Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss, 31. Aug. 2018 - 1 Ws 90/18

bei uns veröffentlicht am31.08.2018

Tenor

Die weitere Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts vom 20. August 2018 wird als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

1

Der - mehrfach einschlägig vorbestrafte und unter Bewährungsaufsicht stehende - Angeklagte erstrebt die Entlassung aus der Untersuchungshaft.

2

1. Er war am 12. Juni 2018 festgenommen worden. Am Folgetag hatte das Amtsgericht Hamburg einen auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützten Haftbefehl erlassen. Hiermit war ihm vorgeworfen worden, im Hamburger Schanzenviertel am 12. Juni 2018 - beobachtet von Zivilfahndern der Polizei Hamburg - unerlaubt mit Betäubungsmitteln Handel getrieben zu haben und an einen Konsumenten 3,29g Marihuana für € 30 verkauft zu haben. Am Donnerstag, den 28. Juni 2018, hatte die Ermittlungsrichterin im Rahmen einer mündlichen Haftprüfung den weiteren Vollzug des Haftbefehls - namentlich gegen in dem ihm zugewiesenen Landkreis in Sachsen-Anhalt zu erfüllende Aufenthalts- und Meldeauflagen - ausgesetzt und der Angeklagte seinem Verteidiger eine „Ladungs- und Zustellungsvollmacht“ zu Protokoll erteilt.

3

2. Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde der Staatsanwaltschaft, die beim Amtsgericht am Dienstag, den 3. Juli 2018, einging, hob das Landgericht Hamburg den Verschonungsbeschluss am selben Tag auf und setzte den Haftbefehl hierdurch wieder in Vollzug. Der Angeklagte konnte am 6. August 2018 im Hamburger Schanzenviertel - in unmittelbarer Nähe zu dem im Haftbefehl aufgeführten Tatort - verhaftet werden.

4

3. Bereits am 9. Juli 2018 hat ihn die Staatsanwaltschaft wegen dieser Tat angeklagt; mit Beschluss vom 15. August 2018 hat das Amtsgericht Hamburg-Altona das Hauptverfahren eröffnet und Haftfortdauer angeordnet. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat die Große Strafkammer mit der in der Beschlussformel genannten Entscheidung verworfen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner weiteren Beschwerde.

II.

5

Die weitere Beschwerde des Angeklagten ist zulässig (vgl. hierzu nur Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 310 Rn. 8 m.w.N.). Das Rechtsmittel hat indes in der Sache keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung und den Vollzug des Haftbefehls liegen vor (§ 112 Abs. 1 Satz 1 und 2, Absatz 2 Nr. 1 StPO).

6

1. Die erforderlichen dringenden Verdachtsgründe sind gegeben (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO).

7

a) Dringender Tatverdacht besteht, wenn aufgrund bestimmter, im Zeitpunkt der Entscheidung aktenkundiger Tatsachen eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung des Beschuldigten im Erkenntnisverfahren besteht (vgl. nur KK-StPO/Graf, 7. Aufl., §112 Rn. 6 ff.).

8

b) Gemessen hieran ist der Angeklagte des - gewerbsmäßigen - unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln dringend verdächtig (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG). Am 12. Juni 2018 gegen 20.35 Uhr verkaufte und übergab der Angeklagte im Florapart im Hamburger Stadtteil Sternschanze dem gesondert Verfolgten Te. 3,29g Marihuana zum Preis von € 30 in einem verkaufsfertig abgepackten Gripptütchen.

9

c) Dieser Sachverhalt wird sich in der Hauptverhandlung hochwahrscheinlich bereits aufgrund der Wahrnehmungen der eingesetzten Polizeikräfte, des gesondert Verfolgten und der Lichtbilder des Angeklagten nach der Festnahme erweisen lassen.

10

aa) Der Polizeibeamte G. hat seine Wahrnehmungen in einem detaillierten - mangels Vernehmungsinhalten ohne Weiteres nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO in die Hauptverhandlung einzuführenden - Vermerk niedergelegt (Bl. 2 d.A.). Er hat hier nachvollziehbar namentlich Personenbeschreibungen (etwa „schwarzhäutige männliche Person“, „schlank“, „schwarze Hose“ und „blassgelbes Basecap“) sowie die Übergabehandlung im Zusammenwirken mit dem gesondert Verfolgten Te. festgehalten.

11

bb) Diese Wahrnehmungen werden bestätigt und ergänzt durch die - ebenfalls in einem dienstlichen Vermerk niedergelegten und damit verlesbaren - Wahrnehmungen des Polizeibeamten K. (Bl. 4 f. d.A.). Dieser nahm die Verfolgung des nach der Tatentdeckung durch die Polizeikräfte flüchtenden Beschuldigten auf und knüpfte erkennbar an die ihm durch den Beamten G. übermittelte Personenbeschreibung an (etwa „auffälliges gelbes Basecap“). Der Beamte G. erkannte in der durch diese Einsatzkräfte festgenommenen Person den von ihm bei der Tatbegehung beobachteten Angeklagten wieder.

12

cc) Das Geschehen wird zudem belegt werden durch die Vernehmung des anderweitig Verfolgten Te. Dieser hat gegenüber dem Beamten G. eingestanden, Marihuana für € 30 erworben zu haben. Der Verkäufer habe eine „Kopfbedeckung“ getragen und „schwarze Haut“ gehabt (Bl. 2 d.A.). Das gegen diesen Zeugen eingeleitete Strafverfahren wurde zwischenzeitlich nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt (6000 Js 575/18); da kein Strafbefehl erwirkt wurde, ist kein Strafklageverbrauch eingetreten.

13

dd) Im Übrigen deckt sich die Personenbeschreibung - des einschlägig vorbestraften Angeklagten, dem hier erkennbar kein wesensfremdes Delikt zur Last gelegt wird - durch den Beamten G. mit dem aktenkundigen äußeren Erscheinungsbild des Angeklagten (Bl. 11 d.A.).

14

ee) Vor diesem Hintergrund ist die Beweislage als derart einfach und klar anzusehen, dass eine polizeiliche Kräfte bindende Vorladung der eingesetzten Beamten mit Blick auf § 244 Abs. 2 StPO ohne Weiteres verzichtbar gewesen wäre.

15

d) Der Beschuldigte handelte - ohne, dass die Anklageschrift diesen sich aufdrängenden Umstand erörterte - hochwahrscheinlich auch mit der Absicht, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen (vgl. nur Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl. § 29 Abs. 3 Rn. 13 m.w.N.). Es liegen zureichend aktenkundige Beweiszeichen vor, die ein solches strafschärfendes Vorgehen belegen.

16

Hierzu an dieser Stelle nur beispielhaft:

17

aa) Der Beschuldigte verfügt über keine legalen Einkünfte. Ausweislich der Angaben des Landkreises Bitterfeld war er dort zuletzt lediglich an drei Tagen (27. März, 29. Mai und 3. Juni 2018) vorstellig geworden, um für wenige Tage Leistungen aus den Sozialkassen als Barauszahlung in Empfang zu nehmen. Er lebt im Bundesgebiet ohne festen Lebensmittelpunkt.

18

bb) Sein Aufenthalt in Hamburg finanziert er sich - was insbesondere seine Vorstrafen nahelegen - durch Drogenhandel. Selbst nach seiner Haftverschonung hielt er sich erneut in unmittelbarer Nähe des allgemeinbekannten Drogenumschlagplatzes und nicht - wie im Haftverschonungsbeschluss zumindest erkennbar zugrunde gelegt - in Sachsen-Anhalt auf.

19

2. Es besteht auch der nach § 112 Abs. 2 StPO erforderliche Haftgrund. Wird der Angeklagte in Freiheit entlassen, steht konkret zu besorgen, dass er abermals untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten wird (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO).

20

a) Der Haftgrund der Fluchtgefahr ist anzunehmen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme tragen, dass der Angeklagte sich dem Strafverfahren entziehen wird.

21

aa) Der Angeklagte hat nunmehr mit einer unbedingten Freiheitsstrafe zu rechnen. Dies gilt ungeachtet der Frage, ob die Regelwirkung des § 29 Abs. 3 BtMG hier mit Blick auf die gehandelte Art und Menge der Droge als erschüttert angesehen wird. Denn es liegt ein hartnäckiger Rechtsbruch vor. Der Angeklagte ist mehrfach einschlägig vorbestraft und weist eine bemerkenswerte Rückfallgeschwindigkeit auf (vgl. hierzu nur Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Teil 2; Rn. 170 m.w.N.) Das damit erkennbar im Raum stehende nicht unempfindliche Strafübel wird erhöht durch den absehbaren Bewährungswiderruf in anderer Sache.

22

bb) Diesem Fluchtanreiz stehen keine Bindungen entgegen. Der Angeklagte lebt ohne gesicherten Aufenthaltsstatus faktisch in Hamburg; seine Duldung ist abgelaufen. Kontakt zum Landkreis in Sachsen-Anhalt hält er - selbst bei ihm erteilten Auflagen in einem Haftverschonungsbeschluss - nur sporadisch. Warum eine Anordnung nach § 59b AufenthG nicht erkennbar getroffen wurde, erschließt sich dem Senat nicht. Er hält sich daher für die zuständigen Behörden weitgehend unerreichbar im Bundesgebiet auf (vgl. hierzu auch BeckOK-StPO/Krauß, 30. Ed., § 112 Rn. 21 mw.N.). Ein solches Verhalten dokumentiert in zureichender Weise, dass der Beschuldigte jedes Gebot zur Mitwirkung (vgl. etwa § 82 AufenthG) an behördlichen Verfahren ignoriert oder eine Mitwirkung gar verweigert. Dies indiziert zudem eine absehbare Verweigerungshaltung erst recht für das Strafverfahren. Denn hier drohen ihm nicht nur besondere freiheitsentziehende Sanktionen, sondern im Falle einer Verurteilung zu einer unbedingten - d.h. nicht mehr zur Bewährung ausgesetzten - Freiheitsstrafe sogar die zwingende Ausweisung aus dem Bundesgebiet (§ 53 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) und zugleich die Rechtsfolgen des § 11 AufenthG sowie Sperrwirkungen mit Blick auf sozialrechtliche Ansprüche (vgl. bereits Senatsbeschl. v. 11. Dezember 2015 - 1 Ws 168/15, NStZ 2016, 433, 434).

23

cc) Fluchtgefahr wird überdies auch und gerade beim dringenden Verdacht einer Betäubungsmittelstraftat regelmäßig anzunehmen sein. Dies folgt bereits aus der gesetzgeberischen Wertung des § 61 Abs. 1c AufenthG und § 59b Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG. Hiernach kann eine - kraft Gesetzes nach § 61 Abs. 1b AufenthG bzw. § 59a Abs. 1 AsylVfG erloschene - räumliche Beschränkung dann wieder angeordnet werden, wenn der betreffende Ausländer bzw. Asylsuchende einer Drogenstraftat „hinreichend verdächtig“ ist. Der Gesetzgeber anerkennt hier ersichtlich mit Blick auf die Mobilität der solcher Taten Verdächtigen besondere Gefahren, die es rechtfertigen, bereits vor einem rechtskräftigen Urteil ordnungsbehördlich einzuschreiten (vgl. im Einzelnen Senatsbeschl. v. 11. Dezember 2015 - 1 Ws 168/15, NStZ 2016, 433, 434).

24

dd) Die vom Angeklagte erteilte „unwiderrufliche Zustellungs- und Ladungsvollmacht“ für seinen Verteidiger ist für die Beurteilung des Haftgrundes ohne jede Bedeutung.

25

(1) Zwar ist der obergerichtlichen Rechtsprechung der Hinweis auf ein solches Beweiszeichen, das gegen die Annahme der Fluchtgefahr sprechen könnte, zu entnehmen (OLG Dresden, Beschl. v. 5. April 2007 - 2 Ws 96/07, BeckRS 2011, 16585). Auch wird diese - freilich vereinzelt gebliebene Entscheidung - von der Kommentarliteratur zitiert (vgl. nur BeckOK-StPO/Krauß, a.a.O., Rn. 20; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 112 Rn. 13). Dieser Entscheidung ist indes nicht zu entnehmen, dass bereits die Vollmachterteilung die Annahme von Fluchtgefahr ausschließt; lediglich in einer erkennbar vom Haftgericht vorzunehmenden Gesamtwürdigung kommt dieser Umstand als Hinweis auf die Glaubhaftigkeit der Angabe, sich dem Verfahren stellen zu wollen, nach dieser obergerichtlichen Rechtsansicht Bedeutung zu. Schon daran fehlt es hier. Denn nur der erteilten Vollmacht kann nicht die Absicht entnommen werden, dass der Angeklagte auch tatsächlich bereit und in der Lage ist, zur Hauptverhandlung zu erscheinen (HansOLG, Beschl. v. 27. August 2018 - 2 Ws 157/17). Die nicht weiter begründete Einschätzung des Verteidigers, dass er seinen Mandanten als „zuverlässig“ erachte, ist nicht belastbar.

26

(2) Die Ladungs- und Zustellungsvollmacht ist grundsätzlich in tatsächlicher Hinsicht ohne jede Bedeutung für die Beurteilung der Haftfrage. Diesem Mittel fehlt es schon an der Geeignetheit, die Anwesenheit des Angeklagten in der für eine - auch von Verfassungs wegen zu gewährleistende - funktionstüchtige Strafrechtspflege notwendigen Weise zu sichern. Denn durch diese kann nicht gesichert werden, dass ein über seinen Verteidiger geladener Angeklagter von einer nach § 145a Abs. 2 StPO bewirkten Ladung tatsächlich erfährt (HansOLG, Beschl. v. 27. August 2018 - 2 Ws 157/17). Überdies kann im Falle seines Ausbleibens zu der anberaumten Hauptverhandlung eine Vorführung nach § 230 Abs. 2 StPO in Ermangelung eines Wohnsitzes nicht mit Erfolg durchgeführt werden, sodass sich das Gericht abermals veranlasst sehen müsste, einen Haftbefehl zu erlassen (§ 230 Abs. 2 StPO) oder aber einen solcher abermals in Vollzug zu setzen.

27

(3) Die Ladungs- und Zustellungsvollmacht ist aber auch aus Rechtsgründen - entgegen der vorgenannten obergerichtlichen Rechtsansicht - grundsätzlich ohne jede Bedeutung für die Beurteilung der Haftfrage. Es ist allein die Pflicht des Gerichts, die Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung zu sichern. Nicht einmal ein Angeklagter ist von Gesetzes wegen verpflichtet, sich dem Verfahren zur Verfügung zu halten. Auch der Verteidiger ist für die Anwesenheit eines Angeklagten zur Hauptverhandlung nicht verantwortlich. Daran ändert auch eine Ladungsvollmacht nichts; sie begründet lediglich die - im Mandatsverhältnis angelegte - Pflicht zur Entgegennahme einer Ladung. Ein Strafgericht kann daher die ihm allein obliegende Pflicht zur Verfahrenssicherung nicht auf den Verteidiger übertragen oder den Rechtsanwalt dieserart in seinem ureigenen Pflichtenkreis tätig werden lassen. Der Strafverteidiger ist keinesfalls „der Gehilfe des Gerichts“ (vgl. schon Eb. Schmidt, Lehrkommentar zur Strafprozessordnung, Teil II, Vor § 137 Rn. 8). Es handelt sich hier gerade nicht um originär gerichtliche Fürsorgepflichten gegenüber dem Angeklagten, bei deren Wahrnehmung der Verteidiger im Sinne eines Angeklagten verantwortlich mitwirkt (vgl. Maiwald, FS Lange, 1976, S. 745, 758 ff.; ferner Barton, FS Müller, 2008, S. 31, 33; zum Pflichtenkreis des Strafverteidigers auch Weigend, FS Schlothauer, 2018, S. 191, 199 ff.), sondern um die hoheitliche Verfahrenssicherung zur Gewährleistung der - verfassungsrechtlich abgesicherten - effektiven Strafrechtspflege.

28

(4) Überdies: Die durch eine solche Verfahrenspraxis der Strafgerichte begründeten Gefahren für eine effektive Strafverfolgung haben sich hier realisiert. Der Angeklagte reiste zwar sporadisch in die ihm zugewiesene Aufnahmeeinrichtung in Sachsen-Anhalt; einen Wohnsitz im Sinne eines dauerhaften, für die Behörden verlässlichen Aufenthalts begründete er dort allerdings vollständig unbeeindruckt von der drohenden Untersuchungshaft auch weiterhin nicht. Für eine Haftverschonung gab es hier - erst recht als erkennbare Sanktionierung einer angeblichen Verfahrensverzögerung durch die Anklagebehörde - keinen Raum.

29

3. Die Zwangsmaßnahme ist auch verhältnismäßig.

30

a) Mildere Mittel sind nicht ersichtlich. Eine Haftverschonung kommt mit Blick auf die fehlende zuverlässige Erreichbarkeit des Angeklagten nicht in Betracht.

31

b) Die Zwangsmaßnahme hält erkennbar einer Prüfung am Übermaßverbot stand. Der Beschuldigte hat mit einer nicht unempfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dabei ist ohne Bedeutung, ob die Strafe dem Strafrahmen des § 29 Abs. 1 oder Absatz 3 BtMG entnommen werden wird. Denn auch ausgehend vom Grundtatbestand wird der strafschärfende Aspekt des gewerbsmäßigen Handelns weiterhin zu beachten sein. Vor diesem Hintergrund stehen die wenige Wochen umfassende Dauer vollstreckter Untersuchungshaft und die bis zum Verfahrensabschluss noch zu erwartende Untersuchungshaft erkennbar nicht in einem Missverhältnis zum Tatvorwurf und der absehbaren Sanktion. Dass der Angeklagte selber „Marihuanakonsument“ ist (vgl. AG Hamburg-Altona, Urt. v. 12. September 2017 - 326a Ds 180/17), erweist sich nicht als Strafmilderungsgrund.

32

c) Anderes folgt auch nicht aus den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Verfahrensverzögerungen.

33

aa) Das Verfahren ist zügig geführt, angeklagt und ohne erkennbare Verzögerungen auch eröffnet worden. Die Staatsanwaltschaft durfte ohne Weiteres auch das Ergebnis des endgültigen Test- und Wiegeberichts abwarten. Vor dem Hintergrund der hier mit Blick auf den anstehenden Bewährungswiderruf und die hohe Rückfallgeschwindigkeit trotz der überschaubaren gehandelten Menge zu erwartenden nicht mehr kurzfristigen Freiheitsstrafe war eine zügige, nicht aber überhastete Verfahrensführung geboten.

34

bb) Die Hauptverhandlung wird nun durchgeführt werden am 7. und 20. September 2018. Dass die Hauptverhandlung mangels notwendiger Vorführungskapazitäten der Untersuchungshaftanstalt um eine Woche verschoben werden musste (Bl. 144R d.A.), untersteht zwar dem staatlichen Verantwortungsbereich. Auch ist dieser Organisationsmangel grundsätzlich nicht hinnehmbar. Vor dem Hintergrund des ansonsten zügig geförderten Verfahrens bis zur Eröffnungsentscheidung ist die hierdurch entstandene Verzögerung kompensiert und fällt auch deshalb nicht ins Gewicht. Der Senat kann aus diesem Grund auch offen lassen, ob die Verhandlung dieser einfach gelagerten Sache an zwei - gar mehrere Wochen auseinander liegenden - Hauptverhandlungsterminen noch mit der gebotenen zügigen Verfahrensführung vereinbar ist. Denn hochwahrscheinlich wäre das Verfahren - gefördert durch § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO - auch in wenigen Stunden abzuschließen gewesen.

35

4. Dem Vollzug des Haftbefehls steht auch nicht etwa ein schutzwürdiges Vertrauen - rechtlich abgesichert durch § 116 Abs. 4 StPO (vgl. OLG Rostock, Beschl. v. 17. September 2009 - 1 Ws 269/09, juris Rn. 19; HansOLG in Bremen, Beschl. v. 1. März 2013 - Ws 5/13, juris Rn. 33) - des Angeklagten entgegen. Es fehlt bereits an einem Vertrauenstatbestand. Ein solcher wurde schon durch kein Zeitmoment begründet. Die Staatsanwaltschaft hat nach der Verschonung des Angeklagten vom Vollzug der Untersuchungshaft unverzüglich Beschwerde hiergegen eingelegt. Die Haftverschonung war am 28. Juni 2018 in Abwesenheit eines Vertreters der Staatsanwaltschaft ergangen. Die Verfahrensakten gingen erst am 2. Juli 2018 - einem Montag - bei der Staatsanwaltschaft ein (Bl. 59 d.A.); schon am nächsten Tag legte sie Beschwerde ein (Bl. 66 d.A.).

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Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss, 11. Dez. 2015 - 1 Ws 168/15

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Tenor Auf die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 23. Oktober 2015 aufgehoben. Es ergeht gegen den Beschuldigten der anliegende Haftbefehl. Gründe I. 1 Die Staatsanwaltschaft Hamburg
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Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Mai 2019 - AK 21/19

bei uns veröffentlicht am 09.05.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS AK 21/19 vom 9. Mai 2019 in dem Ermittlungsverfahren gegen wegen Verdachts der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung u.a. ECLI:DE:BGH:2019:090519BAK21.19.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgericht

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(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

(1) Verlesen werden können

1.
die ein Zeugnis oder ein Gutachten enthaltenden Erklärungen
a)
öffentlicher Behörden,
b)
der Sachverständigen, die für die Erstellung von Gutachten der betreffenden Art allgemein vereidigt sind, sowie
c)
der Ärzte eines gerichtsärztlichen Dienstes mit Ausschluss von Leumundszeugnissen,
2.
unabhängig vom Tatvorwurf ärztliche Atteste über Körperverletzungen,
3.
ärztliche Berichte zur Entnahme von Blutproben,
4.
Gutachten über die Auswertung eines Fahrtschreibers, die Bestimmung der Blutgruppe oder des Blutalkoholgehalts einschließlich seiner Rückrechnung,
5.
Protokolle sowie in einer Urkunde enthaltene Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen, soweit diese nicht eine Vernehmung zum Gegenstand haben und
6.
Übertragungsnachweise und Vermerke nach § 32e Absatz 3.

(2) Ist das Gutachten einer kollegialen Fachbehörde eingeholt worden, so kann das Gericht die Behörde ersuchen, eines ihrer Mitglieder mit der Vertretung des Gutachtens in der Hauptverhandlung zu beauftragen und dem Gericht zu bezeichnen.

(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

(1) Der Ausländer ist verpflichtet, seine Belange und für ihn günstige Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise über seine persönlichen Verhältnisse, sonstige erforderliche Bescheinigungen und Erlaubnisse sowie sonstige erforderliche Nachweise, die er erbringen kann, unverzüglich beizubringen. Die Ausländerbehörde kann ihm dafür eine angemessene Frist setzen. Sie setzt ihm eine solche Frist, wenn sie die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wegen fehlender oder unvollständiger Angaben aussetzt, und benennt dabei die nachzuholenden Angaben. Nach Ablauf der Frist geltend gemachte Umstände und beigebrachte Nachweise können unberücksichtigt bleiben. Der Ausländer, der eine ICT-Karte nach § 19b beantragt hat, ist verpflichtet, der zuständigen Ausländerbehörde jede Änderung mitzuteilen, die während des Antragsverfahrens eintritt und die Auswirkungen auf die Voraussetzungen der Erteilung der ICT-Karte hat.

(2) Absatz 1 findet im Widerspruchsverfahren entsprechende Anwendung.

(3) Der Ausländer soll auf seine Pflichten nach Absatz 1 sowie seine wesentlichen Rechte und Pflichten nach diesem Gesetz, insbesondere die Verpflichtungen aus den §§ 44a, 48, 49 und 81 hingewiesen werden. Im Falle der Fristsetzung ist er auf die Folgen der Fristversäumung hinzuweisen.

(4) Soweit es zur Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen erforderlich ist, kann angeordnet werden, dass ein Ausländer bei der zuständigen Behörde sowie den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich erscheint sowie eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung der Reisefähigkeit durchgeführt wird. Kommt der Ausländer einer Anordnung nach Satz 1 nicht nach, kann sie zwangsweise durchgesetzt werden. § 40 Abs. 1 und 2, die §§ 41, 42 Abs. 1 Satz 1 und 3 des Bundespolizeigesetzes finden entsprechende Anwendung.

(5) Der Ausländer, für den nach diesem Gesetz, dem Asylgesetz oder den zur Durchführung dieser Gesetze erlassenen Bestimmungen ein Dokument ausgestellt werden soll, hat auf Verlangen

1.
ein aktuelles Lichtbild nach Maßgabe einer nach § 99 Abs. 1 Nr. 13 und 13a erlassenen Rechtsverordnung vorzulegen oder bei der Aufnahme eines solchen Lichtbildes mitzuwirken und
2.
bei der Abnahme seiner Fingerabdrücke nach Maßgabe einer nach § 99 Absatz 1 Nummer 13 und 13a erlassenen Rechtsverordnung mitzuwirken.
Das Lichtbild und die Fingerabdrücke dürfen in Dokumente nach Satz 1 eingebracht und von den zuständigen Behörden zur Sicherung und einer späteren Feststellung der Identität verarbeitet werden.

(6) Ausländer, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 3 oder 4 sind, sind verpflichtet, der zuständigen Ausländerbehörde innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis mitzuteilen, dass die Ausbildung oder die Erwerbstätigkeit, für die der Aufenthaltstitel erteilt wurde, vorzeitig beendet wurde. Der Ausländer ist bei Erteilung des Aufenthaltstitels über seine Verpflichtung nach Satz 1 zu unterrichten.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Tenor

Auf die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 23. Oktober 2015 aufgehoben.

Es ergeht gegen den Beschuldigten der anliegende Haftbefehl.

Gründe

I.

1

Die Staatsanwaltschaft Hamburg führt gegen den Beschuldigten, einen senegalesischen Staatsangehörigen, ein Ermittlungsverfahren wegen zweier Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Der Beschuldigte soll an zwei Tagen im September diesen Jahres jeweils mit - 4,8g bzw. 1,5g - Marihuana im Hamburger Stadtteil Sternschanze gehandelt haben. Nach erfolgter Zuführung des Beschuldigten im Zuge seiner zweiten polizeilichen Festnahme lehnte der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts den beantragten Erlass eines Haftbefehls aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ab. Eine hiergegen erhobene Beschwerde der Staatsanwaltschaft verwarf das Landgericht Hamburg durch die in der Beschlussformel benannte Entscheidung. Auch die Große Strafkammer verwies darauf, dass der Beschuldigte „aller Voraussicht nach" mit einer Gesamtgeldstrafe zu rechnen habe und sich vor diesem Hintergrund eine Freiheitsentziehung als unverhältnismäßig erweise.

II.

2

Die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist zulässig (vgl. hierzu nur Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 310 Rn. 8 m.w.N.). Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls liegen vor (§ 112 Abs. 1 Satz 1 und 2, Absatz 2 Nr. 1 StPO). Ermittlungsrichter und Beschwerdegericht gehen bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit jeweils von einem - rechtlich unzutreffenden - Maßstab aus, der das verfassungsrechtlich abgesicherte Gebot effektiver Strafrechtspflege leerlaufen ließe.

3

1. Die erforderlichen dringenden Verdachtsgründe sind gegeben (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO).

4

aa) Dringender Tatverdacht besteht, wenn aufgrund bestimmter, im Zeitpunkt der Entscheidung aktenkundiger Tatsachen eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung des Beschuldigten im Erkenntnisverfahren besteht (vgl. nur KK-StPO/Graf, 7. Aufl., §112 Rn. 6 ff.).

5

bb) Gemessen hieran ist der Beschuldigte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, jeweils gewerbsmäßig begangen, in zwei Fällen dringend verdächtig (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG, § 53 StGB).

6

(1) Am 14. September 2015 führte er im Hamburger Stadtteil Sternschanze zumindest drei verkaufsfertig abgepackte Gripptütchen mit zumindest zwei Gramm Marihuana bei sich, die er um 16:15 Uhr dem in zivil auftretenden Polizeibeamten S. vorzeigte und mit den Worten: „You want some? For 20!" zum Kauf angebot. Schnell wurde der Beschuldigte misstrauisch, lief trotz polizeilicher Aufforderung zum Stehenbleiben weg und konnte am Abend desselben Tages an derselben Stelle abermals polizeilich festgestellt werden. Hierbei führte er drei - hochwahrscheinlich - zum Verkauf bestimmte Gripptütchen mit Marihuana bei sich.

7

(2) Am 28. September 2015 verkaufte und übergab der Beschuldigte - wiederum im Sternschanzenpark in Hamburg - gegen 16:39 Uhr dem gesondert verfolgten G. 1,5g Marihuana zum Preis von 20 €.

8

cc) Dieser Sachverhalt wird sich in der Hauptverhandlung hochwahrscheinlich bereits aufgrund der Wahrnehmungen der eingesetzten Polizeikräfte erweisen lassen.

9

(1) Dies gilt für das Geschehen vom 14. September 2015 bereits allein mit Blick auf die Aussage des Beamten S.. Dieser hat seine Wahrnehmungen in einem detaillierten - mangels Vernehmungsinhalten naheliegend nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO in die Hauptverhandlung einzuführenden - Vermerk niedergelegt (Bl. 3 d.A.). Der Beschuldigte hat sich teilgeständig gegenüber dem Ermittlungsrichter eingelassen (Bl. 31 d.A.). Bei Bestreiten in der Hauptverhandlung kann dieser Vermerk innerhalb von Minuten ebenfalls im Wege des Urkundsbeweises eingeführt werden (§ 254 StPO). Dies gilt gleichermaßen für die Test- und Wiegeberichte. Vor diesem Hintergrund ist die Beweislage als derart einfach und klar anzusehen, dass auch eine polizeiliche Kräfte bindende Vorladung der eingesetzten Beamten mit Blick auf § 244 Abs. 2 StPO hochwahrscheinlich verzichtbar sein wird.

10

(2) Gleiches gilt für die Tat vom 28. September 2015. Die in den Vermerken niedergelegten Wahrnehmungen der Beamten E. (Bl. 10/11 d.A.), B. (Bl. 11 d.A.), R. (Bl. 17 f. d.A.) sowie sämtliche Test- und Wiegeberichte sind - freilich mit Ausnahme der Angaben des gesondert Verfolgten G. (Bl. 11 d.A.) - nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO im Wege des Urkundsbeweises einzuführen. Vor dem Hintergrund der hierdurch belegten dichten Verdachtslage wird sich hochwahrscheinlich die Vernehmung des gesondert Verfolgten G. auch nach Maßgabe des § 244 Abs. 2 StPO nicht aufdrängen.

11

(3) Der Beschuldigte handelte in beiden Fällen hochwahrscheinlich auch mit der Absicht, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen (vgl. nur Körner/Patzak/Volmer, BtMG, 7. Aufl. § 29 Abs. 3 Rn. 12 m.w.N.). Es liegen zureichend aktenkundige Beweiszeichen vor, die ein solches strafschärfendes Vorgehen belegen. Hierzu an dieser Stelle nur beispielhaft:

12

Der Beschuldigte führte an beiden Tagen Barmittel in einem Umfang bei sich, die bereits ihrer Höhe nach unvereinbar waren mit seinen wirtschaftlichen Verhältnissen. Weder ist der Beschuldigte erkennbar erwerbstätig, noch ist ihm eine solche Erwerbstätigkeit erlaubt. Er lebt im Bundesgebiet ohne festen Lebensmittelpunkt, ist für die für ihn in erster Linie zuständigen bayerischen Behörden durch unangekündigten Wegzug unerreichbar und schlägt sich in Hamburg erkennbar nur mit Drogenhandel durch.

13

Vor diesem Hintergrund ist auch die Höhe der von ihm jeweils mitgeführten Barschaft (55 € bzw. 80 €) nicht anders als etwas Erlangtes aus den rechtswidrig begangenen Taten anzusehen. Die Barschaft stammt hochwahrscheinlich aus von ihm getätigten Drogengeschäften. Dieser Schluss wird bereits getragen durch die jeweils einschlägige Stückelung und den engen Zusammenhang zwischen den Rauschgiftgeschäften unter Beisichführen von Marihuana einerseits und das zeitgleiche Mitführen dieses Bargeldes als Tatbeute und Wechselgeld andererseits.

14

Angesichts dessen und ausgehend von dem höchstrichterlich anerkannten Grundsatz, dass der Tatrichter nicht verpflichtet ist, entlastende Angaben eines Angeklagten hinzunehmen, wenn für deren Richtigkeit keine objektiven Anhaltspunkte vorliegen, erweist sich die Einlassung des Beschuldigten, er habe das Rauschgift zum Eigenkonsum bei sich geführt, als abwegig. Die Zurückweisung einer solchen Einlassung erfordert gerade nicht, dass diese zu widerlegen ist oder sich gar ihr Gegenteil positiv feststellen lässt (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 17. Juli 2014 - 4 StR 129/14, BeckRS 2014, 15648; vom 18. August 2009 - 1 StR 107/09, NStZ-RR 2010, 85, 86). Angesichts dieser Maßgaben ist es hochwahrscheinlich, dass sich der Tatrichter von einem insgesamt gewerbsmäßigen Handeln des Beschuldigten wird überzeugen können (§ 261 StPO). Der Beschuldigte verfügt über keinerlei legale wirtschaftliche Mittel. Gleichwohl will er das wenige Bargeld, das ihm aus unerklärlichen Gründen zur Verfügung stand, in Drogen, nicht aber in Lebensmittel und Unterkunft investiert haben.

15

2. Es besteht auch der nach § 112 Abs. 2 StPO erforderliche Haftgrund. Der Beschuldigte hält sich vor den Strafverfolgungsbehörden verborgen (§ 112 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StPO).

16

a) Der Haftgrund des Verborgenhaltens ist anzunehmen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme tragen, der Beschuldigte enthalte den Behörden seinen Lebensmittelpunkt oder seinen tatsächlichen Aufenthalt vor, um sich dem Strafverfahren dauernd oder aber auf längere Zeit zu entziehen. Solches ist bei Beschuldigten ohne gesicherten Aufenthaltsstatus regelmäßig anzunehmen, wenn diese sich für die zuständigen Stellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bzw. den Ausländerbehörden unerreichbar im Bundesgebiet aufhalten. Ein solches Verhalten dokumentiert in zureichender Weise, dass der Beschuldigte jedes Gebot zur Mitwirkung (vgl. etwa § 82 AufenthG) an behördlichen Verfahren ignoriert oder eine Mitwirkung gar verweigert. Dies indiziert eine absehbare Verweigerungshaltung erst recht für das Strafverfahren. Denn hier drohen ihm nicht nur besondere freiheitsentziehende Sanktionen, sondern im Falle einer Verurteilung zu einer unbedingten - d.h. nicht mehr zur Bewährung ausgesetzten - Freiheitsstrafe sogar die zwingende Ausweisung aus dem Bundesgebiet (§ 53 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) und zugleich die Rechtsfolgen des § 11 AufenthG sowie Sperrwirkungen mit Blick auf sozialrechtliche Ansprüche.

17

b) So liegt es hier: Der Beschuldigte hat sich zuletzt im Juli 2015 in der ihm zugewiesenen Einrichtung im Landkreis Regen gemeldet und Geldleistungen entgegen genommen (vgl. Telefonvermerk des Berichterstatters vom 10. Dezember 2015). Er hat sich nach Abschluss seines Asylverfahrens nicht für die Rücküberstellung nach Italien bereitgehalten, sondern ist untergetaucht und nach Hamburg verzogen. Hier hielt er sich im September 2015 unangemeldet auf. Die Polizeibehörden haben ihn hier in zwei Fällen aufgegriffen und durch ihre Ermittlungen den dringenden Tatverdacht des (gewerbsmäßigen) Handeltreibens begründen können.

18

c) Wird der Beschuldigte aufgrund des heute zugleich erlassenen Haftbefehls des Senats ergriffen, wird der Haftgrund sodann umzustellen sein auf den der Fluchtgefahr. Diese folgt ohne Weiteres aus seinem bisherigen - vorstehend beschriebenen - Verhalten.

19

d) Aber auch sonst - etwa nach einer vorläufigen Festnahme (§ 127 Abs. 2 StPO) - wird in Fällen eines nicht sesshaften Beschuldigten, dessen Asylbegehren noch nicht rechtskräftig verbeschieden und dessen dauerhafter Aufenthaltsstatus im Bundesgebiet daher fraglich ist, unabhängig von der jeweils im Raum stehenden Straferwartung der Haftgrund der Fluchtgefahr ohne Weiteres anzunehmen sein (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO), wenn sich der Beschuldigte für die zuständigen Stellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bzw. den Ausländerbehörden unerreichbar im Bundesgebiet aufhält.

20

aa) Die Voraussetzungen dieses Haftgrundes werden in diesen Fällen indiziert durch eine längere, gar mehrmonatige Abwesenheit des Beschuldigten von der ihm jeweils zugewiesenen Unterkunft oder von der durch ihn angegebenen postalischen Erreichbarkeit. In diesen Fällen ist keine zuverlässige Kommunikation mit dem Beschuldigten möglich. Dies gilt gleichermaßen, wenn von ihm - entgegen der ihm obliegenden Mitwirkungspflichten (vgl. etwa § 82 AufenthG) - keinerlei belastbarer Kontakt zu den ihn betreuenden und sein Asylersuchen bearbeitenden Stellen unterhalten wird.

21

bb) Ein weiteres bestimmendes Beweiszeichen für eine bestehende Fluchtgefahr ist in diesen Fällen der Umstand, dass der Beschuldigte die ihm zum Bestreiten des täglichen Lebensunterhalts zustehenden materiellen staatlichen Unterstützungsleistungen nicht abfordert und entgegennimmt.

22

cc) Fluchtgefahr wird überdies auch und gerade beim dringenden Verdacht einer Betäubungsmittelstraftat regelmäßig anzunehmen sein. Dies folgt bereits aus der gesetzgeberischen Wertung des § 61 Abs. 1c AufenthG und § 59b Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG. Hiernach kann eine - kraft Gesetzes nach § 61 Abs. 1b AufenthG bzw. § 59a Abs. 1 AsylVfG erloschene - räumliche Beschränkung dann wieder angeordnet werden, wenn der betreffende Ausländer bzw. Asylsuchende einer Drogenstraftat „hinreichend verdächtig" ist. Der Gesetzgeber anerkennt hier ersichtlich mit Blick auf die Mobilität der solcher Taten Verdächtigen besondere Gefahren, die es rechtfertigen, bereits vor einem rechtskräftigen Urteil ordnungsbehördlich einzuschreiten.

23

(1) Der Verdachtsgrad ist hier freilich nicht im strafprozessualen Sinne zu bestimmen. Die Maßgaben von § 170 Abs. 1 und § 203 StPO finden weder durch ausdrückliche Verweisung noch durch regelungssystematischer Auslegung Anwendung. Auch die Gesetzesbegründung streitet hierfür nicht, spricht sie doch lediglich von einem „begründeten Tatverdacht" (vgl. BT-Drucks. 18/3144, S. 12). Ein solches Normverständnis legen schließlich auch Zweckmäßigkeitserwägungen nicht nahe, da anderenfalls stets der Abschluss der Ermittlungen (§ 169a StPO) für die Anordnung dieser verwaltungsrechtlichen Nebenbestimmung maßgeblich wäre. Dieser ist indes während eines verdachtsbegründet geführten Ermittlungsverfahrens nicht konkret in jedem Falle absehbar. Die mit dem Asylverfahren befassten Behörden müssten sich für die ihnen nach § 61 Abs. 1c AufenthG und § 59b Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG obliegende Ermessensentscheidung daher auf einen unabsehbaren und für die gebotene ordnungsbehördliche Steuerung unkalkulierbaren Zeitpunkt verweisen lassen. Die auf ein Drogendelikt hin vom Gesetzgeber geforderte verwaltungsbehördliche Reaktion hat gerade mit Blick auf das bedrohte Rechtsgut der Volksgesundheit eine effektive Gefahrenabwehr in den Blick zu nehmen (vgl. § 59b Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG, der bei allen anderen strafrechtlichen Verurteilungen auf den Zeitpunkt der Rechtskraft abstellt).

24

(2) Notwendig aber auch zureichend für die Bestimmung des Verdachtsgrads nach § 61 Abs. 1c AufenthG und § 59b Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG ist daher eine Prüfung der aktenkundigen Beweistatsachen im Einzelfall (ähnlich wohl Welte, ZAR 2015, 219, 222). Begründet diese gar die Annahme eines dringenden Tatverdachts, steht außer Frage, dass die von diesen Regelungen geforderte Verdachtsschwelle erreicht und eine Übermittlung der maßgebenden Unterlagen an die zuständige Verwaltungsbehörde nach § 86 AufenthG geboten ist.

25

3. Der Anordnung der begehrten verfahrenssichernden Zwangsmaßnahme steht der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - anders als Amts- und Landgericht meinen - nicht entgegen.

26

a) Der Beschuldigte hat mit einer nicht unempfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen.

27

aa) Dabei ist der Strafbemessung in beiden Fällen aus den vorstehend dargelegten Gründen der Strafrahmen des § 29 Abs. 3 BtMG zugrunde zu legen. Danach ist ein besonders schwerer Fall gegeben, wenn die Tat bei Berücksichtigung aller Umstände die gewöhnlich vorkommenden und vom Gesetz für den ordentlichen Strafrahmen vorgesehenen Fälle an Strafwürdigkeit so sehr übertrifft, dass die Anwendung des verschärften Strafrahmens geboten erscheint (Patzak, a.a.O. Rn. 3 m.w.N.).

28

bb) Dies wird sich als Ergebnis der Hauptverhandlung hier hochwahrscheinlich erweisen lassen. Hierbei werden auch die Urteilsgründe - soweit derzeit absehbar - auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen haben:

29

(1) Zwar kann die Regelwirkung dieses unvertypten Strafschärfungsgrundes erschüttert werden durch das Vorliegen bestimmender Strafmilderungsgründe. Hier kommen namentlich die bisherige Unbestraftheit des Beschuldigten, der Handel mit einer Droge von geringerem Gefährlichkeitsgrad, die vergleichsweise geringen erwirtschafteten Gewinne sowie die Tatsache in Betracht, dass mangels - hier angesichts der Menge freilich auch entbehrlicher - Qualitätsuntersuchung von einem Rauschgift von nur durchschnittlicher Qualität ausgegangen werden muss. Die Annahme geringer Qualität liegt angesichts des Verkaufspreises hingegen fern. Ebenso kommt dem Teilgeständnis des Beschuldigten angesichts der erdrückenden Beweislage hier keine besondere Bedeutung zu.

30

(2) Diese Aspekte reichen hier aber für den Wegfall des Strafschärfungsgrundes ersichtlich nicht aus. Beide Taten sind von einer besonders dreisten und nachhaltigen Begehungsweise geprägt. Der Beschuldigte hat im ersten Fall von sich aus in einem öffentlichen Park Kunden angesprochen und ist - nach zwischenzeitlicher polizeilicher Entdeckung - noch am selben Tag an den Tatort zurückgekehrt und hat erkennbar unbeeindruckt von dem Vorangegangenen weitergehandelt. Im zweiten Fall hat er - weiterhin erkennbar unbeeindruckt von den zuvor gegen ihn geführten polizeilichen Maßnahmen, namentlich einer Festnahme - am selben Ort abermals Handel getrieben. Überdies ist die Bedeutung der durch die Taten erwirtschafteten Gewinne in einer Gesamtschau an den Umständen des Einzelfalls zu messen. Vor dem Hintergrund jeglicher fehlender legaler Einkünfte des untergetauchten Beschuldigten erweisen sich die Einkünfte aus seinen Taten gerade nicht als unbedeutend. Sie sichern seinen unerlaubten Aufenthalt vielmehr ab und ermöglichen ihm ein Leben in der Illegalität. Daher ist der Umstand, dass der Beschuldigte auf den ersten Blick ein „Kleindealer“ ist, auch hier ohne Belang (vgl. BGH, Urt. v. 16. 5. 1979 - 2 StR 151/79). Anderes mag allenfalls dann gelten, wenn der Beschuldigte ein umfassendes Geständnis ablegt.

31

b) Ungeachtet dessen vermag der Senat nicht zu erkennen, aus welchen Gründen hier - wie Amts- und Landgericht meinen - bei Annahme des § 29 Abs. 1 BtMG eine Geldstrafe jeweils naheliegen sollte. Schon für sich dürfte die Grenze des § 47 StGB durch beide Taten überschritten werden. Aber selbst wenn der Tatrichter jeweils Einzelstrafen von unter sechs Monaten verhängen sollte, drängt sich die Unerlässlichkeit kurzfristiger Freiheitstrafen hier auf. Freiheitsstrafen sind hier bereits mit Blick auf das jeweils hohe Handlungsunrecht geboten (vgl. etwa HansOLG, Beschluss vom 27. September 2006 - III - 104/06, JR 2006, 212 mit zust. Anm. von Gemmeren, der zahlreiche instruktive Beispiele hierzu aufführt). Eine solche ist hier hochwahrscheinlich auch unerlässlich. Den gesamten Tatumstände wohnt ein besonders hartnäckiges, durch rasche Wiederholung und auch dadurch zur Schau getragenes rechtsmissachtendes Verhalten inne. Als solches fügt es sich ohne Weiteres ein in den durch das Untertauchen und jede Zusammenarbeit mit den Behörden verweigerndes Verhalten des Beschuldigten betreffend seinen asyl- und aufenthaltsrechtlichen Status. Es kann vor diesem Hintergrund weder von der kurzen Untersuchungshaft noch von einer Geldstrafe erwartet werden, dass diese ihn in der notwendigen Weise beeindrucken werden.

32

c) Und schließlich: Die Staatsanwaltschaft hat wiederholt darauf hingewiesen, dass sie - vor dem Hintergrund der einfachen Beweislage plausibel - sofort nach der Verhaftung Anklage erheben wird. Dieses könnte hier gar im Wege des beschleunigten Verfahrens erfolgen (§ 417 StPO). Daher steht nicht im Ansatz eine längere, das Maß der Tatschuld signifikant übersteigende Untersuchungshaft für den Beschuldigten zu besorgen.

33

4. Lediglich ergänzend bemerkt der Senat:

34

a) Der jeweils knappe Hinweis von Ermittlungsrichter wie Strafkammer auf eine angeblich „naheliegende" Geldstrafe verliert ersichtlich die Maßgaben von § 113 StPO aus dem Blick. Hiernach kann - worauf die Generalstaatsanwaltschaft mit Recht hingewiesen hat - auch bei Geldstrafen die Anordnung von Untersuchungshaft geboten sein (vgl. nur Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 113 Rn. 1 m.w.N.). Ist der Beschuldigte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln - und damit der schwersten Tatbestandsvariante des § 29 BtMG - dringend verdächtig und zugleich für die Behörden wegen seines Untertauchens unerreichbar, droht für den Fall einer unterlassenen Haftanordnung hier der Stillstand der Strafrechtspflege. Solches ist nicht zuletzt mit Blick auf das verfassungsrechtliche Gebot zur Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege in diesen Fällen nicht hinnehmbar.

35

b) Vor dem Hintergrund der vorstehenden Darlegungen zur Beweislage einerseits sowie zum Haftgrund und zur Straferwartung andererseits erscheint eine Zuführung des Beschuldigten in der hier vorliegenden Konstellation auch bereits nach der ersten Tat in Fällen des § 29 Abs. 3 BtMG nicht fernliegend.

36

c) Um gerade die von der mobilen Tätergruppe im Rauschgiftmilieu durch „Erleichterungen bei den Regelungen hinsichtlich der Bewegungsfreiheit" (BT-Drucks 18/3144, S. 9) ausgehenden Gefahren abwehren zu können, hat der Gesetzgeber § 61 Abs. 1c AufenthG und § 59b Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG geschaffen. Nur eine effektive - etwa über § 86 AufenthG auch mögliche - enge und rasche Zusammenarbeit der beteiligten Behörden des Polizeivollzugsdienstes wie der Ausländerbehörden aber kann diesem Gesetzeszweck nachhaltig Rechnung tragen. Der Senat vermag dem hier vorliegenden Verfahren indes weder einen Anhalt für die gebotene Zusammenarbeit mit den nicht informierten bayerischen Behörden über den Verbleib des bei ihnen abgängigen Beschuldigten noch einen Informationsaustausch mit der - naheliegend zunächst - zuständigen Hamburger Ausländerbehörde zu entnehmen.

(1) Der Aufenthalt eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers ist räumlich auf das Gebiet des Landes beschränkt. Von der räumlichen Beschränkung nach Satz 1 kann abgewichen werden, wenn der Ausländer zur Ausübung einer Beschäftigung ohne Prüfung nach § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 berechtigt ist oder wenn dies zum Zwecke des Schulbesuchs, der betrieblichen Aus- und Weiterbildung oder des Studiums an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule oder vergleichbaren Ausbildungseinrichtung erforderlich ist. Das Gleiche gilt, wenn dies der Aufrechterhaltung der Familieneinheit dient.

(1a) In den Fällen des § 60a Abs. 2a wird der Aufenthalt auf den Bezirk der zuletzt zuständigen Ausländerbehörde im Inland beschränkt. Der Ausländer muss sich nach der Einreise unverzüglich dorthin begeben. Ist eine solche Behörde nicht feststellbar, gilt § 15a entsprechend.

(1b) Die räumliche Beschränkung nach den Absätzen 1 und 1a erlischt, wenn sich der Ausländer seit drei Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhält.

(1c) Eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers kann unabhängig von den Absätzen 1 bis 1b angeordnet werden, wenn

1.
der Ausländer wegen einer Straftat, mit Ausnahme solcher Straftaten, deren Tatbestand nur von Ausländern verwirklicht werden kann, rechtskräftig verurteilt worden ist,
2.
Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer gegen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes verstoßen hat, oder
3.
konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung gegen den Ausländer bevorstehen.
Eine räumliche Beschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde soll angeordnet werden, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(1d) Ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer, dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist, ist verpflichtet, an einem bestimmten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen (Wohnsitzauflage). Soweit die Ausländerbehörde nichts anderes angeordnet hat, ist das der Wohnort, an dem der Ausländer zum Zeitpunkt der Entscheidung über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gewohnt hat. Die Ausländerbehörde kann die Wohnsitzauflage von Amts wegen oder auf Antrag des Ausländers ändern; hierbei sind die Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen oder sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht zu berücksichtigen. Der Ausländer kann den durch die Wohnsitzauflage festgelegten Ort ohne Erlaubnis vorübergehend verlassen.

(1e) Auflagen können zur Sicherung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht angeordnet werden, wenn konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung unmittelbar bevorstehen. Insbesondere kann ein Ausländer verpflichtet werden, sich einmal wöchentlich oder in einem längeren Intervall bei der für den Aufenthaltsort des Ausländers zuständigen Ausländerbehörde zu melden.

(1f) Weitere Bedingungen und Auflagen können angeordnet werden.

(2) Die Länder können Ausreiseeinrichtungen für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer schaffen. In den Ausreiseeinrichtungen soll durch Betreuung und Beratung die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise gefördert und die Erreichbarkeit für Behörden und Gerichte sowie die Durchführung der Ausreise gesichert werden.

(1) Der gewählte Verteidiger, dessen Bevollmächtigung nachgewiesen ist, sowie der bestellte Verteidiger gelten als ermächtigt, Zustellungen und sonstige Mitteilungen für den Beschuldigten in Empfang zu nehmen. Zum Nachweis der Bevollmächtigung genügt die Übermittlung einer Kopie der Vollmacht durch den Verteidiger. Die Nachreichung der Vollmacht im Original kann verlangt werden; hierfür kann eine Frist bestimmt werden.

(2) Eine Ladung des Beschuldigten darf an den Verteidiger nur zugestellt werden, wenn er in seiner nachgewiesenen Vollmacht ausdrücklich zur Empfangnahme von Ladungen ermächtigt ist. § 116a Abs. 3 bleibt unberührt.

(3) Wird eine Entscheidung dem Verteidiger nach Absatz 1 zugestellt, so wird der Beschuldigte hiervon unterrichtet; zugleich erhält er formlos eine Abschrift der Entscheidung. Wird eine Entscheidung dem Beschuldigten zugestellt, so wird der Verteidiger hiervon zugleich unterrichtet, auch wenn eine Vollmacht bei den Akten nicht vorliegt; dabei erhält er formlos eine Abschrift der Entscheidung.

(1) Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten findet eine Hauptverhandlung nicht statt.

(2) Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

(1) Verlesen werden können

1.
die ein Zeugnis oder ein Gutachten enthaltenden Erklärungen
a)
öffentlicher Behörden,
b)
der Sachverständigen, die für die Erstellung von Gutachten der betreffenden Art allgemein vereidigt sind, sowie
c)
der Ärzte eines gerichtsärztlichen Dienstes mit Ausschluss von Leumundszeugnissen,
2.
unabhängig vom Tatvorwurf ärztliche Atteste über Körperverletzungen,
3.
ärztliche Berichte zur Entnahme von Blutproben,
4.
Gutachten über die Auswertung eines Fahrtschreibers, die Bestimmung der Blutgruppe oder des Blutalkoholgehalts einschließlich seiner Rückrechnung,
5.
Protokolle sowie in einer Urkunde enthaltene Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen, soweit diese nicht eine Vernehmung zum Gegenstand haben und
6.
Übertragungsnachweise und Vermerke nach § 32e Absatz 3.

(2) Ist das Gutachten einer kollegialen Fachbehörde eingeholt worden, so kann das Gericht die Behörde ersuchen, eines ihrer Mitglieder mit der Vertretung des Gutachtens in der Hauptverhandlung zu beauftragen und dem Gericht zu bezeichnen.

(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich

1.
die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden,
2.
die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen,
3.
die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen,
4.
die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.

(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.

(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.

(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn

1.
der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt,
2.
der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder
3.
neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.