Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 08. Aug. 2016 - 20 U 80/16

ECLI:ECLI:DE:OLGHAM:2016:0808.20U80.16.00
bei uns veröffentlicht am08.08.2016

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.

Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 513 Berufungsgründe


(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. (2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 546 Begriff der Rechtsverletzung


Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Insolvenzordnung - InsO | § 108 Fortbestehen bestimmter Schuldverhältnisse


(1) Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume sowie Dienstverhältnisse des Schuldners bestehen mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Dies gilt auch für Miet- und Pachtverhältnisse, die der Schuldner als Ve

Insolvenzordnung - InsO | § 105 Teilbare Leistungen


Sind die geschuldeten Leistungen teilbar und hat der andere Teil die ihm obliegende Leistung zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits teilweise erbracht, so ist er mit dem der Teilleistung entsprechenden Betrag seines Anspruchs auf die

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Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 08. Aug. 2016 - 20 U 80/16 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Urteil, 07. Apr. 2016 - IX ZR 145/15

bei uns veröffentlicht am 07.04.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 145/15 Verkündet am: 7. April 2016 Kluckow Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO § 38 Ansprüche

Oberlandesgericht Hamm Urteil, 15. Juli 2015 - 20 U 234/14

bei uns veröffentlicht am 15.07.2015

Tenor Die Berufung des Beklagten gegen das am 23.10.2014 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. 1I. 2Die Klägerin nimmt

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Feb. 2014 - IV ZR 163/13

bei uns veröffentlicht am 19.02.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR163/13 Verkündet am: 19. Februar 2014 Schick Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja VVG §§ 192 ff.; InsO § 103; BGB

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR163/13 Verkündet am:
19. Februar 2014
Schick
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
1. Ein privater Krankheitskostenversicherungsvertrag wird nicht vom Insolvenzbeschlag
erfasst und unterliegt daher nicht dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters
2. Zum Nachweis des Zugangs eines im Sendeprotokoll mit "OK-Vermerk" versehenen
Telefaxes.
BGH, Urteil vom 19. Februar 2014 - IV ZR 163/13 - OLG Jena
LG Erfurt
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, Lehmann und die Richterin
Dr. Brockmöller auf die mündliche Verhandlung vom19. Februar 2014

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena - 4. Zivilsenat - vom 9. April 2013 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger, ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, nimmt den Beklagten, über dessen Vermögen am 10. Juni 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, auf Zahlung rückständiger Prämien für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis 30. Juni 2010 aus einem Vertrag über Kranken- und Pflegeversicherung in Anspruch. Versicherungsnehmer dieses Vertrages war der Beklagte; seine (getrennt lebende) Ehefrau und seine beiden Kinder waren zunächst Mitversicherte, später Alleinversicherte des Vertrages.
2
Der Beklagte behauptet, dass er den Vertrag hinsichtlich seiner Frau und seiner Kinder per Telefax am 15. Juli 2008 zum Jahresende gekündigt habe. Am 17. November 2008 habe auch seine Ehefrau nochmals eine Kündigung per Telefax ausgesprochen. Seine Familienmitglieder seien seit dem 1. Januar 2009 anderweitig versichert.
3
Der Kläger bestreitet unter Vorlage von Faxeingangsjournalen den Erhalt dieser Faxe und akzeptierte erst eine unter dem 15. Juni 2010 ausgesprochene Kündigung mit Wirkung zum 30. Juni 2010. Streitig ist außerdem, ob dem Beklagten Mitteilungen über Prämienerhöhungen mit Wirkung zum Jahresanfang 2009 und 2010 zugegangen sind.
4
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang entsprochen.
5
Mit seiner Berufung hat der Beklagte zusätzlich eingewandt, dass die geltend gemachten Ansprüche sämtlich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden und deshalb nicht mehr durchsetzbar seien, da der Treuhänder, der dem Rechtsstreit als Streithelfer des Beklagten beigetreten ist, mit Schreiben vom 7. Januar 2010 unstreitig die Erfüllung der Verträge gemäß § 103 Abs. 2 InsO abgelehnt habe.
6
Außerdem hat der Beklagte in zweiter Instanz hilfsweise die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 3.747 € (Beiträge für das Jahr 2010) erklärt, weil der Kläger es trotz Kenntnis von der Insolvenz und Kontaktaufnahme mit dem Treuhänder bis zum 11. Mai 2010 unterlassen habe, mit ihm zur Klärung der Beitragszahlung Kontakt aufzunehmen; für den Fall der Unzulässigkeit der Aufrechnung hat er Hilfswiderklage erhoben.
7
Die Berufung des Beklagten hat lediglich insoweit Erfolg gehabt, als das Berufungsgericht die Hauptforderung auf 6.608,76 € und die An- waltskosten auf 603,92 € gekürzt hat. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Revision des Beklagten.

Entscheidungsgründe:


8
Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
9
I. Dieses hat ausgeführt, dass der Beklagte den Zugang der Faxschreiben vom 15. Juli und 17. November 2008 nicht habe beweisen können und auch § 103 InsO der Durchsetzbarkeit der Forderungen nicht entgegenstehe. Zwar sei § 103 InsO grundsätzlich auf Versicherungsverträge anwendbar; da aber Ansprüche des Schuldners aus einer privaten Krankenversicherung gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO wegen Unpfändbarkeit nach § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht in die Insolvenzmasse fielen, fehle es für diesen Vertrag an den Voraussetzungen des § 103 InsO.
10
Die vom Insolvenzverwalter erklärte Erfüllungsablehnung enthalte keine wirksame Kündigung des Vertrages, da diese jedenfalls vom Beklagten hätte abgegeben werden müssen. Der Kläger handele auch nicht treuwidrig, wenn er eine Kündigung durch den Insolvenzverwalter nicht gelten lassen wolle, obwohl er in einem Schreiben an ihn vom 10. August 2009 von einer Kündigungsmöglichkeit gesprochen habe. Zudem sei der Erklärung des Insolvenzverwalters keine Kündigung zu entnehmen und dem Kläger ein Anschlussversicherungsnachweis für die Versicherten auch erst am 16. Juni 2010 zugegangen.
11
Die Klage sei allerdings nur in Höhe der Prämien ohne die geltend gemachten Prämienerhöhungen ab 2009 begründet, weil der Kläger den Zugang entsprechender Erhöhungsmitteilungen nicht bewiesen habe.
12
Ein Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB in Verbindung mit dem Versicherungsvertrag, den er im Wege der Aufrechnung oder der Widerklage durchsetzen könnte, stehe dem Beklagten nicht zu.
13
II. Dies hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
14
1. Zutreffend ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, dass § 103 InsO der Durchsetzbarkeit der Klageforderung nicht entgegensteht. Zwar fallen auch Versicherungsverträge als Dauerschuldverhältnisse , die noch nicht vollständig erfüllt sind, im Grundsatz unter das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO(MünchKomm-InsO/ Huber, 3. Aufl. § 103 Rn. 118; Uhlenbruck/Wegener, InsO 13. Aufl. § 103 Rn. 44; Braun/Kroth, InsO 5. Aufl. § 103 Rn. 10), sofern sie vom Insolvenzbeschlag erfasst werden. Letzteres trifft aber aufgrund der Regelung in § 850b ZPO nicht auf private Krankenversicherungsverträge zu.
15
a) Die Vorschrift des § 850b ZPO findet auch im Insolvenzverfahren entsprechende Anwendung (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08, VersR 2010, 953 Rn. 5 ff., insbesondere Rn. 13). Somit werden die unter diese Bestimmung fallenden Ansprüche nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst.

16
b) Das gilt auch für private Krankheitskostenversicherungsverträge (ebenso OLG Frankfurt VersR 2013, 990; LG Köln VersR 2013, 1389; LG Dortmund r+s 2012, 248; MünchKomm-InsO/Huber aaO § 103 Rn. 87; Senger/Finke, ZInsO 2012, 997, 1000 f.; a.A. früher LG Köln NJW -RR 2004, 552). Zu den in § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO genannten Bezügen zählen nämlich auch die Leistungsansprüche aus einer privaten Krankheitskostenversicherung , die auf Erstattung von Kosten für ärztliche Behandlungsmaßnahmen im Krankheitsfall gerichtet sind (BGH, Beschluss vom 4. Juli 2007 - VII ZB 68/06, VersR 2007, 1435 Rn. 12).
17
Kann jedoch der Insolvenzverwalter oder der Treuhänder (§ 313 InsO) die Forderungen des Schuldners aus dem Vertrag nicht zur Masse ziehen, so ist auch kein Raum für die Anwendung von § 103 InsO (OLG Frankfurt aaO S. 992; LG Köln aaO; LG Dortmund aaO; Senger/Finke aaO). Der Sinn des Erfüllungswahlrechts nach § 103 InsO besteht darin, dass der Insolvenzverwalter durch die Erfüllungswahl ggf. Vermögenswerte zur Masse ziehen oder anderenfalls die Belastung der Masse mit den Gegenforderungen vermeiden kann. Die Vorschrift setzt deshalb einen Massebezug voraus. Insolvenzfreie Schuldverhältnisse werden von ihr generell nicht erfasst (MünchKomm-InsO/Huber aaO).
18
c) Auf die Erklärungen des Streithelfers zu einer Erfüllungswahl kommt es daher nicht an; sie sind insoweit gegenstandslos.
19
Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur bedingten Pfändbarkeit von Leistungen aus Berufsunfähigkeitsversicherungen gemäß § 850b Abs. 2 ZPO und der insoweit gegebenen Anwendbarkeit von § 103 InsO (BGH, Urteil vom 3. De- zember 2009 - IX ZR 189/08, VersR 2010, 953). Abgesehen davon, dass bei nur bedingt pfändbaren Ansprüchen eine Übertragung der Versicherung selbst auf den Verwalter nicht in Frage kommt, das Stammrecht vielmehr dem Schuldner erhalten bleiben muss (BGH aaO Rn. 15), entspricht es - anders als bei einer Berufsunfähigkeitsrente - nicht der Billigkeit i.S. von § 850b Abs. 2 ZPO, dass Gläubiger des Schuldners auf zukünftige Erstattungsleistungen des Krankheitskostenversicherers zugreifen dürfen, die ausschließlich der Abdeckung neu entstandener tatsächlicher krankheitsbedingter Aufwendungen dienen.
20
d) Weiter ist eine abweichende Beurteilung für den Streitfall nicht deshalb geboten, weil es vorliegend um eine Versicherung zugunsten der Ehefrau des Beklagten und seiner Kinder geht, die bei Insolvenzeröffnung bereits anderweitig krankenversichert waren, weshalb nach Auffassung der Revision jedes Bedürfnis für eine Pfändungsbeschränkung nach § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO entfalle, so dass zumindest aus diesem Grunde der Versicherungsvertrag vom Insolvenzbeschlag erfasst werde.
21
Allein die Existenz eines weiteren Krankenversicherungsvertrages zugunsten des Versicherten kann es nicht rechtfertigen, dass der Insolvenzverwalter des Versicherungsnehmers abweichend von obigen Erwägungen den Vertrag mit Wirkung für die Masse fortführen kann. Denn der Versicherte (gleichgültig, ob es sich um den Versicherungsnehmer oder einen mitversicherten Dritten handelt) hätte keinen ausreichenden Schutz, wenn der Verwalter nach § 103 InsO Erfüllung wählen und dann die Erstattungsleistungen zur Masse ziehen könnte: Da die Versicherer im Falle der Mehrfachversicherung nach dem auch in der Krankenversicherung gemäß § 194 Abs. 1 Satz 1 VVG anwendbaren § 78 Abs. 1 VVG als Gesamtschuldner haften, kann der Versicherungsnehmer oder der Versicherte die Leistung nur einmal verlangen und hätte somit auch gegen den anderen Versicherer keinen Anspruch mehr, wenn der Insolvenzverwalter den Erstattungsbetrag beim ersten Versicherer liquidiert hat.
22
2. Aus der fehlenden Massezugehörigkeit des Vertrages und der aus ihm folgenden Rechte und Pflichten ergibt sich zugleich, dass dem Streithelfer des Beklagten die Befugnis zur Kündigung des Vertrages fehlte, so dass es auf eine Auslegung seiner Erklärung im Schreiben vom 7. Januar 2010 unter diesem Gesichtspunkt nicht ankommt.
23
3. Dagegen hat das Berufungsgericht eine Beendigung des Vertrages durch die mit den Telefaxschreiben vom 15. Juli und 17. November 2008 erklärten Kündigungen mit unzureichender Begründung verneint.
24
a) Jedenfalls die Kündigung vom 15. Juli 2008 war geeignet, die Vertragsbeendigung zum Jahresende herbeizuführen. Ein fehlender Anschlussversicherungsnachweis steht einer Kündigung zum 31. Dezember 2008 schon deshalb nicht entgegen, weil die Absätze 3 bis 7 des § 193 VVG sowie § 205 Abs. 6 VVG erst mit Wirkung zum 1. Januar 2009 in das Gesetz eingefügt worden sind, eine Versicherungspflicht mithin erst ab diesem Zeitpunkt bestand; die zuvor bestehende Versicherung bis zum 31. Dezember 2008 hatte deshalb nicht den Charakter einer Pflichtversicherung. Zudem bedurfte die Kündigung für die mitversicherte volljährige Ehefrau nicht des Nachweises einer Anschlussversicherung (vgl. Senatsurteil vom 18. Dezember 2013 - IV ZR 140/13, r+s 2014, 83).
25
b) Für das Revisionsverfahren ist ferner davon auszugehen, dass auch die von der Ehefrau des Beklagten erklärte Kündigung vom 17. No- vember 2008 eine Vertragsbeendigung herbeiführen konnte. Insoweit bedürfte es, wenn es mangels wirksamer Kündigung am 15. Juli 2008 auf diese Erklärung ankommen sollte, weiterer Feststellungen, ob die Kündigung den Umständen nach im Namen des Beklagten als Versicherungsnehmer und mit einer entsprechenden Vollmachterklärt wurde.
26
c) Den Zugang der beiden Telefaxe vom 15. Juli und 17. November 2008 hätte das Berufungsgericht ohne weitere Sachaufklärung nicht verneinen dürfen.
27
aa) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Beklagte den Zugang der Kündigungserklärungen beweisen muss. Ferner deckt sich seine Auffassung, dass der "OKVermerk" eines Sendeberichts lediglich ein Indiz für den Zugang eines Telefaxes darstellt und insoweit keinen Anscheinsbeweis erbringt, mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (zuletzt BGH, Beschlüsse vom 8. Oktober 2013 - VIII ZB 13/13 juris Rn. 12; vom 14. Mai 2013 - III ZR 289/12, NJW 2013, 2514 Rn. 11; vom 21. Juli 2011 - IX ZR 148/10, juris Rn. 3; ferner Urteil vom 7. Dezember 1994 - VIII ZR 153/93, NJW 1995, 665 unter II 3) und anderer oberster Bundesgerichte (BAG, BAGE 102, 171; vgl. auch BSG, Beschluss vom 20. Oktober 2009 - B 5 R 84/09 B, juris Rn. 12).
28
bb) Allerdings wird diese Rechtsprechung - wie die Revision insoweit zutreffend geltend macht - im Hinblick auf technische Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der Telekommunikation zum Teil in Frage gestellt (OLG Frankfurt, Urteil vom 5. März 2010 - 19 U 213/09, juris Rn. 17; OLG Karlsruhe VersR 2009, 245; OLG Celle VersR 2008, 1477, 1478; OLG München MDR 1999, 286 Rn. 12; Singer/Benedict in Staudinger, BGB [2012] § 130 Rn. 109; Gregor, NJW 2005, 2885, 2885 f.; Riesenkampff , NJW 2004, 3296, 3298 f.).
29
cc) Ob und inwieweit diese Kritik berechtigt ist, kann im Streitfall offen bleiben. Das Berufungsgericht hat unabhängig hiervon den Sachverhalt nicht umfassend gewürdigt und sich über Beweisantritte des Beklagten hinweggesetzt, die bereits auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine weitere Aufklärung geboten.
30
(1) Das Berufungsgericht hat zunächst nicht genügend bedacht, dass der "OK-Vermerk" auf dem Sendebericht auch nach der dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs immerhin das Zustandekommen einer Verbindung mit der in der Faxbestätigung genannten Nummer belegt. In Anbetracht dieses Umstands kann sich der Empfänger nicht auf ein bloßes Bestreiten des Zugangs beschränken; er muss sich im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast vielmehr näher dazu äußern, welches Gerät er an der fraglichen Gegenstelle betreibt, ob die Verbindung im Speicher enthalten ist, ob und in welcher Weise er ein Empfangsjournal führt und dieses gegebenenfalls vorlegen usw. (ebenso OLG Frankfurt, Urteil vom 5. März 2010 - 19 U 213/09, juris Rn. 17). Die Beweiskraft des im "OK-Vermerk" liegenden Indizes ist sodann unter Berücksichtigung dieses Vorbringens zu würdigen.
31
Im Streitfall ist diese Würdigung durch das Berufungsgericht unzureichend erfolgt. Zwar hat der Kläger Eingangsjournale vorgelegt; diese lassen aber nicht erkennen, auf welchen Telefaxanschluss sie sich beziehen und zum Teil enthalten die darin aufgelisteten eingegangenen Faxe auch keine Absendernummern. Dabei gibt es zumindest in einem Punkt eine auffallende Übereinstimmung mit dem Vortrag des Beklagten: Das vorgelegte Empfangsjournal des Klägers vom 17. November 2008 führt unter anderem um 10:36 Uhr ein einseitiges Fax mit einer Sendedauer von 16 Sekunden ohne Absendernummer auf, und der Beklagte hat unter diesem Datum einen Sendebericht mit der Uhrzeit 10:34 Uhr und einer Sendedauer von 17 Sekunden vorgelegt. Dies könnte unter Berücksichtigung nicht exakt gleich eingestellter Uhrzeiten an Sendeund Empfangsgerät durchaus miteinander korrespondieren. Auch das hätte das Berufungsgericht würdigen müssen. Möglicherweise wäre dann eine Auflage zur Ergänzung des Vorbringens (z.B. eine Vorlage des um 10:36 Uhr eingegangenen Faxes in anonymisierter Form) in Betracht gekommen.
32
Das Berufungsgericht hat demgegenüber eine Berücksichtigung der Umstände, dass die vorgelegten Empfangsjournale keine Anschlussnummer erkennen lassen und teilweise keine Absendernummern wiedergeben , unter Hinweis auf § 531 Abs. 2 ZPO abgelehnt, weil der Beklagte diese Einwände erst in zweiter Instanz erhoben habe. Das ist rechtsfehlerhaft ; es handelt sich hierbei nicht um neues tatsächliches Vorbringen der Partei, sondern um jederzeit mögliche Beweiseinreden, nämlich die bloße Würdigung des Beweiswerts gegnerischen Vorbringens. Den Beweiswert von Indizien muss das Gericht aber selbständig und umfassend würdigen und dabei die Umstände, die sich aus den vorgelegten Urkunden selbst ergeben, auch ohne entsprechende Einreden von Parteien berücksichtigen. Davon abgesehen handelt es sich hier um unstreitige Umstände , die stets zu berücksichtigen sind.
33
(2) In jedem Fall war das Berufungsgericht gehalten, den Beweisantritten des Beklagten und seines Streithelfers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens dazu, dass die mit dem "OK-Vermerk" versehenen Faxe auch beim Kläger eingegangen sind, nachzugehen.
34
Mit diesem Beweisantrag hat sich das Berufungsgericht in der angefochtenen Entscheidung nicht näher befasst.
35
Gründe, diesen Antrag zurückzuweisen, sind nicht ersichtlich. Da die Wahrscheinlichkeit, dass ein Schriftstück trotz eines mit einem "OKVermerk" versehenen Sendeprotokolls den Empfänger nicht erreicht, jedenfalls so gering ist, dass sich ein Rechtsanwalt bei Gestaltung seiner Büroorganisation in Fristensachen auf den "OK-Vermerk" verlassen darf (BGH, Beschlüsse vom 11. Dezember 2013 - XII ZB 229/13, juris Rn. 6; vom 28. März 2001 - XII ZB 100/00, VersR 2002, 1045 unter 2), handelt es sich nicht um eine unzulässigerweise ohne tatsächliche Anhaltspunkte "ins Blaue hinein" aufgestellte Behauptung (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - III ZR 289/12, NJW 2013, 2514 Rn. 12). Dies gilt insbesondere deshalb, weil gleich zwei mit "OK-Vermerk" versehene Faxe an unterschiedliche Nummern des Klägers nicht angekommen sein sollen.
36
Zudem ist das Beweismittel nicht von vornherein ungeeignet. Aus den oben genannten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Celle (VersR 2008, 1477) und Karlsruhe (VersR 2009, 245) ist vielmehr ersichtlich , dass zumindest im Einzelfall gesicherte Feststellungen darüber, welche Daten im Speicher des Empfangsgerätes eingegangen sind, getroffen werden können (vgl. auch BSG, Beschluss vom 20. Oktober 2009 - B 5 R 84/09 B, juris Rn. 12).
37
Im Rahmen der Beweisaufnahme wird das Berufungsgericht - gegebenenfalls nach ergänzendem Parteivortrag - auch Gelegenheit ha- ben, den in der Revision aufgeworfenen Fragen zur technischen Bedeutung des "OK-Vermerks" nachzugehen.
38
d) Die Sache ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen , damit dieses zunächst die notwendigen Feststellungen zur Übermittlung der Kündigungserklärungen vom 15. Juli und erforderlichenfalls auch 17. November 2008 nachholen kann.
39
4. Auf den vom Beklagten lediglich hilfsweise geltend gemachten Schadensersatzanspruch kommt es wegen der ausstehenden Sachverhaltsaufklärung zu seinem Hauptvorbringen derzeit nicht an. Allerdings sind Rechtsfehler des Berufungsurteils insoweit auch nicht erkennbar.
Mayen Wendt Felsch
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Erfurt, Entscheidung vom 20.09.2011 - 8 O 288/11 -
OLG Jena, Entscheidung vom 09.04.2013 - 4 U 880/11 -

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 23.10.2014 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


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Sind die geschuldeten Leistungen teilbar und hat der andere Teil die ihm obliegende Leistung zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits teilweise erbracht, so ist er mit dem der Teilleistung entsprechenden Betrag seines Anspruchs auf die Gegenleistung Insolvenzgläubiger, auch wenn der Insolvenzverwalter wegen der noch ausstehenden Leistung Erfüllung verlangt. Der andere Teil ist nicht berechtigt, wegen der Nichterfüllung seines Anspruchs auf die Gegenleistung die Rückgabe einer vor der Eröffnung des Verfahrens in das Vermögen des Schuldners übergegangenen Teilleistung aus der Insolvenzmasse zu verlangen.

(1) Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume sowie Dienstverhältnisse des Schuldners bestehen mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Dies gilt auch für Miet- und Pachtverhältnisse, die der Schuldner als Vermieter oder Verpächter eingegangen war und die sonstige Gegenstände betreffen, die einem Dritten, der ihre Anschaffung oder Herstellung finanziert hat, zur Sicherheit übertragen wurden.

(2) Ein vom Schuldner als Darlehensgeber eingegangenes Darlehensverhältnis besteht mit Wirkung für die Masse fort, soweit dem Darlehensnehmer der geschuldete Gegenstand zur Verfügung gestellt wurde.

(3) Ansprüche für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der andere Teil nur als Insolvenzgläubiger geltend machen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 145/15
Verkündet am:
7. April 2016
Kluckow
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ansprüche des Versicherers auf Prämien für einen privaten Krankenversicherungsvertrag
aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung sind Insolvenzforderungen.
Zahlt der Schuldner eine Versicherungsprämie für seinen privaten Krankenversicherungsvertrag
in bar aus einem nach § 811 Abs. 1 Nr. 8 ZPO unpfändbaren Geldbetrag
, fehlt es an einer Gläubigerbenachteiligung.
BGH, Urteil vom 7. April 2016 - IX ZR 145/15 - LG Köln
AG Köln
ECLI:DE:BGH:2016:070416UIXZR145.15.0

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. April 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Grupp, die Richterin Möhring und den Richter Dr. Schoppmeyer

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 1. Juli 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist Treuhänder im Insolvenzverfahren über das Vermögen des T. (fortan: Schuldner). Der Schuldner hatte bei der Beklagten einen privaten Krankenversicherungsvertrag abgeschlossen. Das Amtsgericht Euskirchen erließ am 28. Juli 2010 auf Antrag der Beklagten einen Vollstreckungsbescheid gegen den Schuldner wegen rückständiger Versicherungsprämien. Die Beklagte führte die Zwangsvollstreckung durch; am 20. Januar 2011 zahlte der Schuldner im Rahmen der Zwangsvollstreckung an den Gerichtsvollzieher 300 € in bar.

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Aufgrund eines bereits am 2. September 2010 gestellten Insolvenzantrags eröffnete das Insolvenzgericht am 2. Mai 2011 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Der Kläger verlangt von der Beklagten die gezahlten 300 € im Wege der Insolvenzanfechtung zurück.
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Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


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Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I.


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Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das private Krankenversicherungsverhältnis sei als insolvenzfreies Schuldverhältnis zu qualifizieren. Daher seien die Regeln der Insolvenzanfechtung nicht anwendbar. Die Prämienforderungen des Versicherers unterfielen nicht dem Insolvenzbeschlag. Die Unpfändbarkeit der Forderungen aus dem Krankenversicherungsvertrag gemäß § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO gelte auch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Zudem sei § 850e Nr. 1 Satz 2 lit. b ZPO anzuwenden. Es sei kein Grund ersichtlich, warum die Prämienforderungen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gezogen werden können sollten, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehenden Prämienforderungen jedoch als insolvenzfreies Schuldver- hältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens stehen sollten. Für eine Behandlung des privaten Krankenversicherungsvertrags als insolvenzfreiem Schuldverhältnis spreche auch § 193 Abs. 3 VVG.

II.


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Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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1. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, vom Schuldner im Rahmen eines privaten Krankenversicherungsvertrags gezahlte Versicherungsbeiträge unterlägen nicht der Insolvenzanfechtung. Die Zahlung von Versicherungsprämien an einen privaten Krankenversicherer ist vielmehr eine anfechtbare Rechtshandlung.
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a) Anfechtbar nach § 131 InsO ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine inkongruente Sicherung oder Befriedigung gewährt hat.
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aa) Insolvenzgläubiger ist jeder persönliche Gläubiger, der einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hat. Es kommt mithin darauf an, ob der Gläubiger in der Insolvenz eine Forderung im Sinne des § 38 InsO oder einen nachrangigen Anspruch (§ 39 InsO) gehabt hätte (BGH, Urteil vom 19. Januar 2012 - IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 Rn. 15 mwN). Ansprüche eines Versicherers auf Versicherungsprämien aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung stellen nur eine Insolvenzforderung dar (MünchKomm-InsO/Ehricke, 3. Aufl., § 38 Rn. 105; Jaeger/ Henckel, InsO, § 38 Rn. 160). Dies gilt ebenfalls für Ansprüche auf Versicherungsprämien für eine private Krankenversicherung (OLG Hamm, NZI 2012, 922; Koch, KTS 2013, 80, 82; Busch, VuR 2015, 272, 273; aA OLG Schleswig, ZInsO 2015, 802). Auch solche Forderungen eines Versicherers begründen lediglich einen einfachen Vermögensanspruch gegen den Schuldner.
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bb) Ausnahmebestimmungen für Ansprüche eines Krankenversicherers auf rückständige Versicherungsprämien bestehen nicht. Es kommt weder auf § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO noch auf § 850e Nr. 1 Satz 2 lit. b ZPO an. Denn diese Vorschriften betreffen die Pfändbarkeit von Ansprüchen des Schuldners. Darum geht es jedoch nicht. Für eine Anfechtung nach §§ 130, 131 InsO kommt es vielmehr ausschließlich auf die Art des Anspruchs des Gläubigers an, der gesichert oder befriedigt werden soll. Insofern genügt es, wenn es sich - wie im Streitfall - um eine Insolvenzforderung gemäß §§ 38, 39 InsO handelt. Dass bestimmte Ansprüche des Schuldners gemäß § 36 InsO nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegen, führt nicht dazu, dass Gläubiger, deren Forderungen der Schuldner mit Mitteln aus seinen nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegenden Ansprüchen befriedigen könnte, keine Insolvenzgläubiger wären.
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b) Anders als das Berufungsgericht meint, folgt aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19. Februar 2014 (IV ZR 163/13, VersR 2014, 452) nichts dafür, inwieweit vor Insolvenzeröffnung gezahlte Versicherungsbeiträge anfechtbar sind. Diese Entscheidung bestimmt lediglich, dass ein zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bestehender Krankenversicherungsvertrag nicht von § 103 InsO erfasst wird, der Insolvenzverwalter also kein Wahlrecht nach § 103 Abs. 1 InsO hat. Dies ist unabhängig davon, ob es sich bei Ansprüchen auf Zahlung der Versicherungsprämie um Insolvenzforderungen handelt und ob gezahlte Versicherungsprämien deshalb der Insolvenzanfechtung unterliegen.
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c) Auch die bestehende Versicherungspflicht steht einer Anfechtung nicht entgegen. Zwar bestimmt § 193 Abs. 3 VVG, dass jede Person mit Wohnsitz im Inland grundsätzlich verpflichtet ist, bei einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen für sich selbst eine - bestimmten Anforderungen entsprechende - Krankheitskostenversicherung abzuschließen und aufrechtzuerhalten. Werden bereits gezahlte Versicherungsprämien erfolgreich angefochten, erlischt jedoch weder der Krankenversicherungsvertrag noch gibt dies dem Versicherer eine Möglichkeit, den Krankenversicherungsvertrag zu beenden. Selbst wenn eine solche Insolvenzanfechtung dazu führen sollte, dass hinsichtlich der vom Versicherer gemäß § 143 Abs. 1 InsO zurückzugewährenden Prämien ein Prämienrückstand im Sinne des § 193 Abs. 6 VVG anzunehmen wäre, führt dies nicht dazu, dass keine Krankheitskostenversicherung mehr besteht.
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Insbesondere gelten §§ 37, 38 VVG nicht bei einem Prämienrückstand in einer Krankenversicherung (Prölss/Martin/Voit, VVG, 29. Aufl., § 193 Rn. 40). Vielmehr hat der Gesetzgeber in § 193 Abs. 6 bis 10 VVG (für die Zeit bis 31. Juli 2013: § 193 Abs. 6 VVG aF) geregelt, welche Folgen ein Rückstand des Versicherungsnehmers mit Versicherungsprämien hat. Dass der Vertrag danach unter Umständen ruht (§ 193 Abs. 6 Satz 4 VVG) beziehungsweise der Versicherer das Ruhen der Leistungen feststellen konnte (§ 193 Abs. 6 Satz 2 VVG aF), und deshalb nur noch eingeschränkte Leistungspflichten des Versicherers bestehen (vgl. § 193 Abs. 7 VVG beziehungsweise § 193 Abs. 6 Satz 6 VVG aF; zum Übergangsrecht Art. 7 EGVVG), ist das Ergebnis der gesetzgeberischen Interessenabwägung zum Schutz des säumigen Versicherungsnehmers (vgl. BT-Drucks. 17/13079 S. 6). Diese Regelung gibt jedoch keinen Grund, Zahlungen auf Versicherungsprämien von den allgemein geltenden Regeln der Insolvenzanfechtung auszunehmen. Entgegen der Revisionserwiderung stellt § 193 VVG Ansprüche des Versicherers auf rückständige Versicherungsprämien nicht insolvenzfrei. Insbesondere verschafft die Norm einem Versicherer, dessen Ansprüche auf (rückständige) Versicherungsprämien lediglich einfache Insolvenzforderungen darstellen, in der Insolvenz des Versicherungsnehmers keine Stellung eines bevorzugten Gläubigers.
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Hierfür besteht auch kein Bedarf. Vielmehr kann ein Versicherungsnehmer die Versicherungsprämien entweder im Rahmen eines Bargeschäfts (§ 142 InsO) zahlen oder aber aus pfändungsfreiem und damit nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegendem Vermögen, insbesondere von einem Pfändungsschutzkonto (§ 850k ZPO). Damit ist er in der Lage, anfechtungsfest seinen bestehenden Krankenversicherungsschutz zu wahren. Ein darüber hinausgehender Schutz des Versicherers widerspricht dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung der Revisionsbeklagten liegt darin keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung gegenüber Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung.
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2. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 1 ZPO). Ob die Anfechtungsklage begründet ist, kann auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entschieden werden.
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Zwar sind die Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfüllt. Die Zahlung erfolgte nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Sie war inkongruent, weil die Beklagte sie innerhalb des Dreimonatszeitraums im Wege der - unmittelbar bevorstehenden - Zwangsvollstreckung erlangte (BGH, Urteil vom 11. April 2002 - IX ZR 211/01, WM 2002, 1193, 1194 unter II. 2. c.; vom 22. Januar 2004 - IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350, 353 mwN).
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Jedoch steht nicht fest, ob die Zahlung die Gläubiger gemäß § 129 Abs. 1 InsO benachteiligt hat. Daran fehlt es, wenn die Zahlung aus insolvenzfreiem Vermögen des Schuldners erfolgte. Befriedigt der Schuldner einen Gläubiger durch eine Verfügung über unpfändbare Gegenstände, ist diese Verfügung mangels Gläubigerbenachteiligung nicht anfechtbar, weil diese Gegenstände von vornherein nicht zur Insolvenzmasse im Sinne der §§ 35, 36 InsO gehören (MünchKomm-InsO/Kayser, 3. Aufl., § 129 Rn. 84 mwN; Schmidt/ K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 129 Rn. 52). Deshalb kann es an einer Gläubigerbenachteiligung fehlen, wenn der Schuldner die Versicherungsprämie für seinen privaten Krankenversicherungsvertrag aus unpfändbarem Vermögen zahlt. Im Streitfall hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Schuldner im Rahmen der Zwangsvollstreckung 300 € in bar an den Gerichtsvollzieher zahlte. Insoweit kommt eine Unpfändbarkeit nach § 811 Abs. 1 Nr. 8 ZPO in Betracht. Nachdem es bisher auf diesen Gesichtspunkt nicht ankam, ist den Parteien hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme und zu ergänzendem Sachvortrag zu gewähren.
Kayser Gehrlein Grupp
Möhring Schoppmeyer
Vorinstanzen:
AG Köln, Entscheidung vom 10.12.2014 - 118 C 412/14 -
LG Köln, Entscheidung vom 01.07.2015 - 23 S 26/14 -