Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 08. Aug. 2016 - 20 U 80/16
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.
1
G r ü n d e
2I.
3Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Prämien aus dessen mit ihr geschlossener privater Krankenkostenversicherung aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung in Anspruch.
4Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, dass es sich bei den streitgegenständlichen Forderungen um Insolvenzforderungen handele, für die allein die Insolvenzverwalterin passiv prozessführungsbefugt sein.
5Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung und verfolgt ihren erstinstanzlichen Antrag weiter. Zur Begründung bezieht sich die Klägerin auf eine Entscheidung des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs und auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig.
6II.
7Die Berufung der Klägerin hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und es erfordern auch nicht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung. Eine mündliche Verhandlung ist schließlich auch sonst nicht geboten.
81. Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffenden Gründen abgewiesen. Das Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere, der Klägerin günstigere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.
9Die von der Klägerin angeführte Entscheidung des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs betrifft nicht den vorliegenden Fall von vor der Insolvenzeröffnung entstanden Prämienansprüchen (vgl. BGH, Urt. v. 19.02.2014, IV ZR 163/13, juris, Rn. 14-21, VersR 2014, 452).
10Sie ist auch entgegen dem Oberlandesgericht Schleswig (vgl. OLG Schleswig, Beschl. v. 30.12.2014, 16 W 168/14, juris, Rn. 4 f., VuR 2015, 272) entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Senat, Beschl. v. 12.09.2012, 20 W 9/12, juris, Rn. 12-14, NZI 2012, 922 mit zust. Anm. Koch, KTS 2013, 80, 82; siehe auch Senat, Urt. v. 15.07.2015, 20 U 234/14, juris, Rn. 18 f., RuS 2016, 136; OLG Frankfurt, Urt. v. 24.04.2013, 7 U 142/12, juris, Rn. 22, VersR 2013, 990) nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar (vgl. Busch, VuR 2015, 272, 273 f.; Harder, NJW-Spezial 2015, 469, 469 f.).
11Allein die Tatsache, dass es sich bei einem privaten Krankenkostenversicherungsvertrag um insolvenzfreies Vermögen handelt, rechtfertigt es nicht von dem in § 105 S. 1 InsO und vor allem in § 108 Abs. 3 InsO zum Ausdruck kommenden allgemeinen Grundsatz abzuweichen, dass der Gläubiger Ansprüche für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur als Insolvenzgläubiger geltend machen kann(vgl. zwischenzeitlich im Ergebnis BGH, Urt. v. 07.04.2016, IX ZR 145/15, juris, 9, NZI 2016, 584).
122. Eine grundsätzliche Bedeutung der vorliegenden Sache ergibt sich nicht im Hinblick auf die abweichende Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig. Denn abgesehen davon, dass es sich dabei um eine vereinzelt gebliebene, nicht nachvollziehbar begründete und in der Literatur durchweg abgelehnte Entscheidung handelt (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 08.02.2010, II ZR 156/09, juris, Rn. 3, NJW-RR 2010, 978; BGH, Beschl. v. 27.11.2013, VII ZR 371/12, juris, Rn. 9, NJW 2014, 456), ist die Rechtsfrage nachfolgend vom IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs durch das oben genannte Urteil vom 07.04.2016 abschließend geklärt (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 23.09.2015, IV ZR 484/14, Rn. 14, VersR 2016, 388).
13III.
14Auf die Gebührenermäßigung für den Fall der Berufungsrücknahme (KV Nr. 1222 GKG) wird hingewiesen.
15Hinweis: Die Berufung ist zurückgenommen worden.
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger, ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, nimmt den Beklagten, über dessen Vermögen am 10. Juni 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, auf Zahlung rückständiger Prämien für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis 30. Juni 2010 aus einem Vertrag über Kranken- und Pflegeversicherung in Anspruch. Versicherungsnehmer dieses Vertrages war der Beklagte; seine (getrennt lebende) Ehefrau und seine beiden Kinder waren zunächst Mitversicherte, später Alleinversicherte des Vertrages.
- 2
- Der Beklagte behauptet, dass er den Vertrag hinsichtlich seiner Frau und seiner Kinder per Telefax am 15. Juli 2008 zum Jahresende gekündigt habe. Am 17. November 2008 habe auch seine Ehefrau nochmals eine Kündigung per Telefax ausgesprochen. Seine Familienmitglieder seien seit dem 1. Januar 2009 anderweitig versichert.
- 3
- Der Kläger bestreitet unter Vorlage von Faxeingangsjournalen den Erhalt dieser Faxe und akzeptierte erst eine unter dem 15. Juni 2010 ausgesprochene Kündigung mit Wirkung zum 30. Juni 2010. Streitig ist außerdem, ob dem Beklagten Mitteilungen über Prämienerhöhungen mit Wirkung zum Jahresanfang 2009 und 2010 zugegangen sind.
- 4
- Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang entsprochen.
- 5
- Mit seiner Berufung hat der Beklagte zusätzlich eingewandt, dass die geltend gemachten Ansprüche sämtlich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden und deshalb nicht mehr durchsetzbar seien, da der Treuhänder, der dem Rechtsstreit als Streithelfer des Beklagten beigetreten ist, mit Schreiben vom 7. Januar 2010 unstreitig die Erfüllung der Verträge gemäß § 103 Abs. 2 InsO abgelehnt habe.
- 6
- Außerdem hat der Beklagte in zweiter Instanz hilfsweise die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 3.747 € (Beiträge für das Jahr 2010) erklärt, weil der Kläger es trotz Kenntnis von der Insolvenz und Kontaktaufnahme mit dem Treuhänder bis zum 11. Mai 2010 unterlassen habe, mit ihm zur Klärung der Beitragszahlung Kontakt aufzunehmen; für den Fall der Unzulässigkeit der Aufrechnung hat er Hilfswiderklage erhoben.
- 7
- Die Berufung des Beklagten hat lediglich insoweit Erfolg gehabt, als das Berufungsgericht die Hauptforderung auf 6.608,76 € und die An- waltskosten auf 603,92 € gekürzt hat. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Revision des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 9
- I. Dieses hat ausgeführt, dass der Beklagte den Zugang der Faxschreiben vom 15. Juli und 17. November 2008 nicht habe beweisen können und auch § 103 InsO der Durchsetzbarkeit der Forderungen nicht entgegenstehe. Zwar sei § 103 InsO grundsätzlich auf Versicherungsverträge anwendbar; da aber Ansprüche des Schuldners aus einer privaten Krankenversicherung gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO wegen Unpfändbarkeit nach § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht in die Insolvenzmasse fielen, fehle es für diesen Vertrag an den Voraussetzungen des § 103 InsO.
- 10
- Die vom Insolvenzverwalter erklärte Erfüllungsablehnung enthalte keine wirksame Kündigung des Vertrages, da diese jedenfalls vom Beklagten hätte abgegeben werden müssen. Der Kläger handele auch nicht treuwidrig, wenn er eine Kündigung durch den Insolvenzverwalter nicht gelten lassen wolle, obwohl er in einem Schreiben an ihn vom 10. August 2009 von einer Kündigungsmöglichkeit gesprochen habe. Zudem sei der Erklärung des Insolvenzverwalters keine Kündigung zu entnehmen und dem Kläger ein Anschlussversicherungsnachweis für die Versicherten auch erst am 16. Juni 2010 zugegangen.
- 11
- Die Klage sei allerdings nur in Höhe der Prämien ohne die geltend gemachten Prämienerhöhungen ab 2009 begründet, weil der Kläger den Zugang entsprechender Erhöhungsmitteilungen nicht bewiesen habe.
- 12
- Ein Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB in Verbindung mit dem Versicherungsvertrag, den er im Wege der Aufrechnung oder der Widerklage durchsetzen könnte, stehe dem Beklagten nicht zu.
- 13
- II. Dies hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
- 14
- 1. Zutreffend ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, dass § 103 InsO der Durchsetzbarkeit der Klageforderung nicht entgegensteht. Zwar fallen auch Versicherungsverträge als Dauerschuldverhältnisse , die noch nicht vollständig erfüllt sind, im Grundsatz unter das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO(MünchKomm-InsO/ Huber, 3. Aufl. § 103 Rn. 118; Uhlenbruck/Wegener, InsO 13. Aufl. § 103 Rn. 44; Braun/Kroth, InsO 5. Aufl. § 103 Rn. 10), sofern sie vom Insolvenzbeschlag erfasst werden. Letzteres trifft aber aufgrund der Regelung in § 850b ZPO nicht auf private Krankenversicherungsverträge zu.
- 15
- a) Die Vorschrift des § 850b ZPO findet auch im Insolvenzverfahren entsprechende Anwendung (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08, VersR 2010, 953 Rn. 5 ff., insbesondere Rn. 13). Somit werden die unter diese Bestimmung fallenden Ansprüche nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst.
- 16
- b) Das gilt auch für private Krankheitskostenversicherungsverträge (ebenso OLG Frankfurt VersR 2013, 990; LG Köln VersR 2013, 1389; LG Dortmund r+s 2012, 248; MünchKomm-InsO/Huber aaO § 103 Rn. 87; Senger/Finke, ZInsO 2012, 997, 1000 f.; a.A. früher LG Köln NJW -RR 2004, 552). Zu den in § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO genannten Bezügen zählen nämlich auch die Leistungsansprüche aus einer privaten Krankheitskostenversicherung , die auf Erstattung von Kosten für ärztliche Behandlungsmaßnahmen im Krankheitsfall gerichtet sind (BGH, Beschluss vom 4. Juli 2007 - VII ZB 68/06, VersR 2007, 1435 Rn. 12).
- 17
- Kann jedoch der Insolvenzverwalter oder der Treuhänder (§ 313 InsO) die Forderungen des Schuldners aus dem Vertrag nicht zur Masse ziehen, so ist auch kein Raum für die Anwendung von § 103 InsO (OLG Frankfurt aaO S. 992; LG Köln aaO; LG Dortmund aaO; Senger/Finke aaO). Der Sinn des Erfüllungswahlrechts nach § 103 InsO besteht darin, dass der Insolvenzverwalter durch die Erfüllungswahl ggf. Vermögenswerte zur Masse ziehen oder anderenfalls die Belastung der Masse mit den Gegenforderungen vermeiden kann. Die Vorschrift setzt deshalb einen Massebezug voraus. Insolvenzfreie Schuldverhältnisse werden von ihr generell nicht erfasst (MünchKomm-InsO/Huber aaO).
- 18
- c) Auf die Erklärungen des Streithelfers zu einer Erfüllungswahl kommt es daher nicht an; sie sind insoweit gegenstandslos.
- 19
- Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur bedingten Pfändbarkeit von Leistungen aus Berufsunfähigkeitsversicherungen gemäß § 850b Abs. 2 ZPO und der insoweit gegebenen Anwendbarkeit von § 103 InsO (BGH, Urteil vom 3. De- zember 2009 - IX ZR 189/08, VersR 2010, 953). Abgesehen davon, dass bei nur bedingt pfändbaren Ansprüchen eine Übertragung der Versicherung selbst auf den Verwalter nicht in Frage kommt, das Stammrecht vielmehr dem Schuldner erhalten bleiben muss (BGH aaO Rn. 15), entspricht es - anders als bei einer Berufsunfähigkeitsrente - nicht der Billigkeit i.S. von § 850b Abs. 2 ZPO, dass Gläubiger des Schuldners auf zukünftige Erstattungsleistungen des Krankheitskostenversicherers zugreifen dürfen, die ausschließlich der Abdeckung neu entstandener tatsächlicher krankheitsbedingter Aufwendungen dienen.
- 20
- d) Weiter ist eine abweichende Beurteilung für den Streitfall nicht deshalb geboten, weil es vorliegend um eine Versicherung zugunsten der Ehefrau des Beklagten und seiner Kinder geht, die bei Insolvenzeröffnung bereits anderweitig krankenversichert waren, weshalb nach Auffassung der Revision jedes Bedürfnis für eine Pfändungsbeschränkung nach § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO entfalle, so dass zumindest aus diesem Grunde der Versicherungsvertrag vom Insolvenzbeschlag erfasst werde.
- 21
- Allein die Existenz eines weiteren Krankenversicherungsvertrages zugunsten des Versicherten kann es nicht rechtfertigen, dass der Insolvenzverwalter des Versicherungsnehmers abweichend von obigen Erwägungen den Vertrag mit Wirkung für die Masse fortführen kann. Denn der Versicherte (gleichgültig, ob es sich um den Versicherungsnehmer oder einen mitversicherten Dritten handelt) hätte keinen ausreichenden Schutz, wenn der Verwalter nach § 103 InsO Erfüllung wählen und dann die Erstattungsleistungen zur Masse ziehen könnte: Da die Versicherer im Falle der Mehrfachversicherung nach dem auch in der Krankenversicherung gemäß § 194 Abs. 1 Satz 1 VVG anwendbaren § 78 Abs. 1 VVG als Gesamtschuldner haften, kann der Versicherungsnehmer oder der Versicherte die Leistung nur einmal verlangen und hätte somit auch gegen den anderen Versicherer keinen Anspruch mehr, wenn der Insolvenzverwalter den Erstattungsbetrag beim ersten Versicherer liquidiert hat.
- 22
- 2. Aus der fehlenden Massezugehörigkeit des Vertrages und der aus ihm folgenden Rechte und Pflichten ergibt sich zugleich, dass dem Streithelfer des Beklagten die Befugnis zur Kündigung des Vertrages fehlte, so dass es auf eine Auslegung seiner Erklärung im Schreiben vom 7. Januar 2010 unter diesem Gesichtspunkt nicht ankommt.
- 23
- 3. Dagegen hat das Berufungsgericht eine Beendigung des Vertrages durch die mit den Telefaxschreiben vom 15. Juli und 17. November 2008 erklärten Kündigungen mit unzureichender Begründung verneint.
- 24
- a) Jedenfalls die Kündigung vom 15. Juli 2008 war geeignet, die Vertragsbeendigung zum Jahresende herbeizuführen. Ein fehlender Anschlussversicherungsnachweis steht einer Kündigung zum 31. Dezember 2008 schon deshalb nicht entgegen, weil die Absätze 3 bis 7 des § 193 VVG sowie § 205 Abs. 6 VVG erst mit Wirkung zum 1. Januar 2009 in das Gesetz eingefügt worden sind, eine Versicherungspflicht mithin erst ab diesem Zeitpunkt bestand; die zuvor bestehende Versicherung bis zum 31. Dezember 2008 hatte deshalb nicht den Charakter einer Pflichtversicherung. Zudem bedurfte die Kündigung für die mitversicherte volljährige Ehefrau nicht des Nachweises einer Anschlussversicherung (vgl. Senatsurteil vom 18. Dezember 2013 - IV ZR 140/13, r+s 2014, 83).
- 25
- b) Für das Revisionsverfahren ist ferner davon auszugehen, dass auch die von der Ehefrau des Beklagten erklärte Kündigung vom 17. No- vember 2008 eine Vertragsbeendigung herbeiführen konnte. Insoweit bedürfte es, wenn es mangels wirksamer Kündigung am 15. Juli 2008 auf diese Erklärung ankommen sollte, weiterer Feststellungen, ob die Kündigung den Umständen nach im Namen des Beklagten als Versicherungsnehmer und mit einer entsprechenden Vollmachterklärt wurde.
- 26
- c) Den Zugang der beiden Telefaxe vom 15. Juli und 17. November 2008 hätte das Berufungsgericht ohne weitere Sachaufklärung nicht verneinen dürfen.
- 27
- aa) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Beklagte den Zugang der Kündigungserklärungen beweisen muss. Ferner deckt sich seine Auffassung, dass der "OKVermerk" eines Sendeberichts lediglich ein Indiz für den Zugang eines Telefaxes darstellt und insoweit keinen Anscheinsbeweis erbringt, mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (zuletzt BGH, Beschlüsse vom 8. Oktober 2013 - VIII ZB 13/13 juris Rn. 12; vom 14. Mai 2013 - III ZR 289/12, NJW 2013, 2514 Rn. 11; vom 21. Juli 2011 - IX ZR 148/10, juris Rn. 3; ferner Urteil vom 7. Dezember 1994 - VIII ZR 153/93, NJW 1995, 665 unter II 3) und anderer oberster Bundesgerichte (BAG, BAGE 102, 171; vgl. auch BSG, Beschluss vom 20. Oktober 2009 - B 5 R 84/09 B, juris Rn. 12).
- 28
- bb) Allerdings wird diese Rechtsprechung - wie die Revision insoweit zutreffend geltend macht - im Hinblick auf technische Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der Telekommunikation zum Teil in Frage gestellt (OLG Frankfurt, Urteil vom 5. März 2010 - 19 U 213/09, juris Rn. 17; OLG Karlsruhe VersR 2009, 245; OLG Celle VersR 2008, 1477, 1478; OLG München MDR 1999, 286 Rn. 12; Singer/Benedict in Staudinger, BGB [2012] § 130 Rn. 109; Gregor, NJW 2005, 2885, 2885 f.; Riesenkampff , NJW 2004, 3296, 3298 f.).
- 29
- cc) Ob und inwieweit diese Kritik berechtigt ist, kann im Streitfall offen bleiben. Das Berufungsgericht hat unabhängig hiervon den Sachverhalt nicht umfassend gewürdigt und sich über Beweisantritte des Beklagten hinweggesetzt, die bereits auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine weitere Aufklärung geboten.
- 30
- (1) Das Berufungsgericht hat zunächst nicht genügend bedacht, dass der "OK-Vermerk" auf dem Sendebericht auch nach der dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs immerhin das Zustandekommen einer Verbindung mit der in der Faxbestätigung genannten Nummer belegt. In Anbetracht dieses Umstands kann sich der Empfänger nicht auf ein bloßes Bestreiten des Zugangs beschränken; er muss sich im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast vielmehr näher dazu äußern, welches Gerät er an der fraglichen Gegenstelle betreibt, ob die Verbindung im Speicher enthalten ist, ob und in welcher Weise er ein Empfangsjournal führt und dieses gegebenenfalls vorlegen usw. (ebenso OLG Frankfurt, Urteil vom 5. März 2010 - 19 U 213/09, juris Rn. 17). Die Beweiskraft des im "OK-Vermerk" liegenden Indizes ist sodann unter Berücksichtigung dieses Vorbringens zu würdigen.
- 31
- Im Streitfall ist diese Würdigung durch das Berufungsgericht unzureichend erfolgt. Zwar hat der Kläger Eingangsjournale vorgelegt; diese lassen aber nicht erkennen, auf welchen Telefaxanschluss sie sich beziehen und zum Teil enthalten die darin aufgelisteten eingegangenen Faxe auch keine Absendernummern. Dabei gibt es zumindest in einem Punkt eine auffallende Übereinstimmung mit dem Vortrag des Beklagten: Das vorgelegte Empfangsjournal des Klägers vom 17. November 2008 führt unter anderem um 10:36 Uhr ein einseitiges Fax mit einer Sendedauer von 16 Sekunden ohne Absendernummer auf, und der Beklagte hat unter diesem Datum einen Sendebericht mit der Uhrzeit 10:34 Uhr und einer Sendedauer von 17 Sekunden vorgelegt. Dies könnte unter Berücksichtigung nicht exakt gleich eingestellter Uhrzeiten an Sendeund Empfangsgerät durchaus miteinander korrespondieren. Auch das hätte das Berufungsgericht würdigen müssen. Möglicherweise wäre dann eine Auflage zur Ergänzung des Vorbringens (z.B. eine Vorlage des um 10:36 Uhr eingegangenen Faxes in anonymisierter Form) in Betracht gekommen.
- 32
- Das Berufungsgericht hat demgegenüber eine Berücksichtigung der Umstände, dass die vorgelegten Empfangsjournale keine Anschlussnummer erkennen lassen und teilweise keine Absendernummern wiedergeben , unter Hinweis auf § 531 Abs. 2 ZPO abgelehnt, weil der Beklagte diese Einwände erst in zweiter Instanz erhoben habe. Das ist rechtsfehlerhaft ; es handelt sich hierbei nicht um neues tatsächliches Vorbringen der Partei, sondern um jederzeit mögliche Beweiseinreden, nämlich die bloße Würdigung des Beweiswerts gegnerischen Vorbringens. Den Beweiswert von Indizien muss das Gericht aber selbständig und umfassend würdigen und dabei die Umstände, die sich aus den vorgelegten Urkunden selbst ergeben, auch ohne entsprechende Einreden von Parteien berücksichtigen. Davon abgesehen handelt es sich hier um unstreitige Umstände , die stets zu berücksichtigen sind.
- 33
- (2) In jedem Fall war das Berufungsgericht gehalten, den Beweisantritten des Beklagten und seines Streithelfers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens dazu, dass die mit dem "OK-Vermerk" versehenen Faxe auch beim Kläger eingegangen sind, nachzugehen.
- 34
- Mit diesem Beweisantrag hat sich das Berufungsgericht in der angefochtenen Entscheidung nicht näher befasst.
- 35
- Gründe, diesen Antrag zurückzuweisen, sind nicht ersichtlich. Da die Wahrscheinlichkeit, dass ein Schriftstück trotz eines mit einem "OKVermerk" versehenen Sendeprotokolls den Empfänger nicht erreicht, jedenfalls so gering ist, dass sich ein Rechtsanwalt bei Gestaltung seiner Büroorganisation in Fristensachen auf den "OK-Vermerk" verlassen darf (BGH, Beschlüsse vom 11. Dezember 2013 - XII ZB 229/13, juris Rn. 6; vom 28. März 2001 - XII ZB 100/00, VersR 2002, 1045 unter 2), handelt es sich nicht um eine unzulässigerweise ohne tatsächliche Anhaltspunkte "ins Blaue hinein" aufgestellte Behauptung (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - III ZR 289/12, NJW 2013, 2514 Rn. 12). Dies gilt insbesondere deshalb, weil gleich zwei mit "OK-Vermerk" versehene Faxe an unterschiedliche Nummern des Klägers nicht angekommen sein sollen.
- 36
- Zudem ist das Beweismittel nicht von vornherein ungeeignet. Aus den oben genannten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Celle (VersR 2008, 1477) und Karlsruhe (VersR 2009, 245) ist vielmehr ersichtlich , dass zumindest im Einzelfall gesicherte Feststellungen darüber, welche Daten im Speicher des Empfangsgerätes eingegangen sind, getroffen werden können (vgl. auch BSG, Beschluss vom 20. Oktober 2009 - B 5 R 84/09 B, juris Rn. 12).
- 37
- Im Rahmen der Beweisaufnahme wird das Berufungsgericht - gegebenenfalls nach ergänzendem Parteivortrag - auch Gelegenheit ha- ben, den in der Revision aufgeworfenen Fragen zur technischen Bedeutung des "OK-Vermerks" nachzugehen.
- 38
- d) Die Sache ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen , damit dieses zunächst die notwendigen Feststellungen zur Übermittlung der Kündigungserklärungen vom 15. Juli und erforderlichenfalls auch 17. November 2008 nachholen kann.
- 39
- 4. Auf den vom Beklagten lediglich hilfsweise geltend gemachten Schadensersatzanspruch kommt es wegen der ausstehenden Sachverhaltsaufklärung zu seinem Hauptvorbringen derzeit nicht an. Allerdings sind Rechtsfehler des Berufungsurteils insoweit auch nicht erkennbar.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Erfurt, Entscheidung vom 20.09.2011 - 8 O 288/11 -
OLG Jena, Entscheidung vom 09.04.2013 - 4 U 880/11 -
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 23.10.2014 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
I.
2Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einer zum 31.12.2012 beendeten privaten Krankheitskostenvollversicherung auf Zahlung rückständiger Prämien für den Zeitraum Mai 2010 bis einschließlich November 2012 zuzüglich Säumniszuschlägen in Anspruch, welche der Beklagte mit Blick auf das am 13.04.2010 über sein Vermögen eröffnete Insolvenzverfahren sowie wegen der von ihm im Jahr 2010 – nach Eintritt in die gesetzliche Krankenversicherung - erklärten Kündigung der Krankenversicherung verweigert. Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
3Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die Prämienzahlungspflicht unterfalle nicht dem Insolvenzbeschlag und treffe damit den Beklagten persönlich. Eine - nachträgliche - Berechnung der Prämien nach dem sog. Notlagentarif komme nicht in Betracht, weil § 12 h VAG nur für Versicherungsverhältnisse greife, die zum 01.08.2013 ruhend gestellt und noch nicht beendet waren. Der Anspruch scheitere auch nicht an der Verletzung von Hinweispflichten seitens der Klägerin, weil diese den Beklagten mit Schreiben vom 07.01.2011 hinreichend auf die Nachweispflicht zur Folgeversicherung hingewiesen habe.
4Mit seiner Berufung hält der Beklagte daran fest, dass er aufgrund des schwebenden Insolvenzverfahrens im Hinblick auf die rückständigen Versicherungsprämien nicht passivlegitimiert sei. § 850 b Abs. 1 Ziffer 4 ZPO werde vom Verweis in § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht erfasst und treffe nurBezüge aus gesetzlichen Krankenkassen, nicht aber Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung. § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO diene dem Schutz des Insolvenzschuldners zur Erlangung von bestimmten Leistungen, die ansonsten vom Staat erbracht werden müssten, nicht aber umgekehrt dem Interesse des Versicherers an der Zahlung von Versicherungsprämien. Ebenso diene § 850 b Abs. 1 Ziffer 4 ZPO dem Interesse des Insolvenzschuldners an der Aufrechterhaltung seines Kranken- und Pflegeversicherungsschutzes, nicht aber dem Schutz der Prämienansprüche eines privaten Versicherers. Beide Vorschriften hätten nicht den Zweck, den privaten Versicherer an den anderen Gläubigern des Insolvenzschuldners vorbeiziehen zu lassen, um sich außerhalb der Masse befriedigen zu können.
5Im Übrigen sei die Klägerin dem Beklagten wegen Verletzung ihrer Aufklärungs- und Beratungspflichten zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der ihm dadurch entstanden sei, dass er den Nachweis der Anschlussversicherung nicht binnen zwei Monaten erbrachte. Sie hätte den Beklagten gem. § 6 Abs. 1 VVG darauf hinweisen müssen, dass seine Kündigung ansonsten nicht wirksam wurde. Deshalb habe sie den Kläger so zu stellen, als hätte er den Nachweis rechtzeitig erbracht und könne keine rückständigen Prämien von ihm verlangen.
6Der Beklagte beantragt,
7unter Abänderung des am 23.10.2014 verkündeten Urteils des Landgerichts Münster die Klage abzuweisen.
8Die Klägerin beantragt,
9die Berufung zurückzuweisen.
10Sie verteidigt das angefochtene Urteil. § 103 InsO stehe der Durchsetzung der Prämienforderung nicht entgegen, weil die Prämienzahlungspflicht dem Insolvenzbeschlag nicht unterfalle. Aufklärungs- und Beratungspflichten habe sie nicht verletzt. Erst im Dezember 2012 habe sie mit Sicherheit von der gesetzlichen Krankenversicherung des Klägers erfahren, bis zu diesem Zeitpunkt sei sie verpflichtet gewesen, den Krankenversicherungsvertrag aufrecht zu erhalten. Sie habe den Kläger mit Schreiben vom 07.01.2011 auch hinreichend darüber aufgeklärt, dass seine Kündigung noch nicht wirksam war.
11II.
12Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Das Landgericht hat ihn zu Recht zur Zahlung der rückständigen Prämien nebst Säumniszuschlägen verurteilt.
131.
14Die Prämienhöhe ergibt sich aus den von der Klägerin zur Akte gereichten Versicherungsscheinen. Danach beliefen sich die Prämien für den – mit Wirkung zum 23.03.2009 gem. § 193 Abs. 6 VVG aF wegen Prämienrückstands ruhend gestellten, Bl. 168 - Krankenversicherungsvertrag (ohne Beitrag zur Pflegeversicherung) ab dem 01.05.2010 auf 327,19 Euro (Bl. 47), ab dem 01.05.2011 auf 439,91 Euro (Bl. 48) und ab dem 01.05.2012 auf 537,34 Euro (Bl. 49).
15Entgegen der vom Beklagten erstinstanzlich vertretenen Ansicht sind die Prämien nicht gem. Art. 7 Satz 2 EGVVG iVm § 193 Abs. 7 VVG rückwirkend nach dem Notlagentarif zu berechnen. Eine Rückwirkung des Notlagentarifs auf Verträge, die bei Inkrafttreten des § 193 Abs. 7 VVG bereits beendet waren, kommt nicht in Betracht. Zwar setzt Art. 7 Satz 2 EGVVG nach seinem Wortlaut lediglich voraus, dass die Leistungen aus dem Versicherungsvertrag ruhend gestellt waren und die monatliche Prämie des Notlagentarifs niedriger ist als die in diesem Zeitpunkt geschuldete Prämie; dies lässt beide Auslegungen zu. Auch entspräche es Zielrichtung einer Entlastung finanziell schwacher Beitragsschuldner, die Rückwirkungsfiktion auch auf Altverträge anzuwenden, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 193 Abs. 4 VVG nicht mehr ruhend gestellt waren (so KG, Urteil vom 07.11.2014 – Az- 6 U 194/11 – Rn. 30 ff, juris, zu einem am 01.08.2013 fortbestehenden, aber nicht mehr ruhend gestellten Vertrag).
16Jedoch ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zur Neufassung von Art. 7 EGVVG und den dort angesprochenen Gesamtumständen, dass der Gesetzgeber nur die Beitragsschuldner im Blick hatte, deren Verträge bei Inkrafttreten der Regelung noch fortbestanden / (LG Dortmund, Urteil vom 19.12.2013 – Az. 2 O 315/13 – Rn. 12, juris; LG Berlin, Urteil vom 15.01.2015 - 23 S 2/14, r + s 2015, 202). Für beendete Verträge besteht für die Versichertengemeinschaft nicht die in der Gesetzesbegründung benannte Gefahr, für die Krankenversicherung der säumigen Versicherungsnehmer aufkommen zu müssen, die wegen ihrer hohen Beitragsschulden nicht zahlungsfähig sind.
17Auch verringert die rückwirkende Geltung des Notlagentarifs nur für fortbestehende Verträge den Wertberichtigungsbedarf der Versicherungsunternehmen, weil die Beitragsforderungen und damit die Abschreibungen nur für die (weiterhin) ruhend gestellten Verträge ständig ansteigen, nicht aber für beendete Verträge, aus denen noch Forderungen offen sind. Ebenso trägt die kostendeckende Kalkulation des Notlagentarifs nur für laufende Verträge zur Entlastung der Versichertengemeinschaft bei, nicht aber für beendete Verträge, aus denen keine Leistungen mehr geltend gemacht werden. Auch die Entlastung der Versicherungsunternehmen durch den Verzicht auf Altersrückstellungen im Notlagentarif bzw. das Widerspruchsrecht des Versicherungsnehmers werden nur bei fortbestehenden Verträgen relevant (vgl. dazu BT-Drs. 17/13947 S.31, BT-Drucksache 17/13079, S. 10).
18Zutreffend hat das Landgericht Dortmund auch darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung das Problem der Ungleichbehandlung von Alt- und Neuschuldnern gesehen, insoweit aber nur eine weitere Prüfung angekündigt hat (BT-Drucksache 17/13402, S. 11). Auch der Verweis auf die „Fortsetzung der Versicherung“ im ursprünglichen Tarif, die dem Versicherungsnehmer dann möglich ist, wenn er keine „weiteren Beitragsrückstände“ aufbaut, deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber nicht die Beitragsschuldner im Blick hatte, deren Verträge nicht fortbestehen und lediglich in der Vergangenheit ruhend gestellt waren (BT-Drucksache 17/13402, S. 11).
192.
20Der Beklagte ist im Hinblick auf die rückständigen Prämien auch passivlegitimiert. Nicht die Insolvenzmasse, sondern er persönlich hat für die Beitragsschulden aus der Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens einzustehen.
21Die Insolvenzmasse haftet nur für Forderungen der Insolvenzgläubiger und für Masseverbindlichkeiten.
22Die Klägerin ist nicht Insolvenzgläubigerin iSd § 87 InsO. Insolvenzgläubiger ist gem. § 38 InsO, wer einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hat. Die hier streitgegenständlichen Prämien sind erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig geworden und waren noch nicht in diesem Sinne begründet. Begründet ist ein Anspruch zwar nicht erst mit seiner Fälligkeit, sondern dann, wenn der Rechtsgrund der Entstehung der Forderung im Augenblick vor Verfahrenseröffnung bereits gelegt war. Dies setzt aber voraus, dass der anspruchsbegründende Tatbestand vor der Verfahrenseröffnung materiell-rechtlich abgeschlossen war (vgl. MünchKomm/Ehricke, InsO 3. Aufl. 2013, § 38, Rn. 16). Bei wiederkehrenden Ansprüchen aus Dauerschuldverhältnissen ist dies etwa dann zu bejahen, wenn die Ansprüche aus einem einheitlichen Stammrecht folgen. Wenn aber der Grund der Forderung als Gegenleistung für künftige Leistungen des anderen Teils stets von neuem zur Entstehung gelangt, so sind nur die Ansprüche begründet, deren Gegenleistung vor Verfahrenseröffnung schon erbracht ist (MünchKomm aaO, Rn. 19). Rückständige Versicherungsprämien sind deshalb nur dann Insolvenzforderungen, wenn sie als Entgelt für die Gefahrtragung vor Insolvenzeröffnung geschuldet waren (MünchKomm/Ehricke aaO, Rn. 105). Hier aber geht es um die Prämien, die als Gegenleistung für die Gefahrtragung nach Insolvenzeröffnung geschuldet waren. Diese stellen keine Insolvenzforderungen dar (ebenso OLG Frankfurt, Urteil vom 24.04.2013 – 7 U 142/13 – Rn. 22, juris).
23Ebenso wenig sind die Prämienforderungen als Masseverbindlichkeiten anzusehen. Masseverbindlichkeiten liegen nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO vor, wenn der Verwalter die Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt hat oder wenn es sich um eine sog. oktroyierte Masseschuld handelt, also um einen Vertrag, dessen Erfüllung für die Zeit nach der Insolvenzeröffnung erfolgen muss (OLG Frankfurt, Urteil vom 24. April 2013 – 7 U 142/12 –, Rn. 23, juris).
24Dass der Insolvenzverwalter hier Erfüllung zur Masse verlangt hätte, ist weder vom Beklagten vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Deshalb kommt es hier auch nicht auf die vom Beklagten angesprochene Frage an, ob das Versicherungsverhältnis als sog. insolvenzfreies Schuldverhältnis einzuordnen ist, für welches § 103 InsO keine Geltung hat (so OLG Frankfurt aaO, Rn. 26 ff; ebenso BGH, Urteil vom 19.02.2014 – IV ZR 163/13 – Rn. 14 ff, juris, weil der Insolvenzverwalter die Forderungen des Versicherungsnehmers wegen § 850 b nicht zur Masse ziehen kann). Ebenso wenig kommt es darauf an, dass der Beklagte ab Oktober 2010 über die gesetzliche Krankenversicherung abgesichert war (BGH aaO, Rn. 21).
25Die Verbindlichkeiten aus dem Krankenversicherungsvertrag gehören auch nicht zu den oktroyierten Verbindlichkeiten. Dazu gehören nur Ansprüche aus den in § 108 InsO genannten Dauerschuldverhältnissen, nicht aber aus einem Krankenversicherungsvertrag (vgl. OLG Frankfurt, aaO, Rn. 29).
26Nach alledem kann der Beklagte persönlich auf Zahlung der ausstehenden Prämien in Anspruch genommen werden.
273.
28Die Prämienzahlungspflicht des Beklagten ist auch nicht infolge der am 30.12.2010 erklärten Kündigung erloschen, weil die Kündigung mangels rechtzeitigen Nachweises einer Anschlussversicherung gem. § 205 Abs. 6 Satz 2 VVG erst zum 31.12.2012 wirksam geworden ist.
29Der Klägerin ist es nicht nach Treu und Glauben versagt, sich auf den fehlenden Nachweis der Anschlussversicherung zu berufen. Sie hat den Beklagten hinreichend über die Nachweispflicht und die Folgen des fehlenden Nachweises nach § 205 Abs. 6 Satz 2 VVG belehrt.
30Unstreitig hat der Beklagte nach Ausspruch seiner Kündigung das Schreiben der Klägerin vom 07.01.2011 erhalten, in dem sie ihn auf die Notwendigkeit eines „Nachweises der gesetzlichen Krankenkasse über den Beginn der Mitgliedschaft“ und die Gefahr einer ansonsten bestehenden Doppelversicherung mit „doppelter Beitragszahlung“ hingewiesen hat. Dies genügt für die auf der Treuepflicht des Versicherers begründeten Verpflichtung zur Belehrung des Versicherungsnehmers (vgl. BGH, Urteil vom 14.01.2015 – IV ZR 43/14 – Rn. 11, juris). Das Schreiben vom 07.01.2011 ist klar und verständlich formuliert und führt dem betroffenen Versicherungsnehmer so unmissverständlich vor Augen, was er zu tun hat, um einen beitragspflichtigen Fortbestand des gekündigten Vertrages zu verhindern.
31Zu einer wiederholten und so im Sinne des Beklagten „mit Nachdruck“ ausgesprochenen Belehrung ist der Versicherer nicht verpflichtet. Eine Belehrung muss im Regelfall genügen, um dem Versicherungsnehmer seine Verpflichtung und die Folgen eines nicht beigebrachten Nachweises zu erklären. Der Versicherungsnehmer ist als Vertragspartner ein mündiges Gegenüber, von dem der Versicherer erwarten darf, dass er seine Vertragsangelegenheiten eigenverantwortlich regelt. Sobald ein etwaig bestehendes Informationsdefizit auf Seiten des Versicherungsnehmers behoben ist, trifft den Versicherer auch dann keine Pflicht zur wiederholten Belehrung mehr, wenn der Versicherungsnehmer gar nicht auf den Hinweis reagiert und den Vertrag einfach fortlaufen lässt. Dem Versicherer, der seiner Hinweispflicht Genüge getan hat und der keine sichere Kenntnis von einer anderen Versicherung hat, ist dann weder ein Verstoß gegen Rechtspflichten vorzuwerfen noch hat er für den Versicherungsnehmer mit der Entgegennahme der Kündigung einen Vertrauenstatbestand im Hinblick auf die Vertragsbeendigung entstehen lassen, weil er gerade darauf hingewiesen hat, dass die Kündigung nur unter einer bestimmten Bedingung wirksam wird und als solche nicht genügt, um den Vertrag zu beenden. Dies gilt auch ohne Mahnung der Prämienzahlungen. Bloßes Untätigbleiben (des Versicherers) rechtfertigt ohne weitere Umstände nicht den Einwand der Treuwidrigkeit – vielmehr ist es der Versicherungsnehmer, dem seine Untätigkeit zum Nachteil gereicht. Erst dann, wenn aufgrund eines langen Zeitablaufs der Einwand der Verwirkung gerechtfertigt wäre, kann die Untätigkeit des Versicherers zum Rechtsverlust führen. Hier aber geht es um einen Zeitraum von knapp zwei Jahren, in dem eine Verwirkung noch nicht in Betracht kommt.
32Ob der Beklagte zudem durch die Zusendung von Nachträgen zum Versicherungsschein auf die weitere Zahlungspflich hingewiesen wurde, kann dahinstehen.
334.
34Die Verpflichtung zur Zahlung von Säumniszuschlägen für die streitgegenständliche Zeit ergibt sich aus § 8 Ziffer I Abs. 6 Satz 4 AVB/KK.
35III.
36Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 709, 711, 713 ZPO.
Sind die geschuldeten Leistungen teilbar und hat der andere Teil die ihm obliegende Leistung zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits teilweise erbracht, so ist er mit dem der Teilleistung entsprechenden Betrag seines Anspruchs auf die Gegenleistung Insolvenzgläubiger, auch wenn der Insolvenzverwalter wegen der noch ausstehenden Leistung Erfüllung verlangt. Der andere Teil ist nicht berechtigt, wegen der Nichterfüllung seines Anspruchs auf die Gegenleistung die Rückgabe einer vor der Eröffnung des Verfahrens in das Vermögen des Schuldners übergegangenen Teilleistung aus der Insolvenzmasse zu verlangen.
(1) Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume sowie Dienstverhältnisse des Schuldners bestehen mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Dies gilt auch für Miet- und Pachtverhältnisse, die der Schuldner als Vermieter oder Verpächter eingegangen war und die sonstige Gegenstände betreffen, die einem Dritten, der ihre Anschaffung oder Herstellung finanziert hat, zur Sicherheit übertragen wurden.
(2) Ein vom Schuldner als Darlehensgeber eingegangenes Darlehensverhältnis besteht mit Wirkung für die Masse fort, soweit dem Darlehensnehmer der geschuldete Gegenstand zur Verfügung gestellt wurde.
(3) Ansprüche für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der andere Teil nur als Insolvenzgläubiger geltend machen.
BUNDESGERICHTSHOF
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. April 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Grupp, die Richterin Möhring und den Richter Dr. Schoppmeyer
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger ist Treuhänder im Insolvenzverfahren über das Vermögen des T. (fortan: Schuldner). Der Schuldner hatte bei der Beklagten einen privaten Krankenversicherungsvertrag abgeschlossen. Das Amtsgericht Euskirchen erließ am 28. Juli 2010 auf Antrag der Beklagten einen Vollstreckungsbescheid gegen den Schuldner wegen rückständiger Versicherungsprämien. Die Beklagte führte die Zwangsvollstreckung durch; am 20. Januar 2011 zahlte der Schuldner im Rahmen der Zwangsvollstreckung an den Gerichtsvollzieher 300 € in bar.
- 2
- Aufgrund eines bereits am 2. September 2010 gestellten Insolvenzantrags eröffnete das Insolvenzgericht am 2. Mai 2011 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Der Kläger verlangt von der Beklagten die gezahlten 300 € im Wege der Insolvenzanfechtung zurück.
- 3
- Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
- 5
- Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das private Krankenversicherungsverhältnis sei als insolvenzfreies Schuldverhältnis zu qualifizieren. Daher seien die Regeln der Insolvenzanfechtung nicht anwendbar. Die Prämienforderungen des Versicherers unterfielen nicht dem Insolvenzbeschlag. Die Unpfändbarkeit der Forderungen aus dem Krankenversicherungsvertrag gemäß § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO gelte auch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Zudem sei § 850e Nr. 1 Satz 2 lit. b ZPO anzuwenden. Es sei kein Grund ersichtlich, warum die Prämienforderungen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gezogen werden können sollten, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehenden Prämienforderungen jedoch als insolvenzfreies Schuldver- hältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens stehen sollten. Für eine Behandlung des privaten Krankenversicherungsvertrags als insolvenzfreiem Schuldverhältnis spreche auch § 193 Abs. 3 VVG.
II.
- 6
- Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 7
- 1. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, vom Schuldner im Rahmen eines privaten Krankenversicherungsvertrags gezahlte Versicherungsbeiträge unterlägen nicht der Insolvenzanfechtung. Die Zahlung von Versicherungsprämien an einen privaten Krankenversicherer ist vielmehr eine anfechtbare Rechtshandlung.
- 8
- a) Anfechtbar nach § 131 InsO ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine inkongruente Sicherung oder Befriedigung gewährt hat.
- 9
- aa) Insolvenzgläubiger ist jeder persönliche Gläubiger, der einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hat. Es kommt mithin darauf an, ob der Gläubiger in der Insolvenz eine Forderung im Sinne des § 38 InsO oder einen nachrangigen Anspruch (§ 39 InsO) gehabt hätte (BGH, Urteil vom 19. Januar 2012 - IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 Rn. 15 mwN). Ansprüche eines Versicherers auf Versicherungsprämien aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung stellen nur eine Insolvenzforderung dar (MünchKomm-InsO/Ehricke, 3. Aufl., § 38 Rn. 105; Jaeger/ Henckel, InsO, § 38 Rn. 160). Dies gilt ebenfalls für Ansprüche auf Versicherungsprämien für eine private Krankenversicherung (OLG Hamm, NZI 2012, 922; Koch, KTS 2013, 80, 82; Busch, VuR 2015, 272, 273; aA OLG Schleswig, ZInsO 2015, 802). Auch solche Forderungen eines Versicherers begründen lediglich einen einfachen Vermögensanspruch gegen den Schuldner.
- 10
- bb) Ausnahmebestimmungen für Ansprüche eines Krankenversicherers auf rückständige Versicherungsprämien bestehen nicht. Es kommt weder auf § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO noch auf § 850e Nr. 1 Satz 2 lit. b ZPO an. Denn diese Vorschriften betreffen die Pfändbarkeit von Ansprüchen des Schuldners. Darum geht es jedoch nicht. Für eine Anfechtung nach §§ 130, 131 InsO kommt es vielmehr ausschließlich auf die Art des Anspruchs des Gläubigers an, der gesichert oder befriedigt werden soll. Insofern genügt es, wenn es sich - wie im Streitfall - um eine Insolvenzforderung gemäß §§ 38, 39 InsO handelt. Dass bestimmte Ansprüche des Schuldners gemäß § 36 InsO nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegen, führt nicht dazu, dass Gläubiger, deren Forderungen der Schuldner mit Mitteln aus seinen nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegenden Ansprüchen befriedigen könnte, keine Insolvenzgläubiger wären.
- 11
- b) Anders als das Berufungsgericht meint, folgt aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19. Februar 2014 (IV ZR 163/13, VersR 2014, 452) nichts dafür, inwieweit vor Insolvenzeröffnung gezahlte Versicherungsbeiträge anfechtbar sind. Diese Entscheidung bestimmt lediglich, dass ein zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bestehender Krankenversicherungsvertrag nicht von § 103 InsO erfasst wird, der Insolvenzverwalter also kein Wahlrecht nach § 103 Abs. 1 InsO hat. Dies ist unabhängig davon, ob es sich bei Ansprüchen auf Zahlung der Versicherungsprämie um Insolvenzforderungen handelt und ob gezahlte Versicherungsprämien deshalb der Insolvenzanfechtung unterliegen.
- 12
- c) Auch die bestehende Versicherungspflicht steht einer Anfechtung nicht entgegen. Zwar bestimmt § 193 Abs. 3 VVG, dass jede Person mit Wohnsitz im Inland grundsätzlich verpflichtet ist, bei einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen für sich selbst eine - bestimmten Anforderungen entsprechende - Krankheitskostenversicherung abzuschließen und aufrechtzuerhalten. Werden bereits gezahlte Versicherungsprämien erfolgreich angefochten, erlischt jedoch weder der Krankenversicherungsvertrag noch gibt dies dem Versicherer eine Möglichkeit, den Krankenversicherungsvertrag zu beenden. Selbst wenn eine solche Insolvenzanfechtung dazu führen sollte, dass hinsichtlich der vom Versicherer gemäß § 143 Abs. 1 InsO zurückzugewährenden Prämien ein Prämienrückstand im Sinne des § 193 Abs. 6 VVG anzunehmen wäre, führt dies nicht dazu, dass keine Krankheitskostenversicherung mehr besteht.
- 13
- Insbesondere gelten §§ 37, 38 VVG nicht bei einem Prämienrückstand in einer Krankenversicherung (Prölss/Martin/Voit, VVG, 29. Aufl., § 193 Rn. 40). Vielmehr hat der Gesetzgeber in § 193 Abs. 6 bis 10 VVG (für die Zeit bis 31. Juli 2013: § 193 Abs. 6 VVG aF) geregelt, welche Folgen ein Rückstand des Versicherungsnehmers mit Versicherungsprämien hat. Dass der Vertrag danach unter Umständen ruht (§ 193 Abs. 6 Satz 4 VVG) beziehungsweise der Versicherer das Ruhen der Leistungen feststellen konnte (§ 193 Abs. 6 Satz 2 VVG aF), und deshalb nur noch eingeschränkte Leistungspflichten des Versicherers bestehen (vgl. § 193 Abs. 7 VVG beziehungsweise § 193 Abs. 6 Satz 6 VVG aF; zum Übergangsrecht Art. 7 EGVVG), ist das Ergebnis der gesetzgeberischen Interessenabwägung zum Schutz des säumigen Versicherungsnehmers (vgl. BT-Drucks. 17/13079 S. 6). Diese Regelung gibt jedoch keinen Grund, Zahlungen auf Versicherungsprämien von den allgemein geltenden Regeln der Insolvenzanfechtung auszunehmen. Entgegen der Revisionserwiderung stellt § 193 VVG Ansprüche des Versicherers auf rückständige Versicherungsprämien nicht insolvenzfrei. Insbesondere verschafft die Norm einem Versicherer, dessen Ansprüche auf (rückständige) Versicherungsprämien lediglich einfache Insolvenzforderungen darstellen, in der Insolvenz des Versicherungsnehmers keine Stellung eines bevorzugten Gläubigers.
- 14
- Hierfür besteht auch kein Bedarf. Vielmehr kann ein Versicherungsnehmer die Versicherungsprämien entweder im Rahmen eines Bargeschäfts (§ 142 InsO) zahlen oder aber aus pfändungsfreiem und damit nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegendem Vermögen, insbesondere von einem Pfändungsschutzkonto (§ 850k ZPO). Damit ist er in der Lage, anfechtungsfest seinen bestehenden Krankenversicherungsschutz zu wahren. Ein darüber hinausgehender Schutz des Versicherers widerspricht dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung der Revisionsbeklagten liegt darin keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung gegenüber Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung.
- 15
- 2. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 1 ZPO). Ob die Anfechtungsklage begründet ist, kann auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entschieden werden.
- 16
- Zwar sind die Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfüllt. Die Zahlung erfolgte nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Sie war inkongruent, weil die Beklagte sie innerhalb des Dreimonatszeitraums im Wege der - unmittelbar bevorstehenden - Zwangsvollstreckung erlangte (BGH, Urteil vom 11. April 2002 - IX ZR 211/01, WM 2002, 1193, 1194 unter II. 2. c.; vom 22. Januar 2004 - IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350, 353 mwN).
- 17
- Jedoch steht nicht fest, ob die Zahlung die Gläubiger gemäß § 129 Abs. 1 InsO benachteiligt hat. Daran fehlt es, wenn die Zahlung aus insolvenzfreiem Vermögen des Schuldners erfolgte. Befriedigt der Schuldner einen Gläubiger durch eine Verfügung über unpfändbare Gegenstände, ist diese Verfügung mangels Gläubigerbenachteiligung nicht anfechtbar, weil diese Gegenstände von vornherein nicht zur Insolvenzmasse im Sinne der §§ 35, 36 InsO gehören (MünchKomm-InsO/Kayser, 3. Aufl., § 129 Rn. 84 mwN; Schmidt/ K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 129 Rn. 52). Deshalb kann es an einer Gläubigerbenachteiligung fehlen, wenn der Schuldner die Versicherungsprämie für seinen privaten Krankenversicherungsvertrag aus unpfändbarem Vermögen zahlt. Im Streitfall hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Schuldner im Rahmen der Zwangsvollstreckung 300 € in bar an den Gerichtsvollzieher zahlte. Insoweit kommt eine Unpfändbarkeit nach § 811 Abs. 1 Nr. 8 ZPO in Betracht. Nachdem es bisher auf diesen Gesichtspunkt nicht ankam, ist den Parteien hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme und zu ergänzendem Sachvortrag zu gewähren.
Möhring Schoppmeyer
Vorinstanzen:
AG Köln, Entscheidung vom 10.12.2014 - 118 C 412/14 -
LG Köln, Entscheidung vom 01.07.2015 - 23 S 26/14 -