges abzustellen, wären die deutschen Gerichte jedenfalls aufgrund des Gerichtsstandes der unerlaubten Handlung zuständig.
aa) Gemäß Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ können in einem Vertragsstaat ansässige (natürliche oder juristische) Personen auch vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Nr. 3; Art. 53 Abs. 1 Satz 1 EuGVÜ). Der Begriff der "unerlaubten Handlung" im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ ist als autonomer Begriff anzusehen. Um eine einheitliche Lösung in allen Mitgliedsstaaten zu gewährleisten, ist davon auszugehen, daß sich der Begriff der "unerlaubten Handlung" auf Klagen bezieht, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ anknüpfen (st. Rspr. des EuGH, vgl. Urteil vom 11. Juli 2002 aaO; Urteil vom 27. September 1988 - Rs. 189/87
Mit der Einführung des § 661a BGB wollte der Gesetzgeber einer verbreiteten und wettbewerbsrechtlich unzulässigen Praxis entgegenwirken, daß Unternehmer Verbrauchern Mitteilungen über angebliche Gewinne übersenden , um sie zur Bestellung von Waren zu veranlassen, die Gewinne auf Nachfrage aber nicht aushändigen (vgl. Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro
rum 2000/01, 334, 337). Diese deliktische Qualifikation einer Klage aus Ge- winnzusage wahrt zugleich die Parallelität zu den Wettbewerbssachen (vgl. Lorenz aaO S. 3308 und 3309; s. aber dagegen ders. IPRax 2002, 192, 194 f; Rauscher/Schülke aaO), die nach allgemeiner Auffassung unter den Gerichtsstand der "unerlaubten Handlung" im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ fallen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1988 aaO; Gottwald in MünchKomm ZPO 2. Aufl. 2001 Schlußanhang IZPR Art. 5 EuGVÜ Rn. 37; Wieczorek /Schütze/Hausmann, ZPO 3. Aufl. 1994 Anh. § 40 Art. 5 EuGVÜ Rn. 51; Albers aaO Rn. 17; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO 22. Aufl. 1999 Art. 5 EuGVÜ Rn. 10; Auer in Bülow/ Böckstiegel/Geimer/Schütze, Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen
Der Anspruch aus Gewinnzusage wäre im übrigen auch dann dem Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ) zuzuordnen, wenn es sich um einen gesetzlichen Fall der culpa in contrahendo handelte (vgl. Lorenz aaO 3307, 3309; EuGH, Urteil vom 17. September 2002 - Rs. C 334/00
bb) Der gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ maßgebliche Ort, "an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist", liegt sowohl an dem Ort, an dem der Schaden eingetreten ist, als auch an dem Ort des ursächlichen Geschehens (EuGH, Urteil vom 30. November 1976 - Rs. 21/76
Gottwald aaO Rn. 42; Auer aaO Rn. 107). Dementsprechend konnte die Be- klagte an dem für den Wohnsitz der Klägerin zuständigen Gericht verklagt werden. Dort trat nämlich mit dem Empfang des scheinbaren Gewinnversprechens der Erfolg der unerlaubten Handlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ) ein (vgl. Rauscher /Schülke aaO S. 338; Lorenz NJW 2000, 3308, 3309).
3. Einer Vorlage wegen der hier vorgenommenen Auslegung der Art. 13 und 5 Nr. 3 EuGVÜ nach Art. 2 f des Protokolls vom 3. Juni 1971 bedarf es nicht. Zwar ist die Auslegungsfrage in der für den vorliegenden Rechtsstreit erheblichen Form noch nicht Gegenstand einer Entscheidung des Gerichtshofes gewesen. Eine Vorlage ist aber - ebenso wie im Falle des Art. 177 Abs. 3 EWG-Vertrag und des Art. 234 Abs. 3 EG-Vertrag - entbehrlich, wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts so offenkundig ist, daß für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. 283/81
4. Die Beklagte hat die Kosten der erfolglosen Rechtsmittel gegen das Zwischenurteil des Landgerichts zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO; vgl. Zöller/Greger aaO § 280 Rn. 8 a.E.).
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(1) Für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen ist das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist.
(2) Eine Vereinbarung über den Erfüllungsort begründet die Zuständigkeit nur, wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I. Die Kläger betreiben als Rechtsanwalt (Kläger zu 1) bzw. als Steuerberater und vereidigter Buchprüfer (Kläger zu 2) eine Sozietät in Berlin im Bezirk des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg. Nach ihrem Vortrag wurden sie von dem Beklagten zu 1, der im Bezirk des Amtsgerichts Zossen (Brandenburg) wohnt, und von dem Beklagten zu 2, der im Bezirk des Amtsgerichts BerlinSchöneberg wohnt, beauftragt, bestimmte schriftliche Vertragsurkunden zu fertigen und die Eintragung einer Grundschuld zu veranlassen. Die Kläger berechneten für diese Tätigkeiten nach §§ 11, 26, 118 BRAGO einschließlich MwSt insgesamt 906,73 € und haben diesen Betrag nebst Zinsen beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg eingeklagt.
Dieses Gericht hält sich nicht für zuständig. Auf den deshalb angebrachten Antrag auf gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit hat das Kammergericht beschlossen:
Die Sache wird gemäß § 36 Abs. 3 ZPO dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt:
Ist der Erfüllungsort für Honoraransprüche aus Anwaltsvertrag auch nach der Wandlung des Berufsbildes des Rechtsanwalts noch immer die Kanzlei des Rechtsanwalts?
Zur Begründung hat das Kammergericht ausgeführt: Wie schon das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg angenommen habe, bestehe ein für beide Beklagte örtlich zuständiges Gericht nicht, weil im Falle der Geltendmachung von Rechtsanwaltsgebühren ein besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsorts am Ort der Kanzlei gemäß § 29 ZPO zu verneinen sei. An der deshalb gebotenen Bestimmung des Amtsgerichts Berlin-Schöneberg als zuständiges Gericht sehe man sich jedoch gehindert, weil jedenfalls das Bayerische Oberste Landesgericht (NJW-RR 2001, 928; NJW 2003, 366), das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg (BRAK-Mitt. 2002, 44) und das Oberlandesgericht Köln (NJW-RR 1997, 825) die Frage des besonderen Gerichtsstands des Erfüllungsorts bei Klagen auf Zahlung von Rechtsanwaltsgebühren anders entschieden hätten.
II. Die Vorlage ist zulässig.
1. Das zuständige Gericht ist zu bestimmen, weil die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gegeben sind. Die Beklagten haben in Anbetracht ihres unterschiedlichen Wohnsitzes ihren allgemeinen Gerichtsstand bei verschiedenen Gerichten (§ 13 ZPO). Wie das Kammergericht zu Recht ausgeführt hat, sollen sie jedenfalls nach dem Hilfsantrag der Kläger als Streitgenossen in einem der beiden in Betracht kommenden allgemeinen Gerichtsstände verklagt werden, wobei der Senat davon ausgeht, daß die Nennung des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten im Antrag der Kläger auf einem bloßen Versehen beruht. Für den Rechtsstreit ist schließlich - wie noch auszuführen sein wird - ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet.
2. Die nach § 36 Abs. 3 ZPO ferner erforderliche Divergenz ist ebenfalls gegeben. Das vorlegende Oberlandesgericht will seiner Entscheidung die Auffassung zugrunde legen, daß Forderungen von Rechtsanwälten aufgrund ihrer Beratungstätigkeit nicht gemäß § 29 ZPO am Gericht ihres Kanzleisitzes geltend gemacht werden können. Damit will es von der Rechtsprechung der bereits genannten anderen Oberlandesgerichte und des Bayerischen Obersten Landesgerichts abweichen.
III. Die zulässige Vorlage hat gemäß § 36 Abs. 3 Satz 2 ZPO zur Folge, daß der Bundesgerichtshof in der Sache zu entscheiden, also das zuständige Gericht zu bestimmen hat. Im Gesetz ist nicht vorgesehen, daß lediglich die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt wird. Die Beschränkung der Vorlage hierauf im Tenor des Vorlagebeschlusses des Kammergerichts ist deshalb bedeutungslos.
IV. Der Senat bestimmt in Ermangelung eines besonderen Gerichtsstands nach § 29 ZPO das Amtsgericht Berlin-Schöneberg als zuständiges Gericht.
1. § 29 Abs. 1 ZPO begründet im Streitfall keinen gemeinsamen besonderen Gerichtsstand gegenüber beiden Beklagten, weil nichts vorgetragen oder ersichtlich ist, daß beide Beklagten jedenfalls zur Zeit des Zustandekommens des Vertrags mit den Klägern, der die streitige Rechtsanwaltsgebührenrechnung ausgelöst hat, im Bezirk ein und desselben Amtsgerichts wohnten.
a) Nach § 29 Abs. 1 ZPO ist, wenn - wie hier - über eine Verpflichtung aus einem Vertragsverhältnis gestritten wird, das Gericht des Orts zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Dieser Erfüllungsort bestimmt sich - sofern keine gesetzlichen Sonderregelungen eingreifen - nach dem Leistungsort , der sich aus § 269 Abs. 1 und 2 BGB ergibt. Insoweit stellt § 269 Abs. 1 BGB als Dispositivnorm (vgl. Rosenberg, Die Beweislast, 5. Aufl., S. 297) die von Gesetzes wegen zu beachtende Regel auf, daß die Leistung an dem Ort zu erfolgen hat, an welchem der bzw. - bei als Streitgenossen Verklagten - der jeweilige Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte. So ist diese Norm von gewichtigen Stimmen in der Literatur bisher verstanden worden (vgl. z.B. Planck, BGB, 4. Aufl. 1914, § 269 Anm. 3 a; Rosenberg, aaO; Baumgärtel/Strieder, Hdb. der Beweislast im Privatrecht, Bd. 1, Rdn. 1). Auch der Bundesgerichtshof hat den Aussagegehalt dieser Vorschrift wiederholt in diesem Sinne gesehen und angewendet (vgl. z.B. Beschl. v. 30.3.1988 - I ARZ 192/88, NJW 1988, 1914; Urt. v. 9.3.1995 - IX ZR 134/94, NJW 1995, 1546; Urt. v. 2.10.2002 - VII ZR 163/01, MDR 2003, 402; Urt. v. 16.7.2003 - VIII ZR 302/02, ZIP 2003, 2080, 2081). Im Zweifel ist also - wenn nicht gemäß § 269 Abs. 2 BGB ersatzweise der Ort der gewerblichen Nieder-
lassung entscheidet - der in § 269 Abs. 1 BGB genannte Wohnsitz des jeweiligen Schuldners der Leistungsort für dessen vertraglich begründete Leistungspflicht , so daß bei einer Klage gegen Streitgenossen mit unterschiedlichem Wohnsitz ein gemeinsamer Leistungsort nicht besteht. Etwas anderes gilt erst dann, wenn festgestellt werden kann und muß, daß die Vertragsparteien einen anderen, insbesondere einen Ort gemeinsamer Leistungserbringung bestimmt haben oder die Umstände des Falls einen solchen Leistungsort ergeben. Dabei soll durch die zweite dieser (Ausnahme-)Alternativen in Fällen, in denen die Vertragsparteien es unterlassen haben, ihren tatsächlichen Willen zum Leistungsort durch ausdrückliches oder konkludentes Verhalten zum Ausdruck zu bringen, jedenfalls deren mutmaßlichem Willen Rechnung getragen werden können (vgl. Prot. II. 1. S. 306; auch Siemon, MDR 2002, 366, 369). Dieser mutmaßliche Wille kann sich vor allem aus der Beschaffenheit der streitigen Leistung ergeben, was als Selbstverständlichkeit keiner ausdrücklichen Erwähnung im Gesetz bedurfte (Prot. aaO), aber auch aus der Natur des Schuldverhältnisses zu ersehen sein. Sofern sich Besonderheiten des konkreten Schuldverhältnisses nicht feststellen lassen, erlaubt diese zweite Alternative damit auch eine Bewertung anhand der typischen Art des Vertragsverhältnisses, das die streitige Verpflichtung begründet hat.
b) Im Streitfall kommt die Anwendung der gesetzlichen Regel des § 269 Abs. 1 BGB allenfalls wegen der zweiten Ausnahme in Betracht, weil nichts dafür ersichtlich ist, daß die Parteien etwas darüber zum Ausdruck gebracht haben , wo nach ihrem übereinstimmenden Willen die von den Beklagten geschuldete Leistung zu erfolgen habe. Allein aus dem Abschluß eines Vertrags mit einem Rechtsanwalt ergibt sich insbesondere keine stillschweigende Vereinbarung über einen Leistungsort dergestalt, daß der Mandant am Ort der Kanzlei seinen auf die BRAGO gestützten Zahlungsverpflichtungen nachkommen soll.
c) Auch der zweite Ausnahmetatbestand läßt sich jedoch nicht feststellen.
(1) Die streitige Leistungspflicht ist nicht von einer Beschaffenheit, die es als sachgerecht und deshalb im mutmaßlichen Willen der Parteien liegend erscheinen lassen könnte, sie nicht an dem in § 269 Abs. 1 BGB genannten Wohnsitz des jeweiligen Beklagten zu erfüllen. Die Beklagten schulden im Falle der sachlichen Berechtigung der geltend gemachten Forderung lediglich Geld. Insoweit besteht anders als etwa bei einer Verpflichtung, die auf Übergabe eines Grundstücks, auf Auflassung desselben oder auf Herstellung eines Werks an einer bestimmten Stelle gerichtet ist, keine bestimmte örtliche Präferenz. Das steht in Einklang mit § 270 BGB, nach dessen Abs. 4 bei Geldschulden die Vorschrift über den Leistungsort unberührt bleibt.
(2) Auch das Schuldverhältnis der Parteien weist keine Besonderheiten auf, die allein einen bestimmten anderen Leistungsort als den jeweiligen Wohnsitz eines Beklagten umständegerecht sein lassen.
In Frage steht nach dem behaupteten Inhalt des erteilten Auftrags - wie auch durch die Abrechnung nach der BRAGO deutlich wird - ein Schuldverhältnis , das einerseits auf Rechtsberatung durch einen Rechtsanwalt, andererseits auf Zahlung von Rechtsanwaltsgebühren gerichtet ist. Da weitere Einzelheiten, etwa über das Zustandekommen des Vertrags der Parteien, nicht vorgetragen oder sonstwie ersichtlich sind, kommt insoweit nur die typisierende Bewertung eines solchen Schuldverhältnisses in Betracht. Sie ergibt zwar, daß dieses sein Gepräge durch die Leistungspflicht der Kläger erhielt, weil es sich hierdurch um einen von anderen Vertragstypen verschiedenen Vertrag handelt. Es mag auch
sein, daß der Schwerpunkt dieses Vertragsverhältnisses dort lag, wo die Kläger ihre nachgefragte Tätigkeit entfalteten. Allein das verleiht dem Schuldverhältnis jedoch keine Natur, die es rechtfertigte oder gar erforderte, daß die Kläger als Mandanten ihre Verpflichtung nicht wirksam an ihrem jeweiligen in § 269 Abs. 1 BGB genannten Wohnsitz erfüllen können. So hat der Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung zu Handelsvertreterverhältnissen zwar bei der Frage, welches materielle Recht nach dem hypothetischen Parteiwillen anzuwenden ist, auf den Schwerpunkt des Schuldverhältnisses abgestellt (vgl. BGHZ 53, 332, 337). Diese Rechtsprechung ist jedoch nicht auf die Bestimmung des Erfüllungsorts übertragen worden (BGH, Urt. v. 22.10.1987 - I ZR 224/85, NJW 1988, 966, 967). Sie führte auch praktisch bei jedem Vertragstyp zu einem einheitlichen Leistungsort für beide Vertragsparteien, was mit der Regelung des § 269 Abs. 1 BGB unvereinbar ist (vgl. BGH, Beschl. v. 5.12.1985 - I ARZ 737/85, NJW 1986, 935; Nicole Fleischer, Der Gerichtsstand des gemeinsamen Erfüllungsortes im Deutschen Recht, Diss. 1997, S. 15 f. m.w.N.).
Ein solcher Erfüllungsort kann deshalb nur angenommen werden, wenn weitere Umstände festgestellt werden können, wie sie beispielsweise beim klassischen Ladengeschäft des täglichen Lebens bestehen (vgl. BGH, Urt. v. 2.10.2002 - VIII ZR 163/01, MDR 2003, 402), bei dem üblicherweise die beiderseitigen Leistungspflichten sogleich an Ort und Stelle erledigt werden, oder regelmäßig bei einem Bauwerksvertrag vorliegen, weil auch der Besteller am Ort des Bauwerks mit dessen Abnahme eine seiner Hauptpflichten erfüllen muß und es interessengerecht ist, daß eine gerichtliche Auseinandersetzung dort durchgeführt werden kann, wo aufgrund der räumlichen Nähe zum Bauwerk eine Beweisaufnahme (z.B. über das Aufmaß oder über behauptete Mängel) regelmäßig wesentlich einfacher und kostengünstiger geschehen kann als an
dem auswärtigen Wohnsitz des Auftraggebers (BGH, Beschl. v. 5.12.1985 - I ARZ 737/85, NJW 1986, 935).
Solche zusätzlichen Umstände sind jedoch im Falle eines Anwaltsvertrags regelmäßig nicht feststellbar.
Dem klassischen Ladengeschäft des täglichen Lebens ist der Anwaltsvertrag nicht vergleichbar, weil regelmäßig der Abschluß des Vertrags nicht zur gleichzeitigen Erfüllung der gegenseitigen Leistungen führt. Sowohl der Rechtsanwalt als auch der Mandant erledigen das hierzu Erforderliche regelmäßig erst später. Selbst daß ein Mandant den von ihm beauftragten Rechtsanwalt sofort bezahlt, ist jedenfalls in der heutigen Zeit allenfalls ganz ausnahmsweise der Fall (vgl. OLG Frankfurt am Main NJW 2001, 1583; LG Hanau MDR 2002, 1032; LG München NJW-RR 2002, 206, 207; LG Berlin NJW-RR 202, 207, 208; LG Ravensburg BRAK-Mitt. 2002, 99; AG Köln NJW-RR 1995, 185, 186). Hierzu hat auch die weite Verbreitung von Rechtsschutzversicherungen beigetragen; die Rechtsanwälte machen deshalb ihr Tätigwerden häufig lediglich von der Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung abhängig. Die spätere Bezahlung des Rechtsanwalts durch den Mandanten entspricht aber auch der Regelung des § 18 Abs. 1 BRAGO, nach welcher der Rechtsanwalt die Vergütung nur aufgrund einer von ihm unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern darf. Angesichts dessen kann auch die Tatsache, daß ein Rechtsanwalt gemäß § 17 BRAGO einen Vorschuß verlangen darf, einem Anwaltsvertrag nicht das Gepräge eines in bar abzuwickelnden Vertrags verleihen. Im Rahmen der Vertragsfreiheit kann letztlich jede Vertragsdurchführung von der Zahlung eines Vorschusses abhängig gemacht werden , so daß die Vorschußpflicht nicht gerade den Anwaltsvertrag seiner Natur nach kennzeichnet.
Auch eine Parallele zum Bauwerksvertrag, die wie bei diesem einen vom Wohnsitz des Auftraggebers abweichenden Erfüllungsort interessengerecht sein lassen könnte, besteht nicht (Prechtel, MDR 2003, 667, 668). Dabei kann dahinstehen, ob der Anwaltsvertrag überhaupt als Werkvertrag oder wie üblich als Geschäftsbesorgungs- bzw. Dienstvertrag zustande gekommen ist. Im ersteren Fall fehlt der insbesondere bei Mängeln zutage tretende Bezug zum Ort der Leistung des Auftragnehmers. Die kostengünstige und sachgerechte Beurteilung der Leistungen des Anwalts ist regelmäßig nicht davon abhängig, daß sie durch das für seinen Kanzleiort zuständige Gericht erfolgt. Im Falle der Ausgestaltung als Dienst- oder Geschäftsbesorgungsvertrag ergibt sich nichts anderes , auch wenn man berücksichtigt, daß das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung vertritt, bei Arbeitsverhältnissen sei in der Regel von einem einheitlichen (gemeinsamen) Erfüllungsort an dem Ort auszugehen, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung zu erbringen hat, also der Mittelpunkt seiner Berufstätigkeit liegt (z.B. BAG, Beschl. v. 9.10.2002 - 5 AZR 307/01, NZA 2003, 339). Denn für diese Rechtsprechung, die im übrigen - wie das Bundesarbeitsgericht in seinem Beschluß vom 12. Oktober 1994 (5 AS 13/94) selbst angegeben hat - keinesfalls unumstritten ist, kann angeführt werden, daß der Arbeitsvertrag ein auf Dauer angelegtes Verhältnis begründet, das insbesondere soziale Fürsorgepflichten des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer einschließt. Das sind Umstände, die einen Anwaltsvertrag regelmäßig gerade nicht kennzeichnen ; vor allem ist ein dem Arbeitnehmer vergleichbarer Bedarf des Rechtsanwalts nach Schutz, der sachgerecht nur durch Erfüllung seiner Honorarforderung am Ort des Mittelpunkts seiner Berufstätigkeit zu befriedigen wäre, nicht zu erkennen.
Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, daß bei einem ausländischen Mandanten und Geltung deutschen Rechts der Erfüllungsort im Ausland liegt und der Rechtsanwalt Rechtsschutz im Ausland suchen muß. Denn das ist kein im Rahmen des § 269 Abs. 1 BGB maßgeblicher Gesichtspunkt, weil der ausländische Leistungsort auf der zur freien Disposition stehenden Auswahl des Vertragspartners beruht und deshalb die Natur des Schuldverhältnisses unberührt läßt. Daß die mit einer Klage im Ausland einhergehenden Nachteile durch Vereinbarung eines inländischen Erfüllungsorts nicht vermeidbar sind, hat hingegen seinen Grund in der in § 29 Abs. 2 ZPO getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung, die Wirkung einer Vereinbarung über den Erfüllungsort zu beschränken, wenn sie nicht von Angehörigen bestimmter Personengruppen getroffen wird. Im übrigen ist die Sicherung des allgemeinen Gerichtsstands , die auch der Regelung in § 38 Abs. 2 und 3 ZPO zugrunde liegt, nicht lückenlos. So erlaubt die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22. Dezember 2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG Nr. L 12 v. 16.1.2001, S. 1 ff.) in dem ihr unterfallenden Anwendungsbereich eine Vereinbarung über die Zuständigkeit (Art. 23 i.V.m. Art. 3 Abs. 1).
Der Rechtsprechung der Instanzgerichte, die bisher angenommen haben , daß die Gebührenforderung des Rechtsanwalts am Ort seiner Kanzlei zu erfüllen sei (vgl. neben den bereits genannten Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts, des Oberlandesgerichts Köln und des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg OLG Celle NJW 1966, 1975; MDR 1980, 673; LG Hamburg NJW 1976, 199 sowie die Nachw. bei und überhaupt zum Meinungsstand neuerdings wieder Prechtel, MDR 2003, 667 ff.), ist hierfür und gegen die Anwendung der gesetzlichen Regel des § 269 Abs. 1 BGB schließlich ebenfalls kein tragendes Argument zu entnehmen. Diese Rechtsprechung mag darauf
zurückgehen (vgl. KG JW 1927, 1324), daß man zunächst eine Notwendigkeit gesehen hat, daß Notare ihre Gebührenforderung an ihrem Kanzleisitz gerichtlich geltend machen können. Ein Gesichtspunkt, der sich hieraus möglicherweise für Rechtsanwaltshonorarforderungen nutzbar machen ließe, war jedoch bereits durch die Einführung der §§ 154 ff. KostO durch die Kostenordnung vom 25. November 1935 (RGBl I 1371) hinfällig, wonach Notare ihre Forderungen selbst beitreiben können.
Für die heutige Zeit ist deshalb vielmehr festzustellen, daß es - bei typisierender Sicht wie im Streitfall - eine vom Gesetz nicht gedeckte Privilegierung der Rechtsanwälte gegenüber anderen Gläubigern von Geldforderungen darstellte , wenn sie ihr Honorar nicht an dem gemäß § 13 ZPO bzw. §§ 29 Abs. 1 ZPO, 269 Abs. 1 BGB maßgeblichen Wohnsitz des Schuldners geltend machen müßten. Das würde sich insbesondere auch mit dem Schuldnerschutz nicht vertragen, der mit der Reform der Zuständigkeitsvorschriften durch das Gesetz vom 21. März 1974 (BGBl. I 753) gestärkt werden sollte (BT-Drucks. 7/1384 v. 7.12.1973). Soweit auch der Bundesgerichtshof (BGHZ 97, 79, 82; Beschl. v. 29.1.1981 - III ZR 1/80, WM 1981, 411; Urt. v. 31.1.1991 - III ZR 150/88, NJW 1991, 3095 m.Hinw. zu weiteren Entscheidungen des III. Zivilsenats) die Meinung vertreten hat, Honorarforderungen eines Rechtsanwalts seien an dessen Kanzleiort zu erfüllen, kann deshalb an dieser Meinung nicht festgehalten werden. Die insoweit betroffenen Zivilsenate haben auf Rückfrage des entscheidenden Senats erklärt, daß gegen die aus den genannten Gründen zu treffende Entscheidung keine durchgreifenden Bedenken bestehen.
2. Mangels gemeinsamen besonderen Gerichtsstands ist es sachgerecht , daß die Streitsache in einem der beiden in Betracht kommenden allgemeinen Gerichtsstände verhandelt und entschieden wird. Der Senat entscheidet
sich - der beabsichtigen Auswahl des Kammergerichts folgend - insoweit für das Amtsgericht Berlin-Schöneberg, weil die Kläger in Berlin berufsansässig sind und die anwaltliche Beratungstätigkeit im Hinblick auf eine in Berlin ansässige OHG erfolgt ist.
Melullis Jestaedt Scharen
Keukenschrijver Asendorf
Für Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche gegen eine Person, die im Inland keinen Wohnsitz hat, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich Vermögen derselben oder der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand befindet. Bei Forderungen gilt als der Ort, wo das Vermögen sich befindet, der Wohnsitz des Schuldners und, wenn für die Forderungen eine Sache zur Sicherheit haftet, auch der Ort, wo die Sache sich befindet.
Tenor
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Auf die Rechtsbehelfe der Schuldnerin werden der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Ansbach vom 16. April 2013, der Beschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - Ansbach vom 10. Dezember 2012 sowie der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - Ansbach vom 20. August 2012 aufgehoben und der Antrag der Gläubigerin vom 5. Juli 2012 auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses abgelehnt.
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Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Die Gläubigerin hat die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
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I.
- 1
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Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil des Arbeitsgerichts N. in einen Anspruch auf Zahlung von Zuschüssen nach dem Bayerischen Schulfinanzierungsgesetz.
- 2
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Die Schuldnerin betreibt eine "Private Volksschule der Republik Griechenland" in N. Hierfür erhält sie von Seiten des Drittschuldners Zuschüsse für den Personal- und Schulaufwand nach dem Bayerischen Schulfinanzierungsgesetz. Die Gläubigerin ist Inhaberin einer titulierten Forderung gegen die Schuldnerin in Höhe von 1.402,60 €. Wegen dieser Forderung hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - auf Antrag der Gläubigerin einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss betreffend die Ansprüche auf Auszahlung der Zuschüsse erlassen.
- 3
-
Die hiergegen eingelegte Vollstreckungserinnerung der Schuldnerin hat das Amtsgericht zurückgewiesen.
- 4
-
Gegen diesen Beschluss hat die Schuldnerin sofortige Beschwerde eingelegt, welche das Beschwerdegericht mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen hat.
- 5
-
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihr Begehren weiter.
-
II.
- 6
-
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen und zur Ablehnung des Antrags auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.
- 7
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1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Pfändung sei zulässig. Die Schuldnerin sei nicht von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit, da sie bei dem Betrieb der Schule nicht hoheitlich handele.
- 8
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Schwerpunktmäßige Aufgabe bei dem Betrieb einer Schule sei die Vermittlung von Wissen, somit die Unterrichtstätigkeit. Nach deutschem Verständnis nähmen Lehrer jedoch nicht hauptsächlich hoheitlich geprägte Aufgaben wahr, weshalb sie auch nicht der besonderen Absicherung durch den Beamtenstatus bedürften.
- 9
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Zudem unterliege die von der Schuldnerin betriebene Schule einer besonders ausgestalteten Aufsicht durch den deutschen Staat. Aufgrund dessen könne die Schuldnerin ihren Bildungsauftrag nicht autonom, sondern nur im Rahmen der Beschränkungen des Art. 7 Abs. 4 GG wahrnehmen. Bei dem Betrieb der Schule habe sich die Schuldnerin daher der staatlichen Hoheit Deutschlands unterworfen.
- 10
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Schließlich unterfielen die gepfändeten Forderungen auch nicht der völkerrechtlichen Vollstreckungsimmunität. Da schon der Betrieb der Schule nicht hoheitlich sei, dienten auch die Fördergelder keinen hoheitlichen Zwecken.
- 11
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2. Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
- 12
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Die Zwangsvollstreckung in die Ansprüche der Schuldnerin gegen den Drittschuldner auf Auszahlung der Zuschüsse für den Personal- und Schulaufwand nach dem Bayerischen Schulfinanzierungsgesetz ist unzulässig. Dabei kann es dahinstehen, ob das Amtsgericht für den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gemäß § 828 Abs. 2, 2. Alt., § 23 Satz 2 ZPO international zuständig war. Mit Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde jedenfalls, dass bezüglich der gepfändeten Zahlungsansprüche Vollstreckungsimmunität besteht.
- 13
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a) Die Vollstreckungsimmunität ist eine Ausprägung des Grundsatzes der Staatenimmunität, der aus dem Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten folgt. Es besteht eine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG, wonach die Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsstaat aus einem Vollstreckungstitel gegen einen fremden Staat, der über ein nicht hoheitliches Verhalten (acta iure gestionis) dieses Staates ergangen ist, in dessen Vermögensgegenstände ohne seine Zustimmung unzulässig ist, soweit diese im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahme hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dienen. Ob ein Vermögensgegenstand hoheitlichen Zwecken dient, richtet sich danach, ob er für eine hoheitliche Tätigkeit verwendet werden soll. Die Abgrenzung zwischen hoheitlichen oder nicht hoheitlichen Zwecken ist mangels entsprechender Kriterien im allgemeinen Völkerrecht grundsätzlich nach der Rechtsordnung des Gerichtsstaats vorzunehmen (BVerfG, NJW 2012, 293, 295; BGH, Beschluss vom 4. Juli 2013 - VII ZB 63/12, NJW-RR 2013, 1532 Rn. 10 ff.; jeweils m.w.N.).
-
Nach deutschem Verständnis unterfallen unter anderem kulturelle Einrichtungen ausländischer Staaten der Vollstreckungsimmunität. Zur Wahrnehmung ausländischer Gewalt gehört auch die vom Staat abhängige Repräsentation von Kultur und Wissenschaft im Ausland (BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2009 - VII ZB 37/08, NJW 2010, 769 Rn. 26 m.w.N; vgl. auch IGH, Urteil vom 3. Februar 2012, Jurisdictional Immunities of the State (Germany v. Italy, Greece intervening), I.C.J. Reports 2012, 99 Rn. 119, abrufbar unter http://www.icj-cij.org/docket/files/143/16883.pdf).
- 14
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b) Bei dem Betrieb der Privaten Volksschule der Republik Griechenland in N. handelt es sich um eine kulturelle Einrichtung der Beklagten.
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Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts erfüllen Auslandsschulen nicht nur Gemeinwohlinteressen des Staates, in dem die Schule betrieben wird, indem sie als Ersatz für eine grundsätzlich vorgesehene öffentliche Schule eine verfassungsrechtlich anerkannte öffentliche Aufgabe des Erziehungs-, Bildungs- und Ausbildungswesen verwirklichen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 1988 - III ZR 134/87, NJW 1989, 216, 218; Badura in Maunz/Dürig, GG (2013), Art. 7 Rn. 111, 112). Auslandsschulen dienen darüber hinaus dem Zweck, einen Beitrag zur Förderung von Sprache und Kultur des ausländischen Staates im jeweiligen Sitzland zu erbringen. Demgemäß haben sich die Bundesrepublik Deutschland und die Schuldnerin mit ihrem Kulturabkommen vom 17. Mai 1956 (BGBl. 1957 II S. 501) verpflichtet, die Gründung von kulturellen Instituten des anderen Landes zur Erlernung der jeweiligen Sprache zuzulassen und zu fördern, Art. 5 des Kulturabkommens, und sich wechselseitig im Falle von Einschränkungen der Tätigkeiten von Auslandsschulen bei der Wiederinbetriebnahme zu unterstützen, Art. 12 des Kulturabkommens.
- 16
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Die Ansprüche auf Auszahlung von Zuschüssen für den Personal- und Schulaufwand nach dem Bayerischen Schulfinanzierungsgesetz dienen der Aufrechterhaltung des Betriebs einer Auslandsschule und mithin einem hoheitlichen Zweck.
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3. Eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes (RsprEinhG) war nicht veranlasst. Eine Abweichung von den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 10. April 2013 - 5 AZR 81/12, - 5 AZR 79/12 und - 5 AZR 78/12 (NJW 2013, 2461) sowie vom 25. April 2013 - 2 AZR 960/11 (NJOZ 2013, 1835) ist - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdegegnerin - nicht gegeben. Nach den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts soll weder das Vertragsverhältnis zwischen der Auslandsschule und ihren Lehren noch die Tätigkeit der Lehrer an Auslandsschulen als hoheitlich zu bewerten sein. Das Dienstverhältnis der Lehrer an einer Auslandsschule sei nicht Ausdruck der Souveränität des Staates nach innen oder außen in einem für diese Bestimmung maßgebenden Sinne. Diese Einordnung besagt jedoch nichts über die Qualifikation der von der Schuldnerin in Deutschland betriebenen Schule als kulturelle Einrichtung, deren Betrieb durch den gepfändeten Anspruch auf Zahlung eines staatlichen Zuschusses gewährleistet wird.
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Eick Safari Chabestari Halfmeier
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Kartzke Jurgeleit
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.