Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 27. Okt. 2015 - 5 RVs 119/15

ECLI:ECLI:DE:OLGHAM:2015:1027.5RVS119.15.00
bei uns veröffentlicht am27.10.2015

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen auf-gehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts – Schöffen-gericht – Essen zurückverwiesen.


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Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 27. Okt. 2015 - 5 RVs 119/15 zitiert 12 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Abgabenordnung - AO 1977 | § 370 Steuerhinterziehung


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,2.die Finanzbehörden pflichtwidrig über steu

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafgesetzbuch - StGB | § 23 Strafbarkeit des Versuchs


(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. (2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1). (3) Hat der Täter aus grobem Unv

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Strafgesetzbuch - StGB | § 47 Kurze Freiheitsstrafe nur in Ausnahmefällen


(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rech

Abgabenordnung - AO 1977 | § 371 Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung


(1) Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht n

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Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juli 2011 - 1 StR 154/11

bei uns veröffentlicht am 13.07.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 154/11 vom 13. Juli 2011 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Juli 2011 beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgeri

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Mai 2010 - 1 StR 577/09

bei uns veröffentlicht am 20.05.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 577/09 vom 20. Mai 2010 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Mai 2010 beschlossen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgeri

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Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 154/11
vom
13. Juli 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Juli 2011 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 27. Oktober 2010 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Steuerverkürzung in 15 Fällen“ unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus zwei vorangehenden Verurtei- lungen zu fünf Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg, eines Eingehens auf die erhobenen Verfahrensrügen bedarf es nicht.
2
1. Das auch sonst wenig sorgfältige Urteil kann keinen Bestand haben, denn es genügt nicht den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO, von dessen Beachtung auch eine Verständigung gemäß § 257c StPO nicht entbindet.
3
Die Urteilsgründe müssen die für erwiesen erachteten Tatsachen mitteilen , in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Bei der Steuerhinterziehung, bei der die Strafvorschrift des § 370 AO durch die im Einzelfall anzuwendenden steuerrechtlichen Vorschriften materiellrechtlich ausge- füllt wird, müssen die jeweiligen Umstände festgestellt werden, aus denen sich ergibt, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Abgabenart zu einer Steuerverkürzung geführt hat. Dazu gehören insbesondere auch diejenigen Parameter, die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind (BGH, Beschluss vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08, NJW 2009, 2546 mwN).
4
Dies lässt das angefochtene Urteil - im Gegensatz zur sorgfältig verfassten Anklageschrift - vermissen. Die Feststellungen zum Schuldspruch wegen Umsatzsteuerhinterziehung lassen nicht tragfähig erkennen, aufgrund welcher Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 3 UStG) der Angeklagte steuerbare Umsätze bewirkt hat; das Urteil bezieht sich insoweit unklar auf „Einnahmen“ (UA S. 7). Hinsichtlich der Gewerbesteuer- und der Einkommensteuer teilt das Urteil zwar einen „Gewinn“ mit und „bei der Einkommenssteuerermittlung“ (UA S. 8) diesem Gewinn hinzuzurechnende Beträge. Es verzichtet im Übrigen aber auf eine Berechnungsdarstellung zu den hinterzogenen Steuern; weitergehende Feststellungen zu den Besteuerungsgrundlagen werden nicht getroffen. Dadurch ermöglicht es das Urteil dem Senat nicht, die Berechnung der vom Angeklagten hinterzogenen Steuern auch nur annähernd nachzuvollziehen. Dies begründet einen durchgreifenden Rechtsfehler. Die auf den Besteuerungsgrundlagen aufbauende Steuerberechnung ist Rechtsanwendung und daher Aufgabe des Tatrichters. Eine Berechnungsdarstellung kann zwar dann entbehrlich sein, wenn ein sachkundiger Angeklagter, der zur Berechnung der hinterzogenen Steuern in der Lage ist, ein Geständnis ablegt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2000 - 5 StR 399/00, NStZ 2001, 200 mwN). Den Urteilsgründen lässt sich indes schon nicht entnehmen, ob sich das abgelegte Teilgeständnis auf die Höhe der hinterzogenen Steuer bezog oder beziehen konnte.
5
Allein durch die Bezugnahme auf das Ergebnis rechtskräftig gewordener Steuerbescheide konnte die Strafkammer den der Berechnungsdarstellung zukommenden Aufgaben nicht entsprechen. Die Strafkammer wäre freilich nicht gehindert gewesen, sich Steuerberechnungen von Beamten der Finanzverwaltung anzuschließen, die auf den festgestellten (bzw. hier: den festzustellenden) Besteuerungsgrundlagen aufbauen. Allerdings hätte im Urteil zweifelsfrei erkennbar sein müssen, dass das Tatgericht eine eigenständige - weil als Rechtsanwendung ihm obliegende - Steuerberechnung durchgeführt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. März 2010 - 1 StR 52/10, wistra 2010, 228 mwN) und dabei gegebenenfalls erforderliche Schätzungen selbst vorgenommen hat.
6
2. Da die sachlich-rechtliche Überprüfung auf Grund unzureichender Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nicht zuverlässig möglich ist, beruht das Urteil auf dem Darstellungsmangel und damit auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 337 StPO). Auf die Rügen der Verletzung formellen Rechts kommt es daher nicht mehr an. Der Senat hebt das Urteil einschließlich sämtlicher Feststellungen auf; der nunmehr zur Entscheidung aufgeforderte Tatrichter kann so die erforderlichen Feststellungen insgesamt neu treffen.
Nack Wahl Hebenstreit
Graf Jäger

(1) Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft. Die Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen.

(2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn

1.
bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung
a)
dem an der Tat Beteiligten, seinem Vertreter, dem Begünstigten im Sinne des § 370 Absatz 1 oder dessen Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung, oder
b)
dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder
c)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung, oder
d)
ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder
e)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zu einer Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b des Umsatzsteuergesetzes, einer Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g des Einkommensteuergesetzes oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist und sich ausgewiesen hat oder
2.
eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste,
3.
die nach § 370 Absatz 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 25 000 Euro je Tat übersteigt, oder
4.
ein in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 bis 6 genannter besonders schwerer Fall vorliegt.
Der Ausschluss der Straffreiheit nach Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c hindert nicht die Abgabe einer Berichtigung nach Absatz 1 für die nicht unter Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c fallenden Steuerstraftaten einer Steuerart.

(2a) Soweit die Steuerhinterziehung durch Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen und richtigen Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung begangen worden ist, tritt Straffreiheit abweichend von den Absätzen 1 und 2 Satz 1 Nummer 3 bei Selbstanzeigen in dem Umfang ein, in dem der Täter gegenüber der zuständigen Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt. Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 gilt nicht, wenn die Entdeckung der Tat darauf beruht, dass eine Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung nachgeholt oder berichtigt wurde. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Steueranmeldungen, die sich auf das Kalenderjahr beziehen. Für die Vollständigkeit der Selbstanzeige hinsichtlich einer auf das Kalenderjahr bezogenen Steueranmeldung ist die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der Voranmeldungen, die dem Kalenderjahr nachfolgende Zeiträume betreffen, nicht erforderlich.

(3) Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für den an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern, die Hinterziehungszinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Absatz 4 angerechnet werden, sowie die Verzugszinsen nach Artikel 114 des Zollkodex der Union innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. In den Fällen des Absatzes 2a Satz 1 gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die fristgerechte Entrichtung von Zinsen nach § 233a oder § 235 unerheblich ist.

(4) Wird die in § 153 vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsmäßig erstattet, so wird ein Dritter, der die in § 153 bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat, strafrechtlich nicht verfolgt, es sei denn, dass ihm oder seinem Vertreter vorher die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Hat der Dritte zum eigenen Vorteil gehandelt, so gilt Absatz 3 entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 577/09
vom
20. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Mai 2010 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 23. Juni 2009 wird mit der Maßgabe, dass der Angeklagte im Fall III.2.b) der Urteilsgründe des Betruges in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig ist, als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Steuerhinterziehung in zwei tateinheitlichen Fällen, in Tatmehrheit mit vier Fällen des Betruges, davon in einem Fall in zwei tatmehrheitlichen Fällen und in einem weiteren Fall in vier tateinheitlichen Fällen“ zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Die Revision, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt, führt lediglich zu der aus dem Tenor ersichtlichen Berichtigung der Urteilsformel wegen eines Schreibversehens (vgl. UA S. 37). Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Erörterung bedarf lediglich die Frage der Strafbefreiung nach § 371 AO:
3
Soweit der Angeklagte im Fall III. 3. der Urteilsgründe wegen Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag im Veranlagungszeitraum 2000 verurteilt wurde, hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht das Vorliegen einer strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO verneint. Ob überhaupt eine den Anforderungen des § 371 Abs. 1 AO entsprechende Selbstanzeige vorliegt, kann offen bleiben. Jedenfalls stehen der Strafbefreiung sowohl der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO als auch derjenige des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO entgegen.
4
1. Nach den Urteilsfeststellungen wurden am 28. April 2005 in dem gegen den Angeklagten geführten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für die Veranlagungszeiträume 2001 und 2002 in der Wohnung des Angeklagten und der Kanzlei seines Steuerberaters Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt. Im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahmen ergaben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nicht nur für die Jahre 2001 und 2002, sondern bereits für die Jahre 1999 und 2000 in seinen Einkommensteuererklärungen steuerpflichtige Einkünfte verschwiegen und hierdurch Einkommensteuer verkürzt hatte. Der Steuerberater des Angeklagten äußerte hierbei, dass die Ermittler zwei Wochen zu früh erschienen seien, da die Steuererklärungen in Vorbereitung seien. Nachdem der die Ermittlungen leitende Beamte der Steuerfahndung dem Angeklagten mündlich eröffnet hatte, dass das Ermittlungsverfahren auf den Verdacht der Hinterziehung von Einkommensteuer für die Jahre 1999 und 2000 erweitert worden sei, übergab der Steuerberater den Fahndungsbeamten zur Vermeidung der Beschlagnahme die vorhandenen sortierten und aufbereiteten Unterlagen für diese Veranlagungszeiträume. Die Belege waren in einer Tabelle erfasst, eine Steuererklärung hingegen noch nicht erstellt. Nachdem der Steuerberater die Unterlagen zurückerhalten hatte, fertigte er innerhalb von zwei Monaten die Einkommensteuererklärungen des Angeklagten für die Jahre 1999 bis 2002. Die aufgrund einer tatsächlichen Verständigung ergangenen Steuer- bescheide wurden bestandskräftig; der Angeklagte beglich die Steuerforderungen nach und nach.
5
2. Nach § 371 Abs. 1 AO kommt demjenigen ein persönlicher Strafaufhebungsgrund zugute, der in den Fällen des § 370 AO bei der Finanzbehörde unrichtige Angaben berichtigt, unvollständige ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt. Straffreiheit tritt nicht ein, wenn ein Sperrgrund des § 371 Abs. 2 AO vorliegt.
6
a) Diese im Verzicht auf den staatlichen Strafanspruch liegende Privilegierung des Steuerstraftäters gegenüber anderen Straftätern bedarf einer doppelten Rechtfertigung: Zum einen sollen verborgene Steuerquellen erschlossen werden; zum anderen soll dem Steuerhinterzieher ein Anreiz gegeben werden, zur Steuerehrlichkeit zurückzukehren.
7
Aus fiskalischen Gründen soll für den Steuerhinterzieher ein Anreiz geschaffen werden, von sich aus den Finanzbehörden bisher verheimlichte Steuerquellen durch wahrheitsgemäße Angaben zu erschließen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 35, 36, 37; BGH wistra 2004, 309, 310 m.w.N.). Allein fiskalische Interessen an der Entrichtung hinterzogener Steuern können diese Privilegierung aber schwerlich rechtfertigen. Hinzukommen muss die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit ; diese soll honoriert werden (BGHSt 3, 373, 375 und 12, 100, 101 zu § 410 RAO; BGH DB 1977, 1347 zu § 395 RAO; BGH wistra 1985, 74 zu § 371 AO; vgl. auch bereits die Gesetzesmaterialien zu § 410 RAO 1951 BTDrucks. I/2395).
8
b) Eine Rückkehr zur Steuerehrlichkeit ist dann gegeben, wenn der Täter nunmehr vollständige und richtige Angaben - mithin „reinen Tisch“ - macht. Erst dann liegt eine strafbefreiende Selbstanzeige i.S.d. § 371 Abs. 1 AO vor.
9
Das folgt auch aus dem Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO. Unrichtige oder unvollständige Angaben müssen berichtigt oder ergänzt, unterlassene Angaben müssen nachgeholt werden. Die Benennung aller denkbaren Handlungsvarianten zur Korrektur von unrichtigen und unvollständigen Angaben - aufgezählt mit einem (nicht exklusiven) „oder“ - macht deutlich, dass das Gesetz die vollständige Rückkehr zur Steuerehrlichkeit will. Nur unter dieser Voraussetzung wird der Täter straffrei. Das auf die Nennung dieser Voraussetzung folgende Wort „insoweit“ bezieht sich nicht auf den Umfang der gemachten Angaben, sondern allein auf den Umfang der Strafbefreiung. Diese tritt also erst dann ein, wenn die Angaben insgesamt richtig sind. Hätte der Gesetzgeber eine Strafbefreiung auch schon für nur teilweise richtige Angaben (Teilselbstanzeige) gewollt, dann hätte er das Gesetz anders formuliert („Soweit … berichtigt …“). „Insoweit“ bedeutet daher namentlich: Neben der Straffreiheit für - gänzlich verschiedene - Steuerdelikte könnte auch ein Täter, der zusätzlich verfälschte Belege gebraucht oder ein Bestechungsdelikt begeht (vgl. § 370 Abs. 3 AO sowie BGH wistra 2004, 309, 312), Straffreiheit (nur) wegen der Steuerhinterziehung erlangen.
10
c) Im Hinblick darauf, dass der fiskalische Zweck, noch unbekannte Steuerquellen zu erschließen, angesichts der heute bestehenden Ermittlungsmöglichkeiten und der verbesserten internationalen Zusammenarbeit zunehmend an Bedeutung verloren hat, erlangt der weitere Zweck, Rückkehr zur Steuerehrlichkeit, zusätzliches Gewicht.
11
Der Senat hält eine Teilselbstanzeige nicht für ausreichend, um die Strafbefreiung zu erlangen. Denn hier fehlt gerade die Rückkehr zur vollständigen Steuerehrlichkeit (vgl. auch BGH wistra 1993, 66, 68). Soweit in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bislang eine solche Teilselbstanzeige als wirksam angesehen worden ist, weil das Wort „insoweit“ in § 371 Abs. 1 AO eine nur teilweise Nachholung fehlender zutreffender Angaben erlaube (vgl. BGHSt 35, 36; BGH wistra 1988, 356; 1999, 27), hält der Senat daran nicht fest. Einer Anfrage bei anderen Senaten bedarf es nicht (vgl. Hannich in KKStPO 6. Aufl. § 132 GVG Rdn. 6 m.w.N.).
12
Eine danach nicht ausreichende Teilselbstanzeige ist beispielsweise gegeben , wenn ein Steuerpflichtiger seine unvollständige Einkommensteuererklärung dahin „berichtigt“, dass er von bislang gänzlich verschwiegenen Zinseinkünften nunmehr nur diejenigen eines Kontos angibt, aber immer noch weitere Konten verschweigt, weil er insoweit keine Entdeckung durch die Finanzbehörden befürchtet (dolose Selbstanzeige). Nach Ansicht des Senats läge in einem solchen Fall keine wirksame Selbstanzeige vor.
13
Auch der denkbare Umstand, dass der Täter einer Steuerhinterziehung nicht in der Lage ist, die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb angemessener Frist vollständig nachzuzahlen (vgl. § 371 Abs. 3 AO), könnte für sich allein die Zulässigkeit einer Teilselbstanzeige nicht rechtfertigen. Die Gründe , aus denen der Steuerpflichtige zur Zahlung nicht in der Lage ist, sind für § 371 Abs. 3 AO grundsätzlich bedeutungslos.
14
3. Einer strafbefreienden Selbstanzeige steht hier jedenfalls der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO entgegen.
15
Nach § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a 2. Alt. AO tritt Straffreiheit schon dann nicht ein, wenn vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung von Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen i.S.v. § 371 Abs. 1 AO ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist. Dieser Sperrgrund betrifft nicht nur solche Taten, die vom Ermittlungswillen („zur Ermittlung“) des erschienenen Amtsträgers erfasst sind. Er erstreckt sich auch auf solche Taten, die mit dem bisherigen Ermittlungsgegenstand in sachlichem Zusammenhang stehen (vgl. BGH wistra 1983, 146; 2000, 219, 225; 2004, 309).
16
a) Für diese Auslegung spricht schon der Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a 2. Alt. AO, der weder eine zeitliche noch sachliche Beschränkung enthält. Die Worte „zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit” belegen - wie der Vergleich mit § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b AO zeigt, der den Gegenstand des dem Täter bekannt zu gebenden Strafverfahrens mit den Worten „wegen der Tat” umschreibt -, dass die Sperrwirkung nicht auf solche Taten beschränkt werden soll, die bereits Gegenstand des Ermittlungsverfahrens sind.
17
b) Zudem ist zu bedenken, dass die Strafbefreiung nach § 371 AO eine Ausnahmevorschrift ist, die schon deswegen entgegen der weit verbreiteten gegenteiligen Auffassung (vgl. z.B. BayObLG MDR 1985, 519; Keller/ Kelnhofer wistra 2001, 369, 370) - auch im Hinblick auf den Verzicht auf den staatlichen Strafanspruch - restriktiv auszulegen ist. Das hat auch Auswirkungen auf die Auslegung der Sperrgründe des § 371 Abs. 2 AO. Dies gilt unbeschadet der Tatsache, dass bei der Auslegung der mittelbar (wieder) strafbegründenden Tatbestände des § 371 Abs. 2 AO das strafrechtliche Analogiever- bot und der Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 103 Abs. 2 GG zu beachten sind (vgl. Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 7. Aufl. § 370 AO Rdn. 34).
18
c) Diese Auslegung folgt auch aus den oben genannten Gründen für die Strafbefreiung. Das gilt namentlich für den Normzweck, bisher unbekannte Steuerquellen zu erschließen.
19
Dieser Normzweck erfordert die Erstreckung der Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a 2. Alt. AO auch auf solche steuerlichen Sachverhalte , bei denen - soweit sie nicht bereits von dem bisherigen Ermittlungswillen erfasst sind - unter Berücksichtigung des bisherigen Überprüfungsziels einerseits und den steuerlichen Gegebenheiten des beschuldigten Steuerpflichtigen andererseits bei üblichem Gang des Ermittlungsverfahrens zu erwarten ist, dass sie ohnehin in die Überprüfung einbezogen würden (vgl. Jäger wistra 2000, 228). Dies ist jedenfalls stets dann der Fall, wenn sich die neuen Tatvorwürfe lediglich auf weitere Besteuerungszeiträume hinsichtlich derselben Steuerarten bei identischen Einkunftsquellen erstrecken. Denn dann erweist sich die bloß teilweise erfolgte Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung nicht als geeignet , den Finanzbehörden bisher unbekannte Steuerquellen zu erschließen. Der Amtsträger erscheint dann auch „zur Ermittlung“ zusammenhängender Taten.
20
d) Allenfalls dann, wenn eine Erschließung weiterer sonstiger Steuerquellen durch bereits laufende Ermittlungen auszuschließen ist, kann dieser Sperrgrund noch zur Anwendung kommen. In diesem Fall ist - wie sonst auch - für die Strafbefreiung maßgeblich, dass die Aufdeckung bislang unerkannter Steuerquellen im Wesentlichen auf die Initiative des Steuerpflichtigen zurückgeht , die in der Rückkehr zur Steuerehrlichkeit zum Ausdruck kommt (vgl.
BGHSt 3, 373, 375). Unvereinbar mit dem Normzweck wäre demgegenüber eine Auslegung, die honorierte, dass der Steuerpflichtige - ist der Amtsträger erst einmal erschienen - den „Wettlauf mit den Ermittlungsbehörden um die Rechtzeitigkeit“ gewonnen hat (vgl. Jäger wistra 2000, 228).
21
e) Hier ist der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO gegeben. Die Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag im Veranlagungszeitraum 2000 war zwar zu Beginn der Durchsuchungsmaßnahme noch nicht vom Ermittlungswillen der Verfolgungsbehörden erfasst. Das Ermittlungsverfahren und auch die Durchsuchungsbeschlüsse hatten nämlich bis dahin lediglich die Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag der Veranlagungszeiträume 2001 und 2002 zum Gegenstand. Vorliegend ist aber der die Sperrwirkung auslösende Zusammenhang zwischen der Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag in den Veranlagungszeiträumen 2001 und 2002 mit der Hinterziehung hinsichtlich der Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 gegeben. Die neuen Tatvorwürfe erstrecken sich lediglich auf weitere Besteuerungszeiträume hinsichtlich derselben Steuerarten bei identischen Einkunftsquellen. Eine solche Fallgestaltung reicht stets für die Annahme eines sachlichen Zusammenhangs aus (vgl. BGH wistra 1983, 146).
22
4. Einer strafbefreienden Selbstanzeige steht hier zudem der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO entgegen. Nach den Feststellungen war die Tat - wenigstens zum Teil - bereits entdeckt.
23
a) Nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO ist erforderlich, dass die „Tat“ ganz oder zum Teil bereits entdeckt war. Das Wort „entdecken“ ist - wie im allgemeinen Sprachgebrauch - dahin zu verstehen, dass Unbekanntes, Verborgenes aufgefunden wird. Die noch unbekannte, verborgene Tat i.S.d. § 370 AO muss ganz oder zum Teil entdeckt sein. Gesetzlicher Anknüpfungspunkt ist dabei nicht der Begriff des Anfangsverdachts (vgl. BGH wistra 2000, 219, 225), sondern der der „Tatentdeckung“. Bei diesem Begriff handelt es sich um ein Tatbestandsmerkmal , das mit den üblichen strafprozessualen Verdachtsgraden nicht gleichgesetzt werden kann; es hat einen eigenständigen Bedeutungsgehalt.
24
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH NStZ 1983, 415; wistra 2000, 219, 225) liegt Tatentdeckung dann vor, wenn bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist. Diese Definition enthält eine doppelte, zweistufige Prognose. Zunächst ist - auf der Grundlage der vorhandenen, regelmäßig noch unvollständigen Informationen - die Verdachtslage, und zwar vorläufig, zu bewerten. Aufbauend auf dieser bloß vorläufigen Bewertung muss der Sachverhalt, auf den sich der Verdacht bezieht, zudem rechtlich geeignet sein, eine Verurteilung wegen einer Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit zu rechtfertigen. Ist das Vorliegen eines Sachverhalts wahrscheinlich, der die Aburteilung als Steuerstraftat oder –ordnungswidrigkeit rechtfertigen würde, ist die Tat entdeckt. Die Anforderungen an diese Wahrscheinlichkeitsprognose dürfen schon deshalb nicht zu hoch angesetzt werden, weil sie auf einer (noch) schmalen Tatsachenbasis erfolgen muss.
25
c) Das besagt zunächst, dass - entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (Kohlmann, Steuerstrafrecht 41. Lfg. November 2009 § 371 AO Rdn. 204; Randt/Schauf DStR 2008, 489, 490; Fehling/Rothbächer DStZ 2008, 821, 824) - ein hinreichender Tatverdacht i.S.v. § 170 Abs. 1, § 203 StPO gerade nicht erforderlich ist und auch nicht gefordert werden kann. Die in § 170 Abs. 1, § 203 StPO für einen hinreichenden Tatverdacht notwendige Prognose der Verurteilungswahrscheinlichkeit baut nämlich auf einem ausermittelten Sachverhalt auf. Eine derartige Prognose lässt sich bei der Entdeckung der Tat - eine Entdeckung „zum Teil“ genügt - noch nicht verlässlich stellen. Die Entdeckung bildet vielmehr erst den Ausgangspunkt der dann gebotenen Ermittlungen.
26
d) Daher ist - anders als bei § 203 StPO - auch nicht erforderlich, dass der Täter der Steuerhinterziehung bereits ermittelt ist, schon deshalb, weil das Gesetz nur an die Entdeckung der Tat, nicht aber an der des Täters anknüpft (BGH NStZ 1983, 415; wistra 2004, 309). Ebenso wenig ist erforderlich, dass die tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen bereits so weit bekannt sind, dass der Schuldumfang verlässlich beurteilt werden kann (vgl. BGH wistra 2000, 219, 226). Es genügt, dass konkrete Anhaltspunkte für die Tat als solche bekannt sind.
27
e) Diese Auslegung folgt auch aus der Systematik der (anderen) Sperrgründe des § 371 Abs. 2 AO. Denn für die Anwendung des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO bliebe bei dem engeren - einen hinreichenden Tatverdacht i.S.v. § 170 Abs. 1; § 203 StPO fordernden - Verständnis des Begriffs der Tatentdeckung keine eigenständige Bedeutung mehr, weil die Anforderungen für einen hinreichenden Tatverdacht regelmäßig Maßnahmen nach § 371 Abs. 2 Nr. 1 AO voraussetzen (vgl. Dietz DStR 1981, 372, 373; Bilsdorfer BB 1982, 672, 673).
28
f) Die Kenntniserlangung von einer Steuerquelle stellt für sich allein noch keine Tatentdeckung dar. Welche Umstände hinzukommen müssen, damit die Tat (wenigstens zum Teil) entdeckt ist, lässt sich nur im Einzelfall und nicht schematisch beantworten. In der Regel ist eine Tatentdeckung bereits dann anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung der zur Steuerquelle oder zum Auffinden der Steuerquelle bekannten weiteren Umstände nach allgemeiner kriminalistischer Erfahrung eine Steuerstraftat oder –ordnungswidrigkeit nahe liegt.
Stets ist die Tat entdeckt, wenn der Abgleich mit den Steuererklärungen des Steuerpflichtigen ergibt, dass die Steuerquelle nicht oder unvollständig angegeben wurde. Entdeckung ist aber auch schon vor einem Abgleich denkbar, etwa bei Aussagen von Zeugen, die dem Steuerpflichtigen nahe stehen und vor diesem Hintergrund zum Inhalt der Steuererklärungen Angaben machen können, oder bei verschleierten Steuerquellen, wenn die Art und Weise der Verschleierung nach kriminalistischer Erfahrung ein signifikantes Indiz für unvollständige oder unrichtige Angaben ist.
29
g) Der Begriff der Tatentdeckung in § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO ist zu unterscheiden vom Begriff der Entdeckung der Tat in der Vorschrift des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG, die einen abweichenden Wortlaut hat. Dort ist die Entdeckung eines Teils der Tat für die Tatentdeckung nicht ausreichend. Die hierzu ergangene, einer normspezifischen Auslegung des § 7 StraBEG folgende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH wistra 2009, 201) ist daher nicht auf die strafbefreiende Selbstanzeige gemäß § 371 AO zu übertragen.
30
h) Nicht erforderlich für die Tatentdeckung in § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO ist, dass aufgrund der Tatsachen bereits ein Schluss auf vorsätzliches Handeln gezogen werden kann. Die Sperrgründe des § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a 2. Alt. und Abs. 2 Nr. 2 AO sind bei Erscheinen eines Amtsträgers zur „Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit“ bzw. dann gegeben, wenn dem Täter die - zeitlich davor liegende - „Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist“. Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zweck des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO ergibt sich vor diesem Hintergrund, dass der Gesetzgeber bei § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO, soweit er auf die Entdeckung der Tat abstellt, lediglich die vorsätzliche Steuerstraftat im Blick hatte (vgl. auch BTDrucks. V/1812 S. 24). Dem steht nicht entgegen, dass bei Entdeckung einer Tat im Sinne des § 370 Abs. 1 AO, die sich als nur leichtfertig begangen erweist (§ 378 Abs. 1 AO), eine bußgeldbefreiende Selbstanzeige (§ 378 Abs. 3 AO) nicht ausgeschlossen ist.
31
i) Demnach war vorliegend die Hinterziehung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags für den Veranlagungszeitraum 2000 durch den Angeklagten i.S.v. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO zu dem Zeitpunkt entdeckt, als den Beamten der Steuerfahndung im Rahmen der Durchsuchung bekannt wurde, dass der Angeklagte bereits für diesen Veranlagungszeitraum unbeschränkt einkommensteuerpflichtig i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG war. Eines Abgleichs bedurfte es hier nicht, da bekannt war, dass der Angeklagte vor dem 1. Januar 2003 in Deutschland steuerlich nicht erfasst war.
32
Die Tatentdeckung war dem Angeklagten vor diesem Hintergrund auch bekannt. Jedenfalls musste er mit der Entdeckung rechnen. Denn aus den ihm bekannten Tatsachen hätte er - wie jeder andere Steuerpflichtige in seiner Situation - den Schluss ziehen müssen, dass die Tat entdeckt war.
33
Angesichts der verbesserten Ermittlungsmöglichkeiten im Hinblick auf Steuerstraftaten und auch der stärkeren Kooperation bei der internationalen Zusammenarbeit können nach Auffassung des Senats jedenfalls heute keine hohen Anforderungen an die Annahme des „Kennenmüssens“ der Tatentdeckung mehr gestellt werden. Der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO wird daher heute maßgeblich durch die objektive Voraussetzung der Tatentdeckung im vorstehend verstandenen Sinne und weniger durch die subjektive Komponente bestimmt.
34
5. Auch unter dem Gesichtspunkt der sog. gestuften Selbstanzeige - bei der die konkreten Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen erst noch „nachgereicht“ werden - wäre vorliegend keine Straffreiheit nach § 371 Abs. 1 AO eingetreten. Hier war nämlich bereits ebenfalls zum Zeitpunkt der ersten denkbaren berichtigenden Erklärung zu Beginn der Durchsuchungsmaßnahmen der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO gegeben.
35
Der Senat ist im Übrigen der Ansicht, dass mit einer „gestuften Selbstanzeige“ die Sperrwirkung nicht umgangen werden kann. Soweit dem Steuerpflichtigen aufgrund unzureichender Buchhaltung oder wegen fehlender Belege eine genau bezifferte Selbstanzeige nicht möglich ist, ist er nach Auffassung des Senats gehalten, von Anfang an - also bereits auf der ersten Stufe der Selbstanzeige - alle erforderlichen Angaben über die steuerlich erheblichen Tatsachen, notfalls auf der Basis einer Schätzung anhand der ihm bekannten Informationen, zu berichtigen, zu ergänzen oder nachzuholen.
36
Diese Angaben müssen in jedem Fall so geartet sein, dass die Finanzbehörde auf ihrer Grundlage in der Lage ist, ohne langwierige Nachforschungen den Sachverhalt vollends aufzuklären und die Steuer richtig festzusetzen (BGHSt 3, 373, 376; BGH wistra 2004, 309 m.w.N.; BGH DB 1977, 1347 m.w.N.). Genügen die Angaben - bei Anwendung eines strengen Maßstabes - diesen Anforderungen nicht, liegt eine wirksame Selbstanzeige nicht vor. Vielmehr ist dann lediglich die Ankündigung einer Selbstanzeige gegeben.
37
Strafbefreiung tritt auch dann nicht ein, wenn erkennbar unzureichende Angaben als Berichtigung von den für die Entscheidung über die Strafbefreiung zuständigen Stellen hingenommen werden, ohne dass rechtlich gebotene Nachforschungen zur Ermittlung des wahren Sachverhalts angestellt werden.

38
6. Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass die Staatsanwaltschaft in den Fällen, bei denen eine Evokation (vgl. § 386 Abs. 4 Satz 2 AO) nicht fern liegt, frühzeitig in die Ermittlungen der Finanzbehörden einzubeziehen ist, damit sie ihr Recht und ihre Pflicht zur Prüfung einer Evokation auch in jedem Einzelfall und in jedem Stadium des Verfahrens sachgerecht ausüben kann (BGHSt 54, 9). Diese Pflicht zur Beteiligung der Staatsanwaltschaft gilt bei solchen Fallgestaltungen auch und gerade dann, wenn zu entscheiden ist, ob eine wirksame Selbstanzeige i.S.v. § 371 AO gegeben ist.
Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

(1) Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft. Die Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen.

(2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn

1.
bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung
a)
dem an der Tat Beteiligten, seinem Vertreter, dem Begünstigten im Sinne des § 370 Absatz 1 oder dessen Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung, oder
b)
dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder
c)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung, oder
d)
ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder
e)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zu einer Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b des Umsatzsteuergesetzes, einer Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g des Einkommensteuergesetzes oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist und sich ausgewiesen hat oder
2.
eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste,
3.
die nach § 370 Absatz 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 25 000 Euro je Tat übersteigt, oder
4.
ein in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 bis 6 genannter besonders schwerer Fall vorliegt.
Der Ausschluss der Straffreiheit nach Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c hindert nicht die Abgabe einer Berichtigung nach Absatz 1 für die nicht unter Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c fallenden Steuerstraftaten einer Steuerart.

(2a) Soweit die Steuerhinterziehung durch Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen und richtigen Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung begangen worden ist, tritt Straffreiheit abweichend von den Absätzen 1 und 2 Satz 1 Nummer 3 bei Selbstanzeigen in dem Umfang ein, in dem der Täter gegenüber der zuständigen Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt. Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 gilt nicht, wenn die Entdeckung der Tat darauf beruht, dass eine Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung nachgeholt oder berichtigt wurde. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Steueranmeldungen, die sich auf das Kalenderjahr beziehen. Für die Vollständigkeit der Selbstanzeige hinsichtlich einer auf das Kalenderjahr bezogenen Steueranmeldung ist die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der Voranmeldungen, die dem Kalenderjahr nachfolgende Zeiträume betreffen, nicht erforderlich.

(3) Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für den an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern, die Hinterziehungszinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Absatz 4 angerechnet werden, sowie die Verzugszinsen nach Artikel 114 des Zollkodex der Union innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. In den Fällen des Absatzes 2a Satz 1 gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die fristgerechte Entrichtung von Zinsen nach § 233a oder § 235 unerheblich ist.

(4) Wird die in § 153 vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsmäßig erstattet, so wird ein Dritter, der die in § 153 bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat, strafrechtlich nicht verfolgt, es sei denn, dass ihm oder seinem Vertreter vorher die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Hat der Dritte zum eigenen Vorteil gehandelt, so gilt Absatz 3 entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 577/09
vom
20. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Mai 2010 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 23. Juni 2009 wird mit der Maßgabe, dass der Angeklagte im Fall III.2.b) der Urteilsgründe des Betruges in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig ist, als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Steuerhinterziehung in zwei tateinheitlichen Fällen, in Tatmehrheit mit vier Fällen des Betruges, davon in einem Fall in zwei tatmehrheitlichen Fällen und in einem weiteren Fall in vier tateinheitlichen Fällen“ zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Die Revision, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt, führt lediglich zu der aus dem Tenor ersichtlichen Berichtigung der Urteilsformel wegen eines Schreibversehens (vgl. UA S. 37). Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Erörterung bedarf lediglich die Frage der Strafbefreiung nach § 371 AO:
3
Soweit der Angeklagte im Fall III. 3. der Urteilsgründe wegen Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag im Veranlagungszeitraum 2000 verurteilt wurde, hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht das Vorliegen einer strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO verneint. Ob überhaupt eine den Anforderungen des § 371 Abs. 1 AO entsprechende Selbstanzeige vorliegt, kann offen bleiben. Jedenfalls stehen der Strafbefreiung sowohl der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO als auch derjenige des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO entgegen.
4
1. Nach den Urteilsfeststellungen wurden am 28. April 2005 in dem gegen den Angeklagten geführten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für die Veranlagungszeiträume 2001 und 2002 in der Wohnung des Angeklagten und der Kanzlei seines Steuerberaters Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt. Im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahmen ergaben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nicht nur für die Jahre 2001 und 2002, sondern bereits für die Jahre 1999 und 2000 in seinen Einkommensteuererklärungen steuerpflichtige Einkünfte verschwiegen und hierdurch Einkommensteuer verkürzt hatte. Der Steuerberater des Angeklagten äußerte hierbei, dass die Ermittler zwei Wochen zu früh erschienen seien, da die Steuererklärungen in Vorbereitung seien. Nachdem der die Ermittlungen leitende Beamte der Steuerfahndung dem Angeklagten mündlich eröffnet hatte, dass das Ermittlungsverfahren auf den Verdacht der Hinterziehung von Einkommensteuer für die Jahre 1999 und 2000 erweitert worden sei, übergab der Steuerberater den Fahndungsbeamten zur Vermeidung der Beschlagnahme die vorhandenen sortierten und aufbereiteten Unterlagen für diese Veranlagungszeiträume. Die Belege waren in einer Tabelle erfasst, eine Steuererklärung hingegen noch nicht erstellt. Nachdem der Steuerberater die Unterlagen zurückerhalten hatte, fertigte er innerhalb von zwei Monaten die Einkommensteuererklärungen des Angeklagten für die Jahre 1999 bis 2002. Die aufgrund einer tatsächlichen Verständigung ergangenen Steuer- bescheide wurden bestandskräftig; der Angeklagte beglich die Steuerforderungen nach und nach.
5
2. Nach § 371 Abs. 1 AO kommt demjenigen ein persönlicher Strafaufhebungsgrund zugute, der in den Fällen des § 370 AO bei der Finanzbehörde unrichtige Angaben berichtigt, unvollständige ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt. Straffreiheit tritt nicht ein, wenn ein Sperrgrund des § 371 Abs. 2 AO vorliegt.
6
a) Diese im Verzicht auf den staatlichen Strafanspruch liegende Privilegierung des Steuerstraftäters gegenüber anderen Straftätern bedarf einer doppelten Rechtfertigung: Zum einen sollen verborgene Steuerquellen erschlossen werden; zum anderen soll dem Steuerhinterzieher ein Anreiz gegeben werden, zur Steuerehrlichkeit zurückzukehren.
7
Aus fiskalischen Gründen soll für den Steuerhinterzieher ein Anreiz geschaffen werden, von sich aus den Finanzbehörden bisher verheimlichte Steuerquellen durch wahrheitsgemäße Angaben zu erschließen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 35, 36, 37; BGH wistra 2004, 309, 310 m.w.N.). Allein fiskalische Interessen an der Entrichtung hinterzogener Steuern können diese Privilegierung aber schwerlich rechtfertigen. Hinzukommen muss die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit ; diese soll honoriert werden (BGHSt 3, 373, 375 und 12, 100, 101 zu § 410 RAO; BGH DB 1977, 1347 zu § 395 RAO; BGH wistra 1985, 74 zu § 371 AO; vgl. auch bereits die Gesetzesmaterialien zu § 410 RAO 1951 BTDrucks. I/2395).
8
b) Eine Rückkehr zur Steuerehrlichkeit ist dann gegeben, wenn der Täter nunmehr vollständige und richtige Angaben - mithin „reinen Tisch“ - macht. Erst dann liegt eine strafbefreiende Selbstanzeige i.S.d. § 371 Abs. 1 AO vor.
9
Das folgt auch aus dem Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO. Unrichtige oder unvollständige Angaben müssen berichtigt oder ergänzt, unterlassene Angaben müssen nachgeholt werden. Die Benennung aller denkbaren Handlungsvarianten zur Korrektur von unrichtigen und unvollständigen Angaben - aufgezählt mit einem (nicht exklusiven) „oder“ - macht deutlich, dass das Gesetz die vollständige Rückkehr zur Steuerehrlichkeit will. Nur unter dieser Voraussetzung wird der Täter straffrei. Das auf die Nennung dieser Voraussetzung folgende Wort „insoweit“ bezieht sich nicht auf den Umfang der gemachten Angaben, sondern allein auf den Umfang der Strafbefreiung. Diese tritt also erst dann ein, wenn die Angaben insgesamt richtig sind. Hätte der Gesetzgeber eine Strafbefreiung auch schon für nur teilweise richtige Angaben (Teilselbstanzeige) gewollt, dann hätte er das Gesetz anders formuliert („Soweit … berichtigt …“). „Insoweit“ bedeutet daher namentlich: Neben der Straffreiheit für - gänzlich verschiedene - Steuerdelikte könnte auch ein Täter, der zusätzlich verfälschte Belege gebraucht oder ein Bestechungsdelikt begeht (vgl. § 370 Abs. 3 AO sowie BGH wistra 2004, 309, 312), Straffreiheit (nur) wegen der Steuerhinterziehung erlangen.
10
c) Im Hinblick darauf, dass der fiskalische Zweck, noch unbekannte Steuerquellen zu erschließen, angesichts der heute bestehenden Ermittlungsmöglichkeiten und der verbesserten internationalen Zusammenarbeit zunehmend an Bedeutung verloren hat, erlangt der weitere Zweck, Rückkehr zur Steuerehrlichkeit, zusätzliches Gewicht.
11
Der Senat hält eine Teilselbstanzeige nicht für ausreichend, um die Strafbefreiung zu erlangen. Denn hier fehlt gerade die Rückkehr zur vollständigen Steuerehrlichkeit (vgl. auch BGH wistra 1993, 66, 68). Soweit in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bislang eine solche Teilselbstanzeige als wirksam angesehen worden ist, weil das Wort „insoweit“ in § 371 Abs. 1 AO eine nur teilweise Nachholung fehlender zutreffender Angaben erlaube (vgl. BGHSt 35, 36; BGH wistra 1988, 356; 1999, 27), hält der Senat daran nicht fest. Einer Anfrage bei anderen Senaten bedarf es nicht (vgl. Hannich in KKStPO 6. Aufl. § 132 GVG Rdn. 6 m.w.N.).
12
Eine danach nicht ausreichende Teilselbstanzeige ist beispielsweise gegeben , wenn ein Steuerpflichtiger seine unvollständige Einkommensteuererklärung dahin „berichtigt“, dass er von bislang gänzlich verschwiegenen Zinseinkünften nunmehr nur diejenigen eines Kontos angibt, aber immer noch weitere Konten verschweigt, weil er insoweit keine Entdeckung durch die Finanzbehörden befürchtet (dolose Selbstanzeige). Nach Ansicht des Senats läge in einem solchen Fall keine wirksame Selbstanzeige vor.
13
Auch der denkbare Umstand, dass der Täter einer Steuerhinterziehung nicht in der Lage ist, die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb angemessener Frist vollständig nachzuzahlen (vgl. § 371 Abs. 3 AO), könnte für sich allein die Zulässigkeit einer Teilselbstanzeige nicht rechtfertigen. Die Gründe , aus denen der Steuerpflichtige zur Zahlung nicht in der Lage ist, sind für § 371 Abs. 3 AO grundsätzlich bedeutungslos.
14
3. Einer strafbefreienden Selbstanzeige steht hier jedenfalls der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO entgegen.
15
Nach § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a 2. Alt. AO tritt Straffreiheit schon dann nicht ein, wenn vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung von Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen i.S.v. § 371 Abs. 1 AO ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist. Dieser Sperrgrund betrifft nicht nur solche Taten, die vom Ermittlungswillen („zur Ermittlung“) des erschienenen Amtsträgers erfasst sind. Er erstreckt sich auch auf solche Taten, die mit dem bisherigen Ermittlungsgegenstand in sachlichem Zusammenhang stehen (vgl. BGH wistra 1983, 146; 2000, 219, 225; 2004, 309).
16
a) Für diese Auslegung spricht schon der Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a 2. Alt. AO, der weder eine zeitliche noch sachliche Beschränkung enthält. Die Worte „zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit” belegen - wie der Vergleich mit § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b AO zeigt, der den Gegenstand des dem Täter bekannt zu gebenden Strafverfahrens mit den Worten „wegen der Tat” umschreibt -, dass die Sperrwirkung nicht auf solche Taten beschränkt werden soll, die bereits Gegenstand des Ermittlungsverfahrens sind.
17
b) Zudem ist zu bedenken, dass die Strafbefreiung nach § 371 AO eine Ausnahmevorschrift ist, die schon deswegen entgegen der weit verbreiteten gegenteiligen Auffassung (vgl. z.B. BayObLG MDR 1985, 519; Keller/ Kelnhofer wistra 2001, 369, 370) - auch im Hinblick auf den Verzicht auf den staatlichen Strafanspruch - restriktiv auszulegen ist. Das hat auch Auswirkungen auf die Auslegung der Sperrgründe des § 371 Abs. 2 AO. Dies gilt unbeschadet der Tatsache, dass bei der Auslegung der mittelbar (wieder) strafbegründenden Tatbestände des § 371 Abs. 2 AO das strafrechtliche Analogiever- bot und der Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 103 Abs. 2 GG zu beachten sind (vgl. Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 7. Aufl. § 370 AO Rdn. 34).
18
c) Diese Auslegung folgt auch aus den oben genannten Gründen für die Strafbefreiung. Das gilt namentlich für den Normzweck, bisher unbekannte Steuerquellen zu erschließen.
19
Dieser Normzweck erfordert die Erstreckung der Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a 2. Alt. AO auch auf solche steuerlichen Sachverhalte , bei denen - soweit sie nicht bereits von dem bisherigen Ermittlungswillen erfasst sind - unter Berücksichtigung des bisherigen Überprüfungsziels einerseits und den steuerlichen Gegebenheiten des beschuldigten Steuerpflichtigen andererseits bei üblichem Gang des Ermittlungsverfahrens zu erwarten ist, dass sie ohnehin in die Überprüfung einbezogen würden (vgl. Jäger wistra 2000, 228). Dies ist jedenfalls stets dann der Fall, wenn sich die neuen Tatvorwürfe lediglich auf weitere Besteuerungszeiträume hinsichtlich derselben Steuerarten bei identischen Einkunftsquellen erstrecken. Denn dann erweist sich die bloß teilweise erfolgte Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung nicht als geeignet , den Finanzbehörden bisher unbekannte Steuerquellen zu erschließen. Der Amtsträger erscheint dann auch „zur Ermittlung“ zusammenhängender Taten.
20
d) Allenfalls dann, wenn eine Erschließung weiterer sonstiger Steuerquellen durch bereits laufende Ermittlungen auszuschließen ist, kann dieser Sperrgrund noch zur Anwendung kommen. In diesem Fall ist - wie sonst auch - für die Strafbefreiung maßgeblich, dass die Aufdeckung bislang unerkannter Steuerquellen im Wesentlichen auf die Initiative des Steuerpflichtigen zurückgeht , die in der Rückkehr zur Steuerehrlichkeit zum Ausdruck kommt (vgl.
BGHSt 3, 373, 375). Unvereinbar mit dem Normzweck wäre demgegenüber eine Auslegung, die honorierte, dass der Steuerpflichtige - ist der Amtsträger erst einmal erschienen - den „Wettlauf mit den Ermittlungsbehörden um die Rechtzeitigkeit“ gewonnen hat (vgl. Jäger wistra 2000, 228).
21
e) Hier ist der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO gegeben. Die Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag im Veranlagungszeitraum 2000 war zwar zu Beginn der Durchsuchungsmaßnahme noch nicht vom Ermittlungswillen der Verfolgungsbehörden erfasst. Das Ermittlungsverfahren und auch die Durchsuchungsbeschlüsse hatten nämlich bis dahin lediglich die Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag der Veranlagungszeiträume 2001 und 2002 zum Gegenstand. Vorliegend ist aber der die Sperrwirkung auslösende Zusammenhang zwischen der Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag in den Veranlagungszeiträumen 2001 und 2002 mit der Hinterziehung hinsichtlich der Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 gegeben. Die neuen Tatvorwürfe erstrecken sich lediglich auf weitere Besteuerungszeiträume hinsichtlich derselben Steuerarten bei identischen Einkunftsquellen. Eine solche Fallgestaltung reicht stets für die Annahme eines sachlichen Zusammenhangs aus (vgl. BGH wistra 1983, 146).
22
4. Einer strafbefreienden Selbstanzeige steht hier zudem der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO entgegen. Nach den Feststellungen war die Tat - wenigstens zum Teil - bereits entdeckt.
23
a) Nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO ist erforderlich, dass die „Tat“ ganz oder zum Teil bereits entdeckt war. Das Wort „entdecken“ ist - wie im allgemeinen Sprachgebrauch - dahin zu verstehen, dass Unbekanntes, Verborgenes aufgefunden wird. Die noch unbekannte, verborgene Tat i.S.d. § 370 AO muss ganz oder zum Teil entdeckt sein. Gesetzlicher Anknüpfungspunkt ist dabei nicht der Begriff des Anfangsverdachts (vgl. BGH wistra 2000, 219, 225), sondern der der „Tatentdeckung“. Bei diesem Begriff handelt es sich um ein Tatbestandsmerkmal , das mit den üblichen strafprozessualen Verdachtsgraden nicht gleichgesetzt werden kann; es hat einen eigenständigen Bedeutungsgehalt.
24
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH NStZ 1983, 415; wistra 2000, 219, 225) liegt Tatentdeckung dann vor, wenn bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist. Diese Definition enthält eine doppelte, zweistufige Prognose. Zunächst ist - auf der Grundlage der vorhandenen, regelmäßig noch unvollständigen Informationen - die Verdachtslage, und zwar vorläufig, zu bewerten. Aufbauend auf dieser bloß vorläufigen Bewertung muss der Sachverhalt, auf den sich der Verdacht bezieht, zudem rechtlich geeignet sein, eine Verurteilung wegen einer Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit zu rechtfertigen. Ist das Vorliegen eines Sachverhalts wahrscheinlich, der die Aburteilung als Steuerstraftat oder –ordnungswidrigkeit rechtfertigen würde, ist die Tat entdeckt. Die Anforderungen an diese Wahrscheinlichkeitsprognose dürfen schon deshalb nicht zu hoch angesetzt werden, weil sie auf einer (noch) schmalen Tatsachenbasis erfolgen muss.
25
c) Das besagt zunächst, dass - entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (Kohlmann, Steuerstrafrecht 41. Lfg. November 2009 § 371 AO Rdn. 204; Randt/Schauf DStR 2008, 489, 490; Fehling/Rothbächer DStZ 2008, 821, 824) - ein hinreichender Tatverdacht i.S.v. § 170 Abs. 1, § 203 StPO gerade nicht erforderlich ist und auch nicht gefordert werden kann. Die in § 170 Abs. 1, § 203 StPO für einen hinreichenden Tatverdacht notwendige Prognose der Verurteilungswahrscheinlichkeit baut nämlich auf einem ausermittelten Sachverhalt auf. Eine derartige Prognose lässt sich bei der Entdeckung der Tat - eine Entdeckung „zum Teil“ genügt - noch nicht verlässlich stellen. Die Entdeckung bildet vielmehr erst den Ausgangspunkt der dann gebotenen Ermittlungen.
26
d) Daher ist - anders als bei § 203 StPO - auch nicht erforderlich, dass der Täter der Steuerhinterziehung bereits ermittelt ist, schon deshalb, weil das Gesetz nur an die Entdeckung der Tat, nicht aber an der des Täters anknüpft (BGH NStZ 1983, 415; wistra 2004, 309). Ebenso wenig ist erforderlich, dass die tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen bereits so weit bekannt sind, dass der Schuldumfang verlässlich beurteilt werden kann (vgl. BGH wistra 2000, 219, 226). Es genügt, dass konkrete Anhaltspunkte für die Tat als solche bekannt sind.
27
e) Diese Auslegung folgt auch aus der Systematik der (anderen) Sperrgründe des § 371 Abs. 2 AO. Denn für die Anwendung des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO bliebe bei dem engeren - einen hinreichenden Tatverdacht i.S.v. § 170 Abs. 1; § 203 StPO fordernden - Verständnis des Begriffs der Tatentdeckung keine eigenständige Bedeutung mehr, weil die Anforderungen für einen hinreichenden Tatverdacht regelmäßig Maßnahmen nach § 371 Abs. 2 Nr. 1 AO voraussetzen (vgl. Dietz DStR 1981, 372, 373; Bilsdorfer BB 1982, 672, 673).
28
f) Die Kenntniserlangung von einer Steuerquelle stellt für sich allein noch keine Tatentdeckung dar. Welche Umstände hinzukommen müssen, damit die Tat (wenigstens zum Teil) entdeckt ist, lässt sich nur im Einzelfall und nicht schematisch beantworten. In der Regel ist eine Tatentdeckung bereits dann anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung der zur Steuerquelle oder zum Auffinden der Steuerquelle bekannten weiteren Umstände nach allgemeiner kriminalistischer Erfahrung eine Steuerstraftat oder –ordnungswidrigkeit nahe liegt.
Stets ist die Tat entdeckt, wenn der Abgleich mit den Steuererklärungen des Steuerpflichtigen ergibt, dass die Steuerquelle nicht oder unvollständig angegeben wurde. Entdeckung ist aber auch schon vor einem Abgleich denkbar, etwa bei Aussagen von Zeugen, die dem Steuerpflichtigen nahe stehen und vor diesem Hintergrund zum Inhalt der Steuererklärungen Angaben machen können, oder bei verschleierten Steuerquellen, wenn die Art und Weise der Verschleierung nach kriminalistischer Erfahrung ein signifikantes Indiz für unvollständige oder unrichtige Angaben ist.
29
g) Der Begriff der Tatentdeckung in § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO ist zu unterscheiden vom Begriff der Entdeckung der Tat in der Vorschrift des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG, die einen abweichenden Wortlaut hat. Dort ist die Entdeckung eines Teils der Tat für die Tatentdeckung nicht ausreichend. Die hierzu ergangene, einer normspezifischen Auslegung des § 7 StraBEG folgende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH wistra 2009, 201) ist daher nicht auf die strafbefreiende Selbstanzeige gemäß § 371 AO zu übertragen.
30
h) Nicht erforderlich für die Tatentdeckung in § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO ist, dass aufgrund der Tatsachen bereits ein Schluss auf vorsätzliches Handeln gezogen werden kann. Die Sperrgründe des § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a 2. Alt. und Abs. 2 Nr. 2 AO sind bei Erscheinen eines Amtsträgers zur „Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit“ bzw. dann gegeben, wenn dem Täter die - zeitlich davor liegende - „Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist“. Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zweck des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO ergibt sich vor diesem Hintergrund, dass der Gesetzgeber bei § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO, soweit er auf die Entdeckung der Tat abstellt, lediglich die vorsätzliche Steuerstraftat im Blick hatte (vgl. auch BTDrucks. V/1812 S. 24). Dem steht nicht entgegen, dass bei Entdeckung einer Tat im Sinne des § 370 Abs. 1 AO, die sich als nur leichtfertig begangen erweist (§ 378 Abs. 1 AO), eine bußgeldbefreiende Selbstanzeige (§ 378 Abs. 3 AO) nicht ausgeschlossen ist.
31
i) Demnach war vorliegend die Hinterziehung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags für den Veranlagungszeitraum 2000 durch den Angeklagten i.S.v. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO zu dem Zeitpunkt entdeckt, als den Beamten der Steuerfahndung im Rahmen der Durchsuchung bekannt wurde, dass der Angeklagte bereits für diesen Veranlagungszeitraum unbeschränkt einkommensteuerpflichtig i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG war. Eines Abgleichs bedurfte es hier nicht, da bekannt war, dass der Angeklagte vor dem 1. Januar 2003 in Deutschland steuerlich nicht erfasst war.
32
Die Tatentdeckung war dem Angeklagten vor diesem Hintergrund auch bekannt. Jedenfalls musste er mit der Entdeckung rechnen. Denn aus den ihm bekannten Tatsachen hätte er - wie jeder andere Steuerpflichtige in seiner Situation - den Schluss ziehen müssen, dass die Tat entdeckt war.
33
Angesichts der verbesserten Ermittlungsmöglichkeiten im Hinblick auf Steuerstraftaten und auch der stärkeren Kooperation bei der internationalen Zusammenarbeit können nach Auffassung des Senats jedenfalls heute keine hohen Anforderungen an die Annahme des „Kennenmüssens“ der Tatentdeckung mehr gestellt werden. Der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO wird daher heute maßgeblich durch die objektive Voraussetzung der Tatentdeckung im vorstehend verstandenen Sinne und weniger durch die subjektive Komponente bestimmt.
34
5. Auch unter dem Gesichtspunkt der sog. gestuften Selbstanzeige - bei der die konkreten Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen erst noch „nachgereicht“ werden - wäre vorliegend keine Straffreiheit nach § 371 Abs. 1 AO eingetreten. Hier war nämlich bereits ebenfalls zum Zeitpunkt der ersten denkbaren berichtigenden Erklärung zu Beginn der Durchsuchungsmaßnahmen der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO gegeben.
35
Der Senat ist im Übrigen der Ansicht, dass mit einer „gestuften Selbstanzeige“ die Sperrwirkung nicht umgangen werden kann. Soweit dem Steuerpflichtigen aufgrund unzureichender Buchhaltung oder wegen fehlender Belege eine genau bezifferte Selbstanzeige nicht möglich ist, ist er nach Auffassung des Senats gehalten, von Anfang an - also bereits auf der ersten Stufe der Selbstanzeige - alle erforderlichen Angaben über die steuerlich erheblichen Tatsachen, notfalls auf der Basis einer Schätzung anhand der ihm bekannten Informationen, zu berichtigen, zu ergänzen oder nachzuholen.
36
Diese Angaben müssen in jedem Fall so geartet sein, dass die Finanzbehörde auf ihrer Grundlage in der Lage ist, ohne langwierige Nachforschungen den Sachverhalt vollends aufzuklären und die Steuer richtig festzusetzen (BGHSt 3, 373, 376; BGH wistra 2004, 309 m.w.N.; BGH DB 1977, 1347 m.w.N.). Genügen die Angaben - bei Anwendung eines strengen Maßstabes - diesen Anforderungen nicht, liegt eine wirksame Selbstanzeige nicht vor. Vielmehr ist dann lediglich die Ankündigung einer Selbstanzeige gegeben.
37
Strafbefreiung tritt auch dann nicht ein, wenn erkennbar unzureichende Angaben als Berichtigung von den für die Entscheidung über die Strafbefreiung zuständigen Stellen hingenommen werden, ohne dass rechtlich gebotene Nachforschungen zur Ermittlung des wahren Sachverhalts angestellt werden.

38
6. Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass die Staatsanwaltschaft in den Fällen, bei denen eine Evokation (vgl. § 386 Abs. 4 Satz 2 AO) nicht fern liegt, frühzeitig in die Ermittlungen der Finanzbehörden einzubeziehen ist, damit sie ihr Recht und ihre Pflicht zur Prüfung einer Evokation auch in jedem Einzelfall und in jedem Stadium des Verfahrens sachgerecht ausüben kann (BGHSt 54, 9). Diese Pflicht zur Beteiligung der Staatsanwaltschaft gilt bei solchen Fallgestaltungen auch und gerade dann, wenn zu entscheiden ist, ob eine wirksame Selbstanzeige i.S.v. § 371 AO gegeben ist.
Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

(1) Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft. Die Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen.

(2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn

1.
bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung
a)
dem an der Tat Beteiligten, seinem Vertreter, dem Begünstigten im Sinne des § 370 Absatz 1 oder dessen Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung, oder
b)
dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder
c)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung, oder
d)
ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder
e)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zu einer Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b des Umsatzsteuergesetzes, einer Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g des Einkommensteuergesetzes oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist und sich ausgewiesen hat oder
2.
eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste,
3.
die nach § 370 Absatz 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 25 000 Euro je Tat übersteigt, oder
4.
ein in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 bis 6 genannter besonders schwerer Fall vorliegt.
Der Ausschluss der Straffreiheit nach Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c hindert nicht die Abgabe einer Berichtigung nach Absatz 1 für die nicht unter Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c fallenden Steuerstraftaten einer Steuerart.

(2a) Soweit die Steuerhinterziehung durch Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen und richtigen Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung begangen worden ist, tritt Straffreiheit abweichend von den Absätzen 1 und 2 Satz 1 Nummer 3 bei Selbstanzeigen in dem Umfang ein, in dem der Täter gegenüber der zuständigen Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt. Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 gilt nicht, wenn die Entdeckung der Tat darauf beruht, dass eine Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung nachgeholt oder berichtigt wurde. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Steueranmeldungen, die sich auf das Kalenderjahr beziehen. Für die Vollständigkeit der Selbstanzeige hinsichtlich einer auf das Kalenderjahr bezogenen Steueranmeldung ist die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der Voranmeldungen, die dem Kalenderjahr nachfolgende Zeiträume betreffen, nicht erforderlich.

(3) Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für den an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern, die Hinterziehungszinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Absatz 4 angerechnet werden, sowie die Verzugszinsen nach Artikel 114 des Zollkodex der Union innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. In den Fällen des Absatzes 2a Satz 1 gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die fristgerechte Entrichtung von Zinsen nach § 233a oder § 235 unerheblich ist.

(4) Wird die in § 153 vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsmäßig erstattet, so wird ein Dritter, der die in § 153 bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat, strafrechtlich nicht verfolgt, es sei denn, dass ihm oder seinem Vertreter vorher die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Hat der Dritte zum eigenen Vorteil gehandelt, so gilt Absatz 3 entsprechend.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.

(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.

(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.