Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 31. Aug. 2016 - 20 U 69/16
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 17.03.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Münster (115 O 180/15) wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung.Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 16.070,00 EUR festgesetzt.
1
G r ü n d e
2I.
3Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung aus seiner Hausratsversicherung in Anspruch.
4Bei einem Einbruch wurde dem Kläger sein weniger als 200 kg schwerer Safe mit Bargeld in Höhe von 1.570,00 EUR und Schmuck im Wert von 37.000,00 EUR aus seiner Wohnung gestohlen. Die Beklagte zahlte unter Berufung auf Ziff. 1.3.2 VHB 2012 auf das Bargeld 1.500,00 EUR und auf den Schmuck 21.000,00 EUR.
5Im Versicherungsschein heißt es u. a.:
6„Versicherungsumfang Hausratversicherung Rundumschutz
7(nähere Erläuterungen entnehmen Sie bitte den Vertragsgrundlagen)
8[...]
9Die Versicherungssumme beträgt 92.500 EUR.
10Wertsachen sind bis 40 % der Versicherungssumme versichert.“
11In Ziff. 1 VHB 2012 „Welche Sachen sind versichert? Welche Sachen sind nicht versichert?“ heißt es u. a.:
12„1.1 Versichert ist der gesamte Hausrat. Dazu gehören alle Sachen, die dem Haushalt des Versicherungsnehmers zur privaten Nutzung (Gebrauch oder Verbrauch) dienen.
13Besondere Entschädigungsgrenzen gelten für Wertsachen einschließlich Bargeld:
141.2 Wertsachen sind
151.2.1 Bargeld [...]
161.2.2 [...]
171.2.3 Schmucksachen [etc.]
18[...]
191.3 Entschädigungsgrenzen für Wertsachen
201.3.1 Die Entschädigung für Wertsachen ist je Versicherungsfall (Ziffer 3) auf insgesamt 20 Prozent der Versicherungssumme (Ziffer 12) [...] begrenzt, sofern nicht etwas anderes vereinbart ist.
211.3.2 Ferner ist die Entschädigung für folgende Wertsachen je Versicherungsfall (Ziffer 3) begrenzt, wenn sich diese außerhalb verschlossener mehrwandiger Stahlschränke mit einem Mindestgewicht von 200 kg und auch außerhalb eingemauerter Stahlwandschränke mit mehrwandiger Tür, oder außerhalb besonders vereinbarter sonstiger verschlossener Behältnisse mit zusätzlichen Sicherheitsmerkmalen befinden, auf
22- 1.500 EUR für Bargeld [...]
23- 4.000 EUR insgesamt für Wertsachen gemäß Ziffer 1.2.2
24- 21.000 EUR insgesamt für Wertsachen gemäß Ziffer 1.2.3."
25Der Kläger beruft sich auf die Unwirksamkeit der Ziff. 1.3.2 VHB 2012 und verlangt Zahlung weitere 16.070,00 EUR nebst Zinsen.
26Das Landgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Regelung verstoße weder gegen § 305c Abs. 1 BGB noch gegen § 307 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB.
27Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung und verfolgt seinen erstinstanzlichen Antrag weiter.
28Der Senat hat den Kläger durch Beschluss vom 06.07.2016 unter Fristsetzung zur Stellungnahme darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
29Hierzu hat der Kläger fristgemäß Stellung genommen und sich erneut auf die Unwirksamkeit der Regelung zur Gewichtsgrenze berufen, da sich bereits bei einem Tresor mit einem Eigengewicht von knapp unter 200 kg – wie dem des Klägers – ein weitaus höherer Zeit- und Entwendungsaufwand ergebe.
30Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in dieser Instanz wird auf deren Schriftsätze verwiesen.
31II.
32Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung des Klägers offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und es erfordern auch nicht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung. Eine mündliche Verhandlung ist schließlich auch sonst nicht geboten.
33Das Berufungsvorbringen des Klägers führt nicht zum Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffenden Gründen abgewiesen. Das Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere, dem Kläger günstigere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.
341. Ziff. 1.3.2 Spiegelstrich 1 und 3 VHB 2012 kommt vorliegend zur Anwendung und ist nicht durch die Regelung im Versicherungsschein „Wertsachen sind bis 40 % der Versicherungssumme versichert“ im Sinne des § 305b BGB abbedungen.
35Denn diese Regelung im Versicherungsschein stellt nur eine „andere Vereinbarung“ im Sinne der Ziff. 1.3.1 Hs. 2 VHB 2012 bezüglich der in Ziff. 1.3.1 Hs. 1 VHB 2012 geregelten Begrenzung „auf insgesamt 20 Prozent der Versicherungssumme“ dar. Sie führt hingegen nicht dazu, dass Ziff. 1.3 VHB 2012 und damit konkret Ziff. 1.3.2 VHB 2012 gar nicht zur Anwendung käme.
362. Ziff. 1.3.2 VHB 2012 ist auch – der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung folgend – weder überraschend im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB noch intransparent bzw. unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB.
37a) Ziff. 1.3.2 VHB 2012 ist nicht überraschend im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB.
38aa) Eine Unwirksamkeit wegen Verstoßes gegen § 305 c Abs. 1 BGB läge nur dann vor, wenn eine deutliche Abweichung zwischen den Erwartungen eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers einerseits und der betreffenden Klausel andererseits bestünde. Die berechtigten Erwartungen des Versicherungsnehmers werden dabei von allgemeinen Umständen, wie etwa
39dem Grad der Abweichung von dispositiven Normen bzw. den Umständen des Vertragsschlusses, bestimmt (Senat, Beschl. v. 03.05.2013, 20 U 247/12, juris, Rn. 6 m. w. N., RuS 2013, 439; Senat, Beschl. v. 04.01.2012, 20 U 124/11, juris, Rn. 7 m. w. N., RuS 2012, 245; vgl. BGH, Urt. v. 05.12.2012, IV ZR 110/10, juris, Rn. 40 m. w. N., VersR 2013, 219; OLG Saarbrücken, Urt. v. 07.07.2010, 5 U 613/09, juris, Rn. 29 m. w. N., RuS 2011, 477).
40Der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel und ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle können die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen. Dabei kommt es allerdings nicht darauf an, an welcher Stelle des Klauselwerks die entsprechende Klausel steht, weil alle Bestimmungen grundsätzlich gleich bedeutsam sind und nicht durch die Platzierung einer Vorschrift im Klauselwerk auf deren Bedeutung geschlossen werden kann. Aus der Stellung der Klausel kann sich ein Überraschungseffekt vielmehr dann ergeben, wenn diese in einem systematischen Zusammenhang steht, in dem der Vertragspartner sie nicht zu erwarten braucht (BGH, Urt. v. 05.12.2012, IV ZR 110/10, juris, Rn. 40 m. w. N., VersR 2013, 219).
41bb) Daran gemessen handelt es sich bei der fraglichen Regelung nicht um eine überraschende Klausel.
42(1) Ein gewöhnlicher Versicherungsnehmer wird nämlich durchaus damit rechnen, dass der Versicherer einer Hausratversicherung nicht ohne weiteres für Bargeldbeträge und Schmuck in Höhe der vollen Versicherungssumme einstehen wird (Senat, Beschl. v. 03.05.2013, 20 U 247/12, juris, Rn. 7, RuS 2013, 439; Senat, Beschl. v. 04.01.2012, 20 U 124/11, juris, Rn. 8, RuS 2012, 245; vgl. ausführlich OLG Saarbrücken, Urt. v. 07.07.2010, 5 U 613/09, juris, Rn. 30 f., RuS 2011, 477; OLG Celle, Urt. v. 23.09.2010, 8 U 47/10, juris, Rn. 34, VersR 2011, 211 unter Verweis auf LG Hamburg, Urt. v. 20.02.2009, 302 O 143/08, juris, Rn. 18, VersR 2009, 1618).
43Das konnte zudem den Kläger im konkreten Fall nicht überraschen, da bereits die Individualabrede im Versicherungsschein wie von ihm gewollt eine Begrenzung vorsah und er selbst zusätzlichen Schutz durch einen (zu leichten) Tresor für erforderlich hielt.
44(2) Die Klausel findet sich auch nicht an unerwarteter Stelle. Vielmehr ist sie in Ziff. 1 VHB 2012 aufgenommen, die das Leistungsversprechen der Beklagten überhaupt erst begründet („Welche Sachen sind versichert? Welche Sachen sind nicht versichert?“). Unmittelbar im zweiten Satz, in Ziff. 1.1 S. 2 VHB 2012, wird darauf hingewiesen, dass das Leistungsversprechen bezüglich Wertsachen begrenzt ist. In der Folge werden Wertsachen in Ziff. 1.2 VHB 2012 definiert und dann die Entschädigungsgrenze in Ziff. 1.3 VHB 2012 konkretisiert. Diese Systematik ist gewöhnlich und für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer vorhersehbar.
45(3) Dem Kläger kann auch nicht dahin gefolgt werden, die Klausel sei im Hinblick auf die Gleichbehandlung von Versicherungsnehmern ohne Tresor und mit Tresor von jedoch unter 200 kg sowie im Hinblick auf die Festlegung der 200 kg Grenze überraschend. Dem gewöhnlichen Versicherungsnehmer erschließt sich ohne Weiteres, dass Tresore erst ab einem gewissen Gewicht und / oder einer gewissen Befestigung im Gebäude den Abtransport und ab einer gewissen Stärke das Aufbrechen nachhaltig erschweren. Die Gewichtsgrenze setzte die Beklagte, was nicht zu beanstanden und im Hinblick auf die Vielzahl entsprechender Versicherungsbedingungen anderer Versicherer gewöhnlich ist, bei 200 kg fest. Unterhalb einer solchen Grenze besteht keine nachhaltige Diebstahlhemmung. Entgegen dem Vorbringen des Klägers wird also nicht wesentlich Ungleiches überraschender Weise gleich behandelt.
46Wenn der Kläger diesbezüglich auf den Hinweis des Senats ausführt, dass ein wesentlicher Unterschied in der Diebstahlhemmung zwischen nicht eingeschlossenen und von einem Tresor mit knapp unter 200 kg eingeschlossenen Wertsachen besteht, so führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Der Versicherungsnehmer kann eine weitere Differenzierung nicht erwarten. Die gewählte Grenze ist nicht zu beanstanden, da die Grenze rein faktisch an einer Stelle gezogen werden muss, die hier dem Gewöhnlichen und einer entsprechenden Risikobewertung der Versicherungswirtschaft entspricht.
47Die Regelung wird auch nicht dadurch unzulässig, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer ihren versicherungstechnischen Hintergrund nicht erkennt. Entscheidend ist, dass die Regelung hinreichend klar ist. Der Versicherungsnehmer muss bei Abschluss des Vertrages erkennen können, dass der volle Versicherungsschutz für Bargeld und Wertsachen nur dann greift, wenn beispielsweise die Gewichtsgrenze von 200 kg überschritten ist (vgl. BGH, Urt. v. 24.03.1999, IV ZR 90/98, juris, Rn. 41, RuS 1999, 301).
48(4) Soweit der Kläger die durch Ziff. 1.3.2 Spiegelstrich 3 VHB 2012 eintretende Reduzierung des Entschädigungsbetrages von 37.000,00 EUR auf 21.000,00 EUR, also um 43,25 %, bemängelt, betrifft dies allein den konkreten Einzelfall, begründet aber keinen überraschenden Charakter dieser Allgemeinen Geschäftsbedingung, die für eine Vielzahl von Fällen – also auch die vom Kläger angeführten Fälle einer Reduzierung von 4,54 % oder 72 % – gelten soll und eine allgemeine Risikobegrenzung beschreibt. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass eine solche Begrenzung auch prozentual hätte erfolgen können. Zwingend ist dies indes nicht und macht die Klausel damit nicht überraschend.
49(5) Schließlich ergibt sich ein überraschender Charakter auch nicht daraus, dass im Versicherungsschein nicht ausdrücklich auf die Leistungsbegrenzung hingewiesen wird. Leistungsbeschreibung und -begrenzungen ergeben sich typischerweise aus den Allgemeinen Versicherungsbedingungen und können gerade nicht im Einzelnen in den Versicherungsschein oder in eine einzelne Regelung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen aufgenommen werden (vgl. BGH, Urt. v. 24.06.2009, IV ZR 212/07, juris, Rn. 12, RuS 2009, 420; BGH, Urt. v. 18.01.2006, IV ZR 244/04, juris, Rn. 15, RuS 2006, 159).
50Soweit der Kläger vorträgt, immerhin sei auf so unwichtige Dinge wie das Versicherungsobjekt im Versicherungsschein hingewiesen worden, verkennt er, dass es dabei um die erforderliche individualvertraglich Vereinbarung des Versicherungsobjekts und gerade nicht um einen Hinweis auf eine Leistungsbegrenzung in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen ging.
51b) Ziff. 1.3.2 VHB 2012 ist nicht unwirksam aufgrund Intransparenz oder Unangemessenheit im Sinne des § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB.
52aa) Das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verlangt vom Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, dass die Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar dargestellt sind und die Klauseln darüber hinaus die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann(BGH, Urt. v. 13.01.2016, IV ZR 38/14, juris, Rn. 24 m. w. N., VersR 2016, 312).
53Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB liegt vor, wenn der Verwender entgegen den Geboten von Treu und Glauben durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen(vgl. BGH, Urt. v. 22.01.2014, IV ZR 344/12, juris, Rn. 20, RdTW 2014, 355; BGH, Urt. v. 25.07.2012, IV ZR 201/10, juris, Rn. 31, VersR 2012, 1149).
54bb) Ein Verstoß hiergegen liegt aus den bereits zu § 305c Abs. 1 BGB genannten sowie folgenden Gründen nicht vor.
55(1) Insbesondere ist eine Intransparenz von Ziff. 1.1 bis 1.3 VHB 2012 nicht gegeben, da die Systematik der Norm klar und verständlich ist und die Norm den Inhalt des Leistungsversprechens der Beklagten klar erkennen lässt.
56(2) Angesichts der bei der Hausratversicherung in der Regel überschaubaren Prämienhöhe (hier 31,26 EUR monatlich für Hausrat-, Glas- und Elementarversicherung) stellt die Vereinbarung von Entschädigungsgrenzen für Wertsachen in Abhängigkeit von ihrer konkreten Aufbewahrung gerade keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar (Senat, Beschl. v. 03.05.2013, 20 U 247/12, juris, Rn. 8, RuS 2013, 439; Senat, Beschl. v. 04.01.2012, 20 U 124/11, juris, Rn. 9, RuS 2012, 245; vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 07.07.2010, 5 U 613/09, juris, Rn. 41, RuS 2011, 477; OLG Celle, Urt. v. 23.09.2010, 8 U 47/10, juris, Rn. 34, VersR 2011, 211 unter Verweis auf LG Hamburg, Urt. v. 20.02.2009, 302 O 143/08, juris, Rn. 18, VersR 2009, 1618).
57Unangemessen ist es hier auch nicht, eine absolute statt eine prozentuale Wertgrenze bei fehlender Absicherung zu vereinbaren. Hieraus ergibt sich nicht, dass die Beklagte missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten ihres Vertragspartners durchzusetzen versuchte. Im Gegenteil erfolgt eine rein objektive Begrenzung des Leistungsversprechens, auf das sich der Versicherungsnehmer ohne Weiteres einrichten kann, indem er entweder eine entsprechende Absicherung anschafft oder sich prämienerhöhend versichert (vgl. zur Prämienerhöhung BGH, Urt. v. 24.03.1999, IV ZR 90/98, juris, Rn. 43, RuS 1999, 301).
58(3) Aus diesen Gründen liegt auch keine Vertragszweckgefährdung im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB vor.
59Dies ist erst dann anzunehmen, wenn mit der Begrenzung der Leistung der Vertrag ausgehöhlt werden kann und damit der Versicherungsvertrag in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos wird. Das ist bei Entschädigungsgrenzen nicht der Fall, solange diese für den Versicherungsnehmer erkennbar sind. Im Rahmen der Entschädigungsgrenze bleibt der Vertragszweck unangetastet, lediglich extreme Risiken, die von der Prämienkalkulation nicht erfasst sind, werden ausgeschlossen (OLG Saarbrücken, Urt. v. 07.07.2010, 5 U 613/09, juris, Rn. 39, RuS 2011, 477; vgl. LG Hamburg, Urt. v. 20.02.2009, 302 O 143/08, juris, Rn. 18, VersR 2009, 1618; siehe allgemein BGH, Beschl. v. 06.07.2011, IV ZR 217/09, juris, Rn. 23 f., RuS 2012, 192).
60(4) Mangels gesetzlicher Regelung, von der abgewichen würde, liegt auch kein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vor.
613. Vor diesem Hintergrund kann sich der Kläger auch nicht auf § 242 BGB berufen.
62Insbesondere wird dem Kläger hier auch keine Obliegenheitsverletzung vorgeworfen. Vielmehr regelt Ziff. 1.1 S. 2, 1.3 VHB 2012 eine Leistungsbegrenzung und keine (verhüllte) Obliegenheit (vgl. BGH, Urt. v. 16.03.1983, IVa ZR 111/81, juris, Rn. 18 ff.; RuS 1983, 102; Senat, OLG Hamm, Urt. v. 30.12.1983, 20 U 163/83, RuS 1984, 148; LG Dortmund, Urt. v. 15.01.2015, 2 O 254/14, juris, Rn. 21-30, RuS 2015, 199).
63Die vom Kläger angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Anwendung von § 242 BGB bei fehlendem Hinweis auf Obliegenheiten(vgl. BGH, Urt. 17.09.2008, IV ZR 317/05, juris, Rn. 5 ff., NJW 2008, 3643), die zudem altes Recht betraf, womit die Entscheidung im Hinblick auf § 28 (Abs. 4) VVG n. F. überholt sein dürfte, ist mithin nicht anwendbar.
644. Auch ein Anspruch auf Quasideckung wegen Verstoßes der Beklagten gegen § 6 Abs. 1, Abs. 4 VVG(vgl. BGH, Urt. v. 26.03.2014, IV ZR 422/12, juris, Rn. 19, NJW 2014, 2038) ist nicht gegeben. Ein Beratungsfehler ist nicht dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich.
65III.
66Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
67Die Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung dieses Beschlusses ergibt sich aus § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Im Übrigen beruht der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den § 708 Nr. 10 S. 2, § 713 ZPO.
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Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Der Kläger begehrt von der Beklagten aufgrund eines am 00.00.2014 erfolgten Einbruchs in sein Wohnhaus weitere Versicherungsentschädigung für Schmuck und Bargeld.
3Für sein Wohnhaus in T, XStraße ##, unterhält der Kläger bei der Beklagten eine Hausratversicherung mit einer Versicherungssumme von 92.500,00 €, Wertsachen sind bis zu 40 % der Versicherungssumme versichert (Versicherungsschein Bl. 11 – 20 d.A.), vereinbart sind die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Hausratversicherung VHB 2012 Fassung September 2013 (Bl. 30 - 41 d.A.).
4Ziff. 1.3.2 der VHB enthält eine Entschädigungsbegrenzung zur Höhe mit folgendem Inhalt:
5"Ferner ist die Entschädigung für folgende Wertsachen je Versicherungsfall (...) begrenzt, wenn sich diese außerhalb verschlossener mehrwandiger Stahlschränke mit einem Mindestgewicht von 200 kg und auch außerhalb eingemauerter Stahlwandschränke mit mehrwandiger Tür, oder außerhalb besonders vereinbarter sonstiger verschlossener Behältnisse mit zusätzlichen Sicherheitsmerkmalen befinden, auf
6 1.500 EUR für Bargeld und auf Geldkarten geladene Beträge mit Ausnahme von Münzen, deren Versicherungswert den Nennbetrag übersteigt,
7 4.000 EUR insgesamt für Wertsachen gemäß 1.2.2,
8 21.000 EUR insgesamt für Wertsachen gemäß 1.2.3.“
9Wertsachen gemäß 1.2.2 sind Urkunden einschließlich Sparbüchern und sonstigen Wertpapieren, Wertsachen gemäß 1.2.3 sind Schmucksachen, Edelsteine, Perlen, Briefmarken, Münzen und Medaillen, Armbanduhren mit einem Einzelwert von über 1.000 EUR, sowie alle Sachen aus Gold oder Platin.
10Am Mittwoch, dem 00.00.2014, wurde tagsüber in das Wohnhaus des Klägers eingebrochen. Ein Tresor, in dem sich Schmuck und Bargeld befanden, wurde von den Tätern komplett entwendet. Dieser Tresor hatte kein Mindestgewicht von 200 kg und war auch nicht eingemauert.
11Unstreitig wurden bei dem Einbruch Bargeld in Höhe von 1.570,00 € und Schmuck im Wert von mindestens 37.000,00 € entwendet.
12Die Beklagte erbrachte – entsprechend der Regelung unter Ziff. 1.3.2 der VHB – für das entwendete Bargeld eine Versicherungsleistung von 1.500,00 € und für den entwendeten Schmuck eine Versicherungsleistung von 21.000,00 €.
13Der Kläger verlangt weitere 70,00 € für entwendetes Bargeld sowie weitere 16.000,00 € für entwendeten Schmuck.
14Er ist der Ansicht, bei der Regelung unter Ziff. 1.3.2 der VHB handele es sich um eine überraschende Klausel, die den Versicherungsnehmer zudem unangemessen benachteilige und deshalb unwirksam sei. Eine Benachteiligung liege auch darin, dass keine Unterscheidung getroffen werde zwischen einer Aufbewahrung in einem nicht den Versicherungsbedingungen entsprechenden Tresor und einer Aufbewahrung ohne Schutzvorrichtung.
15Der Kläger ist weiter der Ansicht, er hätte auf den Inhalt der Regelung unter Ziff. 1.3.2 der VHB bei Vertragsschluss und bei jährlichen Mitteilungen hingewiesen werden müssen. Bei einem solchen Hinweis hätte er einen anderen, den Bedingungen entsprechenden Tresor angeschafft.
16Der Kläger beantragt,
17die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.070,00 € nebst Zinsen in Höhe von
185 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.06.2012 zu zahlen.
19Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Sie ist der Ansicht, die unter Ziff. 1.3.2 der VHB geregelte Entschädigungsbegrenzung sei wirksam.
22Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
23Entscheidungsgründe
24Die Klage ist nicht begründet.
25Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf weitere Leistungen aus der Hausratversicherung, da die Versicherungsleistung für Bargeld und Schmuck wirksam gemäß Ziff. 1.3.2 der VHB begrenzt ist.
26Unstreitig waren das entwendete Bargeld und der entwendete Schmuck weder in einem verschlossenen mehrwandigen Stahlschrank mit einem Mindestgewicht von 200 kg noch in einem eingemauerten Stahlwandschrank mit mehrwandiger Tür aufbewahrt worden. Die Beklagte hat daher zu Recht ihre Versicherungsleistungen gemäß der unter Ziff. 1.3.2 der VHB enthalten Regelung auf 1.500 ,00 € für Bargeld und 21.000,00 € für Schmuck begrenzt.
27Bedenken gegen die Wirksamkeit der Entschädigungsgrenze im Hinblick auf das AGB-Recht bestehen nicht.
28Wertgrenzen, wie sie in Ziff. 1.3.2 der VHB enthalten sind, sind weder überraschend im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB noch wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB unwirksam. Das OLG Hamm hat im Beschluss vom 03. Mai 2013 – 20 U 247/12 – juris, hierzu ausgeführt:
29"Eine Unwirksamkeit wegen Verstoßes gegen § 305 c Abs. 1 BGB läge nur dann vor, wenn eine deutliche Abweichung zwischen den Erwartungen eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers einerseits und der betreffenden Klausel andererseits bestünde. Die berechtigten Erwartungen des Versicherungsnehmers werden dabei von allgemeinen Umständen, wie etwa dem Grad der Abweichung von dispositiven Normen bzw. den Umständen des Vertragsschlusses, bestimmt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 21.11.1991, IX ZR 60/91; Saarländisches OLG, VersR 2011, 489). Daran gemessen handelt es sich bei der fraglichen Regelung nicht um eine überraschende Klausel. Ein gewöhnlicher Versicherungsnehmer wird nämlich durchaus damit rechnen, dass der Versicherer einer Hausratversicherung nicht ohne weiteres für Bargeldbeträge in Höhe der vollen Versicherungssumme einstehen wird (siehe dazu bereits Beschluss des Senats vom 04.01.2012, 20 U 124/11- juris, zu § 15 Nr. 1 und 2 AVB m.w.N.).
30Die Klauseln ist auch nicht wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, denn sie benachteiligt den Versicherungsnehmer nicht in unangemessener Weise. Angesichts der bei der Hausratversicherung in der Regel überschaubaren Prämienhöhe stellt die Vereinbarung von Entschädigungsgrenzen für Wertsachen in Abhängigkeit von ihrer konkreten Aufbewahrung gerade keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer muss deshalb mit einer Entschädigungsgrenze rechnen (so bereits OLG Celle, Urteil vom 23.09.2010, 8 U 47/10, juris Tz. 34 m.w.N.; Saarländisches OLG, VersR 2011, 489, Juris Tz. 31)." Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an.
31Eine Unwirksamkeit der Bedingungen ergibt sich auch nicht daraus, dass die Voraussetzungen eines Wertschutzbehältnisses gemäß Ziff. 1.3.2 der VHB einheitlich geregelt sind und keine Staffelung danach vorsehen, ob ein Tresor etwa 50 kg, 100 kg oder 150 kg wiegt.
32Der Sinn und Zweck der Regelung unter Ziff. 1.3.2 VHB liegt darin, dass der Versicherungsnehmer nur unter den dort genannten Voraussetzungen Versicherungsschutz nach den höheren, in Ziff. 1.3.1 VHB geregelten Wertgrenzen erhält. Nur dann stellt der Diebstahl von Wertsachen bestimmten Wertes für den Versicherer ein noch tragbares Risiko dar. Die Regelung führt demnach dazu, dass von vornherein nur ausschnittsweise Deckung gewährt wird für Wertsachen bis zu der niedrigeren Entschädigungsgrenzen gemäß Ziff. 1.3.2 VHB. Versicherungsschutz in Höhe der höheren Wertgrenzen gemäß Ziff. 1.3.1 VHB wird folglich nur dann gewährt, wenn die weiteren unter Ziff. 1.3.2 VHB genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Demnach wird nicht etwa ein gegebener Versicherungsschutz wegen nachlässigen Verhaltens – Aufbewahrung in einem Tresor mit geringerem Gewicht als 200 kg - wieder entzogen, sondern der Versicherungsschutz wird überhaupt nur unter den unter Ziff. 1.3.2 VHB genannten Voraussetzungen gewährt. Dass der Versicherer jegliche Aufbewahrung von Wertsachen außerhalb von Wertschutzbehältnisses gemäß Ziff. 1.3.2 VHB als nicht mehr tragbares Risiko einstuft, ist nicht zu beanstanden. Hierbei ist zu bedenken, dass der Versicherer in der Einbruchdiebstahlversicherung den Diebstahl von Wertsachen auch vom Versicherungsschutz von vornherein gänzlich ausnehmen kann, ohne dass die Versicherung damit jeden Wert verlieren würde.
33Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, auf die Regelung zu Wertschutzbehältnissen gemäß Ziff. 1.3.2 VHB im Versicherungsschein oder in jährlichen Mitteilungen nochmals gesondert hinzuweisen, da diese Regelung wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, nicht so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet wäre. Bei der gebotenen wertenden Betrachtung begrenzt die angegriffene Klausel die Leistungspflicht der Beklagten angemessen. Eine Hausratsversicherung soll nicht die üblichen Regeln vernünftigen Verhaltens abändern und strukturell eine absolute „sorglos“ Mentalität bewirken. Jedenfalls entspräche es ohne Hausratsversicherung sicherlich rationalem Verhalten, bedeutende Wertsachen, insbesondere Schmuck von erheblichem Umfang, besonders gesichert zu verwahren (so auch LG Hamburg, Urteil vom 20. Februar 2009 – 302 O 143/08 –, juris).
34Entgegen der Ansicht des Klägers wird durch Ziff. 1.3.2 VHB auch nicht die im Versicherungsschein genannte Regelung, dass Wertsachen bis zu 40 % der Versicherungssumme versichert sind, zunichte gemacht. Hierin liegt eine Erhöhung der unter Ziff. 1.3.1 VHB genannten Begrenzung (dort 20 %), bei der es sich um eine generelle und prozentual an der Versicherungssumme ausgerichtete Obergrenze für alle Wertsachen handelt, soweit diese vom Versicherungsschutz umfasst sind. Schmucksachen, die nicht in Wertschutzbehältnissen gemäß Ziff. 1.3.2 VHB verwahrt sind, sind dagegen in jedem Fall oberhalb eines Wertes von 21.000,00 nicht gegen eine Entwendung versichert.
35(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.
(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
Individuelle Vertragsabreden haben Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.
(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.
(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 18. Dezember 2009 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) geschlossene Gesellschaftervereinbarung vom 29. August 2006 – Urkunden-Nr. 428/06 des Notars T‑T1, P (Anlage K 16) – nichtig ist und dass ein Kaufvertrag über die in Ziffer 4.1 der vorgenannten Gesellschaftervereinbarung definierten Optionsanteile durch die am 24. April 2008 von der Beklagten zu 1) erklärte Ausübungserklärung – Urkunden- Nr. G 1097/2008 des Notars Dr. H, N (Anlage K 102) – nicht zustande gekommen ist.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin und der Beklagten zu 1) tragen die Klägerin 2/3 und die Beklagte zu 1) 1/3. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten aller weiteren Beklagten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jeder Partei wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe:
1I.
2Die Klägerin, bei der es sich um ein im Familienbesitz befindliches mittelständisches Bauunternehmen mit Sitz in P handelt, die bis zur Eintragung ihrer formwechselnden Umwandlung Ende des Jahres 2009 als L3 AG firmierte, verfolgt gegenüber den Beklagten Ansprüche, die nach ihrer Auffassung im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung an der X AG im Jahr 2006 entstanden sind. Bei der Zielgesellschaft handelte es sich um ein seinerzeit ebenfalls mittelständisches Bauunternehmen mit Sitz in E, das sowohl überregional als auch international tätig war.
3Aktionäre der X AG waren nach einer im Jahr 2004 durchgeführten Erhöhung des Grundkapitals auf 19.330.000 € die Beklagte zu 1), die Beklagten zu 4) und zu 6) sowie Herr T, die die vinkulierten (Namens‑)Aktien mit einem Nennwert von jeweils 5 € wie folgt hielten:
4Beklagte zu 1): 1.583.000 Aktien (40,95 %)
5Beklagte zu 4): 1.500.000 Aktien (38,80 %)
6Beklagte zu 6): 500.000 Aktien (12,93 %)
7Herr T: 283.000 Aktien ( 7,32 %)
8Mitte des Jahres 2006 kaufte die Klägerin von den Beklagten zu 4) (Anlagen K14+K15) und zu 6) (Anlage K17) sowie von dem Mitte 2007 verstorbenen Herrn T (Anlage K18) sämtliche von diesen an der X AG gehaltene Aktien und erwarb dadurch eine fast 60 %‑ige Beteiligung an dieser Gesellschaft. Mit der noch verbleibenden Minderheitsaktionärin, der Beklagten zu 1), schloss sie eine notariell beurkundete Gesellschaftervereinbarung (Anlage K16), nach deren Inhalt sie – die Klägerin – die unternehmerische Führung bei der X AG erhalten und der Beklagten zu 1) ein Optionsrecht zum Verkauf ihrer Anteile an die Klägerin zu einem bestimmten Preis einräumte. Die Klägerin hat mittlerweile die zugrunde liegenden Verträge angefochten (Anlage K26) und die mit der Beklagten zu 1) geschlossene Gesellschaftervereinbarung zudem hilfsweise außerordentlich gekündigt (Anlage K26). Sie hat dazu behauptet, bei den Abschlüssen der Verträge arglistig getäuscht worden zu sein. Sie macht daher geltend, dass ihr die Veräußerer der Aktien deshalb zur Rückabwicklung der Erwerbsverträge und ebenso wie die übrigen Beklagten, die als deren Vertreter, Erfüllungsgehilfen oder Organpersonen gehandelt hätten, darüber hinaus zum Schadensersatz verpflichtet seien. Des Weiteren begehrt sie die Feststellung der Nichtigkeit der mit der Beklagten zu 1) abgeschlossenen Gesellschaftervereinbarung.
9Bei der Beklagten zu 1) handelt es sich um eine mit Gesellschaftsvertrag vom 10.12.1994 (Anlage K34) gegründete Kommanditgesellschaft, deren persönlich haftende Gesellschafter die Beklagten zu 2) und zu 3) sind (§ 3 Ziffer 1a GV) und deren alleiniger Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist (§ 4 Abs. 1 GV). Einzige Kommanditistin der Beklagten zu 1) mit einer Kommanditeinlage von 250.000 DM (§ 3 Abs. 1b und Abs. 3 GV) ist die C & C1 (im Folgenden: C & C1), bei der es sich um eine Personengesellschaft arabischen Rechts mit Sitz in K/Saudi‑Arabien handelt. § 4 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages der Beklagten zu 1) sieht vor, dass die persönlich haftenden Gesellschafter verpflichtet sind, die Geschäfte der Gesellschaft in Übereinstimmung mit den Gesetzen, dem Gesellschaftsvertrag sowie den Beschlüssen der Gesellschaft zu führen.
10Der Beklagte zu 3) ist mit einem in der Höhe umstrittenen – mindestens aber 4%‑igen – Anteil neben weiteren Mitgliedern der Familie C als Gesellschafter an der C & C1 beteiligt; demgegenüber ist der Beklagte zu 2) weder Gesellschafter noch Geschäftsführer der C & C1, deren Direktoren T B C und B B1 C1 sind. Die C & C1 hält einen Anteil von 51 % an der Saudi X Ltd. (im Folgenden: Saudi X Ltd.), deren weitere Gesellschafterin die X AG mit einem Anteil von 49 % ist.
11Gegenüber der Bank Saudi B‑G gab die X AG am 27.08.2002 (Anlage K82) – wie zuvor schon in den Jahren 1998 und 2000 (Anlagen K80+K81) – eine Erklärung ab, in der es wie folgt heißt:
12„X ist sich bewusst, dass Ihre Bank unserer oben genannten 49‑prozentigen Tochtergesellschaft Bankkredite in einer Höhe von insgesamt SR 42.000.000,00 (…) zur Verfügung gestellt hat, die sich wie folgt aufteilen: (…)
13Es ist unser Verständnis, dass diese Kredite gegenwärtig gültig sind und jährlich überprüft werden.
14Wir möchten anführen, dass es die Politik der X ist, dass ihre oben genannte Tochtergesellschaft den oben beschriebenen Verpflichtungen nachkommt. Andererseits halten wir ihre Bank im Voraus über jegliche Veränderung bezüglich der Eigentümerschaft der oben genannten Tochtergesellschaft auf dem Laufenden, so dass Sie der Saudi X Ltd. bewilligten Kredite dementsprechend überprüfen können.“
15Bei der Beklagten zu 4) handelt es sich um eine Aktiengesellschaft französischen Rechts, die mit 1.500.000 Aktien als Aktionärin an der X AG beteiligt war.
16Der Beklagte zu 5), der Herrn Dr. L im Jahr 2005 im Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden der X AG nachfolgte und auch Mitglied des Stiftungsvorstandes der Beklagten zu 6) ist, ist Testamentsvollstrecker über den Nachlass des am 02.07.2007 verstorbenen Aktionärs T.
17Die Beklagte zu 6) war ebenfalls Aktionärin der X AG und ist zudem testamentarische Alleinerbin des verstorbenen Herrn T.
18Bei der Beklagten zu 7) handelt es sich um die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die bereits in der Vergangenheit und nach zwischenzeitlicher Unterbrechung zuletzt wieder die Abschlüsse der X AG für die Jahre 2004 und 2005 überprüft und testiert hat. Grundlage für die Prüfung des Jahresabschlusses zum 31.12.2005 war der schriftliche Vertrag vom 07.09./27.09.2005, dem die allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfergesellschaften vom 01.01.2002 zugrunde lagen (Anlage S&J6). Die geschäftsführenden Partner der Beklagten zu 7), die Beklagten zu 8) und zu 9), führten die Abschlussprüfungen durch und standen der Klägerin bzw. deren Vertretern am 28.04.2006 in den Räumlichkeiten der X AG zu einem Informationsgespräch zur Verfügung, deren Umstände und Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind.
19Der Beklagte zu 10) war von 1989 bis September 1998 Vorstandsmitglied und seit Juni 2001 Mitglied des Aufsichtsrates der X AG, dem er bis zum 21.12.2006 angehörte. Er war seit September 2004 auch für die Saudi X Ltd. beratend auf der Grundlage einer Vereinbarung vom 14.10.2004 (Anlage K2) tätig.
20Die Beklagten zu 11), zu 12) und zu 13) bildeten den Vorstand der X AG, dessen Vorsitzender der Beklagte zu 11) war. Der Beklagte zu 12) war seit Februar 2002 für den kaufmännischen und der Beklagte zu 13) seit 1999 für den technischen Bereich im Vorstand zuständig. Im Zusammenhang mit der Übernahme der Mehrheit der Geschäftsanteile durch die Klägerin schieden die vorgenannten Vorstandsmitglieder sukzessive bis Ende März 2007 aus dem Unternehmen aus.
21Die Klägerin, die bereits während des Jahres 2004 gegenüber der Beklagten zu 4) Interesse an dem Erwerb der von dieser gehaltenen Aktien an der X AG zeigte, nahm im Dezember 2004 über ihre Vertreter Kontakt mit dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden, Herrn Dr. L, auf und bekundete diesem gegenüber ihr Interesse an einer Mehrheitsbeteiligung an der X AG durch Erwerb der Aktien der Beklagten zu 1) und zu 4). Die anschließend geführte Korrespondenz, wegen deren Einzelheiten auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen wird (S. 4 ff. UA), endete damit, dass die Beklagte zu 1) nicht bereit war, ihre Anteile an die Klägerin zu verkaufen, während die Klägerin mit der Beklagten zu 4), die nach ihrem eigenem Bekunden grundsätzlich Verkaufsbereitschaft zum Nominalwert der Aktien zeigte, ihre Vertragsverhandlungen fortsetzten.
22Mit gleichlautenden Schreiben vom 06.02.2006 (Anlagen K4 + K5 sowie HES2 und HES3) bot die Klägerin schließlich jedenfalls den Beklagten zu 1), zu 6) und Herrn T – die Beklagte zu 4) hat den Erhalt eines solchen Schreibens bestritten – an, ihren Aktienanteil zum anteiligen Nominalwert des Eigenkapitals abzüglich der Unterdeckung der Unterstützungskasse in Höhe von 6.400.000 € zu kaufen, und schlug eine Due Dilligence Prüfung bezüglich der geschäftsentscheidenden Vorgänge in der X AG vor. Eine Durchführung dieser Prüfung erfolgte jedoch nicht, wobei die Gründe für ihr Unterbleiben zwischen den Parteien streitig sind.
23Mit Schreiben vom 27.03.2006 (Anlage K8) teilte die Beklagte zu 7) dem Beklagten zu 10) auszugsweise Folgendes mit:
24„(…) selbstverständlich sind wir gerne bereit, einem potentiellen Kaufinteressenten Auskünfte über die Jahresabschlüsse X 2005 und Vorjahre zu geben, bitten allerdings um Ihr Verständnis, dass hier einige formelle Hürden vorab geklärt werden müssen:
251. Wir benötigen einen Auftrag aller beteiligten Aktionärsgruppen. Entsprechende Auftragsschreiben sind für jeden der Beteiligten beigefügt.
262. Wie Sie wissen, unterliegen wir einer strengen Verschwiegenheitsverpflichtung. Die Entbindung von dieser Verschwiegenheitsverpflichtung kann nur der Vorstand erklären. Dieses ergibt sich einmal aus unseren Auftragsbedingungen (Ziffer 12, Punkt 1), zum anderen entspricht es den berufsrechtlichen Grundsätzen, dass das für die Geschäftsführung befugte Organ die Freistellung erklären muss. (…)“
27(…)
28Wir bitten um Ihr Verständnis, dass wir darauf bestehen müssen, dass die vorgenannten Erklärungen und Unterlagen vor Beginn des ins Auge gefassten Gesprächstermins vorliegen müssen. (…)“
29Im Anschluss daran gaben die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 28.03.2006 (Anlage K9), die Beklagte zu 4) mit Schreiben vom 29.03.2006 (Anlage K10) sowie die Beklagte zu 6) und Herr T mit gemeinsamem Schreiben vom 03.04.2006 (Anlage K11) die Erklärungen ab, die die Beklagte zu 7) nach eigener Äußerung in die Lage versetzten, dem Wirtschaftsprüfer des Kaufinteressenten jegliche Auskünfte zu erteilen, die die Jahresabschlüsse zum 31.12.2005 und der Vorjahre betreffen. Auf die genannten Urkunden wird wegen des genauen Erklärungsinhalts Bezug genommen. Der Inhalt dieser Schreiben wurde der Klägerin seinerzeit nicht offengelegt; sie erlangte davon erst Kenntnis, nachdem sie die Mehrheitsbeteiligung an der X AG erworben hatte.
30Am 28.04.2006 fand mit Billigung des Vorstandes der X AG in den Geschäftsräumen der Beklagten zu 7) eine Besprechung statt. Wegen des der Besprechung unmittelbar vorangegangenen und sich anschließenden Schriftwechsels der Klägerin mit der Beklagten zu 7) und den Aktionären sowie des e-mail-Verkehrs des Zeugen Dr. I mit dem Beklagten zu 8) wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (S. 9‑14 UA).
31Im Verlauf des Gesprächs vom 28.04.2006 wurde den Vertretern der Klägerin auch der – zwischenzeitlich von der Beklagten zu 7) mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk versehene – Jahresabschluss der X AG zum 31.12.2005 (Anlagen K7+K8), dem der Aufsichtsrat tags zuvor ebenfalls zugestimmt hatte (Anlage K71), zur Einsicht vorgelegt. An der Besprechung nahmen für die Klägerin die Herren Dr. L3 und L1 teil, für die von der Klägerin beauftragte und hinzugezogene Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Qaa der Zeuge Dr. I, für die Beklagte zu 7) die Beklagten zu 8) und zu 9), (zeitweise) der Beklagte zu 5) für die X AG in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Aufsichtsrats sowie (ebenfalls zeitweise) der Beklagte zu 10), dessen Funktion bei der Teilnahme an dem Gespräch nach dem Tatbestand der angefochtenen Entscheidung zwischen den Parteien umstritten war. Er selbst hat bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat angegeben, er sei als Mitglied des Aufsichtsrats der X AG zugegen gewesen.
32Nach einer entsprechenden Erklärung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 06.04.2011 ist zwischen den Parteien unstreitig, dass in dem Gespräch am 28.04.2006 weder über das Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage noch über offene Einlageverbindlichkeiten gesprochen worden ist.
33Mit schriftlichem Vertrag vom 30.06.2006 (Anlage K14) veräußerte die Beklagte zu 4) ihre Beteiligung von 1.500.000 Aktien an die Klägerin. Der für die Übertragung der Aktien zunächst vereinbarte Kaufpreis von 7.700.000 € ist mit Änderungsvereinbarung vom 01.09.2006 (Anlage K15) um 200.000 € auf 7.500.000 € reduziert worden. Dessen Bezahlung durch die Klägerin ist am 28.09.2006 erfolgt. Wegen der Einzelheiten der beiden Verträge wird auf den Inhalt der beiden Vertragsurkunden Bezug genommen (Anlagen K14 + K15).
34Am 29.08.2006 schlossen die Klägerin und die Beklagte zu 1), die durch den Beklagten zu 10) vertreten wurde, eine notariell beurkundete „Gesellschaftervereinbarung“ (UR‑Nr. 428/06 des Notars T-T1 in P (Anlage K16)), in deren Präambel es unter lit. (D) wie folgt heißt:
35„Die Anteilsinhaber sind sich einig, dass L3 [die Klägerin] aufgrund ihrer umfassenden Erfahrungen im Baugewerbe einen maßgeblichen Einfluss auf die X AG und dort die unternehmerische Führung mit entsprechenden Freiheiten, abgesichert durch umfassende Weisungsmöglichkeiten gegenüber der Geschäftsführung der benannten Gesellschaft, erlangen soll. Zu diesem Zweck ist geplant, dass die X AG aus der derzeitigen Rechtsform der Aktiengesellschaft in die Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt wird (…). Demgegenüber hat … [die Beklagte zu 1) das Interesse, seine Beteiligung an der Gesellschaft als werthaltig zu erhalten und darüber hinaus den Wert der Beteiligungen noch zu steigern. Die Anteilsinhaber sind sich ferner einig, dass L3 als Ausgleich dafür, dass sie die vorstehend beschriebene vollständige unternehmerische Führung erhält, … [die Beklagte zu 1] ein Optionsrecht im Hinblick auf ihre Anteile an der Gesellschaft gewähren soll sowie gegenüber .. [der Beklagten zu 1] für eine Mindestdividende der Gesellschaft einstehen soll.“
36Die Beklagte zu 1) verpflichtete sich, zu näher bezeichneten Beschlussgegenständen ihr Stimmrecht nach Weisung der Klägerin wahrzunehmen oder sich zu enthalten. Die Klägerin räumte der Beklagten zu 1) ein Optionsrecht zum Verkauf der Gesellschaftsanteile der Beklagten zu 1) ein („Put-Option“) und gab ein unbedingtes und unwiderrufliches Angebot zum Kauf und zur Anteilsübertragung ab. Ziffer 4.3.1 der Vertragsurkunde enthält folgende Regelung:
37„Die Put-Option ist schriftlich per Einschreiben/Rückschein gegenüber L3 auszuüben. Ab dem 1. Januar 2012 kann sie nicht ausgeübt werden, wenn im Hinblick auf die Gesellschaft ein Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren vorliegt.“
38Der Kaufpreis wurde – ausgehend von 1.583.00 Aktien – wie folgt festgelegt (Ziffer 4.6 der Gesellschaftervereinbarung):
39Ausübung der Put-Option im Geschäftsjahr 2007 oder 2008: 7.915.000 €
40Ausübung der Put-Option im Geschäftsjahr 2009 oder 2010: 9.498.000 €
41Ausübung der Put-Option im Geschäftsjahr 2011: 9.893.750 €
42Ausübung der Put-Option ab dem Geschäftsjahr 2012: 7.915.000 €
43Unter anderem heißt es in Ziffer 4.9:
44„Die Festlegung der vorgenannten Kaufpreise basiert auf der Annahme, dass das im Jahresabschluss der Gesellschaft zum 31. Dezember 2005 (nachfolgend „Jahresabschluss“ genannt) ausgewiesene Eigenkapital gemäß § 266 Abs. 3 A. HGB nicht um mehr als 15 % unter dem tatsächlichen Wert des Eigenkapitals zum 31. Dezember 2005 liegt. (…)“
45In Ziffer 4.11 ist Folgendes geregelt:
46„Steht unter Berücksichtigung des in Ziffern 4.9 und 4.10 dargelegten Prozederes fest, dass das tatsächliche Eigenkapital der Gesellschaft zum 31. Dezember 2005 um mehr als 15 % niedriger ist als das in dem Jahresabschluss ausgewiesene Eigenkapital, reduziert sich der Kaufpreis für die Gebundenen Anteile gemäß Ziffer 4.1 jeweils um € 791.500,00 (…), dies entspricht auf die derzeitige Aktienstückelung einer Reduktion von € 0,50 (…) je Aktie. Weitergehende Ansprüche von L3 sind in diesem Zusammenhang ausgeschlossen.“
47Die Klägerin unterwarf sich des Weiteren wegen der Zahlungsverpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung (Ziffer 4.19 der Gesellschaftervereinbarung) in ihr gesamtes Vermögen. Die Beklagte zu 1) garantierte (Ziffer 4.13 der Vereinbarung) „im Sinne eines selbständigen Garantievertrages“ der Klägerin unter anderem, dass sie ihre Einlagen vollständig eingezahlt habe und eine Nachschusspflicht gleichgültig aus welchem Rechtsgrund, auch wegen unzureichender oder verschleierter Sachgründung/Sacheinlage nicht vorliege. Wenn eine oder mehrere der Garantiezusagen der Beklagten zu 1) falsch sein sollten, sollte die Klägerin jeweils nach ihrer Wahl die Herstellung des garantierten Zustandes oder Schadensersatz verlangen können. Soweit die Beklagte zu 1) keine Garantien übernommen hatte, sollte jede Haftung und Gewährleistung, gleich aus welchem Rechtsgrund, soweit gesetzlich zulässig, ausgeschlossen sein.
48Ziffer 6.1 der Vertragsurkunde enthält unter Anderem folgende Regelung:
49„Das Recht zur sofortigen, fristlosen, außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. Ein wichtiger Grund liegt jeweils nur vor, wenn es für den kündigenden Anteilsinhaber auch unter Berücksichtigung der Tatsache seiner Akzeptanz der unter Ziffer (D) der Präambel niedergelegten Zielrichtung dieser Gesellschaftervereinbarung und den sonstigen Regelungen des Vertrages, insbesondere in Ziffer 5., unzumutbar ist, die Gesellschaftervereinbarung bis zur ordnungsgemäßen Kündigung fortzusetzen. Bei Vorliegen der vorstehend benannten Kündigung aus wichtigem Grunde kann diese von der jeweiligen Vertragspartei, die den wichtigen Grund nicht zu vertreten hat, mit sofortiger Wirkung ausgeübt werden, mit der Folge, dass die Verpflichtungen von L3 nach Ziffer 5., die Verpflichtungen von … [der Beklagten zu 1] nach Ziffer 2. und das Optionsrecht von … [der Beklagten zu 1] nach Ziffer 4. jeweils mit Ausübung des Kündigungsrechtes entfallen.“
50Abschließend heißt es in Ziffer 9.11 der Gesellschaftervereinbarung:
51„Sollten einzelne Bestimmungen dieser Gesellschaftervereinbarung ganz oder teilweise unwirksam oder undurchführbar sein oder werden oder die Gesellschaftervereinbarung eine in sich notwendige Regelung nicht enthalten, so wird die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt. Anstelle der unwirksamen oder undurchführbaren Bestimmung oder zur Ausfüllung der Regelungslücke wird diejenige rechtlich zulässige Bestimmung vereinbart werden, die soweit wie möglich dem entspricht, was die Anteilsinhaber gewollt haben oder nach Sinn und Zweck dieser Gesellschaftervereinbarung von den Anteilsinhabern vereinbart worden wäre, wenn sie die Unwirksamkeit oder Undurchführbarkeit der betreffenden Bestimmung bzw. Regelungslücke bedacht hätten. Dies gilt auch dann, wenn die Unwirksamkeit oder Undurchführbarkeit auf einem in dieser Gesellschaftervereinbarung vorgeschriebenen Maß der Leistung oder der Zeit beruht. In diesem Fall tritt ein dem Gewollten möglichst nahe kommendes, rechtlich zulässiges Maß der Leistung oder der Zeit anstelle des in dieser Gesellschaftervereinbarung vorgeschriebenen.“
52Wegen des Inhalts der Vereinbarung wird im Übrigen auf die Kopie der Vertragsurkunde (Anlage K16) verwiesen.
53Mit schriftlichen Verträgen jeweils vom 30.08.2006, auf deren Einzelheiten ebenfalls Bezug genommen wird (Anlagen K17 und K18), veräußerten die Beklagte zu 6) und Herr T die von ihnen gehaltenen 500.000 und 283.000 Aktien der X AG zu Kaufpreisen von 2.400.000 € und 1.903.000 € an die Klägerin. Die Bezahlung dieser Kaufpreise durch die Klägerin erfolgte – was die Beklagte zu 4) bestritten hat – am 09.10.2006.
54Im Hinblick auf die in Ziffer 4.9 der Gesellschaftervereinbarung vom 29.08.2006 ausbedungene Eigenkapitalgarantie beauftragte die Klägerin anschließend die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Qaa mit der Überprüfung des von der Beklagten zu 7) geprüften und am 31.03.2006 mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerks versehenen Jahresabschlusses zum 31.12.2005. Mit schriftlichem Vermerk vom 07.12.2006 (Anlage K21) berichtete die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft der Klägerin, dass ihre Überprüfung zu dem Ergebnis gekommen sei, dass das in Höhe von 25.272.000 € ausgewiesene Eigenkapital der X AG um 17.592.000 € zu reduzieren sei. Die Saudi X Ltd. sei wirtschaftlich überschuldet und habe ihre aktive Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer eingestellt; die im Zusammenhang mit dieser Auslandsgesellschaft bilanzierten Vermögensgegenstände seien nicht werthaltig, da auch insoweit das Eigenkapital zu hoch ausgewiesen sei; zudem sei der Jahresabschluss hinsichtlich der Verpflichtungen der X AG aus einer gegenüber der Bank Saudi B G abgegebenen Patronatserklärung unvollständig.
55Nachdem der Aufsichtsrat der X AG Herrn Dr. L3 am 12.10.2006 (Anlage K19) zum einzelvertretungsberechtigten Vorstand der X AG bestellt hatte, beschlossen die Klägerin und der Beklagte zu 1) in der Hauptversammlung vom 05.12.2006 (Anlage K20) die formwechselnde Umwandlung der X AG in eine GmbH, an der die Klägerin mit einem Geschäftsanteil im Nennbetrag von 11.415.000 € und die Beklagte zu 1) mit einem Geschäftsanteil im Nennbetrag von 7.915.000 € beteiligt waren.
56In der Folgezeit nahm die Klägerin bei der X GmbH zahlreiche Umstrukturierungen vor. Ihre Geschäftsführer haben am 03.04.2007 (Anlage K25) wegen Überschuldung und drohender Zahlungsunfähigkeit Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen gestellt. Mit Beschluss vom 01.06.2007 hat das Amtsgericht E das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt Dr. B1 zum Insolvenzverwalter bestellt.
57Mit Schreiben vom 12.04.2007 (Anlage K26) – die Datierung 12.03.2007 ist unstreitig fehlerhaft – an die Beklagte zu 1), vom 21.09.2007 an die Beklagten zu 4) und zu 6) (Anlage K26) und ebenfalls vom 21.09.2007 (Anlage K26) gerichtet an – den bereits am 02.07.2007 verstorbenen – Herrn T hat die Klägerin die Anfechtung der abgeschlossenen Verträge und im Fall der Beklagten zu 1) zudem hilfsweise die außerordentliche Kündigung der Gesellschaftervereinbarung unter Bezugnahme auf dessen Ziffer 6.1 erklärt. Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt, dass der Jahresabschluss zum 31.12.2005 manipuliert worden sei und die Beklagten zu 8) und zu 9) Bilanzmanipulationen am 28.04.2006 bewusst verschwiegen hätten. Das Eigenkapital habe zum Stichtag nicht 25.300.000 € betragen, sondern sei bereits negativ gewesen. Hinzu komme, dass die Beklagten zu 8) und zu 9) aktiv an der Gestaltung einer verdeckten Sacheinlage mitgewirkt hätten.
58Die Beklagte zu 1) hat – vertreten durch den Beklagten zu 2) – mit notariell beurkundeter Erklärung vom 24.04.2008 (Anlage K102 – Bl. 344/II d.A.) von ihrem vertraglich eingeräumten Optionsrecht Gebrauch gemacht und die Klägerin mit Schreiben vom 21.07.2008 (Bl. 1238 ff./V d.A.) zur Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 7.123.500 € (= 7.915.000 € abzüglich von 10 %) sowie der Mindestdividende in Höhe von 356.175 € aufgefordert. Die Beklagte zu 1) hat zwischenzeitlich die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 29.08.2006 betrieben. Dagegen hat sich die Klägerin mit der Vollstreckungsabwehrklage gewendet, die inzwischen durch das Landgericht an das Landgericht P verwiesen worden ist.
59Die Klägerin hat behauptet, in dem Gespräch am 28.04.2006 über die wirtschaftliche Lage der X AG getäuscht worden zu sein. Dort habe zunächst der Beklagte zu 10) wahrheitswidrig erklärt, dass die im Jahresabschluss erfolgte Abschreibung der Saudi X Ltd. das Ergebnis einer schlechten Geschäftsentwicklung sei, da ein Bauvorhaben wegen der Zahlungsverweigerung eines Kunden schlecht laufe; im Übrigen habe er die Aussichten aber als positiv beschrieben. Tatsächlich sei die Saudi X Ltd. überschuldet und zahlungsfähig gewesen. Darüber hinaus habe der Beklagte zu 10) auf ausdrückliche Nachfrage und von den übrigen an dem Gespräch beteiligten Personen unwidersprochen erklärt, dass es keine Patronatserklärungen oder Haftungszusagen durch die X AG gegenüber der Saudi X Ltd. gebe. In dem Gespräch hätten die für die Beklagte zu 7) auftretenden Beklagten zu 8) und zu 9) auf Nachfrage im Einzelnen unrichtige Angaben über den Inhalt des Prüfberichts über den Jahresabschluss zum 31.12.2005 gemacht. Gleichermaßen sei die wirtschaftliche Lage der X AG in dem Jahresabschluss durch die Beklagten zu 11), 12) und zu 13) selbst unrichtig wiedergegeben und über das Ergebnis der Prüfung durch die Beklagten zu 8) und zu 9) im Prüfbericht unrichtig berichtet worden. Die Klägerin hat insoweit behauptet, dass nicht nur in Kenntnis, sondern auf Geheiß durch die Beklagten zu 11), 12) und 13) eine Manipulation des Jahresabschlusses stattgefunden habe, die auch den Beklagten zu 8) und zu 9) nicht verborgen geblieben sein könne. So seien Vorräte insgesamt in den Leistungsmeldungen durch Erhöhung der Leistungswerte und Herabsetzung der Nachunternehmerkosten geschönt worden, was sich beispielhaft an fünf im Einzelnen näher dargestellten Bauvorhaben zeige. Darüber hinaus seien auch einzelne Forderungen fehlerhaft bewertet worden. Zudem seien auch Verbindlichkeiten aus Garantien und Sicherheitseinbehalten zu Unrecht als verjährt ausgebucht und nicht als periodenfremde Erträge ausgewiesen worden. Ferner sei die Bildung von Rückstellungen für Drohverluste aus einer Mietgarantie für ein Objekt in N unterblieben. Schließlich lasse der Jahresabschluss zum 31.12.2005 nicht erkennen, dass die von der Beklagten zu 1) nach der Kapitalerhöhung übernommene Einlage in Höhe von rund 2,2 Mio. € verdeckt als Sacheinlage erbracht worden sei. Sowohl die Beklagten zu 11), 12) und 13) als auch die Beklagten zu 8) und zu 9) hätten um diese Unrichtigkeiten gewusst bzw. sie für möglich gehalten. Jedenfalls hätten die Beklagten zu 8) und zu 9) die Unrichtigkeiten bei einer sachgerecht durchgeführten Prüfung des Jahresabschlusses erkennen können und müssen. Die Klägerin hat weiter behauptet, dass sie die Anteilskaufverträge und die Gesellschaftervereinbarung nicht abgeschlossen hätte, wenn sie von dem Ausmaß der von ihr behaupteten Unrichtigkeit des Jahresabschluss Kenntnis gehabt hätte.
60Nachdem das Landgericht den von der Klägerin angekündigten Antrag zu 1), mit dem sie – gegenüber der Beklagten zu 1) – begehrt hatte, deren Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars T-T1 in P, UR-Nr. 428/06, für unzulässig zu erklären, mit Beschluss vom 17.07.2008 (Bl. 837/III d.A.) abgetrennt und wegen ausschließlicher Zuständigkeit des Landgerichts P nach dorthin verwiesen hatte, hat die Klägerin zuletzt noch beantragt:
612. festzustellen, dass die zwischen ihr und der Beklagten zu 1) geschlossene Gesellschaftervereinbarung vom 29. August 2006 – Urkunden-Nr. 428/06 des Notars T-T1, P – nichtig ist und die Beklagte zu 1) die in Ziff. 4. dieser Gesellschaftervereinbarung geregelte Put-Option nicht wirksam ausgeübt hat;
623. die Beklagten zu 1), 3), 4) und 7) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie € 13.724.791,83 nebst 5 % Zinsen auf € 7.500.000,00 für den Zeitraum vom 28. September 2006 bis zur Rechtshängigkeit sowie auf weitere € 4.303.000,00 für den Zeitraum vom 9. Oktober 2006 bis zur Rechtshängigkeit sowie 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz auf € 13.724.791,83 ab Rechtshängigkeit zu zahlen, und zwar Zug um Zug gegen Abtretung der Geschäftsanteile der Klägerin an der X GmbH;
634. den Beklagten zu 11) als Gesamtschuldner mit den Beklagten zu 1), 3), 4) und 7) zu verurteilen, an sie € 10.000.000,00 nebst 5 % Zinsen auf € 7.500.000,00 € für den Zeitraum vom 28. September 2006 bis zur Rechtshängigkeit und auf weitere € 3.000.000,00 für den Zeitraum vom 9. Oktober 2006 bis zur Rechtshängigkeit sowie 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz auf € 10.000.000,00 ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
645. die Beklagten zu 2), 5), 8), 9), 10), 12) und 13) als Gesamtschuldner mit den Beklagten zu 1), 3), 4), und 11) zu verurteilen, an sie € 5.000.000,00 nebst 5 % Zinsen für den Zeitraum vom 28. September 2006 bis zur Rechtshängigkeit sowie 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
656. die Beklagte zu 6) als Gesamtschuldner mit den Beklagten zu 1) bis 5) und 7) bis 13) zu verurteilen, an sie € 2.400.000,00 nebst 5 % Zinsen für den Zeitraum vom 28. September 2006 bis zur Rechtshängigkeit sowie 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
667. festzustellen, dass die Beklagten zu 1), 3), 4) und 7) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr – der Klägerin – jeden weiteren bereits entstandenen und künftig entstehenden Schaden zu ersetzen, der dadurch verursacht wurde, dass sie – die Klägerin – vor Abschluss der Gesellschaftervereinbarung vom 29. August 2006 sowie vor Abschluss der zwischen ihr – der Klägerin – und den Beklagten zu 4) und 6) sowie dem Erblasser T geschlossenen Erwerbs- und Übertragungsverträgen bzgl. der Aktien der X AG über die wirtschaftliche Situation der X AG zum 31.12.2005 und bei Abschluss der Verträge getäuscht worden ist;
678. festzustellen, dass die Beklagten zu 1) bis 13) sich mit der Annahme der Abtretungserklärung bzgl. ihrer – der Klägerin – Geschäftsanteile an der X GmbH in Annahmeverzug befinden;
689. die Beklagten zu 1) bis 13) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie € 128.992,00 nebst 8 Prozentpunkte Zinsen ab Rechtshängigkeit als Ersatz [für] vorgerichtlich angefallene Anwaltskosten zu zahlen.
69Die Beklagten haben beantragt,
70die Klage abzuweisen.
71Die Beklagte zu 1) hat im Wege der Widerklage beantragt,
72die Klägerin zu verurteilen, an sie € 98.335,80 € nebst 8 % Zinsen über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
73Die Beklagten zu 1), zu 2), zu 3) und zu 10) haben im Hinblick auf die schadensrechtliche Vorteilsausgleichung im Wege der Eventualwiderklage beantragt,
741. die Klägerin zu verurteilen, Auskunft zu erteilen über sämtliche rechtsgeschäftlichen und tatsächlichen Vorgänge, durch die sich für die Klägerin oder ein mit ihr verbundenes Unternehmen (insbes. Tochtergesellschaften) wirtschaftliche Auswirkungen aufgrund von Rechtsbeziehungen zur X GmbH (ehemals X AG) oder mit dieser verbundener Unternehmen (insbes. Tochtergesellschaften) in der Zeit vom 12.10.2006 bis zum 03.04.2007 ergeben haben, und welche Auswirkungen sich aus diesen Maßnahmen über den genannten Zeitraum hinweg bei der Klägerin und den mit ihr verbundenen Unternehmen (insbes. Tochtergesellschaften) ergeben haben und noch ergeben werden, insbesondere infolge von abgeschlossenen Verträgen,
75geschaffenen Möglichkeiten zum Geschäftsabschluss mit Dritten, Effizienzverbesserungen im eigenen Geschäftsbetrieb,
76die Übernahme von zuvor bei der X GmbH und mit dieser verbundenen Unternehmen vorhandenen Wissen (know-how),
77dem Abschluss von Arbeits-, Dienst-, Beratungs-, oder Vermittlungsverträgen mit Personen, die zuvor in entsprechenden Vertragsverhältnissen zur X GmbH oder mit dieser verbundenen Unternehmen (insbesondere Tochtergesellschaften) standen sowie
78über Berechnungsgrundlagen sämtlicher Erwerbs- und Veräußerungsgeschäfte über jedwede Wirtschaftsgüter, die im genannten Zeitraum zwischen der Klägerin und mit ihr verbundenen Unternehmen (insbesondere Tochtergesellschaften) einerseits und der X GmbH und mit dieser verbundenen Unternehmen andererseits geschlossen wurden;
792. die Klägerin zu verurteilen, unter Zugrundelegung der gemäß Ziffer 1 zu erteilenden Auskünfte Rechenschaft abzulegen, also der Beklagten zu 1) eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und Belege vorzulegen (§ 259 Abs. 1 BGB), wobei sich diese Rechnungslegung auch auf die ertragssteuerlichen Auswirkungen zu beziehen hat;
803. die Klägerin zu verurteilen, an Eides statt zu versichern, dass die gemäß Ziffer 1 erteilten Auskünfte und die gemäß Ziffer 2 abgelegte Rechenschaft nach bestem Wissen richtig und vollständig sind (§ 259 Abs. 2 BGB).
81Die Klägerin hat beantragt,
82die Widerklagen abzuweisen.
83Das Landgericht hat die Klage – ebenso wie die von der Beklagten zu 1) gegen die Klägerin erhobene Widerklage auf Zahlung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 98.335,80 €, die nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahren ist – insgesamt abgewiesen. Zur Begründung, auf die im Einzelnen Bezug genommen wird (Bl. 2731 ff./IX d.A.), hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass es jedenfalls an der Kausalität zwischen den behaupteten Täuschungshandlungen und dem Abschluss der Gesellschaftervereinbarung sowie den Aktienkaufverträgen fehle, so dass diese Verträge nicht unwirksam seien und Ansprüche auf Rückzahlung der gezahlten Kaufpreise unter dem Gesichtspunkt ungerechtfertigter Bereicherung oder sonstige Zahlungsansprüche aus Gründen des Schadensersatzes nicht bestünden.
84Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie rügt, dass das Landgericht zu Unrecht von dem Fehlen der Kausalität zwischen den Erklärungen in dem Gespräch am 28.04.2006 und dem Inhalt des Jahresabschlusses zum 31.12.2005 für ihre Entscheidung zum Kauf der Aktien ausgegangen sei. Im Übrigen wiederholt und vertieft die Klägerin ihren Vortrag erster Instanz.
85Die Klägerin beantragt,
86I. das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 18.12.2009 – 3 O 109/08 – aufzuheben [und]
87II. festzustellen, dass die zwischen ihr – der Klägerin – und der Beklagten zu 1) geschlossene Gesellschaftervereinbarung vom 29. August 2006 – Urkunden-Nr. 428/06 des Notars T-T1, P (Anlage K 16) – unwirksam ist und dass ein Kaufvertrag über die in Ziffer 4.1 der vorgenannten Gesellschaftervereinbarung definierten Optionsanteile durch die am 24. April 2008 von der Beklagten zu 1) erklärte Ausübungserklärung – Urkunde Nr. G 1097/2008 des Notars Dr. H, N (Anlage K 102) – nicht zustande gekommen ist.
88III. die Beklagten zu 1), 3), 4) und 7) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie – die Klägerin – EUR 13.724.791,83 nebst 5 % Zinsen auf EUR 7.500.000,00 für den Zeitraum vom 28. September 2006 bis zur Rechtshängigkeit sowie 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz auf EUR 13.724.791,83 ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
89hilfsweise:
90die Beklagten zu 1), 3), 4) und 7) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie – die Klägerin – EUR 13.724.791,83 nebst 5 % Zinsen auf EUR 7.500.000,00 für den Zeitraum vom 28. September 2006 bis zur Rechtshängigkeit sowie 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz auf EUR 13.724.791,83 ab Rechtshängigkeit zu zahlen, und zwar Zug um Zug gegen Abtretung des gemäß Umwandlungsbeschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der X AG vom 5. Dezember 2006, Urkunden-Nr. 1145/06 des Notars I1, E1 (Anlage K 20) festgesetzten Geschäftsanteils der Klägerin an der X GmbH im Nennbetrag von EUR 11.415.000,00.
91IV. den Beklagten zu 11) als Gesamtschuldner mit den Beklagten zu 1), 3), 4) und 7) zu verurteilen, an sie – die Klägerin – EUR 10.000.000,00 nebst 5 % Zinsen auf EUR 7.500.000,00 für den Zeitraum vom 28. September 2006 bis zur Rechtshängigkeit und auf weitere EUR 2.500.000,00 für den Zeitraum vom 9. Oktober 2006 bis zur Rechtshängigkeit sowie 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz auf EUR 10.000.000,00 ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
92hilfsweise:
93den Beklagten zu 11) als Gesamtschuldner mit den Beklagten zu 1), 3), 4) und 7) zu verurteilen, an sie – die Klägerin – EUR 10.000.000,00 nebst 5 % Zinsen auf EUR 7.500.000,00 für den Zeitraum vom 28. September 2006 bis zur Rechtshängigkeit und auf weitere EUR 2.500.000,00 für den Zeitraum vom 9. Oktober 2006 bis zur Rechtshängigkeit sowie 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz auf EUR 10.000.000,00 zu zahlen, und zwar Zug um Zug gegen Abtretung des gemäß Umwandlungsbeschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der X AG vom 5. Dezember 2006, Urkunden-Nr. 1145/06 des Notars I1, E1 (Anlage K 20) festgesetzten Geschäftsanteils der Klägerin an der X GmbH im Nennbetrag von EUR 11.415.000,00.
94V. die Beklagten zu 2), 5), 8), 9), 10), 12) und 13) als Gesamtschuldner mit den Beklagten zu 1), 3), 4), 7) und 11) zu verurteilen, an sie – die Klägerin – EUR 5.000.000,00 nebst 5 % Zinsen für den Zeitraum vom 28. September 2006 bis zur Rechtshängigkeit sowie 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
95hilfsweise:
96die Beklagten zu 2), 5), 8), 9), 10), 12) und 13) als Gesamtschuldner mit den Beklagten zu 1), 3), 4), 7) und 11) zu verurteilen, an sie – die Klägerin – EUR 5.000.000,00 nebst 5 % Zinsen für den Zeitraum vom 28. September 2006 bis zur Rechtshängigkeit sowie 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen, und zwar Zug um Zug gegen Abtretung des gemäß Umwandlungsbeschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der X AG vom 5. Dezember 2006, Urkunden-Nr. 1145/06 des Notars I1, E1 (Anlage K 20) festgesetzten Geschäftsanteils der Klägerin an der X GmbH im Nennbetrag von EUR 11.415.000,00.
97VI. die Beklagte zu 6) als Gesamtschuldner mit den Beklagten zu 1) bis 5) und 7) bis 13) zu verurteilen, an sie – die Klägerin – EUR 2.400.000,00 nebst 5 % Zinsen für den Zeitraum vom 28. September 2006 bis zur Rechtshängigkeit sowie 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
98hilfsweise:
99die Beklagte zu 6) als Gesamtschuldner mit den Beklagten zu 1) bis 5) und 7) bis 13) zu verurteilen, an sie – die Klägerin – EUR 2.400.000,00 nebst 5 % Zinsen für den Zeitraum vom 28. September 2006 bis zur Rechtshängigkeit sowie 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen, [und zwar] Zug um Zug gegen Abtretung des gemäß Umwandlungsbeschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der X AG vom 5. Dezember 2006, Urkunden-Nr. 1145/06 des Notars I1, E1 (Anlage K 20) festgesetzten Geschäftsanteils der Klägerin an der X GmbH im Nennbetrag von EUR 11.415.000,00.
100VII. festzustellen, dass die Beklagten zu 1), 3), 4) und 7) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr – der Klägerin – jeden weiteren bereits entstandenen und künftig entstehenden Schaden zu ersetzen, der dadurch verursacht wurde, dass sie – die Klägerin – vor Abschluss der Gesellschaftervereinbarung vom 29. August 2006 sowie vor Abschluss der zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 4) und 6) sowie dem Erblasser T geschlossenen Erwerbs- und Übertragungsverträgen bzgl. der Aktien der X AG über die wirtschaftliche Situation der X AG zum 31.12.2005 und bei Abschluss der Verträge getäuscht worden ist;
101VIII. festzustellen, dass die Beklagten zu 1) bis 13) sich mit der Annahme der Abtretungserklärung bzgl. ihrer – der Klägerin – Geschäftsanteile an der X GmbH in Annahmeverzug befinden;
102hilfsweise,
103für den Fall, dass das Gericht den Hauptanträgen zu II bis VI nicht folgt: festzustellen, dass die Beklagten zu 1) bis 13) sich mit der Annahme der Abtretungserklärung hinsichtlich des gemäß Umwandlungsbeschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der X AG vom 5. Dezember 2006, Urkunden-Nr. 1145/06 des Notars I1, E1 (Anlage K 20) festgesetzten Geschäftsanteils der Klägerin an der X GmbH im Nennbetrag von EUR 11.415.000,00 im Annahmeverzug befinden.
104IX. die Beklagten zu 1) bis 13) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie – die Klägerin – EUR 130.792,00 nebst 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit als Ersatz vorgerichtlich angefallener Anwaltskosten zu zahlen.
105Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung als zutreffend und beantragen,
106die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
107Die Beklagten zu 1), 2), 3) und 10) beantragen für den Fall, dass die Berufung und die Klage dem Grunde nach für begründet erachtet werden, im Hinblick auf die schadensrechtliche Vorteilsausgleichung im Wege der Eventualwiderklage:
1081. die Klägerin zu verurteilen, Auskunft zu erteilen über sämtliche rechtsgeschäftlichen und tatsächlichen Vorgänge, durch die sich für die Klägerin oder ein mit ihr verbundenes Unternehmen (insbes. Tochtergesellschaften) wirtschaftliche Auswirkungen aufgrund von Rechtsbeziehungen zur X GmbH (ehemals X AG) oder mit dieser verbundenen Unternehmen (insbes. Tochtergesellschaften) in der Zeit vom 12.10.2006 bis zum 03.04.2007 ergeben haben, und welche Auswirkungen sich aus diesen Maßnahmen über den genannten Zeitraum hinweg bei der Klägerin und mit ihr verbundenen Unternehmen (insbesondere Tochtergesellschaften) ergeben haben und noch ergeben werden, insbesondere in Folge von
109- abgeschlossenen Verträgen,
110- geschaffenen Möglichkeiten zum Geschäftsabschluss mit Dritten,
111- Effizienzverbesserungen im eigenen Geschäftsbetrieb,
112- die Übernahme von zuvor bei der X GmbH und mit dieser verbundenen Unternehmen vorhandenem geschäftsbezogenem Wissen (know‑how),
113- dem Abschluss von Arbeits-, Dienst-, Beratungs- oder Vermittlungsverträgen mit Personen, die zuvor in entsprechenden Vertragsverhältnissen zur X GmbH oder mit dieser verbundenen Unternehmen (insbesondere Tochterunternehmen) standen sowie
114- über die Berechnungsgrundlagen sämtlicher Erwerbs- und Veräußerungsgeschäfte über jedwede Wirtschaftsgüter, die im genannten Zeitraum zwischen der Klägerin und mit ihr verbundenen Unternehmen (insbesondere Tochtergesellschaften) einerseits und der X GmbH und mit dieser verbundenen Unternehmen (insbesondere Tochtergesellschaften) andererseits geschlossen wurden.
1152. die Klägerin zu verurteilen, unter Zugrundelegung der gemäß Ziffer 1. zu erteilenden Auskünfte Rechenschaft abzulegen, also der Beklagten zu 1) eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und Belege vorzulegen (§ 259 Abs. 1 ZPO), wobei sich diese Rechnungslegung auch auf die ertragssteuerlichen Auswirkungen zu beziehen hat.
1163. die Klägerin zu verurteilen, an Eides statt zu versichern, dass die gemäß Ziffer 1. erteilten Auskünfte und die gemäß Ziffer 2. abgelegte Rechenschaft nach bestem Wissen richtig und vollständig sind (§ 259 Abs. 2 BGB).
117Die Klägerin beantragt,
118die Widerklagen abzuweisen.
119Unter den Beklagten zu 1), zu 4), zu 5) und zu 6) besteht Einigkeit, dass sie – bzw. bezüglich des Beklagten zu 5) Herr T – der Beklagten zu 7) mit ihren schriftlichen und mit „Auftrag“ überschriebenen Erklärungen – entgegen dem Wortlaut keinen Auftrag, sondern lediglich eine Entbindung von der Verschwiegenheitsverpflichtung bzw. eine Legitimation haben erteilen wollen, so dass es sich um eine Falschbezeichnung handele. Die Beklagte zu 7) habe – so ihre Behauptung – dies als Empfängerin der Erklärung ebenfalls so verstanden.
120Der Senat hat die Beklagten zu 8) und zu 9) sowie den Beklagten zu 10) zunächst persönlich angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf die Vermerke des Berichterstatters zu den mündlichen Verhandlungen vor dem Senat am 06.04.2011 (Bl. 3617/XIII d.A.) und 18.04.2012 (Bl. 3953/XIV d.A.) sowie auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 06.11.2013 (Bl. 4495 ff./4502/XVI d.A.) Bezug genommen. Darüber hinaus hat der Senat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen (1.) L2, (2.) T2, (3.) C4, (4.) y, (5.) I3, (6.) O, (7.) B2, (8.) I2, (9.) F2, (10.) T5, (11.) T3, (12.) X3, (13.) K, (14.) C3, (15.) L4, (16.) I, (17.) Dr. I und (18.) L. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle zur mündlichen Verhandlung vom 17.04.2013 (Bl. 4166 ff./XV d.A. – bezüglich der Zeugen 1) bis 8)), vom 24.04.2013 (Bl. 4247 ff./XV d.A. – bezüglich der Zeugen 9) bis 15)), vom 13.05.2013 (Bl. 4309 ff./XV d.A. – bezüglich der Zeugen 16) und 17)), vom 06.11.2013 (Bl. 4495 ff./XVI d.A. – bezüglich des Zeugen 17)) und vom 13.11.2013 (Bl. 4526 ff./XVI d.A. bezüglich des Zeugen 18)) verwiesen. Darüber hinaus hat der Senat den Beklagten zu 10) gemäß Beschluss vom 06.11.2013 (Bl. 4513/XVI d.A.) und die Beklagten zu 8) und 9) sowie die Beklagten zu 11), 12) und 13) gemäß Beschluss vom 11.11.2013 (Bl. 4516/XVI d.A.) ebenfalls uneidlich als Partei vernommen. Insoweit wird wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Protokolle zu den mündlichen Verhandlungen vom 06.11.2013 (Bl. 4507 ff./XVI d.A.) und 13.11.2013 Bezug (Bl. 4526 ff./XVI d.A.) genommen.
121Im Übrigen wird auf die Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. ZPO) sowie auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze und zur Akte gereichten Anlagen verwiesen.
122II.
1231.
124Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung in dem tenorierten Umfang.
125a) Antrag zu II
126Der auf Feststellung der Nichtigkeit der Gesellschaftervereinbarung vom 29.08.2006 und des Nichtzustandekommens des Kaufvertrages über die Aktien der Beklagten zu 1) gerichtete Antrag hat Erfolg.
127aa)
128Nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 06.04.2011 klargestellt hat, dass der von ihr auf Feststellung der Unwirksamkeit der Gesellschaftervereinbarung gerichtete Antrag auch die Feststellung der Nichtigkeit beinhalten soll, sieht sich der Senat an einer solchen Auslegung des Antrags und einem entsprechenden Ausspruch im Tenor nicht gehindert.
129(1)
130Der auf Feststellung der Nichtigkeit der Gesellschaftervereinbarung vom 29.08.2006 gerichtete Antrag ist auf die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet und insoweit zulässig. Die Klägerin hat auch das erforderliche Interesse an einer solchen Feststellung. Die zugleich erhobene (und vom Landgericht zwischenzeitlich an das Landgericht P verwiesene) Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO steht der Annahme eines Feststellungsinteresses nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 05.03.2009 – IX ZR 141/07, NJW 2009, 1671) schließen sich Vollstreckungsgegenklage und negative Feststellungsklage nicht gegenseitig aus (vgl. auch: Zöller/Herget, ZPO, 29. Auflage 2012, § 767 Rdn. 2 „Feststellungsklage“; Scheuch in Prütting/Gehrlein, ZPO, 2. Auflage (2010), § 767 Rdn. 7). Auch wenn mit beiden Klagen materielle Einwendungen gegen den titulierten Anspruch geltend gemacht werden, haben die Klagen unterschiedliche Rechtsschutzziele. Die Vollstreckungsgegenklage ist eine rein prozessrechtliche Klage, deren Ziel die Beseitigung des Titels ist, ohne dass über den weiteren Bestand der titulierten Forderung entschieden wird. Dementsprechend kann dieser auch Gegenstand einer negativen Feststellungsklage sein (BGH aaO – juris Rz. 8 m.w.N.).
131(2)
132Die auf Feststellung der Nichtigkeit der Gesellschaftervereinbarung vom 29.08.2006 gerichtete Klage ist auch begründet. Ihre Gesamtnichtigkeit ergibt sich aus § 134 BGB i.V.m. § 139 BGB, da in ihr enthaltene Regelungen gegen die in § 405 Abs. 3 Nr. 6 AktG (Stimmenverkauf) und in § 405 Abs. 3 Nr. 7 AktG (Stimmenkauf) normierten Bußgeldtatbestände, verstoßen und nicht anzunehmen ist, dass die Gesellschaftervereinbarung auch ohne den nichtigen Teil abgeschlossen worden wäre. Die danach bereits von Anfang an bestehende Nichtigkeit der Gesellschaftervereinbarung macht an dieser Stelle eine Auseinandersetzung mit der Wirksamkeit der von der Klägerin mit Schreiben vom 12.04.2007 erklärten Anfechtung der auf Abschluss der Gesellschaftervereinbarung gerichteten Erklärung wegen arglistiger Täuschung entbehrlich.
133Die in § 405 Abs. 3 Nr. 6 und 7 AktG enthaltenen Regelungen sind Verbotsgesetze im Sinne von § 134 BGB (Hüffer, AktG, 10. Auflage (2012), § 133 Rdn. 28; MünchKomm/Schroer, AktG, 3. Auflage (2013), § 136 Rdn. 65 m.w.N.). Die dort genannten Ordnungswidrigkeiten haben die Beteiligten hier verwirklicht.
134(aa)
135Gem. § 405 Abs. 3 Nrn. 6 und 7 AktG handelt ordnungswidrig, wer besondere Vorteile als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei einer Abstimmung in der Hauptversammlung oder in einer gesonderten Versammlung nicht oder in einem bestimmten Sinne stimme (Stimmenverkauf) oder wer besondere Vorteile als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass jemand bei einer Abstimmung in der Hauptversammlung oder in einer gesonderten Versammlung nicht oder in einem bestimmten Sinne stimme (Stimmenkauf). Die Vereinbarung der in Ziffer 2 der Gesellschaftervereinbarung vorgesehenen Stimmbindung, mit der sich die Beklagte zu 1) gegenüber der Klägerin verpflichtet hat, ihre Stimmrechte aus allen gebundenen Anteilen bei den näher bezeichneten Beschlussgegenständen und damit im Zusammenhang stehenden Sachverhalten auf Weisung der Klägerin wahrzunehmen oder sich auf Weisung der Klägerin der Stimme zu enthalten, bei gleichzeitiger Einräumung eines Optionsrechtes zum Verkauf und zur Übertragung der gebundenen Anteile (Put‑Option) in Ziffer 4 und der Garantie einer Mindestdividende in Ziffer 5 durch die Klägerin zugunsten der Beklagten zu 1) erfüllt die beiden vorgenannten Bußgeldtatbestände des Stimmenverkaufs und Stimmenkaufs.
136i)
137Die Beklagte zu 1) ist taugliche Täterin einer Zuwiderhandlung nach § 405 Abs. 3 Nr. 6 AktG. Zwar kann nach dem Wortlaut der Vorschrift jeder tauglicher Täter sein, jedoch kommt rein tatsächlich nur derjenige als Stimmenverkäufer in Betracht, der auch die Möglichkeit hat, in der Hauptversammlung oder in der gesonderten Versammlung sein Stimmrecht auszuüben (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 142 f.), was bei der Beklagten zu 1) als stimmberechtigter Aktionärin der Fall ist.
138Die Beklagte zu 1) hat sich für das von ihr in Aussicht gestellte Abstimmungsverhalten (Abstimmung oder Enthaltung nach Weisung) als Gegenleistung einen besonderen Vorteil von der Klägerin versprechen lassen.
139(i)
140Vorteil ist jede unentgeltliche Leistung, auf die der Täter keinen Anspruch hat und die ihn materiell oder immateriell besser stellt (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 95). Als Vorteil kommt allerdings nur derjenige in Betracht, der sich nicht bereits aus der Ausübung der Rechte selbst ergibt; denn der Vorteil ist nur das Mittel zum erstrebten Zweck (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 97). Die Einräumung der Put‑Option und die Garantie einer Mindestdividende stellen für die Beklagte zu 1) einen solchen Vorteil dar, die sich nicht aus dem Abstimmungsverhalten als solchem ergeben.
141(ii)
142Handelt es sich damit um einen Vorteil, der sich nicht aus der betreffenden Abstimmung selbst ergibt, kommt es entscheidend darauf an, ob der betreffende Vorteil der Gesamtheit der Aktionäre bzw. der Gesellschaft zugute kommt oder nur dem betreffenden Stimmenverkäufer oder Stimmeneinkäufer allein (Klug in Großkommentar AktG, 3. Auflage (1975), § 405 Anm. 38). Ein solcher Vorteil besonderer Art ist nur dann anzunehmen, wenn er nicht allen Aktionären zusteht (Klug in Großkommentar AktG, 3. Auflage (1975), § 405 Anm. 38; vgl. auch RG, Urteil vom 30.11.1928 – JW 1929, 642 Nr. 7 zu § 317 HGB a.F., bei der es sich um eine Vorgängerregelung des § 405 Abs. 3 Nr. 6 AktG handelt); es muss sich bei dem Vorteil daher um eine Sondervergünstigung handeln (vgl. MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 150 und Rdn. 98 m.w.N.). Deshalb wird jedenfalls eine allen Aktionären gewährte Dividendengarantie nicht als besonderer Vorteil angesehen (RGZ 132, 33 (37); Klug in Großkommentar AktG, 3. Auflage (1975), § 405 Anm. 38; MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 150 und Rdn. 99). Etwas anderes ist es jedoch, wenn jemand als einziger Aktionär für die Ausübung der (Stimm‑)Rechte aus seiner Aktie eine Dividendengarantie erhält (Klug in Großkommentar AktG, 3. Auflage (1975), § 405 Anm. 38; MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 100 mit Verweis auf OLG Stuttgart HRR 1931 Nr. 526). Da nur der Beklagten zu 1) die Put‑Option eingeräumt wurde und sie zudem alleinige Begünstigte der Dividendengarantie ist, liegt ein solcher besonderer Vorteil vor.
143Entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1) ist das Merkmal des besonderen Vorteils nicht deswegen zu verneinen, weil nach Ziffer 3.1 der Gesellschaftervereinbarung die hier entscheidenden Abreden in Ziffer 2 einerseits sowie in Ziffern 4 und 5 andererseits erst wirksam werden, wenn die Aktien der Beklagten zu 4) und zu 6) sowie des Herrn T auf die Klägerin übergegangen sind, so dass neben ihr nur noch die Klägerin als Aktionärin verbleibe, die jedoch als Vertragspartnerin der Gesellschaftervereinbarung mit der Abrede einverstanden gewesen sei. Denn es kommt nicht entscheidend darauf an, ob es nur die an der Abrede beteiligten Aktionäre gibt. Maßgeblich ist vielmehr, dass § 405 Abs. 3 Nr. 6 AktG – wie im Übrigen auch Nr. 7 (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 166) – dem Schutz der sich auf die unverfälschte Willensbildung beziehenden Interessen der Gesellschaft und ihrer Aktionäre dient (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 146), so dass die Aktiengesellschaft selbst ebenfalls ein – von den Aktionären getrennter – in den Schutzbereich dieser Vorschrift einbezogener Rechts- und Interessenträger ist.
144Soweit die Beklagte zu 1) unter Verweis auf ein in ihrem Auftrag erstattetes „Rechtsgutachten zur Reichweite der Ordnungswidrigkeit des Stimmrechtshandels nach Maßgabe des § 405 Abs. 3 Nr. 6 und 7 AktG“ von Prof. Dr. B3 unter näherer Betrachtung der Entwicklungsgeschichte der beiden aktienrechtlichen Vorschriften zum Stimmen(ver)kauf darlegt, dass die Vorschriften darauf gerichtet seien, zu verhindern, dass der „Mehrheitswille in der Generalversammlung“ gefälscht werde, deckt sich dies mit dem soeben dargestellten Sinn und Zweck der Vorschrift. Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass ein betrugsähnliches Verhalten in Rede stehe, da es darum gehe, den Mehrheitswillen der Hauptversammlung zu „fälschen“, indem sich ein unlauter handelnder Aktionär nach Art eines bestechlichen Beamten seine Stimmabgabe „abkaufen“ lasse und darüber andere täusche. Einer solchermaßen restriktiven Auslegung durch Einfügung des ungeschriebenen, aber für wesentlich gehaltenen Elementes einer Täuschung, an dem es im Verhältnis der Klägerin zur Beklagten zu 1) fehlen würde, bedarf es jedoch nicht. Einem Stimmenverkauf oder einem Stimmenkauf fehlt nicht deshalb der vom Gesetz missbilligte Charakter, weil er offen – d.h. unter Verzicht auf eine Täuschung der anderen Aktionäre – geschieht. Der als zentrales Ziel dieser Bestimmungen angesehene Schutz der Verfälschung des Mehrheitswillens erfordert auch die Erfassung offener Fremdbestimmung des Abstimmungsverhaltens gegen Entgelt.
145Deswegen ändert entgegen der weiterhin geäußerten Ansicht der Beklagten zu 1) auch eine etwaige Mitbetroffenheit der anderen – ausscheidenden – Aktionäre (der Beklagten zu 4) und zu 6) sowie des Herrn T) nichts daran, dass die zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) getroffene Abrede vom Gesetz missbilligt wird.
146(iii)
147Weiterhin muss der Täter den besonderen Vorteil als Gegenleistung für das in Aussicht genommene Abstimmungsverhalten fordern, sich versprechen lassen oder annehmen. Das bedeutet, dass der Vorteilsnehmer mit dem Vorteilsgeber eine Vereinbarung anstreben oder abschließen muss, die eine Willensübereinstimmung darüber enthält, dass der besondere Vorteil die Gegenleistung für das Nichtabstimmen oder das Abstimmen in einem bestimmten Sinne sein soll (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 158). Dies ist vorliegend der Fall, da die Klägerin der Beklagten zu 1) nach Ziffer 5.2 der Gesellschaftervereinbarung die näher bezeichnete Mindestdividende ausdrücklich als Ausgleich dafür garantiert, dass sie ab dem Geschäftsjahr 2006 über ihren gesellschaftsrechtlichen Einfluss über die Ergebnisverwendung bei der X AG entscheidet. Darüber hinaus heißt es in der Präambel der Gesellschaftervereinbarung unter lit. D. ausdrücklich, dass sich die Anteilinhaber darüber einig seien, dass die Klägerin als Ausgleich dafür, dass sie die näher beschriebene unternehmerische Führung erhalte, der Beklagten zu 1) ein Optionsrecht im Hinblick auf deren Anteile an der X AG gewähren und gegenüber der Beklagten zu 1) zudem für eine Mindestdividende einstehen solle. Der Annahme eines solchen übereinstimmenden Willens steht auch nicht entgegen, dass die Annahme des Angebots der künftigen Leistung nach Ziffer 3.1 der Gesellschaftervereinbarung unter einer Bedingung steht (vgl. Klug in Großkommentar AktG, 3. Auflage (1975), § 405 Anm. 49).
148Gegenstand dieser sog. „Unrechtsvereinbarung“ ist die Entschließungsfreiheit des Abstimmungsberechtigten (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 160), wobei es für die Tatbestandsmäßigkeit ausreicht, wenn sich der Täter verpflichtet, im Interesse einer bestimmten Person oder – wie hier – mit einer bestimmten Person zu stimmen (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 161).
149Für diese Würdigung ist es ohne Bedeutung, ob die Stimmbindung erst zum Schluss in Nachverhandlungen in die Gesellschaftervereinbarung aufgenommen worden ist. Dies würde nichts daran ändern, dass die Einräumung der Put‑Option und die Garantie einer Mindestdividende durch die Klägerin als Gegenleistungen für die Stimmbindung anzusehen sind, da es entscheidend auf die Endfassung der Gesellschaftervereinbarung ankommt und nicht auf den jeweiligen Stand von Vertragsverhandlungen.
150Zudem kommt es nicht darauf an, ob die Stimmbindung der Beklagten zu 1) gerade in der Einräumung der Put‑Option und der Garantie der Mindestdividende ihre „besondere“ Gegenleistung finden sollte (vgl. RGZ 132, 33 (38)). Entscheidend ist nur, ob diese Verpflichtung für die Bemessung der Gegenleistung der anderen Seite nach Art und Umfang mit ursächlich gewesen ist, ob sich die andere Seite zu ihren Leistungen sonst überhaupt nicht oder nicht in dieser Höhe oder Art verstanden hätte (RGZ 132, 33 (38)).
151Es unterliegt nach der Überzeugung des Senates keinem Zweifel, dass die gesamte Gesellschaftervereinbarung jedenfalls so nicht zustande gekommen wäre, wenn sich die Beklagte zu 1) nicht zugleich auch auf die Verpflichtung zur Abstimmung nach Weisung der Klägerin eingelassen hätte. Dies hat auch seinen Niederschlag in der Präambel der Gesellschaftervereinbarung vom 29.08.2006 gefunden, in der es ausdrücklich heißt, dass sich die Anteilsinhaber einig seien, dass die Klägerin aufgrund ihrer umfassenden Erfahrungen im Baugewerbe einen maßgeblichen Einfluss auf die X AG und dort die unternehmerische Führung mit entsprechenden Freiheiten erhalten solle, die durch umfassende Weisungsmöglichkeiten gegenüber der Geschäftsführung der Gesellschaft abgesichert sei, und sie sich ferner einig seien, dass die Klägerin als Ausgleich dafür, dass sie die vorstehend beschriebene unternehmerische Führung erhalte, der Beklagten zu 1) ein Optionsrecht im Hinblick auf ihre Anteile an der Gesellschaft gewähren sowie gegenüber der Beklagten zu 1) für eine Mindestdividende der Gesellschaft einstehen solle.
152ii)
153Gleichermaßen liegt auch eine Zuwiderhandlung gegen § 405 Abs. 3 Nr. 7 AktG vor, da es sich bei dessen Tatbestand um das Gegenstück zum Stimmenverkauf handelt (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 163). Geschützte Rechtsgüter sind – wie bei § 405 Abs. 3 Nr. 6 AktG – ebenfalls die Interessen der Gesellschaft und der Aktionäre an einer Unverfälschtheit der Willensbildung (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 166). Die Klägerin ist taugliche Täterin des Stimmenkaufs, da Täter dieses Tatbestandes jedermann sein kann; außenstehende Personen sind jedenfalls insoweit potentielle Täter, als sie rechtliche oder tatsächliche Beziehungen zu der Gesellschaft unterhalten (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 165). Gegenstand der „Unrechtsvereinbarung“ ist bei diesem Tatbestand, dass der Täter als Gegenleistung für den angebotenen, versprochenen oder gewährten besonderen Vorteil erwartet, der stimmberechtigte Vorteilsnehmer werde entweder nicht abstimmen oder in einem bestimmten Sinne stimmen, sich also seiner Entschließungsfreiheit begeben (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 175). Im Übrigen kann auf die Ausführungen zu dem Verstoß gegen § 405 Abs. 3 Nr. 6 AktG Bezug genommen werden, die für diesen Tatbestand wegen seines spiegelbildlichen Charakters entsprechende Geltung beanspruchen.
154(bb)
155Die danach anzunehmende Nichtigkeit der in den Ziffern 4 und 5 der Gesellschaftervereinbarung gewährten Put‑Option und der eingeräumten Mindestdividende hat gem. § 139 BGB die Gesamtnichtigkeit der Gesellschaftervereinbarung zur Folge. Nach dieser Vorschrift ist bei Nichtigkeit eines Teils eines Rechtsgeschäfts das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Zwar enthält – worauf die Beklagte zu 1) zu Recht hinweist – Ziffer 9.11 der Gesellschaftervereinbarung eine salvatorische Klausel, nach der die Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt und die Vertragsparteien anstelle der unwirksamen Bestimmung diejenige Bestimmung vereinbaren werden bzw. zu vereinbaren haben, die soweit wie möglich dem entspricht, was die Anteilsinhaber gewollt haben oder nach Sinn und Zweck dieser Gesellschaftervereinbarung von den Anteilsinhabern vereinbart worden wäre, wenn sie die Unwirksamkeit betreffenden Bestimmung bedacht hätten. Dies stellt insoweit eine zulässige Abbedingung des § 139 BGB dar, ohne dass jedoch in allen Fällen ausgeschlossen ist, dass die Nichtigkeit einer einzelnen Bestimmung weitere Vertragsbestimmungen oder den gesamten Vertrag erfasst (BGH, Urteil vom 11.10.1995 – VIII ZR 25/94, WM 1996, 22 – juris Rz. 29). Findet – wie hier – eine standardmäßige Erhaltungsklausel Verwendung, nach der das Rechtsgeschäft ohne die nichtige Regelung wirksam sein soll, entbindet sie nicht von der auch ansonsten vorzunehmenden Prüfung des mutmaßlichen Parteiwillens, sondern weist nur abweichend von § 139 BGB demjenigen die Beweislast zu, der sich – wie hier die Klägerin – auf die Gesamtnichtigkeit des Vertrages beruft (BGH, Urteil vom 11.10.1995 – VIII ZR 25/94, WM 1996, 22 – juris Rz. 31; Urteil vom 24.09.2002 – KZR 10/01, NJW 2003, 347 f.; Urteil vom 15.06.2005 – VIII ZR 271/04, NJW‑RR 2005, 1534 (1535); Urteil vom 25.07.2007 – XII ZR 143/05, NJW 2007, 3202 (3203) – Rz. 26; Beschluss vom 15.03.2010 – II ZR 84/09; NJW 2010, 1660 (1661) – Rz. 8; Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Auflage (2013), § 139 Rdn. 17). Eine Gesamtnichtigkeit trotz salvatorischer Klausel kommt insbesondere dann in Betracht, wenn nicht nur eine Nebenabrede, sondern eine wesentliche Vertragsbestimmung unwirksam ist und durch die Teilnichtigkeit der Gesamtcharakter des Vertrages verändert würde (BGH, Urteil vom 11.10.1995 – VIII ZR 25/94, WM 1996, 22 – juris Rz. 32). Dies ist nach Gestaltung der Gesellschaftervereinbarung, nach der die Beklagte zu 1) sich für den Stimmenverkauf gerade die Put‑Option und die Mindestdividende hat einräumen lassen, der Fall. Denn insbesondere mit dem Wegfall des Verkaufsoptionsrechts verliert die Gesellschaftervereinbarung ihren maßgeblichen Charakter.
156bb)
157Das vom Antrag zu II weiterhin umfasste Begehren gerichtet auf die Feststellung, dass ein Kaufvertrag über die näher bezeichneten Optionsanteile durch die Ausübungserklärung der Beklagten zu 1) vom 24.04.2008 nicht wirksam zustande gekommen ist, ist zulässig und nach den soeben gemachten Ausführungen auch begründet.
158b) Antrag zu III
159Der Antrag zu III, mit dem die Klägerin gegen die Beklagten zu 1), zu 3), zu 4) und zu 7) als Gesamtschuldner die Zahlung von insgesamt 13.724.791,83 € nebst Zinsen – hilfsweise jeweils Zug um Zug gegen die Übertragung des GmbH‑Anteils – begehrt, ist unbegründet. Gegenstand dieses Begehrens ist die Rückzahlung der von der Klägerin geleisteten Kaufpreise an die Beklagte zu 4) (7.500.000 €), an die Beklagte zu 6) (2.400.000 €) und an Herrn T (1.903.000 €) sowie weiter geleistete Zahlungen für Beratungskosten (166.790,48 €), für das an Qaa gezahlte Honorar für deren Untersuchung nach Vertragsschluss (1.672.673,64 €) und für weitere nachträgliche Kosten (82.327,71 €). Der Klägerin stehen gegen die vorgenannten Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die geltend gemachten Zahlungsansprüche zu.
160aa) Beklagte zu 1)
161Wegen der dargestellten Gesamtnichtigkeit der Gesellschaftervereinbarung vom 29.08.2006 und des daraus folgenden Scheiterns des Verkaufs von Aktien der Beklagten zu 1) hat die Klägerin keine vertraglichen Ansprüche gegen jene. Ansprüche der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1) aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis bestehen ebenso wenig wie Ansprüche aus deliktischem Handeln.
162(1)
163Ansprüche der Klägerin aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB auf Rückgängigmachung des Vertrages und Ersatz von Aufwendungen bestehen gegenüber der Beklagten zu 1) nicht.
164(aa)
165Schon wegen der Gesamtnichtigkeit der Gesellschaftervereinbarung vom 29.08.2006 ergibt sich das allerdings nicht aus der vom Landgericht für wirksam gehaltenen Haftungsfreizeichnung in Ziffer 4.14 dieser Vereinbarung.
166Der Senat kann auch nicht mit dem Landgericht davon ausgehen, dass es an der (Mit‑)Ursächlichkeit der behaupteten Pflichtverletzungen für den Abschluss der Verträge fehlt. Insoweit begründen konkrete Anhaltspunkte Zweifel im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an der Richtigkeit dieser Feststellung. Diese ergeben sich daraus, dass das Landgericht die entscheidenden Argumente gegen die – durchaus nicht fern liegende – Mitursächlichkeit der (von der Klägerin behaupteten) Inhalte der Besprechung vom 28.04.2006 für die Eingehung der Gesellschaftervereinbarung daraus meint gewinnen zu können, dass die Parteien in den Ziffern 4.13 und 4.15 der Gesellschaftervereinbarungen ausdrücklich Regelungen über die Folgen einer verdeckten Sacheinlage getroffen hätten, dass sich die Klägerin die Kenntnis des Herrn Dr. L von der Handlungs- bzw. Zahlungsunfähigkeit der Saudi XLtd. zurechnen lassen müsse und die Klägerin im Übrigen trotz der zahlreich von ihr als offen erkannten Fragen und damit einhergehenden Risiken keinen Abstand vom Vertragsschluss genommen habe. Diese Argumentation des Landgerichts ist – und dies gilt auch, soweit es die Ansprüche der Klägerin gegenüber den weiteren Beklagten mit gleichlautender Begründung abgelehnt hat – nicht überzeugend.
167Unabhängig davon, dass die Gesellschaftervereinbarung vom 29.08.2006 nach hier vertretener Ansicht insgesamt nichtig ist, lässt sich aus dem Umstand, dass die Parteien in ihr die vollständige Erbringung des Kapitals für die Anteile durch die Beklagte zu 1) zum Gegenstand einer Garantie gemacht und als Rechtsfolge der Nichterbringung nicht die vom Landgericht als nahe liegend bezeichnete Variante einer auflösenden Bedingung oder ein Rücktrittsrecht gewählt haben, für die Beurteilung der Mitursächlichkeit nichts entnehmen. Denn die Mitursächlichkeit einer dem Vertragsschluss vorangegangenen Pflichtverletzung und einer dadurch hervorgerufenen (Fehl‑)Vorstellung fehlt nicht schon wegen einer bestimmten Ausgestaltung des Erklärungs- bzw. Vertragsinhalts. Auch derjenige, dem das Vorliegen oder das Nichtvorliegen eines bestimmten Umstands vertraglich garantiert wird, sieht sich bei Unrichtigkeit der Garantien einer Pflichtverletzung des Vertragspartners gegenüber, deren (Mit‑)Ursächlichkeit für den Vertragsabschluss nicht dadurch entfällt, dass dafür eine Garantie vereinbart worden ist und keine auflösende Bedingung oder ein Rücktrittsrecht. Hinzu kommt, dass die Aufnahme der Garantie vielmehr umgekehrt die Annahme der Mitursächlichkeit dieser Erklärung für den Vertragsschluss stützt, da die Parteien diesen Punkt nicht ausdrücklich geregelt hätten, wenn sie ihn für unbedeutend gehalten hätten. Dabei entspricht es auch der Lebenserfahrung, dass der Vertrag ohne eine solche Garantieerklärung so nicht abgeschlossen worden wäre, da sich die Klägerin wegen § 54 AktG dem Risiko einer eigenen Haftung für die Einlage ausgesetzt sah.
168Entgegen der Auffassung des Landgerichts lassen auch etwaige Kenntnisse des Herrn Dr. L als vormaliger Aufsichtsratsvorsitzender der X AG über eine als schlecht beurteilte wirtschaftliche Situation der Saudi X Ltd. in Saudi‑Arabien jedenfalls nicht die (Mit‑)Ursächlichkeit der von der Klägerin für die Vertragsabschlüsse ebenfalls als maßgeblich beschriebenen Präsenz der X AG auf dem saudi‑arabischen Markt entfallen. Eine Zurechnung von Wissen, das Herrn Dr. L aufgrund vorgelegter Urkunden zugeschrieben wird, nach dem Rechtsgedanken des § 166 BGB berührt nicht die Frage der Kausalität. § 166 BGB bestimmt vielmehr, auf welche Person bei der Frage nach Willensmängeln, Kenntnis oder Kennenmüssen abzustellen ist, wenn die Rechtsfolgen einer Erklärung davon abhängen. Die Frage der Zurechnung des Wissens von Herrn Dr. L stellt sich vorliegend jedoch nicht. Denn für die Zurechnung fremden Wissens kommt es maßgeblich auf diejenigen Personen an, die in der Ursachenkette eigene Beiträge geleistet haben. Das ist in der Person von Herrn Dr. L indes nicht der Fall. Die Entscheidungen, die Abschlüsse zu tätigen, sind allein durch die Herren Dr. L3 und L1 getroffen worden, ohne dass dafür ein relevanter Beitrag des Herrn Dr. L ersichtlich wäre. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass das Herrn Dr. L von der Klägerin erteilte M & A‑Mandat nur bis Mai 2005 Geltung beansprucht hatte, so dass er für eine Mitwirkung im entscheidenden Zeitraum weder bestellt noch tatsächlich einbezogen war. Dass Herr Dr. L seine Kenntnisse über die Saudi X Ltd. an die Klägerin bzw. die Herren Dr. L3 und L1 – möglicherweise unter Verstoß gegen seine Verpflichtung zur Verschwiegenheit als (ehemaliger) Vorsitzender des Aufsichtsrats der X AG – weitergegeben hätte, wird von den Beklagten indes nicht behauptet.
169Auch soweit das Landgericht angesichts der von der Klägerin geäußerten zahlreichen offenen Fragen und nicht unerheblichen Risiken die (Mit-)Ursächlichkeit etwaiger Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Inhalt des Jahresabschlusses zum 31.12.2005 verneint hat, da die Klägerin den nach der Lebenserfahrung nahe liegenden Versuch einer weiteren Aufklärung über die wahre wirtschaftliche Situation der X AG – beispielsweise durch eine Due Diligence‑Prüfung – nicht unternommen habe, lässt dies jedenfalls die (Mit‑)Ursächlichkeit des Inhalts des Jahresabschlusses für die Kaufentscheidung nicht entfallen. Diese Erwägungen könnten allenfalls auf der Ebene des Mitverschuldens Relevanz beanspruchen.
170(bb)
171Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB bestehen schon deswegen nicht, da zwischen diesen Parteien jedenfalls vor Ende Juni 2006 keine Vertragsverhandlungen über einen etwaigen Verkauf der von dieser Beklagten an der X AG gehaltenen Aktien feststellbar sind und hinsichtlich der Gespräche, die anschließend zum Abschluss der (nichtigen) Gesellschaftervereinbarung vom 29.08.2006 geführt haben, von der Klägerin keine der Beklagten zu 1) zuzurechnende Pflichtverletzungen geltend gemacht werden oder sonst ersichtlich sind.
172Gem. § 311 Abs. 2 BGB setzt ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, die Anbahnung eines Vertrages oder ähnliche geschäftliche Kontakte voraus. Bei der hier allein in den Blick zu nehmenden Aufnahme von Vertragsverhandlungen (Nr. 1) geht es um einen tatsächlichen Vorgang, also nicht notwendig bereits um die Abgabe von Willenserklärungen, insbesondere in Gestalt eines Antrags nach § 145 BGB; erfasst werden vielmehr darüber hinaus alle sonstigen Formen (bereits) rechtsgeschäftlicher Kontakte einschließlich bloßer Vorgespräche zu einem beabsichtigten Vertragsabschluss, wobei es sich aber immer schon um „Verhandlungen“ und damit um einen zweiseitigen Vorgang handeln muss (MünchKomm/Emmerich, BGB, 6. Auflage (2012), § 311 Rdn. 46).
173i)
174Dass solche Verhandlungen am 28.04.2006 zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) stattgefunden haben, kann nicht festgestellt werden. Denn bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte zu 1) einen Verkauf der Aktien oder einen anders gearteten rechtsgeschäftlichen Abschluss – wie die spätere Gesellschaftervereinbarung vom 29.08.2006 – abgelehnt. Es gab deshalb keinen Anlass für Verkaufsgespräche. Die Klägerin, die für die Aufnahme derartiger Verhandlungen bereits am 28.04.2006 die Beweislast trägt, hat solche nicht beweisen können. Die Aussage des Zeugen Dr. I ist insoweit unergiebig. Der Zeuge Dr. I hat lediglich ausgesagt, dass neben den Vertretern der L3 AG, für die er an dem Gespräch teilgenommen habe, und den Wirtschaftsprüfern, den Beklagten zu 8) und zu 9), noch eine möglicherweise auch zwei Personen als Vertreter des Aufsichtsrates der X AG an dem Gespräch teilgenommen hätten. Dass der Beklagte zu 10) – wie die Klägerin behauptet – als Verhandlungsführer für die Beklagte zu 1) aufgetreten ist, lässt sich dem nicht entnehmen, zumal der Zeuge Dr. I auch bekundet hat, dass ihm eine Zuordnung der auf der anderen Seite stehenden Gesprächsteilnehmer zu bestimmten Anteilseignern nicht möglich gewesen und dies an dem Tag auch nicht der Zweck des Gesprächs gewesen sei.
175Auch unter Berücksichtigung des zu den Akten gereichten Schriftverkehrs ergibt sich nicht, dass sich die Klägerin und die Beklagten zu 1) am 28.04.2006 bereits in Verhandlungen über den Verkauf der Aktien befanden. Die Klägerin hat zwar unter dem 06.02.2002 ein Schreiben (Anlage K5) an den Beklagten zu 10) gerichtet, in dem sie unter Bezugnahme auf ein Treffen mit diesem vom 01.12.2005 ein konkretes Kaufangebot mit der Bitte unterbreitet hat, „es an den von Ihnen vertretenen Eigner der entsprechenden Anteile weiterzuleiten“. Anders als die Beklagte zu 4), die nach Weiterleitung eines von der Klägerin an den Beklagten zu 5) als Vorsitzenden des Aufsichtsrats der X AG gerichteten Schreibens gleichen Inhalts (Anlage BR14) mit Schreiben vom 13.03.2006 (Anlage BR15) gegenüber dem Beklagten zu 5) ihre Bereitschaft zum Verkauf ihrer Anteile signalisiert hat, ist nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte zu 1) auf das Angebot der Klägerin eingegangen ist. Sie hat dies auch bestritten und vorgetragen, selbst noch nach dem Gespräch am 28.04.2006 Verhandlungen über den Verkauf ihrer Anteile immer wieder abgelehnt bzw. sich auf entsprechende Anfragen der Klägerin nicht eingelassen zu haben. Entsprechendes hat auch der Beklagte zu 10) bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat am 18.04.2012 erklärt und – im Übrigen von der Klägerin unwidersprochen – darauf verwiesen, das mit Schreiben vom 05.05.2006 (Anlage K13) – also nach dem Gespräch am 28.04.2006 – unterbreitete Kaufangebot der Klägerin für die Beklagte zu 1) ebenfalls abgelehnt zu haben. Gestützt wird die Feststellung, es habe die Bereitschaft der Beklagten zu 1) am 28.04.2006 über den Verkauf der Aktien zu verhandeln gefehlt, durch den Inhalt des Schreibens der Klägerin an den Beklagten zu 10) vom 28.06.2006 (Anlage B20 – Bl. 1202/IV). Dem lässt sich entnehmen, dass jedenfalls zu diesem Zeitpunkt die Beklagten zu 4) und zu 6) sowie Herr T zum Verkauf ihrer an der X AG gehaltenen Aktien bereit waren, dem der Beklagte zu 10) als noch zu bevollmächtigender Vertreter der Beklagten zu 1) aufgrund der Vinkulierung der Aktien die Zustimmung erteilten sollte.
176Etwas anderes lässt sich auch nicht dem Inhalt der Rechnung vom 04.09.2006 (Anlage K95) entnehmen, mit der der Beklagte zu 10) der Klägerin aufgrund einer – wie er bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat am 12.04.2012 erklärt hat – mündlich getroffenen Vereinbarung einen Betrag von 20.265,47 € für seine „Tätigkeit, in der Zeit v. 28.2.-30.8.2006, als Vertreter der C2 KG [Beklagte zu 1] bei den Verhandlungen mit der L3 AG über eine Gesellschaftervereinbarung, welche die die zukünftige Zusammenarbeit zwischen den Parteien bei der X AG regelt, und der erforderlichen Abstimmungen mit allen Beteiligten“ in Rechnung gestellt hat, die von der Klägerin auch beglichen worden ist. Unabhängig davon, dass der Abrechnungszeitraum, für den der Beklagte zu 10) Honorar verlangt hat, auch den Zeitpunkt des Gesprächs am 28.04.2006 umfasst, bezieht sich das Schreiben nur auf Verhandlungen über die Gesellschaftervereinbarung, die – wie zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) unstreitig ist – nicht vor Ende Juni 2006 aufgenommen worden sind.
177Auch der Umstand, dass die Beklagte zu 1) auf Verlangen der Beklagten zu 7) bereit war, dieser für eine Tätigkeit im Hinblick auf die Verkaufsverhandlungen der Klägerin jedenfalls mit der Beklagten zu 4) ein Auftragsschreiben (Anlage K9) zu unterzeichnen und diese von der Verschwiegenheitsverpflichtung zu entbinden, lässt im Außenverhältnis zur Klägerin gegenüber dieser kein vorvertragliches Schuldverhältnis entstehen, für dessen Verletzung die Beklagte zu 1) einzustehen hätte, auch wenn das Schreiben mit dem von der Beklagten zu 7) vorformulierten Satz „Wir stehen in Verhandlungen mit einem potentiellen Erwerber über den Verkauf von Aktien in Teilen oder zur Gänze“ einleitet. Es steht nämlich fest, dass dieser offensichtlich vorformulierte Satz die Tatsachen nicht richtig wiedergibt.
178ii)
179Für das damit erst ab dem 01.07.2006 anzunehmende vorvertragliche Schuldverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1), als diese in Verhandlungen eintraten, die letztlich zum Abschluss der Gesellschaftervereinbarung vom 29.08.2006 führten, werden seitens der Klägerin keine der Beklagten zu 1) zuzurechnenden Pflichtverletzungen durch die Beklagten zu 2) und zu 3) als ihre persönlich haftenden Gesellschafter oder durch den Beklagten zu 10) als ihren möglichen Erfüllungsgehilfen vorgetragen.
180Etwaige Verletzungen von Offenbarungspflichten durch die für die Beklagte zu 1) handelnden Personen sind ebenfalls nicht erkennbar. Jedenfalls trägt die Klägerin solche nicht mit hinreichender Substanz vor. Zudem ist nicht ersichtlich, dass die Beklagten zu 2) oder zu 3) Kenntnis von den von ihr behaupteten Fehlern des Jahresabschlusses der X AG zum 31.12.2005 gehabt hätten. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang vorträgt, der Beklagte zu 3) sei nicht bereit gewesen, die von der Beklagten zu 1) geschuldete Erhöhung des Grundkapitals um 3.498.000 € zu erbringen und habe die anderslautende Erklärung vom 14.08.2004 (Anlage K37) offenkundig nur zum Schein abgegeben, genügt dies für die schlüssige Behauptung einer offenbarungspflichtigen Kenntnis des Beklagten zu 3) vom Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage nicht.
181Zudem hat die Klägerin dem Hinweis des Senats vom 21.01.2013, dass er keine Pflichtverletzungen im Rahmen eines nach dem 28.04.2006 begründeten vorvertraglichen Schuldverhältnisses im Vorfeld der Gesellschaftervereinbarung zu erkennen vermag, die sich die Beklagte zu 1) mit anspruchsbegründender Wirkung entgegenhalten lassen muss, weder widersprochen noch ihn zum Anlass zu ergänzendem Vortrag genommen.
182(2)
183Deliktische Ansprüche gem. § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB – jeweils i.V.m. § 31 BGB – bestehen gegenüber der Beklagten zu 1) ebenfalls nicht. Wie bereits ausgeführt fehlt es im Hinblick auf die organschaftlichen Vertreter der Beklagten zu 1) an substantiiertem Vortrag der Klägerin, dem sich ein deliktisches Verhalten der Beklagten zu 2) und zu 3) entnehmen ließe.
184Auch soweit die Klägerin auf ein etwaiges Fehlverhalten der für die Beklagte zu 7) handelnden Beklagten zu 8) und zu 9) sowie des Beklagten zu 10) abstellt, scheidet eine deliktische Haftung der Beklagten zu 1) ebenfalls aus, da es sich bei diesen Beklagten mangels Weisungsgebundenheit nicht um Verrichtungsgehilfen der Beklagten zu 1) i.S.d. § 831 BGB handelt.
185bb) Beklagter zu 3)
186Die von der Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 3) geltend gemachten Zahlungsansprüche bestehen ebenfalls nicht.
187Ein Zahlungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 3) auf Grund seiner Stellung als persönlich haftender Gesellschafter der Beklagten zu 1) gem. §§ 161 Abs. 2, 128 HGB besteht nicht, da es wie dargelegt an einer Schuld der Beklagten zu 1) fehlt.
188Die Klägerin trägt im Hinblick auf den Beklagten zu 3) vor, dass er entgegen seiner Erklärung vom 14.08.2004 (Anlage K37) nicht bereit gewesen sei, die Kapitalerhöhung durch Bareinlage in Höhe von 3.498.000 € für die Beklagte zu 1) an die X AG zu zahlen. Wenn sie insoweit einen Anspruch auf Schadensersatz gegen ihn zu haben meint, kann dem schon nicht gefolgt werden, weil die als Kapitalerhöhung in Aussicht genommene Summe tatsächlich an die X AG geflossen ist. Der Senat kann nicht davon ausgehen, dass der Beklagte zu 3) die fehlende Tauglichkeit des Zahlungsflusses als Erbringung der Bareinlage erkannt hat. Die Klägerin hat ihre gegenteilige Behauptung nicht unter Beweis gestellt. Eine möglicherweise anspruchsbegründende, dem Beklagten zu 3) vorzuwerfende Täuschung oder eine sonstige Pflichtwidrigkeit kann deshalb nicht festgestellt werden.
189cc) Beklagte zu 4)
190Der Klägerin stehen auch gegenüber der Beklagten zu 4) die geltend gemachten Zahlungsansprüche nicht zu.
191(1)
192Ein Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises in Höhe von 7.500.000 € gem. § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB besteht gegen die Beklagte zu 4) nicht. Die für die Annahme einer rechtsgrundlosen Leistung erforderliche Wirksamkeit der von der Klägerin mit Schreiben vom 21.09.2007 erklärten Anfechtung ihrer auf den Abschluss des Erwerbsvertrages vom 30.06.2006 gerichteten Erklärung gem. §§ 142, 123 BGB scheitert daran, dass der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 4) kein Recht zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zusteht.
193Gegenüber der Beklagten zu 4), die bei dem Gespräch am 28.04.2006 nicht durch einen organschaftlichen oder sonst bevollmächtigten Vertreter vertreten worden war, besteht ein Recht zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nur dann, wenn sich die Beklagte zu 4) als Erklärungsempfängerin ein täuschendes Verhalten entweder zurechnen lassen muss oder ein Dritter eine Täuschung vorgenommen hat, die sie kannte oder kennen musste, § 123 Abs. 2 S. 1 BGB. Es fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zu 4) eine etwaige Täuschung der Klägerin durch die als Dritte allein in Betracht zu ziehenden Beklagten zu 7, 8) und zu 9) kannte oder hätte kennen müssen. Die Anfechtbarkeit ihrer Vertragserklärung wegen arglistiger Täuschung gegenüber der Beklagten zu 4) wäre deshalb nur zu erwägen, wenn die für die Beklagte zu 7) handelnden Beklagten zu 8) und zu 9) nicht als Dritte i.S.d. § 123 Abs. 2 S. 1 BGB anzusehen wären. Das ist jedoch nicht der Fall.
194Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 20.11.1995 – II ZR 209/94, NJW 1996, 1051) kann von einem Dritten dann nicht gesprochen werden, wenn „dessen Verhalten dem Erklärungsempfänger wegen besonders enger Beziehungen zwischen beiden oder wegen besonderer Umstände billigerweise zugerechnet werden muss“. Dritter ist damit nicht, wer im Lager des Erklärungsempfängers steht oder als dessen Vertrauensperson erscheint, sofern dies dem Erklärungsempfänger zurechenbar ist (MünchKomm/Armbrüster, BGB, 6. Auflage (2012), § 123 Rdn. 64). Da mit der Ausklammerung des Anfechtungsrechts im Fall der Täuschung durch Dritte aber lediglich Härten zum Nachteil des Erklärungsempfängers vermieden werden sollen, ist der Kreis der Dritten eng auszulegen und bei verbleibenden Zweifeln der Handelnde nicht als Dritter anzusehen (MünchKomm/Armbrüster, BGB, 6. Auflage (2012), § 123 Rdn. 65).
195Die Beklagte zu 7) ist Dritte im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB. Das Verhältnis zwischen der Beklagten zu 4) einerseits und der Beklagten zu 7) sowie den für sie handelnden Beklagten zu 8) und zu 9) andererseits ist im Hinblick auf die Erteilung der Auskünfte durch die Beklagte zu 7) an die Klägerin unzweifelhaft weder durch eine besonders enge Beziehung geprägt, noch erfordern die Grundsätze der Billigkeit eine Zurechnung. Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass die Beklagte zu 4) die einzige Aktionärin der X AG war, die – wie sich ihrem Schreiben vom 13.03.2006 (Anlage BR15) entnehmen lässt – schon vor dem Gespräch am 28.04.2006 zu Verhandlungen über den Verkauf der von ihr gehaltenen Aktien mit der Klägerin bereit war, ist trotzdem für die Stellung der Beklagten zu 7) in erster Linie entscheidend, dass sie den Jahresabschluss zum 31.12.2005 im Auftrag der X AG und nicht in dem der Aktionäre geprüft hat, und es – wie zwischen den Parteien unstreitig ist – der Wunsch der Klägerin war, die Beklagte zu 7) bzw. deren Berufsträger persönlich nach weitergehenden Informationen – auch über den Inhalt des Prüfungsberichts hinaus – fragen zu können. Hinzu kommt, dass für die Stellung der Beklagten zu 7) als Abschlussprüferin auch wesentlich ist, dass sie nicht lediglich einen bestimmten Auftragsinhalt, sondern einen gesetzlich zwingend festgelegten Pflichtenkatalog zu prüfen hat, der nicht zu ihrer – und des Auftraggebers – Disposition steht. Insoweit ist es mit der unabhängigen Stellung der Beklagten zu 7) als Abschlussprüferin nicht zu vereinbaren, sie bei der hier zu betrachtenden Erteilung von Auskünften über den von ihr geprüften Jahresabschluss oder damit zusammenhängende Umstände als im Lager der Beklagten zu 4) stehend ansehen zu wollen. Die Beziehung zwischen der Beklagten zu 4) und der Beklagten zu 7) ändert sich mit Blick auf deren Einordnung als Dritte auch nicht dadurch, dass sämtliche Aktionäre der X AG und damit auch die Beklagte zu 4) der Beklagten zu 7) in den mit „Auftragserteilung“ überschriebenen und im Wesentlichen gleich lautenden Schreiben u.a. erklärt haben, dass sie die Beklagte zu 7) beauftragen, dem Wirtschaftsprüfer des Kaufinteressenten jegliche Auskünfte zu erteilen, die die Jahresabschlüsse zum 31.12.2005 und der Vorjahre betreffen. Da die Befreiung der Beklagten zu 7) von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit durch die gesetzlichen Vertreter der X AG zu erklären war und auch erklärt wurde, erschließt sich die Notwendigkeit dieser Erklärungen, die die Aktionäre allein auf Bitten der Beklagten zu 7) – möglicherweise um sich auch diesen gegenüber abzusichern – abgegeben haben, nicht. Jedenfalls führt diese von der Beklagten zu 4) erklärte Auftragserteilung – unabhängig davon, dass sie nach ihrem Vortrag gar keinen Auftrag hat erteilen wollen – nicht dazu, zwischen ihr und der Beklagten zu 7) eine besonders enge Beziehung oder eine Zurechnung aus Gründen der Billigkeit anzunehmen.
196(2)
197Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 4) gem. §§ 280, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB sind ebenfalls nicht gegeben. Da nach dem zuvor Gesagten keine wirksame Anfechtung des Erwerbs- und Übertragungsvertrages vom 30.06.2006 durch die Klägerin vorliegt, kommen vorvertragliche oder vertragliche Ansprüche wegen der Regelung in dessen Ziffer 5.3 vorliegend nicht in Betracht. Danach sind mit Ausnahme von Ansprüchen wegen Vorsatz und Arglist alle anderen Ansprüche der Klägerin als Käuferin gegen die Beklagte zu 4) als Verkäuferin aufgrund einer – gegebenenfalls auch implizierten – Gewährleistung, seien sie vorvertraglicher oder vertraglicher Art, soweit jeweils rechtlich zulässig, ausgeschlossen.
198Für vorsätzlich schuldhaft begangene Pflichtwidrigkeiten der gesetzlichen Vertreter der Beklagten zu 4) ergeben sich aus dem Vortrag der Klägerin keine Anhaltspunkte. Jedenfalls sind sie zu Lasten der Beklagten zu 4) nicht feststellbar.
199Offenbleiben kann an dieser Stelle, ob die Behauptungen der Klägerin zu Pflichtverletzungen der Beklagten zu 8) und zu 9) zutreffend sind. Selbst wenn sie es wären und sich die Beklagten zu 8) und zu 9) bei dem Gespräch am 28.04.2006 als Erfüllungsgehilfen der Beklagten zu 4) erweisen würden, ist ihre Haftung im Hinblick auf § 278 S. 2 BGB zulässigerweise ausgeschlossen.
200(3)
201Der Klägerin stehen gegen die Beklagte zu 4) auch keine Ansprüche aus den in Ziffer 4 des Erwerbs- und Übertragungsvertrages vom 30.06.2006 abgegebenen Garantien zu.
202Danach garantiert die Beklagte zu 4) der Klägerin im Sinne eines selbständigen, verschuldensunabhängigen Garantievertrages nach §§ 311 Abs. 1, 241 BGB – mithin nicht als Garantie nach §§ 443, 444 BGB und unabhängig von eigener Kenntnis, es sei denn es wird ausdrücklich auf die Kenntnis der Beklagten zu 4) abgestellt –, dass die unter Ziffer 4.1 bis 4.7 des Vertrages aufgeführten Aussagen – falls kein anderer Tag, gegebenenfalls auch ergänzend, benannt ist – zum Zeitpunkt des Abschlusses des Erwerbs- und Übertragungsvertrages und zum Übertragungsstichtag richtig, vollständig und nicht irreführend sind.
203(aa)
204Die Beklagte zu 4) hat in Ziffer 4.1 des Vertrages lediglich die – den Tatsachen entsprechende – Garantie dafür übernommen, dass ihre Aktien wirksam entstanden und vollständig eingezahlt sind, ohne jedoch eine solche Garantie auch für die Aktien der anderen Aktionäre zu übernehmen. Selbst wenn man dies wegen der Bezugnahme auf Ziffer 1) der Präambel des Vertrages und der Garantie der Richtigkeit der dort gemachten Angaben – u.a. dass die X AG über ein Grundkapital in Höhe von 19.330.000 € verfügt – anders sehen wollte, hätte sie trotzdem nicht für nicht vollständig erbrachte Einzahlungen anderer Aktionäre einzustehen. Denn in Ziffer 4.2 des Vertrages hat die Beklagte zu 4) ausdrücklich erklärt, dass ihr eine Nachschusspflicht, gleichgültig aus welchem Rechtsgrund, auch wegen unzureichender oder verschleierter Sachgründung/Sacheinlage nicht bekannt sei. Auch wenn – wie noch zu zeigen sein wird – die von der Beklagten zu 1) auf die Kapitalerhöhung geleistete Zahlung deren Verpflichtung zur Erbringung der Einlage in Höhe von rund 2.200.000 € nicht zum Erlöschen gebracht hat, ist die Haftung der Beklagten zu 4) kenntnisabhängig. Dass sie über eine entsprechende Kenntnis verfügt hat, wird von der Klägerin indes nicht behauptet.
205(bb)
206Ebenso wenig haftet die Beklagte zu 4) der Klägerin gem. Ziffer 4.6 des Vertrages. Denn die danach von der Beklagten zu 4) übernommene Garantie dafür, dass die X AG weder zahlungsunfähig oder drohend zahlungsunfähig noch überschuldet ist, ist ebenfalls von ihrer Kenntnis abhängig. Da die Klägerin eine solche Kenntnis der Beklagten zu 4) schon nicht behauptet, kann die Richtigkeit ihrer Behauptung, dass die X AG schon im Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse insolvenzreif gewesen sei, an dieser Stelle dahinstehen.
207dd) Beklagte zu 7)
208(1)
209Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten zu 7) kein Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB zu, da zwischen diesen Parteien keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen bestehen. Insbesondere ist zwischen ihnen kein Auskunftsvertrag zustande gekommen. Zwar ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH der stillschweigende Abschluss eines Auskunftsvertrags zwischen Geber und Empfänger der Auskunft und damit eine vertragliche Haftung des Auskunftsgebers für die Richtigkeit seiner Auskunft regelmäßig dann anzunehmen, wenn die Auskunft für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung ist und er sie zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse machen will, was insbesondere in den Fällen anzunehmen ist, in denen der Auskunftsgeber für die Erteilung der Auskunft besonders sachkundig oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse bei ihm im Spiel ist (BGH, Urteil vom 17.10.1989 – XI ZR 39/89, VersR 1989, 1306 – juris Rz. 12; Urteil vom 13.02.1992 – III ZR 28/90, VersR 1992, 964). Allerdings bedeutet dies nicht, dass für das Zustandekommen eines (stillschweigenden) Auskunftsvertrages ohne Rücksicht auf die Besonderheiten des jeweiligen Falles allein schon die Sachkunde des Auskunftsgebers und die Bedeutung der Auskunft für den Empfänger ausreichen (BGH, Urteil vom 16.06.1988 – III ZR 182/87, BGHR BGB § 676 – Auskunftsvertrag 1 – juris Rz. 13; Urteil vom 17.09.1985 – VI ZR 73/84, VersR 1986, 158 – juris Rz. 8). Diese Umstände stellen vielmehr lediglich Indizien dar, die, wenn auch mit erheblichem Gewicht, in die Würdigung der gesamten Gegebenheiten des konkreten Falls einzubeziehen sind. Für den stillschweigenden Abschluss eines Auskunftsvertrags ist entscheidend darauf abzustellen, ob die Gesamtumstände unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung und des Verkehrsbedürfnisses den Rückschluss zulassen, dass beide Teile nach dem objektiven Inhalt ihrer Erklärungen die Auskunft zum Gegenstand vertraglicher Rechte und Pflichten gemacht haben (RGZ 162, 129 (154 f.); BGH, Urteil vom 05.12.1972 – VI ZR 120/71, VersR 1973, 247 (249) – juris Rz. 40; Urteil vom 17.09.1985 – VI ZR 73/84, VersR 1986, 158 – juris Rz. 8; Urteil vom 13.02.1992 – III ZR 28/90, VersR 1992, 964). So hat der BGH bei der rechtlichen Beurteilung von Fällen, in denen der konkludente Abschluss eines Auskunftsvertrags angenommen oder in Erwägung gezogen wurde, außer der Sachkunde des Auskunftsgebers und der Bedeutung seiner Auskunft für den Empfänger jeweils auch weitere Umstände mitberücksichtigt, die für einen Verpflichtungswillen des Auskunftsgebers sprechen können (vgl. dazu Urteil vom 13.02.1992 –III ZR 28/90, VersR 1992, 964).
210Gemessen an diesen Maßstäben kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin und die Beklagte zu 7) deren Auskünfte über den Inhalt des Jahresabschlusses zum 31.12.2005 der X AG zum Gegenstand vertraglicher Rechte und Pflichten gemacht haben. Zwar hat der BGH die Hinzuziehung des Auskunftsgebers zu Vertragsverhandlungen auf Verlangen des Auskunftsempfängers (BGH, Urteil vom 25.10.1966 – VI ZR 8/65, VersR 1967, 65 (66)) oder deren Einbeziehung in solche Verhandlungen als unabhängige neutrale Person (BGH, Urteil vom 18.01.1972 – VI ZR 184/70, VersR 1972, 441 (443)) als solche Umstände angesehen, die die Annahme eines konkludenten Vertragsschlusses stützen können. Jedoch sind diese Voraussetzungen hier nicht gegeben. Auch wenn die Klägerin die Hinzuziehung der Beklagten zu 7) zu dem Gespräch am 28.04.2006 erbeten hat, hat sie sich dazu jedoch an die X AG gewandt, die die Beteiligung ihrer Abschlussprüfer vermittelt hat. Die Zielgesellschaft ist jedoch nicht der potentielle Vertragspartner des von der Klägerin angestrebten Unternehmenskaufs. Gegenüber den Aktionären der X AG als potentielle Verkäufer – Bereitschaft zum Verkauf ihrer Aktien hatte bis zum 28.04.2006 ohnehin nur die Beklagte zu 4) gezeigt – hat sie die Bitte, mit den Wirtschaftsprüfern des Unternehmens sprechen zu wollen, nicht geäußert. Die Klägerin hat erkennbar auch selbst nicht angenommen, dass sie mit der Beklagten zu 7) in einer vertraglichen Verbindung gestanden habe. Sie hat vielmehr mit der Hinzuziehung eines eigenen Wirtschaftsprüfers, dem Zeugen Dr. I, auch zum Ausdruck gebracht, bei der Beurteilung der finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens nicht allein auf die Sachkunde der Beklagten zu 7) angewiesen sein zu wollen (vgl. BGH, Urteil vom 17.09.1985 – VI ZR 73/84, VersR 1986, 158 – juris Rz. 9).
211(2)
212Der Klägerin stehen gegen die Beklagte zu 7) auch keine Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB nach den Grundsätzen der Rechtsprechung über den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in entsprechender Anwendung der §§ 328 ff. BGB zu.
213(aa)
214Der Senat lässt offen, ob die Klägerin als Dritte in den Schutz eines Vertrags, den die X AG oder möglicherweise auch deren Aktionäre mit der Beklagten zu 7) abgeschlossen hatten, einbezogen gewesen ist.
215Ein Dritter wird nur dann in die aus einem Vertrag folgenden Sorgfalts- und Schutzpflichten einbezogen, wenn er mit der Hauptleistung nach dem Inhalt des Vertrages bestimmungsgemäß in Berührung kommen soll und den Gefahren von Gefahren von (Schutz-)Pflichtverletzungen ebenso ausgesetzt ist wie der Gläubiger selbst oder die Umstände des Einzelfalls ansonsten konkrete Anhaltspunkte für den Parteiwillen ergeben, dem Schutz- und Sicherheitsbedürfnis des Dritten Rechnung zu tragen (BGH, Urteil vom 24.01.2006 – XI ZR 384/03, NJW 2006, 830 – Rz. 52 m.w.N.; Urteil vom 07.02.1968 – VIII ZR 179/65, NJW 1968, 694 (695); Urteil vom 19.09.1973 – VIII ZR 175/72, NJW 1973, 2059 (2061), Urteil vom 12.11.1979 – II ZR 174/77, NJW 1980, 589 (590); Urteil vom 10.11.1994 – III ZR 50/94, NJW 1995, 392; Urteil vom 02.04.1998 – III ZR 245/96, NJW 1998, 1948 (1949)). Solche Schutzwirkungen für einen Dritten, der selbst keinen Anspruch auf die Hauptleistung aus dem Vertrag hat, können sich insbesondere aus solchen Verträgen ergeben, mit denen der Auftraggeber von einer Person, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügt, ein Gutachten bestellt, um davon gegenüber einem Dritten Gebrauch zu machen (BGH, Urteil vom 06.04.2006 – III ZR 256/04, NJW 2006, 1975 – juris Rz. 12). Allerdings sind an die Annahme einer vertraglichen Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich strenge Anforderungen zu stellen (BGH, Urteil vom 06.04.2006 – III ZR 256/04, NJW 2006, 1975 – juris Rz. 13 a.E.; Beschluss vom 30.10.2008 – III ZR 307/07, NJW 2009, 512 – juris Rz. 5).
216Die Beklagte zu 7), die als Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Pflichtprüfung der X AG nach §§ 316 ff. HGB betraut worden ist, gehört grundsätzlich zu einem Personenkreis, dessen Stellungnahmen aufgrund der Sachkunde und der von ihm erwarteten Unabhängigkeit, Gewissenhaftigkeit und Unparteilichkeit – insbesondere bei Prüfungsaufträgen – von besonderer Bedeutung sind und Grundlage für die Entscheidungen Dritter im wirtschaftlichen und finanziellen Bereich sein können (vgl. BGH, Urteil vom 06.04.2006 – III ZR 256/04, NJW 2006, 1975 – juris Rz. 12).
217Grundsätzlich ist der Abschlussprüfer gem. § 323 Abs. 1 S. 3 HGB nur der Gesellschaft (und, wenn ein verbundenes Unternehmen geschädigt worden ist, auch diesem gegenüber), nicht jedoch den Anteilseignern und sonstigen Gläubigern der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet ist (BGH, Urteil vom 06.04.2006 – III ZR 256/04, NJW 2006, 1975 – juris Rz. 13; Beschluss vom 30.10.2008 – III ZR 307/07, NJW 2009, 512 – juris Rz. 5). Nach der Rechtsprechung des BGH ist zwar anerkannt, dass diese gesetzgeberische Intention, das Haftungsrisiko des Abschlussprüfers angemessen zu begrenzen, auch im Rahmen der vertraglichen Dritthaftung zu beachten ist und die Einbeziehung einer unbekannten Vielzahl von Gläubigern, Gesellschaftern oder Anteilserwerbern in den Schutzbereich des Prüfauftrags dieser Tendenz zuwiderläuft (vgl. BGH, Urteil vom 06.04.2006 – III ZR 256/04, NJW 2006, 1975 – juris Rz. 13), jedoch schließt die Bestimmung des § 323 HGB trotzdem nicht aus, dass für den Abschlussprüfer auch eine Schutzpflicht gegen dritten Personen begründet werden kann (Beschluss vom 30.10.2008 – III ZR 307/07, NJW 2009, 512 – juris Rz. 5). Zu beachten ist dabei insbesondere, dass Bestätigungsvermerken nach § 325 Abs. 1 HGB ohnehin die Bedeutung zukommt, Dritten Einblick in die wirtschaftliche Situation des publizitätspflichtigen Unternehmens zu gewähren und ihnen für ihr beabsichtigtes Engagement eine Beurteilungsgrundlage zu geben, ohne dass dies den Gesetzgeber veranlasst hat, die Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers ebenso weit zu ziehen, so dass es für die Annahme einer Schutzwirkung in dem hier betroffenen Bereich nicht allein genügt, dass ein Dritter die von Sachkunde geprägte Stellungnahme des Prüfers für diesen erkennbar zur Grundlage einer Entscheidung mit wirtschaftlichen Folgen machen möchte (Beschluss vom 30.10.2008 – III ZR 307/07, NJW 2009, 512 – juris Rz. 5). Vor diesem Hintergrund hält es der BGH jedoch grundsätzlich für erforderlich, dass dem Abschlussprüfer deutlich wird, dass von ihm im Drittinteresse eine besondere Leistung erwartet wird, die über die Erbringung der gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtprüfung hinausgeht (Beschluss vom 30.10.2008 – III ZR 307/07, NJW 2009, 512 – juris Rz. 5).
218Unter Anwendung dieser Maßstäbe lässt sich eine Einbeziehung der Klägerin sowohl in den Schutzbereich des zwischen der Beklagten zu 7) mit der X AG geschlossenen Auftrags zur Prüfung des Jahresabschlusses zum 31.12.2005 sowie in einen unter Umstände seitens der Aktionäre anzunehmenden Auftrags an die Beklagte zu 7) (Anlagen K9-K11) zur Erteilung von jeglichen Auskünften, die die Jahresabschlüsse zum 31.12.2005 und der Vorjahre betreffen, annehmen. Denn aus einem Schreiben der Beklagten zu 7) vom 27.03.2006 (Anlage K8) ergibt sich, dass ihr bekannt war, einem potentiellen Kaufinteressenten Auskünfte über die Jahresabschlüsse der X AG für 2005 sowie der Vorjahre zu geben, und ihr damit, wenn auch erst nach Erteilung des Auftrags Mitte des Jahres 2005, jedenfalls im Zeitpunkt der Erteilung des Testats am 31.03.2006 erkennbar war, dass ein Dritter ihre Stellungnahme zur Grundlage für eine Kaufentscheidung machen wird. Hinzu kommt, dass sie die Erwartung hatte, auch Auskünfte erteilen zu müssen, die über die Erbringung der gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtprüfung hinausgeht, da sie in ihrem bereits angesprochenen Schreiben vom 27.03.2006 (Anlage K8) auch die dringende Empfehlung ausgesprochen hat, mit dem potentiellen Erwerber wegen der unmittelbaren Konkurrenzsituation eine weitgehende „Vertraulichkeitserklärung“ (offenkundig gemeint: Vertraulichkeitsvereinbarung) zu treffen.
219Die weiterhin für die Einbeziehung in den Schutzbereich erforderliche Schutzbedürftigkeit der Klägerin ist ebenfalls gegeben, da der Klägerin – wie sich aus den Ausführungen des Urteils im Übrigen ergibt – gegen einen oder alle Vertragspartner bei den Anteilsveräußerungen keine eigenen vertraglichen Ansprüche zustehen.
220(bb)
221Wollte man von einer aus vertraglicher Grundlage hervorgehenden Schutzwirkung zugunsten der Klägerin ausgehen, käme eine Haftung der Beklagten zu 7) gegenüber der Klägerin gleichwohl nicht in Betracht, da sie gegenüber der Klägerin keine Pflichtverletzung begangen hat. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagten zu 8) und zu 9) als Geschäftsführer der Beklagten zu 7) bei dem Gespräch am 28.04.2006 auf Fragen der Klägerin fehlerhafte Auskünfte gegeben haben oder sie Anlass gehabt hätten, unrichtige Erklärungen Dritter richtig zu stellen, soweit Gegenstände betroffen waren, die über den Inhalt der Pflichtprüfung hinausgingen.
222Dass in dem Gespräch am 28.04.2006 weder über eine verdeckte Sacheinlage noch über offene Einlageverbindlichkeiten gesprochen worden ist, haben die Geschäftsführer der Klägerin, die Herren Dr. L3 und L1, bei ihrer Anhörung durch den Senat am 06.04.2011 ausdrücklich erklärt, so dass sich eine diesbezügliche Unrichtigkeit allein auf den Inhalt des Prüfungsberichts beschränkt.
223Im Übrigen hat die Klägerin ihre Behauptungen zu den weiteren Aussagen, die in dem Gespräch am 28.04.2006 durch die Beklagten zu 8) und zu 9) gemacht worden oder von Dritten gemacht und von den Beklagten zu 8) und zu 9) unwidersprochen geblieben sein sollen, nicht bewiesen. Nach der vor dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme kann nicht festgestellt werden, dass von den Beklagten zu 8) und zu 9) über den Inhalt des Prüfungsberichtes der Beklagten zu 7) hinaus Angaben gemacht worden sind. Der bei dem Gespräch anwesende und von der Klägerin in seiner Eigenschaft als Wirtschaftsprüfer hinzugezogene Zeuge Dr. I hat bei seiner Aussage (vgl. S. 2 ff. Protokoll vom 06.11.2013), an deren Glaubhaftigkeit der Senat keinen Zweifel hat, bekundet, an den Ablauf des Gesprächs vom 28.04.2006 keine konkrete Erinnerung mehr zu haben. Allerdings hat er die Atmosphäre, in der das Gespräch stattfand, insgesamt als eigenartig und in seiner Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer einmalig beschrieben, da ihm die Beklagten zu 8) und zu 9) den Eindruck vermittelten, eigentlich nicht mit ihm und den Vertretern der Klägerin sprechen zu wollen, und sie nach seinem Eindruck „voll in der Deckung“ geblieben seien, ohne dass sie jedoch ausdrücklich gesagt hätten, zu bestimmten Fragen nichts sagen zu dürfen. Der Zeuge Dr. I hat zudem darauf verwiesen, dass das Schema der Antworten der Beklagten zu 8) und zu 9) auf die gestellten Fragen immer darin bestanden habe, den Inhalt des Jahresabschlusses wiederzugeben, ohne dass jedoch darüber hinaus gehende Angaben gemacht worden seien. Selbst eine vom ihm als unhöflich erlebte Wiederholung einer Frage habe daran nichts geändert. Insgesamt hat der Zeuge Dr. I das Gespräch auch deswegen als „besonders unfruchtbar“ erlebt, weil die wesentlichen Inhalte und interessanten Teile bei solchen Gesprächen zwischen den Zeilen lägen, wozu nach seiner Erinnerung ebenfalls keine Auskünfte erteilt worden seien. Zudem hat er das Gespräch insgesamt als frustrierend erlebt, weil die Beklagten zu 8) und zu 9) „nicht einmal zum Wetter etwas gesagt“ hätten. Entsprechend unzufrieden hat der Zeuge Dr. I auch die Reaktion der Vertreter der Klägerin auf der etwa einstündigen Rückfahrt nach P beschrieben, auf der während der ersten halben Stunde nur geschimpft worden sei.
224Auch die weiteren Angaben des Zeugen Dr. I zu den einzelnen von der Klägerin behaupteten und ihm vom Senat vorgehaltenen Inhalten des Gesprächs vom 28.04.2006 erweisen sich als insoweit unergiebig, da der Zeuge lediglich hat bekunden können, hieran keine konkrete Erinnerung mehr zu haben, was aufgrund des zwischenzeitlichen Zeitablaufs gut nachvollziehbar ist und plausibel erscheint. So hat der Zeuge Dr. I bekundet, keine sichere Erinnerung mehr daran zu haben, ob bei dem Gespräch darüber gesprochen worden sei, mit welchem Wert die Beteiligung der X AG an der Saudi X Ltd. im Jahresabschluss aktiviert worden sei, oder dass deren Geschäftsaussichten oder Geschäftsentwicklungen erörtert worden seien, um die möglichen Hintergründe der vorgenommen Bewertung zu verstehen. Da es sich bei der Bewertung der saudischen Beteiligung aber um einen relevanten Umstand gehandelt habe, könne er nur vermuten, dass darüber gesprochen worden sei, ohne hieran jedoch eine konkrete Erinnerung zu haben. Soweit aber Erläuterungen zu „arabischen Sachverhalten“ erfolgt seien, könne er diese jedoch dem Beklagten zu 10) zuordnen, da ihm wieder gegenwärtig geworden sei, dass er ihn als in diesen Belangen besonders sachkundig angesehen habe. Ob in dem Gespräch auch über eine Patronatserklärung gesprochen worden ist, entzieht sich ebenfalls der Erinnerung des Zeugen Dr. I. Wenn über eine solche Erklärung gesprochen worden sei – so hat der Zeuge bekundet – so sei nur das im Jahresabschluss enthaltene gesagt worden. Der Zeuge ist sich zwar sicher gewesen, dass in dem Gespräch auch über Bewertungsgrundsätze gesprochen worden ist, jedoch hat er auch insoweit nur bekundet, dass sich die Erläuterungen dort ebenfalls auf das beschränkt hätten, was sich ohnehin schon aus dem Jahresabschluss ergebe. Gleichermaßen geht der Zeuge Dr. I entsprechend der von ihm angenommenen Üblichkeit bei der Erörterung von Abschlüssen in der Baubranche davon aus, dass auch über die Berücksichtigung von Nachträgen im Bereich der unfertigen Erzeugnisse gesprochen worden sei, ohne aber noch bekunden zu können, welche Erläuterungen und Auskünfte insoweit durch die Beklagten zu 8) und zu 9) erteilt worden sind. Er hat auch in diesem Zusammenhang lediglich ausgesagt, dass die Beklagten zu 8) und zu 9) insoweit wiederum nur erklärt hätten, dass die im Anhang zum Jahresabschluss angegebenen Bewertungsregeln eingehalten worden und darüber hinaus gehende Zweifel unangebracht seien. Darüber hinaus hat der Zeuge Dr. I lediglich bestätigen können, dass einzelne Bauvorhaben eine Rolle gespielt hätten, die in dem Konvolut des Abschlusses besondere Erwähnung gefunden hätten und zu denen die – aus seiner Sicht offensichtlich mit entsprechenden Vorkenntnissen versehenen – Vertreter der Klägerin Nachfragen dazu gestellt hätten, was aus diesem oder jenem Bauvorhaben geworden sei. Weiter hat er erklärt, nicht zuverlässig sagen zu können, welcher Teilnehmer „auf der anderen Seite“ der Verhandlungsteilnehmer, die der Zeuge Dr. I – wie er zuvor in anderem Zusammenhang klargestellt hat – als diejenigen Personen versteht, die nicht auf Käuferseite standen, auf die erwähnten Fragen nach bestimmten Bauvorhaben und deren weiterer Entwicklung geantwortet hat. Ebenso wenig hat der Zeuge Dr. I bestätigt, dass in diesem Zusammenhang erklärt worden sei, Bauvorhaben seien komplexer geworden und alle Bauvorhaben müssten mit höheren Kosten leben. Daran, dass auch Drohverluste Inhalt des Gesprächs waren, hatte der Zeuge Dr. I ebenfalls keine Erinnerung mehr. Er hat insoweit lediglich mutmaßen können, dass sie jedenfalls dann Gesprächsgegenstand gewesen sein dürften, wenn Drohverlustrückstellungen im Abschluss enthalten gewesen seien. Keine Erinnerung hat der Zeuge Dr. I zudem daran, ob der Rückgang von Anzahlungen ein besonderes Thema bei dem Gespräch gewesen ist und ob von einem Gesprächsteilnehmer nach periodenfremden Erträgen im Jahr 2005 gefragt und was von der „anderen Seite“ darauf geantwortet wurde. Schließlich hat er zwar nicht ausschließen können, dass mit Blick auf bestimmte Vermögensgegenstände oder Sachverhalte von einer durchgeführten Sonderprüfung gesprochen wurde, ohne jedoch auch hier aus der Erinnerung sagen zu können, was inhaltlich zu einer möglichen Sonderprüfung der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen besprochen worden sein kann.
225(3)
226Eine Haftung der Beklagten zu 7) gegenüber der Klägerin gem. §§ 823 Abs. 2, 840, 31 BGB i.V.m. § 323 HGB kommt nicht in Betracht, da die handelsrechtliche Vorschrift des § 323 HGB kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB darstellt (OLG Celle, Urteil vom 05.01.2000 – 3 U 17/99, NZG 2000, 613; OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.1998 – 8 U 59/98, NZG 1999, 901 (903); Hopt/Merkt in Baumbach/Hopt, HGB, 36. Auflage (2014), § 323 Rdn. 8 m.w.N.; Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, 5. Auflage (2010), § 323 Rdn. 68).
227(4)
228Die Beklagte zu 7) haftet der Klägerin auch nicht aus unerlaubter Handlung gem. §§ 823 Abs. 2, 840, 31 BGB i.V.m. § 332 HGB oder §§ 823 Abs. 2, 840, 31 BGB i.V.m. § 263 StGB oder aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gem. §§ 826, 840, 31 BGB. Die Klägerin müsste sich zwar gem. § 31 BGB jedes Handeln ihrer Geschäftsführer, der Beklagten zu 8) und zu 9), zurechnen lassen, jedoch lässt sich ein Verstoß der Beklagten zu 8) und 9) gegen die genannten Schutzgesetze nicht feststellen. Wegen der Einzelheiten wird dazu auf die unten zu den Beklagten zu 8) und zu 9) gemachten Ausführungen verwiesen.
229c) Antrag zu IV
230Der Antrag zu IV, mit dem die Klägerin nur gegen den Beklagten zu 11) – gesamtschuldnerisch neben den Beklagten zu 1), zu 3), zu 4) und zu 7) – die Zahlung von 10.000.000 € nebst Zinsen hilfsweise Zug um Zug gegen Übertragung des GmbH‑Anteils geltend macht, wobei es sich um den erstrangigen Teilbetrag des (nach der Vorstellung der Klägerin höheren) Schadens handelt, ist ebenfalls unbegründet.
231Die Voraussetzungen für eine Haftung des Beklagten zu 11), die sich allein aus deliktischen Ansprüchen ergeben kann, liegen nicht vor.
232aa)
233Der Klägerin steht gegen den Beklagten zu 11) kein Anspruch auf Schadensersatz gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 331 Nr. 1 HGB zu, da eine Verletzung des § 331 Nr. 1 HGB nicht gegeben ist.
234Nach § 331 Nr. 1 HGB, bei dem es sich um ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB handelt (LG Bonn, Urteil vom 15.05.2001 – 11 O 181/00, AG 2001, 484 – juris Rz. 65 m.w.N.; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB, 36. Auflage (2014), § 331 Rdn. 1; Staub/Dannecker, 5. Auflage (2012), § 331 Rdn. 9), unterliegt der Strafdrohung, wer als Mitglied des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft die Verhältnisse der Kapitalgesellschaft im Jahresabschluss unrichtig wiedergibt oder verschleiert. Allerdings erfährt dieser Tatbestand eine Einschränkung durch das dem Wortlaut der Norm nicht zu entnehmende ungeschriebene Erfordernis der Erheblichkeit (Staub/Dannecker, HGB, 5. Auflage 2012, § 331 Rdn. 63), da die Interessen des geschützten Personenkreises durch lediglich unwesentliche Verletzungen von Rechnungslegungsvorschriften nicht berührt werden (Staub/Dannecker, 5. Auflage 2012, § 331 Rdn. 63; Wiedmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Auflage 2008, § 331 Rdn. 6 m.w.N.). In der Rechnungslegung wird dann von Wesentlichkeit gesprochen, wenn der Leser eines Jahresabschlusses, der z.B. eine Investitionsentscheidung treffen möchte, auf Grund unrichtiger Darstellungen andere Schlussfolgerungen als bei gesetzeskonformer Darstellung ziehen muss (Wiedmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Auflage 2008, § 331 Rdn. 6 m.w.N.).
235Geschütztes Rechtsgut ist das Vertrauen in die Richtigkeit und Vollständigkeit bestimmter Informationen über die Verhältnisse der Kapitalgesellschaft. Die Vorschrift schützt insbesondere die Personen, die mit dieser in irgendeiner wirtschaftlichen oder rechtlichen Beziehung stehen oder in eine solche eintreten wollen (MünchKomm/Quedenfeld, HGB, 2. Auflage (2008), § 331 Rdn. 1 f. m.w.N.), wozu auch potenzielle Gesellschafter – wie die Klägerin – gehören (vgl. Staub/Dannecker, 5. Auflage 2012, § 331 Rdn. 5).
236Dass der Beklagte zu 11), der seinerzeit als Vorsitzender des Vorstands der X AG tätig war und damit als Mitglied des vertretungsberechtigten Organs der Aktiengesellschaft (§ 76 Abs. 2, 3 AktG) als tauglicher Täter des in § 331 Nr. 1 HGB normierten echten Sonderdelikts in Betracht kommt, die Verhältnisse der X AG im Jahresabschluss zum 31.12.2005 vorsätzlich in nicht unwesentlichem Umfang unrichtig wiedergegeben oder verschleiert hat, kann nach der vor dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme nicht festgestellt werden.
237(1)
238In dem Jahresabschluss der X AG zum 31.12.2005 werden die Verhältnisse der Gesellschaft nicht – jedenfalls nicht vorsätzlich – unrichtig i.S.d. § 331 Nr. 1, 1. Alt. HGB wiedergeben. Eine unrichtige Wiedergabe der Verhältnisse liegt dann vor, wenn die dargestellte wirtschaftliche Situation der in Wirklichkeit bestehenden Sachlage nicht entspricht (Staub/Dannecker, 5. Auflage 2012, § 331 Rdn. 52). Erfasst werden aber nicht nur unzutreffende Tatsachen, sondern auch Verstöße gegen Bewertungsvorschriften und Bewertungsverbote (Staub/Dannecker, 5. Auflage 2012, § 331 Rdn. 57). Bewertungen, Schätzungen und Beurteilungen sind unrichtig, wenn die tatsächlichen Grundlagen, auf denen sie beruhen, objektiv unrichtig sind (Staub/Dannecker, 5. Auflage 2012, § 331 Rdn. 59).
239Die Behauptung der Klägerin, der Beklagte zu 11) habe – wie im Übrigen auch die Beklagten zu 12) und zu 13) als die ehemaligen weiteren Vorstandsmitglieder der X AG – eine Manipulation des Jahresabschlusses dadurch begangen, dass er – jeweils bewusst – die Vorräte bzw. die unfertigen Bauten (betreffend F-arena E, Q-station B/K, BGH S-Hof Phase 2/C, N Hotel Am X-damm/C und P T2) und einzelne Forderungen (betreffend C AG und N GmbH = W‑Galerie/I) fehlerhaft bewertet, bestehende Verbindlichkeiten aus Garantien und Sicherheitseinbehalten ausgebucht, keine Rückstellungen für Drohverluste aus einer Mietgarantie (Objekt M-berger T-Straße) gebildet, darüber hinaus das Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage und einer Patronatserklärung verschwiegen und schließlich eine gebotene vollständige Abschreibung des Wertes für die Saudi X Ltd. unterlassen habe, kann nach dem gesamten Inhalt der mündlichen Verhandlung nicht zur Überzeugung des Senats festgestellt werden.
240(aa)
241Hinsichtlich der Bewertung der Vorräte bzw. der unfertigen Bauten hat die durchgeführte Beweisaufnahme die Behauptung der Klägerin, es habe seitens des Vorstandes der X AG – und damit auch des Beklagten zu 11) – bewusste Manipulationen dahingehend gegeben, dass unfertige Bauten zu hoch bewertet worden seien, um zu erwartende Verluste nicht sogleich aufzudecken und das Betriebsergebnis der X AG zu schönen, indem in den ursprünglich zutreffenden Leistungsmeldungen und Arbeitskalkulationen der Bauleiter auf Geheiß der Beklagten zu 11), zu 12 und zu 13) Leistungswerte durch erfundene Nachträge erhöht und Kosten von Nachunternehmern herabgesetzt worden seien, weder für sich genommen noch in Ansehung der genannten fünf von der Klägerin besonders in den Blick genommenen Bauvorhaben, deren bilanzielle Bewertung sie als bewusst geschönt behauptet hat, bestätigt.
242i)
243Eine in Kenntnis oder auf Geheiß des Vorstands der X angelegte Manipulation der Baustellenmonatsberichte (Leistungsmeldungen und Arbeitskalkulationen) kann nicht festgestellt werden. Weder die dazu von der Klägerin benannten Zeugen L2, X3, C4, y, T5, L4 und T2 noch die weiterhin vernommenen Zeugen, soweit sie dazu Angaben gemacht haben, haben Entsprechendes bestätigt.
244Soweit die vom Senat vernommenen Zeugen zu den genannten Behauptungen der Klägerin überhaupt etwas bekundet haben, beschränkten sich ihre Äußerungen auf die Wiedergabe ihrer Erinnerung an Probleme oder Zustände an einzelnen Baustellen, an Abläufe und Zustände im Zusammenhang mit der Erstellung, Verarbeitung und Weitergabe von Leistungsmeldungen und Arbeitskalkulationen, deren buchhalterischer Verarbeitung und ihrer Einfügung in das Rechnungswesen der X AG. Keiner der Zeugen hat bestätigt, dass der Beklagte zu 11) oder seine beiden Vorstandskollegen die von der Klägerin behaupteten Manipulationen oder Veränderungen der Leistungsmeldungen und Arbeitskalkulationen angeordnet, darauf einen im Sinne der „Aufbesserung“ steuernden Einfluss genommen oder von solchen Vorgehensweisen auch nur Kenntnis erlangt hätten. Auch soweit die Zeugen gezielt nach solchen Einflussnahmen seitens der Vorstandsmitglieder und nach der Kenntniserlangung von möglichen Manipulationen befragt worden sind, haben sich Bestätigungen für den Vortrag der Klägerin in dieser Hinsicht nicht ergeben.
245Insgesamt geben die Ergebnisse der Beweisaufnahme und die sonstigen Inhalte der mündlichen Verhandlung keine aussagekräftigen Hinweise oder sogar belastbaren Belege dafür, dass das von der Klägerin beschriebene Szenario einer auf Weisung oder zumindest mit dem Wissen der Vorstandsmitglieder in den internen Unterlagen erfolgten verfälschten Dokumentation der tatsächlichen Lage tatsächlich vorgelegen hat und vor diesem Hintergrund eine unrichtige Wiedergabe der Verhältnisse der Gesellschaft erfolgt ist.
246ii)
247Ebenso wenig kann nach der durchgeführten Beweisaufnahme festgestellt werden, dass der Beklagte zu 11) – wie im Übrigen auch die Beklagten zu 12) und zu 13) – bei den teilfertigen Bauvorhaben F-arena E, Q-station B/K, BGH S-Hof Phase 2/C, N Hotel am X-damm/C und P-heimer T2 bewusst die von der Klägerin behaupteten und für notwendig gehaltenen Abwertungen wegen zu erwartender Verluste in Höhe von insgesamt 8.331.000 € nicht vorgenommen und insoweit die Verhältnisse der X AG im Sinne des § 331 Nr. 1 HGB unrichtig wiedergegeben hat.
248Entgegen der Behauptung der Klägerin ergibt sich für die von ihr angenommene Unrichtigkeit des Jahresabschlusses zum 31.12.2005 kein Indiz aus der „Zusammenstellung der Ergebnisschätzungen“ vom 20.02.2006 (Anlage 24 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28), der sich nach ihrer weiteren Behauptung für das Jahr 2006 ein erwarteter Gesamtverlust des Unternehmens in Höhe von insgesamt 11.879.000 € (vgl. zur Berechnung S. 86 Qaa-Gutachten – Anlage K28) entnehmen lasse. In dieser Ergebnisschätzung sind die effektiven Ergebnisse, soweit bereits eine Betriebsabrechnung vorliegt, und die geschätzten Ergebnisse für künftige Monate der einzelnen auf die verschiedenen Niederlassungen der X AG entfallenden Baustellen aufgelistet. Aus der Zusammenstellung, von der die Vorstände der X AG nach der Aussage des Zeugen L hatten, können für die fünf genannten Bauvorhaben für das Jahr 2006 folgende erwartete Gesamtergebnisse entnommen werden:
249N-Hotel C (NL C 50 %) - 1.300.000 €
250N-Hotel C (NL C1 50 %) - - 1.297.000 €
251F-arena E (NL D´dorf/F) - 1.501.000 €
252BGH S- Hof Phase 2 (NL Hochbau Westf.) - 1.050.000 €
253P-heimer Str./L (Zentraler Wohnungsbau) + 630.000 €
254Q-station B/K (NL Ausland) - 600.000 €
255Auch wenn diese Ergebnisschätzung nach der Aussage des Zeugen L etwa gleichzeitig zu dem Jahresabschluss 2005 entstanden ist, lassen sich ihr keine für die Erstellung des Jahresabschlusses zum 31.12.2005 relevanten und zu berücksichtigenden Daten entnehmen, so dass sie entgegen der Behauptung der Klägerin nicht auf eine Unrichtigkeit der Bilanzansätze schließen lassen. Denn nach den Bekundungen des Zeugen L, der nach seinem Bekunden bei der X AG für die Koordination der Ergebnisschätzungen zuständig war und an dessen Glaubwürdigkeit der Senat nicht zweifelt, handelt es sich bereits bei den in der Übersicht als Vorjahresergebnis ausgewiesenen Zahlen, von denen die jeweilige Berechnung ausgeht, nicht um solche aus der Finanzbuchhaltung oder dem Jahresabschluss, sondern um solche aus der Betriebsabrechnung. Darüber hinaus hat der Zeuge L ebenfalls bekundet, dass es nicht seiner Entscheidung, sondern den jeweiligen Niederlassungen oblegen habe, in welchem Umfang mögliche Nachträge in die ermittelten Ergebnisschätzungen einflössen. Zwar hat der Zeuge L zugleich erklärt, dass es – gerade zu Beginn eines Jahres, wo man noch relativ optimistisch gewesen sei – der Übung entsprochen habe, dass man in die Berechnung noch zu erwartende Aufträge einbezogen habe, jedoch lässt sich jedenfalls nicht sicher ausschließen, dass noch zu erwartende Nachträge zumindest teilweise keinen Eingang in die Ergebnisschätzung gefunden haben. Nach der Bekundung des als Partei vernommenen Beklagten zu 12) soll sogar davon auszugehen sein, dass in der Ergebnisschätzung aus Februar 2006 – abgesehen von den die Ausgangsgröße bildenden Vorjahreszahlen – überhaupt keine Nachträge erfasst sind. Letztlich kommt noch hinzu, dass nach der weiteren Bekundung des Beklagten zu 12) die Ergebnisschätzung zur Vorbereitung von Gesprächen mit den Niederlassungen gedient hat, und damit keine Grundlage für die Bilanzerstellung war.
256Die weitere Behauptung der Klägerin, die „Zusammenstellung der Ergebnisschätzung“ vom 20.02.2006 (Anlage 24 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) lasse einen Gesamtverlust im Unternehmen in Höhe von 11.879.000 € für das Jahr 2006 erwarten, hat sich ebenfalls nicht bestätigt. So hat zunächst der Zeuge L, dem dieser Betrag vorgehalten worden ist, bekundet, er könne sich nicht vorstellen, dass zu Beginn des Jahres eine solche negative Gesamtgröße zu erwarten gestanden habe. Dabei erweist sich die Vermutung des Zeugen L, dass sich der ihm vorgehaltene Gesamtverlust auf das addierte Ergebnis aller Baustellen beziehe, die zu diesem Zeitpunkt defizitär gewesen seien, und dass sich das Gesamtergebnis für das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt als in etwa ausgeglichen darstelle, als durchaus zutreffend. Unter Berücksichtigung der Ergebnisschätzungen sämtlicher Niederlassungen mit Ausnahme des erwarteten Ergebnisses für die Niederlassung Saudi Arabien (S. 65 Anlage 24 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28), die allein die noch gesondert zu betrachtende 49 %‑ige Beteiligung der X AG an der Saudi X Ltd. erfasst, ergibt sich nach der vom Senat nachvollzogenen Rechnung für die X AG eine Gesamtverlusterwartung für das Jahr 2006 in Höhe von „lediglich“ 616.000 €.
257Dem Antrag der Beklagten zu 1), zu 2), zu 3) und zu 10) vom 13.11.2013 (S. 6 Protokoll vom 13.11.2013), der Klägerin gem. § 142 Abs. 1 ZPO aufzugeben, das – nach der Aussage des Zeugen L nicht vorhandene – Deckblatt der „Zusammenstellungen der Ergebnisschätzungen“ (Anlage 24 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) vorzulegen, war angesichts dieser Würdigung im Sinne der Beklagten nicht nachzugehen, zumal nicht ersichtlich ist, welcher weitere Erkenntnisgewinn mit der Vorlage des Deckblattes verbunden sein könnte.
258Ebenso wenig lässt sich aus der handschriftlich mit „Risiko-Management-Report“ überschriebenen Zusammenstellung der laufenden Baustellen mit einer Auftragssumme über 1 Mio. € mit Stand vom 15.03.2006 (Anlage 25 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) ein Anhaltspunkt für die Unrichtigkeit des Jahresabschlusses zum 31.12.2005 gewinnen. Nach der glaubhaften Aussage des Zeugen T2 (S. 6 ff. Protokoll vom 17.04.2013), war er mit der Erstellung dieser Liste als Teil des Risikomanagements beauftragt und erstellte sie jeweils zum 15. eines jeden Monats als Stichtag. Er hat bekundet, dazu die ihm überlassenen Ergebnisse der Arbeitskalkulationen der Baustellen, die nur für Bauvorhaben mit einer Auftragssumme über 1 Mio. € zu erstellen gewesen seien, unverändert in diese Liste eingetragen zu haben. Auch wenn der Zeuge T2 an die konkreten Zahlen keine Erinnerung mehr hatte, hat er gleichwohl bekundet, dass die einzelnen Baustellen – auch wenn es sich um Verlustbaustellen gehandelt habe – mit den gemeldeten Zahlen in die Liste eingegangen seien, so dass es auch zutreffend sei, wenn die Liste Minusergebnisse aufweise. Er hat insoweit die ihm aus der Liste vorgehaltenen Minusergebnisse der Bauvorhaben P-heimerT2 (1.055.000 €), BGH S- Hof Phase 2 (1.689.000 €) und N Hotel am X-damm (2.893.000 €) bestätigt und zudem bekundet, dass es auch Baustellen gegeben habe, für die ihm – wie bei der F-arena E – keine Arbeitskalkulationen zur Verfügung gestellt worden seien.
259Unabhängig davon, ob der Beklagte zu 11) und die Beklagten zu 12) und zu 13) von dem Inhalt dieses „Risiko‑Management‑Report“ Kenntnis hatten – der Zeuge T2 hat bekundet, die von ihm erstellten Listen regelmäßig zum Stichtag in Berichtsform im Vorzimmer des Vorstandes abgeliefert zu haben, während der Beklagte zu 11) sowie die Beklagten zu 12) und zu 13) es bei ihrer Parteivernehmung verneint haben, von einer Auswertung aller laufenden Baustellen mit einem Volumen von mehr als 1 Mio. € Kenntnis gehabt zu haben oder sich daran erinnern zu können – sind auch die Inhalte des Risiko-Management-Reports nicht geeignet, zum Zwecke der Erstellung des Jahresabschlusses verwertbares Zahlenmaterial zu liefern, da der Report auf der Grundlage der gemeldeten Arbeitskalkulationen erstellt worden ist, in die aber nach den Aussagen der als Partei vernommenen Beklagten zu 11) und zu 13) noch keine Nachträge eingerechnet sind, deren Abbildung es jedoch für die handelsrechtliche Bewertung bedarf.
260Schließlich lässt sich die Unrichtigkeit des Jahresabschluss zum 31.12.2005 auch nicht mit der sog. „C4‑Liste“ (Anlage K87) begründen. Bei dieser nach ihrem Ersteller, dem Zeugen C4 benannten Liste handelt es sich nach Bekunden des Zeugen C4 um eine von ihm monatlich fortgeschriebene Aufstellung der tatsächlich gemeldeten Leistungsdaten, die er in Abweichung von den von ihm geänderten Leistungsmeldungen erstellt habe, da er in diesen auf Vorgabe des Zeugen X3 die tatsächlichen Werte den Planzahlen angenähert habe. Der Senat kann es dahin stehen lassen, ob die von dem Zeugen C4 beschriebene Veränderung der Leistungsmeldungen und die darin zum Ausdruck kommende bewusste Manipulation auf der Ebene der Mitarbeiter, von denen die übrigen Zeugen nichts berichtet haben, zutreffend ist. Jedenfalls hat der Zeuge C4 auch bekundet, diese von ihm erstellte Liste nicht weitergeleitet zu haben, so dass eine diesbezügliche Kenntnis des Vorstandes der X AG nicht festgestellt werden kann. Hinzu kommt, dass die hier zur Akte gereichte sog. „C4-Liste“ ausweislich der darauf enthaltenen handschriftlichen Zusätze am 20.02.2007 für Dezember 2006 erstellt worden ist und damit ohnehin für die zeitnah erfolgte Erstellung des Jahresabschlusses auf den 31.12.2005 keine Relevanz mehr beanspruchen kann.
261(i)
262Eine unrichtige Wiedergabe i.S.d. § 331 Nr. HGB hinsichtlich des BauvorhabensF-arena E ist durch die Inhalte der mündlichen Verhandlung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit belegt worden. Dass bei diesem Bauvorhaben – wie die Klägerin behauptet – bei sachgerechter Bewertung der gewählte Bilanzansatz von 17.800.114 € um 3.146.997 € auf 14.653.116 € hätte abgeschrieben werden müssen, weil bis zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung bei diesem Vorhaben eine Einbeziehung zu erwartender Verluste, die dem Vorstand der X AG auch bekannt gewesen seien, handelsrechtlich geboten gewesen wäre, kann nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht festgestellt werden.
263Nach der Aussage der Zeugin I2, bei der es sich um eine Prokuristin der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Qaa handelt, die im Auftrag der Klägerin den von dem Vorstand der X AG erstellten und von der Beklagten zu 7) geprüften Jahresabschluss einer Nachprüfung unterzogen hat, kann zunächst festgestellt werden, dass für das Bauvorhaben F-arena E in dem Jahresabschluss zum 31.12.2005 keine Abwertung bzw. Drohverlustrückstellung vorgenommen worden ist, nicht aber, dass eine solche vorzunehmen gewesen wäre.
264Denn es kann nicht sicher festgestellt werden, dass zum Abschlussstichtag die Notwendigkeit einer Abwertung in einem für § 331 Nr. 1 HGB als wesentlich anzusehenden Umfang bestanden hat. Auch wenn der Zeuge O diese Baustelle als Verlustbaustelle gekennzeichnet, der Zeuge C3 bekundet hat, dass sie letztlich ein ungünstiges Ergebnis erbracht hat, und auch der Beklagte zu 13) zum einen bei seiner Vernehmung als Partei bestätigt hat, dass er bei diesem Bauvorhaben eine ungünstige Arbeitskalkulation zur Kenntnis bekommen habe, und er zum anderen am 04.11.2005 – wie sich dem Protokoll der Vorstandsitzung entnehmen lässt (Anlage K88) – erklärt hat, dass bei diesem Projekt zu versuchen sei, die Unterdeckung zu minimieren, ist zu berücksichtigen, dass die Baustelle nach den Angaben des Zeugen O hinsichtlich der Ertragsseite einen ungünstigen Verlauf genommen hat, was nach der Aussage des Zeugen C3 seinen Grund in den zusätzlichen Aufwendungen hatte, die aus der Besonderheit der Dachkonstruktion resultierten und die nach dem weiteren Bekunden des Zeugen O Nachträge in nicht unerheblichem Umfang erforderten.
265Zwar ergibt sich aus dem „Baustellenmonatsbericht mit Leistungsmeldung“ zum Stichtag 31.12.2005 (Anlage 14 zum Qaa-Gutachten – Anlage K28), auf dessen Ablichtung der Zeuge O eine der dort befindlichen Unterschriften als von ihm stammend identifiziert hat und deren Authentizität jedenfalls von den Beklagten zu 11) bis 13) nicht bestritten worden ist, dass nach der letzten Arbeitskalkulation vom 22.11.2005 (S. 51 Anlage 15 – Lasche 3 – zum Qaa-Gutachten – Anlage K28) ein Verlust von rund 4.328.000 € zu erwarten stand. Jedoch haben die Zeugen C3 und O der Richtigkeit einer Verlusterwartung in dieser Größenordnung widersprochen. So hat der Zeuge O zunächst auf den Vorhalt, dass nach den Leistungsmeldungen im Jahr 2005 ein Verlust von rund 4 bis 5 Mio. € zu erwarten gewesen, erklärt, dass er ein solches Ergebnis sicher nicht für zutreffend halte und dass das nicht sein könne. Auch nach Vorlage und Einsichtnahme in den „Baustellenmonatsbericht mit Leistungsmeldung“ zum Stichtag 31.12.2005 (Anlage 14 zum Qaa-Gutachten – Anlage K28) ist der Zeuge bei der zuvor abgegebenen Einschätzung geblieben. Er könne sich jedenfalls nicht erinnern, eine solche Arbeitskalkulation weitergegeben zu haben, weil er den darin enthaltenen Inhalt nach seiner Erinnerung auch damals nicht für richtig gehalten hätte. Insoweit erweist sich die Aussage des Zeugen O als in sich konstant, da er bereits zu Anfang seiner Aussage erklärt hatte, dass das Bauvorhaben F-arena E weit davon entfernt gewesen sei, einen von ihm als katastrophal anzusehenden Verlauf genommen zu haben. Einen solchen hätte der Zeuge erst bei einem Verlust von 10 % der Auftragssumme angenommen, die er hier mit 50 Mio. € beziffert hat. Gleichermaßen hat der Zeuge C3, dem die „Auswertung der Arbeitskalkulation vom 22.11.2005“ (S. 51 der Anlage 15 – Lasche 3 – zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) vorgehalten worden ist, der sich ebenfalls der oben bereits genannte Betrag von rund 4.328.000 € als erwarteter Verlust entnehmen lässt, ausgesagt, dass er zu diesem Zeitpunkt für dieses Objekt andere Zahlen in Erinnerung habe, auch wenn er im Verteiler verzeichnet sei und das Schreiben demnach bekommen habe. Die von dem Zeugen C3 in diesem Zusammenhang geäußerte Vermutung, dass bei dieser Auswertung der Arbeitskalkulation bestimmte Teile – insbesondere auch Nachträge – unberücksichtigt geblieben sein könnten, findet ihre Bestätigung in dem bereits genannten „Baustellenmonatsbericht mit Leistungsmeldung“ zum Stichtag 31.12.2005 (Anlage 14 zum Qaa-Gutachten – Anlage K28), dem sich entnehmen lässt (Seite 5), dass überhaupt keine Nachträge mit dem Auftraggeber Eingang in den Bericht gefunden haben. Auch wenn der Zeuge C3 ausgesagt hat, dass rund 2 bis 3 % der Gesamtauftragssumme bei den Nachträgen „im Feuer gestanden habe“, was bei einer Gesamtauftragssumme von 50 Mio. € einen Betrag in Höhe von 1 bis 1,5 Mio. € ausmacht, lässt sich damit mit Blick auf die Arbeitskalkulation vom 22.11.2005 keine sichere Verlusterwartung begründen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der dazu als Partei vernommene Beklagte zu 13) unwiderlegt bekundet hat, dass er die ungünstigen Arbeitskalkulationen zum Anlass genommen habe, sich um das Bauvorhaben selbst zu kümmern, so dass die X AG letztlich ¾ Mio. € an Kosten habe reduzieren und zusätzliche Erlöse in Höhe von 4,5 Mio. € habe erzielen können.
266Davon, dass die von der Klägerin als „Kamingespräche“ bezeichneten Nachtragsverhandlungen zwischen Herrn Dr. Q1 – dem Auftraggeber dieses Vorhabens – und dem Beklagten zu 13) aussichtslos waren, kann ebenfalls nicht ausgegangen werden. Der diesbezügliche Vortrag der Klägerin, dem Zeugen T2 seien gerade deswegen die Arbeitskalkulationen für dieses Objekt nicht vorgelegt worden – was dieser für sich genommen bei seiner Vernehmung bestätigt hat –, um die Aussichtslosigkeit der Verhandlungen und die anschließenden Manipulationen zu verschleiern, hat sich nicht bestätigt. Der Zeuge y hat ausdrücklich erklärt, keinen Anlass gehabt zu haben, dem im Controlling tätigen Zeugen T2 irgendetwas vorzuenthalten.
267(ii)
268Hinsichtlich des Bauvorhabens Q-station B/K ist eine vorsätzliche unrichtige Wiedergabe i.S.d. § 331 Nr. 1 HGB durch den Vorstand der X AG bzw. des Beklagten zu 11) ebenfalls nicht bewiesen worden. Selbst wenn man die Behauptung der Klägerin als wahr unterstellt, dass dieses Bauvorhaben bei sachgerechter Bewertung mit einem Bilanzansatz von lediglich 1.735.426 € statt mit 3.666.032 € hätte bewertet werden dürfen, da künftig zu erwartende Verluste zu einem Abwertungsbedarf von 1.930.606 € geführt hätten, weil aufgrund von erheblichen Mehrkosten und einem Verzug von 1,5 Jahren Anfang 2006 mit einem Verlust dieser Baustelle in Höhe von 2.480.749 € zu rechnen gewesen sei, wie er dem „Kurzbericht Dienstreise T5 vom 17.-26.01.2006“ (Anlage 30 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) zu entnehmen ist, und damit eine als wesentlich anzusehende Unrichtigkeit des Berichts i.S.d. § 331 Nr. 1 HGB anzunehmen wäre, kann nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht von einem vorsätzlichen Handeln des Vorstandes der X AG ausgegangen werden. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Mitglieder des Vorstandes von der Falschdarstellung Kenntnis hatten oder es für möglich hielten, dass die von ihnen gegeben Darstellung falsch ist, da sie weder von dem Inhalt des Kurzberichtes Kenntnis hatten noch ihnen sonst Umstände bekannt waren, die auf die Notwendigkeit zur Vornahme von Abwertungen schließen ließen.
269Der Zeuge T5, der in der Zeit von 1996 bis 2006 in der Wettbewerbskalkulation für die Auslandsabteilung der X AG tätig war und Anfang 2006 im Auftrag seines Vorgesetzten, des Zeugen K, nach Aden gereist ist, hat den handschriftlichen „Kurzbericht Dienstreise T5“ vom 25.01.2006 (Anlage 30 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) nach seinem Bekunden jedenfalls teilweise mit abgezeichnet und zusammen mit dem vor Ort befindlichen Bauleiter, Herrn I4, erstellt, ohne dass er aber noch eine Erinnerung daran hatte, wer ihn mit der Berichterstattung beauftragt oder darum gebeten hat. Wie er anschließend mit dem Kurzbericht, dem auf Seite 5 ein zu erwartender Verlust in Höhe von (jedenfalls) 2.480.749 € entnommen werden kann, verfahren ist, hat der Zeuge aus der Erinnerung nicht mehr sagen können. Er nimmt zwar an, den Bericht selbst mit nach Deutschland genommen zu haben, ohne sich aber erinnern zu können, ob und mit welchem Inhalt er im Anschluss mit seinem Vorgesetzten, dem Zeugen K darüber gesprochen hat. Zwar hat der Zeuge T5 bestätigt, dass der auf Seite 5 oben links mit einem durchgestrichenen Kreis gekennzeichnete und von ihm handschriftlich hinzugesetzte Verteiler auch eine Weiterleitung an „W&T“, also an die X AG, vorsah, jedoch hat er keine Kenntnis davon, ob der Vorstand diesen Bericht zu Gesicht bekommen hat.
270Der Zeuge K, der erst im November 2005 bei der X AG als Prokurist für den Auslandsbereich eingetreten ist und Vorgesetzter des Zeugen T5 war, hat nicht sagen können, ob dem Vorstand der X AG der für diese Baustelle zu erwartende Verlust in bezifferter Höhe bekannt geworden ist. Ebenso wenig hatte er eine Erinnerung daran, ob es zu jener Zeit für dieses Bauvorhaben eine fortgeschriebene Arbeitskalkulation gab. Auch wenn der Zeuge K für sich in Anspruch nimmt, in seinem Berufsleben immer großen Wert auf die Entwicklung von Arbeitskalkulationen gelegt zu haben, hat er indes keine Erinnerung daran, bereits Anfang 2006, also vier Wochen nach Aufnahme seiner Tätigkeit bei der X AG – in der Lage gewesen zu sein, den Verlust für diese Baustelle im Wege der Arbeitskalkulation zu beziffern. Der Zeuge K hat zwar generell bestätigt, dass die einschlägigen Berichte von Auslandsbaustellen – gegebenenfalls auch über Verluste – entweder durch ihn oder durch seinen kaufmännischen Mitarbeiter, Herrn I5, dem Vorstand weitergereicht worden seien, kann aber aus der Erinnerung nicht sagen, dass dies hinsichtlich des ihm vorgehaltenen voraussichtlichen Verlustes in Höhe von 2,8 Mio. € ebenfalls so gewesen ist. Der Zeuge K hat zudem bekundet, er habe weder eine Erinnerung an den ihm vorgehaltenen „Kurzbericht Dienstreise T5“ noch an die Reise des ihm auch als Person nicht mehr erinnerlichen Zeugen T5 nach Jemen. Auf Vorhalt einer Ablichtung des „Zwei-Monatsberichts der Abt. Ausland“ mit Stand vom 09.01.2006 (Anlage K130), dessen Übereinstimmung mit dem Original von den Beklagten zu 11) bis 13) nicht bestritten worden ist (vgl. dazu S. 24 Protokoll vom 24.04.2013) und in dem es zu dem Projekt „Wasserentsorgung B, Jemen“ einleitend heißt, dass „die Schwierigkeiten bei diesem Projekt (…) sicher zur Genüge bekannt“ seien, hat der Zeuge K gemeint, Urheber dieses Textes gewesen zu sein. Der Zeuge K kann hier aber lediglich vermuten, dass der Bericht, jedenfalls dann, wenn er unterschrieben gewesen sei – was sich anhand der vorgelegten Anlage nicht feststellen lässt, da deren letztes Blatt (Seite 4) fehlt –, in die nächsthöhere Ebene gegangen sei. Zwar trägt der Bericht einen handschriftlichen ebenfalls durch einen durchgestrichenen Kreis gekennzeichneten Verteiler, der vorsieht, dass das Original an „GP“, was nach Angabe des Zeugen K für den Beklagten zu 11) – Dr. G-PS – steht, jedoch ist nicht erkennbar, dass dieser den Bericht auch erhalten hat. Bei seiner Vernehmung als Partei hat der Beklagte zu 11) bekundet, von dem handschriftlichen Bericht über dieses Vorhaben (Kurzbericht Dienstreise T5, Anlage 30 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) erstmals im Laufe dieses Rechtsstreits Kenntnis erhalten zu haben. Eine nähere Befassung mit diesem Bauvorhaben, das in seinen Zuständigkeitsbereich fiel, sei erst im Sommer 2006 erfolgt. Zuvor habe er dem Vorhaben keine besondere Relevanz beigemessen, weil es zwar fortwährende Verzögerungen gegeben, der dafür zuständige Mann, Herr M, aber immer berichtet habe, dass die Verantwortlichkeit dafür nicht bei der X AG liege.
271Auch der Zeuge I3, der zuletzt in kaufmännischer Rolle für das Ausland zuständig war, hatte weder Kenntnis von dem „Kurzbericht Dienstreise T5“ (Anlage 30 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) noch konnte er Auskunft darüber geben, ob und wann dieser Bericht im Unternehmen vorgelegen hat oder in die gehörigen Zuständigkeiten gelangt ist.
272(iii)
273Hinsichtlich des Bauvorhabens BGH S-I Phase 2 kann der Senat bei seiner Entscheidung ebenfalls nicht von einer unrichtigen Wiedergabe i.S.d. § 331 Nr. 1 HGB durch den Beklagten zu 11) und seine Vorstandskollegen, die Beklagten zu 12) und 13), ausgehen. Dass bei diesem Bauvorhaben – wie die Klägerin behauptet – bei sachgerechter Bewertung statt des gewählten Bilanzansatzes in Höhe von 4.577.359 € lediglich ein solcher in Höhe von 3.827.000 € in Ansatz zu bringen gewesen wäre, da über den für dieses Vorhaben bereits veranschlagten Drohverlust in Höhe von 100.000 € wegen mehrerer im Jahr 2005 aufgetretener Minusvergaben ein weiterer Verlust in Höhe von 750.356 € zu berücksichtigen ist, kann nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht festgestellt werden. Es ist danach jedenfalls nicht auszuschließen, dass Drohverluste nur in einem für § 331 Nr. 1 HGB nicht relevanten Umfang zu passivieren waren.
274Der maßgeblich mit diesem Vorhaben befasste Zeuge L4 hat das Vorliegen eines Verlustes nicht bestätigt. Auf den Vorhalt, ob bei diesem Bauvorhaben im Februar 2006 möglicherweise mit einem Verlust in einer Größenordnung zwischen 1,6 und 1,7 Mio. € – wie er jedenfalls dem „Risiko-Management-Report“ aus März 2006 (Anlage 25 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) entnommen werden konnte – zu rechnen war, hat der Zeuge L4 dies unter Hinweis darauf, dass es „eine ganze Latte“ an Nachträgen gab, die noch nicht alle „endverhandelt“ waren, ebenso als offen dargestellt wie überhaupt den Eintritt eines Verlustes. Bestätigt hat der Zeuge lediglich, dass das Vorhaben nicht erfreulich lief. Der Zeuge gab an, an die Größenordnung eines möglicherweise zu befürchtenden oder in Aussicht stehenden Verlustes keine Erinnerung zu haben. Auch an eine drastische Verschlechterung des Projektes hatte der Zeuge keine Erinnerung. Dass die Baustelle – wie einer Gesprächsnotiz des Beklagten zu 11) vom 22.02.2006 (Anlage 64 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) entnommen werden kann – „aus dem Ruder gelaufen“ sei und chaotische Zustände geherrscht hätten, hat der Zeuge ebenfalls nicht bestätigt und für eine nicht zutreffende Beschreibung der Situation gehalten. Er verband mit der ihm vorgehaltenen drastischen Verschlechterung des Projektes vielmehr Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Projektleiter, der sich aus Sicht des Zeugen als überfordert erwies und durch einen anderen Mitarbeiter ersetzt werden musste. Das beschriebene Szenario drohte nach der Einschätzung des Zeugen L4 nur für den Fall, dass man den Projektleiter nicht ausgetauscht hätte. Nach Einsicht in die ihm vorgelegte Notiz des Gesprächs vom 20.02.2006 (Anlage 64 zum Qaa-Gutachten – Anlage K28) zwischen ihm und den Beklagten zu 11) und zu 13) hat der Zeuge L4 bestätigt, sich an das Gespräch zu erinnern, hält aber eine Beschreibung der Baustelle als kurz vor dem Zusammenbruch stehend für nicht zutreffend. An eine Verdoppelung der Kosten des Rohbaus – wie der Gesprächsnotiz vom 20.02.2006 (S. 1 Anlage 64 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) entnommen werden kann – hatte der Zeuge L4 ebenso wenig eine Erinnerung wie daran, dass der Auftraggeber W – wie sich aus einer weiteren Gesprächsnotiz vom 11.01.2006 (S. 2 Anlage 64 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) ergibt – auf eine Rechnung über 1,4 Mio. € lediglich 375.000 € gezahlt hat. Auch die Aussage des Zeuge y ist insoweit nicht ergiebig, da er lediglich daran eine Erinnerung hatte, dass es bei diesem Objekt, das in seine Zuständigkeit fiel, Verluste gab, ohne dass er jedoch Angaben zu den Größenordnungen machen konnte. Gleiches gilt für die Aussage des Zeugen T2, der es lediglich als denkbar bestätigt, dass im Risiko-Management-Report (Anlage 25 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) für dieses Objekt ein Verlust von rund 1,7 Mio. € ausgewiesen ist.
275Im Übrigen kann auch nicht festgestellt werden, dass die Vorstände der X AG vorsätzlich unrichtig berichteten, weil sie Kenntnis davon hatten oder für möglich hielten, dass über die bereits in Ansatz gebrachte Rückstellung in Höhe 100.000 € hinaus eine weitere Drohverlustrückstellung hätte gebildet werden müssen. So hat der Beklagte zu 12) bei seiner Vernehmung als Partei bekundet, Verlusterwartungen für dieses Bauvorhaben lediglich aus Arbeitskalkulationen, nicht aber aus einer Risikomanagementdatenbank zu kennen. Die alleinige Kenntnis des Inhalts der Arbeitskalkulationen lässt wegen der darin nicht enthaltenen Nachträge nicht auf den zu wählenden Bilanzansatz schließen. Hinsichtlich zu erwartender Nachträge hat der Beklagte zu 11) nach seiner Bekundung zudem seinerzeit die Erwartung gehabt, dass der Auftraggeber, mit dem man bereits die Phase 1 dieses Vorhabens ordentlich bewältigt hatte und zu dem ein guter Kontakt bestand, die durch die Mehraufwendungen bedingten Nachträge übernimmt, ohne jedoch noch eine Erinnerung an Zahlen zu haben, die aus den Arbeitskalkulationen für den Zeitpunkt Oktober 2005 abzuleiten waren. Der Beklagte zu 13) war nach seinem Bekunden nicht mit diesem Objekt befasst, da es nicht von seinem Zuständigkeitsbereich umfasst war.
276(iv)
277Auch bei dem Bauvorhaben N Hotel Am X-damm/C kann der Senat nicht von einer unrichtigen Wiedergabe i.S.d. § 331 Nr. 1 HGB ausgehen. Dass bei diesem Bauvorhaben – wie die Klägerin behauptet – bei sachgerechter Bewertung statt des gewählten Bilanzansatzes in Höhe von 15.864.363 € lediglich ein solcher in Höhe von 14.113.223 € in Ansatz zu bringen gewesen wäre, da wegen der erkennbaren und vorhersehbaren künftigen Verluste eine ergebniswirksame außerplanmäßige Abschreibung um 1.751.140 € geboten gewesen sei, kann nicht festgestellt werden.
278Der Zeuge T3, der bei diesem Vorhaben in seiner Rolle als Einkäufer beteiligt war, hat keine Angaben dazu machen können, ob zum Jahresende 2005 ein Verlust erwartet wurde. Auch wenn der Zeuge T3 eine Minusvergabe bei den haustechnischen Gewerken – nach Vorlage eines von ihm formulierten Schreibens an den Beklagten zu 13) und die Beklagten zu 11) und zu 12) vom 14.10.2005 (Anlage 41 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) – in der aus dem Schreiben ersichtlichen Größenordnung von 1.042.000 €/1.200.000 € bestätigt hat, betrifft die danach im Bereich Haustechnik anzunehmende Unterdeckung nur das betroffene Gewerk, so dass damit keine negative Gesamterwartung des Bauvorhabens verbunden sein muss, wenn diese Negativentwicklung durch Überschüsse bei den übrigen Gewerke kompensiert wird oder Nachträge verzeichnet werden können. Dass der Bericht über die „außergewöhnliche Unterdeckung“ dieses Bauvorhabens dem Vorstand zur Kenntnis zu bringen war, hatte nach Ausführungen des Zeugen T3 seinen Grund allein in der hausinternen Betriebsordnung, die eine Grenze für derartige Berichtspflichten vorsah, deren Höhe er aus der Erinnerung heraus mit 100.000 € angab. Dass routinemäßige Berichtspflichten bei Minusvergaben über einen bestimmten Schwellenwert hinaus bestanden, ist vom Beklagten zu 12) bei seiner Parteivernehmung bestätigt worden. Auch die Beteiligung des Vorstandes an diesem Vorhaben ist nach Kenntnis des Zeugen T3 nicht wegen einer Verlusterwartung für das Gesamtobjekt, sondern wegen der Größe des Gesamtobjektes erfolgt. Auch der Umstand, dass die Vergaben der Haustechnik durch die Zentrale Einkauf der X AG betreut wurde, gibt ebenfalls keinen Hinweis auf einen zu erwartenden Verlust des Vorhabens, da nach der Aussage des Zeugen T3 durch die Zentrale nur die Vergaben betreut wurden, die ein großes Volumen aufwiesen oder als kritisch galten. Die Aussage des Zeugen y erwartenden Verlusten dieses Bauvorhabens war unergiebig, da er mit dieser Baustelle nichts mehr verbinden konnte.
279Im Übrigen kann auch nicht festgestellt werden, dass die Vorstände der X AG vorsätzlich unrichtig berichteten, da die Beweisaufnahme nicht ergeben hat, dass ihnen bei diesem Vorhaben Verluste oder Verlusterwartungen bekannt waren oder sie diese für möglich hielten. Der dazu als Partei vernommene Beklagte zu 12) hat bekundet, aus der Erinnerung heraus mit diesem Objekt keine Verlusterwartungen zu verbinden. Der Beklagte zu 13) hat bei seiner Parteivernehmung bekundet, mit diesem Objekt lediglich die Umbesetzung eines Bauleiters und die ausschließlich das Gewerk Haustechnik betreffenden Schwierigkeiten zu verbinden. Der Beklagte zu 11) war nach seinem Bekunden nicht mit diesem Objekt befasst, da es außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs lag.
280(v)
281Schließlich ist bei dem Bauvorhaben P-heimer T2 vom Senat ebenfalls keine unrichtige Wiedergabe i.S.d. § 331 Nr. 1 HGB zugrunde zu legen. Dass bei diesem Bauvorhaben – wie die Klägerin behauptet – bei sachgerechter Bewertung statt des veranschlagten Bilanzansatzes von 4.293.253 € wegen der zu erwartenden künftigen Verluste und wegen der Veränderungen der Leistungsmeldungen ohne erkennbaren Grund ein Bilanzansatz von 3.906.000 € in Ansatz zu bringen sowie darüber hinaus wegen zu erwartender Verluste aufgrund von Minusvergaben eine ergebniswirksame außerplanmäßige Abschreibung von 753.094 € vorzunehmen gewesen wäre, kann nach der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden.
282Die Beweisaufnahme hat keine tragfähige Bestätigung für die von der Klägerin gerade auch im Zusammenhang mit diesem Bauvorhaben behauptete systematische Veränderung bzw. Manipulation der Leistungsmeldungen (im Sinne einer weitgehenden Annäherung des Zahlenwerks an den Sollzustand) ergeben. Insoweit kann auf die oben gemachten Ausführungen verwiesen werden. Auch wenn der Zeuge y sich nur daran erinnert hat, mit diesem Bauvorhaben befasst gewesen zu sein, ohne dass er im Einzelnen nähere Angaben machen konnte, hat er dennoch bestätigen können, dass an den vorhandenen negativen Zahlen keine (Manipulationen durch) Verbesserungen vorgenommen wurden.
283Dass dieses Bauvorhaben gerade durch besonders zahlreiche Minusvergaben gekennzeichnet war, hat der Zeuge T2 – auch wenn er dies nicht für gänzlich ausgeschlossen hielt – aus der Erinnerung ebenfalls nicht bestätigen können. Aber selbst wenn Minusvergaben vorhanden gewesen sein sollen, standen denen nach den Angaben des Zeugen L2 umfangreiche Nachträge gegenüber, so dass sich auch insoweit kein Verlust festgestellt werden kann. Entsprechendes hat auch der Zeuge X3 bestätigt, der der ihm vorgehaltenen Bewertung, dass dieses Objekt Verluste erwarten ließ, nicht zugestimmt hat, da es einen Nachtrag von einem erheblichen Umfang gab, der dem Unternehmen nach seiner Ansicht auch zustand. Die Angaben des Zeugen F2 sind insoweit unergiebig, da er lediglich hat bekunden können, dass dieses Bauvorhaben seit seiner Beauftragung Anfang 2005 als risikobehaftet eingeschätzt wurde. Aufgrund seines Ausscheidens aus der Zuständigkeit für dieses Vorhaben und seinen Wechsel in den Ingenieurbau konnte er zu der weiteren Entwicklung dieser Baustelle, die ihn nach eigenem Bekunden auch nicht mehr interessierte, keine Angaben machen.
284Auch hier kann zudem nicht festgestellt werden, dass die Vorstände der X AG vorsätzlich unrichtig berichteten, da die Beweisaufnahme ebenfalls nicht ergeben hat, dass ihnen bei diesem Vorhaben etwaige Verluste oder Verlusterwartungen bekannt waren oder sie es billigend in Kauf nahmen, dass die von ihnen gegebene Darstellung falsch ist. Der hierzu als Partei vernommene Beklagte zu 12) hat bekundet, sich bezüglich dieses Vorhabens nicht an eine Verlusterwartung erinnern zu können, da er insoweit nicht „an der Front“ tätig war. Soweit ihm Zahlen zugänglich waren, stammten diese aus der Arbeitskalkulation, die indes kein verlässliches Bild abgaben, da in ihnen keine Nachträge enthalten waren. Der Beklagte zu 11) hat bei seiner Parteivernehmung bestätigt, dass es wegen der mit diesem Projekt verbundenen Schwierigkeiten durchaus Zeiten gab, in denen auf der Basis der Arbeitskalkulationen durchaus rote Zahlen zu Buche standen, jedoch galt dies nur unter Außerachtlassung von Nachträgen, die auch gestellt waren. Der Beklagte zu 13) (S. 20 Protokoll vom 13.11.2013) war nach seinem Bekunden nicht mit diesem Objekt befasst, da es nicht von seinem Zuständigkeitsbereich umfasst war.
285(bb)
286Hinsichtlich der Bewertung der Forderungen hat die durchgeführte Beweisaufnahme die Behauptung der Klägerin, es habe seitens des Vorstandes der X AG – und damit auch des Beklagten zu 11) – bewusste Manipulationen dahingehend gegeben, dass die Forderungen aus den C AG und N GmbH (= W-Galerie/I) zu hoch bewertet worden seien, da eine sachgerechte Bewertung beider Bauvorhaben zu einer Verschlechterung des Ergebnisses im Jahr 2005 um 7.107.000 € geführt hätte, nicht bestätigt. Es hat nicht festgestellt werden können, dass der Vorstand der X AG bei der vorzunehmenden Einzelbewertung dieser beiden Forderungen bewusst den ihnen individuell anhaftenden Risiken nicht in hinreichendem Maße Rechnung getragen hat.
287i)
288Bei der Bewertung der Forderung der X AG gegen die C AG kann der Senat ebenfalls nicht von einer unrichtigen Wiedergabe i.S.d. § 331 Nr. 1 HGB ausgehen. Dass diese von der X AG vor dem Landgericht Essen eingeklagte Restwerklohnforderung in Höhe von 21,7 Mio. €, die der Vorstand der X AG im Jahresabschluss zum 31.12.2005 mit rund 11,82 Mio. € brutto (= 10,19 Mio. € netto) bewertet hat und von der die Klägerin einen Abwertungsbedarf in Höhe von 5,7 Mio. € netto (= 3,2 Mio. € netto + 2,5 Mio. € netto) wegen einer lediglich in Höhe von 7 Mio. € netto durchsetzbaren Forderung sowie noch zu berücksichtigender Gewährleistungsansprüche der Auftraggeberin in Höhe von 2,5 Mio. € netto annimmt (vgl. zur Berechnung S. 110 Qaa-Gutachten – Anlage K28), vom Vorstand jedenfalls bewusst unrichtig bewertet worden ist, kann nicht festgestellt werden.
289Die Klägerin ist insoweit zumindest für ein vorsätzliches Handeln der Vorstände der X AG beweisfällig geblieben. Selbst wenn man zu ihren Gunsten unterstellt, dass sich der seinerzeit den Rechtsstreit für die X AG begleitende Rechtsanwalt N3 ihr gegenüber entsprechend geäußert hat und der von ihr behauptete Abwertungsbedarf bei der Bewertung dieser Forderung anzunehmen ist, fehlt es an einem Beweisantritt der Klägerin dafür, dass die Beklagten zu 11), 12) und 13), die vorgetragen haben, Rechtsanwalt N3 habe ihnen gegenüber die Erfolgsaussichten dieses Rechtsstreits mit 60 % bewertet, eine davon abweichende Kenntnis hatten oder auch nur hätten haben müssen.
290Dass Rechtsanwalt N3 sich in einer die Erfolgsaussichten des Rechtsstreits anders einschätzenden Weise, wie er das gegenüber der Klägerin bzw. den Vertretern der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Qaa am 24.05.2007 (Gesprächsnotiz – S. 6 ff. Anlage 99 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) getan haben soll, auch gegenüber den Beklagten zu 11), 12) und 13) in zeitlicher Nähe zu der Erstellung des Jahresabschlusses zum 31.12.2005 geäußert hat, wird von der Klägerin nicht behauptet. Der Vortrag der Beklagten zu 11), 12) und 13) findet überdies eine Stütze in der von Rechtsanwalt N3 an die Beklagte zu 7) übersandten Verfahrensübersicht vom 06.03.2006 (Anlage K90), in der dieser die offensichtlich zunächst vom Vorstand der X AG vorgenommene und vorgegebene Einschätzung der Erfolgsaussichten dieses Rechtsstreits als „eher hoch bis mittel“ als nach seinem Kenntnisstand zutreffend beurteilt. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang behauptet, dass sich die Beklagten zu 11), 12), und 13) darüber im Klaren gewesen seien, dass Rechtsanwalt N3 die Lage noch gar nicht abschließend habe beurteilen können, fehlt es auch insoweit an einem Beweisantritt.
291Die Beklagten zu 11), 12) und 13) haben bei ihrer Vernehmung als Partei die in ihr Wissen gestellte Behauptung der Klägerin, den Beklagten zu 8) und zu 9) zu den Erfolgsaussichten mitgeteilt zu haben, realistisch sei allenfalls mit einer Forderung von 7 Mio. € zu rechnen, die noch um Gewährleitungsansprüche mit rund 2,5 Mio. € reduziert werden müsse, jedenfalls verneint. Der Beklagte zu 11) hat bei seiner Vernehmung als Partei zudem bestätigt, aufgrund eines Gutachtens der Kanzlei N3 von einer 60 %‑igen Erfolgsaussicht ausgegangen zu sein. Diese Darstellung ist unwiderlegt geblieben.
292ii)
293Ebenso wenig kann der Senat bei der Bewertung der Forderung der X AG gegen die N2 GmbH (= W-Galerie) eine unrichtige Wiedergabe i.S.d. § 331 Nr. 1 HGB zugrunde legen. Dass diese Forderung, die die X AG in ihrer Schlussrechnung vom 27.01.2005 in Höhe von 3.653.595 € beziffert hatte und die in der Bilanz mit einem Wert von 2,31 Mio. € ausgewiesen war, wegen von der Auftraggeberin bestrittener Nachträge lediglich in Höhe von 1,504 Mio. € brutto Eingang in die den Jahresabschluss hätte finden dürfen und darüber hinaus noch eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten in Höhe von 2,2 Mio. € hätte passiviert werden müssen, lässt sich ebenfalls nicht feststellen.
294Der von der Klägerin für ihre Behauptung, dass rechnerisch lediglich eine Forderung in Höhe von 1,0 Mio. € netto (zzgl. 16 % MwSt auf den Rechnungsbetrag von 3.654.000 € = 1,5 Mio. € brutto) bestanden und die Auftraggeberin zudem eine Gegenforderung in Höhe von 2,2 Mio. € geltend gemacht habe, allein benannte Zeuge y hat nicht bestätigt, entsprechende Angaben in einem Gespräch mit Vertretern der Klägerin und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Qaa gemacht zu haben. Er konnte sich zwar an diverse Gespräche mit Herrn Dr. L3 erinnern, in denen es um Forderungen ging, die die X AG noch beitreiben wollte, zu der auch die von ihm auf 2,3 Mio. € geschätzte Forderung gegen MDC gehörte, jedoch hat er keine Erinnerung mehr daran, sich zur „echten Werthaltigkeit dieser Forderung“ gegenüber Herrn Dr. L3 geäußert zu haben. Auch wenn der Zeuge y nach seinem Bekunden nicht ausschließen will, dass man in den Gesprächen mit Herrn Dr. L3 eine Einigung auf diesen oder jenen Betrag für sinnvoll gehalten hat, um die Angelegenheit abzuschließen, sagen solche Vergleichsüberlegungen nichts über den tatsächlichen Wert der Forderung aus.
295(cc)
296Auch bei der im Jahresabschluss 2005 vorgenommenen Ausbuchung von Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung in Höhe von rund 2,34 Mio. € kann der Senat nicht davon ausgehen, dass die Beklagten zu 11), 12) und 13) die Verhältnisse der X AG vorsätzlich unrichtig i.S.d. § 331 Nr. 1 HGB wiedergegeben haben. Ob – wie zwischen den Parteien umstritten ist – aufgrund der Vertragslage gegenüber Nachunternehmern bestehende Verbindlichkeiten in der genannten Höhe als verjährt ausgebucht werden durften, kann der Senat offenlassen. Jedenfalls ist die Klägerin dem Vortrag der Beklagten zu 11), 12) und 13), die ein vorsätzliches Handeln bestritten und zudem vorgetragen haben, dass die von ihnen im Jahresabschluss 2005 angewandten Grundsätze zum Ansatz und zur Bewertung von Verbindlichkeiten – insbesondere gegenüber Subunternehmern – langjährig geübter Praxis entsprochen hätten, nicht mehr unter Beweisantritt entgegengetreten.
297(dd)
298Eine unrichtige Wiedergabe i.S.d. § 331 Nr. 1 HGB kann der Senat auch nicht im Hinblick auf das von der X AG errichteteObjekt M-berger Straße in N annehmen. Dass – wie die Klägerin behauptet (Bl. 185/I) – wegen Leerstandes bzw. Unvermietbarkeit dieses Gebäudes Rückstellungen für Drohverluste in Höhe von rund 1,33 Mio. € hätten gebildet werden müssen, und dies den Beklagten zu 11), 12) und zu 13) bekannt gewesen war, kann ebenfalls nicht festgestellt werden. Da die Beklagten zu 11), 12) und 13) ihre Verpflichtung zur Bildung von Rückstellungen bestritten haben und es auch hier an einem Beweisantritt durch die Klägerin fehlt, ist sie ebenfalls beweisfällig geblieben. Aber selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausginge, dass sie mit ihrem Vortrag, den Beklagten zu 8) und zu 9) sei die Problematik der Unvermietbarkeit dieses Objekts bekannt gewesen, und mit ihrem Beweisantritt durch Vernehmung der Beklagten zu 11), 12) und zu 13) als Partei zugleich eine entsprechende Kenntnis des Vorstands von der Unvermietbarkeit des Objektes behauptet will, kann der durchgeführten Parteivernehmung der Beklagten zu 11), zu 12) und 13) Entsprechendes nicht entnommen werden. Danach sind schon keine Risiken ersichtlich, für die Rückstellungen zu bilden gewesen wären. Nach Aussage des Beklagten zu 12) ließ die Untervermietung des Objektes M-berger Straße in N, dessen Mieter die X AG war, kein Problem erkennen, da zunächst für 80 %, später dann für 90 % (der Fläche) feste Mieter vorhanden gewesen seien und X AG selbst überlegt habe, dort mit der Münchener Niederlassung ebenfalls einzuziehen. Probleme bei Leerständen sah der Beklagte zu 12) auch deswegen nicht, weil es zugunsten der X AG eine entsprechende Verpflichtungserklärung des Projektentwicklers (gemeint war: zur Freistellung) vorlag. Der Beklagte zu 13) sah ebenfalls 90 % der Fläche „fest in guten Händen“ vermietet und beschrieb Risiken als nicht existent. Der Beklagte zu 11) war mit diesem Objekt nicht befasst und konnte aus eigener Kenntnis dazu keine Angaben machen, welche wirtschaftlichen Konsequenzen die weitere vertragliche Bindung von X AG bei diesem Objekt hatte.
299(ee)
300Soweit der Vorstand – und damit auch der Beklagte zu 11) – die von der Beklagten zu 1) mit Zeichnungsvertrag vom 19.08.2004 (Anlage K30) für die Übernahme von 583.000 Aktien eingegangene Verpflichtung zur Leistung der nach dem Kapitalerhöhungsbeschluss bar zu erbringenden Einlage in dem Jahresabschluss als vollständig erbracht dargstellt hat, ohne sie jedenfalls in Höhe von 2.220.565,96 € gem. § 272 Abs. 1 S. 2 HGB offen vom gezeichneten Kapital abzusetzen, hat er die Verhältnisse der Gesellschaft zwar unrichtig i.S.d. § 331 Nr. 1 HGB wiedergegeben, jedoch fehlt es an einem für die Haftung erforderlichen vorsätzlichen Handeln.
301i)
302Entgegen der Ansicht des Landgerichts und aller Beklagten besteht die von der Beklagten zu 1) in Höhe von 3.498.000 € übernommene Einlageverpflichtung teilweise in Höhe von rund 2,2 Mio. € fort, da in Bezug auf diesen Betrag ein gegen §§ 36 Abs. 2, 27 Abs. 1 AktG verstoßendes unzulässiges Umgehungsgeschäft gegeben ist. Als verdeckte Sacheinlage, die den Aktionär nicht von seiner Einlageverpflichtung befreit, wird es angesehen, wenn die gesetzlichen Regeln über Sacheinlagen dadurch unterlaufen werden, dass zwar eine Bareinlage vereinbart wird, die Gesellschaft aber bei wirtschaftlicher Betrachtung von dem Einleger auf Grund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Geldeinlage getroffenen Absprache einen Sachwert erhalten soll (so nunmehr die Legaldefinition in § 27 Abs. 2 AktG in der seit dem 01.09.2009 geltenden Fassung).
303Eine solche verdeckte Sacheinlage lag hier hinsichtlich der von der Beklagten zu 1) gemeinsam mit der Teileinlage in Höhe von rund 1,3 Mio. € gezahlten rund 2,2 Mio. € vor, da ihr dieser Betrag im Zeitraum von nur rund 4 ½ Monaten nach Übernahme der Bareinlageverpflichtung von der sie beherrschenden C & C1 zur teilweisen Erfüllung der Einlageverpflichtung gegenüber der X AG überlassen worden war, nachdem zuvor die X AG den Betrag in Höhe von rund 2,2 Mio. € in Erfüllung einer gegenüber der C & C1 in dieser Höhe bestehenden Verbindlichkeit gezahlt worden war. Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise hat die Beklagte zu 1) in Höhe von rund 2,2 Mio. € mithin keine Bareinlage geleistet, sondern die Managementfee-Forderung der sie beherrschenden C & C1 gegen die X AG in gleicher Höhe „verdeckt“ als (Sach‑)Einlage eingebracht. Wirtschaftlich betrachtet ist der Betrag von rund 2,2 Mio. € einmal im Kreis geflossen und hat die X AG an Stelle des Barbetrags das Erlöschen der Verbindlichkeit erlangt, auf die sie zuvor gezahlt hat. Es ist allgemein anerkannt, dass eine Forderung, die ein Aktionär gegen die Aktiengesellschaft hat, als Gegenstand der Sacheinlage in die Gesellschaft eingebracht werden kann. Die Verpflichtung zur Leistung der Sacheinlage wird dann entweder dadurch erfüllt, dass die Forderung auf die Gesellschaft übertragen wird, so dass sie durch Konfusion erlischt, oder dadurch, dass der Aktionär sie erlässt (vgl. BGH, Urteil vom 15.01.1990 – II ZR 164/88, NJW 1990, 982 (985): für Darlehensforderung).
304Der Tatbestand einer Umgehung der Kapitalaufbringungsregeln setzt nicht voraus, dass eine personelle Identität zwischen dem Inferenten und dem Empfänger der Auszahlung besteht. Es genügt nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 20.11.2006 – II ZR 176/05 – NZG 2008, 144 (145) Rz. 15) vielmehr, dass der Inferent durch die Leistung des Dritten bzw. an den Dritten mittelbar in gleicher Weise begünstigt wird wie durch die unmittelbare Leistung. Dies wird insbesondere bei der Einbindung eines von dem Inferenten beherrschten Unternehmens in den Kapitalaufbringungsvorgang und die damit verbunden Leistungshin- und -rückflüsse angenommen (BGH, Urteil vom 20.11.2006 – II ZR 176/05 – NZG 2008, 144 (145) Rz. 15), kann aber auch den umkehrten Fall betreffen, dass der Inferent von dem in den Vorgang einbezogenen Unternehmen beherrscht wird. So liegt der Fall hier. Bei der Beklagten zu 1) handelt es sich um ein von der C & C1 beherrschtes Unternehmen. Es kommt entgegen der Annahme des Landgerichts bei dieser Beurteilung nicht darauf an, durch wen die Beklagte zu 1) als Geschäftsführer vertreten wird. Vielmehr ist hier entscheidend, dass nach der Regelung in § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten zu 1) (Anlage K34) die Geschäftsführer verpflichtet sind, die Geschäfte u.a. in Übereinstimmung mit den (…) Beschlüssen der Gesellschaft zu führen, und die C & C1 als alleinige Kommanditistin der Beklagten zu 1) und gemäß § 5 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags einzige Stimmberechtigte in der Lage ist, über die geschäftlichen Aktivitäten der Beklagten zu 1) zu entscheiden und insoweit ihren Willen durchzusetzen. Aufgrund dieser als zulässig und wirksam anzusehenden Regelung (vgl. Roth in Baumbach/Hopt, HGB, 36. Auflage (2014), § 164 Rdn. 7) in § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags lässt sich das Verhältnis der C & C1 zur Beklagten zu 1) als das Verhältnis der Mutter- zur Tochtergesellschaft beschreiben. Bei der Einbeziehung einer Muttergesellschaft in den Abfluss von Leistungen aus dem Vermögen der Einlagengläubigerin im Zusammenhang mit der Frage nach einer verdeckten Sacheinlage ist die Leistung an die Mutter auch der Tochter, die Einlagenschuldnerin ist, als eine dem Zeichner nahe stehende Person zuzurechnen (BGH, Urteil vom 15.01.1990 – II ZR 164/88, NJW 1990, 982 (986); MünchKomm/Pentz, AktG, 3. Auflage (2008), § 27 Rdn. 121).
305Das Vorliegen einer bereits bei Übernahme der Bareinlageverpflichtung getroffenen Abrede zur Erbringung eines Sachwertes ist hier jedenfalls zu vermuten, da zwischen der Begründung der Einlagepflicht und dem verdeckt vorgenommenen Rechtsgeschäft ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht (BGH, Urteil vom 21.02.1994 – II ZR 60/93, NJW 1994, 1477; Urteil vom 04.03.1996 – II ZR 89/95, NJW 1996, 1286 (1288); Urteil vom 16.09.2002 – II ZR 1/00, NJW 2002, 3774 (3776); Urteil vom 02.12.2002 – II ZR 101/02, NJW 2003, 825; Urteil vom 16.01.1006 – II ZR 76/04, NJW 2006, 1736 (1737) – Rz. 13).
306In zeitlicher Hinsicht liegt zwischen Begründung der Einlagepflicht am 19.08.2004 und Zahlung der rund 2,2 Mio. € am 27.12.2004 vom Konto der X AG auf das für C & C1 eingerichtete Treuhandkonto bei der Beklagten zu 7) und der anschließend am 30.12.2004 erfolgten Weiterleitung dieses Betrages erst auf das Konto der Beklagten zu 1) sowie anschließender Überweisung – gemeinsam mit der weiterhin zu erbringenden Teileinlage in Höhe von rund 1,3 Mio. € – auf das Konto der X AG ein der Vermutung nicht entgegenstehender Zeitraum von rund 4 ½ Monaten.
307In sachlicher Hinsicht ergibt sich der Zusammenhang insbesondere daraus, dass die Managementfee‑Forderung als sogenannte Altforderung im Zeitpunkt der Begründung der Bareinlageverpflichtung der Beklagten zu 1) am 19.08.2004 bereits Bestandteil ihres Vermögens bzw. des Vermögens der ihr nahe stehenden und sie beherrschenden C & C1 war. Dies ergibt sich aus einem Schreiben der Beklagten zu 7) vom 18.08.2004 (Anlage K35) – einen Tag vor der am 19.08.2004 beschlossenen Kapitalerhöhung – an den Vorstand der X AG, in dem sie einleitend auf eine Mitteilung des Vorstands Bezug nimmt, wonach die C & C1 Anspruch auf ein bis Ende 2007 zahlbares Managementfee in Höhe von 2.220.565,96 € habe.
308Darüber hinaus lässt sich auch der vorgelegten Korrespondenz entnehmen, dass zwischen der X AG und der Beklagten zu 1) als Inferentin eine Abrede des Inhalts bestand, die dem Einleger zunächst zur Verfügung gestellten Mittel unter (jedenfalls objektiver) Umgehung der Kapitalaufbringungsregeln an die Gesellschaft zurückfließen zu lassen. Dies ergibt sich insbesondere aus einer vom Beklagten zu 11) gefertigten „Notiz“ (Anlage K58), in der er den Inhalt eines von ihm und den Beklagten zu 8), 10) und 12) am 04.11.2004 geführten Gesprächs wiedergibt, in dem der Beklagte zu 10) erklärte, dass er in ständigem Kontakt mit „B“ – also dem Beklagten zu 3) – stehe, um die Kapitalerhöhung durchführen zu können. In deutlicher Weise lässt diese Notiz nicht nur eine Differenzierung zwischen dem dort lediglich mit ca. 1,3 Mio. € bezifferten Kapitalerhöhungsbetrag einerseits und der Managementfee‑Forderung in Höhe von rund 2,2 Mio. € andererseits erkennen, sondern zeigt zudem, dass die Begleichung dieser Verbindlichkeit gegenüber C & C1 nur erfolgen sollte, wenn schriftliche Zusagen – der Kontext legt nahe, dass solche seitens C & C1 und der Beklagten zu 1) gemeint sind – vorliegen, dass „dieses Geld nicht zweckentfremdet eingesetzt wird“. Dies deutet ebenfalls darauf hin, dass ein Rücklauf der Zahlung auf die Managementfee-Forderung an die X AG geplant war, es der Gesellschaft aber nur darauf ankam, dies auch sicherzustellen. Der Inhalt des bereits erwähnten Schreibens vom 18.08.2004 (Anlage K35) stellt ebenfalls ein starkes Indiz dafür dar, dass zwischen der X AG und der Beklagten zu 1) die Abrede schon im Zeitpunkt der Übernahme der Bareinlageverpflichtung durch die Beklagte zu 1) am 19.08.2004 getroffen wurde. Dass darin eine Freigabe des zunächst auf ein Anderkonto bei der Beklagten zu 7) zu zahlenden Managementfee-Betrages erst für den Fall vorgesehen war, dass die X AG gegenüber der Beklagten zu 7) den Zahlungseingang der Kapitalerhöhung in Höhe von 3.498.000 € auf ihrem Konto bestätigt und nachgewiesen hat, trägt dem bereits zum Ausdruck gekommenen Sicherungsbedürfnis des Vorstands der X AG Rechnung, ändert aber nichts daran, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung die Managementfee-Forderung als Sacheinlage eingebracht werden sollte.
309Die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der unrichtigen Wiedergabe der Verhältnisse i.S.d. § 331 Nr. 1 HGB ist hier nicht deswegen zu verneinen, weil sich die Managementfee-Forderung möglicherweise als werthaltig erweist und auf die Einlagenschuld anzurechnen ist, § 27 Abs. 3 AktG. Denn für die Beurteilung ist auf die im Zeitpunkt der Handlung im Jahr 2004 geltende alte Rechtslage abzustellen, als eine Anrechnung des Wertes des verdeckt eingebrachten Vermögensgegenstands noch nicht kraft gesetzlicher Anordnung stattfand.
310ii)
311Es lässt sich indes nicht feststellen, dass der Beklagte zu 11) – nicht anders liegt es bei den Beklagten zu 12) und 13) – vorsätzlich gehandelt hat. Für die Annahme des Vorsatzes genügt es, dass der Täter die Falschdarstellung für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, dass die von ihm gegebene Darstellung falsch ist (Staub/Dannecker, HGB, 5. Auflage (2012), § 331 Rdn. 80).
312Da der Vorsatz des Täters alle objektiven Tatbestandsmerkmale erfassen muss (Staub/Dannecker, HGB, 5. Auflage (2012), Vor § 331 Rdn. 168), ist dafür erforderlich, dass die Beklagten zu 11) und 12) wussten, dass der von ihnen vorgelegte Jahresabschluss nicht mit den Tatsachen übereinstimmt und daher die Verhältnisse der Gesellschaft unrichtig wiedergibt. Vorsätzliches Handeln ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn es dem Täter nicht bekannt war, dass er objektiv falsche Angaben gemacht hat (Wiedmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Auflage (2008), § 331 Rdn 6).
313Nach dem gesamten Inhalt der mündlichen Verhandlung einschließlich der Ergebnisse der Beweisaufnahme kann der Senat nicht feststellen, dass dem Beklagten zu 11) – wie auch seinen Vorstandskollegen, den Beklagten zu 12) und 13) – der Charakter der verdeckten Sacheinlage als solche bekannt gewesen ist. Er hat vielmehr angegeben, die Kapitalerhöhung als eine Barkapitalerhöhung angesehen zu haben. Diese Einlassung ist unwiderlegt geblieben.
314Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, es komme auf die zutreffende rechtliche Würdigung der ihm bekannten Tatsachen, die die verdeckte Sacheinlage ausmachen, und der daraus folgenden Konsequenzen durch den Beklagten zu 11) und die übrigen Vorstandsmitglieder nicht an, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch im zivilrechtlichen Deliktsrecht die strafrechtliche Schuldtheorie Anwendung findet (BGH, Urteil vom 15.10.1996 – VI ZR 319/95, NJW 1997, 130). In deren Anwendungsbereich führt ein Irrtum oder die Unkenntnis von rechtlichen Gegebenheiten nur im Fall der Unvermeidbarkeit zum Ausschluss des Vorsatzes. Hier braucht die Frage der Unvermeidbarkeit nicht weiter erörtert zu werden, weil es schon an der Kenntnis aller für die Würdigung erforderlichen Tatsachen fehlt. Zu diesen gehören nämlich auch die Tatsachen, die in den Fällen des Auseinanderfallens von Inferent und Zahlungsempfänger die Zurechnung der einzelnen Teilakte zulasten des jeweiligen Beteiligten rechtfertigen. Vorliegend beruht, wie oben dargestellt worden ist, diese Zurechnung u.a. darauf, dass die C & C1 wegen der gesellschaftsvertraglichen Ausgestaltung der Geschäftsführungsbefugnis und der Willensbildung innerhalb der Beklagten zu 1) als deren beherrschende Muttergesellschaft anzusehen ist. Es kann auch nach der Darstellung der Klägerin und dem sonstigen Parteivorbringen nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte zu 11) und seine Vorstandskollegen von den insoweit maßgeblichen Vertragsbestimmungen in dem Gesellschaftsvertrag der Beklagten zu 1) Kenntnis gehabt hat.
315(ff)
316Auch wenn die von der X AG zuletzt unter dem 27.08.2002 (Anlage K82) abgegebene (Patronats‑)Erklärung gegenüber der Bank Saudi B-G – unstreitig – nicht im Jahresabschluss gem. § 251 HGB unter der Bilanz vermerkt ist, stellt dies ebenfalls keine unrichtige Wiedergabe der Verhältnisse der X AG i.S.d. § 331 Nr. 1 HGB durch den Beklagten zu 11) wie auch durch die Beklagten zu 12) und zu 13) dar. Es kann insoweit dahinstehen, ob es sich bei der Erklärung um eine dem saudi-arabischen oder dem deutschen Recht unterfallende wirtschaftlich verbindliche Erklärung handelt und durch sie eine entsprechende Haftung der X AG begründet worden ist. Selbst wenn man von dem Vorliegen einer sog. „harten“ Patronatserklärung auszugehen hätte, war unter Zugrundelegung des Vortrags der Klägerin, wonach die Saudi X Ltd. der Bank Saudi B-G Mitte 2005 rund 835.000 € aus einer ausgelaufenen Kreditlinie schuldete und sich Ende März 2006 einem vollstreckbaren Titel über rund 260.000 € gegenübersah, entsprechend der Beteiligungsquote der X AG an der Saudi X Ltd. letztlich nur mit einem Haftungsrisiko in Höhe von rund 130.000 € zu rechnen. Unabhängig davon, ob das aus der Patronatserklärung ergebende Risiko in der „Rückstellung für drohende Auslandsverluste“ in Höhe von 300.000 € Berücksichtigung gefunden hat, stellt die Nichtberücksichtigung eines Haftungsrisikos in Höhe von 130.000 € angesichts einer Bilanzsumme von mehr als 160. Mio. € jedoch keine als erheblich anzusehende unrichtige Wiedergabe der Verhältnisse der X AG dar und erweist sich damit als nicht tatbestandsmäßig.
317(gg)
318Die Bewertung der 49 %-igen Beteiligung der X AG an der Saudi X Ltd., die nach außerplanmäßiger Abschreibung von 478.000 € mit 150.000 € in Ansatz gebracht worden ist, stellt sich selbst bei anzunehmender Wertlosigkeit der Beteiligung und einer danach gebotenen vollständigen Abschreibung aus dem zuvor genannten Grund – auch unter Berücksichtigung der dort angenommenen Unrichtigkeit in Höhe von 130.000 € – ebenfalls nicht als eine als erheblich anzusehende unrichtige Wiedergabe i.S.d. § 331 Nr. 1 HGB dar.
319(2)
320In dem Jahresabschluss der X AG zum 31.12.2005 haben der Beklagte zu 11) – wie im Übrigen auch die Beklagten zu 12) und zu 13) – die Verhältnisse der Gesellschaft nicht – jedenfalls nicht vorsätzlich – i.S.d. § 331 Nr. 1, 2. Alt. HGB verschleiert. Eine Verschleierung der Verhältnisse der Kapitalgesellschaft liegt vor, wenn wirtschaftlich bedeutsame Verhältnisse zwar objektiv richtig dargestellt werden, ihre Erkennbarkeit aber so erheblich erschwert ist, dass die Gefahr einer unzutreffenden Beurteilung der wirtschaftlichen Situation besteht (Staub/Dannecker, HGB, 5. Auflage (2012), § 331 Rdn. 72).
321Die Klägerin ist für ihre Behauptung, der Vorstand habe zur Verschleierung des tatsächlichen Geschäftsergebnisses der X AG die Ausbuchung der Garantie- und Sicherheitseinbehalte in Höhe von insgesamt rund 2,34 Mio. € entgegen § 246 Abs. 2 HGB innerhalb des Materialaufwandes saldiert, anstatt das durch diese Ausbuchung erzielte Ergebnis als periodenfremde Erträge auszuweisen, und den Beklagten zu 11), zu 12) und zu 13) sei aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit als Vorstand auch bekannt, dass Erträge nicht mit Aufwendungen zu saldieren seien, jedenfalls hinsichtlich seines vorsätzlichen Handelns beweisfällig geblieben, da ein diesbezüglicher Beweisantritt für die von den Beklagten zu 11), 12) und 13) bestrittene Kenntnis fehlt.
322bb)
323Der Beklagte zu 11) haftet der Klägerin auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG, da eine Verletzung des § 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG nicht vorliegt.
324Nach § 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG, bei dem es sich um ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB handelt (BGHZ 105, 121; BGH, Urteil vom 26.09.2005 – II ZR 380/03, NZG 2005, 976 (977); Palandt/Sprau, BGB, 72. Auflage (2013), § 823 Rdn. 62), unterliegt der Strafdrohung, wer als Mitglied des Vorstandes zum Zweck der Eintragung einer Erhöhung des Grundkapitals (§§ 182 bis 206 AktG) über die Einbringung des neuen Kapitals falsche Angaben macht oder erhebliche Umstände verschweigt.
325Geschütztes Rechtsgut des Kapitalerhöhungsschwindels ist das Vertrauen der Allgemeinheit in Gestalt der Gesellschaftsgläubiger und sonst interessierten Öffentlichkeit in die Wahrhaftigkeit der Handelsregistereintragungen und deren Grundlagen (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 399 Rdn. 153 m.w.N.). Die Vorschrift schützt insbesondere Personen, die – wie die Klägerin – im Vertrauen auf die Richtigkeit der zum Handelsregister gemachten Angaben aus einer Kapitalerhöhung hervorgegangene neue Aktien erwerben (BGHZ 105, 121 – juris Rz. 11; BGH, Urteil vom 26.09.2005 – II ZR 380/03, NZG 2005, 976 (977); MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011) § 399 Rdn. 153).
326Der Beklagte zu 11), der – wie die Beklagten zu 12) und zu 13) – als Mitglied des Vorstandes tauglicher Täter des echten Sonderdelikts des § 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG ist, hat den objektiven Tatbestand des Kapitalerhöhungsschwindels erfüllt, indem er – gemeinsam mit den Beklagten zu 12) und zu 13) – mit notarieller Urkunde des Notars Dr. N1 in E (UR‑Nr. 25/05) die Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet und dazu erklärt hat, dass die Beklagte zu 1) 583.000 € neue Namensaktien gezeichnet habe, auf die der gesamte Ausgabebetrag von 3.498.000 € eingezahlt worden sei, und dass die Einzahlung durch Gutschrift auf ein endgültig zur freien Verfügung des Vorstands stehendes Konto der X AG erfolgt sei.
327Die über die Einbringung neuen Kapitals gem. §§ 188 Abs. 2, 36 Abs. 2 AktG zur Eintragung in das Handelsregister vom Vorstand der X AG gemachte Angabe, dass der eingeforderte und gezahlte Betrag endgültig zur freien Verfügung des Vorstandes steht, ist teilweise falsch. Die Angaben über die Erbringung neuen Kapitals sind falsch, wenn die Einbringung behauptet wird, obwohl sie nicht in der angegebenen Art stattgefunden hat (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage 2011, § 399 Rdn. 75 für die Einzahlung auf Aktien, die der Einbringung des Kapitals gleichsteht). Falsch ist deshalb insbesondere die Angabe, dass eine Bareinlage erbracht worden ist, obwohl in Wahrheit eine verdeckte Sacheinlage geleistet worden ist (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 399 Rdn. 77+82 ff.). Ein solcher Fall liegt hier vor, da die Beklagte nach den oben gemachten Ausführungen die geleistete Einlage in Höhe von 2,2 Mio. verdeckt als Sacheinlage erbracht hat.
328Allerdings haben der Beklagte zu 11) sowie die Beklagten zu 12) und zu 13) die Angabe über die Einbringung des neuen Kapitals zur freien Verfügung des Vorstands nicht vorsätzlich falsch gemacht, da auch insoweit weder festgestellt werden kann, dass sie die Unrichtigkeit der von ihnen gemachten Angabe gekannt oder nur für möglich gehalten haben, noch dass sie zumindest zur Nachforschung verpflichtende Zweifel an der Richtigkeit der Angabe bewusst ignoriert haben.
329Wie oben bereits ausgeführt worden ist, ist schon nicht erkennbar, dass die Beklagten zu 11), 12) und 13) um sämtliche Umstände – gerade auch hinsichtlich des Inhalts des Gesellschaftsvertrags der Beklagten zu 1) – gewusst haben, auf Grund deren die Leistung der Einlage durch die Beklagte zu 1) jedenfalls in Höhe von rund 2,2 Mio. € als verdeckte Sacheinlage anzusehen ist.
330cc)
331Der Beklagte zu 11) haftet der Klägerin ebenfalls nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263, 27 StGB, da es schon – wie noch zu zeigen sein wird – an einem tatbestandsmäßiges Verhalten der Beklagten zu 8) und 9) fehlt, zu dem er Beihilfe hätte leisten können.
332d) Antrag zu V
333Der Antrag zu V, mit dem die Klägerin gegen die Beklagten zu 2), 5), 8), 9), 10), 12) und 13) als Gesamtschuldner – neben den Beklagten zu 1), zu 3), zu 4), zu 7) und zu 11) – die Zahlung von 5.000.000 € nebst Zinsen hilfsweise Zug um Zug gegen Übertragung des GmbH‑Anteils geltend macht, wobei es sich um den erstrangigen Teilbetrag des (nach der Vorstellung der Klägerin höheren) Schadens handelt, was die Klägerin auch für den Beklagten zu 5) – im Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 18.04.2012 irrtümlich als Beklagter zu 2) bezeichnet – nunmehr ausdrücklich klargestellt hat, ist unbegründet.
334aa) Beklagter zu 2)
335Die von der Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 2) geltend gemachten Zahlungsansprüche bestehen nicht. Insoweit gilt auch hier, dass die Klägerin ihn – wie den Beklagten zu 3) – ausschließlich in seiner Eigenschaft als persönlich haftender Gesellschafter der Beklagten zu 1) in Anspruch nimmt, dessen Haftung gem. §§ 161 Abs. 2, 128 HGB aber aus den oben genannten Gründen an der fehlenden Gesellschaftsschuld der Beklagten zu 1) scheitert.
336bb) Beklagter zu 5)
337(1)
338Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten zu 5), dessen Passivlegitimation sich gemäß § 2213 Abs. 1 S. 1 BGB aus seiner Position als den Nachlass des Herrn T verwaltender Testamentsvollstrecker ergibt, kein Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises in Höhe von 1.903.000 € nach § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB zu, da Herr T diesen nicht rechtsgrundlos erlangt hat.
339Es bedarf keiner Klärung der Frage, ob die Anfechtungserklärung vom 21.09.2007 dem Beklagten zu 5) als Testamentsvollstrecker fristgerecht zugegangen ist. Bereits vor Abgabe dieser Erklärung war Herr T am 02.07.2007 verstorben. Ein Bereicherungsanspruch gegen den Beklagten zu 5) scheitert auch hier aus den schon oben bei der Beklagten zu 4) genannten Gründen. Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 Abs. 2 BGB kommt nicht in Betracht, da sich die Beklagte zu 7) und die für sie auftretenden Beklagten zu 8) und zu 9) im Verhältnis zu Herrn T als Dritte erweisen, so dass eine Anfechtbarkeit nur dann gegeben wäre, wenn Herr T eine seitens der Klägerin behauptete Täuschung der durch die Beklagten zu 8) und 9) handelnden Beklagten zu 7) kannte oder hätte kennen müssen. Entsprechendes wird aber weder durch die Klägerin vorgetragen noch ist es sonst ersichtlich.
340(2)
341Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen den Beklagten zu 5) gem. §§ 280, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB sind ebenfalls nicht gegeben. Nach dem zuvor Gesagten liegt keine wirksame Anfechtung des Erwerbs- und Übertragungsvertrages vom 30.08.2006 durch die Klägerin vor. Wegen der Regelung in dessen Ziffer 5.4, die somit weiter in Kraft ist, kommen vorvertragliche oder vertragliche Ansprüche vorliegend nicht in Betracht. Danach sind mit Ausnahme von Ansprüchen wegen Vorsatz und Arglist alle anderen Ansprüche der Klägerin als Käuferin gegen Herrn T als Verkäufer aufgrund einer – gegebenenfalls auch implizierten – Gewährleistung, seien sie vorvertraglicher oder vertraglicher Art, soweit jeweils rechtlich zulässig ausgeschlossen.
342Zwar findet diese individualvertragliche Haftungsfreizeichnung wegen § 276 Abs. 3 BGB keine Anwendung auf ein vorsätzliches Handeln des Herrn T, jedoch ist auch hier schon nichts für eine diesbezügliche Haftung des Schuldners ersichtlich. Im Übrigen ist hier ebenfalls wegen § 278 S. 2 BGB eine Haftung für vorsätzliches und fahrlässiges Handeln für Erfüllungsgehilfen, auf die wegen § 278 S. 2 BGB die Vorschrift des § 276 Abs. 3 BGB keine Anwendung findet, wirksam ausgeschlossen.
343Offenbleiben kann an dieser Stelle auch, ob die von der Klägerin gegenüber den Beklagten zu 8) und zu 9) behaupteten Pflichtverletzungen zutreffend sind. Selbst wenn sie es wären und sich die Beklagten zu 8) und zu 9) bei dem Gespräch am 28.04.2006 als Erfüllungsgehilfen des Herrn T erweisen würden, ist auch insoweit ebenfalls seine Haftung ausgeschlossen.
344(3)
345Der Klägerin stehen gegen den Beklagten zu 5) auch gem. Ziffer 5.1 des Erwerbs- und Übertragungsvertrages vom 30.08.2006 keine Ansprüche aus den in Ziffer 4 abgegebenen Garantien zu.
346Danach garantiert Herr T der Klägerin im Sinne eines selbständigen, verschuldensunabhängigen Garantievertrages nach §§ 311 Abs. 1, 241 BGB unabhängig von eigener Kenntnis, es sei denn, es wird ausdrücklich auf die Kenntnis des Herrn T abgestellt, dass die nachstehend (unter Ziffer 4.1 bis 4.7 des Vertrages) aufgeführten Aussagen – falls kein anderer Tag, gegebenenfalls auch ergänzend, benannt ist – zum Zeitpunkt des Abschlusses des Erwerbs- und Übertragungsvertrages und zum Übertragungsstichtag richtig, vollständig und nicht irreführend sind.
347(aa)
348Herr T hat in Ziffer 4.1 des Vertrages lediglich die – den Tatsachen entsprechende – Garantie dafür übernommen, dass sind Aktien wirksam entstanden und vollständig eingezahlt sind, ohne jedoch eine solche Garantie auch für die Aktien der anderen Aktionäre zu übernehmen.
349(bb)
350Ebenso wenig haftet Herr T bzw. der Beklagte zu 5) der Klägerin gem. Ziffer 4.5 des Vertrages. Denn die danach von der Beklagte zu 4) übernommene Garantie dafür, dass die X AG weder zahlungsunfähig oder drohend zahlungsunfähig noch überschuldet ist, ist von seiner Kenntnis abhängig. Da die Klägerin eine solche Kenntnis des Herrn T schon nicht behauptet, kann ihre Behauptung, dass die X AG schon im Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse insolvenzreif gewesen sei, an dieser Stelle dahinstehen.
351cc) Beklagte zu 8) und zu 9)
352Schadensersatzansprüche der Klägerin gegenüber den Beklagten zu 8) und zu 9), die bei dem hier interessierenden Geschehen als Geschäftsführer der Beklagten zu 7) gehandelt haben, bestehen nicht.
353(1)
354Vertragliche Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagten zu 8) und zu 9) persönlich sind nicht ersichtlich, da die Klägerin mit diesen keine Verträge abgeschlossen hat.
355(2)
356Der Klägerin stehen gegen die Beklagten zu 8) und zu 9) auch keine Schadensersatzansprüche unter dem Gesichtspunkt der Sachwalterhaftung gem. § 311 Abs. 3 S. 2 BGB zu, da die Beklagten zu 8) und zu 9) kein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen oder eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt haben.
357(3)
358Die Beklagten haften der Klägerin auch nicht gem. §§ 823 Abs. 2, 840 BGB i.V.m. § 332 Abs. 1 HGB auf Schadensersatz, da eine Verletzung des § 332 Abs. 1 HGB nicht gegeben ist.
359Nach § 332 Abs. 1 HGB, bei dem es sich um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handelt (Staub/Dannecker, HGB, 5. Auflage 2012, § 332 Rdn. 11), unterliegt der Strafdrohung, wer als Abschlussprüfer über das Ergebnis der Prüfung eines Jahresabschlusses unrichtig berichtet, im Prüfungsbericht (§ 321 HGB) erhebliche Umstände verschweigt oder einen inhaltlich unrichtigen Bestätigungsvermerk (§ 322 HGB) erteilt.
360Geschütztes Rechtsgut i.S.d. § 332 HGB ist das Vertrauen in den Prüfungsbericht und den Bestätigungsvermerk und damit in die Richtigkeit und Vollständigkeit der gewissenhaft und unparteiisch durch ein unabhängiges Kontrollorgan geprüften Abschlüsse und Lageberichte (Staub/Dannecker, HGB, 5. Auflage 2012, § 332 Rdn. 11). Die Klägerin ist auch in den Schutzbereich des § 332 HGB einbezogen, da dieser u.a. neben den gegenwärtigen auch die zukünftigen Aktionäre oder Gesellschafter erfasst (Staub/Dannecker, HGB, 5. Auflage 2012, § 332 Rdn. 10).
361Die Beklagten zu 8) und zu 9), die als Wirtschaftsprüfer taugliche Täter des § 332 Abs. 1 HGB sind und bei denen im Falle der Prüfung durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft – wie hier durch die Beklagte zu 7) – die strafrechtliche Verantwortung liegt, da sie bei der Prüfung mitgewirkt bzw. den Prüfbericht unterzeichnet haben (vgl. Wiedmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Auflage (2008), § 332 Rdn. 2), haben jedoch weder über das Ergebnis der Prüfung des Jahresabschlusses zum 31.12.2005 unrichtig berichtet noch im Prüfungsbericht unrichtige Umstände verschwiegen noch einen inhaltlich unrichtigen Prüfungsvermerk erteilt.
362(aa)
363Ein unrichtiger Bericht des Abschlussprüfers i.S.d. § 332 Abs. 1, 1. Var. HGB liegt nur vor, wenn der Bericht über das Ergebnis der Prüfung nicht mit den Feststellungen übereinstimmt, die der Abschlussprüfer im Rahmen seiner Prüfung gemacht hat (Wiedmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Auflage (2008), § 332 Rdn. 4; Staub/Dannecker, HGB, 5. Auflage (2012), § 332 Rdn. 47 m.w.N.). Entscheidend ist der subjektive Kenntnisstand des Prüfers (Wiedmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Auflage (2008), § 332 Rdn. 4). Auch wenn er durch seine Prüfung zu objektiv falschen Ergebnissen gelangt ist, liegt eine unrichtige Berichterstattung nicht vor, wenn diese seiner subjektiven Einschätzung entspricht (Wiedmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Auflage (2008), § 332 Rdn. 4). Nicht tatbestandsmäßig ist es daher, wenn allein die dargestellte wirtschaftliche Situation der in Wirklichkeit bestehenden Sachlage nicht entspricht (Staub/Dannecker, HGB, 5. Auflage (2012), § 332 Rdn. 47). In subjektiver Hinsicht muss der Prüfer die Möglichkeit einer unrichtigen Berichterstattung erkennen und trotzdem den Prüfungsbericht erstatten (Staub/Dannecker, HGB, 5. Auflage (2012), § 332 Rdn. 67).
364Gemessen an diesen Anforderungen kann nach dem gesamten Inhalt der mündlichen Verhandlung einschließlich der Ergebnisse der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden, dass die Beklagten zu 8) und zu 9) in ihrem Bericht über die Prüfung des Jahresabschluss der X AG zum 31.12.2005 über das Ergebnis der Prüfung unrichtig berichtet haben.
365Die vor dem Senat durchgeführte Beweisaufnahme hat überwiegend schon nicht bestätigt, dass die von der Klägerin im Einzelnen behaupteten Unrichtigkeiten (Manipulationen der Bilanz bei der Bewertung von Vorräten – insgesamt oder im Zusammenhang mit einzelnen Bauvorhaben –, bei der Bewertung einzelner Forderungen, bei der Ausbuchung von Verbindlichkeiten und ihrer unterbliebenen Ausweisung als periodenfremde Erträge und bei der Bewertung eines Mietobjektes sowie im Zusammenhang mit dem Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage, einer Patronatserklärung und der Bewertung der Saudi X Ltd.) vorgelegen haben. Darüber hinaus kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagten zu 8) und zu 9) im Rahmen ihrer Abschlussprüfung zu den genannten Umständen und Sachverhalten Feststellungen getroffen haben, über die sie nicht richtig berichtet haben.
366(1)
367Hinsichtlich der Bewertung der Vorräte hat die durchgeführte Beweisaufnahme schon nicht ergeben, dass sie generell Gegenstand der von der Klägerin behaupteten Manipulationen gewesen sind. Es hat weder festgestellt werden können, dass Leistungsmeldungen in der von der Klägerin beschriebenen Weise manipuliert worden sind, noch dass dies nicht nur mit Billigung, sondern auf Geheiß der Beklagten zu 11), 12) und zu 13) geschehen ist. Auch die sog. C4‑Liste (Anlage K87) hat sich lediglich als interne Aufstellung des Zeugen C4 und zudem als zur Dokumentation von Manipulationen unergiebig erwiesen. Darüber hinaus haben sich insbesondere auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Verluste über einen längeren Zeitraum gestreckt wurden und Drohverluste nicht tatsächlich ermittelt, sondern durch den Leiter des Rechnungswesens, den Zeugen I, lediglich pauschal geschätzt worden sind. Es ergibt sich schon deshalb in dieser Hinsicht kein Anhaltspunkt für die Annahme, die Beklagten zu 8) und 9) hätten zu den von der Klägerin bezeichneten Sachverhalten Prüfungsergebnisse gewonnen, über die sie unrichtig berichtet hätten.
368Bezüglich der Bewertung der einzelnen fünf Baustellen (F-arena E, Pumpstation B, S- Hof Phase 2, N Hotel Am X-damm und P-heimer Straße) kann – selbst bei anzunehmender Unrichtigkeit im Jahresabschluss – ebenfalls nicht festgestellt werden, dass die Beklagten zu 8) und zu 9) hierzu bei ihrer Prüfung Feststellungen getroffen und darüber unrichtig berichtet haben. Denn die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, dass den Beklagten zu 8) und zu 9) die von der Klägerin insoweit als Erkenntnisquelle angesehene „Ergebnisschätzung Februar 2006“ (Anlage 24 zum Qaa-Gutachten – Anlage K28) und dem „Risiko-Management-Report“ mit der Zusammenstellung der laufenden Baustellen mit einer Auftragssumme über 1 Mio. € mit Stand vom 15.03.2006 (Anlage 25 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) vorlag oder sonst bekannt gemacht worden ist. Zwar hat der Zeuge I bekundet, dass er die „entsprechenden Unterlagen“ über die Verlustbaustellen zu den einzelnen Objekten habe vorlegen müssen, wenn es angestanden habe, ohne dass daraus ersichtlich wird, dass die Beklagten zu 8) und zu 9) Unterlagen über die hier in Rede stehenden Verlustbaustellen vorlagen. Ebenso wenig hat die Beweisaufnahme bestätigt, dass die Beklagten zu 11), zu 12) und zu 13) in der bzw. den Besprechungen mit den Beklagten zu 8) und zu 9) Kenntnisse über die Verluste einzelner Baustellen vermittelt hätten.
369(2)
370Auch bezüglich der Bewertung der Forderungen (C AG und MDC/W Galerie) kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagten zu 8) und zu 9) über Prüfungsergebnisse nicht richtig berichtet haben.
371Der als Partei vernommene Beklagte zu 12) hat lediglich bestätigt, dass der Wertansatz der Forderung gegen die C AG auch Gegenstand der Prüfung durch die Beklagten zu 8) und zu 9) gewesen sei. Dass die Abschlussprüfer durch die Beklagten zu 11), 12) und 13) aber darauf hingewiesen worden sind, dass durch die Auftraggeberin allenfalls eine Leistung von noch 7 Mio. € zu erwarten und zudem noch eine Gewährleistungsbürgschaft über 2,5 Mio. € anspruchsmindernd zu berücksichtigen sei, was zu einer abweichenden Bewertung der Forderung hätte führen müssen, hat jedoch nicht festgestellt werden können.
372Im Übrigen ist die Klägerin jedenfalls beweisfällig geblieben. Eine Feststellung der Beklagten zu 8) und zu 9) zu Umständen, deren Folge eine abweichende Bewertung der Forderung gegen MDC/W Galerie sein kann, wird von der Klägerin weder behauptet noch unter Beweis gestellt.
373(3)
374Hinsichtlich der von den Beklagten zu 11), 12) und 13) vorgenommenen Ausbuchung von Verbindlichkeiten als verjährt und einer vorzunehmenden Darstellung als periodenfremde Erträge kann nach der Beweisaufnahme ebenfalls nicht festgestellt werden, dass die Beklagten zu 8) und zu 9) von den Beklagten zu 11), 12) und 13) unterrichtet worden sind.
375(4)
376Ebenso wenig hat die Beweisaufnahme ergeben, dass die Beklagten zu 8) und zu 9) Feststellungen zu den Besonderheiten des von der X AG gemieteten Objekts M-berger Straße getroffen haben, über die sie unrichtig berichtet haben.
377(5)
378Auch im Hinblick auf die von der Beklagten zu 1) nach den oben gemachten Ausführungen verdeckt erbrachten Sacheinlage in Höhe von rund 2,2 Mio. € hat die Beweisaufnahme nicht bestätigt, dass die Beklagten zu 8) und zu 9) hierüber vorsätzlich unrichtig berichtet haben. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagten zu 8) und zu 9) mit dem Zahlungsfluss, wie er nach der Notiz des Beklagten zu 11) über ein Gespräch vom 04.11.2004 (Anlage K58) vorgenommen werden sollte, auch die Bewertung verbunden haben, dass sich eine so von der Beklagten zu 1) geleistete Einlage in Höhe von rund 2,2 Mio. € als verdeckte Sacheinlage erweisen würde. Der Vorwurf vorsätzlichen Fehlverhaltens könnte den Beklagten zu 8) und 9) in dieser Hinsicht nur gemacht werden, wenn sie alle Umstände, die zur Annahme einer verdeckten Sacheinlage führen, gekannt hätten. Das war aber nicht so, denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass ihnen der für die Annahme einer verdeckten Sacheinlage erforderliche Inhalt des Gesellschaftsvertrages der Beklagten zu 1) – insbesondere § 4 Ziffer 3 und § 5 Ziffer 3 – bekannt war.
379(6)
380Die Beklagten zu 8) und zu 9) haben, wie sie bei ihrer Vernehmung als Partei bekundet haben, bei der Prüfung des Jahresabschlusses erkannt, dass es eine Patronatserklärung der X AG zugunsten der Saudi X Ltd. gab, über die der Jahresabschluss schwieg. Gleichwohl haben sie nicht den Tatbestand des § 332 Abs. 1, 1. Var. HGB verwirklicht, als sie darüber nicht berichtet haben. Denn zum einen muss die unrichtige Berichterstattung wesentlichen Sachverhalt betreffen, so dass auch die Darstellung des Prüfungsergebnisses betroffen wird. Völlig unerhebliche und für den Adressatenkreis nicht bedeutsame Sachverhalte scheiden insofern aus. Nach den oben bereits gemachten Ausführungen kann hierfür angesichts der vorliegend zugrunde zu legenden Bilanzsumme selbst die Nichterwähnung einer als haftungsträchtig anzunehmenden Patronatserklärung mit einem Risikopotential in Höhe von rund 130.000 € nicht genügen. Zum anderen ist unwiderlegt geblieben, dass die Beklagten zu 8) und 9) von dem (vermeintlichen) Haftungspotential der Patronatserklärung keine Kenntnis hatten, da ihnen nach ihrem Bekunden durch den Vorstand der plausible Eindruck vermittelt worden war, dass es sich gerade nicht um eine haftungsträchtige Patronatserklärung handelte.
381(7)
382Schließlich kann auch hinsichtlich der Bewertung der wirtschaftlichen Lage der Saudi X Ltd. nicht von einem unrichtigen Berichten i.S.d. § 332 Abs. 1, 1. Var. HGB durch die Beklagten zu 8) und zu 9) ausgegangen werden. Auch eine den Beklagten zu 8) und zu 9) bekannte Wertlosigkeit dieser Beteiligung stellt trotz unterbliebener Abschreibung auf Null und der Wahl eines Bilanzansatzes von 150.000 € – unabhängig davon, ob wirtschaftlich eine Abschreibung auf Null stattgefunden hat, weil auch die Beteiligung an Saudi XLtd. bei der „Rückstellung für drohende Auslandsverluste“ in Höhe von 300.000 € Berücksichtigung gefunden hat – kein unrichtiges Berichten über das Ergebnis des Jahresabschlusses in einem erheblichen Umfang dar.
383(bb)
384Soweit § 332 Abs. 1, 2. Var. HGB, der mit § 332 Abs. 1, 1. Var. HGB ohnehin einen einheitlichen Tatbestand bildet (Staub/Dannecker, HGB, 5. Auflage (2102), § 332 Rdn. 25), das Verschweigen erheblicher Umstände im Prüfungsbericht unter Strafe stellt, lässt der Vortrag der Klägerin ein allein danach zu würdigendes Fehlverhalten der Beklagten zu 8) und zu 9) nicht erkennen.
385(cc)
386Entsprechendes gilt, soweit § 332 Abs. 1, 3. Var HGB die Erteilung eines inhaltlich und unrichtigen Bestätigungsvermerks sanktioniert. Dass der von den Beklagten zu 8) und zu 9) uneingeschränkt erteilte Bestätigungsvermerk aus Gründen, die nicht bereits Gegenstand der Ausführungen zu § 332 Abs. 1, 1. Var. HGB gewesen sind, unrichtig ist, ist den Darlegungen der Klägerin nicht zu entnehmen.
387(4)
388Der Klägerin steht gegen die Beklagten zu 8) und zu 9) kein Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 823 Abs. 2, 840 BGB i.V.m. § 263 BGB zu. Das Vorbringen der Klägerin ist insoweit schon nicht schlüssig, da sie zu einer von diesen begangenen vorsätzlichen Täuschung sowie zu der Absicht, sich oder einen Dritten rechtswidrig zu bereichern, nicht vorträgt.
389(5)
390Eine Haftung der Beklagten zu 8) und zu 9) gem. §§ 826, 840 BGB gegenüber der Klägerin kommt ebenfalls nicht in Betracht. Für einen Sittenverstoß genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (vgl. BGH, Urteil vom 19.11.2013 – VI ZR 411/12; Urteil vom 15.10.2013 – VI ZR 124/12; Urteil vom 19.07.2004 – II ZR 217/03, NJW 2004, 2668, (2670)).
391Im Bereich der Expertenhaftung für unrichtige (Wert-)Gutachten und Testate kommt ein Sittenverstoß bei einer besonders schwer wiegenden Verletzung der einen Experten treffenden Sorgfaltspflichten in Betracht. Als sittenwidrig ist dabei zu beurteilen, dass der Auskunfterteilende aufgrund des Expertenstatus ein besonderes Vertrauen für sich in Anspruch nimmt, selbst aber nicht im Mindesten den an einen Experten zu richtenden Maßstäben genügt (BGH, Urteil vom 19.11.2013 – VI ZR 411/12 – juris Rz. 9f. m.w.N.). Der Sittenverstoß setzt ein leichtfertiges und gewissenloses Verhalten des Auskunftgebers voraus. Es genügt nicht ein bloßer Fehler des Gutachtens, sondern es geht darum, dass sich der Gutachter durch nachlässige Erledigung, z.B. durch nachlässige Ermittlungen oder gar durch Angaben ins Blaue hinein der Gutachtenaufgabe entledigt und dabei eine Rücksichtslosigkeit an den Tag legt, die angesichts der Bedeutung des Gutachtens für die Entscheidung Dritter als gewissenlos erscheint (BGH, Urteil vom 19.11.2013 – VI ZR 411/12 – juris Rz. 9f. m.w.N.).
392Gemessen daran kommt eine Haftung der Beklagten zu 8) und zu 9) nicht Betracht. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme hat nicht festgestellt werden können, dass sie in dem Gespräch am 28.04.2006 Angaben überhaupt Erklärungen über den Inhalt des Prüfungsgerichts gemacht haben. Darüber hinaus spricht nichts dafür, dass sich die Beklagten zu 8) und zu 9) ihrer Aufgabe als Abschlussprüfer in nachlässiger Weise entledigt haben. Zudem ließe die bloße Fehlerhaftigkeit von Jahresabschlüssen – selbst wenn sie erheblich wäre – nicht den Schluss zu, dass die Beklagten zu 8) und 9) mit Schädigungsvorsatz gehandelt haben (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.1998 – 8 U 59/98, NZG 1999, 901 (903)).
393dd) Beklagter zu 10)
394Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen den Beklagten zu 10) gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB oder gem. § 826 BGB kommen nicht in Betracht, da kein haftungsbegründendes Verhalten des Beklagten zu 10) festgestellt werden kann.
395Nach der durchgeführten Beweisaufnahme ist die Klägerin bereits mit ihrer Behauptung, der Beklagte zu 10) habe in dem Gespräch am 28.04.2006 – entgegen besserer Kenntnis der tatsächlichen Lage – ihre Fragen nach dem Vorliegen einer Patronatserklärung in dem Gespräch am 28.04.2006 verneint und die Geschäftsaussichten der Saudi X Ltd. als grundsätzlich positiv beurteilt, beweisfällig geblieben. Der von der Klägerin zum Beweis dieser Tatsache benannte Zeuge Dr. I hat weder bestätigen können, dass eine solche Frage in der Besprechung gestellt wurde, noch dass der Beklagte zu 10) sie mit dem behaupteten Inhalt beantwortet habe.
396ee) Beklagte zu 12) und zu 13)
397Gegenüber den Beklagten zu 12) und zu 13) als den neben dem Beklagten zu 11) weiteren Mitgliedern des Vorstandes der X AG stehen der Klägerin ebenfalls nicht die geltend gemachten Zahlungsansprüche zu. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die oben zum Beklagten zu 11) gemachten Ausführungen verwiesen werden. Auch soweit es für das deliktische Handeln auf die jeweilige Kenntnis der einzelnen Vorstandsmitglieder ankommt, kann – wie bereits oben dargestellt – nicht festgestellt werden, dass die Beklagten zu 12) und zu 13) eine ihren Vorsatz begründende Kenntnis hatten.
398e) Antrag zu VI
399Der Antrag zu VI, mit dem die Klägerin gegen die Beklagte zu 6) – gesamtschuldnerisch mit den Beklagten zu 1) bis 5) und zu 7) bis 13) – die Zahlung von 2.400.000 € nebst Zinsen hilfsweise Zug um Zug gegen Übertragung des GmbH‑Anteils geltend macht, ist ebenfalls unbegründet.
400aa)
401Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten zu 6) kein Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises in Höhe von 2.400.000 € nach § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB zu, da die Beklagte zu 6) diesen nicht rechtsgrundlos erlangt hat.
402Auch hier gilt aus den schon oben bei den Beklagten zu 4) und zu 5) genannten Gründen, dass eine täuschungsbedingte Anfechtbarkeit wegen § 123 Abs. 2 BGB nicht in Betracht kommt, da sich die Beklagte zu 7) und die für sie auftretenden Beklagten zu 8) und zu 9) im Verhältnis zur Beklagten zu 6) als Dritte erweisen, so dass eine Anfechtbarkeit nur dann gegeben wäre, wenn die Beklagte zu 6) eine seitens der Klägerin behauptete Täuschung der durch die Beklagten zu 8) und 9) handelnden Beklagten zu 7) kannte oder hätte kennen müssen. Entsprechendes wird aber weder durch die Klägerin vorgetragen noch ist es sonst ersichtlich.
403bb)
404Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 6) gem. §§ 280, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB sind ebenfalls nicht gegeben. Da nach dem zuvor Gesagten keine wirksame Anfechtung des Erwerbs- und Übertragungsvertrages vom 30.08.2006 durch die Klägerin vorliegt, kommen vorvertragliche oder vertragliche Ansprüche wegen der Regelung in dessen Ziffer 5.4 vorliegend nicht in Betracht. Danach sind mit Ausnahme von Ansprüchen wegen Vorsatz und Arglist alle anderen Ansprüche der Klägerin als Käuferin gegen die Beklagte zu 6) als Verkäuferin aufgrund einer – gegebenenfalls auch implizierten – Gewährleistung, seien sie vorvertraglicher oder vertraglicher Art, soweit jeweils rechtlich zulässig ausgeschlossen.
405Für vorsätzlich begangene Pflichtwidrigkeiten der gesetzlichen Vertreter der Beklagten zu 6) ist nichts ersichtlich. Im Übrigen greift der Haftungsausschluss ein. Gegen einen Haftungsausschluss, der individualvertraglich vereinbart und von der rechtlichen Zulässigkeit, die sich aus § 278 S. 2 BGB ergibt, abhängig gemacht ist, bestehen keine Bedenken.
406Offenbleiben kann an dieser Stelle auch, ob die von der Klägerin gegenüber den Beklagten zu 8) und zu 9) behaupteten Pflichtverletzungen zutreffend sind. Selbst wenn sie es wären und sich die Beklagten zu 8) und zu 9) bei dem Gespräch am 28.04.2006 als Erfüllungsgehilfen der Beklagten zu 6) erweisen würden, ist auch insoweit ebenfalls ihre Haftung im Hinblick auf § 278 S. 2 BGB zulässigerweise ausgeschlossen.
407cc)
408Der Klägerin stehen gegen die Beklagte zu 6) auch gem. Ziffer 5.1 des Erwerbs- und Übertragungsvertrages vom 30.08.2006 keine Ansprüche aus den in Ziffer 4 abgegebenen Garantien zu.
409Danach garantiert die Beklagte zu 6) der Klägerin im Sinne eines selbständigen, verschuldensunabhängigen Garantiervertrages unabhängig von eigener Kenntnis, es sei denn es wird ausdrücklich auf die Kenntnis der Beklagten zu 6) abgestellt –, dass die nachstehend (unter Ziffer 4.1 bis 4.6) des Vertrages aufgeführten Aussagen – falls kein anderer Tag, gegebenenfalls auch ergänzend, benannt ist – zum Zeitpunkt des Abschlusses des Erwerbs- und Übertragungsvertrages und zum Übertragungsstichtag richtig, vollständig und nicht irreführend sind.
410(aa)
411Die Beklagte zu 6) hat in Ziffer 4.1 des Vertrages lediglich die – den Tatsachen entsprechende – Garantie dafür übernommen, dass ihre Aktien wirksam entstanden und vollständig eingezahlt sind, ohne jedoch eine solche Garantie auch für die Aktien der anderen Aktionäre zu übernehmen.
412(bb)
413Ebenso wenig haftet die Beklagte zu 4) der Klägerin gem. Ziffer 4.5 des Vertrages. Denn die danach von der Beklagten zu 6) übernommene Garantie dafür, dass die X AG weder zahlungsunfähig oder drohend zahlungsunfähig noch überschuldet ist, ist ebenfalls von ihrer Kenntnis abhängig. Da die Klägerin eine solche Kenntnis der Beklagten zu 6) schon nicht behauptet, kann ihre Behauptung, dass die X AG schon im Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse insolvenzreif gewesen sei, an dieser Stelle dahinstehen.
414f) Antrag zu VII
415Der Antrag zu VII, der auf die Feststellung gerichtet ist, dass die Beklagten zu 1), 3), 4) und 7) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr – der Klägerin – jeden weiteren bereits entstandenen und künftig entstehenden Schaden zu ersetzen, der dadurch verursacht wurde, dass sie – die Klägerin – vor Abschluss der Gesellschaftervereinbarung vom 29.08.2006 sowie vor Abschluss der zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 4) und 6) sowie dem Erblasser T geschlossenen Erwerbs- und Übertragungsverträgen bzgl. der Aktien der X AG über die wirtschaftliche Situation der X AG zum 31.12.2005 und bei Abschluss der Verträge getäuscht worden ist, ist zwar zulässig, aber unbegründet. Nach den oben gemachten Ausführungen bestehen gegenüber den Beklagten zu 1), 3), 4) und zu 7) weder vertragliche noch deliktische Ansprüche auf Schadensersatz.
416g) Antrag zu VIII
417Der Antrag zu VIII, der auf die Feststellung gerichtet ist, dass sich die Beklagten zu 1) bis 13) mit der Annahme der Abtretungserklärung bzgl. ihrer – der Klägerin – Geschäftsanteile an der X GmbH in Annahmeverzug befinden, und mit dem hilfsweise für den Fall, dass das Gericht den Hauptanträgen zu II bis VI nicht folgt, die Feststellung begehrt wird, dass die Beklagten zu 1) bis 13) sich mit der Annahme der Abtretungserklärung hinsichtlich des gemäß Umwandlungsbeschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der X AG vom 5. Dezember 2006, Urkunden-Nr. 1145/06 des Notars I1, E1 (Anlage K 20) festgesetzten Geschäftsanteils der Klägerin an der X GmbH im Nennbetrag von EUR 11.415.000,00 im Annahmeverzug befinden, ist zulässig, aber unbegründet.
418Ein Annahmeverzug der Beklagten, das Angebot der Klägerin auf Abtretung der Anteile anzunehmen, könnte nur in Betracht gezogen werden, wenn die Klägerin gehalten wäre, bei der Leistung von Schadensersatz durch die Beklagten, wie ihn die Klägerin verlangt, im Gegenzug die Anteile als erlangte Gegenleistung oder als „anzurechnende Vorteile“ herauszugeben. Eine solche Rechtslage ist aber nach dem Inhalt der vorstehenden Gründe, auf die verwiesen wird, nicht gegeben.
419h) Antrag zu IX
420Auch der Antrag zu IX, mit dem die Klägerin eine Verurteilung der Beklagten zu 1) bis 13) als Gesamtschuldner begehrt, an sie – die Klägerin – 130.792,00 € nebst 8 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit als Ersatz für vorgerichtlich angefallene Anwaltskosten zu zahlen, ist unbegründet. Ansprüche gegen sämtliche Beklagte aus § 280 Abs. 1 BGB kommen nach den vorstehenden Ausführungen nicht in Betracht. Dass der Klägerin insbesondere gegen die Beklagte zu 1) Ansprüche gem. §§ 286 Abs. 1, 280 Abs. 2 BGB zustehen, ist nicht ersichtlich.
4212.
422Eine Entscheidung über die Eventualwiderklage der Beklagten zu 1), 2), 3) und 10) ist nicht geboten, da die innerprozessuale Bedingung zur Entscheidung über den Antrag nicht vorliegt. Voraussetzung für die Bescheidung der als Hilfswiderklage geltend gemachten Stufenklage ist nicht der Erfolg der Feststellungsklage, sondern der hier nicht gegebene Erfolg derjenigen Klageanträge, bei denen den geltend gemachten Schadensersatzansprüchen Ansprüche auf Vorteilsausgleich entgegen gehalten werden können.
4233.
424Entgegen der Ansicht der Klägerin war der Rechtsstreit entscheidungsreif, ohne dass noch Beweis über die Unrichtigkeit des Jahresabschlusses der X AG zum 31.12.2005 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erheben war. Nach den gemachten Ausführungen kommt eine Haftung der Beklagten zu 7), 8) und 9) einerseits und der Beklagten zu 11), 12) und 13) andererseits gegenüber der Klägerin nur aus deliktischem Verhalten in Betracht. Den insoweit von der Klägerin aufgestellten Behauptungen – auch zur subjektiven Seite – ist der Senat mit der durchgeführten Beweisaufnahme nachgegangen. Dass diese Beklagten aber über die von der Klägerin bereits behaupteten und unter Beweis gestellten Unrichtigkeiten des Jahresabschlusses oder Unrichtigkeiten der Berichterstattung hinaus auch Kenntnis davon hatten, dass die von ihnen als Vorstand vorgelegte Bilanz – insbesondere soweit Bewertungsfragen betroffen sind – auch insoweit nicht mit den Tatsachen übereinstimmt (§ 331 Nr. 1 HGB) oder die von ihnen als Prüfer vorgenommen Berichterstattung auch insoweit unrichtig ist (§ 332 Abs. 1 HGB), ist weder substantiiert dargetan noch unter Beweis gestellt. Dies gilt auch, soweit die Klägerin behauptet, die Bewertungsmethoden der Beklagten zu 11), 12) und 13) seien – insbesondere die Linearisierung der zum Stichtag bestehenden Verluste – konzeptionell ungeeignet.
4254.
426Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf §§ 92, 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
4275.
428Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO insbesondere auch im Hinblick auf den angenommenen Verstoß von Regelungen in der Gesellschaftervereinbarung gegen § 405 Abs. 3 Nrn. 6 und 7 AktG nicht vorliegen.
429BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger, der Erstattung restlicher Krankenhauskosten verlangt, unterhält seit Oktober 2004 bei der Beklagten eine private Krankheitskostenversicherung. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten zugrunde, deren Teil I den §§ 1 bis 19 MB/KK 94 entspricht (vgl. Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. S. 1805 ff.). Teil II enthält die Tarifbedingungen (im Folgenden: TB), die jeweils einzelnen Vorschriften der Allgemeinen Versicherungsbedingungen zugeordnet sind.
- 2
- Sie ergänzen die Bestimmung in § 1 (1) Buchst. a MB/KK 94 über den in der Krankheitskostenversicherung zugesagten Versicherungsschutz wie folgt: Nr. 1 Preisliche Angemessenheit Die Aufwendungen für Heilbehandlungen und sonst vereinbarte Leistungen werden - soweit sich aus § 4 MB/KK 94 einschließlich der Nummern 9 bis 13 TB nichts anderes ergibt - bis zu angemessenen Beträgen anerkannt.
- 3
- Zu der Bestimmung über die freie Wahl unter öffentlichen und privaten Krankenhäusern in § 4 (4) MB/KK 94 heißt es in der sich anschließenden Tarifbedingung: Nr. 12 Angemessene Entgelte (1) Für Krankenhäuser, die dem Geltungsbereich der Bundespflegesatzverordnung bzw. dem Krankenhausentgeltgesetz unterliegen, bestimmt sich die Angemessenheit des Entgelts durch die genannten Rechtsgrundlagen in der jeweils gültigen Fassung. (2) Entgelte, die nicht nach Abs. 1 zu berechnen sind, gelten als angemessen, sofern sie die im Vergleich zu dem durch die Bundespflegesatzverordnung bzw. das Krankenhausentgeltgesetz vorgegebenen Entgelte um nicht mehr als 50% überschreiten.
- 4
- Schließlich bestimmt ein Krankheitskostentarif, der als Teil III in Verbindung mit den Teilen I und II gültig ist, dass die Kosten einer stationären Behandlung zwar zu 100% erstattet werden, aber begrenzt auf den erstattungsfähigen Rechnungsbetrag.
- 5
- Kläger Der wurde am 8./9. August 2005 in einer Sportklinik, die nicht der Bundespflegesatzverordnung oder dem Krankenhausentgeltgesetz unterliegt, wegen eines Knorpel- und Innenmeniskusschadens am linken Knie stationär behandelt. Die Rechnung belief sich auf 4.081,20 €. Im Hinblick auf die Obergrenze von 150% des durchschnittlichen, nach der Bundespflegesatzverordnung bzw. dem Krankenhausentgeltgesetz zu berechnenden Entgelts erstattete die Beklagte 2.615,68 €.
- 6
- Das Amtsgericht hat dem Kläger nach Abzug eines Selbstbehalts weitere 1.395,08 € zugesprochen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
- 8
- I.DasBerufungsgericht hält die Vorschrift der Nr. 12 (2) TB im Gegensatz zum Amtsgericht nicht für intransparent (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Vielmehr werde dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer hinreichend klar und deutlich, wie sich der Erstattungsbetrag bei einer stationären Heilbehandlung errechne. Er müsse den exakten Betrag nicht selbst aus dem Bedingungswerk herauslesen können. Ohne eine bestimmte Abstraktion sei eine über den Einzelfall hinausgehende Regelung nicht möglich. Wenn der Versicherungsnehmer wissen wolle, wie sich die ausbedungene Leistungsbegrenzung konkret auswirke, müsse er sich durch Nachfragen sachkundig machen.
- 9
- II. Das hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.
- 10
- 1. § 307 Abs. 3 BGB steht einer Kontrolle der streitigen Klausel nicht entgegen. Nr. 12 TB gestaltet das in § 1 (1) Buchst. a MB/KK 94 gegebene Hauptleistungsversprechen näher aus im Sinne der schon in Nr. 1 TB vorgesehenen Beschränkung der zu erstattenden Aufwendungen auf angemessene Beträge. Solche Klauseln sind kontrollfähig (vgl. BGHZ 152, 262, 265).
- 11
- 2. Soweit das Amtsgericht angenommen hat, die Klausel verstoße schon deshalb gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB), weil dem Versicherungsnehmer die mit ihr bestimmte Einschränkung der Leistungspflicht des Versicherers im Rahmen des Gesamtklauselwerks nicht hinreichend deutlich werde, ist dem nicht zu folgen. Auf die Beschränkung des Versicherungsschutzes "bis zu angemessenen Beträgen" wird schon in der Tarifbedingung Nr. 1 zu § 1 (1) Buchst. a MB/KK 94 hingewiesen. Diese Tarifbedingung enthält zudem einen ausdrücklichen Hinweis auf § 4 MB/KK und die dazu vereinbarten Tarifbedingungen unter Nr. 9 bis 13, also auch auf die Nr. 12 TB. Letztere lässt den durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, welche von Krankenhäusern geforderte Entgelte vom Versicherer noch als angemessen und daher erstattungsfähig angesehen werden. Die Klausel findet sich nicht an versteckter Stelle, sondern im Anschluss an die in § 4 (4) MB/KK 94 geregelte freie Wahl des Versicherungsnehmers unter öffentlichen und privaten Krankenhäusern, für die sie Bedeutung haben kann. Sie steht auch nicht in Widerspruch mit der in Teil III der Tarifbedingungen unter A vorgesehenen Erstattung von Kosten einer stationären Behandlung in Höhe von 100% (statt nur 90% der Kosten etwa einer Psychotherapie oder von Heilmitteln). Denn diese Prozentsätze beziehen sich nach der Bestimmung zu C des Teils III der Tarifbedingungen stets auf den erstattungs- fähigen Rechnungsbetrag. Teil III verweist abschließend auf die Teile I und II und damit auch auf die Beschränkung der Erstattungsfähigkeit von Krankenhauskosten in Nr. 12 TB.
- 12
- Allein aus der in Nr. 12 TB vorgesehenen Beschränkung der Leistungspflicht bei Behandlungen in privaten Krankenhäusern an sich ergibt sich auch kein Verstoß gegen § 305c Abs. 1 BGB. Der Versicherungsnehmer wird in Anbetracht des durch die Versicherungsbedingungen grundsätzlich weit gesteckten Leistungsrahmens der Krankheitskostenversicherung davon ausgehen, dass das allgemeine Leistungsversprechen näherer Ausgestaltung bedarf, die auch Einschränkungen nicht ausschließt (vgl. Senatsurteile vom 19. Mai 2004 - IV ZR 29/03 - VersR 2004, 1035 unter II 3 a; vom 18. Januar 2006 - IV ZR 244/04 - VersR 2006, 497 Tz. 15). Darauf wird der Versicherungsnehmer - wie dargelegt - auch ausreichend hingewiesen.
- 13
- a) 3. Die Revision beanstandet zwar nicht, dass sich allein aus Nr. 12 TB ohne Rückfrage beim Versicherer der exakte Erstattungsbetrag nicht entnehmen lässt. Eine Klausel, die von den Erwartungen des Versicherungsnehmers deutlich abweiche und mit der er nicht zu rechnen brauche, sei jedoch überraschend i.S. von § 305c Abs. 1 BGB (vgl. Senatsurteil vom 19. Mai 2004 aaO), zumindest aber intransparent und deshalb unwirksam. Das treffe hier für die Kappungsgrenze zu, weil sie auf 150% der durch die Bundespflegesatzverordnung oder das Krankenhausentgeltgesetz vorgegebenen Entgelte bezogen sei. Dieser Referenzrahmen sei für eine Privatklinik weder "vorgegeben" noch überhaupt maßgebend. Privatkliniken orientierten sich vielmehr an Marktpreisen. Es sei willkürlich, stattdessen auf die für öffentliche Krankenhäuser geltenden Regelungen zurückzugreifen. Angemessene Fallpauschalen privater Krankenhäuser könnten um 900% über den Preisen öffentlich geförderter Häuser liegen (BGHZ 154, 154, 156). In Wahrheit bewirke Nr. 12 (2) TB nicht eine Beschränkung auf angemessene Preise, sondern der Sache nach eine von Teil III der Tarifbedingungen abweichende, von vornherein auf einen Bruchteil der Kosten beschränkte Erstattung, die aber nicht offen gelegt, sondern verschleiert werde. Damit werde die freie Klinikwahl wesentlich stärker eingeschränkt, als dem durchschnittlich aufmerksamen Leser der Bedingungen erkennbar werde.
- 14
- Auch b) unter diesem Blickwinkel lässt sich indessen weder ein Verstoß gegen § 305c Abs. 1 BGB, noch ein solcher gegen das Transparenzgebot oder eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers feststellen.
- 15
- aa) Dass die Beschreibung der Kappungsgrenze, die als Basis auf die Krankenhausentgelte nach der Bundespflegesatzverordnung oder dem Krankenhausentgeltgesetz zurückgreift, für sich genommen gegen das Überraschungsverbot des § 305c Abs. 1 BGB verstößt, ist nicht ersichtlich. Denn eine Beschränkung des Leistungsrahmens, mit der der Versicherungsnehmer - wie dargestellt - rechnen muss, bedarf einer Anknüpfungsgröße ; wenn diese dem Bereich gesetzlich geregelter Entgelte entnommen wird, ist das für sich genommen weder überraschend i.S. von § 305c Abs. 1 BGB noch intransparent i.S. von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dass sich die Intransparenz nicht schon daraus herleiten lässt, dass der Versicherungsnehmer die Konkrete Leistungspflicht der Höhe nach nicht ohne weitere Nachfrage ermitteln kann, räumt die Revision selbst ein. Die Klarheit und Durchschaubarkeit der Versicherungsbedingungen würde dadurch, dass ihnen die in Bezug genommene Bundespflegesatzverordnung sowie das Krankenhausentgeltgesetz im Wortlaut beigefügt würden, nicht verbessert. Das Transparenzgebot verlangt eine dem Versicherungsnehmer verständliche Darstellung insbesondere der von ihm hinzunehmenden Nachteile und Belastungen nur soweit, wie dies den Umständen nach gefordert werden kann (BGHZ 147, 354, 372; 141, 137, 143; Römer in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. Vorbem. zu § 1 Rdn. 14). Diesen Anforderungen wird § 12 TB gerecht.
- 16
- bb) Bedenken gegen die Wirksamkeit der Klausel könnten sich allerdings unter dem Gesichtspunkt der Transparenz oder jedenfalls einer unangemessenen Benachteiligung ergeben, wenn die geregelte Beschränkung der Leistungspflicht für Privatkrankenhäuser dazu führt, dass deren geforderte Entgelte regelmäßig nicht abgedeckt werden; damit würde zugleich die versprochene (§ 4 Abs. 4 MB/KK) freie Wahl unter den öffentlichen und privaten Krankenhäusern eingeschränkt.
- 17
- (1) Die Kosten für private Kliniken sind grundsätzlich höher als die in der Bundespflegesatzverordnung und dem Krankenhausentgeltgesetz berücksichtigten Kosten, zu denen insbesondere wesentliche Investitionskosten nicht gehören (vgl. BGHZ 154, 154, 160 ff.). Reine Privatkliniken sind daher in der Regel nicht in der Lage, ihre Preise so günstig zu gestalten wie in den Krankenhausplan aufgenommene Häuser. Dem kann der Krankenversicherer, auch wenn er aus Gründen der Kostendämpfung an die Entgelte öffentlich geförderter Krankenhäuser anknüpft, grundsätzlich dadurch angemessen Rechnung tragen, dass er seine Obergrenze deutlich über 100% der von öffentlichen Häusern geforderten Preise zieht. Auf diese Weise können allerdings nur gleichartig gebildete Preise verglichen werden. In der von der Revision angesprochenen Entscheidung ging es dagegen um einen Vergleich zwischen Fallpauschalen einerseits und tagesgleichen Pflegesätzen andererseits (BGHZ 154, 154, 156). Daraus ergab sich der Eindruck, die Fallpauschale des privaten Krankenhauses liege neunmal höher als die Preise öffentlich geförderter Krankenhäuser.
- 18
- (2) Der Kläger hat nicht behauptet, dass auch andere Privatkliniken für die bei ihm durchgeführte Operation oder andere ärztliche Leistungen Entgelte berechnen, die die Kappungsgrenze des § 12 Abs. 2 TB überschreiten. Demgegenüber hat die Beklagte in den Tatsacheninstanzen darauf hingewiesen, dass sich die durchschnittlichen Entgelte öffentlich geförderter Krankenhäuser heute ebenfalls nach Fallpauschalen (Diagnosebezogenen Fallgruppen) bestimmen, die zwischen den Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft ausgehandelt würden. Die Beklagte hat behauptet, der ganz überwiegende Teil der Privatkliniken rechne anhand von Sätzen ab, die unterhalb der hier vereinbarten Kappungsgrenze lägen. Diesem Vorbringen hat der Kläger nicht widersprochen und insbesondere keine Beweisanträge etwa dahin gestellt, dass die Preise privater Kliniken ganz allgemein und insbesondere für die bei ihm durchgeführte Meniskusoperation in der Regel wesentlich über den in Nr. 12 (2) TB vorgesehenen 150% lägen. Der Kläger ist aber für die Tatsachen beweispflichtig, aus denen er eine Unwirksamkeit von Vertragsklauseln nach §§ 305c, 307 BGB herleitet (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 1995 - XI ZR 255/94 - NJW 1996, 388 unter II 2 b bb m.w.N.).
- 19
- Deshalb kann nicht festgestellt werden, dass die hier in Nr. 12 (2) TB gezogene Obergrenze für Entgelte privater Kliniken den Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligt oder seine Wahlfreiheit zwischen öffentlichen und privaten Krankenhäusern beeinträchtigt.
Felsch Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
AG Köln, Entscheidung vom 10.10.2006 - 146 C 119/06 -
LG Köln, Entscheidung vom 27.06.2007 - 23 S 69/06 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 30. März 2004 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtsmittelzüge.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Parteien Die streiten um die Erstattung von Sachkosten einer zahnärztlichen Behandlung des Klägers.
- 2
- Der Kläger hält bei der Beklagten eine private Krankheitskostenversicherung. Dem Versicherungsvertrag liegen seit dem 1. Juli 1998 u.a. die Tarifbedingungen (TB) des Tarifes "ECO 2500" zugrunde. Dieser sieht eine grundsätzliche Erstattung von Zahnbehandlungskosten in Hö- he von 90% vor. Zur Erstattung von Sachkosten bei zahnärztlicher Behandlung heißt es in Nr. 10b (1) TB: "Die Erstattung von Sachkosten bei zahnärztlicher und kieferorthopädischer Behandlung richtet sich nach den in der Sachkostenliste des versicherten Tarifes genannten Leistungsinhalten und Höchstpreisen, soweit nichts anderes vereinbart ist."
- 3
- Derzweiseitigen-au sdrücklich auch für den Tarif "ECO 2500" gültigen - Sachkostenliste, die fortlaufend nummeriert einzelne Leistungsinhalte mit Preisobergrenzen benennt, sind u.a. folgende "Informationen zur Sachkostenliste" vorangestellt: "1. Die Liste bezeichnet abschließend die Leistungen, die von einem Zahnarzt/einer Zahnärztin oder einem zahntechnischen Labor als Sachkosten gemäß § 9 GOZ erbracht werden und im Rahmen des Versicherungsschutzes erstattungsfähig sind. 2. … Leistungen, die nicht in dieser Liste enthalten sind oder Preise, soweit sie über den genannten liegen, sind nicht Gegenstand des Versicherungsschutzes. …"
- 4
- 2002 unterzog sich der Kläger einer zahnärztlichen Behandlung, für die ihm insgesamt 12.235,46 € in Rechnung gestellt wurden, davon 6.572,22 € Laborkosten. Unter Hinweis auf die Geltung der Sachkostenliste verweigerte die Beklagte die Regulierung des Laboranteils in Höhe von 2.726,85 €.
- 5
- Das Amtsgericht hat die auf diesen Betrag gerichtete Zahlungsklage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht , dessen Entscheidung in RuS 2005, 208 veröffentlicht ist, den Ver- sicherer antragsgemäß verurteilt. Mit seiner Revision erstrebt dieser die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- 6
- Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage.
- 7
- Das I. Berufungsgericht hält die Sachkostenliste gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB für intransparent. Sie beruhe auf der sog. BEL-Liste (Bundeseinheitliches Verzeichnis zahntechnischer Leistungen nach § 88 SGB V), auf deren Grundlage nach seiner ständigen Rechtsprechung nicht abgerechnet werden dürfe. Die Üblichkeit erstattungsfähiger Preise an den Maßstäben der BEL-Liste auszurichten, verkenne die Unterschiede zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Die mit der Sachkostenliste verbundenen erheblichen Erstattungskürzungen würden dem Versicherungsnehmer nicht deutlich. Vielmehr suggeriere ihm Nr. 1 der "Informationen zur Sachkostenliste", dass es sich bei den Beträgen der Sachkostenliste um die tatsächlichen Ansätze der Labore handele. Dass diese in Wirklichkeit höher sein könnten und insoweit nicht erstattungsfähig seien, bleibe unklar.
- 8
- II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung bereits im Ansatz nicht stand.
- 9
- 1. Das Berufungsgericht verstellt sich durch seinen sogleich vorgenommenen vergleichenden Rückgriff auf die BEL-Liste den Blick auf die im konkreten Fall maßgeblichen Rechtsgrundlagen des zu gewährenden Versicherungsschutzes. Dieser ergibt sich allein aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag, den Allgemeinen Versicherungsbedingungen und den diese ergänzenden Tarifen und Tarifbedingungen (vgl. BGHZ 154, 154, 166; Senatsurteil vom 19. Mai 2004 - IV ZR 29/03 - VersR 2004, 1035 unter II 1). Zwar ist das für die Krankenversicherung des Klägers geltende Bedingungswerk nur rudimentär zu den Akten gereicht worden. Gleichwohl ist dem Senat eine abschließende Entscheidung über die Berechtigung des vom Kläger erhobenen Erstattungsanspruchs auf der insoweit unstreitigen Vertragsgrundlage möglich. Diese enthält keinen Anhalt dafür, dass die BELListe auf den vereinbarten Leistungsumfang in irgendeiner Weise Einfluss nehmen könnte. Auch wenn diese Liste möglicherweise als Vorbild für die Sachkostenliste der Beklagten gedient haben oder deren Einführung durch die Abschaffung der BEL-Liste zum 1. Januar 1998 motiviert gewesen sein sollte, ist die über den gewählten Tarif geltende Sachkostenliste allein für die Erstattungsfähigkeit zahnärztlicher Sachkosten maßgeblich.
- 10
- 2. Zutreffend geht das BG allerdings davon aus, dass Nr. 10b (1) TB zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen zählt, da sie - unabhängig von ihrer Bezeichnung im Einzelfall - eine Bestimmung mit Regelungscharakter ist, die einer Vielzahl von Versicherungsverträgen ohne Rücksicht auf individuelle Verschiedenheiten der einzelnen Wagnisse zugrunde gelegt wird (vgl. Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. Vorbem. I Rdn. 13, 13b). Das gilt gleichermaßen für die Sachkostenliste.
Auch sie hat insofern Regelungsgehalt, als sie unmittelbar die Erstattungsfähigkeit einzelner Rechnungsposten festlegt. Ob dies in gleicher Weise für die vorangestellten "Informationen zur Sachkostenliste" gilt, die den Regelungsgehalt des Nr. 10b (1) TB nur erläutern, kann dagegen dahinstehen. Die "Informationen" bestimmen jedenfalls nachhaltig das Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers vom Inhalt der Allgemeinen Versicherungsbedingungen, auf dessen Sicht es bei der Auslegung allein ankommt (BGHZ 84, 268, 272; 123, 83, 85 und ständig).
- 11
- Vor 3. diesem Hintergrund begegnet die von der Beklagten gewählte Vertragskonstruktion, wonach die erstattungsfähigen zahnärztlichen Sachkosten ihrer Art nach abschließend und ihrer Höhe nach begrenzt in einer Art Anhang zu dem jeweils gewählten Tarif aufgelistet werden, keinen rechtlichen Bedenken (vgl. zur Zulässigkeit von Verweisungen in AGB auf Anlagen BGH, Urteil vom 1. Februar 1996 - I ZR 44/94 - NJW 1996, 2374 unter II 2 a). Der Senat kann die Allgemeinen Versicherungsbedingungen selbständig auslegen, da deren unterschiedliche Auslegung durch verschiedene Berufungsgerichte denkbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04 - zur Veröffentlichung in BGHZ 163, 321 bestimmt).
- 12
- Insbesondere a) liegt der vom Berufungsgericht angenommene Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht vor. § 10b (1) TB lässt den durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer den ihm mit der Sachkostenliste versprochenen Sachkostenersatz einschließlich der damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen klar und durchschaubar erken- nen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2005 - IV ZR 25/04 - VersR 2005, 976 unter 1 c aa und bb; BGHZ 141, 137, 143). Sowohl die Geltung der Sachkostenliste an sich als auch die mit ihr verbundenen Beschränkungen bei Art und Höhe erstattungsfähiger Sachkosten werden mit wenigen und leicht verständlichen Worten vermittelt. Danach weiß der Versicherungsnehmer , dass ihm von den Zahnbehandlungskosten ohnehin uneingeschränkt 90% erstattet werden. Die TB 10 betrifft lediglich den Teilbereich der Sachkosten. Sie will - für den Versicherungsnehmer wiederum deutlich auszumachen - eine Begrenzung durch Einführung von Höchstpreisen herbeiführen. Das setzt die Anknüpfung an bestimmte Sachkosten voraus, die in der Liste dann im Einzelnen abschließend aufgeführt werden. Dieses Verständnis wird durch Nr. 2 der "Informationen zur Sachkostenliste" zusätzlich verstärkt, wonach "... Leistungen, die nicht in dieser Liste enthalten sind oder Preise, soweit sie über den genannten liegen, ... nicht Gegenstand des Versicherungsschutzes“ sind. Eine weitergehende Unterrichtung kann und braucht aus Transparenzgesichtspunkten nicht geleistet zu werden. Will der Versicherungsnehmer vor Vertragsschluss ermessen, wie sich diese Begrenzung bei möglichen prothetischen Versorgungsmaßnahmen im Einzelnen auswirken können, liegt es zwar bei ihm, sich vorher sachkundig zu machen. Von dem generellen Umfang des angebotenen Versicherungsschutzes einschließlich seiner Grenzen kann er sich aber - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - ein realistisches Bild machen.
- 13
- steht Dem die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang herangezogene Nr. 1 der "Informationen" mit ihrem erläuternden Hinweis auf die gemäß § 9 GOZ zu erbringenden Leistungen nicht entgegen. Hieraus wird ein verständiger Versicherungsnehmer auch ohne rechtli- che Vorbildung nicht schließen können, dass die in der Sachkostenliste enthaltenen Ansätze mit den tatsächlichen Ansätzen der Labors identisch sind. Nr. 1 der "Informationen" spricht nicht von einer Erstattungsfähigkeit im Rahmen des § 9 GOZ, sondern unmissverständlich von Erstattungsfähigkeit "im Rahmen des Versicherungsschutzes". Diese Erstattungsfähigkeit muss mit erbrachten Leistungen nach § 9 GOZ zusammentreffen.
- 14
- b) Auch im Übrigen begegnet die Vereinbarung der Sachkostenliste keinen rechtlichen Bedenken.
- 15
- Ein (1) Verstoß gegen das Überraschungsverbot des § 305c Abs. 1 BGB liegt nicht vor. Ein Versicherungsnehmer wird in Anbetracht des durch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen grundsätzlich weit gesteckten Leistungsrahmens der Krankheitskostenversicherung davon ausgehen, dass das allgemeine Leistungsversprechen näherer Ausgestaltung bedarf, die auch Einschränkungen nicht ausschließt (vgl. Senatsurteil vom 19. Mai 2004 - IV ZR 29/03 - VersR 2004, 1035 unter II 3 a). Darauf wird der Versicherungsnehmer mit Nr. 10b (1) TB, der die Bedeutung der Sachkostenliste des jeweiligen Tarifs für die konkrete Erstattungsfähigkeit ausdrücklich hervorhebt, deutlich hingewiesen.
- 16
- (2) Ebenso wenig weicht die Geltung der Sachkostenliste von wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung ab (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). In diesem Zusammenhang können Regelungen aus dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung, wie etwa insbesondere die BEL-Liste, nicht herangezogen werden. Private Versicherungen sind nach ihren eigenen privatrechtlichen Regelungen und ihrem eige- nen Vertragszweck zu beurteilen. Die Gesetze zur Sozialversicherung geben wegen ihrer Andersartigkeit und ihrer anderen Leistungsvoraussetzungen insoweit keinen tauglichen Maßstab für die Beurteilung, ob der Versicherungsnehmer einer privaten Krankenversicherung unangemessen benachteiligt wird (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2001 - IV ZR 11/00 - VersR 2001, 576 unter 3 b aa m.w.N.). Abgesehen davon geht die Beklagte nach ihrem unbestritten gebliebenen Vortrag mit der Sachkostenliste im Mittel sogar 20% über das Leistungsniveau der entsprechenden sozialversicherungsrechtlichen Regelungen hinaus.
- 17
- (3) Schließlich ist mit der Sachkostenliste keine Vertragszweckgefährdung verbunden (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Eine solche wäre erst dann anzunehmen, wenn mit der Leistungseinschränkung der Vertrag ausgehöhlt werden könnte und er so in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos würde (Senatsurteile vom 29. September 2004 - IV ZR 233/03 - VersR 2004, 1449 unter 2 a (2); vom 19. Mai 2004 aaO unter II 3 b aa). Das ist bei der vorgesehenen bloßen Beteiligung des Versicherungsnehmers an den Sachkosten zahnärztlicher Behandlung nicht der Fall. Im Hinblick auf den auch im Interesse des einzelnen Versicherungsnehmers liegenden Zweck der Sachkostenliste, dem Versicherer eine sichere, vertretbare Prämiengestaltung zu ermöglichen (vgl. Senatsurteil vom 19. Mai 2004 aaO unter II 3 b bb für die eingeschränkte Erstattung von Hilfsmitteln) und so die Prämie niedrig zu halten, werden die Belange des Versicherungsnehmers hinreichend berücksichtigt.
- 18
- III. Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, ist der Senat zu einer eigenen, klageabweisenden Sachentscheidung berufen (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
AG Köln, Entscheidung vom 30.03.2004 - 146 C 185/03 -
LG Köln, Entscheidung vom 29.09.2004 - 23 S 42/04 -
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
Tenor
-
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 23. Januar 2014 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
-
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
-
Die Kläger, welche als qualifizierte Einrichtungen im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 UKlaG, § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG eingetragen sind, verlangen von der Beklagten die Unterlassung der Verwendung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen so genannter Riester-Rentenversicherungen (Versicherungsverträge nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz, AltZertG), und zwar von zwei Teilklauseln zur Regelung der Überschussbeteiligung von Versicherungsnehmern. Zudem beantragen sie den Ersatz vorgerichtlich entstandener Abmahnkosten.
- 2
-
Die Beklagte, ein Versicherungsunternehmen, bietet unter anderem auch Riester-Rentenversicherungsverträge an. Versicherungsinteressenten erhalten zum Abschluss solcher Verträge das Antragsformular, das Produktinformationsblatt, die Versicherungsinformationen sowie die Versicherungsbedingungen. Die darin mit einem Pfeil (→) versehenen Begriffe werden am Ende der Bedingungen (im Folgenden: AVB) näher definiert.
- 3
-
Zur Überschussbeteiligung sehen die den Versicherungsnehmern überlassenen AVB in Teil A unter anderem folgende Regelungen vor (wobei die mit den Klageanträgen konkret beanstandeten Passagen nachfolgend kursiv gedruckt sind):
-
"2.1 Was sind die rechtlichen Grundlagen der Überschussbeteiligung?
-
Wir beteiligen Sie nach § 153 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) an den Überschüssen und → Bewertungsreserven (Überschussbeteiligung).
-
(1) Beteiligung an den Überschüssen
-
a) Ermittlung der Überschüsse
-
Die Überschüsse werden nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB) ermittelt und jährlich im Rahmen unseres Jahresabschlusses festgestellt.
-
b) Kollektive Mindestbeteiligung der Versicherungsnehmer
-
Die Überschüsse stammen im Wesentlichen aus den Erträgen unserer Kapitalanlagen.
-
Von den Nettoerträgen derjenigen Kapitalanlagen, die für künftige Versicherungsleistungen vorgesehen sind (§ 3 Mindestzuführungsverordnung - MindZV), erhalten die → Versicherungsnehmer insgesamt mindestens den in der jeweils aktuellen Fassung dieser Verordnung genannten Prozentsatz (derzeit 90 Prozent). Aus diesem Betrag werden zunächst die garantierten Versicherungsleistungen finanziert. Der verbleibende Betrag entspricht dem Teil der Überschüsse aus Kapitalanlagen, den wir für die Überschussbeteiligung der → Versicherungsnehmer verwenden.
-
Weitere Überschüsse entstehen dann, wenn sich das Risiko (zum Beispiel durch eine veränderte Zahl der Todesfälle) oder die Kosten (zum Beispiel durch Kosteneinsparungen) günstiger entwickeln als wir bei der ursprünglichen Kalkulation angenommen haben. Auch von diesen Überschüssen erhalten die → Versicherungsnehmer mindestens den in der jeweils aktuellen Fassung der MindZV genannten Prozentsatz (derzeit 75 Prozent des Risikoergebnisses und 50 Prozent des übrigen Ergebnisses).
-
In Ausnahmefällen kann die Mindestbeteiligung der → Versicherungsnehmer mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde gekürzt werden (§ 5 Mindestzuführungsverordnung - MindZV).
-
…
-
d) Bildung von Versicherungsgruppen
-
Die einzelnen Versicherungen tragen unterschiedlich zu den Überschüssen bei. Wir haben deshalb vergleichbare Versicherungen zu Gruppen zusammengefasst:
-
- Überschussgruppen bilden wir beispielsweise, um die Art des versicherten Risikos zu berücksichtigen (etwa das Todesfall- oder Berufsunfähigkeitsrisiko).
-
- Untergruppen erfassen zum Beispiel vertragliche Besonderheiten (etwa den Versicherungsbeginn oder die Form der Beitragszahlung).
-
Die Verteilung der Überschüsse für die → Versicherungsnehmer auf die einzelnen Gruppen orientiert sich daran, in welchem Umfang die Gruppen zu ihrer Entstehung beigetragen haben.
-
Zu welcher Gruppe Ihre Versicherung gehört, können Sie Ihren Versicherungsinformationen entnehmen.
-
e) Veröffentlichung der Überschussanteilsätze
-
Der Vorstand unseres Unternehmens legt auf Vorschlag des → Verantwortlichen Aktuars die Höhe der → Überschussanteilsätze fest. Wir veröffentlichen die → Überschussanteilsätze jährlich in unserem Geschäftsbericht, den Sie jederzeit bei uns anfordern können, oder teilen sie Ihnen auf andere Weise mit.
-
...
-
2.2 Warum kann die Höhe der Überschussbeteiligung nicht garantiert werden?
-
Die Höhe der Überschüsse hängt vor allem von der Zinsentwicklung am Kapitalmarkt, dem Risikoverlauf und der Kostenentwicklung ab. Auch die Höhe der → Bewertungsreserven ist vom Kapitalmarkt abhängig. Daher kann die Höhe der Überschussbeteiligung nicht garantiert werden.
-
2.3 Welche Arten von Überschussanteilen gibt es?
-
(1) Jährliche Überschussanteile
-
In Abhängigkeit von der Zuordnung Ihrer Versicherung zu einer Gruppe (siehe Ziffer 2.1 Absatz 1d)) beteiligen wir den Baustein Altersvorsorge jeweils zu Beginn eines Versicherungsjahres an den erzielten Überschüssen (jährliche Überschussanteile).
-
a) Beteiligung vor Rentenbeginn
-
Der jährliche Überschussanteil vor Rentenbeginn besteht aus einem Zinsüberschussanteil. Hinzukommen kann ein Zusatzüberschussanteil.
-
...
-
2.4 Was sind die Bezugsgrößen der Überschussanteile Ihrer Versicherung?
-
(1) Ermittlung der Bezugsgrößen
-
Die Bezugsgrößen, auf die sich die → Überschussanteilsätze beziehen, hängen vor allem vom Baustein, von Ihrem Alter, von der → Aufschubdauer und der Höhe der Garantierente ab. Sie werden nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik ermittelt.
-
(2) Bezugsgrößen der jährlichen Überschussanteile
-
a) Überschussanteile vor Rentenbeginn
-
Bezugsgröße für den Zinsüberschussanteil und den Zusatzüberschussanteil ist das → Deckungskapital der Versicherung, das wir zum Ende des abgelaufenen Versicherungsjahres berechnen und mit dem → Rechnungszins nach Ziffer 1.5 Absatz 1 um 1 Jahr abzinsen. ..."
- 4
-
Die Versicherungsinformationen weisen unter anderem darauf hin, dass die Versicherung in der Überschussgruppe "EZ" geführt und über die Untergruppe "HVAVMG0112 für den Baustein zur Altersvorsorge" am Überschuss beteiligt wird.
- 5
-
Im Geschäftsbericht der Beklagten für das Jahr 2011 heißt es auf Seite 70:
-
"3. Zusatzüberschussanteil
-
Bei den Überschussgruppen EZ und GZ wird vor Beginn der Rentenzahlung ein jährlicher Überschussanteil (Zusatzüberschussanteil) in Höhe von 0,1% der maßgebenden Größe für den Zinsüberschuss gegeben.
-
Der Zusatzüberschussanteil stellt eine Beteiligung an den Kostenüberschüssen dar.
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Der Zusatzüberschussanteil wird nur bei Versicherungen mit laufender (nicht variabler) Beitragszahlung und:
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- bei den Grundbausteinen: ab einem Garantiekapital bzw. ab einem zur Verrentung zur Verfügung stehenden Garantiekapital von 40.000 €
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…
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gegeben, solange Beiträge gezahlt werden."
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Vorgerichtlich lehnte die Beklagte nach Abmahnung durch die Kläger die Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ab.
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Die Kläger halten die beiden beanstandeten Bedingungen in ihrem Regelungszusammenhang für intransparent. Sie erweckten den Eindruck einer Beteiligung aller Versicherungsnehmer an Kostenüberschüssen, ohne deutlich zu machen, dass - derzeit - Verträge mit einem Garantiekapital von weniger als 40.000 € an Kostenüberschüssen nicht beteiligt würden.
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Die Kläger verlangen mit ihrer Klage, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung von (näher bezeichneten) Ordnungsmitteln zu unterlassen, beim Abschluss von Altersvorsorgeverträgen gemäß § 1 AltZertG ("Riester"-Rentenversicherungen) mit Verbrauchern die vorstehend kursiv gedruckten Klauseln in Nr. 2.1 AVB zu verwenden oder sich auf diese bei der Abwicklung von ab dem 1. Januar 2008 abgeschlossenen Verträgen zu berufen. Weiter haben die Kläger beantragt, die Beklagte zur Zahlung vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.951,03 € nebst Zinsen zu verurteilen.
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Die Beklagte hält die beanstandeten Klauseln für wirksam. Sie entsprächen einem verursachungsorientierten Verfahren im Sinne von § 153 Abs. 2 VVG. Eine Benachteiligung gerade älterer, ärmerer oder kinderreicher Versicherungsnehmer oder ein Verstoß gegen § 153 Abs. 1 letzter Halbsatz VVG gehe damit nicht einher. Ohnehin seien die angegriffenen Klauseln einer Kontrolle entzogen, da sie lediglich den Gesetzestext wiederholten und keinen eigenständigen Regelungsgehalt hätten. Überdies habe der Zusatzüberschussanteil 2012 bei Riester-Rentenversicherungen mit einem Garantiekapital ab 40.000 € bei lediglich 0,1% des Deckungskapitals gelegen. Da die Versicherungsnehmer in unterschiedlichem Ausmaß zur Entstehung der Kostenüberschüsse beitrügen, müssten diese abhängig vom Verursachungsbeitrag des jeweiligen Versicherungsnehmers verteilt werden. Die zweite beanstandete Textstelle erwecke nicht den Eindruck des Versprechens, alle Versicherungsnehmer erhielten mindestens 50% der zuvor genannten Kostenüberschüsse. Nr. 2.1 (1) b AVB entspreche den Vorgaben aus § 81c Abs. 1 VAG und § 4 Abs. 5 MindZV. Darüber, dass eine Kostenüberschussbeteiligung bei Riester-Rentenversicherungen ein bestimmtes Vertragsvolumen (d.h. ein bestimmtes Garantiekapital) voraussetze, müsse der Versicherer nicht informieren. Der maßgebliche Grenzbetrag könne sich jedes Jahr verändern. Solche unbekannten zukünftigen Entwicklungen der Wertgrenzen könnten in den Versicherungsbedingungen nicht berücksichtigt werden.
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Das Landgericht hat dem Hauptantrag der Kläger im Wesentlichen (Einsetzen des Verbots allerdings erst für ab dem 12. April 2008 - statt 1. Januar 2008 - abgeschlossene Verträge) stattgegeben und die Beklagte weiter verurteilt, den Klägern vorprozessuale Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 577,85 € zu erstatten. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebt diese weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
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Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
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I. Das Berufungsgericht hat - soweit in der Revision noch von Interesse - ausgeführt, die beanstandeten Klauselteile unterlägen der gerichtlichen Inhaltskontrolle, denn eine so genannte deklaratorische Klausel sei nicht nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Transparenzkontrolle entzogen, wenn sie den Wortlaut eines Gesetzes wiedergebe, das - wie hier § 153 VVG - der Ergänzung bedürfe.
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Die beanstandeten Klauseln seien intransparent und damit unwirksam. Sie weckten die Erwartung des Versicherungsnehmers, er werde an den Überschüssen im Ergebnis beteiligt und es sei lediglich der Grad der Beteiligung in § 153 VVG geregelt. In dieser Erwartung bestätige den Versicherungsnehmer auch, dass Nr. 2.1 (1) b) AVB von einer kollektiven Mindestbeteiligung spreche, dass der Versicherungsnehmer einem Kollektiv zugehöre und diesem die Mindestbeteiligung zugeschrieben werde.
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Die in Nr. 2.1 (1) d) AVB geregelte Bildung von Versicherungsgruppen verdeutliche dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ebenso wenig, dass gewisse Vertragskategorien aus der Kostenüberschussbeteiligung der Riester-Rentenverträge gänzlich herausfielen, wie die Aussage, dass die Höhe der Überschussanteile abhängig sei vom gewählten Baustein, dem Alter des Kunden, der Aufschubdauer und der Höhe der Garantierente. Selbst wenn § 153 Abs. 2 VVG eine benachteiligende Ausgrenzung bestimmter Verträge zulasse, werde - dies begründe den Vorwurf der Verletzung des Transparenzgebotes - der Versicherungsnehmer darauf nicht hingewiesen. Ein sinngemäßer Hinweis darauf, dass Kleinsparer von der Überschussbeteiligung ausgeschlossen sein könnten, sei der Beklagten auch in zumutbarer Weise möglich.
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Dass sich die maßgebliche Wertgrenze nach dem Vortrag der Beklagten jährlich verschieben und auch einmal gänzlich entfallen könne und dass den betroffenen Versicherungsnehmern wirtschaftlich kein großer Nachteil entstehe, ändere nichts an der Verpflichtung der Beklagten, dem Versicherungsnehmer das Nachteilrisiko aufzuzeigen. Stehe nicht ein völlig zu vernachlässigender Nachteil im Raum, wolle und müsse jeder Vertragsinteressent über den Nachteil informiert werden, um eine selbstbestimmte Anlageentscheidung treffen zu können.
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Abmahnkosten habe die Beklagte gemäß §§ 5 UKlaG, 12 Abs. 1 Satz 2 UWG zu erstatten, wobei die Inanspruchnahme externer anwaltlicher Beratung hier gerechtfertigt gewesen sei.
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II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
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1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht die beanstandeten Klauseln für kontrollfähig erachtet und nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB auf ihre Transparenz untersucht hat.
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a) Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur dann einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2, §§ 308 und 309 BGB zu unterziehen, wenn sie von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen. Danach sind so genannte deklaratorische Klauseln, die Rechtsvorschriften nur wiedergeben und in jeder Hinsicht mit ihnen übereinstimmen, der Inhaltskontrolle entzogen. Bei solchen Klauseln verbietet sich eine Inhaltskontrolle schon wegen der Bindung des Richters an das Gesetz; sie liefe auch leer, weil an die Stelle der unwirksamen Klausel gemäß § 306 Abs. 2 BGB doch wieder die inhaltsgleiche gesetzliche Bestimmung träte (Senatsurteil vom 9. Mai 2001 - IV ZR 138/99, BGHZ 147, 373 unter I 2 b zu § 8 AGBG m.w.N.). Allerdings ist die bloße Wiedergabe einer gesetzlichen Regelung in Allgemeinen Versicherungsbedingungen in den Fällen jedenfalls auf ihre Transparenz zu prüfen, in denen über die gesetzliche Regelung hinaus ein nicht zu übergehendes Bedürfnis des Versicherungsnehmers nach weiterer Unterrichtung besteht (Senatsurteil vom 9. Mai 2001 - IV ZR 138/99 aaO). Ergänzt eine Klausel Rechtsvorschriften oder füllt sie diese aus, indem sie entweder vom Gesetz eröffnete Spielräume ausfüllt oder sich die zitierte Vorschrift als von vornherein ausfüllungsbedürftig erweist, kann kontrolliert werden, ob und wie der Verwender das Gesetz ergänzt hat (Senatsurteil vom 9. Mai 2001 aaO). Dies gilt insbesondere, wenn das Gesetz nur einen Rahmen vorgibt (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2002 - X ZR 243/01, NJW 2003, 507 unter II 2 a).
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b) So liegt der Fall hier. Zwar entspricht die erste von den Klägern beanstandete Klausel
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"Wir beteiligen Sie nach § 153 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) an den Überschüssen …."
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inhaltlich der Regelung in § 153 Abs. 1 Halbsatz 1 VVG, diese gesetzliche Regelung ist aber - wie sowohl aus dem 2. Halbsatz des § 153 Abs. 1 VVG als auch aus Abs. 2 der Vorschrift deutlich wird - in mehrfacher Hinsicht ausfüllungsbedürftig, weil es den Vertragsparteien überlassen bleibt zu entscheiden, ob - wie hier nicht - die Überschussbeteiligung durch ausdrückliche Vereinbarung ausgeschlossen werden oder wie - anderenfalls - die Verteilung im Einzelnen erfolgen soll. Die Bedingungen der Beklagten füllen diesen vom Gesetz eröffneten, letztgenannten Spielraum aus, weshalb das Berufungsgericht zu Recht geprüft hat, ob dies mit der gebotenen Transparenz geschehen ist.
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Dagegen wendet die Revision zu Unrecht ein, dass sich der Bedarf zur Ausfüllung nicht aus dem allein sinngemäß wiedergegebenen § 153 Abs. 1 VVG, sondern erst aus anderen, mit dieser Regelung in Sachzusammenhang stehenden gesetzlichen Vorschriften (hier vor allem § 153 Abs. 2 VVG) ergebe. Gerade in der insoweit verkürzten Wiedergabe der gesetzlichen Gesamtregelung zeigt sich, dass diese nicht in jeder Hinsicht vollständig übernommen ist. Darin kann ein Transparenzmangel begründet sein, den zu untersuchen das Gericht berufen ist.
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Für die zweite von den Klägern beanstandete Klausel
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"Auch von diesen Überschüssen erhalten die … Versicherungsnehmer mindestens den in der jeweils aktuellen Fassung der MindZV genannten Prozentsatz (derzeit … 50 Prozent …)."
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gilt nichts anderes. Auch hier beschränken sich die Bedingungen der Beklagten nicht darauf, Bestimmungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und der Mindestzuführungsverordnung (MindZV) ohne eigenen Regelungsgehalt wiederzugeben, sondern füllen den vom Gesetz und von der Verordnung eröffneten Spielraum insoweit aus, als ergänzende Regelungen zur konkreten Verteilung der Kostenüberschüsse getroffen werden.
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c) Entgegen der Auffassung der Revision kann ein - die Klauselkontrolle rechtfertigendes - nicht zu übergehendes Bedürfnis des Versicherungsnehmers nach weiterer Unterrichtung (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2001 aaO) nicht mit der quantitativen Erwägung verneint werden, dass der Zusatzüberschussanteil regelmäßig nur circa 0,1% des Deckungskapitals betrage und die Beklagte beispielsweise im Jahre 2012 für Kostenüberschussbeteiligungen lediglich 300.000 € für sämtliche betroffenen Versicherungsverträge aufgewendet habe, was - bei einer Verteilung auf alle Verträge - 60 Cent pro Vertrag bedeutet hätte. Vielmehr hat der Versicherungsinteressent vor Abschluss des Versicherungsvertrages grundsätzlich ein anerkennenswertes Interesse daran, auch über solche Umstände unterrichtet zu werden, die es ihm ermöglichen, eine in den Bedingungen gegebene Leistungszusage einzuordnen. Nur dann wird er in die Lage versetzt, seine Anlageentscheidung selbstbestimmt zu treffen. Stand der diesbezügliche Vortrag der Beklagten mithin einer Transparenzkontrolle nicht entgegen, so stellt es - anders als die Revision meint - auch keine entscheidungserhebliche Verletzung des Rechts der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) dar, dass sich das Berufungsgericht damit nicht weitergehend befasst hat.
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2. Das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verlangt vom Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, dass die Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar dargestellt sind und die Klauseln darüber hinaus die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (Senatsurteile vom 11. Juli 2012 - IV ZR 164/11, r+s 2013, 297 Rn. 40; vom 26. September 2007 - IV ZR 252/06, VersR 2007, 1690 Rn. 16; vom 23. Februar 2005 - IV ZR 273/03, BGHZ 162, 210; vom 8. Oktober 1997 - IV ZR 220/96, BGHZ 136, 394, 401). Eine Regelung hält deshalb einer Transparenzkontrolle auch dann nicht stand, wenn sie an verschiedenen Stellen in den Bedingungen niedergelegt ist, die nur schwer miteinander in Zusammenhang zu bringen sind, oder wenn der Regelungsgehalt auf andere Weise durch die Verteilung auf mehrere Stellen verdunkelt wird (Senatsurteil vom 11. Juli 2012 aaO m.w.N.).
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a) Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Berufungsgericht angenommen, die beanstandeten Klauseln genügten diesen Anforderungen nicht, weil sie bei dem Versicherungsinteressenten die Erwartung weckten, in jedem Falle an den Kostenüberschüssen beteiligt zu werden, wobei allein die Frage der Höhe der Beteiligung näherer Prüfung bedürfe, während ihm entgegen der insoweit scheinbar uneingeschränkten Zusage nicht ausreichend verdeutlicht werde, dass Rentenversicherungsverträge, deren Garantiekapital ein von der Beklagten in ihrem Geschäftsbericht festzusetzendes Volumen (derzeit 40.000 €) unterschreite, von der Beteiligung an Kostenüberschüssen von vornherein ausgeschlossen seien. Einen so weitgehenden und grundsätzlichen Ausschluss kann der durchschnittliche Vertragsinteressent, auf dessen Sicht es insoweit maßgeblich ankommt, weder der in Nr. 2.1 (1) b AVB getroffenen Regelung über eine kollektive Mindestbeteiligung noch der in Nr. 2.1 (1) d) AVB geregelten Bildung von Versicherungsgruppen entnehmen, denn auch die Aussage,
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"… Die Verteilung der Überschüsse für die … Versicherungsnehmer auf die einzelnen Gruppen orientiert sich daran, in welchem Umfang die Gruppen zu ihrer Entstehung beigetragen haben. …"
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gibt keinen hinreichenden Hinweis darauf, dass damit Verträge mit geringem Garantiekapital, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts unstreitig 30 bis 50% des Riester-Rentenversicherungsverträge-Bestandes der Beklagten ausmachen, von der Beteiligung an den Kostenüberschüssen gänzlich ausgeschlossen werden sollen. Die Kläger rügen zu Recht, dass die Bedingungen den durchschnittlichen Versicherungsinteressenten, der seine voraussichtliche Überschussbeteiligung erfahren wolle, erst über eine Kette von komplizierten Verweisungen bis zum Geschäftsbericht der Beklagten führen, wo an nicht hervorgehobener Stelle zu erfahren sei, dass der für die Kostenüberschussbeteiligung maßgebliche Zusatzüberschussanteil nur bei Versicherungen mit laufender Beitragszahlung und - bei so genannten Grundbausteinen - bestimmten Garantiekapitalgrenzen gewährt werde.
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b) Zu Unrecht beanstandet die Revision, das Berufungsgericht sei einem Missverständnis des Regelungskonzepts der Beklagten erlegen, weil es aus dem Blick verloren habe, dass die von ihm vermisste Überschussbeteiligung nur den kleinsten Teil der Überschüsse, nämlich diejenigen aus dem Kostenergebnis, betreffe. Der Begründung des Berufungsurteils ist vielmehr durchgängig zu entnehmen, dass das Berufungsgericht lediglich daran Anstoß genommen hat, die Bedingungen machten nicht deutlich, dass Verträge mit geringer Garantiesumme von der Verteilung der Kostenüberschüsse ausgenommen sind.
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c) Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht deshalb als fehlerhaft, weil das Berufungsgericht ausgeführt hat, das Verteilungsverfahren der Beklagten schließe Versicherungsnehmer von Überschüssen aus, obwohl deren Verträge zur Entstehung dieser Überschüsse beigetragen hätten. Die Revision verweist darauf, dass die Beklagte insoweit ein verursachungsorientiertes Verteilungsverfahren praktiziere, dessen "Unschärfe" eine hinzunehmende Konsequenz der gesetzlichen Regelung in § 153 Abs. 2 VVG sei, weil dort aus Gründen der Praktikabilität kein verursachungsgerechtes, sondern nur ein verursachungsorientiertes Verteilungsverfahren gefordert werde. Das Kostensystem der Beklagten sehe im Übrigen einen relativ geringen "Stückkostenbetrag" von lediglich 15 € pro Jahr vor, weshalb bei geringvolumigen Verträgen naturgemäß keine nennenswerten Kostenüberschüsse zu erwirtschaften seien.
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Darum geht es hier aber nicht, denn losgelöst von der Frage, ob das Verteilungssystem der Beklagten sachgerecht ist und inhaltlich den gesetzlichen Vorgaben entspricht, hat das Berufungsgericht, das den Verteilungsmodus der Beklagten im Ergebnis nicht beanstandet, lediglich zutreffend dargelegt, dass die von den Klägern angegriffenen Klauseln beim durchschnittlichen Versicherungsinteressenten die Erwartung erwecken, in jedem Falle immerhin mit einer Mindestbeteiligung auch an den Kostenüberschüssen zu partizipieren, ohne dass die beanstandeten Bedingungen gerade das von der Beklagten beschriebene Kosten- und Verteilungssystem verständlich erläuterten. Das Berufungsgericht sieht die Beklagte zu Recht in der Pflicht, ihren Versicherungsinteressenten das beschriebene Nachteilsrisiko - mag es auch systembedingt zwangsläufig sein und wirtschaftlich nicht schwer wiegen - aufzuzeigen, weil es geeignet ist, deren Anlageentscheidung zu beeinflussen. Weshalb es - wie die Revision meint - neben der Sache liegen soll, von der Beklagten einen Hinweis darauf zu verlangen, dass sie bestimmte Gruppen von Versicherungsnehmern von der Teilhabe an Kostenüberschüssen ausschließt, erschließt sich nicht. Soweit die Revision stattdessen den in den Nr. 2.1 (1) d) AVB gegebenen Hinweis darauf als ausreichend erachtet, dass sich die Verteilung der Überschüsse auf die einzelnen Gruppen von Versicherungsverträgen daran orientiert, in welchem Umfang die jeweiligen Gruppen zu ihrer Entstehung beigetragen haben, verkennt sie, dass der Versicherungsinteressent dieser abstrakten Umschreibung nicht entnehmen kann, dass eine Vielzahl von Versicherungsnehmern mit kleinvolumigen Verträgen zur Entstehung von Kostenüberschüssen gar nichts beitragen und folglich entgegen dem Eingangsversprechen auch keine diesbezügliche Überschussbeteiligung erwarten kann.
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Mayen Felsch Harsdorf-Gebhardt
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Dr. Karczewski Dr. Bußmann
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
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mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.
(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 18. Dezember 2009 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) geschlossene Gesellschaftervereinbarung vom 29. August 2006 – Urkunden-Nr. 428/06 des Notars T‑T1, P (Anlage K 16) – nichtig ist und dass ein Kaufvertrag über die in Ziffer 4.1 der vorgenannten Gesellschaftervereinbarung definierten Optionsanteile durch die am 24. April 2008 von der Beklagten zu 1) erklärte Ausübungserklärung – Urkunden- Nr. G 1097/2008 des Notars Dr. H, N (Anlage K 102) – nicht zustande gekommen ist.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin und der Beklagten zu 1) tragen die Klägerin 2/3 und die Beklagte zu 1) 1/3. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten aller weiteren Beklagten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jeder Partei wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe:
1I.
2Die Klägerin, bei der es sich um ein im Familienbesitz befindliches mittelständisches Bauunternehmen mit Sitz in P handelt, die bis zur Eintragung ihrer formwechselnden Umwandlung Ende des Jahres 2009 als L3 AG firmierte, verfolgt gegenüber den Beklagten Ansprüche, die nach ihrer Auffassung im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung an der X AG im Jahr 2006 entstanden sind. Bei der Zielgesellschaft handelte es sich um ein seinerzeit ebenfalls mittelständisches Bauunternehmen mit Sitz in E, das sowohl überregional als auch international tätig war.
3Aktionäre der X AG waren nach einer im Jahr 2004 durchgeführten Erhöhung des Grundkapitals auf 19.330.000 € die Beklagte zu 1), die Beklagten zu 4) und zu 6) sowie Herr T, die die vinkulierten (Namens‑)Aktien mit einem Nennwert von jeweils 5 € wie folgt hielten:
4Beklagte zu 1): 1.583.000 Aktien (40,95 %)
5Beklagte zu 4): 1.500.000 Aktien (38,80 %)
6Beklagte zu 6): 500.000 Aktien (12,93 %)
7Herr T: 283.000 Aktien ( 7,32 %)
8Mitte des Jahres 2006 kaufte die Klägerin von den Beklagten zu 4) (Anlagen K14+K15) und zu 6) (Anlage K17) sowie von dem Mitte 2007 verstorbenen Herrn T (Anlage K18) sämtliche von diesen an der X AG gehaltene Aktien und erwarb dadurch eine fast 60 %‑ige Beteiligung an dieser Gesellschaft. Mit der noch verbleibenden Minderheitsaktionärin, der Beklagten zu 1), schloss sie eine notariell beurkundete Gesellschaftervereinbarung (Anlage K16), nach deren Inhalt sie – die Klägerin – die unternehmerische Führung bei der X AG erhalten und der Beklagten zu 1) ein Optionsrecht zum Verkauf ihrer Anteile an die Klägerin zu einem bestimmten Preis einräumte. Die Klägerin hat mittlerweile die zugrunde liegenden Verträge angefochten (Anlage K26) und die mit der Beklagten zu 1) geschlossene Gesellschaftervereinbarung zudem hilfsweise außerordentlich gekündigt (Anlage K26). Sie hat dazu behauptet, bei den Abschlüssen der Verträge arglistig getäuscht worden zu sein. Sie macht daher geltend, dass ihr die Veräußerer der Aktien deshalb zur Rückabwicklung der Erwerbsverträge und ebenso wie die übrigen Beklagten, die als deren Vertreter, Erfüllungsgehilfen oder Organpersonen gehandelt hätten, darüber hinaus zum Schadensersatz verpflichtet seien. Des Weiteren begehrt sie die Feststellung der Nichtigkeit der mit der Beklagten zu 1) abgeschlossenen Gesellschaftervereinbarung.
9Bei der Beklagten zu 1) handelt es sich um eine mit Gesellschaftsvertrag vom 10.12.1994 (Anlage K34) gegründete Kommanditgesellschaft, deren persönlich haftende Gesellschafter die Beklagten zu 2) und zu 3) sind (§ 3 Ziffer 1a GV) und deren alleiniger Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist (§ 4 Abs. 1 GV). Einzige Kommanditistin der Beklagten zu 1) mit einer Kommanditeinlage von 250.000 DM (§ 3 Abs. 1b und Abs. 3 GV) ist die C & C1 (im Folgenden: C & C1), bei der es sich um eine Personengesellschaft arabischen Rechts mit Sitz in K/Saudi‑Arabien handelt. § 4 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages der Beklagten zu 1) sieht vor, dass die persönlich haftenden Gesellschafter verpflichtet sind, die Geschäfte der Gesellschaft in Übereinstimmung mit den Gesetzen, dem Gesellschaftsvertrag sowie den Beschlüssen der Gesellschaft zu führen.
10Der Beklagte zu 3) ist mit einem in der Höhe umstrittenen – mindestens aber 4%‑igen – Anteil neben weiteren Mitgliedern der Familie C als Gesellschafter an der C & C1 beteiligt; demgegenüber ist der Beklagte zu 2) weder Gesellschafter noch Geschäftsführer der C & C1, deren Direktoren T B C und B B1 C1 sind. Die C & C1 hält einen Anteil von 51 % an der Saudi X Ltd. (im Folgenden: Saudi X Ltd.), deren weitere Gesellschafterin die X AG mit einem Anteil von 49 % ist.
11Gegenüber der Bank Saudi B‑G gab die X AG am 27.08.2002 (Anlage K82) – wie zuvor schon in den Jahren 1998 und 2000 (Anlagen K80+K81) – eine Erklärung ab, in der es wie folgt heißt:
12„X ist sich bewusst, dass Ihre Bank unserer oben genannten 49‑prozentigen Tochtergesellschaft Bankkredite in einer Höhe von insgesamt SR 42.000.000,00 (…) zur Verfügung gestellt hat, die sich wie folgt aufteilen: (…)
13Es ist unser Verständnis, dass diese Kredite gegenwärtig gültig sind und jährlich überprüft werden.
14Wir möchten anführen, dass es die Politik der X ist, dass ihre oben genannte Tochtergesellschaft den oben beschriebenen Verpflichtungen nachkommt. Andererseits halten wir ihre Bank im Voraus über jegliche Veränderung bezüglich der Eigentümerschaft der oben genannten Tochtergesellschaft auf dem Laufenden, so dass Sie der Saudi X Ltd. bewilligten Kredite dementsprechend überprüfen können.“
15Bei der Beklagten zu 4) handelt es sich um eine Aktiengesellschaft französischen Rechts, die mit 1.500.000 Aktien als Aktionärin an der X AG beteiligt war.
16Der Beklagte zu 5), der Herrn Dr. L im Jahr 2005 im Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden der X AG nachfolgte und auch Mitglied des Stiftungsvorstandes der Beklagten zu 6) ist, ist Testamentsvollstrecker über den Nachlass des am 02.07.2007 verstorbenen Aktionärs T.
17Die Beklagte zu 6) war ebenfalls Aktionärin der X AG und ist zudem testamentarische Alleinerbin des verstorbenen Herrn T.
18Bei der Beklagten zu 7) handelt es sich um die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die bereits in der Vergangenheit und nach zwischenzeitlicher Unterbrechung zuletzt wieder die Abschlüsse der X AG für die Jahre 2004 und 2005 überprüft und testiert hat. Grundlage für die Prüfung des Jahresabschlusses zum 31.12.2005 war der schriftliche Vertrag vom 07.09./27.09.2005, dem die allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfergesellschaften vom 01.01.2002 zugrunde lagen (Anlage S&J6). Die geschäftsführenden Partner der Beklagten zu 7), die Beklagten zu 8) und zu 9), führten die Abschlussprüfungen durch und standen der Klägerin bzw. deren Vertretern am 28.04.2006 in den Räumlichkeiten der X AG zu einem Informationsgespräch zur Verfügung, deren Umstände und Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind.
19Der Beklagte zu 10) war von 1989 bis September 1998 Vorstandsmitglied und seit Juni 2001 Mitglied des Aufsichtsrates der X AG, dem er bis zum 21.12.2006 angehörte. Er war seit September 2004 auch für die Saudi X Ltd. beratend auf der Grundlage einer Vereinbarung vom 14.10.2004 (Anlage K2) tätig.
20Die Beklagten zu 11), zu 12) und zu 13) bildeten den Vorstand der X AG, dessen Vorsitzender der Beklagte zu 11) war. Der Beklagte zu 12) war seit Februar 2002 für den kaufmännischen und der Beklagte zu 13) seit 1999 für den technischen Bereich im Vorstand zuständig. Im Zusammenhang mit der Übernahme der Mehrheit der Geschäftsanteile durch die Klägerin schieden die vorgenannten Vorstandsmitglieder sukzessive bis Ende März 2007 aus dem Unternehmen aus.
21Die Klägerin, die bereits während des Jahres 2004 gegenüber der Beklagten zu 4) Interesse an dem Erwerb der von dieser gehaltenen Aktien an der X AG zeigte, nahm im Dezember 2004 über ihre Vertreter Kontakt mit dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden, Herrn Dr. L, auf und bekundete diesem gegenüber ihr Interesse an einer Mehrheitsbeteiligung an der X AG durch Erwerb der Aktien der Beklagten zu 1) und zu 4). Die anschließend geführte Korrespondenz, wegen deren Einzelheiten auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen wird (S. 4 ff. UA), endete damit, dass die Beklagte zu 1) nicht bereit war, ihre Anteile an die Klägerin zu verkaufen, während die Klägerin mit der Beklagten zu 4), die nach ihrem eigenem Bekunden grundsätzlich Verkaufsbereitschaft zum Nominalwert der Aktien zeigte, ihre Vertragsverhandlungen fortsetzten.
22Mit gleichlautenden Schreiben vom 06.02.2006 (Anlagen K4 + K5 sowie HES2 und HES3) bot die Klägerin schließlich jedenfalls den Beklagten zu 1), zu 6) und Herrn T – die Beklagte zu 4) hat den Erhalt eines solchen Schreibens bestritten – an, ihren Aktienanteil zum anteiligen Nominalwert des Eigenkapitals abzüglich der Unterdeckung der Unterstützungskasse in Höhe von 6.400.000 € zu kaufen, und schlug eine Due Dilligence Prüfung bezüglich der geschäftsentscheidenden Vorgänge in der X AG vor. Eine Durchführung dieser Prüfung erfolgte jedoch nicht, wobei die Gründe für ihr Unterbleiben zwischen den Parteien streitig sind.
23Mit Schreiben vom 27.03.2006 (Anlage K8) teilte die Beklagte zu 7) dem Beklagten zu 10) auszugsweise Folgendes mit:
24„(…) selbstverständlich sind wir gerne bereit, einem potentiellen Kaufinteressenten Auskünfte über die Jahresabschlüsse X 2005 und Vorjahre zu geben, bitten allerdings um Ihr Verständnis, dass hier einige formelle Hürden vorab geklärt werden müssen:
251. Wir benötigen einen Auftrag aller beteiligten Aktionärsgruppen. Entsprechende Auftragsschreiben sind für jeden der Beteiligten beigefügt.
262. Wie Sie wissen, unterliegen wir einer strengen Verschwiegenheitsverpflichtung. Die Entbindung von dieser Verschwiegenheitsverpflichtung kann nur der Vorstand erklären. Dieses ergibt sich einmal aus unseren Auftragsbedingungen (Ziffer 12, Punkt 1), zum anderen entspricht es den berufsrechtlichen Grundsätzen, dass das für die Geschäftsführung befugte Organ die Freistellung erklären muss. (…)“
27(…)
28Wir bitten um Ihr Verständnis, dass wir darauf bestehen müssen, dass die vorgenannten Erklärungen und Unterlagen vor Beginn des ins Auge gefassten Gesprächstermins vorliegen müssen. (…)“
29Im Anschluss daran gaben die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 28.03.2006 (Anlage K9), die Beklagte zu 4) mit Schreiben vom 29.03.2006 (Anlage K10) sowie die Beklagte zu 6) und Herr T mit gemeinsamem Schreiben vom 03.04.2006 (Anlage K11) die Erklärungen ab, die die Beklagte zu 7) nach eigener Äußerung in die Lage versetzten, dem Wirtschaftsprüfer des Kaufinteressenten jegliche Auskünfte zu erteilen, die die Jahresabschlüsse zum 31.12.2005 und der Vorjahre betreffen. Auf die genannten Urkunden wird wegen des genauen Erklärungsinhalts Bezug genommen. Der Inhalt dieser Schreiben wurde der Klägerin seinerzeit nicht offengelegt; sie erlangte davon erst Kenntnis, nachdem sie die Mehrheitsbeteiligung an der X AG erworben hatte.
30Am 28.04.2006 fand mit Billigung des Vorstandes der X AG in den Geschäftsräumen der Beklagten zu 7) eine Besprechung statt. Wegen des der Besprechung unmittelbar vorangegangenen und sich anschließenden Schriftwechsels der Klägerin mit der Beklagten zu 7) und den Aktionären sowie des e-mail-Verkehrs des Zeugen Dr. I mit dem Beklagten zu 8) wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (S. 9‑14 UA).
31Im Verlauf des Gesprächs vom 28.04.2006 wurde den Vertretern der Klägerin auch der – zwischenzeitlich von der Beklagten zu 7) mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk versehene – Jahresabschluss der X AG zum 31.12.2005 (Anlagen K7+K8), dem der Aufsichtsrat tags zuvor ebenfalls zugestimmt hatte (Anlage K71), zur Einsicht vorgelegt. An der Besprechung nahmen für die Klägerin die Herren Dr. L3 und L1 teil, für die von der Klägerin beauftragte und hinzugezogene Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Qaa der Zeuge Dr. I, für die Beklagte zu 7) die Beklagten zu 8) und zu 9), (zeitweise) der Beklagte zu 5) für die X AG in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Aufsichtsrats sowie (ebenfalls zeitweise) der Beklagte zu 10), dessen Funktion bei der Teilnahme an dem Gespräch nach dem Tatbestand der angefochtenen Entscheidung zwischen den Parteien umstritten war. Er selbst hat bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat angegeben, er sei als Mitglied des Aufsichtsrats der X AG zugegen gewesen.
32Nach einer entsprechenden Erklärung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 06.04.2011 ist zwischen den Parteien unstreitig, dass in dem Gespräch am 28.04.2006 weder über das Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage noch über offene Einlageverbindlichkeiten gesprochen worden ist.
33Mit schriftlichem Vertrag vom 30.06.2006 (Anlage K14) veräußerte die Beklagte zu 4) ihre Beteiligung von 1.500.000 Aktien an die Klägerin. Der für die Übertragung der Aktien zunächst vereinbarte Kaufpreis von 7.700.000 € ist mit Änderungsvereinbarung vom 01.09.2006 (Anlage K15) um 200.000 € auf 7.500.000 € reduziert worden. Dessen Bezahlung durch die Klägerin ist am 28.09.2006 erfolgt. Wegen der Einzelheiten der beiden Verträge wird auf den Inhalt der beiden Vertragsurkunden Bezug genommen (Anlagen K14 + K15).
34Am 29.08.2006 schlossen die Klägerin und die Beklagte zu 1), die durch den Beklagten zu 10) vertreten wurde, eine notariell beurkundete „Gesellschaftervereinbarung“ (UR‑Nr. 428/06 des Notars T-T1 in P (Anlage K16)), in deren Präambel es unter lit. (D) wie folgt heißt:
35„Die Anteilsinhaber sind sich einig, dass L3 [die Klägerin] aufgrund ihrer umfassenden Erfahrungen im Baugewerbe einen maßgeblichen Einfluss auf die X AG und dort die unternehmerische Führung mit entsprechenden Freiheiten, abgesichert durch umfassende Weisungsmöglichkeiten gegenüber der Geschäftsführung der benannten Gesellschaft, erlangen soll. Zu diesem Zweck ist geplant, dass die X AG aus der derzeitigen Rechtsform der Aktiengesellschaft in die Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt wird (…). Demgegenüber hat … [die Beklagte zu 1) das Interesse, seine Beteiligung an der Gesellschaft als werthaltig zu erhalten und darüber hinaus den Wert der Beteiligungen noch zu steigern. Die Anteilsinhaber sind sich ferner einig, dass L3 als Ausgleich dafür, dass sie die vorstehend beschriebene vollständige unternehmerische Führung erhält, … [die Beklagte zu 1] ein Optionsrecht im Hinblick auf ihre Anteile an der Gesellschaft gewähren soll sowie gegenüber .. [der Beklagten zu 1] für eine Mindestdividende der Gesellschaft einstehen soll.“
36Die Beklagte zu 1) verpflichtete sich, zu näher bezeichneten Beschlussgegenständen ihr Stimmrecht nach Weisung der Klägerin wahrzunehmen oder sich zu enthalten. Die Klägerin räumte der Beklagten zu 1) ein Optionsrecht zum Verkauf der Gesellschaftsanteile der Beklagten zu 1) ein („Put-Option“) und gab ein unbedingtes und unwiderrufliches Angebot zum Kauf und zur Anteilsübertragung ab. Ziffer 4.3.1 der Vertragsurkunde enthält folgende Regelung:
37„Die Put-Option ist schriftlich per Einschreiben/Rückschein gegenüber L3 auszuüben. Ab dem 1. Januar 2012 kann sie nicht ausgeübt werden, wenn im Hinblick auf die Gesellschaft ein Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren vorliegt.“
38Der Kaufpreis wurde – ausgehend von 1.583.00 Aktien – wie folgt festgelegt (Ziffer 4.6 der Gesellschaftervereinbarung):
39Ausübung der Put-Option im Geschäftsjahr 2007 oder 2008: 7.915.000 €
40Ausübung der Put-Option im Geschäftsjahr 2009 oder 2010: 9.498.000 €
41Ausübung der Put-Option im Geschäftsjahr 2011: 9.893.750 €
42Ausübung der Put-Option ab dem Geschäftsjahr 2012: 7.915.000 €
43Unter anderem heißt es in Ziffer 4.9:
44„Die Festlegung der vorgenannten Kaufpreise basiert auf der Annahme, dass das im Jahresabschluss der Gesellschaft zum 31. Dezember 2005 (nachfolgend „Jahresabschluss“ genannt) ausgewiesene Eigenkapital gemäß § 266 Abs. 3 A. HGB nicht um mehr als 15 % unter dem tatsächlichen Wert des Eigenkapitals zum 31. Dezember 2005 liegt. (…)“
45In Ziffer 4.11 ist Folgendes geregelt:
46„Steht unter Berücksichtigung des in Ziffern 4.9 und 4.10 dargelegten Prozederes fest, dass das tatsächliche Eigenkapital der Gesellschaft zum 31. Dezember 2005 um mehr als 15 % niedriger ist als das in dem Jahresabschluss ausgewiesene Eigenkapital, reduziert sich der Kaufpreis für die Gebundenen Anteile gemäß Ziffer 4.1 jeweils um € 791.500,00 (…), dies entspricht auf die derzeitige Aktienstückelung einer Reduktion von € 0,50 (…) je Aktie. Weitergehende Ansprüche von L3 sind in diesem Zusammenhang ausgeschlossen.“
47Die Klägerin unterwarf sich des Weiteren wegen der Zahlungsverpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung (Ziffer 4.19 der Gesellschaftervereinbarung) in ihr gesamtes Vermögen. Die Beklagte zu 1) garantierte (Ziffer 4.13 der Vereinbarung) „im Sinne eines selbständigen Garantievertrages“ der Klägerin unter anderem, dass sie ihre Einlagen vollständig eingezahlt habe und eine Nachschusspflicht gleichgültig aus welchem Rechtsgrund, auch wegen unzureichender oder verschleierter Sachgründung/Sacheinlage nicht vorliege. Wenn eine oder mehrere der Garantiezusagen der Beklagten zu 1) falsch sein sollten, sollte die Klägerin jeweils nach ihrer Wahl die Herstellung des garantierten Zustandes oder Schadensersatz verlangen können. Soweit die Beklagte zu 1) keine Garantien übernommen hatte, sollte jede Haftung und Gewährleistung, gleich aus welchem Rechtsgrund, soweit gesetzlich zulässig, ausgeschlossen sein.
48Ziffer 6.1 der Vertragsurkunde enthält unter Anderem folgende Regelung:
49„Das Recht zur sofortigen, fristlosen, außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. Ein wichtiger Grund liegt jeweils nur vor, wenn es für den kündigenden Anteilsinhaber auch unter Berücksichtigung der Tatsache seiner Akzeptanz der unter Ziffer (D) der Präambel niedergelegten Zielrichtung dieser Gesellschaftervereinbarung und den sonstigen Regelungen des Vertrages, insbesondere in Ziffer 5., unzumutbar ist, die Gesellschaftervereinbarung bis zur ordnungsgemäßen Kündigung fortzusetzen. Bei Vorliegen der vorstehend benannten Kündigung aus wichtigem Grunde kann diese von der jeweiligen Vertragspartei, die den wichtigen Grund nicht zu vertreten hat, mit sofortiger Wirkung ausgeübt werden, mit der Folge, dass die Verpflichtungen von L3 nach Ziffer 5., die Verpflichtungen von … [der Beklagten zu 1] nach Ziffer 2. und das Optionsrecht von … [der Beklagten zu 1] nach Ziffer 4. jeweils mit Ausübung des Kündigungsrechtes entfallen.“
50Abschließend heißt es in Ziffer 9.11 der Gesellschaftervereinbarung:
51„Sollten einzelne Bestimmungen dieser Gesellschaftervereinbarung ganz oder teilweise unwirksam oder undurchführbar sein oder werden oder die Gesellschaftervereinbarung eine in sich notwendige Regelung nicht enthalten, so wird die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt. Anstelle der unwirksamen oder undurchführbaren Bestimmung oder zur Ausfüllung der Regelungslücke wird diejenige rechtlich zulässige Bestimmung vereinbart werden, die soweit wie möglich dem entspricht, was die Anteilsinhaber gewollt haben oder nach Sinn und Zweck dieser Gesellschaftervereinbarung von den Anteilsinhabern vereinbart worden wäre, wenn sie die Unwirksamkeit oder Undurchführbarkeit der betreffenden Bestimmung bzw. Regelungslücke bedacht hätten. Dies gilt auch dann, wenn die Unwirksamkeit oder Undurchführbarkeit auf einem in dieser Gesellschaftervereinbarung vorgeschriebenen Maß der Leistung oder der Zeit beruht. In diesem Fall tritt ein dem Gewollten möglichst nahe kommendes, rechtlich zulässiges Maß der Leistung oder der Zeit anstelle des in dieser Gesellschaftervereinbarung vorgeschriebenen.“
52Wegen des Inhalts der Vereinbarung wird im Übrigen auf die Kopie der Vertragsurkunde (Anlage K16) verwiesen.
53Mit schriftlichen Verträgen jeweils vom 30.08.2006, auf deren Einzelheiten ebenfalls Bezug genommen wird (Anlagen K17 und K18), veräußerten die Beklagte zu 6) und Herr T die von ihnen gehaltenen 500.000 und 283.000 Aktien der X AG zu Kaufpreisen von 2.400.000 € und 1.903.000 € an die Klägerin. Die Bezahlung dieser Kaufpreise durch die Klägerin erfolgte – was die Beklagte zu 4) bestritten hat – am 09.10.2006.
54Im Hinblick auf die in Ziffer 4.9 der Gesellschaftervereinbarung vom 29.08.2006 ausbedungene Eigenkapitalgarantie beauftragte die Klägerin anschließend die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Qaa mit der Überprüfung des von der Beklagten zu 7) geprüften und am 31.03.2006 mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerks versehenen Jahresabschlusses zum 31.12.2005. Mit schriftlichem Vermerk vom 07.12.2006 (Anlage K21) berichtete die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft der Klägerin, dass ihre Überprüfung zu dem Ergebnis gekommen sei, dass das in Höhe von 25.272.000 € ausgewiesene Eigenkapital der X AG um 17.592.000 € zu reduzieren sei. Die Saudi X Ltd. sei wirtschaftlich überschuldet und habe ihre aktive Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer eingestellt; die im Zusammenhang mit dieser Auslandsgesellschaft bilanzierten Vermögensgegenstände seien nicht werthaltig, da auch insoweit das Eigenkapital zu hoch ausgewiesen sei; zudem sei der Jahresabschluss hinsichtlich der Verpflichtungen der X AG aus einer gegenüber der Bank Saudi B G abgegebenen Patronatserklärung unvollständig.
55Nachdem der Aufsichtsrat der X AG Herrn Dr. L3 am 12.10.2006 (Anlage K19) zum einzelvertretungsberechtigten Vorstand der X AG bestellt hatte, beschlossen die Klägerin und der Beklagte zu 1) in der Hauptversammlung vom 05.12.2006 (Anlage K20) die formwechselnde Umwandlung der X AG in eine GmbH, an der die Klägerin mit einem Geschäftsanteil im Nennbetrag von 11.415.000 € und die Beklagte zu 1) mit einem Geschäftsanteil im Nennbetrag von 7.915.000 € beteiligt waren.
56In der Folgezeit nahm die Klägerin bei der X GmbH zahlreiche Umstrukturierungen vor. Ihre Geschäftsführer haben am 03.04.2007 (Anlage K25) wegen Überschuldung und drohender Zahlungsunfähigkeit Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen gestellt. Mit Beschluss vom 01.06.2007 hat das Amtsgericht E das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt Dr. B1 zum Insolvenzverwalter bestellt.
57Mit Schreiben vom 12.04.2007 (Anlage K26) – die Datierung 12.03.2007 ist unstreitig fehlerhaft – an die Beklagte zu 1), vom 21.09.2007 an die Beklagten zu 4) und zu 6) (Anlage K26) und ebenfalls vom 21.09.2007 (Anlage K26) gerichtet an – den bereits am 02.07.2007 verstorbenen – Herrn T hat die Klägerin die Anfechtung der abgeschlossenen Verträge und im Fall der Beklagten zu 1) zudem hilfsweise die außerordentliche Kündigung der Gesellschaftervereinbarung unter Bezugnahme auf dessen Ziffer 6.1 erklärt. Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt, dass der Jahresabschluss zum 31.12.2005 manipuliert worden sei und die Beklagten zu 8) und zu 9) Bilanzmanipulationen am 28.04.2006 bewusst verschwiegen hätten. Das Eigenkapital habe zum Stichtag nicht 25.300.000 € betragen, sondern sei bereits negativ gewesen. Hinzu komme, dass die Beklagten zu 8) und zu 9) aktiv an der Gestaltung einer verdeckten Sacheinlage mitgewirkt hätten.
58Die Beklagte zu 1) hat – vertreten durch den Beklagten zu 2) – mit notariell beurkundeter Erklärung vom 24.04.2008 (Anlage K102 – Bl. 344/II d.A.) von ihrem vertraglich eingeräumten Optionsrecht Gebrauch gemacht und die Klägerin mit Schreiben vom 21.07.2008 (Bl. 1238 ff./V d.A.) zur Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 7.123.500 € (= 7.915.000 € abzüglich von 10 %) sowie der Mindestdividende in Höhe von 356.175 € aufgefordert. Die Beklagte zu 1) hat zwischenzeitlich die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 29.08.2006 betrieben. Dagegen hat sich die Klägerin mit der Vollstreckungsabwehrklage gewendet, die inzwischen durch das Landgericht an das Landgericht P verwiesen worden ist.
59Die Klägerin hat behauptet, in dem Gespräch am 28.04.2006 über die wirtschaftliche Lage der X AG getäuscht worden zu sein. Dort habe zunächst der Beklagte zu 10) wahrheitswidrig erklärt, dass die im Jahresabschluss erfolgte Abschreibung der Saudi X Ltd. das Ergebnis einer schlechten Geschäftsentwicklung sei, da ein Bauvorhaben wegen der Zahlungsverweigerung eines Kunden schlecht laufe; im Übrigen habe er die Aussichten aber als positiv beschrieben. Tatsächlich sei die Saudi X Ltd. überschuldet und zahlungsfähig gewesen. Darüber hinaus habe der Beklagte zu 10) auf ausdrückliche Nachfrage und von den übrigen an dem Gespräch beteiligten Personen unwidersprochen erklärt, dass es keine Patronatserklärungen oder Haftungszusagen durch die X AG gegenüber der Saudi X Ltd. gebe. In dem Gespräch hätten die für die Beklagte zu 7) auftretenden Beklagten zu 8) und zu 9) auf Nachfrage im Einzelnen unrichtige Angaben über den Inhalt des Prüfberichts über den Jahresabschluss zum 31.12.2005 gemacht. Gleichermaßen sei die wirtschaftliche Lage der X AG in dem Jahresabschluss durch die Beklagten zu 11), 12) und zu 13) selbst unrichtig wiedergegeben und über das Ergebnis der Prüfung durch die Beklagten zu 8) und zu 9) im Prüfbericht unrichtig berichtet worden. Die Klägerin hat insoweit behauptet, dass nicht nur in Kenntnis, sondern auf Geheiß durch die Beklagten zu 11), 12) und 13) eine Manipulation des Jahresabschlusses stattgefunden habe, die auch den Beklagten zu 8) und zu 9) nicht verborgen geblieben sein könne. So seien Vorräte insgesamt in den Leistungsmeldungen durch Erhöhung der Leistungswerte und Herabsetzung der Nachunternehmerkosten geschönt worden, was sich beispielhaft an fünf im Einzelnen näher dargestellten Bauvorhaben zeige. Darüber hinaus seien auch einzelne Forderungen fehlerhaft bewertet worden. Zudem seien auch Verbindlichkeiten aus Garantien und Sicherheitseinbehalten zu Unrecht als verjährt ausgebucht und nicht als periodenfremde Erträge ausgewiesen worden. Ferner sei die Bildung von Rückstellungen für Drohverluste aus einer Mietgarantie für ein Objekt in N unterblieben. Schließlich lasse der Jahresabschluss zum 31.12.2005 nicht erkennen, dass die von der Beklagten zu 1) nach der Kapitalerhöhung übernommene Einlage in Höhe von rund 2,2 Mio. € verdeckt als Sacheinlage erbracht worden sei. Sowohl die Beklagten zu 11), 12) und 13) als auch die Beklagten zu 8) und zu 9) hätten um diese Unrichtigkeiten gewusst bzw. sie für möglich gehalten. Jedenfalls hätten die Beklagten zu 8) und zu 9) die Unrichtigkeiten bei einer sachgerecht durchgeführten Prüfung des Jahresabschlusses erkennen können und müssen. Die Klägerin hat weiter behauptet, dass sie die Anteilskaufverträge und die Gesellschaftervereinbarung nicht abgeschlossen hätte, wenn sie von dem Ausmaß der von ihr behaupteten Unrichtigkeit des Jahresabschluss Kenntnis gehabt hätte.
60Nachdem das Landgericht den von der Klägerin angekündigten Antrag zu 1), mit dem sie – gegenüber der Beklagten zu 1) – begehrt hatte, deren Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars T-T1 in P, UR-Nr. 428/06, für unzulässig zu erklären, mit Beschluss vom 17.07.2008 (Bl. 837/III d.A.) abgetrennt und wegen ausschließlicher Zuständigkeit des Landgerichts P nach dorthin verwiesen hatte, hat die Klägerin zuletzt noch beantragt:
612. festzustellen, dass die zwischen ihr und der Beklagten zu 1) geschlossene Gesellschaftervereinbarung vom 29. August 2006 – Urkunden-Nr. 428/06 des Notars T-T1, P – nichtig ist und die Beklagte zu 1) die in Ziff. 4. dieser Gesellschaftervereinbarung geregelte Put-Option nicht wirksam ausgeübt hat;
623. die Beklagten zu 1), 3), 4) und 7) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie € 13.724.791,83 nebst 5 % Zinsen auf € 7.500.000,00 für den Zeitraum vom 28. September 2006 bis zur Rechtshängigkeit sowie auf weitere € 4.303.000,00 für den Zeitraum vom 9. Oktober 2006 bis zur Rechtshängigkeit sowie 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz auf € 13.724.791,83 ab Rechtshängigkeit zu zahlen, und zwar Zug um Zug gegen Abtretung der Geschäftsanteile der Klägerin an der X GmbH;
634. den Beklagten zu 11) als Gesamtschuldner mit den Beklagten zu 1), 3), 4) und 7) zu verurteilen, an sie € 10.000.000,00 nebst 5 % Zinsen auf € 7.500.000,00 € für den Zeitraum vom 28. September 2006 bis zur Rechtshängigkeit und auf weitere € 3.000.000,00 für den Zeitraum vom 9. Oktober 2006 bis zur Rechtshängigkeit sowie 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz auf € 10.000.000,00 ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
645. die Beklagten zu 2), 5), 8), 9), 10), 12) und 13) als Gesamtschuldner mit den Beklagten zu 1), 3), 4), und 11) zu verurteilen, an sie € 5.000.000,00 nebst 5 % Zinsen für den Zeitraum vom 28. September 2006 bis zur Rechtshängigkeit sowie 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
656. die Beklagte zu 6) als Gesamtschuldner mit den Beklagten zu 1) bis 5) und 7) bis 13) zu verurteilen, an sie € 2.400.000,00 nebst 5 % Zinsen für den Zeitraum vom 28. September 2006 bis zur Rechtshängigkeit sowie 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
667. festzustellen, dass die Beklagten zu 1), 3), 4) und 7) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr – der Klägerin – jeden weiteren bereits entstandenen und künftig entstehenden Schaden zu ersetzen, der dadurch verursacht wurde, dass sie – die Klägerin – vor Abschluss der Gesellschaftervereinbarung vom 29. August 2006 sowie vor Abschluss der zwischen ihr – der Klägerin – und den Beklagten zu 4) und 6) sowie dem Erblasser T geschlossenen Erwerbs- und Übertragungsverträgen bzgl. der Aktien der X AG über die wirtschaftliche Situation der X AG zum 31.12.2005 und bei Abschluss der Verträge getäuscht worden ist;
678. festzustellen, dass die Beklagten zu 1) bis 13) sich mit der Annahme der Abtretungserklärung bzgl. ihrer – der Klägerin – Geschäftsanteile an der X GmbH in Annahmeverzug befinden;
689. die Beklagten zu 1) bis 13) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie € 128.992,00 nebst 8 Prozentpunkte Zinsen ab Rechtshängigkeit als Ersatz [für] vorgerichtlich angefallene Anwaltskosten zu zahlen.
69Die Beklagten haben beantragt,
70die Klage abzuweisen.
71Die Beklagte zu 1) hat im Wege der Widerklage beantragt,
72die Klägerin zu verurteilen, an sie € 98.335,80 € nebst 8 % Zinsen über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
73Die Beklagten zu 1), zu 2), zu 3) und zu 10) haben im Hinblick auf die schadensrechtliche Vorteilsausgleichung im Wege der Eventualwiderklage beantragt,
741. die Klägerin zu verurteilen, Auskunft zu erteilen über sämtliche rechtsgeschäftlichen und tatsächlichen Vorgänge, durch die sich für die Klägerin oder ein mit ihr verbundenes Unternehmen (insbes. Tochtergesellschaften) wirtschaftliche Auswirkungen aufgrund von Rechtsbeziehungen zur X GmbH (ehemals X AG) oder mit dieser verbundener Unternehmen (insbes. Tochtergesellschaften) in der Zeit vom 12.10.2006 bis zum 03.04.2007 ergeben haben, und welche Auswirkungen sich aus diesen Maßnahmen über den genannten Zeitraum hinweg bei der Klägerin und den mit ihr verbundenen Unternehmen (insbes. Tochtergesellschaften) ergeben haben und noch ergeben werden, insbesondere infolge von abgeschlossenen Verträgen,
75geschaffenen Möglichkeiten zum Geschäftsabschluss mit Dritten, Effizienzverbesserungen im eigenen Geschäftsbetrieb,
76die Übernahme von zuvor bei der X GmbH und mit dieser verbundenen Unternehmen vorhandenen Wissen (know-how),
77dem Abschluss von Arbeits-, Dienst-, Beratungs-, oder Vermittlungsverträgen mit Personen, die zuvor in entsprechenden Vertragsverhältnissen zur X GmbH oder mit dieser verbundenen Unternehmen (insbesondere Tochtergesellschaften) standen sowie
78über Berechnungsgrundlagen sämtlicher Erwerbs- und Veräußerungsgeschäfte über jedwede Wirtschaftsgüter, die im genannten Zeitraum zwischen der Klägerin und mit ihr verbundenen Unternehmen (insbesondere Tochtergesellschaften) einerseits und der X GmbH und mit dieser verbundenen Unternehmen andererseits geschlossen wurden;
792. die Klägerin zu verurteilen, unter Zugrundelegung der gemäß Ziffer 1 zu erteilenden Auskünfte Rechenschaft abzulegen, also der Beklagten zu 1) eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und Belege vorzulegen (§ 259 Abs. 1 BGB), wobei sich diese Rechnungslegung auch auf die ertragssteuerlichen Auswirkungen zu beziehen hat;
803. die Klägerin zu verurteilen, an Eides statt zu versichern, dass die gemäß Ziffer 1 erteilten Auskünfte und die gemäß Ziffer 2 abgelegte Rechenschaft nach bestem Wissen richtig und vollständig sind (§ 259 Abs. 2 BGB).
81Die Klägerin hat beantragt,
82die Widerklagen abzuweisen.
83Das Landgericht hat die Klage – ebenso wie die von der Beklagten zu 1) gegen die Klägerin erhobene Widerklage auf Zahlung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 98.335,80 €, die nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahren ist – insgesamt abgewiesen. Zur Begründung, auf die im Einzelnen Bezug genommen wird (Bl. 2731 ff./IX d.A.), hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass es jedenfalls an der Kausalität zwischen den behaupteten Täuschungshandlungen und dem Abschluss der Gesellschaftervereinbarung sowie den Aktienkaufverträgen fehle, so dass diese Verträge nicht unwirksam seien und Ansprüche auf Rückzahlung der gezahlten Kaufpreise unter dem Gesichtspunkt ungerechtfertigter Bereicherung oder sonstige Zahlungsansprüche aus Gründen des Schadensersatzes nicht bestünden.
84Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie rügt, dass das Landgericht zu Unrecht von dem Fehlen der Kausalität zwischen den Erklärungen in dem Gespräch am 28.04.2006 und dem Inhalt des Jahresabschlusses zum 31.12.2005 für ihre Entscheidung zum Kauf der Aktien ausgegangen sei. Im Übrigen wiederholt und vertieft die Klägerin ihren Vortrag erster Instanz.
85Die Klägerin beantragt,
86I. das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 18.12.2009 – 3 O 109/08 – aufzuheben [und]
87II. festzustellen, dass die zwischen ihr – der Klägerin – und der Beklagten zu 1) geschlossene Gesellschaftervereinbarung vom 29. August 2006 – Urkunden-Nr. 428/06 des Notars T-T1, P (Anlage K 16) – unwirksam ist und dass ein Kaufvertrag über die in Ziffer 4.1 der vorgenannten Gesellschaftervereinbarung definierten Optionsanteile durch die am 24. April 2008 von der Beklagten zu 1) erklärte Ausübungserklärung – Urkunde Nr. G 1097/2008 des Notars Dr. H, N (Anlage K 102) – nicht zustande gekommen ist.
88III. die Beklagten zu 1), 3), 4) und 7) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie – die Klägerin – EUR 13.724.791,83 nebst 5 % Zinsen auf EUR 7.500.000,00 für den Zeitraum vom 28. September 2006 bis zur Rechtshängigkeit sowie 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz auf EUR 13.724.791,83 ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
89hilfsweise:
90die Beklagten zu 1), 3), 4) und 7) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie – die Klägerin – EUR 13.724.791,83 nebst 5 % Zinsen auf EUR 7.500.000,00 für den Zeitraum vom 28. September 2006 bis zur Rechtshängigkeit sowie 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz auf EUR 13.724.791,83 ab Rechtshängigkeit zu zahlen, und zwar Zug um Zug gegen Abtretung des gemäß Umwandlungsbeschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der X AG vom 5. Dezember 2006, Urkunden-Nr. 1145/06 des Notars I1, E1 (Anlage K 20) festgesetzten Geschäftsanteils der Klägerin an der X GmbH im Nennbetrag von EUR 11.415.000,00.
91IV. den Beklagten zu 11) als Gesamtschuldner mit den Beklagten zu 1), 3), 4) und 7) zu verurteilen, an sie – die Klägerin – EUR 10.000.000,00 nebst 5 % Zinsen auf EUR 7.500.000,00 für den Zeitraum vom 28. September 2006 bis zur Rechtshängigkeit und auf weitere EUR 2.500.000,00 für den Zeitraum vom 9. Oktober 2006 bis zur Rechtshängigkeit sowie 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz auf EUR 10.000.000,00 ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
92hilfsweise:
93den Beklagten zu 11) als Gesamtschuldner mit den Beklagten zu 1), 3), 4) und 7) zu verurteilen, an sie – die Klägerin – EUR 10.000.000,00 nebst 5 % Zinsen auf EUR 7.500.000,00 für den Zeitraum vom 28. September 2006 bis zur Rechtshängigkeit und auf weitere EUR 2.500.000,00 für den Zeitraum vom 9. Oktober 2006 bis zur Rechtshängigkeit sowie 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz auf EUR 10.000.000,00 zu zahlen, und zwar Zug um Zug gegen Abtretung des gemäß Umwandlungsbeschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der X AG vom 5. Dezember 2006, Urkunden-Nr. 1145/06 des Notars I1, E1 (Anlage K 20) festgesetzten Geschäftsanteils der Klägerin an der X GmbH im Nennbetrag von EUR 11.415.000,00.
94V. die Beklagten zu 2), 5), 8), 9), 10), 12) und 13) als Gesamtschuldner mit den Beklagten zu 1), 3), 4), 7) und 11) zu verurteilen, an sie – die Klägerin – EUR 5.000.000,00 nebst 5 % Zinsen für den Zeitraum vom 28. September 2006 bis zur Rechtshängigkeit sowie 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
95hilfsweise:
96die Beklagten zu 2), 5), 8), 9), 10), 12) und 13) als Gesamtschuldner mit den Beklagten zu 1), 3), 4), 7) und 11) zu verurteilen, an sie – die Klägerin – EUR 5.000.000,00 nebst 5 % Zinsen für den Zeitraum vom 28. September 2006 bis zur Rechtshängigkeit sowie 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen, und zwar Zug um Zug gegen Abtretung des gemäß Umwandlungsbeschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der X AG vom 5. Dezember 2006, Urkunden-Nr. 1145/06 des Notars I1, E1 (Anlage K 20) festgesetzten Geschäftsanteils der Klägerin an der X GmbH im Nennbetrag von EUR 11.415.000,00.
97VI. die Beklagte zu 6) als Gesamtschuldner mit den Beklagten zu 1) bis 5) und 7) bis 13) zu verurteilen, an sie – die Klägerin – EUR 2.400.000,00 nebst 5 % Zinsen für den Zeitraum vom 28. September 2006 bis zur Rechtshängigkeit sowie 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
98hilfsweise:
99die Beklagte zu 6) als Gesamtschuldner mit den Beklagten zu 1) bis 5) und 7) bis 13) zu verurteilen, an sie – die Klägerin – EUR 2.400.000,00 nebst 5 % Zinsen für den Zeitraum vom 28. September 2006 bis zur Rechtshängigkeit sowie 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen, [und zwar] Zug um Zug gegen Abtretung des gemäß Umwandlungsbeschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der X AG vom 5. Dezember 2006, Urkunden-Nr. 1145/06 des Notars I1, E1 (Anlage K 20) festgesetzten Geschäftsanteils der Klägerin an der X GmbH im Nennbetrag von EUR 11.415.000,00.
100VII. festzustellen, dass die Beklagten zu 1), 3), 4) und 7) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr – der Klägerin – jeden weiteren bereits entstandenen und künftig entstehenden Schaden zu ersetzen, der dadurch verursacht wurde, dass sie – die Klägerin – vor Abschluss der Gesellschaftervereinbarung vom 29. August 2006 sowie vor Abschluss der zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 4) und 6) sowie dem Erblasser T geschlossenen Erwerbs- und Übertragungsverträgen bzgl. der Aktien der X AG über die wirtschaftliche Situation der X AG zum 31.12.2005 und bei Abschluss der Verträge getäuscht worden ist;
101VIII. festzustellen, dass die Beklagten zu 1) bis 13) sich mit der Annahme der Abtretungserklärung bzgl. ihrer – der Klägerin – Geschäftsanteile an der X GmbH in Annahmeverzug befinden;
102hilfsweise,
103für den Fall, dass das Gericht den Hauptanträgen zu II bis VI nicht folgt: festzustellen, dass die Beklagten zu 1) bis 13) sich mit der Annahme der Abtretungserklärung hinsichtlich des gemäß Umwandlungsbeschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der X AG vom 5. Dezember 2006, Urkunden-Nr. 1145/06 des Notars I1, E1 (Anlage K 20) festgesetzten Geschäftsanteils der Klägerin an der X GmbH im Nennbetrag von EUR 11.415.000,00 im Annahmeverzug befinden.
104IX. die Beklagten zu 1) bis 13) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie – die Klägerin – EUR 130.792,00 nebst 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit als Ersatz vorgerichtlich angefallener Anwaltskosten zu zahlen.
105Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung als zutreffend und beantragen,
106die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
107Die Beklagten zu 1), 2), 3) und 10) beantragen für den Fall, dass die Berufung und die Klage dem Grunde nach für begründet erachtet werden, im Hinblick auf die schadensrechtliche Vorteilsausgleichung im Wege der Eventualwiderklage:
1081. die Klägerin zu verurteilen, Auskunft zu erteilen über sämtliche rechtsgeschäftlichen und tatsächlichen Vorgänge, durch die sich für die Klägerin oder ein mit ihr verbundenes Unternehmen (insbes. Tochtergesellschaften) wirtschaftliche Auswirkungen aufgrund von Rechtsbeziehungen zur X GmbH (ehemals X AG) oder mit dieser verbundenen Unternehmen (insbes. Tochtergesellschaften) in der Zeit vom 12.10.2006 bis zum 03.04.2007 ergeben haben, und welche Auswirkungen sich aus diesen Maßnahmen über den genannten Zeitraum hinweg bei der Klägerin und mit ihr verbundenen Unternehmen (insbesondere Tochtergesellschaften) ergeben haben und noch ergeben werden, insbesondere in Folge von
109- abgeschlossenen Verträgen,
110- geschaffenen Möglichkeiten zum Geschäftsabschluss mit Dritten,
111- Effizienzverbesserungen im eigenen Geschäftsbetrieb,
112- die Übernahme von zuvor bei der X GmbH und mit dieser verbundenen Unternehmen vorhandenem geschäftsbezogenem Wissen (know‑how),
113- dem Abschluss von Arbeits-, Dienst-, Beratungs- oder Vermittlungsverträgen mit Personen, die zuvor in entsprechenden Vertragsverhältnissen zur X GmbH oder mit dieser verbundenen Unternehmen (insbesondere Tochterunternehmen) standen sowie
114- über die Berechnungsgrundlagen sämtlicher Erwerbs- und Veräußerungsgeschäfte über jedwede Wirtschaftsgüter, die im genannten Zeitraum zwischen der Klägerin und mit ihr verbundenen Unternehmen (insbesondere Tochtergesellschaften) einerseits und der X GmbH und mit dieser verbundenen Unternehmen (insbesondere Tochtergesellschaften) andererseits geschlossen wurden.
1152. die Klägerin zu verurteilen, unter Zugrundelegung der gemäß Ziffer 1. zu erteilenden Auskünfte Rechenschaft abzulegen, also der Beklagten zu 1) eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und Belege vorzulegen (§ 259 Abs. 1 ZPO), wobei sich diese Rechnungslegung auch auf die ertragssteuerlichen Auswirkungen zu beziehen hat.
1163. die Klägerin zu verurteilen, an Eides statt zu versichern, dass die gemäß Ziffer 1. erteilten Auskünfte und die gemäß Ziffer 2. abgelegte Rechenschaft nach bestem Wissen richtig und vollständig sind (§ 259 Abs. 2 BGB).
117Die Klägerin beantragt,
118die Widerklagen abzuweisen.
119Unter den Beklagten zu 1), zu 4), zu 5) und zu 6) besteht Einigkeit, dass sie – bzw. bezüglich des Beklagten zu 5) Herr T – der Beklagten zu 7) mit ihren schriftlichen und mit „Auftrag“ überschriebenen Erklärungen – entgegen dem Wortlaut keinen Auftrag, sondern lediglich eine Entbindung von der Verschwiegenheitsverpflichtung bzw. eine Legitimation haben erteilen wollen, so dass es sich um eine Falschbezeichnung handele. Die Beklagte zu 7) habe – so ihre Behauptung – dies als Empfängerin der Erklärung ebenfalls so verstanden.
120Der Senat hat die Beklagten zu 8) und zu 9) sowie den Beklagten zu 10) zunächst persönlich angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf die Vermerke des Berichterstatters zu den mündlichen Verhandlungen vor dem Senat am 06.04.2011 (Bl. 3617/XIII d.A.) und 18.04.2012 (Bl. 3953/XIV d.A.) sowie auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 06.11.2013 (Bl. 4495 ff./4502/XVI d.A.) Bezug genommen. Darüber hinaus hat der Senat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen (1.) L2, (2.) T2, (3.) C4, (4.) y, (5.) I3, (6.) O, (7.) B2, (8.) I2, (9.) F2, (10.) T5, (11.) T3, (12.) X3, (13.) K, (14.) C3, (15.) L4, (16.) I, (17.) Dr. I und (18.) L. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle zur mündlichen Verhandlung vom 17.04.2013 (Bl. 4166 ff./XV d.A. – bezüglich der Zeugen 1) bis 8)), vom 24.04.2013 (Bl. 4247 ff./XV d.A. – bezüglich der Zeugen 9) bis 15)), vom 13.05.2013 (Bl. 4309 ff./XV d.A. – bezüglich der Zeugen 16) und 17)), vom 06.11.2013 (Bl. 4495 ff./XVI d.A. – bezüglich des Zeugen 17)) und vom 13.11.2013 (Bl. 4526 ff./XVI d.A. bezüglich des Zeugen 18)) verwiesen. Darüber hinaus hat der Senat den Beklagten zu 10) gemäß Beschluss vom 06.11.2013 (Bl. 4513/XVI d.A.) und die Beklagten zu 8) und 9) sowie die Beklagten zu 11), 12) und 13) gemäß Beschluss vom 11.11.2013 (Bl. 4516/XVI d.A.) ebenfalls uneidlich als Partei vernommen. Insoweit wird wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Protokolle zu den mündlichen Verhandlungen vom 06.11.2013 (Bl. 4507 ff./XVI d.A.) und 13.11.2013 Bezug (Bl. 4526 ff./XVI d.A.) genommen.
121Im Übrigen wird auf die Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. ZPO) sowie auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze und zur Akte gereichten Anlagen verwiesen.
122II.
1231.
124Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung in dem tenorierten Umfang.
125a) Antrag zu II
126Der auf Feststellung der Nichtigkeit der Gesellschaftervereinbarung vom 29.08.2006 und des Nichtzustandekommens des Kaufvertrages über die Aktien der Beklagten zu 1) gerichtete Antrag hat Erfolg.
127aa)
128Nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 06.04.2011 klargestellt hat, dass der von ihr auf Feststellung der Unwirksamkeit der Gesellschaftervereinbarung gerichtete Antrag auch die Feststellung der Nichtigkeit beinhalten soll, sieht sich der Senat an einer solchen Auslegung des Antrags und einem entsprechenden Ausspruch im Tenor nicht gehindert.
129(1)
130Der auf Feststellung der Nichtigkeit der Gesellschaftervereinbarung vom 29.08.2006 gerichtete Antrag ist auf die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet und insoweit zulässig. Die Klägerin hat auch das erforderliche Interesse an einer solchen Feststellung. Die zugleich erhobene (und vom Landgericht zwischenzeitlich an das Landgericht P verwiesene) Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO steht der Annahme eines Feststellungsinteresses nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 05.03.2009 – IX ZR 141/07, NJW 2009, 1671) schließen sich Vollstreckungsgegenklage und negative Feststellungsklage nicht gegenseitig aus (vgl. auch: Zöller/Herget, ZPO, 29. Auflage 2012, § 767 Rdn. 2 „Feststellungsklage“; Scheuch in Prütting/Gehrlein, ZPO, 2. Auflage (2010), § 767 Rdn. 7). Auch wenn mit beiden Klagen materielle Einwendungen gegen den titulierten Anspruch geltend gemacht werden, haben die Klagen unterschiedliche Rechtsschutzziele. Die Vollstreckungsgegenklage ist eine rein prozessrechtliche Klage, deren Ziel die Beseitigung des Titels ist, ohne dass über den weiteren Bestand der titulierten Forderung entschieden wird. Dementsprechend kann dieser auch Gegenstand einer negativen Feststellungsklage sein (BGH aaO – juris Rz. 8 m.w.N.).
131(2)
132Die auf Feststellung der Nichtigkeit der Gesellschaftervereinbarung vom 29.08.2006 gerichtete Klage ist auch begründet. Ihre Gesamtnichtigkeit ergibt sich aus § 134 BGB i.V.m. § 139 BGB, da in ihr enthaltene Regelungen gegen die in § 405 Abs. 3 Nr. 6 AktG (Stimmenverkauf) und in § 405 Abs. 3 Nr. 7 AktG (Stimmenkauf) normierten Bußgeldtatbestände, verstoßen und nicht anzunehmen ist, dass die Gesellschaftervereinbarung auch ohne den nichtigen Teil abgeschlossen worden wäre. Die danach bereits von Anfang an bestehende Nichtigkeit der Gesellschaftervereinbarung macht an dieser Stelle eine Auseinandersetzung mit der Wirksamkeit der von der Klägerin mit Schreiben vom 12.04.2007 erklärten Anfechtung der auf Abschluss der Gesellschaftervereinbarung gerichteten Erklärung wegen arglistiger Täuschung entbehrlich.
133Die in § 405 Abs. 3 Nr. 6 und 7 AktG enthaltenen Regelungen sind Verbotsgesetze im Sinne von § 134 BGB (Hüffer, AktG, 10. Auflage (2012), § 133 Rdn. 28; MünchKomm/Schroer, AktG, 3. Auflage (2013), § 136 Rdn. 65 m.w.N.). Die dort genannten Ordnungswidrigkeiten haben die Beteiligten hier verwirklicht.
134(aa)
135Gem. § 405 Abs. 3 Nrn. 6 und 7 AktG handelt ordnungswidrig, wer besondere Vorteile als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei einer Abstimmung in der Hauptversammlung oder in einer gesonderten Versammlung nicht oder in einem bestimmten Sinne stimme (Stimmenverkauf) oder wer besondere Vorteile als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass jemand bei einer Abstimmung in der Hauptversammlung oder in einer gesonderten Versammlung nicht oder in einem bestimmten Sinne stimme (Stimmenkauf). Die Vereinbarung der in Ziffer 2 der Gesellschaftervereinbarung vorgesehenen Stimmbindung, mit der sich die Beklagte zu 1) gegenüber der Klägerin verpflichtet hat, ihre Stimmrechte aus allen gebundenen Anteilen bei den näher bezeichneten Beschlussgegenständen und damit im Zusammenhang stehenden Sachverhalten auf Weisung der Klägerin wahrzunehmen oder sich auf Weisung der Klägerin der Stimme zu enthalten, bei gleichzeitiger Einräumung eines Optionsrechtes zum Verkauf und zur Übertragung der gebundenen Anteile (Put‑Option) in Ziffer 4 und der Garantie einer Mindestdividende in Ziffer 5 durch die Klägerin zugunsten der Beklagten zu 1) erfüllt die beiden vorgenannten Bußgeldtatbestände des Stimmenverkaufs und Stimmenkaufs.
136i)
137Die Beklagte zu 1) ist taugliche Täterin einer Zuwiderhandlung nach § 405 Abs. 3 Nr. 6 AktG. Zwar kann nach dem Wortlaut der Vorschrift jeder tauglicher Täter sein, jedoch kommt rein tatsächlich nur derjenige als Stimmenverkäufer in Betracht, der auch die Möglichkeit hat, in der Hauptversammlung oder in der gesonderten Versammlung sein Stimmrecht auszuüben (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 142 f.), was bei der Beklagten zu 1) als stimmberechtigter Aktionärin der Fall ist.
138Die Beklagte zu 1) hat sich für das von ihr in Aussicht gestellte Abstimmungsverhalten (Abstimmung oder Enthaltung nach Weisung) als Gegenleistung einen besonderen Vorteil von der Klägerin versprechen lassen.
139(i)
140Vorteil ist jede unentgeltliche Leistung, auf die der Täter keinen Anspruch hat und die ihn materiell oder immateriell besser stellt (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 95). Als Vorteil kommt allerdings nur derjenige in Betracht, der sich nicht bereits aus der Ausübung der Rechte selbst ergibt; denn der Vorteil ist nur das Mittel zum erstrebten Zweck (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 97). Die Einräumung der Put‑Option und die Garantie einer Mindestdividende stellen für die Beklagte zu 1) einen solchen Vorteil dar, die sich nicht aus dem Abstimmungsverhalten als solchem ergeben.
141(ii)
142Handelt es sich damit um einen Vorteil, der sich nicht aus der betreffenden Abstimmung selbst ergibt, kommt es entscheidend darauf an, ob der betreffende Vorteil der Gesamtheit der Aktionäre bzw. der Gesellschaft zugute kommt oder nur dem betreffenden Stimmenverkäufer oder Stimmeneinkäufer allein (Klug in Großkommentar AktG, 3. Auflage (1975), § 405 Anm. 38). Ein solcher Vorteil besonderer Art ist nur dann anzunehmen, wenn er nicht allen Aktionären zusteht (Klug in Großkommentar AktG, 3. Auflage (1975), § 405 Anm. 38; vgl. auch RG, Urteil vom 30.11.1928 – JW 1929, 642 Nr. 7 zu § 317 HGB a.F., bei der es sich um eine Vorgängerregelung des § 405 Abs. 3 Nr. 6 AktG handelt); es muss sich bei dem Vorteil daher um eine Sondervergünstigung handeln (vgl. MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 150 und Rdn. 98 m.w.N.). Deshalb wird jedenfalls eine allen Aktionären gewährte Dividendengarantie nicht als besonderer Vorteil angesehen (RGZ 132, 33 (37); Klug in Großkommentar AktG, 3. Auflage (1975), § 405 Anm. 38; MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 150 und Rdn. 99). Etwas anderes ist es jedoch, wenn jemand als einziger Aktionär für die Ausübung der (Stimm‑)Rechte aus seiner Aktie eine Dividendengarantie erhält (Klug in Großkommentar AktG, 3. Auflage (1975), § 405 Anm. 38; MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 100 mit Verweis auf OLG Stuttgart HRR 1931 Nr. 526). Da nur der Beklagten zu 1) die Put‑Option eingeräumt wurde und sie zudem alleinige Begünstigte der Dividendengarantie ist, liegt ein solcher besonderer Vorteil vor.
143Entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1) ist das Merkmal des besonderen Vorteils nicht deswegen zu verneinen, weil nach Ziffer 3.1 der Gesellschaftervereinbarung die hier entscheidenden Abreden in Ziffer 2 einerseits sowie in Ziffern 4 und 5 andererseits erst wirksam werden, wenn die Aktien der Beklagten zu 4) und zu 6) sowie des Herrn T auf die Klägerin übergegangen sind, so dass neben ihr nur noch die Klägerin als Aktionärin verbleibe, die jedoch als Vertragspartnerin der Gesellschaftervereinbarung mit der Abrede einverstanden gewesen sei. Denn es kommt nicht entscheidend darauf an, ob es nur die an der Abrede beteiligten Aktionäre gibt. Maßgeblich ist vielmehr, dass § 405 Abs. 3 Nr. 6 AktG – wie im Übrigen auch Nr. 7 (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 166) – dem Schutz der sich auf die unverfälschte Willensbildung beziehenden Interessen der Gesellschaft und ihrer Aktionäre dient (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 146), so dass die Aktiengesellschaft selbst ebenfalls ein – von den Aktionären getrennter – in den Schutzbereich dieser Vorschrift einbezogener Rechts- und Interessenträger ist.
144Soweit die Beklagte zu 1) unter Verweis auf ein in ihrem Auftrag erstattetes „Rechtsgutachten zur Reichweite der Ordnungswidrigkeit des Stimmrechtshandels nach Maßgabe des § 405 Abs. 3 Nr. 6 und 7 AktG“ von Prof. Dr. B3 unter näherer Betrachtung der Entwicklungsgeschichte der beiden aktienrechtlichen Vorschriften zum Stimmen(ver)kauf darlegt, dass die Vorschriften darauf gerichtet seien, zu verhindern, dass der „Mehrheitswille in der Generalversammlung“ gefälscht werde, deckt sich dies mit dem soeben dargestellten Sinn und Zweck der Vorschrift. Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass ein betrugsähnliches Verhalten in Rede stehe, da es darum gehe, den Mehrheitswillen der Hauptversammlung zu „fälschen“, indem sich ein unlauter handelnder Aktionär nach Art eines bestechlichen Beamten seine Stimmabgabe „abkaufen“ lasse und darüber andere täusche. Einer solchermaßen restriktiven Auslegung durch Einfügung des ungeschriebenen, aber für wesentlich gehaltenen Elementes einer Täuschung, an dem es im Verhältnis der Klägerin zur Beklagten zu 1) fehlen würde, bedarf es jedoch nicht. Einem Stimmenverkauf oder einem Stimmenkauf fehlt nicht deshalb der vom Gesetz missbilligte Charakter, weil er offen – d.h. unter Verzicht auf eine Täuschung der anderen Aktionäre – geschieht. Der als zentrales Ziel dieser Bestimmungen angesehene Schutz der Verfälschung des Mehrheitswillens erfordert auch die Erfassung offener Fremdbestimmung des Abstimmungsverhaltens gegen Entgelt.
145Deswegen ändert entgegen der weiterhin geäußerten Ansicht der Beklagten zu 1) auch eine etwaige Mitbetroffenheit der anderen – ausscheidenden – Aktionäre (der Beklagten zu 4) und zu 6) sowie des Herrn T) nichts daran, dass die zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) getroffene Abrede vom Gesetz missbilligt wird.
146(iii)
147Weiterhin muss der Täter den besonderen Vorteil als Gegenleistung für das in Aussicht genommene Abstimmungsverhalten fordern, sich versprechen lassen oder annehmen. Das bedeutet, dass der Vorteilsnehmer mit dem Vorteilsgeber eine Vereinbarung anstreben oder abschließen muss, die eine Willensübereinstimmung darüber enthält, dass der besondere Vorteil die Gegenleistung für das Nichtabstimmen oder das Abstimmen in einem bestimmten Sinne sein soll (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 158). Dies ist vorliegend der Fall, da die Klägerin der Beklagten zu 1) nach Ziffer 5.2 der Gesellschaftervereinbarung die näher bezeichnete Mindestdividende ausdrücklich als Ausgleich dafür garantiert, dass sie ab dem Geschäftsjahr 2006 über ihren gesellschaftsrechtlichen Einfluss über die Ergebnisverwendung bei der X AG entscheidet. Darüber hinaus heißt es in der Präambel der Gesellschaftervereinbarung unter lit. D. ausdrücklich, dass sich die Anteilinhaber darüber einig seien, dass die Klägerin als Ausgleich dafür, dass sie die näher beschriebene unternehmerische Führung erhalte, der Beklagten zu 1) ein Optionsrecht im Hinblick auf deren Anteile an der X AG gewähren und gegenüber der Beklagten zu 1) zudem für eine Mindestdividende einstehen solle. Der Annahme eines solchen übereinstimmenden Willens steht auch nicht entgegen, dass die Annahme des Angebots der künftigen Leistung nach Ziffer 3.1 der Gesellschaftervereinbarung unter einer Bedingung steht (vgl. Klug in Großkommentar AktG, 3. Auflage (1975), § 405 Anm. 49).
148Gegenstand dieser sog. „Unrechtsvereinbarung“ ist die Entschließungsfreiheit des Abstimmungsberechtigten (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 160), wobei es für die Tatbestandsmäßigkeit ausreicht, wenn sich der Täter verpflichtet, im Interesse einer bestimmten Person oder – wie hier – mit einer bestimmten Person zu stimmen (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 161).
149Für diese Würdigung ist es ohne Bedeutung, ob die Stimmbindung erst zum Schluss in Nachverhandlungen in die Gesellschaftervereinbarung aufgenommen worden ist. Dies würde nichts daran ändern, dass die Einräumung der Put‑Option und die Garantie einer Mindestdividende durch die Klägerin als Gegenleistungen für die Stimmbindung anzusehen sind, da es entscheidend auf die Endfassung der Gesellschaftervereinbarung ankommt und nicht auf den jeweiligen Stand von Vertragsverhandlungen.
150Zudem kommt es nicht darauf an, ob die Stimmbindung der Beklagten zu 1) gerade in der Einräumung der Put‑Option und der Garantie der Mindestdividende ihre „besondere“ Gegenleistung finden sollte (vgl. RGZ 132, 33 (38)). Entscheidend ist nur, ob diese Verpflichtung für die Bemessung der Gegenleistung der anderen Seite nach Art und Umfang mit ursächlich gewesen ist, ob sich die andere Seite zu ihren Leistungen sonst überhaupt nicht oder nicht in dieser Höhe oder Art verstanden hätte (RGZ 132, 33 (38)).
151Es unterliegt nach der Überzeugung des Senates keinem Zweifel, dass die gesamte Gesellschaftervereinbarung jedenfalls so nicht zustande gekommen wäre, wenn sich die Beklagte zu 1) nicht zugleich auch auf die Verpflichtung zur Abstimmung nach Weisung der Klägerin eingelassen hätte. Dies hat auch seinen Niederschlag in der Präambel der Gesellschaftervereinbarung vom 29.08.2006 gefunden, in der es ausdrücklich heißt, dass sich die Anteilsinhaber einig seien, dass die Klägerin aufgrund ihrer umfassenden Erfahrungen im Baugewerbe einen maßgeblichen Einfluss auf die X AG und dort die unternehmerische Führung mit entsprechenden Freiheiten erhalten solle, die durch umfassende Weisungsmöglichkeiten gegenüber der Geschäftsführung der Gesellschaft abgesichert sei, und sie sich ferner einig seien, dass die Klägerin als Ausgleich dafür, dass sie die vorstehend beschriebene unternehmerische Führung erhalte, der Beklagten zu 1) ein Optionsrecht im Hinblick auf ihre Anteile an der Gesellschaft gewähren sowie gegenüber der Beklagten zu 1) für eine Mindestdividende der Gesellschaft einstehen solle.
152ii)
153Gleichermaßen liegt auch eine Zuwiderhandlung gegen § 405 Abs. 3 Nr. 7 AktG vor, da es sich bei dessen Tatbestand um das Gegenstück zum Stimmenverkauf handelt (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 163). Geschützte Rechtsgüter sind – wie bei § 405 Abs. 3 Nr. 6 AktG – ebenfalls die Interessen der Gesellschaft und der Aktionäre an einer Unverfälschtheit der Willensbildung (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 166). Die Klägerin ist taugliche Täterin des Stimmenkaufs, da Täter dieses Tatbestandes jedermann sein kann; außenstehende Personen sind jedenfalls insoweit potentielle Täter, als sie rechtliche oder tatsächliche Beziehungen zu der Gesellschaft unterhalten (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 165). Gegenstand der „Unrechtsvereinbarung“ ist bei diesem Tatbestand, dass der Täter als Gegenleistung für den angebotenen, versprochenen oder gewährten besonderen Vorteil erwartet, der stimmberechtigte Vorteilsnehmer werde entweder nicht abstimmen oder in einem bestimmten Sinne stimmen, sich also seiner Entschließungsfreiheit begeben (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 405 Rdn. 175). Im Übrigen kann auf die Ausführungen zu dem Verstoß gegen § 405 Abs. 3 Nr. 6 AktG Bezug genommen werden, die für diesen Tatbestand wegen seines spiegelbildlichen Charakters entsprechende Geltung beanspruchen.
154(bb)
155Die danach anzunehmende Nichtigkeit der in den Ziffern 4 und 5 der Gesellschaftervereinbarung gewährten Put‑Option und der eingeräumten Mindestdividende hat gem. § 139 BGB die Gesamtnichtigkeit der Gesellschaftervereinbarung zur Folge. Nach dieser Vorschrift ist bei Nichtigkeit eines Teils eines Rechtsgeschäfts das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Zwar enthält – worauf die Beklagte zu 1) zu Recht hinweist – Ziffer 9.11 der Gesellschaftervereinbarung eine salvatorische Klausel, nach der die Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt und die Vertragsparteien anstelle der unwirksamen Bestimmung diejenige Bestimmung vereinbaren werden bzw. zu vereinbaren haben, die soweit wie möglich dem entspricht, was die Anteilsinhaber gewollt haben oder nach Sinn und Zweck dieser Gesellschaftervereinbarung von den Anteilsinhabern vereinbart worden wäre, wenn sie die Unwirksamkeit betreffenden Bestimmung bedacht hätten. Dies stellt insoweit eine zulässige Abbedingung des § 139 BGB dar, ohne dass jedoch in allen Fällen ausgeschlossen ist, dass die Nichtigkeit einer einzelnen Bestimmung weitere Vertragsbestimmungen oder den gesamten Vertrag erfasst (BGH, Urteil vom 11.10.1995 – VIII ZR 25/94, WM 1996, 22 – juris Rz. 29). Findet – wie hier – eine standardmäßige Erhaltungsklausel Verwendung, nach der das Rechtsgeschäft ohne die nichtige Regelung wirksam sein soll, entbindet sie nicht von der auch ansonsten vorzunehmenden Prüfung des mutmaßlichen Parteiwillens, sondern weist nur abweichend von § 139 BGB demjenigen die Beweislast zu, der sich – wie hier die Klägerin – auf die Gesamtnichtigkeit des Vertrages beruft (BGH, Urteil vom 11.10.1995 – VIII ZR 25/94, WM 1996, 22 – juris Rz. 31; Urteil vom 24.09.2002 – KZR 10/01, NJW 2003, 347 f.; Urteil vom 15.06.2005 – VIII ZR 271/04, NJW‑RR 2005, 1534 (1535); Urteil vom 25.07.2007 – XII ZR 143/05, NJW 2007, 3202 (3203) – Rz. 26; Beschluss vom 15.03.2010 – II ZR 84/09; NJW 2010, 1660 (1661) – Rz. 8; Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Auflage (2013), § 139 Rdn. 17). Eine Gesamtnichtigkeit trotz salvatorischer Klausel kommt insbesondere dann in Betracht, wenn nicht nur eine Nebenabrede, sondern eine wesentliche Vertragsbestimmung unwirksam ist und durch die Teilnichtigkeit der Gesamtcharakter des Vertrages verändert würde (BGH, Urteil vom 11.10.1995 – VIII ZR 25/94, WM 1996, 22 – juris Rz. 32). Dies ist nach Gestaltung der Gesellschaftervereinbarung, nach der die Beklagte zu 1) sich für den Stimmenverkauf gerade die Put‑Option und die Mindestdividende hat einräumen lassen, der Fall. Denn insbesondere mit dem Wegfall des Verkaufsoptionsrechts verliert die Gesellschaftervereinbarung ihren maßgeblichen Charakter.
156bb)
157Das vom Antrag zu II weiterhin umfasste Begehren gerichtet auf die Feststellung, dass ein Kaufvertrag über die näher bezeichneten Optionsanteile durch die Ausübungserklärung der Beklagten zu 1) vom 24.04.2008 nicht wirksam zustande gekommen ist, ist zulässig und nach den soeben gemachten Ausführungen auch begründet.
158b) Antrag zu III
159Der Antrag zu III, mit dem die Klägerin gegen die Beklagten zu 1), zu 3), zu 4) und zu 7) als Gesamtschuldner die Zahlung von insgesamt 13.724.791,83 € nebst Zinsen – hilfsweise jeweils Zug um Zug gegen die Übertragung des GmbH‑Anteils – begehrt, ist unbegründet. Gegenstand dieses Begehrens ist die Rückzahlung der von der Klägerin geleisteten Kaufpreise an die Beklagte zu 4) (7.500.000 €), an die Beklagte zu 6) (2.400.000 €) und an Herrn T (1.903.000 €) sowie weiter geleistete Zahlungen für Beratungskosten (166.790,48 €), für das an Qaa gezahlte Honorar für deren Untersuchung nach Vertragsschluss (1.672.673,64 €) und für weitere nachträgliche Kosten (82.327,71 €). Der Klägerin stehen gegen die vorgenannten Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die geltend gemachten Zahlungsansprüche zu.
160aa) Beklagte zu 1)
161Wegen der dargestellten Gesamtnichtigkeit der Gesellschaftervereinbarung vom 29.08.2006 und des daraus folgenden Scheiterns des Verkaufs von Aktien der Beklagten zu 1) hat die Klägerin keine vertraglichen Ansprüche gegen jene. Ansprüche der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1) aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis bestehen ebenso wenig wie Ansprüche aus deliktischem Handeln.
162(1)
163Ansprüche der Klägerin aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB auf Rückgängigmachung des Vertrages und Ersatz von Aufwendungen bestehen gegenüber der Beklagten zu 1) nicht.
164(aa)
165Schon wegen der Gesamtnichtigkeit der Gesellschaftervereinbarung vom 29.08.2006 ergibt sich das allerdings nicht aus der vom Landgericht für wirksam gehaltenen Haftungsfreizeichnung in Ziffer 4.14 dieser Vereinbarung.
166Der Senat kann auch nicht mit dem Landgericht davon ausgehen, dass es an der (Mit‑)Ursächlichkeit der behaupteten Pflichtverletzungen für den Abschluss der Verträge fehlt. Insoweit begründen konkrete Anhaltspunkte Zweifel im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an der Richtigkeit dieser Feststellung. Diese ergeben sich daraus, dass das Landgericht die entscheidenden Argumente gegen die – durchaus nicht fern liegende – Mitursächlichkeit der (von der Klägerin behaupteten) Inhalte der Besprechung vom 28.04.2006 für die Eingehung der Gesellschaftervereinbarung daraus meint gewinnen zu können, dass die Parteien in den Ziffern 4.13 und 4.15 der Gesellschaftervereinbarungen ausdrücklich Regelungen über die Folgen einer verdeckten Sacheinlage getroffen hätten, dass sich die Klägerin die Kenntnis des Herrn Dr. L von der Handlungs- bzw. Zahlungsunfähigkeit der Saudi XLtd. zurechnen lassen müsse und die Klägerin im Übrigen trotz der zahlreich von ihr als offen erkannten Fragen und damit einhergehenden Risiken keinen Abstand vom Vertragsschluss genommen habe. Diese Argumentation des Landgerichts ist – und dies gilt auch, soweit es die Ansprüche der Klägerin gegenüber den weiteren Beklagten mit gleichlautender Begründung abgelehnt hat – nicht überzeugend.
167Unabhängig davon, dass die Gesellschaftervereinbarung vom 29.08.2006 nach hier vertretener Ansicht insgesamt nichtig ist, lässt sich aus dem Umstand, dass die Parteien in ihr die vollständige Erbringung des Kapitals für die Anteile durch die Beklagte zu 1) zum Gegenstand einer Garantie gemacht und als Rechtsfolge der Nichterbringung nicht die vom Landgericht als nahe liegend bezeichnete Variante einer auflösenden Bedingung oder ein Rücktrittsrecht gewählt haben, für die Beurteilung der Mitursächlichkeit nichts entnehmen. Denn die Mitursächlichkeit einer dem Vertragsschluss vorangegangenen Pflichtverletzung und einer dadurch hervorgerufenen (Fehl‑)Vorstellung fehlt nicht schon wegen einer bestimmten Ausgestaltung des Erklärungs- bzw. Vertragsinhalts. Auch derjenige, dem das Vorliegen oder das Nichtvorliegen eines bestimmten Umstands vertraglich garantiert wird, sieht sich bei Unrichtigkeit der Garantien einer Pflichtverletzung des Vertragspartners gegenüber, deren (Mit‑)Ursächlichkeit für den Vertragsabschluss nicht dadurch entfällt, dass dafür eine Garantie vereinbart worden ist und keine auflösende Bedingung oder ein Rücktrittsrecht. Hinzu kommt, dass die Aufnahme der Garantie vielmehr umgekehrt die Annahme der Mitursächlichkeit dieser Erklärung für den Vertragsschluss stützt, da die Parteien diesen Punkt nicht ausdrücklich geregelt hätten, wenn sie ihn für unbedeutend gehalten hätten. Dabei entspricht es auch der Lebenserfahrung, dass der Vertrag ohne eine solche Garantieerklärung so nicht abgeschlossen worden wäre, da sich die Klägerin wegen § 54 AktG dem Risiko einer eigenen Haftung für die Einlage ausgesetzt sah.
168Entgegen der Auffassung des Landgerichts lassen auch etwaige Kenntnisse des Herrn Dr. L als vormaliger Aufsichtsratsvorsitzender der X AG über eine als schlecht beurteilte wirtschaftliche Situation der Saudi X Ltd. in Saudi‑Arabien jedenfalls nicht die (Mit‑)Ursächlichkeit der von der Klägerin für die Vertragsabschlüsse ebenfalls als maßgeblich beschriebenen Präsenz der X AG auf dem saudi‑arabischen Markt entfallen. Eine Zurechnung von Wissen, das Herrn Dr. L aufgrund vorgelegter Urkunden zugeschrieben wird, nach dem Rechtsgedanken des § 166 BGB berührt nicht die Frage der Kausalität. § 166 BGB bestimmt vielmehr, auf welche Person bei der Frage nach Willensmängeln, Kenntnis oder Kennenmüssen abzustellen ist, wenn die Rechtsfolgen einer Erklärung davon abhängen. Die Frage der Zurechnung des Wissens von Herrn Dr. L stellt sich vorliegend jedoch nicht. Denn für die Zurechnung fremden Wissens kommt es maßgeblich auf diejenigen Personen an, die in der Ursachenkette eigene Beiträge geleistet haben. Das ist in der Person von Herrn Dr. L indes nicht der Fall. Die Entscheidungen, die Abschlüsse zu tätigen, sind allein durch die Herren Dr. L3 und L1 getroffen worden, ohne dass dafür ein relevanter Beitrag des Herrn Dr. L ersichtlich wäre. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass das Herrn Dr. L von der Klägerin erteilte M & A‑Mandat nur bis Mai 2005 Geltung beansprucht hatte, so dass er für eine Mitwirkung im entscheidenden Zeitraum weder bestellt noch tatsächlich einbezogen war. Dass Herr Dr. L seine Kenntnisse über die Saudi X Ltd. an die Klägerin bzw. die Herren Dr. L3 und L1 – möglicherweise unter Verstoß gegen seine Verpflichtung zur Verschwiegenheit als (ehemaliger) Vorsitzender des Aufsichtsrats der X AG – weitergegeben hätte, wird von den Beklagten indes nicht behauptet.
169Auch soweit das Landgericht angesichts der von der Klägerin geäußerten zahlreichen offenen Fragen und nicht unerheblichen Risiken die (Mit-)Ursächlichkeit etwaiger Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Inhalt des Jahresabschlusses zum 31.12.2005 verneint hat, da die Klägerin den nach der Lebenserfahrung nahe liegenden Versuch einer weiteren Aufklärung über die wahre wirtschaftliche Situation der X AG – beispielsweise durch eine Due Diligence‑Prüfung – nicht unternommen habe, lässt dies jedenfalls die (Mit‑)Ursächlichkeit des Inhalts des Jahresabschlusses für die Kaufentscheidung nicht entfallen. Diese Erwägungen könnten allenfalls auf der Ebene des Mitverschuldens Relevanz beanspruchen.
170(bb)
171Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB bestehen schon deswegen nicht, da zwischen diesen Parteien jedenfalls vor Ende Juni 2006 keine Vertragsverhandlungen über einen etwaigen Verkauf der von dieser Beklagten an der X AG gehaltenen Aktien feststellbar sind und hinsichtlich der Gespräche, die anschließend zum Abschluss der (nichtigen) Gesellschaftervereinbarung vom 29.08.2006 geführt haben, von der Klägerin keine der Beklagten zu 1) zuzurechnende Pflichtverletzungen geltend gemacht werden oder sonst ersichtlich sind.
172Gem. § 311 Abs. 2 BGB setzt ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, die Anbahnung eines Vertrages oder ähnliche geschäftliche Kontakte voraus. Bei der hier allein in den Blick zu nehmenden Aufnahme von Vertragsverhandlungen (Nr. 1) geht es um einen tatsächlichen Vorgang, also nicht notwendig bereits um die Abgabe von Willenserklärungen, insbesondere in Gestalt eines Antrags nach § 145 BGB; erfasst werden vielmehr darüber hinaus alle sonstigen Formen (bereits) rechtsgeschäftlicher Kontakte einschließlich bloßer Vorgespräche zu einem beabsichtigten Vertragsabschluss, wobei es sich aber immer schon um „Verhandlungen“ und damit um einen zweiseitigen Vorgang handeln muss (MünchKomm/Emmerich, BGB, 6. Auflage (2012), § 311 Rdn. 46).
173i)
174Dass solche Verhandlungen am 28.04.2006 zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) stattgefunden haben, kann nicht festgestellt werden. Denn bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte zu 1) einen Verkauf der Aktien oder einen anders gearteten rechtsgeschäftlichen Abschluss – wie die spätere Gesellschaftervereinbarung vom 29.08.2006 – abgelehnt. Es gab deshalb keinen Anlass für Verkaufsgespräche. Die Klägerin, die für die Aufnahme derartiger Verhandlungen bereits am 28.04.2006 die Beweislast trägt, hat solche nicht beweisen können. Die Aussage des Zeugen Dr. I ist insoweit unergiebig. Der Zeuge Dr. I hat lediglich ausgesagt, dass neben den Vertretern der L3 AG, für die er an dem Gespräch teilgenommen habe, und den Wirtschaftsprüfern, den Beklagten zu 8) und zu 9), noch eine möglicherweise auch zwei Personen als Vertreter des Aufsichtsrates der X AG an dem Gespräch teilgenommen hätten. Dass der Beklagte zu 10) – wie die Klägerin behauptet – als Verhandlungsführer für die Beklagte zu 1) aufgetreten ist, lässt sich dem nicht entnehmen, zumal der Zeuge Dr. I auch bekundet hat, dass ihm eine Zuordnung der auf der anderen Seite stehenden Gesprächsteilnehmer zu bestimmten Anteilseignern nicht möglich gewesen und dies an dem Tag auch nicht der Zweck des Gesprächs gewesen sei.
175Auch unter Berücksichtigung des zu den Akten gereichten Schriftverkehrs ergibt sich nicht, dass sich die Klägerin und die Beklagten zu 1) am 28.04.2006 bereits in Verhandlungen über den Verkauf der Aktien befanden. Die Klägerin hat zwar unter dem 06.02.2002 ein Schreiben (Anlage K5) an den Beklagten zu 10) gerichtet, in dem sie unter Bezugnahme auf ein Treffen mit diesem vom 01.12.2005 ein konkretes Kaufangebot mit der Bitte unterbreitet hat, „es an den von Ihnen vertretenen Eigner der entsprechenden Anteile weiterzuleiten“. Anders als die Beklagte zu 4), die nach Weiterleitung eines von der Klägerin an den Beklagten zu 5) als Vorsitzenden des Aufsichtsrats der X AG gerichteten Schreibens gleichen Inhalts (Anlage BR14) mit Schreiben vom 13.03.2006 (Anlage BR15) gegenüber dem Beklagten zu 5) ihre Bereitschaft zum Verkauf ihrer Anteile signalisiert hat, ist nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte zu 1) auf das Angebot der Klägerin eingegangen ist. Sie hat dies auch bestritten und vorgetragen, selbst noch nach dem Gespräch am 28.04.2006 Verhandlungen über den Verkauf ihrer Anteile immer wieder abgelehnt bzw. sich auf entsprechende Anfragen der Klägerin nicht eingelassen zu haben. Entsprechendes hat auch der Beklagte zu 10) bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat am 18.04.2012 erklärt und – im Übrigen von der Klägerin unwidersprochen – darauf verwiesen, das mit Schreiben vom 05.05.2006 (Anlage K13) – also nach dem Gespräch am 28.04.2006 – unterbreitete Kaufangebot der Klägerin für die Beklagte zu 1) ebenfalls abgelehnt zu haben. Gestützt wird die Feststellung, es habe die Bereitschaft der Beklagten zu 1) am 28.04.2006 über den Verkauf der Aktien zu verhandeln gefehlt, durch den Inhalt des Schreibens der Klägerin an den Beklagten zu 10) vom 28.06.2006 (Anlage B20 – Bl. 1202/IV). Dem lässt sich entnehmen, dass jedenfalls zu diesem Zeitpunkt die Beklagten zu 4) und zu 6) sowie Herr T zum Verkauf ihrer an der X AG gehaltenen Aktien bereit waren, dem der Beklagte zu 10) als noch zu bevollmächtigender Vertreter der Beklagten zu 1) aufgrund der Vinkulierung der Aktien die Zustimmung erteilten sollte.
176Etwas anderes lässt sich auch nicht dem Inhalt der Rechnung vom 04.09.2006 (Anlage K95) entnehmen, mit der der Beklagte zu 10) der Klägerin aufgrund einer – wie er bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat am 12.04.2012 erklärt hat – mündlich getroffenen Vereinbarung einen Betrag von 20.265,47 € für seine „Tätigkeit, in der Zeit v. 28.2.-30.8.2006, als Vertreter der C2 KG [Beklagte zu 1] bei den Verhandlungen mit der L3 AG über eine Gesellschaftervereinbarung, welche die die zukünftige Zusammenarbeit zwischen den Parteien bei der X AG regelt, und der erforderlichen Abstimmungen mit allen Beteiligten“ in Rechnung gestellt hat, die von der Klägerin auch beglichen worden ist. Unabhängig davon, dass der Abrechnungszeitraum, für den der Beklagte zu 10) Honorar verlangt hat, auch den Zeitpunkt des Gesprächs am 28.04.2006 umfasst, bezieht sich das Schreiben nur auf Verhandlungen über die Gesellschaftervereinbarung, die – wie zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) unstreitig ist – nicht vor Ende Juni 2006 aufgenommen worden sind.
177Auch der Umstand, dass die Beklagte zu 1) auf Verlangen der Beklagten zu 7) bereit war, dieser für eine Tätigkeit im Hinblick auf die Verkaufsverhandlungen der Klägerin jedenfalls mit der Beklagten zu 4) ein Auftragsschreiben (Anlage K9) zu unterzeichnen und diese von der Verschwiegenheitsverpflichtung zu entbinden, lässt im Außenverhältnis zur Klägerin gegenüber dieser kein vorvertragliches Schuldverhältnis entstehen, für dessen Verletzung die Beklagte zu 1) einzustehen hätte, auch wenn das Schreiben mit dem von der Beklagten zu 7) vorformulierten Satz „Wir stehen in Verhandlungen mit einem potentiellen Erwerber über den Verkauf von Aktien in Teilen oder zur Gänze“ einleitet. Es steht nämlich fest, dass dieser offensichtlich vorformulierte Satz die Tatsachen nicht richtig wiedergibt.
178ii)
179Für das damit erst ab dem 01.07.2006 anzunehmende vorvertragliche Schuldverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1), als diese in Verhandlungen eintraten, die letztlich zum Abschluss der Gesellschaftervereinbarung vom 29.08.2006 führten, werden seitens der Klägerin keine der Beklagten zu 1) zuzurechnenden Pflichtverletzungen durch die Beklagten zu 2) und zu 3) als ihre persönlich haftenden Gesellschafter oder durch den Beklagten zu 10) als ihren möglichen Erfüllungsgehilfen vorgetragen.
180Etwaige Verletzungen von Offenbarungspflichten durch die für die Beklagte zu 1) handelnden Personen sind ebenfalls nicht erkennbar. Jedenfalls trägt die Klägerin solche nicht mit hinreichender Substanz vor. Zudem ist nicht ersichtlich, dass die Beklagten zu 2) oder zu 3) Kenntnis von den von ihr behaupteten Fehlern des Jahresabschlusses der X AG zum 31.12.2005 gehabt hätten. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang vorträgt, der Beklagte zu 3) sei nicht bereit gewesen, die von der Beklagten zu 1) geschuldete Erhöhung des Grundkapitals um 3.498.000 € zu erbringen und habe die anderslautende Erklärung vom 14.08.2004 (Anlage K37) offenkundig nur zum Schein abgegeben, genügt dies für die schlüssige Behauptung einer offenbarungspflichtigen Kenntnis des Beklagten zu 3) vom Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage nicht.
181Zudem hat die Klägerin dem Hinweis des Senats vom 21.01.2013, dass er keine Pflichtverletzungen im Rahmen eines nach dem 28.04.2006 begründeten vorvertraglichen Schuldverhältnisses im Vorfeld der Gesellschaftervereinbarung zu erkennen vermag, die sich die Beklagte zu 1) mit anspruchsbegründender Wirkung entgegenhalten lassen muss, weder widersprochen noch ihn zum Anlass zu ergänzendem Vortrag genommen.
182(2)
183Deliktische Ansprüche gem. § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB – jeweils i.V.m. § 31 BGB – bestehen gegenüber der Beklagten zu 1) ebenfalls nicht. Wie bereits ausgeführt fehlt es im Hinblick auf die organschaftlichen Vertreter der Beklagten zu 1) an substantiiertem Vortrag der Klägerin, dem sich ein deliktisches Verhalten der Beklagten zu 2) und zu 3) entnehmen ließe.
184Auch soweit die Klägerin auf ein etwaiges Fehlverhalten der für die Beklagte zu 7) handelnden Beklagten zu 8) und zu 9) sowie des Beklagten zu 10) abstellt, scheidet eine deliktische Haftung der Beklagten zu 1) ebenfalls aus, da es sich bei diesen Beklagten mangels Weisungsgebundenheit nicht um Verrichtungsgehilfen der Beklagten zu 1) i.S.d. § 831 BGB handelt.
185bb) Beklagter zu 3)
186Die von der Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 3) geltend gemachten Zahlungsansprüche bestehen ebenfalls nicht.
187Ein Zahlungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 3) auf Grund seiner Stellung als persönlich haftender Gesellschafter der Beklagten zu 1) gem. §§ 161 Abs. 2, 128 HGB besteht nicht, da es wie dargelegt an einer Schuld der Beklagten zu 1) fehlt.
188Die Klägerin trägt im Hinblick auf den Beklagten zu 3) vor, dass er entgegen seiner Erklärung vom 14.08.2004 (Anlage K37) nicht bereit gewesen sei, die Kapitalerhöhung durch Bareinlage in Höhe von 3.498.000 € für die Beklagte zu 1) an die X AG zu zahlen. Wenn sie insoweit einen Anspruch auf Schadensersatz gegen ihn zu haben meint, kann dem schon nicht gefolgt werden, weil die als Kapitalerhöhung in Aussicht genommene Summe tatsächlich an die X AG geflossen ist. Der Senat kann nicht davon ausgehen, dass der Beklagte zu 3) die fehlende Tauglichkeit des Zahlungsflusses als Erbringung der Bareinlage erkannt hat. Die Klägerin hat ihre gegenteilige Behauptung nicht unter Beweis gestellt. Eine möglicherweise anspruchsbegründende, dem Beklagten zu 3) vorzuwerfende Täuschung oder eine sonstige Pflichtwidrigkeit kann deshalb nicht festgestellt werden.
189cc) Beklagte zu 4)
190Der Klägerin stehen auch gegenüber der Beklagten zu 4) die geltend gemachten Zahlungsansprüche nicht zu.
191(1)
192Ein Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises in Höhe von 7.500.000 € gem. § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB besteht gegen die Beklagte zu 4) nicht. Die für die Annahme einer rechtsgrundlosen Leistung erforderliche Wirksamkeit der von der Klägerin mit Schreiben vom 21.09.2007 erklärten Anfechtung ihrer auf den Abschluss des Erwerbsvertrages vom 30.06.2006 gerichteten Erklärung gem. §§ 142, 123 BGB scheitert daran, dass der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 4) kein Recht zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zusteht.
193Gegenüber der Beklagten zu 4), die bei dem Gespräch am 28.04.2006 nicht durch einen organschaftlichen oder sonst bevollmächtigten Vertreter vertreten worden war, besteht ein Recht zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nur dann, wenn sich die Beklagte zu 4) als Erklärungsempfängerin ein täuschendes Verhalten entweder zurechnen lassen muss oder ein Dritter eine Täuschung vorgenommen hat, die sie kannte oder kennen musste, § 123 Abs. 2 S. 1 BGB. Es fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zu 4) eine etwaige Täuschung der Klägerin durch die als Dritte allein in Betracht zu ziehenden Beklagten zu 7, 8) und zu 9) kannte oder hätte kennen müssen. Die Anfechtbarkeit ihrer Vertragserklärung wegen arglistiger Täuschung gegenüber der Beklagten zu 4) wäre deshalb nur zu erwägen, wenn die für die Beklagte zu 7) handelnden Beklagten zu 8) und zu 9) nicht als Dritte i.S.d. § 123 Abs. 2 S. 1 BGB anzusehen wären. Das ist jedoch nicht der Fall.
194Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 20.11.1995 – II ZR 209/94, NJW 1996, 1051) kann von einem Dritten dann nicht gesprochen werden, wenn „dessen Verhalten dem Erklärungsempfänger wegen besonders enger Beziehungen zwischen beiden oder wegen besonderer Umstände billigerweise zugerechnet werden muss“. Dritter ist damit nicht, wer im Lager des Erklärungsempfängers steht oder als dessen Vertrauensperson erscheint, sofern dies dem Erklärungsempfänger zurechenbar ist (MünchKomm/Armbrüster, BGB, 6. Auflage (2012), § 123 Rdn. 64). Da mit der Ausklammerung des Anfechtungsrechts im Fall der Täuschung durch Dritte aber lediglich Härten zum Nachteil des Erklärungsempfängers vermieden werden sollen, ist der Kreis der Dritten eng auszulegen und bei verbleibenden Zweifeln der Handelnde nicht als Dritter anzusehen (MünchKomm/Armbrüster, BGB, 6. Auflage (2012), § 123 Rdn. 65).
195Die Beklagte zu 7) ist Dritte im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB. Das Verhältnis zwischen der Beklagten zu 4) einerseits und der Beklagten zu 7) sowie den für sie handelnden Beklagten zu 8) und zu 9) andererseits ist im Hinblick auf die Erteilung der Auskünfte durch die Beklagte zu 7) an die Klägerin unzweifelhaft weder durch eine besonders enge Beziehung geprägt, noch erfordern die Grundsätze der Billigkeit eine Zurechnung. Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass die Beklagte zu 4) die einzige Aktionärin der X AG war, die – wie sich ihrem Schreiben vom 13.03.2006 (Anlage BR15) entnehmen lässt – schon vor dem Gespräch am 28.04.2006 zu Verhandlungen über den Verkauf der von ihr gehaltenen Aktien mit der Klägerin bereit war, ist trotzdem für die Stellung der Beklagten zu 7) in erster Linie entscheidend, dass sie den Jahresabschluss zum 31.12.2005 im Auftrag der X AG und nicht in dem der Aktionäre geprüft hat, und es – wie zwischen den Parteien unstreitig ist – der Wunsch der Klägerin war, die Beklagte zu 7) bzw. deren Berufsträger persönlich nach weitergehenden Informationen – auch über den Inhalt des Prüfungsberichts hinaus – fragen zu können. Hinzu kommt, dass für die Stellung der Beklagten zu 7) als Abschlussprüferin auch wesentlich ist, dass sie nicht lediglich einen bestimmten Auftragsinhalt, sondern einen gesetzlich zwingend festgelegten Pflichtenkatalog zu prüfen hat, der nicht zu ihrer – und des Auftraggebers – Disposition steht. Insoweit ist es mit der unabhängigen Stellung der Beklagten zu 7) als Abschlussprüferin nicht zu vereinbaren, sie bei der hier zu betrachtenden Erteilung von Auskünften über den von ihr geprüften Jahresabschluss oder damit zusammenhängende Umstände als im Lager der Beklagten zu 4) stehend ansehen zu wollen. Die Beziehung zwischen der Beklagten zu 4) und der Beklagten zu 7) ändert sich mit Blick auf deren Einordnung als Dritte auch nicht dadurch, dass sämtliche Aktionäre der X AG und damit auch die Beklagte zu 4) der Beklagten zu 7) in den mit „Auftragserteilung“ überschriebenen und im Wesentlichen gleich lautenden Schreiben u.a. erklärt haben, dass sie die Beklagte zu 7) beauftragen, dem Wirtschaftsprüfer des Kaufinteressenten jegliche Auskünfte zu erteilen, die die Jahresabschlüsse zum 31.12.2005 und der Vorjahre betreffen. Da die Befreiung der Beklagten zu 7) von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit durch die gesetzlichen Vertreter der X AG zu erklären war und auch erklärt wurde, erschließt sich die Notwendigkeit dieser Erklärungen, die die Aktionäre allein auf Bitten der Beklagten zu 7) – möglicherweise um sich auch diesen gegenüber abzusichern – abgegeben haben, nicht. Jedenfalls führt diese von der Beklagten zu 4) erklärte Auftragserteilung – unabhängig davon, dass sie nach ihrem Vortrag gar keinen Auftrag hat erteilen wollen – nicht dazu, zwischen ihr und der Beklagten zu 7) eine besonders enge Beziehung oder eine Zurechnung aus Gründen der Billigkeit anzunehmen.
196(2)
197Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 4) gem. §§ 280, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB sind ebenfalls nicht gegeben. Da nach dem zuvor Gesagten keine wirksame Anfechtung des Erwerbs- und Übertragungsvertrages vom 30.06.2006 durch die Klägerin vorliegt, kommen vorvertragliche oder vertragliche Ansprüche wegen der Regelung in dessen Ziffer 5.3 vorliegend nicht in Betracht. Danach sind mit Ausnahme von Ansprüchen wegen Vorsatz und Arglist alle anderen Ansprüche der Klägerin als Käuferin gegen die Beklagte zu 4) als Verkäuferin aufgrund einer – gegebenenfalls auch implizierten – Gewährleistung, seien sie vorvertraglicher oder vertraglicher Art, soweit jeweils rechtlich zulässig, ausgeschlossen.
198Für vorsätzlich schuldhaft begangene Pflichtwidrigkeiten der gesetzlichen Vertreter der Beklagten zu 4) ergeben sich aus dem Vortrag der Klägerin keine Anhaltspunkte. Jedenfalls sind sie zu Lasten der Beklagten zu 4) nicht feststellbar.
199Offenbleiben kann an dieser Stelle, ob die Behauptungen der Klägerin zu Pflichtverletzungen der Beklagten zu 8) und zu 9) zutreffend sind. Selbst wenn sie es wären und sich die Beklagten zu 8) und zu 9) bei dem Gespräch am 28.04.2006 als Erfüllungsgehilfen der Beklagten zu 4) erweisen würden, ist ihre Haftung im Hinblick auf § 278 S. 2 BGB zulässigerweise ausgeschlossen.
200(3)
201Der Klägerin stehen gegen die Beklagte zu 4) auch keine Ansprüche aus den in Ziffer 4 des Erwerbs- und Übertragungsvertrages vom 30.06.2006 abgegebenen Garantien zu.
202Danach garantiert die Beklagte zu 4) der Klägerin im Sinne eines selbständigen, verschuldensunabhängigen Garantievertrages nach §§ 311 Abs. 1, 241 BGB – mithin nicht als Garantie nach §§ 443, 444 BGB und unabhängig von eigener Kenntnis, es sei denn es wird ausdrücklich auf die Kenntnis der Beklagten zu 4) abgestellt –, dass die unter Ziffer 4.1 bis 4.7 des Vertrages aufgeführten Aussagen – falls kein anderer Tag, gegebenenfalls auch ergänzend, benannt ist – zum Zeitpunkt des Abschlusses des Erwerbs- und Übertragungsvertrages und zum Übertragungsstichtag richtig, vollständig und nicht irreführend sind.
203(aa)
204Die Beklagte zu 4) hat in Ziffer 4.1 des Vertrages lediglich die – den Tatsachen entsprechende – Garantie dafür übernommen, dass ihre Aktien wirksam entstanden und vollständig eingezahlt sind, ohne jedoch eine solche Garantie auch für die Aktien der anderen Aktionäre zu übernehmen. Selbst wenn man dies wegen der Bezugnahme auf Ziffer 1) der Präambel des Vertrages und der Garantie der Richtigkeit der dort gemachten Angaben – u.a. dass die X AG über ein Grundkapital in Höhe von 19.330.000 € verfügt – anders sehen wollte, hätte sie trotzdem nicht für nicht vollständig erbrachte Einzahlungen anderer Aktionäre einzustehen. Denn in Ziffer 4.2 des Vertrages hat die Beklagte zu 4) ausdrücklich erklärt, dass ihr eine Nachschusspflicht, gleichgültig aus welchem Rechtsgrund, auch wegen unzureichender oder verschleierter Sachgründung/Sacheinlage nicht bekannt sei. Auch wenn – wie noch zu zeigen sein wird – die von der Beklagten zu 1) auf die Kapitalerhöhung geleistete Zahlung deren Verpflichtung zur Erbringung der Einlage in Höhe von rund 2.200.000 € nicht zum Erlöschen gebracht hat, ist die Haftung der Beklagten zu 4) kenntnisabhängig. Dass sie über eine entsprechende Kenntnis verfügt hat, wird von der Klägerin indes nicht behauptet.
205(bb)
206Ebenso wenig haftet die Beklagte zu 4) der Klägerin gem. Ziffer 4.6 des Vertrages. Denn die danach von der Beklagten zu 4) übernommene Garantie dafür, dass die X AG weder zahlungsunfähig oder drohend zahlungsunfähig noch überschuldet ist, ist ebenfalls von ihrer Kenntnis abhängig. Da die Klägerin eine solche Kenntnis der Beklagten zu 4) schon nicht behauptet, kann die Richtigkeit ihrer Behauptung, dass die X AG schon im Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse insolvenzreif gewesen sei, an dieser Stelle dahinstehen.
207dd) Beklagte zu 7)
208(1)
209Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten zu 7) kein Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB zu, da zwischen diesen Parteien keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen bestehen. Insbesondere ist zwischen ihnen kein Auskunftsvertrag zustande gekommen. Zwar ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH der stillschweigende Abschluss eines Auskunftsvertrags zwischen Geber und Empfänger der Auskunft und damit eine vertragliche Haftung des Auskunftsgebers für die Richtigkeit seiner Auskunft regelmäßig dann anzunehmen, wenn die Auskunft für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung ist und er sie zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse machen will, was insbesondere in den Fällen anzunehmen ist, in denen der Auskunftsgeber für die Erteilung der Auskunft besonders sachkundig oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse bei ihm im Spiel ist (BGH, Urteil vom 17.10.1989 – XI ZR 39/89, VersR 1989, 1306 – juris Rz. 12; Urteil vom 13.02.1992 – III ZR 28/90, VersR 1992, 964). Allerdings bedeutet dies nicht, dass für das Zustandekommen eines (stillschweigenden) Auskunftsvertrages ohne Rücksicht auf die Besonderheiten des jeweiligen Falles allein schon die Sachkunde des Auskunftsgebers und die Bedeutung der Auskunft für den Empfänger ausreichen (BGH, Urteil vom 16.06.1988 – III ZR 182/87, BGHR BGB § 676 – Auskunftsvertrag 1 – juris Rz. 13; Urteil vom 17.09.1985 – VI ZR 73/84, VersR 1986, 158 – juris Rz. 8). Diese Umstände stellen vielmehr lediglich Indizien dar, die, wenn auch mit erheblichem Gewicht, in die Würdigung der gesamten Gegebenheiten des konkreten Falls einzubeziehen sind. Für den stillschweigenden Abschluss eines Auskunftsvertrags ist entscheidend darauf abzustellen, ob die Gesamtumstände unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung und des Verkehrsbedürfnisses den Rückschluss zulassen, dass beide Teile nach dem objektiven Inhalt ihrer Erklärungen die Auskunft zum Gegenstand vertraglicher Rechte und Pflichten gemacht haben (RGZ 162, 129 (154 f.); BGH, Urteil vom 05.12.1972 – VI ZR 120/71, VersR 1973, 247 (249) – juris Rz. 40; Urteil vom 17.09.1985 – VI ZR 73/84, VersR 1986, 158 – juris Rz. 8; Urteil vom 13.02.1992 – III ZR 28/90, VersR 1992, 964). So hat der BGH bei der rechtlichen Beurteilung von Fällen, in denen der konkludente Abschluss eines Auskunftsvertrags angenommen oder in Erwägung gezogen wurde, außer der Sachkunde des Auskunftsgebers und der Bedeutung seiner Auskunft für den Empfänger jeweils auch weitere Umstände mitberücksichtigt, die für einen Verpflichtungswillen des Auskunftsgebers sprechen können (vgl. dazu Urteil vom 13.02.1992 –III ZR 28/90, VersR 1992, 964).
210Gemessen an diesen Maßstäben kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin und die Beklagte zu 7) deren Auskünfte über den Inhalt des Jahresabschlusses zum 31.12.2005 der X AG zum Gegenstand vertraglicher Rechte und Pflichten gemacht haben. Zwar hat der BGH die Hinzuziehung des Auskunftsgebers zu Vertragsverhandlungen auf Verlangen des Auskunftsempfängers (BGH, Urteil vom 25.10.1966 – VI ZR 8/65, VersR 1967, 65 (66)) oder deren Einbeziehung in solche Verhandlungen als unabhängige neutrale Person (BGH, Urteil vom 18.01.1972 – VI ZR 184/70, VersR 1972, 441 (443)) als solche Umstände angesehen, die die Annahme eines konkludenten Vertragsschlusses stützen können. Jedoch sind diese Voraussetzungen hier nicht gegeben. Auch wenn die Klägerin die Hinzuziehung der Beklagten zu 7) zu dem Gespräch am 28.04.2006 erbeten hat, hat sie sich dazu jedoch an die X AG gewandt, die die Beteiligung ihrer Abschlussprüfer vermittelt hat. Die Zielgesellschaft ist jedoch nicht der potentielle Vertragspartner des von der Klägerin angestrebten Unternehmenskaufs. Gegenüber den Aktionären der X AG als potentielle Verkäufer – Bereitschaft zum Verkauf ihrer Aktien hatte bis zum 28.04.2006 ohnehin nur die Beklagte zu 4) gezeigt – hat sie die Bitte, mit den Wirtschaftsprüfern des Unternehmens sprechen zu wollen, nicht geäußert. Die Klägerin hat erkennbar auch selbst nicht angenommen, dass sie mit der Beklagten zu 7) in einer vertraglichen Verbindung gestanden habe. Sie hat vielmehr mit der Hinzuziehung eines eigenen Wirtschaftsprüfers, dem Zeugen Dr. I, auch zum Ausdruck gebracht, bei der Beurteilung der finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens nicht allein auf die Sachkunde der Beklagten zu 7) angewiesen sein zu wollen (vgl. BGH, Urteil vom 17.09.1985 – VI ZR 73/84, VersR 1986, 158 – juris Rz. 9).
211(2)
212Der Klägerin stehen gegen die Beklagte zu 7) auch keine Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB nach den Grundsätzen der Rechtsprechung über den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in entsprechender Anwendung der §§ 328 ff. BGB zu.
213(aa)
214Der Senat lässt offen, ob die Klägerin als Dritte in den Schutz eines Vertrags, den die X AG oder möglicherweise auch deren Aktionäre mit der Beklagten zu 7) abgeschlossen hatten, einbezogen gewesen ist.
215Ein Dritter wird nur dann in die aus einem Vertrag folgenden Sorgfalts- und Schutzpflichten einbezogen, wenn er mit der Hauptleistung nach dem Inhalt des Vertrages bestimmungsgemäß in Berührung kommen soll und den Gefahren von Gefahren von (Schutz-)Pflichtverletzungen ebenso ausgesetzt ist wie der Gläubiger selbst oder die Umstände des Einzelfalls ansonsten konkrete Anhaltspunkte für den Parteiwillen ergeben, dem Schutz- und Sicherheitsbedürfnis des Dritten Rechnung zu tragen (BGH, Urteil vom 24.01.2006 – XI ZR 384/03, NJW 2006, 830 – Rz. 52 m.w.N.; Urteil vom 07.02.1968 – VIII ZR 179/65, NJW 1968, 694 (695); Urteil vom 19.09.1973 – VIII ZR 175/72, NJW 1973, 2059 (2061), Urteil vom 12.11.1979 – II ZR 174/77, NJW 1980, 589 (590); Urteil vom 10.11.1994 – III ZR 50/94, NJW 1995, 392; Urteil vom 02.04.1998 – III ZR 245/96, NJW 1998, 1948 (1949)). Solche Schutzwirkungen für einen Dritten, der selbst keinen Anspruch auf die Hauptleistung aus dem Vertrag hat, können sich insbesondere aus solchen Verträgen ergeben, mit denen der Auftraggeber von einer Person, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügt, ein Gutachten bestellt, um davon gegenüber einem Dritten Gebrauch zu machen (BGH, Urteil vom 06.04.2006 – III ZR 256/04, NJW 2006, 1975 – juris Rz. 12). Allerdings sind an die Annahme einer vertraglichen Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich strenge Anforderungen zu stellen (BGH, Urteil vom 06.04.2006 – III ZR 256/04, NJW 2006, 1975 – juris Rz. 13 a.E.; Beschluss vom 30.10.2008 – III ZR 307/07, NJW 2009, 512 – juris Rz. 5).
216Die Beklagte zu 7), die als Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Pflichtprüfung der X AG nach §§ 316 ff. HGB betraut worden ist, gehört grundsätzlich zu einem Personenkreis, dessen Stellungnahmen aufgrund der Sachkunde und der von ihm erwarteten Unabhängigkeit, Gewissenhaftigkeit und Unparteilichkeit – insbesondere bei Prüfungsaufträgen – von besonderer Bedeutung sind und Grundlage für die Entscheidungen Dritter im wirtschaftlichen und finanziellen Bereich sein können (vgl. BGH, Urteil vom 06.04.2006 – III ZR 256/04, NJW 2006, 1975 – juris Rz. 12).
217Grundsätzlich ist der Abschlussprüfer gem. § 323 Abs. 1 S. 3 HGB nur der Gesellschaft (und, wenn ein verbundenes Unternehmen geschädigt worden ist, auch diesem gegenüber), nicht jedoch den Anteilseignern und sonstigen Gläubigern der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet ist (BGH, Urteil vom 06.04.2006 – III ZR 256/04, NJW 2006, 1975 – juris Rz. 13; Beschluss vom 30.10.2008 – III ZR 307/07, NJW 2009, 512 – juris Rz. 5). Nach der Rechtsprechung des BGH ist zwar anerkannt, dass diese gesetzgeberische Intention, das Haftungsrisiko des Abschlussprüfers angemessen zu begrenzen, auch im Rahmen der vertraglichen Dritthaftung zu beachten ist und die Einbeziehung einer unbekannten Vielzahl von Gläubigern, Gesellschaftern oder Anteilserwerbern in den Schutzbereich des Prüfauftrags dieser Tendenz zuwiderläuft (vgl. BGH, Urteil vom 06.04.2006 – III ZR 256/04, NJW 2006, 1975 – juris Rz. 13), jedoch schließt die Bestimmung des § 323 HGB trotzdem nicht aus, dass für den Abschlussprüfer auch eine Schutzpflicht gegen dritten Personen begründet werden kann (Beschluss vom 30.10.2008 – III ZR 307/07, NJW 2009, 512 – juris Rz. 5). Zu beachten ist dabei insbesondere, dass Bestätigungsvermerken nach § 325 Abs. 1 HGB ohnehin die Bedeutung zukommt, Dritten Einblick in die wirtschaftliche Situation des publizitätspflichtigen Unternehmens zu gewähren und ihnen für ihr beabsichtigtes Engagement eine Beurteilungsgrundlage zu geben, ohne dass dies den Gesetzgeber veranlasst hat, die Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers ebenso weit zu ziehen, so dass es für die Annahme einer Schutzwirkung in dem hier betroffenen Bereich nicht allein genügt, dass ein Dritter die von Sachkunde geprägte Stellungnahme des Prüfers für diesen erkennbar zur Grundlage einer Entscheidung mit wirtschaftlichen Folgen machen möchte (Beschluss vom 30.10.2008 – III ZR 307/07, NJW 2009, 512 – juris Rz. 5). Vor diesem Hintergrund hält es der BGH jedoch grundsätzlich für erforderlich, dass dem Abschlussprüfer deutlich wird, dass von ihm im Drittinteresse eine besondere Leistung erwartet wird, die über die Erbringung der gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtprüfung hinausgeht (Beschluss vom 30.10.2008 – III ZR 307/07, NJW 2009, 512 – juris Rz. 5).
218Unter Anwendung dieser Maßstäbe lässt sich eine Einbeziehung der Klägerin sowohl in den Schutzbereich des zwischen der Beklagten zu 7) mit der X AG geschlossenen Auftrags zur Prüfung des Jahresabschlusses zum 31.12.2005 sowie in einen unter Umstände seitens der Aktionäre anzunehmenden Auftrags an die Beklagte zu 7) (Anlagen K9-K11) zur Erteilung von jeglichen Auskünften, die die Jahresabschlüsse zum 31.12.2005 und der Vorjahre betreffen, annehmen. Denn aus einem Schreiben der Beklagten zu 7) vom 27.03.2006 (Anlage K8) ergibt sich, dass ihr bekannt war, einem potentiellen Kaufinteressenten Auskünfte über die Jahresabschlüsse der X AG für 2005 sowie der Vorjahre zu geben, und ihr damit, wenn auch erst nach Erteilung des Auftrags Mitte des Jahres 2005, jedenfalls im Zeitpunkt der Erteilung des Testats am 31.03.2006 erkennbar war, dass ein Dritter ihre Stellungnahme zur Grundlage für eine Kaufentscheidung machen wird. Hinzu kommt, dass sie die Erwartung hatte, auch Auskünfte erteilen zu müssen, die über die Erbringung der gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtprüfung hinausgeht, da sie in ihrem bereits angesprochenen Schreiben vom 27.03.2006 (Anlage K8) auch die dringende Empfehlung ausgesprochen hat, mit dem potentiellen Erwerber wegen der unmittelbaren Konkurrenzsituation eine weitgehende „Vertraulichkeitserklärung“ (offenkundig gemeint: Vertraulichkeitsvereinbarung) zu treffen.
219Die weiterhin für die Einbeziehung in den Schutzbereich erforderliche Schutzbedürftigkeit der Klägerin ist ebenfalls gegeben, da der Klägerin – wie sich aus den Ausführungen des Urteils im Übrigen ergibt – gegen einen oder alle Vertragspartner bei den Anteilsveräußerungen keine eigenen vertraglichen Ansprüche zustehen.
220(bb)
221Wollte man von einer aus vertraglicher Grundlage hervorgehenden Schutzwirkung zugunsten der Klägerin ausgehen, käme eine Haftung der Beklagten zu 7) gegenüber der Klägerin gleichwohl nicht in Betracht, da sie gegenüber der Klägerin keine Pflichtverletzung begangen hat. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagten zu 8) und zu 9) als Geschäftsführer der Beklagten zu 7) bei dem Gespräch am 28.04.2006 auf Fragen der Klägerin fehlerhafte Auskünfte gegeben haben oder sie Anlass gehabt hätten, unrichtige Erklärungen Dritter richtig zu stellen, soweit Gegenstände betroffen waren, die über den Inhalt der Pflichtprüfung hinausgingen.
222Dass in dem Gespräch am 28.04.2006 weder über eine verdeckte Sacheinlage noch über offene Einlageverbindlichkeiten gesprochen worden ist, haben die Geschäftsführer der Klägerin, die Herren Dr. L3 und L1, bei ihrer Anhörung durch den Senat am 06.04.2011 ausdrücklich erklärt, so dass sich eine diesbezügliche Unrichtigkeit allein auf den Inhalt des Prüfungsberichts beschränkt.
223Im Übrigen hat die Klägerin ihre Behauptungen zu den weiteren Aussagen, die in dem Gespräch am 28.04.2006 durch die Beklagten zu 8) und zu 9) gemacht worden oder von Dritten gemacht und von den Beklagten zu 8) und zu 9) unwidersprochen geblieben sein sollen, nicht bewiesen. Nach der vor dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme kann nicht festgestellt werden, dass von den Beklagten zu 8) und zu 9) über den Inhalt des Prüfungsberichtes der Beklagten zu 7) hinaus Angaben gemacht worden sind. Der bei dem Gespräch anwesende und von der Klägerin in seiner Eigenschaft als Wirtschaftsprüfer hinzugezogene Zeuge Dr. I hat bei seiner Aussage (vgl. S. 2 ff. Protokoll vom 06.11.2013), an deren Glaubhaftigkeit der Senat keinen Zweifel hat, bekundet, an den Ablauf des Gesprächs vom 28.04.2006 keine konkrete Erinnerung mehr zu haben. Allerdings hat er die Atmosphäre, in der das Gespräch stattfand, insgesamt als eigenartig und in seiner Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer einmalig beschrieben, da ihm die Beklagten zu 8) und zu 9) den Eindruck vermittelten, eigentlich nicht mit ihm und den Vertretern der Klägerin sprechen zu wollen, und sie nach seinem Eindruck „voll in der Deckung“ geblieben seien, ohne dass sie jedoch ausdrücklich gesagt hätten, zu bestimmten Fragen nichts sagen zu dürfen. Der Zeuge Dr. I hat zudem darauf verwiesen, dass das Schema der Antworten der Beklagten zu 8) und zu 9) auf die gestellten Fragen immer darin bestanden habe, den Inhalt des Jahresabschlusses wiederzugeben, ohne dass jedoch darüber hinaus gehende Angaben gemacht worden seien. Selbst eine vom ihm als unhöflich erlebte Wiederholung einer Frage habe daran nichts geändert. Insgesamt hat der Zeuge Dr. I das Gespräch auch deswegen als „besonders unfruchtbar“ erlebt, weil die wesentlichen Inhalte und interessanten Teile bei solchen Gesprächen zwischen den Zeilen lägen, wozu nach seiner Erinnerung ebenfalls keine Auskünfte erteilt worden seien. Zudem hat er das Gespräch insgesamt als frustrierend erlebt, weil die Beklagten zu 8) und zu 9) „nicht einmal zum Wetter etwas gesagt“ hätten. Entsprechend unzufrieden hat der Zeuge Dr. I auch die Reaktion der Vertreter der Klägerin auf der etwa einstündigen Rückfahrt nach P beschrieben, auf der während der ersten halben Stunde nur geschimpft worden sei.
224Auch die weiteren Angaben des Zeugen Dr. I zu den einzelnen von der Klägerin behaupteten und ihm vom Senat vorgehaltenen Inhalten des Gesprächs vom 28.04.2006 erweisen sich als insoweit unergiebig, da der Zeuge lediglich hat bekunden können, hieran keine konkrete Erinnerung mehr zu haben, was aufgrund des zwischenzeitlichen Zeitablaufs gut nachvollziehbar ist und plausibel erscheint. So hat der Zeuge Dr. I bekundet, keine sichere Erinnerung mehr daran zu haben, ob bei dem Gespräch darüber gesprochen worden sei, mit welchem Wert die Beteiligung der X AG an der Saudi X Ltd. im Jahresabschluss aktiviert worden sei, oder dass deren Geschäftsaussichten oder Geschäftsentwicklungen erörtert worden seien, um die möglichen Hintergründe der vorgenommen Bewertung zu verstehen. Da es sich bei der Bewertung der saudischen Beteiligung aber um einen relevanten Umstand gehandelt habe, könne er nur vermuten, dass darüber gesprochen worden sei, ohne hieran jedoch eine konkrete Erinnerung zu haben. Soweit aber Erläuterungen zu „arabischen Sachverhalten“ erfolgt seien, könne er diese jedoch dem Beklagten zu 10) zuordnen, da ihm wieder gegenwärtig geworden sei, dass er ihn als in diesen Belangen besonders sachkundig angesehen habe. Ob in dem Gespräch auch über eine Patronatserklärung gesprochen worden ist, entzieht sich ebenfalls der Erinnerung des Zeugen Dr. I. Wenn über eine solche Erklärung gesprochen worden sei – so hat der Zeuge bekundet – so sei nur das im Jahresabschluss enthaltene gesagt worden. Der Zeuge ist sich zwar sicher gewesen, dass in dem Gespräch auch über Bewertungsgrundsätze gesprochen worden ist, jedoch hat er auch insoweit nur bekundet, dass sich die Erläuterungen dort ebenfalls auf das beschränkt hätten, was sich ohnehin schon aus dem Jahresabschluss ergebe. Gleichermaßen geht der Zeuge Dr. I entsprechend der von ihm angenommenen Üblichkeit bei der Erörterung von Abschlüssen in der Baubranche davon aus, dass auch über die Berücksichtigung von Nachträgen im Bereich der unfertigen Erzeugnisse gesprochen worden sei, ohne aber noch bekunden zu können, welche Erläuterungen und Auskünfte insoweit durch die Beklagten zu 8) und zu 9) erteilt worden sind. Er hat auch in diesem Zusammenhang lediglich ausgesagt, dass die Beklagten zu 8) und zu 9) insoweit wiederum nur erklärt hätten, dass die im Anhang zum Jahresabschluss angegebenen Bewertungsregeln eingehalten worden und darüber hinaus gehende Zweifel unangebracht seien. Darüber hinaus hat der Zeuge Dr. I lediglich bestätigen können, dass einzelne Bauvorhaben eine Rolle gespielt hätten, die in dem Konvolut des Abschlusses besondere Erwähnung gefunden hätten und zu denen die – aus seiner Sicht offensichtlich mit entsprechenden Vorkenntnissen versehenen – Vertreter der Klägerin Nachfragen dazu gestellt hätten, was aus diesem oder jenem Bauvorhaben geworden sei. Weiter hat er erklärt, nicht zuverlässig sagen zu können, welcher Teilnehmer „auf der anderen Seite“ der Verhandlungsteilnehmer, die der Zeuge Dr. I – wie er zuvor in anderem Zusammenhang klargestellt hat – als diejenigen Personen versteht, die nicht auf Käuferseite standen, auf die erwähnten Fragen nach bestimmten Bauvorhaben und deren weiterer Entwicklung geantwortet hat. Ebenso wenig hat der Zeuge Dr. I bestätigt, dass in diesem Zusammenhang erklärt worden sei, Bauvorhaben seien komplexer geworden und alle Bauvorhaben müssten mit höheren Kosten leben. Daran, dass auch Drohverluste Inhalt des Gesprächs waren, hatte der Zeuge Dr. I ebenfalls keine Erinnerung mehr. Er hat insoweit lediglich mutmaßen können, dass sie jedenfalls dann Gesprächsgegenstand gewesen sein dürften, wenn Drohverlustrückstellungen im Abschluss enthalten gewesen seien. Keine Erinnerung hat der Zeuge Dr. I zudem daran, ob der Rückgang von Anzahlungen ein besonderes Thema bei dem Gespräch gewesen ist und ob von einem Gesprächsteilnehmer nach periodenfremden Erträgen im Jahr 2005 gefragt und was von der „anderen Seite“ darauf geantwortet wurde. Schließlich hat er zwar nicht ausschließen können, dass mit Blick auf bestimmte Vermögensgegenstände oder Sachverhalte von einer durchgeführten Sonderprüfung gesprochen wurde, ohne jedoch auch hier aus der Erinnerung sagen zu können, was inhaltlich zu einer möglichen Sonderprüfung der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen besprochen worden sein kann.
225(3)
226Eine Haftung der Beklagten zu 7) gegenüber der Klägerin gem. §§ 823 Abs. 2, 840, 31 BGB i.V.m. § 323 HGB kommt nicht in Betracht, da die handelsrechtliche Vorschrift des § 323 HGB kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB darstellt (OLG Celle, Urteil vom 05.01.2000 – 3 U 17/99, NZG 2000, 613; OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.1998 – 8 U 59/98, NZG 1999, 901 (903); Hopt/Merkt in Baumbach/Hopt, HGB, 36. Auflage (2014), § 323 Rdn. 8 m.w.N.; Staub/Habersack/Schürnbrand, HGB, 5. Auflage (2010), § 323 Rdn. 68).
227(4)
228Die Beklagte zu 7) haftet der Klägerin auch nicht aus unerlaubter Handlung gem. §§ 823 Abs. 2, 840, 31 BGB i.V.m. § 332 HGB oder §§ 823 Abs. 2, 840, 31 BGB i.V.m. § 263 StGB oder aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gem. §§ 826, 840, 31 BGB. Die Klägerin müsste sich zwar gem. § 31 BGB jedes Handeln ihrer Geschäftsführer, der Beklagten zu 8) und zu 9), zurechnen lassen, jedoch lässt sich ein Verstoß der Beklagten zu 8) und 9) gegen die genannten Schutzgesetze nicht feststellen. Wegen der Einzelheiten wird dazu auf die unten zu den Beklagten zu 8) und zu 9) gemachten Ausführungen verwiesen.
229c) Antrag zu IV
230Der Antrag zu IV, mit dem die Klägerin nur gegen den Beklagten zu 11) – gesamtschuldnerisch neben den Beklagten zu 1), zu 3), zu 4) und zu 7) – die Zahlung von 10.000.000 € nebst Zinsen hilfsweise Zug um Zug gegen Übertragung des GmbH‑Anteils geltend macht, wobei es sich um den erstrangigen Teilbetrag des (nach der Vorstellung der Klägerin höheren) Schadens handelt, ist ebenfalls unbegründet.
231Die Voraussetzungen für eine Haftung des Beklagten zu 11), die sich allein aus deliktischen Ansprüchen ergeben kann, liegen nicht vor.
232aa)
233Der Klägerin steht gegen den Beklagten zu 11) kein Anspruch auf Schadensersatz gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 331 Nr. 1 HGB zu, da eine Verletzung des § 331 Nr. 1 HGB nicht gegeben ist.
234Nach § 331 Nr. 1 HGB, bei dem es sich um ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB handelt (LG Bonn, Urteil vom 15.05.2001 – 11 O 181/00, AG 2001, 484 – juris Rz. 65 m.w.N.; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB, 36. Auflage (2014), § 331 Rdn. 1; Staub/Dannecker, 5. Auflage (2012), § 331 Rdn. 9), unterliegt der Strafdrohung, wer als Mitglied des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft die Verhältnisse der Kapitalgesellschaft im Jahresabschluss unrichtig wiedergibt oder verschleiert. Allerdings erfährt dieser Tatbestand eine Einschränkung durch das dem Wortlaut der Norm nicht zu entnehmende ungeschriebene Erfordernis der Erheblichkeit (Staub/Dannecker, HGB, 5. Auflage 2012, § 331 Rdn. 63), da die Interessen des geschützten Personenkreises durch lediglich unwesentliche Verletzungen von Rechnungslegungsvorschriften nicht berührt werden (Staub/Dannecker, 5. Auflage 2012, § 331 Rdn. 63; Wiedmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Auflage 2008, § 331 Rdn. 6 m.w.N.). In der Rechnungslegung wird dann von Wesentlichkeit gesprochen, wenn der Leser eines Jahresabschlusses, der z.B. eine Investitionsentscheidung treffen möchte, auf Grund unrichtiger Darstellungen andere Schlussfolgerungen als bei gesetzeskonformer Darstellung ziehen muss (Wiedmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Auflage 2008, § 331 Rdn. 6 m.w.N.).
235Geschütztes Rechtsgut ist das Vertrauen in die Richtigkeit und Vollständigkeit bestimmter Informationen über die Verhältnisse der Kapitalgesellschaft. Die Vorschrift schützt insbesondere die Personen, die mit dieser in irgendeiner wirtschaftlichen oder rechtlichen Beziehung stehen oder in eine solche eintreten wollen (MünchKomm/Quedenfeld, HGB, 2. Auflage (2008), § 331 Rdn. 1 f. m.w.N.), wozu auch potenzielle Gesellschafter – wie die Klägerin – gehören (vgl. Staub/Dannecker, 5. Auflage 2012, § 331 Rdn. 5).
236Dass der Beklagte zu 11), der seinerzeit als Vorsitzender des Vorstands der X AG tätig war und damit als Mitglied des vertretungsberechtigten Organs der Aktiengesellschaft (§ 76 Abs. 2, 3 AktG) als tauglicher Täter des in § 331 Nr. 1 HGB normierten echten Sonderdelikts in Betracht kommt, die Verhältnisse der X AG im Jahresabschluss zum 31.12.2005 vorsätzlich in nicht unwesentlichem Umfang unrichtig wiedergegeben oder verschleiert hat, kann nach der vor dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme nicht festgestellt werden.
237(1)
238In dem Jahresabschluss der X AG zum 31.12.2005 werden die Verhältnisse der Gesellschaft nicht – jedenfalls nicht vorsätzlich – unrichtig i.S.d. § 331 Nr. 1, 1. Alt. HGB wiedergeben. Eine unrichtige Wiedergabe der Verhältnisse liegt dann vor, wenn die dargestellte wirtschaftliche Situation der in Wirklichkeit bestehenden Sachlage nicht entspricht (Staub/Dannecker, 5. Auflage 2012, § 331 Rdn. 52). Erfasst werden aber nicht nur unzutreffende Tatsachen, sondern auch Verstöße gegen Bewertungsvorschriften und Bewertungsverbote (Staub/Dannecker, 5. Auflage 2012, § 331 Rdn. 57). Bewertungen, Schätzungen und Beurteilungen sind unrichtig, wenn die tatsächlichen Grundlagen, auf denen sie beruhen, objektiv unrichtig sind (Staub/Dannecker, 5. Auflage 2012, § 331 Rdn. 59).
239Die Behauptung der Klägerin, der Beklagte zu 11) habe – wie im Übrigen auch die Beklagten zu 12) und zu 13) als die ehemaligen weiteren Vorstandsmitglieder der X AG – eine Manipulation des Jahresabschlusses dadurch begangen, dass er – jeweils bewusst – die Vorräte bzw. die unfertigen Bauten (betreffend F-arena E, Q-station B/K, BGH S-Hof Phase 2/C, N Hotel Am X-damm/C und P T2) und einzelne Forderungen (betreffend C AG und N GmbH = W‑Galerie/I) fehlerhaft bewertet, bestehende Verbindlichkeiten aus Garantien und Sicherheitseinbehalten ausgebucht, keine Rückstellungen für Drohverluste aus einer Mietgarantie (Objekt M-berger T-Straße) gebildet, darüber hinaus das Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage und einer Patronatserklärung verschwiegen und schließlich eine gebotene vollständige Abschreibung des Wertes für die Saudi X Ltd. unterlassen habe, kann nach dem gesamten Inhalt der mündlichen Verhandlung nicht zur Überzeugung des Senats festgestellt werden.
240(aa)
241Hinsichtlich der Bewertung der Vorräte bzw. der unfertigen Bauten hat die durchgeführte Beweisaufnahme die Behauptung der Klägerin, es habe seitens des Vorstandes der X AG – und damit auch des Beklagten zu 11) – bewusste Manipulationen dahingehend gegeben, dass unfertige Bauten zu hoch bewertet worden seien, um zu erwartende Verluste nicht sogleich aufzudecken und das Betriebsergebnis der X AG zu schönen, indem in den ursprünglich zutreffenden Leistungsmeldungen und Arbeitskalkulationen der Bauleiter auf Geheiß der Beklagten zu 11), zu 12 und zu 13) Leistungswerte durch erfundene Nachträge erhöht und Kosten von Nachunternehmern herabgesetzt worden seien, weder für sich genommen noch in Ansehung der genannten fünf von der Klägerin besonders in den Blick genommenen Bauvorhaben, deren bilanzielle Bewertung sie als bewusst geschönt behauptet hat, bestätigt.
242i)
243Eine in Kenntnis oder auf Geheiß des Vorstands der X angelegte Manipulation der Baustellenmonatsberichte (Leistungsmeldungen und Arbeitskalkulationen) kann nicht festgestellt werden. Weder die dazu von der Klägerin benannten Zeugen L2, X3, C4, y, T5, L4 und T2 noch die weiterhin vernommenen Zeugen, soweit sie dazu Angaben gemacht haben, haben Entsprechendes bestätigt.
244Soweit die vom Senat vernommenen Zeugen zu den genannten Behauptungen der Klägerin überhaupt etwas bekundet haben, beschränkten sich ihre Äußerungen auf die Wiedergabe ihrer Erinnerung an Probleme oder Zustände an einzelnen Baustellen, an Abläufe und Zustände im Zusammenhang mit der Erstellung, Verarbeitung und Weitergabe von Leistungsmeldungen und Arbeitskalkulationen, deren buchhalterischer Verarbeitung und ihrer Einfügung in das Rechnungswesen der X AG. Keiner der Zeugen hat bestätigt, dass der Beklagte zu 11) oder seine beiden Vorstandskollegen die von der Klägerin behaupteten Manipulationen oder Veränderungen der Leistungsmeldungen und Arbeitskalkulationen angeordnet, darauf einen im Sinne der „Aufbesserung“ steuernden Einfluss genommen oder von solchen Vorgehensweisen auch nur Kenntnis erlangt hätten. Auch soweit die Zeugen gezielt nach solchen Einflussnahmen seitens der Vorstandsmitglieder und nach der Kenntniserlangung von möglichen Manipulationen befragt worden sind, haben sich Bestätigungen für den Vortrag der Klägerin in dieser Hinsicht nicht ergeben.
245Insgesamt geben die Ergebnisse der Beweisaufnahme und die sonstigen Inhalte der mündlichen Verhandlung keine aussagekräftigen Hinweise oder sogar belastbaren Belege dafür, dass das von der Klägerin beschriebene Szenario einer auf Weisung oder zumindest mit dem Wissen der Vorstandsmitglieder in den internen Unterlagen erfolgten verfälschten Dokumentation der tatsächlichen Lage tatsächlich vorgelegen hat und vor diesem Hintergrund eine unrichtige Wiedergabe der Verhältnisse der Gesellschaft erfolgt ist.
246ii)
247Ebenso wenig kann nach der durchgeführten Beweisaufnahme festgestellt werden, dass der Beklagte zu 11) – wie im Übrigen auch die Beklagten zu 12) und zu 13) – bei den teilfertigen Bauvorhaben F-arena E, Q-station B/K, BGH S-Hof Phase 2/C, N Hotel am X-damm/C und P-heimer T2 bewusst die von der Klägerin behaupteten und für notwendig gehaltenen Abwertungen wegen zu erwartender Verluste in Höhe von insgesamt 8.331.000 € nicht vorgenommen und insoweit die Verhältnisse der X AG im Sinne des § 331 Nr. 1 HGB unrichtig wiedergegeben hat.
248Entgegen der Behauptung der Klägerin ergibt sich für die von ihr angenommene Unrichtigkeit des Jahresabschlusses zum 31.12.2005 kein Indiz aus der „Zusammenstellung der Ergebnisschätzungen“ vom 20.02.2006 (Anlage 24 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28), der sich nach ihrer weiteren Behauptung für das Jahr 2006 ein erwarteter Gesamtverlust des Unternehmens in Höhe von insgesamt 11.879.000 € (vgl. zur Berechnung S. 86 Qaa-Gutachten – Anlage K28) entnehmen lasse. In dieser Ergebnisschätzung sind die effektiven Ergebnisse, soweit bereits eine Betriebsabrechnung vorliegt, und die geschätzten Ergebnisse für künftige Monate der einzelnen auf die verschiedenen Niederlassungen der X AG entfallenden Baustellen aufgelistet. Aus der Zusammenstellung, von der die Vorstände der X AG nach der Aussage des Zeugen L hatten, können für die fünf genannten Bauvorhaben für das Jahr 2006 folgende erwartete Gesamtergebnisse entnommen werden:
249N-Hotel C (NL C 50 %) - 1.300.000 €
250N-Hotel C (NL C1 50 %) - - 1.297.000 €
251F-arena E (NL D´dorf/F) - 1.501.000 €
252BGH S- Hof Phase 2 (NL Hochbau Westf.) - 1.050.000 €
253P-heimer Str./L (Zentraler Wohnungsbau) + 630.000 €
254Q-station B/K (NL Ausland) - 600.000 €
255Auch wenn diese Ergebnisschätzung nach der Aussage des Zeugen L etwa gleichzeitig zu dem Jahresabschluss 2005 entstanden ist, lassen sich ihr keine für die Erstellung des Jahresabschlusses zum 31.12.2005 relevanten und zu berücksichtigenden Daten entnehmen, so dass sie entgegen der Behauptung der Klägerin nicht auf eine Unrichtigkeit der Bilanzansätze schließen lassen. Denn nach den Bekundungen des Zeugen L, der nach seinem Bekunden bei der X AG für die Koordination der Ergebnisschätzungen zuständig war und an dessen Glaubwürdigkeit der Senat nicht zweifelt, handelt es sich bereits bei den in der Übersicht als Vorjahresergebnis ausgewiesenen Zahlen, von denen die jeweilige Berechnung ausgeht, nicht um solche aus der Finanzbuchhaltung oder dem Jahresabschluss, sondern um solche aus der Betriebsabrechnung. Darüber hinaus hat der Zeuge L ebenfalls bekundet, dass es nicht seiner Entscheidung, sondern den jeweiligen Niederlassungen oblegen habe, in welchem Umfang mögliche Nachträge in die ermittelten Ergebnisschätzungen einflössen. Zwar hat der Zeuge L zugleich erklärt, dass es – gerade zu Beginn eines Jahres, wo man noch relativ optimistisch gewesen sei – der Übung entsprochen habe, dass man in die Berechnung noch zu erwartende Aufträge einbezogen habe, jedoch lässt sich jedenfalls nicht sicher ausschließen, dass noch zu erwartende Nachträge zumindest teilweise keinen Eingang in die Ergebnisschätzung gefunden haben. Nach der Bekundung des als Partei vernommenen Beklagten zu 12) soll sogar davon auszugehen sein, dass in der Ergebnisschätzung aus Februar 2006 – abgesehen von den die Ausgangsgröße bildenden Vorjahreszahlen – überhaupt keine Nachträge erfasst sind. Letztlich kommt noch hinzu, dass nach der weiteren Bekundung des Beklagten zu 12) die Ergebnisschätzung zur Vorbereitung von Gesprächen mit den Niederlassungen gedient hat, und damit keine Grundlage für die Bilanzerstellung war.
256Die weitere Behauptung der Klägerin, die „Zusammenstellung der Ergebnisschätzung“ vom 20.02.2006 (Anlage 24 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) lasse einen Gesamtverlust im Unternehmen in Höhe von 11.879.000 € für das Jahr 2006 erwarten, hat sich ebenfalls nicht bestätigt. So hat zunächst der Zeuge L, dem dieser Betrag vorgehalten worden ist, bekundet, er könne sich nicht vorstellen, dass zu Beginn des Jahres eine solche negative Gesamtgröße zu erwarten gestanden habe. Dabei erweist sich die Vermutung des Zeugen L, dass sich der ihm vorgehaltene Gesamtverlust auf das addierte Ergebnis aller Baustellen beziehe, die zu diesem Zeitpunkt defizitär gewesen seien, und dass sich das Gesamtergebnis für das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt als in etwa ausgeglichen darstelle, als durchaus zutreffend. Unter Berücksichtigung der Ergebnisschätzungen sämtlicher Niederlassungen mit Ausnahme des erwarteten Ergebnisses für die Niederlassung Saudi Arabien (S. 65 Anlage 24 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28), die allein die noch gesondert zu betrachtende 49 %‑ige Beteiligung der X AG an der Saudi X Ltd. erfasst, ergibt sich nach der vom Senat nachvollzogenen Rechnung für die X AG eine Gesamtverlusterwartung für das Jahr 2006 in Höhe von „lediglich“ 616.000 €.
257Dem Antrag der Beklagten zu 1), zu 2), zu 3) und zu 10) vom 13.11.2013 (S. 6 Protokoll vom 13.11.2013), der Klägerin gem. § 142 Abs. 1 ZPO aufzugeben, das – nach der Aussage des Zeugen L nicht vorhandene – Deckblatt der „Zusammenstellungen der Ergebnisschätzungen“ (Anlage 24 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) vorzulegen, war angesichts dieser Würdigung im Sinne der Beklagten nicht nachzugehen, zumal nicht ersichtlich ist, welcher weitere Erkenntnisgewinn mit der Vorlage des Deckblattes verbunden sein könnte.
258Ebenso wenig lässt sich aus der handschriftlich mit „Risiko-Management-Report“ überschriebenen Zusammenstellung der laufenden Baustellen mit einer Auftragssumme über 1 Mio. € mit Stand vom 15.03.2006 (Anlage 25 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) ein Anhaltspunkt für die Unrichtigkeit des Jahresabschlusses zum 31.12.2005 gewinnen. Nach der glaubhaften Aussage des Zeugen T2 (S. 6 ff. Protokoll vom 17.04.2013), war er mit der Erstellung dieser Liste als Teil des Risikomanagements beauftragt und erstellte sie jeweils zum 15. eines jeden Monats als Stichtag. Er hat bekundet, dazu die ihm überlassenen Ergebnisse der Arbeitskalkulationen der Baustellen, die nur für Bauvorhaben mit einer Auftragssumme über 1 Mio. € zu erstellen gewesen seien, unverändert in diese Liste eingetragen zu haben. Auch wenn der Zeuge T2 an die konkreten Zahlen keine Erinnerung mehr hatte, hat er gleichwohl bekundet, dass die einzelnen Baustellen – auch wenn es sich um Verlustbaustellen gehandelt habe – mit den gemeldeten Zahlen in die Liste eingegangen seien, so dass es auch zutreffend sei, wenn die Liste Minusergebnisse aufweise. Er hat insoweit die ihm aus der Liste vorgehaltenen Minusergebnisse der Bauvorhaben P-heimerT2 (1.055.000 €), BGH S- Hof Phase 2 (1.689.000 €) und N Hotel am X-damm (2.893.000 €) bestätigt und zudem bekundet, dass es auch Baustellen gegeben habe, für die ihm – wie bei der F-arena E – keine Arbeitskalkulationen zur Verfügung gestellt worden seien.
259Unabhängig davon, ob der Beklagte zu 11) und die Beklagten zu 12) und zu 13) von dem Inhalt dieses „Risiko‑Management‑Report“ Kenntnis hatten – der Zeuge T2 hat bekundet, die von ihm erstellten Listen regelmäßig zum Stichtag in Berichtsform im Vorzimmer des Vorstandes abgeliefert zu haben, während der Beklagte zu 11) sowie die Beklagten zu 12) und zu 13) es bei ihrer Parteivernehmung verneint haben, von einer Auswertung aller laufenden Baustellen mit einem Volumen von mehr als 1 Mio. € Kenntnis gehabt zu haben oder sich daran erinnern zu können – sind auch die Inhalte des Risiko-Management-Reports nicht geeignet, zum Zwecke der Erstellung des Jahresabschlusses verwertbares Zahlenmaterial zu liefern, da der Report auf der Grundlage der gemeldeten Arbeitskalkulationen erstellt worden ist, in die aber nach den Aussagen der als Partei vernommenen Beklagten zu 11) und zu 13) noch keine Nachträge eingerechnet sind, deren Abbildung es jedoch für die handelsrechtliche Bewertung bedarf.
260Schließlich lässt sich die Unrichtigkeit des Jahresabschluss zum 31.12.2005 auch nicht mit der sog. „C4‑Liste“ (Anlage K87) begründen. Bei dieser nach ihrem Ersteller, dem Zeugen C4 benannten Liste handelt es sich nach Bekunden des Zeugen C4 um eine von ihm monatlich fortgeschriebene Aufstellung der tatsächlich gemeldeten Leistungsdaten, die er in Abweichung von den von ihm geänderten Leistungsmeldungen erstellt habe, da er in diesen auf Vorgabe des Zeugen X3 die tatsächlichen Werte den Planzahlen angenähert habe. Der Senat kann es dahin stehen lassen, ob die von dem Zeugen C4 beschriebene Veränderung der Leistungsmeldungen und die darin zum Ausdruck kommende bewusste Manipulation auf der Ebene der Mitarbeiter, von denen die übrigen Zeugen nichts berichtet haben, zutreffend ist. Jedenfalls hat der Zeuge C4 auch bekundet, diese von ihm erstellte Liste nicht weitergeleitet zu haben, so dass eine diesbezügliche Kenntnis des Vorstandes der X AG nicht festgestellt werden kann. Hinzu kommt, dass die hier zur Akte gereichte sog. „C4-Liste“ ausweislich der darauf enthaltenen handschriftlichen Zusätze am 20.02.2007 für Dezember 2006 erstellt worden ist und damit ohnehin für die zeitnah erfolgte Erstellung des Jahresabschlusses auf den 31.12.2005 keine Relevanz mehr beanspruchen kann.
261(i)
262Eine unrichtige Wiedergabe i.S.d. § 331 Nr. HGB hinsichtlich des BauvorhabensF-arena E ist durch die Inhalte der mündlichen Verhandlung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit belegt worden. Dass bei diesem Bauvorhaben – wie die Klägerin behauptet – bei sachgerechter Bewertung der gewählte Bilanzansatz von 17.800.114 € um 3.146.997 € auf 14.653.116 € hätte abgeschrieben werden müssen, weil bis zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung bei diesem Vorhaben eine Einbeziehung zu erwartender Verluste, die dem Vorstand der X AG auch bekannt gewesen seien, handelsrechtlich geboten gewesen wäre, kann nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht festgestellt werden.
263Nach der Aussage der Zeugin I2, bei der es sich um eine Prokuristin der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Qaa handelt, die im Auftrag der Klägerin den von dem Vorstand der X AG erstellten und von der Beklagten zu 7) geprüften Jahresabschluss einer Nachprüfung unterzogen hat, kann zunächst festgestellt werden, dass für das Bauvorhaben F-arena E in dem Jahresabschluss zum 31.12.2005 keine Abwertung bzw. Drohverlustrückstellung vorgenommen worden ist, nicht aber, dass eine solche vorzunehmen gewesen wäre.
264Denn es kann nicht sicher festgestellt werden, dass zum Abschlussstichtag die Notwendigkeit einer Abwertung in einem für § 331 Nr. 1 HGB als wesentlich anzusehenden Umfang bestanden hat. Auch wenn der Zeuge O diese Baustelle als Verlustbaustelle gekennzeichnet, der Zeuge C3 bekundet hat, dass sie letztlich ein ungünstiges Ergebnis erbracht hat, und auch der Beklagte zu 13) zum einen bei seiner Vernehmung als Partei bestätigt hat, dass er bei diesem Bauvorhaben eine ungünstige Arbeitskalkulation zur Kenntnis bekommen habe, und er zum anderen am 04.11.2005 – wie sich dem Protokoll der Vorstandsitzung entnehmen lässt (Anlage K88) – erklärt hat, dass bei diesem Projekt zu versuchen sei, die Unterdeckung zu minimieren, ist zu berücksichtigen, dass die Baustelle nach den Angaben des Zeugen O hinsichtlich der Ertragsseite einen ungünstigen Verlauf genommen hat, was nach der Aussage des Zeugen C3 seinen Grund in den zusätzlichen Aufwendungen hatte, die aus der Besonderheit der Dachkonstruktion resultierten und die nach dem weiteren Bekunden des Zeugen O Nachträge in nicht unerheblichem Umfang erforderten.
265Zwar ergibt sich aus dem „Baustellenmonatsbericht mit Leistungsmeldung“ zum Stichtag 31.12.2005 (Anlage 14 zum Qaa-Gutachten – Anlage K28), auf dessen Ablichtung der Zeuge O eine der dort befindlichen Unterschriften als von ihm stammend identifiziert hat und deren Authentizität jedenfalls von den Beklagten zu 11) bis 13) nicht bestritten worden ist, dass nach der letzten Arbeitskalkulation vom 22.11.2005 (S. 51 Anlage 15 – Lasche 3 – zum Qaa-Gutachten – Anlage K28) ein Verlust von rund 4.328.000 € zu erwarten stand. Jedoch haben die Zeugen C3 und O der Richtigkeit einer Verlusterwartung in dieser Größenordnung widersprochen. So hat der Zeuge O zunächst auf den Vorhalt, dass nach den Leistungsmeldungen im Jahr 2005 ein Verlust von rund 4 bis 5 Mio. € zu erwarten gewesen, erklärt, dass er ein solches Ergebnis sicher nicht für zutreffend halte und dass das nicht sein könne. Auch nach Vorlage und Einsichtnahme in den „Baustellenmonatsbericht mit Leistungsmeldung“ zum Stichtag 31.12.2005 (Anlage 14 zum Qaa-Gutachten – Anlage K28) ist der Zeuge bei der zuvor abgegebenen Einschätzung geblieben. Er könne sich jedenfalls nicht erinnern, eine solche Arbeitskalkulation weitergegeben zu haben, weil er den darin enthaltenen Inhalt nach seiner Erinnerung auch damals nicht für richtig gehalten hätte. Insoweit erweist sich die Aussage des Zeugen O als in sich konstant, da er bereits zu Anfang seiner Aussage erklärt hatte, dass das Bauvorhaben F-arena E weit davon entfernt gewesen sei, einen von ihm als katastrophal anzusehenden Verlauf genommen zu haben. Einen solchen hätte der Zeuge erst bei einem Verlust von 10 % der Auftragssumme angenommen, die er hier mit 50 Mio. € beziffert hat. Gleichermaßen hat der Zeuge C3, dem die „Auswertung der Arbeitskalkulation vom 22.11.2005“ (S. 51 der Anlage 15 – Lasche 3 – zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) vorgehalten worden ist, der sich ebenfalls der oben bereits genannte Betrag von rund 4.328.000 € als erwarteter Verlust entnehmen lässt, ausgesagt, dass er zu diesem Zeitpunkt für dieses Objekt andere Zahlen in Erinnerung habe, auch wenn er im Verteiler verzeichnet sei und das Schreiben demnach bekommen habe. Die von dem Zeugen C3 in diesem Zusammenhang geäußerte Vermutung, dass bei dieser Auswertung der Arbeitskalkulation bestimmte Teile – insbesondere auch Nachträge – unberücksichtigt geblieben sein könnten, findet ihre Bestätigung in dem bereits genannten „Baustellenmonatsbericht mit Leistungsmeldung“ zum Stichtag 31.12.2005 (Anlage 14 zum Qaa-Gutachten – Anlage K28), dem sich entnehmen lässt (Seite 5), dass überhaupt keine Nachträge mit dem Auftraggeber Eingang in den Bericht gefunden haben. Auch wenn der Zeuge C3 ausgesagt hat, dass rund 2 bis 3 % der Gesamtauftragssumme bei den Nachträgen „im Feuer gestanden habe“, was bei einer Gesamtauftragssumme von 50 Mio. € einen Betrag in Höhe von 1 bis 1,5 Mio. € ausmacht, lässt sich damit mit Blick auf die Arbeitskalkulation vom 22.11.2005 keine sichere Verlusterwartung begründen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der dazu als Partei vernommene Beklagte zu 13) unwiderlegt bekundet hat, dass er die ungünstigen Arbeitskalkulationen zum Anlass genommen habe, sich um das Bauvorhaben selbst zu kümmern, so dass die X AG letztlich ¾ Mio. € an Kosten habe reduzieren und zusätzliche Erlöse in Höhe von 4,5 Mio. € habe erzielen können.
266Davon, dass die von der Klägerin als „Kamingespräche“ bezeichneten Nachtragsverhandlungen zwischen Herrn Dr. Q1 – dem Auftraggeber dieses Vorhabens – und dem Beklagten zu 13) aussichtslos waren, kann ebenfalls nicht ausgegangen werden. Der diesbezügliche Vortrag der Klägerin, dem Zeugen T2 seien gerade deswegen die Arbeitskalkulationen für dieses Objekt nicht vorgelegt worden – was dieser für sich genommen bei seiner Vernehmung bestätigt hat –, um die Aussichtslosigkeit der Verhandlungen und die anschließenden Manipulationen zu verschleiern, hat sich nicht bestätigt. Der Zeuge y hat ausdrücklich erklärt, keinen Anlass gehabt zu haben, dem im Controlling tätigen Zeugen T2 irgendetwas vorzuenthalten.
267(ii)
268Hinsichtlich des Bauvorhabens Q-station B/K ist eine vorsätzliche unrichtige Wiedergabe i.S.d. § 331 Nr. 1 HGB durch den Vorstand der X AG bzw. des Beklagten zu 11) ebenfalls nicht bewiesen worden. Selbst wenn man die Behauptung der Klägerin als wahr unterstellt, dass dieses Bauvorhaben bei sachgerechter Bewertung mit einem Bilanzansatz von lediglich 1.735.426 € statt mit 3.666.032 € hätte bewertet werden dürfen, da künftig zu erwartende Verluste zu einem Abwertungsbedarf von 1.930.606 € geführt hätten, weil aufgrund von erheblichen Mehrkosten und einem Verzug von 1,5 Jahren Anfang 2006 mit einem Verlust dieser Baustelle in Höhe von 2.480.749 € zu rechnen gewesen sei, wie er dem „Kurzbericht Dienstreise T5 vom 17.-26.01.2006“ (Anlage 30 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) zu entnehmen ist, und damit eine als wesentlich anzusehende Unrichtigkeit des Berichts i.S.d. § 331 Nr. 1 HGB anzunehmen wäre, kann nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht von einem vorsätzlichen Handeln des Vorstandes der X AG ausgegangen werden. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Mitglieder des Vorstandes von der Falschdarstellung Kenntnis hatten oder es für möglich hielten, dass die von ihnen gegeben Darstellung falsch ist, da sie weder von dem Inhalt des Kurzberichtes Kenntnis hatten noch ihnen sonst Umstände bekannt waren, die auf die Notwendigkeit zur Vornahme von Abwertungen schließen ließen.
269Der Zeuge T5, der in der Zeit von 1996 bis 2006 in der Wettbewerbskalkulation für die Auslandsabteilung der X AG tätig war und Anfang 2006 im Auftrag seines Vorgesetzten, des Zeugen K, nach Aden gereist ist, hat den handschriftlichen „Kurzbericht Dienstreise T5“ vom 25.01.2006 (Anlage 30 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) nach seinem Bekunden jedenfalls teilweise mit abgezeichnet und zusammen mit dem vor Ort befindlichen Bauleiter, Herrn I4, erstellt, ohne dass er aber noch eine Erinnerung daran hatte, wer ihn mit der Berichterstattung beauftragt oder darum gebeten hat. Wie er anschließend mit dem Kurzbericht, dem auf Seite 5 ein zu erwartender Verlust in Höhe von (jedenfalls) 2.480.749 € entnommen werden kann, verfahren ist, hat der Zeuge aus der Erinnerung nicht mehr sagen können. Er nimmt zwar an, den Bericht selbst mit nach Deutschland genommen zu haben, ohne sich aber erinnern zu können, ob und mit welchem Inhalt er im Anschluss mit seinem Vorgesetzten, dem Zeugen K darüber gesprochen hat. Zwar hat der Zeuge T5 bestätigt, dass der auf Seite 5 oben links mit einem durchgestrichenen Kreis gekennzeichnete und von ihm handschriftlich hinzugesetzte Verteiler auch eine Weiterleitung an „W&T“, also an die X AG, vorsah, jedoch hat er keine Kenntnis davon, ob der Vorstand diesen Bericht zu Gesicht bekommen hat.
270Der Zeuge K, der erst im November 2005 bei der X AG als Prokurist für den Auslandsbereich eingetreten ist und Vorgesetzter des Zeugen T5 war, hat nicht sagen können, ob dem Vorstand der X AG der für diese Baustelle zu erwartende Verlust in bezifferter Höhe bekannt geworden ist. Ebenso wenig hatte er eine Erinnerung daran, ob es zu jener Zeit für dieses Bauvorhaben eine fortgeschriebene Arbeitskalkulation gab. Auch wenn der Zeuge K für sich in Anspruch nimmt, in seinem Berufsleben immer großen Wert auf die Entwicklung von Arbeitskalkulationen gelegt zu haben, hat er indes keine Erinnerung daran, bereits Anfang 2006, also vier Wochen nach Aufnahme seiner Tätigkeit bei der X AG – in der Lage gewesen zu sein, den Verlust für diese Baustelle im Wege der Arbeitskalkulation zu beziffern. Der Zeuge K hat zwar generell bestätigt, dass die einschlägigen Berichte von Auslandsbaustellen – gegebenenfalls auch über Verluste – entweder durch ihn oder durch seinen kaufmännischen Mitarbeiter, Herrn I5, dem Vorstand weitergereicht worden seien, kann aber aus der Erinnerung nicht sagen, dass dies hinsichtlich des ihm vorgehaltenen voraussichtlichen Verlustes in Höhe von 2,8 Mio. € ebenfalls so gewesen ist. Der Zeuge K hat zudem bekundet, er habe weder eine Erinnerung an den ihm vorgehaltenen „Kurzbericht Dienstreise T5“ noch an die Reise des ihm auch als Person nicht mehr erinnerlichen Zeugen T5 nach Jemen. Auf Vorhalt einer Ablichtung des „Zwei-Monatsberichts der Abt. Ausland“ mit Stand vom 09.01.2006 (Anlage K130), dessen Übereinstimmung mit dem Original von den Beklagten zu 11) bis 13) nicht bestritten worden ist (vgl. dazu S. 24 Protokoll vom 24.04.2013) und in dem es zu dem Projekt „Wasserentsorgung B, Jemen“ einleitend heißt, dass „die Schwierigkeiten bei diesem Projekt (…) sicher zur Genüge bekannt“ seien, hat der Zeuge K gemeint, Urheber dieses Textes gewesen zu sein. Der Zeuge K kann hier aber lediglich vermuten, dass der Bericht, jedenfalls dann, wenn er unterschrieben gewesen sei – was sich anhand der vorgelegten Anlage nicht feststellen lässt, da deren letztes Blatt (Seite 4) fehlt –, in die nächsthöhere Ebene gegangen sei. Zwar trägt der Bericht einen handschriftlichen ebenfalls durch einen durchgestrichenen Kreis gekennzeichneten Verteiler, der vorsieht, dass das Original an „GP“, was nach Angabe des Zeugen K für den Beklagten zu 11) – Dr. G-PS – steht, jedoch ist nicht erkennbar, dass dieser den Bericht auch erhalten hat. Bei seiner Vernehmung als Partei hat der Beklagte zu 11) bekundet, von dem handschriftlichen Bericht über dieses Vorhaben (Kurzbericht Dienstreise T5, Anlage 30 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) erstmals im Laufe dieses Rechtsstreits Kenntnis erhalten zu haben. Eine nähere Befassung mit diesem Bauvorhaben, das in seinen Zuständigkeitsbereich fiel, sei erst im Sommer 2006 erfolgt. Zuvor habe er dem Vorhaben keine besondere Relevanz beigemessen, weil es zwar fortwährende Verzögerungen gegeben, der dafür zuständige Mann, Herr M, aber immer berichtet habe, dass die Verantwortlichkeit dafür nicht bei der X AG liege.
271Auch der Zeuge I3, der zuletzt in kaufmännischer Rolle für das Ausland zuständig war, hatte weder Kenntnis von dem „Kurzbericht Dienstreise T5“ (Anlage 30 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) noch konnte er Auskunft darüber geben, ob und wann dieser Bericht im Unternehmen vorgelegen hat oder in die gehörigen Zuständigkeiten gelangt ist.
272(iii)
273Hinsichtlich des Bauvorhabens BGH S-I Phase 2 kann der Senat bei seiner Entscheidung ebenfalls nicht von einer unrichtigen Wiedergabe i.S.d. § 331 Nr. 1 HGB durch den Beklagten zu 11) und seine Vorstandskollegen, die Beklagten zu 12) und 13), ausgehen. Dass bei diesem Bauvorhaben – wie die Klägerin behauptet – bei sachgerechter Bewertung statt des gewählten Bilanzansatzes in Höhe von 4.577.359 € lediglich ein solcher in Höhe von 3.827.000 € in Ansatz zu bringen gewesen wäre, da über den für dieses Vorhaben bereits veranschlagten Drohverlust in Höhe von 100.000 € wegen mehrerer im Jahr 2005 aufgetretener Minusvergaben ein weiterer Verlust in Höhe von 750.356 € zu berücksichtigen ist, kann nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht festgestellt werden. Es ist danach jedenfalls nicht auszuschließen, dass Drohverluste nur in einem für § 331 Nr. 1 HGB nicht relevanten Umfang zu passivieren waren.
274Der maßgeblich mit diesem Vorhaben befasste Zeuge L4 hat das Vorliegen eines Verlustes nicht bestätigt. Auf den Vorhalt, ob bei diesem Bauvorhaben im Februar 2006 möglicherweise mit einem Verlust in einer Größenordnung zwischen 1,6 und 1,7 Mio. € – wie er jedenfalls dem „Risiko-Management-Report“ aus März 2006 (Anlage 25 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) entnommen werden konnte – zu rechnen war, hat der Zeuge L4 dies unter Hinweis darauf, dass es „eine ganze Latte“ an Nachträgen gab, die noch nicht alle „endverhandelt“ waren, ebenso als offen dargestellt wie überhaupt den Eintritt eines Verlustes. Bestätigt hat der Zeuge lediglich, dass das Vorhaben nicht erfreulich lief. Der Zeuge gab an, an die Größenordnung eines möglicherweise zu befürchtenden oder in Aussicht stehenden Verlustes keine Erinnerung zu haben. Auch an eine drastische Verschlechterung des Projektes hatte der Zeuge keine Erinnerung. Dass die Baustelle – wie einer Gesprächsnotiz des Beklagten zu 11) vom 22.02.2006 (Anlage 64 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) entnommen werden kann – „aus dem Ruder gelaufen“ sei und chaotische Zustände geherrscht hätten, hat der Zeuge ebenfalls nicht bestätigt und für eine nicht zutreffende Beschreibung der Situation gehalten. Er verband mit der ihm vorgehaltenen drastischen Verschlechterung des Projektes vielmehr Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Projektleiter, der sich aus Sicht des Zeugen als überfordert erwies und durch einen anderen Mitarbeiter ersetzt werden musste. Das beschriebene Szenario drohte nach der Einschätzung des Zeugen L4 nur für den Fall, dass man den Projektleiter nicht ausgetauscht hätte. Nach Einsicht in die ihm vorgelegte Notiz des Gesprächs vom 20.02.2006 (Anlage 64 zum Qaa-Gutachten – Anlage K28) zwischen ihm und den Beklagten zu 11) und zu 13) hat der Zeuge L4 bestätigt, sich an das Gespräch zu erinnern, hält aber eine Beschreibung der Baustelle als kurz vor dem Zusammenbruch stehend für nicht zutreffend. An eine Verdoppelung der Kosten des Rohbaus – wie der Gesprächsnotiz vom 20.02.2006 (S. 1 Anlage 64 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) entnommen werden kann – hatte der Zeuge L4 ebenso wenig eine Erinnerung wie daran, dass der Auftraggeber W – wie sich aus einer weiteren Gesprächsnotiz vom 11.01.2006 (S. 2 Anlage 64 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) ergibt – auf eine Rechnung über 1,4 Mio. € lediglich 375.000 € gezahlt hat. Auch die Aussage des Zeuge y ist insoweit nicht ergiebig, da er lediglich daran eine Erinnerung hatte, dass es bei diesem Objekt, das in seine Zuständigkeit fiel, Verluste gab, ohne dass er jedoch Angaben zu den Größenordnungen machen konnte. Gleiches gilt für die Aussage des Zeugen T2, der es lediglich als denkbar bestätigt, dass im Risiko-Management-Report (Anlage 25 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) für dieses Objekt ein Verlust von rund 1,7 Mio. € ausgewiesen ist.
275Im Übrigen kann auch nicht festgestellt werden, dass die Vorstände der X AG vorsätzlich unrichtig berichteten, weil sie Kenntnis davon hatten oder für möglich hielten, dass über die bereits in Ansatz gebrachte Rückstellung in Höhe 100.000 € hinaus eine weitere Drohverlustrückstellung hätte gebildet werden müssen. So hat der Beklagte zu 12) bei seiner Vernehmung als Partei bekundet, Verlusterwartungen für dieses Bauvorhaben lediglich aus Arbeitskalkulationen, nicht aber aus einer Risikomanagementdatenbank zu kennen. Die alleinige Kenntnis des Inhalts der Arbeitskalkulationen lässt wegen der darin nicht enthaltenen Nachträge nicht auf den zu wählenden Bilanzansatz schließen. Hinsichtlich zu erwartender Nachträge hat der Beklagte zu 11) nach seiner Bekundung zudem seinerzeit die Erwartung gehabt, dass der Auftraggeber, mit dem man bereits die Phase 1 dieses Vorhabens ordentlich bewältigt hatte und zu dem ein guter Kontakt bestand, die durch die Mehraufwendungen bedingten Nachträge übernimmt, ohne jedoch noch eine Erinnerung an Zahlen zu haben, die aus den Arbeitskalkulationen für den Zeitpunkt Oktober 2005 abzuleiten waren. Der Beklagte zu 13) war nach seinem Bekunden nicht mit diesem Objekt befasst, da es nicht von seinem Zuständigkeitsbereich umfasst war.
276(iv)
277Auch bei dem Bauvorhaben N Hotel Am X-damm/C kann der Senat nicht von einer unrichtigen Wiedergabe i.S.d. § 331 Nr. 1 HGB ausgehen. Dass bei diesem Bauvorhaben – wie die Klägerin behauptet – bei sachgerechter Bewertung statt des gewählten Bilanzansatzes in Höhe von 15.864.363 € lediglich ein solcher in Höhe von 14.113.223 € in Ansatz zu bringen gewesen wäre, da wegen der erkennbaren und vorhersehbaren künftigen Verluste eine ergebniswirksame außerplanmäßige Abschreibung um 1.751.140 € geboten gewesen sei, kann nicht festgestellt werden.
278Der Zeuge T3, der bei diesem Vorhaben in seiner Rolle als Einkäufer beteiligt war, hat keine Angaben dazu machen können, ob zum Jahresende 2005 ein Verlust erwartet wurde. Auch wenn der Zeuge T3 eine Minusvergabe bei den haustechnischen Gewerken – nach Vorlage eines von ihm formulierten Schreibens an den Beklagten zu 13) und die Beklagten zu 11) und zu 12) vom 14.10.2005 (Anlage 41 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) – in der aus dem Schreiben ersichtlichen Größenordnung von 1.042.000 €/1.200.000 € bestätigt hat, betrifft die danach im Bereich Haustechnik anzunehmende Unterdeckung nur das betroffene Gewerk, so dass damit keine negative Gesamterwartung des Bauvorhabens verbunden sein muss, wenn diese Negativentwicklung durch Überschüsse bei den übrigen Gewerke kompensiert wird oder Nachträge verzeichnet werden können. Dass der Bericht über die „außergewöhnliche Unterdeckung“ dieses Bauvorhabens dem Vorstand zur Kenntnis zu bringen war, hatte nach Ausführungen des Zeugen T3 seinen Grund allein in der hausinternen Betriebsordnung, die eine Grenze für derartige Berichtspflichten vorsah, deren Höhe er aus der Erinnerung heraus mit 100.000 € angab. Dass routinemäßige Berichtspflichten bei Minusvergaben über einen bestimmten Schwellenwert hinaus bestanden, ist vom Beklagten zu 12) bei seiner Parteivernehmung bestätigt worden. Auch die Beteiligung des Vorstandes an diesem Vorhaben ist nach Kenntnis des Zeugen T3 nicht wegen einer Verlusterwartung für das Gesamtobjekt, sondern wegen der Größe des Gesamtobjektes erfolgt. Auch der Umstand, dass die Vergaben der Haustechnik durch die Zentrale Einkauf der X AG betreut wurde, gibt ebenfalls keinen Hinweis auf einen zu erwartenden Verlust des Vorhabens, da nach der Aussage des Zeugen T3 durch die Zentrale nur die Vergaben betreut wurden, die ein großes Volumen aufwiesen oder als kritisch galten. Die Aussage des Zeugen y erwartenden Verlusten dieses Bauvorhabens war unergiebig, da er mit dieser Baustelle nichts mehr verbinden konnte.
279Im Übrigen kann auch nicht festgestellt werden, dass die Vorstände der X AG vorsätzlich unrichtig berichteten, da die Beweisaufnahme nicht ergeben hat, dass ihnen bei diesem Vorhaben Verluste oder Verlusterwartungen bekannt waren oder sie diese für möglich hielten. Der dazu als Partei vernommene Beklagte zu 12) hat bekundet, aus der Erinnerung heraus mit diesem Objekt keine Verlusterwartungen zu verbinden. Der Beklagte zu 13) hat bei seiner Parteivernehmung bekundet, mit diesem Objekt lediglich die Umbesetzung eines Bauleiters und die ausschließlich das Gewerk Haustechnik betreffenden Schwierigkeiten zu verbinden. Der Beklagte zu 11) war nach seinem Bekunden nicht mit diesem Objekt befasst, da es außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs lag.
280(v)
281Schließlich ist bei dem Bauvorhaben P-heimer T2 vom Senat ebenfalls keine unrichtige Wiedergabe i.S.d. § 331 Nr. 1 HGB zugrunde zu legen. Dass bei diesem Bauvorhaben – wie die Klägerin behauptet – bei sachgerechter Bewertung statt des veranschlagten Bilanzansatzes von 4.293.253 € wegen der zu erwartenden künftigen Verluste und wegen der Veränderungen der Leistungsmeldungen ohne erkennbaren Grund ein Bilanzansatz von 3.906.000 € in Ansatz zu bringen sowie darüber hinaus wegen zu erwartender Verluste aufgrund von Minusvergaben eine ergebniswirksame außerplanmäßige Abschreibung von 753.094 € vorzunehmen gewesen wäre, kann nach der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden.
282Die Beweisaufnahme hat keine tragfähige Bestätigung für die von der Klägerin gerade auch im Zusammenhang mit diesem Bauvorhaben behauptete systematische Veränderung bzw. Manipulation der Leistungsmeldungen (im Sinne einer weitgehenden Annäherung des Zahlenwerks an den Sollzustand) ergeben. Insoweit kann auf die oben gemachten Ausführungen verwiesen werden. Auch wenn der Zeuge y sich nur daran erinnert hat, mit diesem Bauvorhaben befasst gewesen zu sein, ohne dass er im Einzelnen nähere Angaben machen konnte, hat er dennoch bestätigen können, dass an den vorhandenen negativen Zahlen keine (Manipulationen durch) Verbesserungen vorgenommen wurden.
283Dass dieses Bauvorhaben gerade durch besonders zahlreiche Minusvergaben gekennzeichnet war, hat der Zeuge T2 – auch wenn er dies nicht für gänzlich ausgeschlossen hielt – aus der Erinnerung ebenfalls nicht bestätigen können. Aber selbst wenn Minusvergaben vorhanden gewesen sein sollen, standen denen nach den Angaben des Zeugen L2 umfangreiche Nachträge gegenüber, so dass sich auch insoweit kein Verlust festgestellt werden kann. Entsprechendes hat auch der Zeuge X3 bestätigt, der der ihm vorgehaltenen Bewertung, dass dieses Objekt Verluste erwarten ließ, nicht zugestimmt hat, da es einen Nachtrag von einem erheblichen Umfang gab, der dem Unternehmen nach seiner Ansicht auch zustand. Die Angaben des Zeugen F2 sind insoweit unergiebig, da er lediglich hat bekunden können, dass dieses Bauvorhaben seit seiner Beauftragung Anfang 2005 als risikobehaftet eingeschätzt wurde. Aufgrund seines Ausscheidens aus der Zuständigkeit für dieses Vorhaben und seinen Wechsel in den Ingenieurbau konnte er zu der weiteren Entwicklung dieser Baustelle, die ihn nach eigenem Bekunden auch nicht mehr interessierte, keine Angaben machen.
284Auch hier kann zudem nicht festgestellt werden, dass die Vorstände der X AG vorsätzlich unrichtig berichteten, da die Beweisaufnahme ebenfalls nicht ergeben hat, dass ihnen bei diesem Vorhaben etwaige Verluste oder Verlusterwartungen bekannt waren oder sie es billigend in Kauf nahmen, dass die von ihnen gegebene Darstellung falsch ist. Der hierzu als Partei vernommene Beklagte zu 12) hat bekundet, sich bezüglich dieses Vorhabens nicht an eine Verlusterwartung erinnern zu können, da er insoweit nicht „an der Front“ tätig war. Soweit ihm Zahlen zugänglich waren, stammten diese aus der Arbeitskalkulation, die indes kein verlässliches Bild abgaben, da in ihnen keine Nachträge enthalten waren. Der Beklagte zu 11) hat bei seiner Parteivernehmung bestätigt, dass es wegen der mit diesem Projekt verbundenen Schwierigkeiten durchaus Zeiten gab, in denen auf der Basis der Arbeitskalkulationen durchaus rote Zahlen zu Buche standen, jedoch galt dies nur unter Außerachtlassung von Nachträgen, die auch gestellt waren. Der Beklagte zu 13) (S. 20 Protokoll vom 13.11.2013) war nach seinem Bekunden nicht mit diesem Objekt befasst, da es nicht von seinem Zuständigkeitsbereich umfasst war.
285(bb)
286Hinsichtlich der Bewertung der Forderungen hat die durchgeführte Beweisaufnahme die Behauptung der Klägerin, es habe seitens des Vorstandes der X AG – und damit auch des Beklagten zu 11) – bewusste Manipulationen dahingehend gegeben, dass die Forderungen aus den C AG und N GmbH (= W-Galerie/I) zu hoch bewertet worden seien, da eine sachgerechte Bewertung beider Bauvorhaben zu einer Verschlechterung des Ergebnisses im Jahr 2005 um 7.107.000 € geführt hätte, nicht bestätigt. Es hat nicht festgestellt werden können, dass der Vorstand der X AG bei der vorzunehmenden Einzelbewertung dieser beiden Forderungen bewusst den ihnen individuell anhaftenden Risiken nicht in hinreichendem Maße Rechnung getragen hat.
287i)
288Bei der Bewertung der Forderung der X AG gegen die C AG kann der Senat ebenfalls nicht von einer unrichtigen Wiedergabe i.S.d. § 331 Nr. 1 HGB ausgehen. Dass diese von der X AG vor dem Landgericht Essen eingeklagte Restwerklohnforderung in Höhe von 21,7 Mio. €, die der Vorstand der X AG im Jahresabschluss zum 31.12.2005 mit rund 11,82 Mio. € brutto (= 10,19 Mio. € netto) bewertet hat und von der die Klägerin einen Abwertungsbedarf in Höhe von 5,7 Mio. € netto (= 3,2 Mio. € netto + 2,5 Mio. € netto) wegen einer lediglich in Höhe von 7 Mio. € netto durchsetzbaren Forderung sowie noch zu berücksichtigender Gewährleistungsansprüche der Auftraggeberin in Höhe von 2,5 Mio. € netto annimmt (vgl. zur Berechnung S. 110 Qaa-Gutachten – Anlage K28), vom Vorstand jedenfalls bewusst unrichtig bewertet worden ist, kann nicht festgestellt werden.
289Die Klägerin ist insoweit zumindest für ein vorsätzliches Handeln der Vorstände der X AG beweisfällig geblieben. Selbst wenn man zu ihren Gunsten unterstellt, dass sich der seinerzeit den Rechtsstreit für die X AG begleitende Rechtsanwalt N3 ihr gegenüber entsprechend geäußert hat und der von ihr behauptete Abwertungsbedarf bei der Bewertung dieser Forderung anzunehmen ist, fehlt es an einem Beweisantritt der Klägerin dafür, dass die Beklagten zu 11), 12) und 13), die vorgetragen haben, Rechtsanwalt N3 habe ihnen gegenüber die Erfolgsaussichten dieses Rechtsstreits mit 60 % bewertet, eine davon abweichende Kenntnis hatten oder auch nur hätten haben müssen.
290Dass Rechtsanwalt N3 sich in einer die Erfolgsaussichten des Rechtsstreits anders einschätzenden Weise, wie er das gegenüber der Klägerin bzw. den Vertretern der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Qaa am 24.05.2007 (Gesprächsnotiz – S. 6 ff. Anlage 99 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) getan haben soll, auch gegenüber den Beklagten zu 11), 12) und 13) in zeitlicher Nähe zu der Erstellung des Jahresabschlusses zum 31.12.2005 geäußert hat, wird von der Klägerin nicht behauptet. Der Vortrag der Beklagten zu 11), 12) und 13) findet überdies eine Stütze in der von Rechtsanwalt N3 an die Beklagte zu 7) übersandten Verfahrensübersicht vom 06.03.2006 (Anlage K90), in der dieser die offensichtlich zunächst vom Vorstand der X AG vorgenommene und vorgegebene Einschätzung der Erfolgsaussichten dieses Rechtsstreits als „eher hoch bis mittel“ als nach seinem Kenntnisstand zutreffend beurteilt. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang behauptet, dass sich die Beklagten zu 11), 12), und 13) darüber im Klaren gewesen seien, dass Rechtsanwalt N3 die Lage noch gar nicht abschließend habe beurteilen können, fehlt es auch insoweit an einem Beweisantritt.
291Die Beklagten zu 11), 12) und 13) haben bei ihrer Vernehmung als Partei die in ihr Wissen gestellte Behauptung der Klägerin, den Beklagten zu 8) und zu 9) zu den Erfolgsaussichten mitgeteilt zu haben, realistisch sei allenfalls mit einer Forderung von 7 Mio. € zu rechnen, die noch um Gewährleitungsansprüche mit rund 2,5 Mio. € reduziert werden müsse, jedenfalls verneint. Der Beklagte zu 11) hat bei seiner Vernehmung als Partei zudem bestätigt, aufgrund eines Gutachtens der Kanzlei N3 von einer 60 %‑igen Erfolgsaussicht ausgegangen zu sein. Diese Darstellung ist unwiderlegt geblieben.
292ii)
293Ebenso wenig kann der Senat bei der Bewertung der Forderung der X AG gegen die N2 GmbH (= W-Galerie) eine unrichtige Wiedergabe i.S.d. § 331 Nr. 1 HGB zugrunde legen. Dass diese Forderung, die die X AG in ihrer Schlussrechnung vom 27.01.2005 in Höhe von 3.653.595 € beziffert hatte und die in der Bilanz mit einem Wert von 2,31 Mio. € ausgewiesen war, wegen von der Auftraggeberin bestrittener Nachträge lediglich in Höhe von 1,504 Mio. € brutto Eingang in die den Jahresabschluss hätte finden dürfen und darüber hinaus noch eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten in Höhe von 2,2 Mio. € hätte passiviert werden müssen, lässt sich ebenfalls nicht feststellen.
294Der von der Klägerin für ihre Behauptung, dass rechnerisch lediglich eine Forderung in Höhe von 1,0 Mio. € netto (zzgl. 16 % MwSt auf den Rechnungsbetrag von 3.654.000 € = 1,5 Mio. € brutto) bestanden und die Auftraggeberin zudem eine Gegenforderung in Höhe von 2,2 Mio. € geltend gemacht habe, allein benannte Zeuge y hat nicht bestätigt, entsprechende Angaben in einem Gespräch mit Vertretern der Klägerin und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Qaa gemacht zu haben. Er konnte sich zwar an diverse Gespräche mit Herrn Dr. L3 erinnern, in denen es um Forderungen ging, die die X AG noch beitreiben wollte, zu der auch die von ihm auf 2,3 Mio. € geschätzte Forderung gegen MDC gehörte, jedoch hat er keine Erinnerung mehr daran, sich zur „echten Werthaltigkeit dieser Forderung“ gegenüber Herrn Dr. L3 geäußert zu haben. Auch wenn der Zeuge y nach seinem Bekunden nicht ausschließen will, dass man in den Gesprächen mit Herrn Dr. L3 eine Einigung auf diesen oder jenen Betrag für sinnvoll gehalten hat, um die Angelegenheit abzuschließen, sagen solche Vergleichsüberlegungen nichts über den tatsächlichen Wert der Forderung aus.
295(cc)
296Auch bei der im Jahresabschluss 2005 vorgenommenen Ausbuchung von Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung in Höhe von rund 2,34 Mio. € kann der Senat nicht davon ausgehen, dass die Beklagten zu 11), 12) und 13) die Verhältnisse der X AG vorsätzlich unrichtig i.S.d. § 331 Nr. 1 HGB wiedergegeben haben. Ob – wie zwischen den Parteien umstritten ist – aufgrund der Vertragslage gegenüber Nachunternehmern bestehende Verbindlichkeiten in der genannten Höhe als verjährt ausgebucht werden durften, kann der Senat offenlassen. Jedenfalls ist die Klägerin dem Vortrag der Beklagten zu 11), 12) und 13), die ein vorsätzliches Handeln bestritten und zudem vorgetragen haben, dass die von ihnen im Jahresabschluss 2005 angewandten Grundsätze zum Ansatz und zur Bewertung von Verbindlichkeiten – insbesondere gegenüber Subunternehmern – langjährig geübter Praxis entsprochen hätten, nicht mehr unter Beweisantritt entgegengetreten.
297(dd)
298Eine unrichtige Wiedergabe i.S.d. § 331 Nr. 1 HGB kann der Senat auch nicht im Hinblick auf das von der X AG errichteteObjekt M-berger Straße in N annehmen. Dass – wie die Klägerin behauptet (Bl. 185/I) – wegen Leerstandes bzw. Unvermietbarkeit dieses Gebäudes Rückstellungen für Drohverluste in Höhe von rund 1,33 Mio. € hätten gebildet werden müssen, und dies den Beklagten zu 11), 12) und zu 13) bekannt gewesen war, kann ebenfalls nicht festgestellt werden. Da die Beklagten zu 11), 12) und 13) ihre Verpflichtung zur Bildung von Rückstellungen bestritten haben und es auch hier an einem Beweisantritt durch die Klägerin fehlt, ist sie ebenfalls beweisfällig geblieben. Aber selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausginge, dass sie mit ihrem Vortrag, den Beklagten zu 8) und zu 9) sei die Problematik der Unvermietbarkeit dieses Objekts bekannt gewesen, und mit ihrem Beweisantritt durch Vernehmung der Beklagten zu 11), 12) und zu 13) als Partei zugleich eine entsprechende Kenntnis des Vorstands von der Unvermietbarkeit des Objektes behauptet will, kann der durchgeführten Parteivernehmung der Beklagten zu 11), zu 12) und 13) Entsprechendes nicht entnommen werden. Danach sind schon keine Risiken ersichtlich, für die Rückstellungen zu bilden gewesen wären. Nach Aussage des Beklagten zu 12) ließ die Untervermietung des Objektes M-berger Straße in N, dessen Mieter die X AG war, kein Problem erkennen, da zunächst für 80 %, später dann für 90 % (der Fläche) feste Mieter vorhanden gewesen seien und X AG selbst überlegt habe, dort mit der Münchener Niederlassung ebenfalls einzuziehen. Probleme bei Leerständen sah der Beklagte zu 12) auch deswegen nicht, weil es zugunsten der X AG eine entsprechende Verpflichtungserklärung des Projektentwicklers (gemeint war: zur Freistellung) vorlag. Der Beklagte zu 13) sah ebenfalls 90 % der Fläche „fest in guten Händen“ vermietet und beschrieb Risiken als nicht existent. Der Beklagte zu 11) war mit diesem Objekt nicht befasst und konnte aus eigener Kenntnis dazu keine Angaben machen, welche wirtschaftlichen Konsequenzen die weitere vertragliche Bindung von X AG bei diesem Objekt hatte.
299(ee)
300Soweit der Vorstand – und damit auch der Beklagte zu 11) – die von der Beklagten zu 1) mit Zeichnungsvertrag vom 19.08.2004 (Anlage K30) für die Übernahme von 583.000 Aktien eingegangene Verpflichtung zur Leistung der nach dem Kapitalerhöhungsbeschluss bar zu erbringenden Einlage in dem Jahresabschluss als vollständig erbracht dargstellt hat, ohne sie jedenfalls in Höhe von 2.220.565,96 € gem. § 272 Abs. 1 S. 2 HGB offen vom gezeichneten Kapital abzusetzen, hat er die Verhältnisse der Gesellschaft zwar unrichtig i.S.d. § 331 Nr. 1 HGB wiedergegeben, jedoch fehlt es an einem für die Haftung erforderlichen vorsätzlichen Handeln.
301i)
302Entgegen der Ansicht des Landgerichts und aller Beklagten besteht die von der Beklagten zu 1) in Höhe von 3.498.000 € übernommene Einlageverpflichtung teilweise in Höhe von rund 2,2 Mio. € fort, da in Bezug auf diesen Betrag ein gegen §§ 36 Abs. 2, 27 Abs. 1 AktG verstoßendes unzulässiges Umgehungsgeschäft gegeben ist. Als verdeckte Sacheinlage, die den Aktionär nicht von seiner Einlageverpflichtung befreit, wird es angesehen, wenn die gesetzlichen Regeln über Sacheinlagen dadurch unterlaufen werden, dass zwar eine Bareinlage vereinbart wird, die Gesellschaft aber bei wirtschaftlicher Betrachtung von dem Einleger auf Grund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Geldeinlage getroffenen Absprache einen Sachwert erhalten soll (so nunmehr die Legaldefinition in § 27 Abs. 2 AktG in der seit dem 01.09.2009 geltenden Fassung).
303Eine solche verdeckte Sacheinlage lag hier hinsichtlich der von der Beklagten zu 1) gemeinsam mit der Teileinlage in Höhe von rund 1,3 Mio. € gezahlten rund 2,2 Mio. € vor, da ihr dieser Betrag im Zeitraum von nur rund 4 ½ Monaten nach Übernahme der Bareinlageverpflichtung von der sie beherrschenden C & C1 zur teilweisen Erfüllung der Einlageverpflichtung gegenüber der X AG überlassen worden war, nachdem zuvor die X AG den Betrag in Höhe von rund 2,2 Mio. € in Erfüllung einer gegenüber der C & C1 in dieser Höhe bestehenden Verbindlichkeit gezahlt worden war. Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise hat die Beklagte zu 1) in Höhe von rund 2,2 Mio. € mithin keine Bareinlage geleistet, sondern die Managementfee-Forderung der sie beherrschenden C & C1 gegen die X AG in gleicher Höhe „verdeckt“ als (Sach‑)Einlage eingebracht. Wirtschaftlich betrachtet ist der Betrag von rund 2,2 Mio. € einmal im Kreis geflossen und hat die X AG an Stelle des Barbetrags das Erlöschen der Verbindlichkeit erlangt, auf die sie zuvor gezahlt hat. Es ist allgemein anerkannt, dass eine Forderung, die ein Aktionär gegen die Aktiengesellschaft hat, als Gegenstand der Sacheinlage in die Gesellschaft eingebracht werden kann. Die Verpflichtung zur Leistung der Sacheinlage wird dann entweder dadurch erfüllt, dass die Forderung auf die Gesellschaft übertragen wird, so dass sie durch Konfusion erlischt, oder dadurch, dass der Aktionär sie erlässt (vgl. BGH, Urteil vom 15.01.1990 – II ZR 164/88, NJW 1990, 982 (985): für Darlehensforderung).
304Der Tatbestand einer Umgehung der Kapitalaufbringungsregeln setzt nicht voraus, dass eine personelle Identität zwischen dem Inferenten und dem Empfänger der Auszahlung besteht. Es genügt nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 20.11.2006 – II ZR 176/05 – NZG 2008, 144 (145) Rz. 15) vielmehr, dass der Inferent durch die Leistung des Dritten bzw. an den Dritten mittelbar in gleicher Weise begünstigt wird wie durch die unmittelbare Leistung. Dies wird insbesondere bei der Einbindung eines von dem Inferenten beherrschten Unternehmens in den Kapitalaufbringungsvorgang und die damit verbunden Leistungshin- und -rückflüsse angenommen (BGH, Urteil vom 20.11.2006 – II ZR 176/05 – NZG 2008, 144 (145) Rz. 15), kann aber auch den umkehrten Fall betreffen, dass der Inferent von dem in den Vorgang einbezogenen Unternehmen beherrscht wird. So liegt der Fall hier. Bei der Beklagten zu 1) handelt es sich um ein von der C & C1 beherrschtes Unternehmen. Es kommt entgegen der Annahme des Landgerichts bei dieser Beurteilung nicht darauf an, durch wen die Beklagte zu 1) als Geschäftsführer vertreten wird. Vielmehr ist hier entscheidend, dass nach der Regelung in § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten zu 1) (Anlage K34) die Geschäftsführer verpflichtet sind, die Geschäfte u.a. in Übereinstimmung mit den (…) Beschlüssen der Gesellschaft zu führen, und die C & C1 als alleinige Kommanditistin der Beklagten zu 1) und gemäß § 5 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags einzige Stimmberechtigte in der Lage ist, über die geschäftlichen Aktivitäten der Beklagten zu 1) zu entscheiden und insoweit ihren Willen durchzusetzen. Aufgrund dieser als zulässig und wirksam anzusehenden Regelung (vgl. Roth in Baumbach/Hopt, HGB, 36. Auflage (2014), § 164 Rdn. 7) in § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags lässt sich das Verhältnis der C & C1 zur Beklagten zu 1) als das Verhältnis der Mutter- zur Tochtergesellschaft beschreiben. Bei der Einbeziehung einer Muttergesellschaft in den Abfluss von Leistungen aus dem Vermögen der Einlagengläubigerin im Zusammenhang mit der Frage nach einer verdeckten Sacheinlage ist die Leistung an die Mutter auch der Tochter, die Einlagenschuldnerin ist, als eine dem Zeichner nahe stehende Person zuzurechnen (BGH, Urteil vom 15.01.1990 – II ZR 164/88, NJW 1990, 982 (986); MünchKomm/Pentz, AktG, 3. Auflage (2008), § 27 Rdn. 121).
305Das Vorliegen einer bereits bei Übernahme der Bareinlageverpflichtung getroffenen Abrede zur Erbringung eines Sachwertes ist hier jedenfalls zu vermuten, da zwischen der Begründung der Einlagepflicht und dem verdeckt vorgenommenen Rechtsgeschäft ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht (BGH, Urteil vom 21.02.1994 – II ZR 60/93, NJW 1994, 1477; Urteil vom 04.03.1996 – II ZR 89/95, NJW 1996, 1286 (1288); Urteil vom 16.09.2002 – II ZR 1/00, NJW 2002, 3774 (3776); Urteil vom 02.12.2002 – II ZR 101/02, NJW 2003, 825; Urteil vom 16.01.1006 – II ZR 76/04, NJW 2006, 1736 (1737) – Rz. 13).
306In zeitlicher Hinsicht liegt zwischen Begründung der Einlagepflicht am 19.08.2004 und Zahlung der rund 2,2 Mio. € am 27.12.2004 vom Konto der X AG auf das für C & C1 eingerichtete Treuhandkonto bei der Beklagten zu 7) und der anschließend am 30.12.2004 erfolgten Weiterleitung dieses Betrages erst auf das Konto der Beklagten zu 1) sowie anschließender Überweisung – gemeinsam mit der weiterhin zu erbringenden Teileinlage in Höhe von rund 1,3 Mio. € – auf das Konto der X AG ein der Vermutung nicht entgegenstehender Zeitraum von rund 4 ½ Monaten.
307In sachlicher Hinsicht ergibt sich der Zusammenhang insbesondere daraus, dass die Managementfee‑Forderung als sogenannte Altforderung im Zeitpunkt der Begründung der Bareinlageverpflichtung der Beklagten zu 1) am 19.08.2004 bereits Bestandteil ihres Vermögens bzw. des Vermögens der ihr nahe stehenden und sie beherrschenden C & C1 war. Dies ergibt sich aus einem Schreiben der Beklagten zu 7) vom 18.08.2004 (Anlage K35) – einen Tag vor der am 19.08.2004 beschlossenen Kapitalerhöhung – an den Vorstand der X AG, in dem sie einleitend auf eine Mitteilung des Vorstands Bezug nimmt, wonach die C & C1 Anspruch auf ein bis Ende 2007 zahlbares Managementfee in Höhe von 2.220.565,96 € habe.
308Darüber hinaus lässt sich auch der vorgelegten Korrespondenz entnehmen, dass zwischen der X AG und der Beklagten zu 1) als Inferentin eine Abrede des Inhalts bestand, die dem Einleger zunächst zur Verfügung gestellten Mittel unter (jedenfalls objektiver) Umgehung der Kapitalaufbringungsregeln an die Gesellschaft zurückfließen zu lassen. Dies ergibt sich insbesondere aus einer vom Beklagten zu 11) gefertigten „Notiz“ (Anlage K58), in der er den Inhalt eines von ihm und den Beklagten zu 8), 10) und 12) am 04.11.2004 geführten Gesprächs wiedergibt, in dem der Beklagte zu 10) erklärte, dass er in ständigem Kontakt mit „B“ – also dem Beklagten zu 3) – stehe, um die Kapitalerhöhung durchführen zu können. In deutlicher Weise lässt diese Notiz nicht nur eine Differenzierung zwischen dem dort lediglich mit ca. 1,3 Mio. € bezifferten Kapitalerhöhungsbetrag einerseits und der Managementfee‑Forderung in Höhe von rund 2,2 Mio. € andererseits erkennen, sondern zeigt zudem, dass die Begleichung dieser Verbindlichkeit gegenüber C & C1 nur erfolgen sollte, wenn schriftliche Zusagen – der Kontext legt nahe, dass solche seitens C & C1 und der Beklagten zu 1) gemeint sind – vorliegen, dass „dieses Geld nicht zweckentfremdet eingesetzt wird“. Dies deutet ebenfalls darauf hin, dass ein Rücklauf der Zahlung auf die Managementfee-Forderung an die X AG geplant war, es der Gesellschaft aber nur darauf ankam, dies auch sicherzustellen. Der Inhalt des bereits erwähnten Schreibens vom 18.08.2004 (Anlage K35) stellt ebenfalls ein starkes Indiz dafür dar, dass zwischen der X AG und der Beklagten zu 1) die Abrede schon im Zeitpunkt der Übernahme der Bareinlageverpflichtung durch die Beklagte zu 1) am 19.08.2004 getroffen wurde. Dass darin eine Freigabe des zunächst auf ein Anderkonto bei der Beklagten zu 7) zu zahlenden Managementfee-Betrages erst für den Fall vorgesehen war, dass die X AG gegenüber der Beklagten zu 7) den Zahlungseingang der Kapitalerhöhung in Höhe von 3.498.000 € auf ihrem Konto bestätigt und nachgewiesen hat, trägt dem bereits zum Ausdruck gekommenen Sicherungsbedürfnis des Vorstands der X AG Rechnung, ändert aber nichts daran, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung die Managementfee-Forderung als Sacheinlage eingebracht werden sollte.
309Die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der unrichtigen Wiedergabe der Verhältnisse i.S.d. § 331 Nr. 1 HGB ist hier nicht deswegen zu verneinen, weil sich die Managementfee-Forderung möglicherweise als werthaltig erweist und auf die Einlagenschuld anzurechnen ist, § 27 Abs. 3 AktG. Denn für die Beurteilung ist auf die im Zeitpunkt der Handlung im Jahr 2004 geltende alte Rechtslage abzustellen, als eine Anrechnung des Wertes des verdeckt eingebrachten Vermögensgegenstands noch nicht kraft gesetzlicher Anordnung stattfand.
310ii)
311Es lässt sich indes nicht feststellen, dass der Beklagte zu 11) – nicht anders liegt es bei den Beklagten zu 12) und 13) – vorsätzlich gehandelt hat. Für die Annahme des Vorsatzes genügt es, dass der Täter die Falschdarstellung für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, dass die von ihm gegebene Darstellung falsch ist (Staub/Dannecker, HGB, 5. Auflage (2012), § 331 Rdn. 80).
312Da der Vorsatz des Täters alle objektiven Tatbestandsmerkmale erfassen muss (Staub/Dannecker, HGB, 5. Auflage (2012), Vor § 331 Rdn. 168), ist dafür erforderlich, dass die Beklagten zu 11) und 12) wussten, dass der von ihnen vorgelegte Jahresabschluss nicht mit den Tatsachen übereinstimmt und daher die Verhältnisse der Gesellschaft unrichtig wiedergibt. Vorsätzliches Handeln ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn es dem Täter nicht bekannt war, dass er objektiv falsche Angaben gemacht hat (Wiedmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Auflage (2008), § 331 Rdn 6).
313Nach dem gesamten Inhalt der mündlichen Verhandlung einschließlich der Ergebnisse der Beweisaufnahme kann der Senat nicht feststellen, dass dem Beklagten zu 11) – wie auch seinen Vorstandskollegen, den Beklagten zu 12) und 13) – der Charakter der verdeckten Sacheinlage als solche bekannt gewesen ist. Er hat vielmehr angegeben, die Kapitalerhöhung als eine Barkapitalerhöhung angesehen zu haben. Diese Einlassung ist unwiderlegt geblieben.
314Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, es komme auf die zutreffende rechtliche Würdigung der ihm bekannten Tatsachen, die die verdeckte Sacheinlage ausmachen, und der daraus folgenden Konsequenzen durch den Beklagten zu 11) und die übrigen Vorstandsmitglieder nicht an, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch im zivilrechtlichen Deliktsrecht die strafrechtliche Schuldtheorie Anwendung findet (BGH, Urteil vom 15.10.1996 – VI ZR 319/95, NJW 1997, 130). In deren Anwendungsbereich führt ein Irrtum oder die Unkenntnis von rechtlichen Gegebenheiten nur im Fall der Unvermeidbarkeit zum Ausschluss des Vorsatzes. Hier braucht die Frage der Unvermeidbarkeit nicht weiter erörtert zu werden, weil es schon an der Kenntnis aller für die Würdigung erforderlichen Tatsachen fehlt. Zu diesen gehören nämlich auch die Tatsachen, die in den Fällen des Auseinanderfallens von Inferent und Zahlungsempfänger die Zurechnung der einzelnen Teilakte zulasten des jeweiligen Beteiligten rechtfertigen. Vorliegend beruht, wie oben dargestellt worden ist, diese Zurechnung u.a. darauf, dass die C & C1 wegen der gesellschaftsvertraglichen Ausgestaltung der Geschäftsführungsbefugnis und der Willensbildung innerhalb der Beklagten zu 1) als deren beherrschende Muttergesellschaft anzusehen ist. Es kann auch nach der Darstellung der Klägerin und dem sonstigen Parteivorbringen nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte zu 11) und seine Vorstandskollegen von den insoweit maßgeblichen Vertragsbestimmungen in dem Gesellschaftsvertrag der Beklagten zu 1) Kenntnis gehabt hat.
315(ff)
316Auch wenn die von der X AG zuletzt unter dem 27.08.2002 (Anlage K82) abgegebene (Patronats‑)Erklärung gegenüber der Bank Saudi B-G – unstreitig – nicht im Jahresabschluss gem. § 251 HGB unter der Bilanz vermerkt ist, stellt dies ebenfalls keine unrichtige Wiedergabe der Verhältnisse der X AG i.S.d. § 331 Nr. 1 HGB durch den Beklagten zu 11) wie auch durch die Beklagten zu 12) und zu 13) dar. Es kann insoweit dahinstehen, ob es sich bei der Erklärung um eine dem saudi-arabischen oder dem deutschen Recht unterfallende wirtschaftlich verbindliche Erklärung handelt und durch sie eine entsprechende Haftung der X AG begründet worden ist. Selbst wenn man von dem Vorliegen einer sog. „harten“ Patronatserklärung auszugehen hätte, war unter Zugrundelegung des Vortrags der Klägerin, wonach die Saudi X Ltd. der Bank Saudi B-G Mitte 2005 rund 835.000 € aus einer ausgelaufenen Kreditlinie schuldete und sich Ende März 2006 einem vollstreckbaren Titel über rund 260.000 € gegenübersah, entsprechend der Beteiligungsquote der X AG an der Saudi X Ltd. letztlich nur mit einem Haftungsrisiko in Höhe von rund 130.000 € zu rechnen. Unabhängig davon, ob das aus der Patronatserklärung ergebende Risiko in der „Rückstellung für drohende Auslandsverluste“ in Höhe von 300.000 € Berücksichtigung gefunden hat, stellt die Nichtberücksichtigung eines Haftungsrisikos in Höhe von 130.000 € angesichts einer Bilanzsumme von mehr als 160. Mio. € jedoch keine als erheblich anzusehende unrichtige Wiedergabe der Verhältnisse der X AG dar und erweist sich damit als nicht tatbestandsmäßig.
317(gg)
318Die Bewertung der 49 %-igen Beteiligung der X AG an der Saudi X Ltd., die nach außerplanmäßiger Abschreibung von 478.000 € mit 150.000 € in Ansatz gebracht worden ist, stellt sich selbst bei anzunehmender Wertlosigkeit der Beteiligung und einer danach gebotenen vollständigen Abschreibung aus dem zuvor genannten Grund – auch unter Berücksichtigung der dort angenommenen Unrichtigkeit in Höhe von 130.000 € – ebenfalls nicht als eine als erheblich anzusehende unrichtige Wiedergabe i.S.d. § 331 Nr. 1 HGB dar.
319(2)
320In dem Jahresabschluss der X AG zum 31.12.2005 haben der Beklagte zu 11) – wie im Übrigen auch die Beklagten zu 12) und zu 13) – die Verhältnisse der Gesellschaft nicht – jedenfalls nicht vorsätzlich – i.S.d. § 331 Nr. 1, 2. Alt. HGB verschleiert. Eine Verschleierung der Verhältnisse der Kapitalgesellschaft liegt vor, wenn wirtschaftlich bedeutsame Verhältnisse zwar objektiv richtig dargestellt werden, ihre Erkennbarkeit aber so erheblich erschwert ist, dass die Gefahr einer unzutreffenden Beurteilung der wirtschaftlichen Situation besteht (Staub/Dannecker, HGB, 5. Auflage (2012), § 331 Rdn. 72).
321Die Klägerin ist für ihre Behauptung, der Vorstand habe zur Verschleierung des tatsächlichen Geschäftsergebnisses der X AG die Ausbuchung der Garantie- und Sicherheitseinbehalte in Höhe von insgesamt rund 2,34 Mio. € entgegen § 246 Abs. 2 HGB innerhalb des Materialaufwandes saldiert, anstatt das durch diese Ausbuchung erzielte Ergebnis als periodenfremde Erträge auszuweisen, und den Beklagten zu 11), zu 12) und zu 13) sei aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit als Vorstand auch bekannt, dass Erträge nicht mit Aufwendungen zu saldieren seien, jedenfalls hinsichtlich seines vorsätzlichen Handelns beweisfällig geblieben, da ein diesbezüglicher Beweisantritt für die von den Beklagten zu 11), 12) und 13) bestrittene Kenntnis fehlt.
322bb)
323Der Beklagte zu 11) haftet der Klägerin auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG, da eine Verletzung des § 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG nicht vorliegt.
324Nach § 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG, bei dem es sich um ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB handelt (BGHZ 105, 121; BGH, Urteil vom 26.09.2005 – II ZR 380/03, NZG 2005, 976 (977); Palandt/Sprau, BGB, 72. Auflage (2013), § 823 Rdn. 62), unterliegt der Strafdrohung, wer als Mitglied des Vorstandes zum Zweck der Eintragung einer Erhöhung des Grundkapitals (§§ 182 bis 206 AktG) über die Einbringung des neuen Kapitals falsche Angaben macht oder erhebliche Umstände verschweigt.
325Geschütztes Rechtsgut des Kapitalerhöhungsschwindels ist das Vertrauen der Allgemeinheit in Gestalt der Gesellschaftsgläubiger und sonst interessierten Öffentlichkeit in die Wahrhaftigkeit der Handelsregistereintragungen und deren Grundlagen (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 399 Rdn. 153 m.w.N.). Die Vorschrift schützt insbesondere Personen, die – wie die Klägerin – im Vertrauen auf die Richtigkeit der zum Handelsregister gemachten Angaben aus einer Kapitalerhöhung hervorgegangene neue Aktien erwerben (BGHZ 105, 121 – juris Rz. 11; BGH, Urteil vom 26.09.2005 – II ZR 380/03, NZG 2005, 976 (977); MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011) § 399 Rdn. 153).
326Der Beklagte zu 11), der – wie die Beklagten zu 12) und zu 13) – als Mitglied des Vorstandes tauglicher Täter des echten Sonderdelikts des § 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG ist, hat den objektiven Tatbestand des Kapitalerhöhungsschwindels erfüllt, indem er – gemeinsam mit den Beklagten zu 12) und zu 13) – mit notarieller Urkunde des Notars Dr. N1 in E (UR‑Nr. 25/05) die Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet und dazu erklärt hat, dass die Beklagte zu 1) 583.000 € neue Namensaktien gezeichnet habe, auf die der gesamte Ausgabebetrag von 3.498.000 € eingezahlt worden sei, und dass die Einzahlung durch Gutschrift auf ein endgültig zur freien Verfügung des Vorstands stehendes Konto der X AG erfolgt sei.
327Die über die Einbringung neuen Kapitals gem. §§ 188 Abs. 2, 36 Abs. 2 AktG zur Eintragung in das Handelsregister vom Vorstand der X AG gemachte Angabe, dass der eingeforderte und gezahlte Betrag endgültig zur freien Verfügung des Vorstandes steht, ist teilweise falsch. Die Angaben über die Erbringung neuen Kapitals sind falsch, wenn die Einbringung behauptet wird, obwohl sie nicht in der angegebenen Art stattgefunden hat (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage 2011, § 399 Rdn. 75 für die Einzahlung auf Aktien, die der Einbringung des Kapitals gleichsteht). Falsch ist deshalb insbesondere die Angabe, dass eine Bareinlage erbracht worden ist, obwohl in Wahrheit eine verdeckte Sacheinlage geleistet worden ist (MünchKomm/Schaal, AktG, 3. Auflage (2011), § 399 Rdn. 77+82 ff.). Ein solcher Fall liegt hier vor, da die Beklagte nach den oben gemachten Ausführungen die geleistete Einlage in Höhe von 2,2 Mio. verdeckt als Sacheinlage erbracht hat.
328Allerdings haben der Beklagte zu 11) sowie die Beklagten zu 12) und zu 13) die Angabe über die Einbringung des neuen Kapitals zur freien Verfügung des Vorstands nicht vorsätzlich falsch gemacht, da auch insoweit weder festgestellt werden kann, dass sie die Unrichtigkeit der von ihnen gemachten Angabe gekannt oder nur für möglich gehalten haben, noch dass sie zumindest zur Nachforschung verpflichtende Zweifel an der Richtigkeit der Angabe bewusst ignoriert haben.
329Wie oben bereits ausgeführt worden ist, ist schon nicht erkennbar, dass die Beklagten zu 11), 12) und 13) um sämtliche Umstände – gerade auch hinsichtlich des Inhalts des Gesellschaftsvertrags der Beklagten zu 1) – gewusst haben, auf Grund deren die Leistung der Einlage durch die Beklagte zu 1) jedenfalls in Höhe von rund 2,2 Mio. € als verdeckte Sacheinlage anzusehen ist.
330cc)
331Der Beklagte zu 11) haftet der Klägerin ebenfalls nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263, 27 StGB, da es schon – wie noch zu zeigen sein wird – an einem tatbestandsmäßiges Verhalten der Beklagten zu 8) und 9) fehlt, zu dem er Beihilfe hätte leisten können.
332d) Antrag zu V
333Der Antrag zu V, mit dem die Klägerin gegen die Beklagten zu 2), 5), 8), 9), 10), 12) und 13) als Gesamtschuldner – neben den Beklagten zu 1), zu 3), zu 4), zu 7) und zu 11) – die Zahlung von 5.000.000 € nebst Zinsen hilfsweise Zug um Zug gegen Übertragung des GmbH‑Anteils geltend macht, wobei es sich um den erstrangigen Teilbetrag des (nach der Vorstellung der Klägerin höheren) Schadens handelt, was die Klägerin auch für den Beklagten zu 5) – im Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 18.04.2012 irrtümlich als Beklagter zu 2) bezeichnet – nunmehr ausdrücklich klargestellt hat, ist unbegründet.
334aa) Beklagter zu 2)
335Die von der Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 2) geltend gemachten Zahlungsansprüche bestehen nicht. Insoweit gilt auch hier, dass die Klägerin ihn – wie den Beklagten zu 3) – ausschließlich in seiner Eigenschaft als persönlich haftender Gesellschafter der Beklagten zu 1) in Anspruch nimmt, dessen Haftung gem. §§ 161 Abs. 2, 128 HGB aber aus den oben genannten Gründen an der fehlenden Gesellschaftsschuld der Beklagten zu 1) scheitert.
336bb) Beklagter zu 5)
337(1)
338Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten zu 5), dessen Passivlegitimation sich gemäß § 2213 Abs. 1 S. 1 BGB aus seiner Position als den Nachlass des Herrn T verwaltender Testamentsvollstrecker ergibt, kein Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises in Höhe von 1.903.000 € nach § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB zu, da Herr T diesen nicht rechtsgrundlos erlangt hat.
339Es bedarf keiner Klärung der Frage, ob die Anfechtungserklärung vom 21.09.2007 dem Beklagten zu 5) als Testamentsvollstrecker fristgerecht zugegangen ist. Bereits vor Abgabe dieser Erklärung war Herr T am 02.07.2007 verstorben. Ein Bereicherungsanspruch gegen den Beklagten zu 5) scheitert auch hier aus den schon oben bei der Beklagten zu 4) genannten Gründen. Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 Abs. 2 BGB kommt nicht in Betracht, da sich die Beklagte zu 7) und die für sie auftretenden Beklagten zu 8) und zu 9) im Verhältnis zu Herrn T als Dritte erweisen, so dass eine Anfechtbarkeit nur dann gegeben wäre, wenn Herr T eine seitens der Klägerin behauptete Täuschung der durch die Beklagten zu 8) und 9) handelnden Beklagten zu 7) kannte oder hätte kennen müssen. Entsprechendes wird aber weder durch die Klägerin vorgetragen noch ist es sonst ersichtlich.
340(2)
341Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen den Beklagten zu 5) gem. §§ 280, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB sind ebenfalls nicht gegeben. Nach dem zuvor Gesagten liegt keine wirksame Anfechtung des Erwerbs- und Übertragungsvertrages vom 30.08.2006 durch die Klägerin vor. Wegen der Regelung in dessen Ziffer 5.4, die somit weiter in Kraft ist, kommen vorvertragliche oder vertragliche Ansprüche vorliegend nicht in Betracht. Danach sind mit Ausnahme von Ansprüchen wegen Vorsatz und Arglist alle anderen Ansprüche der Klägerin als Käuferin gegen Herrn T als Verkäufer aufgrund einer – gegebenenfalls auch implizierten – Gewährleistung, seien sie vorvertraglicher oder vertraglicher Art, soweit jeweils rechtlich zulässig ausgeschlossen.
342Zwar findet diese individualvertragliche Haftungsfreizeichnung wegen § 276 Abs. 3 BGB keine Anwendung auf ein vorsätzliches Handeln des Herrn T, jedoch ist auch hier schon nichts für eine diesbezügliche Haftung des Schuldners ersichtlich. Im Übrigen ist hier ebenfalls wegen § 278 S. 2 BGB eine Haftung für vorsätzliches und fahrlässiges Handeln für Erfüllungsgehilfen, auf die wegen § 278 S. 2 BGB die Vorschrift des § 276 Abs. 3 BGB keine Anwendung findet, wirksam ausgeschlossen.
343Offenbleiben kann an dieser Stelle auch, ob die von der Klägerin gegenüber den Beklagten zu 8) und zu 9) behaupteten Pflichtverletzungen zutreffend sind. Selbst wenn sie es wären und sich die Beklagten zu 8) und zu 9) bei dem Gespräch am 28.04.2006 als Erfüllungsgehilfen des Herrn T erweisen würden, ist auch insoweit ebenfalls seine Haftung ausgeschlossen.
344(3)
345Der Klägerin stehen gegen den Beklagten zu 5) auch gem. Ziffer 5.1 des Erwerbs- und Übertragungsvertrages vom 30.08.2006 keine Ansprüche aus den in Ziffer 4 abgegebenen Garantien zu.
346Danach garantiert Herr T der Klägerin im Sinne eines selbständigen, verschuldensunabhängigen Garantievertrages nach §§ 311 Abs. 1, 241 BGB unabhängig von eigener Kenntnis, es sei denn, es wird ausdrücklich auf die Kenntnis des Herrn T abgestellt, dass die nachstehend (unter Ziffer 4.1 bis 4.7 des Vertrages) aufgeführten Aussagen – falls kein anderer Tag, gegebenenfalls auch ergänzend, benannt ist – zum Zeitpunkt des Abschlusses des Erwerbs- und Übertragungsvertrages und zum Übertragungsstichtag richtig, vollständig und nicht irreführend sind.
347(aa)
348Herr T hat in Ziffer 4.1 des Vertrages lediglich die – den Tatsachen entsprechende – Garantie dafür übernommen, dass sind Aktien wirksam entstanden und vollständig eingezahlt sind, ohne jedoch eine solche Garantie auch für die Aktien der anderen Aktionäre zu übernehmen.
349(bb)
350Ebenso wenig haftet Herr T bzw. der Beklagte zu 5) der Klägerin gem. Ziffer 4.5 des Vertrages. Denn die danach von der Beklagte zu 4) übernommene Garantie dafür, dass die X AG weder zahlungsunfähig oder drohend zahlungsunfähig noch überschuldet ist, ist von seiner Kenntnis abhängig. Da die Klägerin eine solche Kenntnis des Herrn T schon nicht behauptet, kann ihre Behauptung, dass die X AG schon im Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse insolvenzreif gewesen sei, an dieser Stelle dahinstehen.
351cc) Beklagte zu 8) und zu 9)
352Schadensersatzansprüche der Klägerin gegenüber den Beklagten zu 8) und zu 9), die bei dem hier interessierenden Geschehen als Geschäftsführer der Beklagten zu 7) gehandelt haben, bestehen nicht.
353(1)
354Vertragliche Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagten zu 8) und zu 9) persönlich sind nicht ersichtlich, da die Klägerin mit diesen keine Verträge abgeschlossen hat.
355(2)
356Der Klägerin stehen gegen die Beklagten zu 8) und zu 9) auch keine Schadensersatzansprüche unter dem Gesichtspunkt der Sachwalterhaftung gem. § 311 Abs. 3 S. 2 BGB zu, da die Beklagten zu 8) und zu 9) kein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen oder eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt haben.
357(3)
358Die Beklagten haften der Klägerin auch nicht gem. §§ 823 Abs. 2, 840 BGB i.V.m. § 332 Abs. 1 HGB auf Schadensersatz, da eine Verletzung des § 332 Abs. 1 HGB nicht gegeben ist.
359Nach § 332 Abs. 1 HGB, bei dem es sich um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handelt (Staub/Dannecker, HGB, 5. Auflage 2012, § 332 Rdn. 11), unterliegt der Strafdrohung, wer als Abschlussprüfer über das Ergebnis der Prüfung eines Jahresabschlusses unrichtig berichtet, im Prüfungsbericht (§ 321 HGB) erhebliche Umstände verschweigt oder einen inhaltlich unrichtigen Bestätigungsvermerk (§ 322 HGB) erteilt.
360Geschütztes Rechtsgut i.S.d. § 332 HGB ist das Vertrauen in den Prüfungsbericht und den Bestätigungsvermerk und damit in die Richtigkeit und Vollständigkeit der gewissenhaft und unparteiisch durch ein unabhängiges Kontrollorgan geprüften Abschlüsse und Lageberichte (Staub/Dannecker, HGB, 5. Auflage 2012, § 332 Rdn. 11). Die Klägerin ist auch in den Schutzbereich des § 332 HGB einbezogen, da dieser u.a. neben den gegenwärtigen auch die zukünftigen Aktionäre oder Gesellschafter erfasst (Staub/Dannecker, HGB, 5. Auflage 2012, § 332 Rdn. 10).
361Die Beklagten zu 8) und zu 9), die als Wirtschaftsprüfer taugliche Täter des § 332 Abs. 1 HGB sind und bei denen im Falle der Prüfung durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft – wie hier durch die Beklagte zu 7) – die strafrechtliche Verantwortung liegt, da sie bei der Prüfung mitgewirkt bzw. den Prüfbericht unterzeichnet haben (vgl. Wiedmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Auflage (2008), § 332 Rdn. 2), haben jedoch weder über das Ergebnis der Prüfung des Jahresabschlusses zum 31.12.2005 unrichtig berichtet noch im Prüfungsbericht unrichtige Umstände verschwiegen noch einen inhaltlich unrichtigen Prüfungsvermerk erteilt.
362(aa)
363Ein unrichtiger Bericht des Abschlussprüfers i.S.d. § 332 Abs. 1, 1. Var. HGB liegt nur vor, wenn der Bericht über das Ergebnis der Prüfung nicht mit den Feststellungen übereinstimmt, die der Abschlussprüfer im Rahmen seiner Prüfung gemacht hat (Wiedmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Auflage (2008), § 332 Rdn. 4; Staub/Dannecker, HGB, 5. Auflage (2012), § 332 Rdn. 47 m.w.N.). Entscheidend ist der subjektive Kenntnisstand des Prüfers (Wiedmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Auflage (2008), § 332 Rdn. 4). Auch wenn er durch seine Prüfung zu objektiv falschen Ergebnissen gelangt ist, liegt eine unrichtige Berichterstattung nicht vor, wenn diese seiner subjektiven Einschätzung entspricht (Wiedmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Auflage (2008), § 332 Rdn. 4). Nicht tatbestandsmäßig ist es daher, wenn allein die dargestellte wirtschaftliche Situation der in Wirklichkeit bestehenden Sachlage nicht entspricht (Staub/Dannecker, HGB, 5. Auflage (2012), § 332 Rdn. 47). In subjektiver Hinsicht muss der Prüfer die Möglichkeit einer unrichtigen Berichterstattung erkennen und trotzdem den Prüfungsbericht erstatten (Staub/Dannecker, HGB, 5. Auflage (2012), § 332 Rdn. 67).
364Gemessen an diesen Anforderungen kann nach dem gesamten Inhalt der mündlichen Verhandlung einschließlich der Ergebnisse der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden, dass die Beklagten zu 8) und zu 9) in ihrem Bericht über die Prüfung des Jahresabschluss der X AG zum 31.12.2005 über das Ergebnis der Prüfung unrichtig berichtet haben.
365Die vor dem Senat durchgeführte Beweisaufnahme hat überwiegend schon nicht bestätigt, dass die von der Klägerin im Einzelnen behaupteten Unrichtigkeiten (Manipulationen der Bilanz bei der Bewertung von Vorräten – insgesamt oder im Zusammenhang mit einzelnen Bauvorhaben –, bei der Bewertung einzelner Forderungen, bei der Ausbuchung von Verbindlichkeiten und ihrer unterbliebenen Ausweisung als periodenfremde Erträge und bei der Bewertung eines Mietobjektes sowie im Zusammenhang mit dem Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage, einer Patronatserklärung und der Bewertung der Saudi X Ltd.) vorgelegen haben. Darüber hinaus kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagten zu 8) und zu 9) im Rahmen ihrer Abschlussprüfung zu den genannten Umständen und Sachverhalten Feststellungen getroffen haben, über die sie nicht richtig berichtet haben.
366(1)
367Hinsichtlich der Bewertung der Vorräte hat die durchgeführte Beweisaufnahme schon nicht ergeben, dass sie generell Gegenstand der von der Klägerin behaupteten Manipulationen gewesen sind. Es hat weder festgestellt werden können, dass Leistungsmeldungen in der von der Klägerin beschriebenen Weise manipuliert worden sind, noch dass dies nicht nur mit Billigung, sondern auf Geheiß der Beklagten zu 11), 12) und zu 13) geschehen ist. Auch die sog. C4‑Liste (Anlage K87) hat sich lediglich als interne Aufstellung des Zeugen C4 und zudem als zur Dokumentation von Manipulationen unergiebig erwiesen. Darüber hinaus haben sich insbesondere auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Verluste über einen längeren Zeitraum gestreckt wurden und Drohverluste nicht tatsächlich ermittelt, sondern durch den Leiter des Rechnungswesens, den Zeugen I, lediglich pauschal geschätzt worden sind. Es ergibt sich schon deshalb in dieser Hinsicht kein Anhaltspunkt für die Annahme, die Beklagten zu 8) und 9) hätten zu den von der Klägerin bezeichneten Sachverhalten Prüfungsergebnisse gewonnen, über die sie unrichtig berichtet hätten.
368Bezüglich der Bewertung der einzelnen fünf Baustellen (F-arena E, Pumpstation B, S- Hof Phase 2, N Hotel Am X-damm und P-heimer Straße) kann – selbst bei anzunehmender Unrichtigkeit im Jahresabschluss – ebenfalls nicht festgestellt werden, dass die Beklagten zu 8) und zu 9) hierzu bei ihrer Prüfung Feststellungen getroffen und darüber unrichtig berichtet haben. Denn die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, dass den Beklagten zu 8) und zu 9) die von der Klägerin insoweit als Erkenntnisquelle angesehene „Ergebnisschätzung Februar 2006“ (Anlage 24 zum Qaa-Gutachten – Anlage K28) und dem „Risiko-Management-Report“ mit der Zusammenstellung der laufenden Baustellen mit einer Auftragssumme über 1 Mio. € mit Stand vom 15.03.2006 (Anlage 25 zum Qaa‑Gutachten – Anlage K28) vorlag oder sonst bekannt gemacht worden ist. Zwar hat der Zeuge I bekundet, dass er die „entsprechenden Unterlagen“ über die Verlustbaustellen zu den einzelnen Objekten habe vorlegen müssen, wenn es angestanden habe, ohne dass daraus ersichtlich wird, dass die Beklagten zu 8) und zu 9) Unterlagen über die hier in Rede stehenden Verlustbaustellen vorlagen. Ebenso wenig hat die Beweisaufnahme bestätigt, dass die Beklagten zu 11), zu 12) und zu 13) in der bzw. den Besprechungen mit den Beklagten zu 8) und zu 9) Kenntnisse über die Verluste einzelner Baustellen vermittelt hätten.
369(2)
370Auch bezüglich der Bewertung der Forderungen (C AG und MDC/W Galerie) kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagten zu 8) und zu 9) über Prüfungsergebnisse nicht richtig berichtet haben.
371Der als Partei vernommene Beklagte zu 12) hat lediglich bestätigt, dass der Wertansatz der Forderung gegen die C AG auch Gegenstand der Prüfung durch die Beklagten zu 8) und zu 9) gewesen sei. Dass die Abschlussprüfer durch die Beklagten zu 11), 12) und 13) aber darauf hingewiesen worden sind, dass durch die Auftraggeberin allenfalls eine Leistung von noch 7 Mio. € zu erwarten und zudem noch eine Gewährleistungsbürgschaft über 2,5 Mio. € anspruchsmindernd zu berücksichtigen sei, was zu einer abweichenden Bewertung der Forderung hätte führen müssen, hat jedoch nicht festgestellt werden können.
372Im Übrigen ist die Klägerin jedenfalls beweisfällig geblieben. Eine Feststellung der Beklagten zu 8) und zu 9) zu Umständen, deren Folge eine abweichende Bewertung der Forderung gegen MDC/W Galerie sein kann, wird von der Klägerin weder behauptet noch unter Beweis gestellt.
373(3)
374Hinsichtlich der von den Beklagten zu 11), 12) und 13) vorgenommenen Ausbuchung von Verbindlichkeiten als verjährt und einer vorzunehmenden Darstellung als periodenfremde Erträge kann nach der Beweisaufnahme ebenfalls nicht festgestellt werden, dass die Beklagten zu 8) und zu 9) von den Beklagten zu 11), 12) und 13) unterrichtet worden sind.
375(4)
376Ebenso wenig hat die Beweisaufnahme ergeben, dass die Beklagten zu 8) und zu 9) Feststellungen zu den Besonderheiten des von der X AG gemieteten Objekts M-berger Straße getroffen haben, über die sie unrichtig berichtet haben.
377(5)
378Auch im Hinblick auf die von der Beklagten zu 1) nach den oben gemachten Ausführungen verdeckt erbrachten Sacheinlage in Höhe von rund 2,2 Mio. € hat die Beweisaufnahme nicht bestätigt, dass die Beklagten zu 8) und zu 9) hierüber vorsätzlich unrichtig berichtet haben. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagten zu 8) und zu 9) mit dem Zahlungsfluss, wie er nach der Notiz des Beklagten zu 11) über ein Gespräch vom 04.11.2004 (Anlage K58) vorgenommen werden sollte, auch die Bewertung verbunden haben, dass sich eine so von der Beklagten zu 1) geleistete Einlage in Höhe von rund 2,2 Mio. € als verdeckte Sacheinlage erweisen würde. Der Vorwurf vorsätzlichen Fehlverhaltens könnte den Beklagten zu 8) und 9) in dieser Hinsicht nur gemacht werden, wenn sie alle Umstände, die zur Annahme einer verdeckten Sacheinlage führen, gekannt hätten. Das war aber nicht so, denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass ihnen der für die Annahme einer verdeckten Sacheinlage erforderliche Inhalt des Gesellschaftsvertrages der Beklagten zu 1) – insbesondere § 4 Ziffer 3 und § 5 Ziffer 3 – bekannt war.
379(6)
380Die Beklagten zu 8) und zu 9) haben, wie sie bei ihrer Vernehmung als Partei bekundet haben, bei der Prüfung des Jahresabschlusses erkannt, dass es eine Patronatserklärung der X AG zugunsten der Saudi X Ltd. gab, über die der Jahresabschluss schwieg. Gleichwohl haben sie nicht den Tatbestand des § 332 Abs. 1, 1. Var. HGB verwirklicht, als sie darüber nicht berichtet haben. Denn zum einen muss die unrichtige Berichterstattung wesentlichen Sachverhalt betreffen, so dass auch die Darstellung des Prüfungsergebnisses betroffen wird. Völlig unerhebliche und für den Adressatenkreis nicht bedeutsame Sachverhalte scheiden insofern aus. Nach den oben bereits gemachten Ausführungen kann hierfür angesichts der vorliegend zugrunde zu legenden Bilanzsumme selbst die Nichterwähnung einer als haftungsträchtig anzunehmenden Patronatserklärung mit einem Risikopotential in Höhe von rund 130.000 € nicht genügen. Zum anderen ist unwiderlegt geblieben, dass die Beklagten zu 8) und 9) von dem (vermeintlichen) Haftungspotential der Patronatserklärung keine Kenntnis hatten, da ihnen nach ihrem Bekunden durch den Vorstand der plausible Eindruck vermittelt worden war, dass es sich gerade nicht um eine haftungsträchtige Patronatserklärung handelte.
381(7)
382Schließlich kann auch hinsichtlich der Bewertung der wirtschaftlichen Lage der Saudi X Ltd. nicht von einem unrichtigen Berichten i.S.d. § 332 Abs. 1, 1. Var. HGB durch die Beklagten zu 8) und zu 9) ausgegangen werden. Auch eine den Beklagten zu 8) und zu 9) bekannte Wertlosigkeit dieser Beteiligung stellt trotz unterbliebener Abschreibung auf Null und der Wahl eines Bilanzansatzes von 150.000 € – unabhängig davon, ob wirtschaftlich eine Abschreibung auf Null stattgefunden hat, weil auch die Beteiligung an Saudi XLtd. bei der „Rückstellung für drohende Auslandsverluste“ in Höhe von 300.000 € Berücksichtigung gefunden hat – kein unrichtiges Berichten über das Ergebnis des Jahresabschlusses in einem erheblichen Umfang dar.
383(bb)
384Soweit § 332 Abs. 1, 2. Var. HGB, der mit § 332 Abs. 1, 1. Var. HGB ohnehin einen einheitlichen Tatbestand bildet (Staub/Dannecker, HGB, 5. Auflage (2102), § 332 Rdn. 25), das Verschweigen erheblicher Umstände im Prüfungsbericht unter Strafe stellt, lässt der Vortrag der Klägerin ein allein danach zu würdigendes Fehlverhalten der Beklagten zu 8) und zu 9) nicht erkennen.
385(cc)
386Entsprechendes gilt, soweit § 332 Abs. 1, 3. Var HGB die Erteilung eines inhaltlich und unrichtigen Bestätigungsvermerks sanktioniert. Dass der von den Beklagten zu 8) und zu 9) uneingeschränkt erteilte Bestätigungsvermerk aus Gründen, die nicht bereits Gegenstand der Ausführungen zu § 332 Abs. 1, 1. Var. HGB gewesen sind, unrichtig ist, ist den Darlegungen der Klägerin nicht zu entnehmen.
387(4)
388Der Klägerin steht gegen die Beklagten zu 8) und zu 9) kein Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 823 Abs. 2, 840 BGB i.V.m. § 263 BGB zu. Das Vorbringen der Klägerin ist insoweit schon nicht schlüssig, da sie zu einer von diesen begangenen vorsätzlichen Täuschung sowie zu der Absicht, sich oder einen Dritten rechtswidrig zu bereichern, nicht vorträgt.
389(5)
390Eine Haftung der Beklagten zu 8) und zu 9) gem. §§ 826, 840 BGB gegenüber der Klägerin kommt ebenfalls nicht in Betracht. Für einen Sittenverstoß genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (vgl. BGH, Urteil vom 19.11.2013 – VI ZR 411/12; Urteil vom 15.10.2013 – VI ZR 124/12; Urteil vom 19.07.2004 – II ZR 217/03, NJW 2004, 2668, (2670)).
391Im Bereich der Expertenhaftung für unrichtige (Wert-)Gutachten und Testate kommt ein Sittenverstoß bei einer besonders schwer wiegenden Verletzung der einen Experten treffenden Sorgfaltspflichten in Betracht. Als sittenwidrig ist dabei zu beurteilen, dass der Auskunfterteilende aufgrund des Expertenstatus ein besonderes Vertrauen für sich in Anspruch nimmt, selbst aber nicht im Mindesten den an einen Experten zu richtenden Maßstäben genügt (BGH, Urteil vom 19.11.2013 – VI ZR 411/12 – juris Rz. 9f. m.w.N.). Der Sittenverstoß setzt ein leichtfertiges und gewissenloses Verhalten des Auskunftgebers voraus. Es genügt nicht ein bloßer Fehler des Gutachtens, sondern es geht darum, dass sich der Gutachter durch nachlässige Erledigung, z.B. durch nachlässige Ermittlungen oder gar durch Angaben ins Blaue hinein der Gutachtenaufgabe entledigt und dabei eine Rücksichtslosigkeit an den Tag legt, die angesichts der Bedeutung des Gutachtens für die Entscheidung Dritter als gewissenlos erscheint (BGH, Urteil vom 19.11.2013 – VI ZR 411/12 – juris Rz. 9f. m.w.N.).
392Gemessen daran kommt eine Haftung der Beklagten zu 8) und zu 9) nicht Betracht. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme hat nicht festgestellt werden können, dass sie in dem Gespräch am 28.04.2006 Angaben überhaupt Erklärungen über den Inhalt des Prüfungsgerichts gemacht haben. Darüber hinaus spricht nichts dafür, dass sich die Beklagten zu 8) und zu 9) ihrer Aufgabe als Abschlussprüfer in nachlässiger Weise entledigt haben. Zudem ließe die bloße Fehlerhaftigkeit von Jahresabschlüssen – selbst wenn sie erheblich wäre – nicht den Schluss zu, dass die Beklagten zu 8) und 9) mit Schädigungsvorsatz gehandelt haben (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.1998 – 8 U 59/98, NZG 1999, 901 (903)).
393dd) Beklagter zu 10)
394Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen den Beklagten zu 10) gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB oder gem. § 826 BGB kommen nicht in Betracht, da kein haftungsbegründendes Verhalten des Beklagten zu 10) festgestellt werden kann.
395Nach der durchgeführten Beweisaufnahme ist die Klägerin bereits mit ihrer Behauptung, der Beklagte zu 10) habe in dem Gespräch am 28.04.2006 – entgegen besserer Kenntnis der tatsächlichen Lage – ihre Fragen nach dem Vorliegen einer Patronatserklärung in dem Gespräch am 28.04.2006 verneint und die Geschäftsaussichten der Saudi X Ltd. als grundsätzlich positiv beurteilt, beweisfällig geblieben. Der von der Klägerin zum Beweis dieser Tatsache benannte Zeuge Dr. I hat weder bestätigen können, dass eine solche Frage in der Besprechung gestellt wurde, noch dass der Beklagte zu 10) sie mit dem behaupteten Inhalt beantwortet habe.
396ee) Beklagte zu 12) und zu 13)
397Gegenüber den Beklagten zu 12) und zu 13) als den neben dem Beklagten zu 11) weiteren Mitgliedern des Vorstandes der X AG stehen der Klägerin ebenfalls nicht die geltend gemachten Zahlungsansprüche zu. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die oben zum Beklagten zu 11) gemachten Ausführungen verwiesen werden. Auch soweit es für das deliktische Handeln auf die jeweilige Kenntnis der einzelnen Vorstandsmitglieder ankommt, kann – wie bereits oben dargestellt – nicht festgestellt werden, dass die Beklagten zu 12) und zu 13) eine ihren Vorsatz begründende Kenntnis hatten.
398e) Antrag zu VI
399Der Antrag zu VI, mit dem die Klägerin gegen die Beklagte zu 6) – gesamtschuldnerisch mit den Beklagten zu 1) bis 5) und zu 7) bis 13) – die Zahlung von 2.400.000 € nebst Zinsen hilfsweise Zug um Zug gegen Übertragung des GmbH‑Anteils geltend macht, ist ebenfalls unbegründet.
400aa)
401Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten zu 6) kein Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises in Höhe von 2.400.000 € nach § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB zu, da die Beklagte zu 6) diesen nicht rechtsgrundlos erlangt hat.
402Auch hier gilt aus den schon oben bei den Beklagten zu 4) und zu 5) genannten Gründen, dass eine täuschungsbedingte Anfechtbarkeit wegen § 123 Abs. 2 BGB nicht in Betracht kommt, da sich die Beklagte zu 7) und die für sie auftretenden Beklagten zu 8) und zu 9) im Verhältnis zur Beklagten zu 6) als Dritte erweisen, so dass eine Anfechtbarkeit nur dann gegeben wäre, wenn die Beklagte zu 6) eine seitens der Klägerin behauptete Täuschung der durch die Beklagten zu 8) und 9) handelnden Beklagten zu 7) kannte oder hätte kennen müssen. Entsprechendes wird aber weder durch die Klägerin vorgetragen noch ist es sonst ersichtlich.
403bb)
404Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 6) gem. §§ 280, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB sind ebenfalls nicht gegeben. Da nach dem zuvor Gesagten keine wirksame Anfechtung des Erwerbs- und Übertragungsvertrages vom 30.08.2006 durch die Klägerin vorliegt, kommen vorvertragliche oder vertragliche Ansprüche wegen der Regelung in dessen Ziffer 5.4 vorliegend nicht in Betracht. Danach sind mit Ausnahme von Ansprüchen wegen Vorsatz und Arglist alle anderen Ansprüche der Klägerin als Käuferin gegen die Beklagte zu 6) als Verkäuferin aufgrund einer – gegebenenfalls auch implizierten – Gewährleistung, seien sie vorvertraglicher oder vertraglicher Art, soweit jeweils rechtlich zulässig ausgeschlossen.
405Für vorsätzlich begangene Pflichtwidrigkeiten der gesetzlichen Vertreter der Beklagten zu 6) ist nichts ersichtlich. Im Übrigen greift der Haftungsausschluss ein. Gegen einen Haftungsausschluss, der individualvertraglich vereinbart und von der rechtlichen Zulässigkeit, die sich aus § 278 S. 2 BGB ergibt, abhängig gemacht ist, bestehen keine Bedenken.
406Offenbleiben kann an dieser Stelle auch, ob die von der Klägerin gegenüber den Beklagten zu 8) und zu 9) behaupteten Pflichtverletzungen zutreffend sind. Selbst wenn sie es wären und sich die Beklagten zu 8) und zu 9) bei dem Gespräch am 28.04.2006 als Erfüllungsgehilfen der Beklagten zu 6) erweisen würden, ist auch insoweit ebenfalls ihre Haftung im Hinblick auf § 278 S. 2 BGB zulässigerweise ausgeschlossen.
407cc)
408Der Klägerin stehen gegen die Beklagte zu 6) auch gem. Ziffer 5.1 des Erwerbs- und Übertragungsvertrages vom 30.08.2006 keine Ansprüche aus den in Ziffer 4 abgegebenen Garantien zu.
409Danach garantiert die Beklagte zu 6) der Klägerin im Sinne eines selbständigen, verschuldensunabhängigen Garantiervertrages unabhängig von eigener Kenntnis, es sei denn es wird ausdrücklich auf die Kenntnis der Beklagten zu 6) abgestellt –, dass die nachstehend (unter Ziffer 4.1 bis 4.6) des Vertrages aufgeführten Aussagen – falls kein anderer Tag, gegebenenfalls auch ergänzend, benannt ist – zum Zeitpunkt des Abschlusses des Erwerbs- und Übertragungsvertrages und zum Übertragungsstichtag richtig, vollständig und nicht irreführend sind.
410(aa)
411Die Beklagte zu 6) hat in Ziffer 4.1 des Vertrages lediglich die – den Tatsachen entsprechende – Garantie dafür übernommen, dass ihre Aktien wirksam entstanden und vollständig eingezahlt sind, ohne jedoch eine solche Garantie auch für die Aktien der anderen Aktionäre zu übernehmen.
412(bb)
413Ebenso wenig haftet die Beklagte zu 4) der Klägerin gem. Ziffer 4.5 des Vertrages. Denn die danach von der Beklagten zu 6) übernommene Garantie dafür, dass die X AG weder zahlungsunfähig oder drohend zahlungsunfähig noch überschuldet ist, ist ebenfalls von ihrer Kenntnis abhängig. Da die Klägerin eine solche Kenntnis der Beklagten zu 6) schon nicht behauptet, kann ihre Behauptung, dass die X AG schon im Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse insolvenzreif gewesen sei, an dieser Stelle dahinstehen.
414f) Antrag zu VII
415Der Antrag zu VII, der auf die Feststellung gerichtet ist, dass die Beklagten zu 1), 3), 4) und 7) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr – der Klägerin – jeden weiteren bereits entstandenen und künftig entstehenden Schaden zu ersetzen, der dadurch verursacht wurde, dass sie – die Klägerin – vor Abschluss der Gesellschaftervereinbarung vom 29.08.2006 sowie vor Abschluss der zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 4) und 6) sowie dem Erblasser T geschlossenen Erwerbs- und Übertragungsverträgen bzgl. der Aktien der X AG über die wirtschaftliche Situation der X AG zum 31.12.2005 und bei Abschluss der Verträge getäuscht worden ist, ist zwar zulässig, aber unbegründet. Nach den oben gemachten Ausführungen bestehen gegenüber den Beklagten zu 1), 3), 4) und zu 7) weder vertragliche noch deliktische Ansprüche auf Schadensersatz.
416g) Antrag zu VIII
417Der Antrag zu VIII, der auf die Feststellung gerichtet ist, dass sich die Beklagten zu 1) bis 13) mit der Annahme der Abtretungserklärung bzgl. ihrer – der Klägerin – Geschäftsanteile an der X GmbH in Annahmeverzug befinden, und mit dem hilfsweise für den Fall, dass das Gericht den Hauptanträgen zu II bis VI nicht folgt, die Feststellung begehrt wird, dass die Beklagten zu 1) bis 13) sich mit der Annahme der Abtretungserklärung hinsichtlich des gemäß Umwandlungsbeschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der X AG vom 5. Dezember 2006, Urkunden-Nr. 1145/06 des Notars I1, E1 (Anlage K 20) festgesetzten Geschäftsanteils der Klägerin an der X GmbH im Nennbetrag von EUR 11.415.000,00 im Annahmeverzug befinden, ist zulässig, aber unbegründet.
418Ein Annahmeverzug der Beklagten, das Angebot der Klägerin auf Abtretung der Anteile anzunehmen, könnte nur in Betracht gezogen werden, wenn die Klägerin gehalten wäre, bei der Leistung von Schadensersatz durch die Beklagten, wie ihn die Klägerin verlangt, im Gegenzug die Anteile als erlangte Gegenleistung oder als „anzurechnende Vorteile“ herauszugeben. Eine solche Rechtslage ist aber nach dem Inhalt der vorstehenden Gründe, auf die verwiesen wird, nicht gegeben.
419h) Antrag zu IX
420Auch der Antrag zu IX, mit dem die Klägerin eine Verurteilung der Beklagten zu 1) bis 13) als Gesamtschuldner begehrt, an sie – die Klägerin – 130.792,00 € nebst 8 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit als Ersatz für vorgerichtlich angefallene Anwaltskosten zu zahlen, ist unbegründet. Ansprüche gegen sämtliche Beklagte aus § 280 Abs. 1 BGB kommen nach den vorstehenden Ausführungen nicht in Betracht. Dass der Klägerin insbesondere gegen die Beklagte zu 1) Ansprüche gem. §§ 286 Abs. 1, 280 Abs. 2 BGB zustehen, ist nicht ersichtlich.
4212.
422Eine Entscheidung über die Eventualwiderklage der Beklagten zu 1), 2), 3) und 10) ist nicht geboten, da die innerprozessuale Bedingung zur Entscheidung über den Antrag nicht vorliegt. Voraussetzung für die Bescheidung der als Hilfswiderklage geltend gemachten Stufenklage ist nicht der Erfolg der Feststellungsklage, sondern der hier nicht gegebene Erfolg derjenigen Klageanträge, bei denen den geltend gemachten Schadensersatzansprüchen Ansprüche auf Vorteilsausgleich entgegen gehalten werden können.
4233.
424Entgegen der Ansicht der Klägerin war der Rechtsstreit entscheidungsreif, ohne dass noch Beweis über die Unrichtigkeit des Jahresabschlusses der X AG zum 31.12.2005 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erheben war. Nach den gemachten Ausführungen kommt eine Haftung der Beklagten zu 7), 8) und 9) einerseits und der Beklagten zu 11), 12) und 13) andererseits gegenüber der Klägerin nur aus deliktischem Verhalten in Betracht. Den insoweit von der Klägerin aufgestellten Behauptungen – auch zur subjektiven Seite – ist der Senat mit der durchgeführten Beweisaufnahme nachgegangen. Dass diese Beklagten aber über die von der Klägerin bereits behaupteten und unter Beweis gestellten Unrichtigkeiten des Jahresabschlusses oder Unrichtigkeiten der Berichterstattung hinaus auch Kenntnis davon hatten, dass die von ihnen als Vorstand vorgelegte Bilanz – insbesondere soweit Bewertungsfragen betroffen sind – auch insoweit nicht mit den Tatsachen übereinstimmt (§ 331 Nr. 1 HGB) oder die von ihnen als Prüfer vorgenommen Berichterstattung auch insoweit unrichtig ist (§ 332 Abs. 1 HGB), ist weder substantiiert dargetan noch unter Beweis gestellt. Dies gilt auch, soweit die Klägerin behauptet, die Bewertungsmethoden der Beklagten zu 11), 12) und 13) seien – insbesondere die Linearisierung der zum Stichtag bestehenden Verluste – konzeptionell ungeeignet.
4254.
426Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf §§ 92, 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
4275.
428Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO insbesondere auch im Hinblick auf den angenommenen Verstoß von Regelungen in der Gesellschaftervereinbarung gegen § 405 Abs. 3 Nrn. 6 und 7 AktG nicht vorliegen.
429(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Beide Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen 4 Wochen Stellung zu nehmen.
Gründe:
- 1
- Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor; das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
- 2
- I. Der Kläger, selbständiger Juwelier und Goldschmied, fordert Rentenleistungen aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung.
- 3
- 1. Er leidet an einer Limbusstammzellen-Insuffizienz mit Hornhautdegeneration am linken Auge, in deren Folge er seit 1981 behandelt und mehrfach operiert wurde. Mit Blick darauf wurde in den Versicherungsvertrag auf Verlangen des beklagten Versicherers folgende von ihm vorformulierte Zusatzklausel aufgenommen: "Es gilt als vereinbart, dass die unten bezeichnete Gesundheitsbeeinträchtigung und alle Leiden einschließlich eventueller Operationsfolgen, die medizinisch nachweisbar damit ursächlich zusammenhängen, eine Leistung aus der Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung nicht bedingt und bei der Festsetzung des Grades der Berufsunfähigkeit aus anderen gesundheitlichen Gründen unberücksichtigt bleibt. Art der Gesundheitsbeeinträchtigung: Erkrankung des linken Auges"
- 4
- Nach Vertragsschluss verringerte sich infolge einer anderen Erkrankung auch das Sehvermögen des Klägers auf seinem rechten Auge. Die Beklagte bestreitet einen Versicherungsfall. Infolge der Zusatzklausel müsse die Erkrankung des Klägers auf seinem linken Auge bei der Ermittlung des Grades der Berufsunfähigkeit außer Betracht bleiben, mithin dieses Auge als gesund betrachtet werden. Die Beeinträchtigung des rechten Auges führe für sich genommen nicht zu einem für die beantragte Versicherungsleistung zumindest vorausgesetzten Grad der Berufsunfähigkeit von 33%.
- 5
- Der Kläger meint, dieser Grad der Berufsunfähigkeit werde selbst dann überschritten, wenn man unterstelle, sein linkes Auge sei gesund. Im Übrigen habe er die Zusatzklausel so verstehen dürfen, dass lediglich sein linkes Auge unversichert, er also wie ein "Einäugiger" gegen den Verlust der Sehkraft auf seinem rechten Auge versichert sei. Anderen- falls sei die Ausschlussklausel intransparent und benachteilige ihn unangemessen.
- 6
- 2. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat der Kläger nicht bewiesen, dass er zu jedenfalls 33% berufsunfähig sei. Die Sehschwäche des linken Auges müsse ungeachtet des Umstandes, dass auch sie sich seit Vertragsschluss verschlechtert habe, bei der Bemessung der Berufsunfähigkeit insgesamt außer Betracht bleiben und stattdessen unterstellt werden, das linke Auge des Klägers sei gesund.
- 7
- Das ergebe die Auslegung der Ausschlussklausel. Die Erkrankung eines Organs unberücksichtigt zu lassen, zwinge im Umkehrschluss dazu , es als nicht erkrankt anzusehen. Die Zusatzklausel sei wirksam, halte insbesondere der AGB-rechtlichen Kontrolle stand.
- 8
- Ein Schadensersatzanspruch stehe dem Kläger nicht zu. Selbst wenn die Beklagte beim ihm falsche Vorstellungen über den Umfang des Versicherungsschutzes erweckt haben sollte, habe er nicht behauptet, dass er bei einem anderen Versicherer die Mitversicherung seiner Erkrankung des linken Auges hätte erreichen können.
- 9
- II. Das Berufungsgericht hat die Revision gestützt auf § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache mit der Erwägung zugelassen, dass sie die Auslegung einer in ähnlichen Versicherungsverträgen häufiger verwendeten Klausel betreffe. http://www.juris.de/jportal/portal/t/xh9/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=130&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE300589300&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 5 -
- 10
- Das allein rechtfertigt die Zulassung der Revision indes nicht (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 18. November 2009 - IV ZR 36/09, VersR 2010, 645 Rn. 4 m.w.N.). Es ist nicht ersichtlich, dass die Auslegung der Klausel in Rechtsprechung und Literatur umstritten wäre (vgl. zu ähnlichen Klauseln: LG Düsseldorf VersR 2008, 1522 f.; OLG Nürnberg VersR 1987, 249).
- 11
- Auch sonstige Zulassungsgründe sind nicht ersichtlich.
- 12
- III. Eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit des Klägers von zumindest 33% lässt sich nicht feststellen, weil die Erkrankung des linken Auges des Klägers bei der Bemessung des Grades der Berufsunfähigkeit nach der von den Parteien wirksam vereinbarten Zusatzklausel außer Betracht bleiben muss und die Beweisaufnahme einen solchen Grad der Berufsunfähigkeit im Übrigen nicht ergeben hat.
- 13
- 1. Die vom Senat aufgestellten Maßstäbe für die Auslegung Allgemeiner Versicherungsbedingungen (vgl. nur BGHZ 123, 83, 85; Senatsurteil vom 17. Dezember 2008 - IV ZR 9/08, VersR 2009, 341 Rn. 16, 17 m.w.N.) hat das Berufungsgericht beachtet.
- 14
- a) Dem in erster Linie maßgeblichen Klauselwortlaut kann der Versicherungsnehmer entnehmen, dass die Erkrankung seines linken Auges weder für sich genommen einen Leistungsanspruch begründen noch im Zusammenspiel mit anderweitigen Erkrankungen den Grad der Berufsunfähigkeit beeinflussen, insbesondere erhöhen kann. Vielmehr soll die Erkrankung des linken Auges selbst im Falle einer möglichen Verschlechterung auf die Feststellung der Berufsunfähigkeit keinerlei Einfluss haben.
- 15
- Die Einwände der Revision gegen dieses Verständnis des Klauselwortlauts überzeugen nicht. Soweit sie meint, die Klausel könne ebenso gut dahin verstanden werden, dass die von der Erkrankung des linken Auges ausgehende Beeinträchtigung der Berufsunfähigkeit nach vorausgehender Bestimmung der aus der Erkrankung beider Augen insgesamt folgenden Berufsunfähigkeit "abzuziehen" sei, führt dies zum gleichen Ergebnis. Eine Unklarheit der Klausel i.S. von § 305c Abs. 2 BGB zeigt die Revision damit nicht auf.
- 16
- b) Auch bei Berücksichtigung ihres erkennbaren Sinnzusammenhangs kann ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Zusatzklausel nicht anders verstehen. Sie bezweckt eine Einschränkung des vom Versicherer übernommenen Risikos, welches bereits bei der Vertragsanbahnung dadurch erhöht war, dass der Versicherungsnehmer am linken Auge erkrankt war. Die Beklagte war erkennbar nicht bereit, dieses erhöhte Risiko zu versichern, sondern wollte es vom Versicherungsschutz ausnehmen und damit eine dem Kläger nachteilige Regelung treffen. Eine Besserstellung des Versicherungsnehmers war demgegenüber ersichtlich nicht bezweckt; sie läge aber vor, wollte man die Klausel so verstehen, dass der Kläger als ein auf dem linken Auge Erblindeter (als "Einäugiger") versichert wäre. Denn das hätte zur Folge, bei Bemessung der Berufsunfähigkeit die Sehfähigkeit insgesamt allein anhand der Sehkraft des rechten Auges zu bestimmen. Dabei müssten sich Schäden am rechten Auge ungleich stärker auf den Grad der Berufsunfähigkeit auswirken , zumal sogar ein - in Wahrheit nicht gegebener - vollständiger Verlust der Sehkraft des linken Auges in die Bemessung einflösse.
- 17
- 2. In der genannten Auslegung hält die Klausel einer Kontrolle anhand der §§ 305c, 306, 307 bis 309 BGB stand.
- 18
- a) Sie ist kontrollfähig, weil sie nach Wortlaut und erkennbarem Zweck das vom Versicherer gegebene Hauptleistungsversprechen lediglich einschränkt, verändert, ausgestaltet oder sonst modifiziert (Senatsurteil vom 26. September 2007 - IV ZR 252/06, VersR 2007, 1690 Rn. 13 m.w.N.).
- 19
- b) Die Zusatzklausel ist keine überraschende Klausel i.S. des § 305c Abs. 1 BGB, weil ihr kein Überrumpelungseffekt innewohnt. Sie weicht nicht deutlich in einer Art und Weise von den Erwartungen des Versicherungsnehmers ab, mit der er nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht (vgl. Senatsurteile vom 30. September 2009 - IV ZR 47/09, VersR 2009, 1622 Rn. 13; vom 6. Dezember 1995 - IV ZR 363/94, VersR 1996, 322 unter 2 a; vom 17. März 1999 - IV ZR 137/98, VersR 1999, 745 unter II 3 a; vom 19. Mai 2004 - IV ZR176/03, juris Rn. 25; vom 27. Oktober 2004 - IV ZR 141/03, VersR 2005, 64 unter II 2 a; vom 18. Februar 2009 - IV ZR 11/07, VersR 2009, 623 Rn. 18). Vielmehr ist sie - individuell auf die Erkrankung des Klägers bezogen - im Zuge der Vertragsanbahnung als zusätzliche Bedingung in den Vertrag aufgenommen worden. Schon dadurch war das Augenmerk des Klägers in besonderer Weise auf diese Vereinbarung gelenkt, ohne die die Beklagte nicht zum Vertragsabschluss bereit war und mit der sie erkennbar bezweckte, die Erkrankung des linken Auges vom Versicherungsschutz auszunehmen. Die Herausnahme individueller gesundheitlicher Risiken aus dem Versicherungsschutz stellt in der Personenversicherung auch keinen ungewöhnlichen, sondern Versicherungsnehmern weithin geläufigen Vorgang dar.
- 20
- c) Dass die Klausel auch der Kontrolle nach den §§ 306, 307 bis 309 BGB unterliegt, folgt aus § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Obwohl der Kläger hier das Risiko versichert hat, seine selbständige berufliche Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben zu können, ist er Verbraucher i.S. der § 310 Abs. 3 Satz 1, § 13 BGB. Eine solche Absicherung zählt als Maßnahme der Gesundheitsvorsorge zur privaten Sphäre und ist deshalb nicht der gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit des Klägers i.S. des § 13 BGB zuzurechnen (Palandt/Ellenberger , BGB 70. Aufl. § 13 Rn. 3; Martinek in jurisPK, BGB 5. Aufl. [2010] § 13 Rn. 51).
- 21
- aa) Die Zusatzklausel führt nicht zu einer Beweislastverschiebung zu Lasten des Versicherungsnehmers i.S. von § 309 Nr. 12 BGB. Sie belässt es vielmehr dabei, dass der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall darlegen und beweisen muss (vgl. Senatsurteil vom 11. November 1987 - IVa ZR 240/86, VersR 1988, 234 unter 2 c, in BGHZ 102, 194 ff. nicht abgedruckt; Senatsbeschluss vom 20. Januar 2010 - IV ZR 111/07, r+s 2010, 251 Rn. 3). Ihr Regelungsgehalt beschränkt sich darauf , die Erkrankung am linken Auge für die Begründung der Berufsunfähigkeit oder die Feststellung ihres Grades auszuschließen. Damit geht indes keine Verpflichtung des Versicherungsnehmers einher, die Voraussetzungen des Risikoausschlusses dahin auszuräumen, dass ein bestimmter Grad der Berufsunfähigkeit nicht von der Erkrankung des linken Auges herrühre. Denn dieser steht nicht von vorn herein fest, son- dern ergibt sich erst aus der Gewichtung der vom Versicherungsnehmer darzulegenden und zu beweisenden Gesundheitsbeeinträchtigungen. Wird die Erkrankung am linken Auge davon ausgenommen, so muss die Berufsunfähigkeit anhand anderweitiger Gründe bemessen werden. Die Frage, ob und inwieweit sie auch auf der Erkrankung des linken Auges beruht, stellt sich danach nicht mehr.
- 22
- bb) Gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstößt die Zusatzklausel nicht. Sie enthält eine klare Regelung, die dem Versicherungsnehmer den ihn treffenden Nachteil beim Nachweis der Berufsunfähigkeit ausreichend veranschaulicht (vgl. dazu Senatsurteile vom 11. Februar 2009 - IV ZR 28/08, VersR 2009, 533 Rn. 14; vom 30. April 2008 - IV ZR 241/04, VersR 2008, 816 Rn. 15 m.w.N.; vom 26. September 2007 - IV ZR 252/06, VersR 2007, 1690 Rn. 16 ff.). Er erkennt , dass eine Erkrankung des linken Auges auch nicht ergänzend zur Erhöhung des Grades einer Berufsunfähigkeit herangezogen werden kann, er diesbezüglich nicht anders gestellt ist, als wäre sein linkes Auge gesund. Dass die Klausel den Nachweis erschwert, eine Störung des räumlichen Sehens (der Binokularfunktion) beruhe allein oder vorwiegend auf einer Beeinträchtigung des rechten Auges ist eine für den Versicherungsnehmer erkennbare Folge daraus.
- 23
- cc) Die Frage, ob die Zusatzklausel wesentliche Rechte des Versicherungsnehmers in einer die Erreichung des Vertragszwecks gefährdenden Weise einschränkt (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB), hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler verneint. Eine Leistungsbegrenzung begründet für sich genommen noch keine Vertragszweckgefährdung, sondern bleibt grundsätzlich der freien unternehmerischen Entscheidung des Versicherers überlassen, soweit er nicht mit der Beschreibung der Hauptleistung beim Versicherungsnehmer falsche Vorstellungen erweckt (Senatsurteil vom 11. Februar 2009 - IV ZR 28/08, VersR 2009, 533 Rn. 19 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Mit dem Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung bezweckt der Versicherungsnehmer Schutz vor einem dauerhaften krankheitsbedingten Verlust des aus seiner beruflichen Tätigkeit erzielten Einkommens. Dem wird die vom Kläger gehaltene Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung trotz der hier in Rede stehenden Ausschlussklausel gerecht.
- 24
- Eine Gefährdung des Vertragszwecks liegt erst dann vor, wenn die Einschränkung den Vertrag seinem Gegenstand nach aushöhlt und in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos macht (Senatsurteil vom 11. Februar 2009 aaO Rn. 21 m.w.N.). In der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung scheidet eine solche Vertragszweckgefährdung aus, solange das primäre Leistungsversprechen nicht angetastet wird. Hier bleibt jedwede Berufsunfähigkeit des Klägers versichert, solange sie einen Grad von 33% oder mehr erreicht und nicht von der Erkrankung des Klägers am linken Auge beeinflusst ist. Der Beklagten wiederum kann ein - auch mit Blick auf die übrigen Versicherten - berechtigtes Interesse nicht abgesprochen werden, außergewöhnliche und insbesondere in vorvertraglichen Erkrankungen bereits angelegte Risiken vom Versicherungsschutz auszunehmen.
- 25
- 3. Dass sich allein aufgrund der Schädigung des rechten Auges des Klägers eine Berufsunfähigkeit von zumindest 33% nicht feststellen lässt, hat das Berufungsgericht mit sachverständiger Hilfe ohne Rechtsfehler dargelegt.
- 26
- 4. Gegen die Ablehnung von Schadensersatzansprüchen des Klägers hat die Revision im Übrigen nichts erinnert.
Lehmann Dr. Brockmöller
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.
Vorinstanzen:
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 24.01.2008- 14 O 237/07 -
OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 07.10.2009- 5 U 87/08-9 -
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtstreits nach einem Streitwert von 32.239,- €.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Leistung einer Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand:
2Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Hausratversicherung mit dynamischer Summenanpassung (Versicherungsschein Nr. ##/###########) für das in seinem Eigentum stehende Einfamilienhauses L ## in F. Grundlage des Versicherungsvertrages sind u.a. die Allgemeinen Hausratversicherungsbedingungen VHB 92 der Beklagten. Versichert ist ausweislich des Nachtrages zum Versicherungsschein vom 14.3.2011 der gesamte Hausrat zum Neuwert mit einer Versicherungssumme von 314.776,00 €. In dem Nachtrag zum Versicherungsschein vom 14.3.2011 wird unter „Deckungserweiterung“ auf Seite 2 ausgeführt, dass „Wertsachen (…) gemäß § 19 Abs. 2 VHB 92 bis 20,00 % der vereinbarten Versicherungssumme mitversichert“ sind, was „einem Betrag von 62.946 €“ entspreche.
3In den vereinbarten Allgemeinen Hausratsversicherungsbedingungen VHB 92 wurde in § 19 folgendes vereinbart:
4„§ 19 Entschädigungsgrenzen für Wertsachen einschließlich Bargeld
51. Wertsachen sind
6a) Bargeld;
7(…)
8c) Schmucksachen, (…), Sowie Sachen aus Gold und Platin;
9(…)
102. Die Entschädigung für Wertsachen ist je Versicherungsfall auf insgesamt 20 % der Versicherungssumme begrenzt, soweit nicht etwas anderes vereinbart wurde.
113. Ferner ist für Wertsachen, die sich außerhalb verschlossener mehrwandiger Stahlschränke mit einem Mindestgewicht von 200 kg und auch außerhalb eingemauerter Stahlwandschränke mit mehrwandiger Tür oder außerhalb besonders vereinbarter sonstiger verschlossener Behältnisse mit zusätzlichen Sicherheitsmerkmalen befinden, die Entschädigung je Versicherungsfall begrenzt auf
12a) 2000 DM für Bargeld, (…);
13(…)
14c) insgesamt 40.000 DM für Wertsachen gemäß Nr. 1c.“
15Am 21.12.2013 waren unbekannte Täter über die Terrassentür des Klägers in die versicherte Wohnung eingebrochen und haben Hausrat, Bargeld und Wertsachen entwendet. Der Kläger zeigte der Beklagten mit schriftlicher Schadenmeldung vom 30.12.2013 den Einbruchdiebstahl an. Im Rahmen der Schadenregulierung holte die Beklagte ein Gutachten des Sachverständigen X über die Entschädigungshöhe ein, der die entwendeten allgemeinen Hausratsgegenstände mit 1.816,00 €, entwendetes Bargeld mit 2.471,00 €, entwendeten Schmuck mit 56.070,00 € sowie Schäden im Bereich des Gebäudes mit 157,00 € bewertete. Der ermittelte Gesamtschaden belief sich folglich auf 60.614,- €. Die Bewertung des Schadens durch den von der Beklagten beauftragten Sachverständigen lassen die Parteien gegen sich gelten und stellen diesen unstreitig. Sowohl das entwendete Bargeld als auch der entwendete Schmuck waren unstreitig außerhalb eines qualifizierten Behältnisses aufbewahrt worden. Die Beklagte rechnete unter Zugrundelegung der Wertgrenzen des § 19 Nr. 3 a) VHB 92 für den Bargeldschaden sowie unter Zugrundelegung der Wertgrenzen des § 19 Nr. 3 c) VHB 92 für den Schaden für Schmucksachen und Sachen aus Gold insgesamt 23.446,00 € ab und zahlte diesen Betrag an den Kläger. Auf den Gesamtbetrag i.H.v. 23.446,00 € entfielen für allgemeine Hausratsachen ein Betrag i.H.v. 1.816,00 €, für die Bargeldentschädigung 1.120,00 €, auf den Schmuckschaden 20.452,00 und für den Gebäudeschaden 157,00 €. Sodann zahlte die Beklagte weitere 675,54 € für unstreitig erforderliche Glasarbeiten. Eine weitergehende Schadenregulierung lehnte die Beklagte zunächst ab, leistete sodann jedoch eine Kulanzzahlung i.H.v. weiteren 3.379,00 €, so dass sie insgesamt an den Kläger 27.500,54 € leistete. Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 6.6.2014 und 30.6.2014 zur Zahlung der Restforderung auf. Weitere Zahlungen erfolgten nicht.
16Der Kläger vertritt die Rechtsansicht, dass die in § 19 Nr. 3 VHB 92 vereinbarten Wertgrenzen eine verhüllte Obliegenheit darstellen. Die Versicherungsbedingungen seien derart ausgestaltet worden, dass der Versicherungsnehmer unter Beachtung der Wertgrenzen des §§ 19 Nr. 2 VHB 92 generell vollen Versicherungsschutz auch für Wertsachen erhalte. Dies solle nur dann nicht gelten, wenn der Versicherungsnehmer bestimmte Wertgegenstände nicht in einem Stahlschrank mit einem Mindestgewicht von 200 kg oder vergleichbaren Behältnissen aufbewahrt. Der Versicherungsschutz werde daher wegen eines nachlässigen Verhaltens des Versicherungsnehmers, nämlich bestimmte Wertgegenstände ab einem gewissen Wert nicht in einem solchen gesicherten Behältnis aufzubewahren, wieder entzogen. Die Beschreibung dieses nachlässigen Verhaltens stelle daher eine verhüllte Obliegenheit dar, so dass es zwingend eine Anpassung der Versicherungsbedingungen an § 28 VVG n.F. bedurft habe. Da die Beklagte eine Anpassung gem. Art. 1 Abs. 3 EGVVG nicht vorgenommen habe, die VHB 92 jedoch nicht der nunmehr geltenden Regelung des § 28 VVG entsprechen, könne sich die Beklagte nicht auf eine Obliegenheitsverletzung des Klägers berufen. Es sei folglich der Gesamtschaden ungekürzt zu ersetzen. Ferner seien die Regelungen in § 19 Nr. 3 VHB 92 wegen Verstoßes gegen AGB-Recht unwirksam.
17Der Kläger beantragt,
18die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 32.239,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.6.2014 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.358,86 € zu zahlen.
19Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Die Beklagte vertritt die Rechtsansicht, dass es sich bei den Wertgrenzen, die in § 19 Nr. 3 VHB 92 vereinbart worden sind, nicht um verhüllte Obliegenheiten sondern um objektive Risikobegrenzungen handelt, weil objektive Merkmale entscheidend seien und nicht ein Verhalten des Versicherungsnehmers. Da § 28 VVG n.F. nur für Obliegenheitsverstöße Rechtsfolgen vorgebe, sei eine Anpassung von § 19 Nr. 2, 3 VHB 92 an das neue VVG gerade nicht erforderlich gewesen. Im Übrigen gebe das neue VVG verbindliche gesetzliche Vorgaben für Entschädigungsgrenzen, wie sie in § 19 VHB 92 vereinbart worden seien, gerade nicht vor, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt gerade keine Abweichung vorliege.
22Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes werden die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
23Entscheidungsgründe:
24Die Klage ist unbegründet.
25Ein aus § 1 VVG i.V.m. den im Rahmen des Hausratsversicherungsvertrages vereinbarten VHB 92 folgender weitergehender Zahlungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte i.H.v. 28.570,- €, der über die bereits geleisteten 27.500,54 € hinausgeht, besteht nicht.
26Die insoweit vereinbarten Entschädigungsgrenzen des § 19 Nr. 3 a) und c) VHB 92 stellen entgegen der Rechtsauffassung des Klägers keine verhüllte Obliegenheit, sondern vielmehr eine objektive Risikobegrenzung dar (vgl. BGH, VersR 1972, 575; OLG Hamm, r+s 1984, 148; LG Dortmund, r+s 1984, 148; LG Verden, VersR 2008, 115; Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., Vorb. § 74, Rn. 18; Dietz, Hausratversicherung 84, 2. Aufl., § 19 VHB 84, Rn. 6.2), weswegen ein weiterer Zahlungsanspruch ausscheidet. Die Regelungen in § 19 Nr. 3 VHB 92 sind auch nicht wegen eines Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam.
27I. Als verhüllte Obliegenheiten werden Klauselbedingungen bezeichnet, die wie ein Risikoausschluss formuliert sind, in Wahrheit den Versicherungsschutz aber von einem bestimmten Verhalten des VN abhängig machen. Die Abgrenzung einer verhüllten Obliegenheit von einer Risikobegrenzung richtet sich entscheidend nicht nach dem Wortlaut und der Stellung der Klausel innerhalb eines Bedingungswerkes. Ausschlaggebend ist vielmehr ihr materieller Gehalt; es kommt darauf an, ob sie die individualisierende Beschreibung eines bestimmten Wagnisses enthält, für das der Versicherer keinen Versicherungsschutz gewähren will, oder ob sie in erster Linie ein bestimmtes Verhalten des VN fordert, von dem es abhängt, ob er einen zugesagten Versicherungsschutz behält oder verliert (BGH, r+s 2014, 350, Juris Tz. 18). Als Hilfskriterium unterscheidet der Bundesgerichtshof danach, ob es sich um Klauseln handelt, die „ziemlich nahe an ein bestimmtes Handeln anknüpfen“ (verhüllte Obliegenheit), oder um Klauseln, die „nur indirekt zu einem Verhalten zwingen“ (primäre Risikobegrenzung) (BGH, VersR 1972, 575). Wird von vornherein nur ausschnittsweise Deckung gewährt und nicht ein gegebener Versicherungsschutz wegen nachlässigen Verhaltens wieder entzogen, so handelt es sich um eine Risikobegrenzung (BGH, VersR 2000, 969).
281. Der vom Kläger und in der Literatur vertretenen Auffassung, dass es sich nach diesen Maßstäben bei den speziellen Wertgrenzen in § 19 Nr. 3 a) und c) VHB 92 um verhüllte Obliegenheiten handele, da vom VN verlangt werde, die Wertsachen im Tresor aufzubewahren – also gefahrvorbeugende Maßnahmen zu treffen –, falls er in den Genuss einer höheren Entschädigungsgrenze kommen möchte (vgl. Jula, in: Bruck/Möller, VVG-Großkommentar, Band 7, 9. Aufl 2012, VHB 2010, A § 13, Rn. 20), schließt sich die Kammer nicht an.
292. Es liegen vielmehr objektive Risikobegrenzungen vor.
30a) Der Sinn und Zweck der Regelung des § 19 Nr. 3 VHB 92 liegt darin, dass der VN nur unter den dort genannten Voraussetzungen Versicherungsschutz nach den höheren Wertgrenzen des § 19 Nr. 2 VHB 92 erhält. Nur dann stellt der Diebstahl von Wertsachen bestimmten Wertes für den Versicherer ein noch tragbares Risiko dar. Die Regelung führt demnach dazu, dass von vornherein nur ausschnittsweise Deckung gewährt wird für Wertsachen bis zu der niedrigeren Entschädigungsgrenzen des § 19 Nr. 3 VHB 92. Versicherungsschutz in Höhe der höheren Wertgrenzen der Nr. 2 wird folglich nur dann gewährt, wenn die weiteren Voraussetzungen der Nr. 3 erfüllt sind. Demnach wird nicht ein gegebener Versicherungsschutz wegen nachlässigen Verhaltens wieder entzogen – wie der Kläger meint – , so dass es zum Schutze des Versicherungsnehmers der Anwendung des § 28 VVG bedarf, sondern der Versicherungsschutz wird überhaupt nur unter den Voraussetzungen des § 19 Nr. 3 VHB 92 gewährt.
31b) Ferner zeigt eine vergleichende Betrachtung von § 10 VHB 92 (Regelung über den versicherungsort) und § 19 Nr. 3 VHB 92 (Wertgrenze) zeigt, dass es sich um eine objektive Risikobegrenzung handelt.
32Nach § 10 VHB 92 ist Hausrat nur am Versicherungsort versichert. Diese Regelung über den Versicherungsort stellt nach einhellig vertretener Rechtsansicht eine rechtlich zulässige objektive Risikobeschränkung dar, ohne Rücksicht darauf, dass es vom Verhalten des Versicherungsnehmers abhängt, dass der Versicherungsschutz nur dann besteht, wenn der VN den Hausrat an den Versicherungsort verbringt oder dort belässt. Denn der materielle Kern der Regelung ist in einer individualisierenden Beschreibung eines bestimmten Wagnisses, nämlich der Versicherung von Gegenständen an einem bestimmten Ort, zu sehen.
33Die streitgegenständlichen Wertgrenzen des § 19 Nr. 3 VHB 92 fordern innerhalb des primären Versicherungsortes eine spezielle Art der Aufbewahrung. Sie knüpfen damit jedenfalls indirekt an ein Verhalten des VN an, nämlich das Aufbewahren an einem bestimmten Ort, dem qualifizierten Behältnis. Dabei steht aber immer noch die versicherte Sache im Vordergrund. Besteht nach den vereinbarten Versicherungsbedingungen Versicherungsschutz für Wertgegenstände nur dann, wenn diese in einem Tresor oder ähnlichen verschlossenen Behältnissen aufbewahrt werden, die eine erhöhte Sicherheit auch gegen ihre Wegnahme bieten, dann wird damit ein bestimmter Zustand gefordert, in dem die versicherte Sache sich befinden muss, um innerhalb der erhöhten Wertgrenzen des § 19 Nr. 2 VHB 92 gegen Einbruchdiebstahl geschützt zu sein. Der materielle Kern der Regelung liegt folglich ebenfalls, wie bei der Regelung über den Versicherungsort, in einer individualisierenden Beschreibung eines bestimmten Wagnisses, nämlich die Versicherung von Wertgegenständen ab einer bestimmten Höhe nur innerhalb bestimmter gegen Wegnahme schützender Behältnisse, auch wenn indirekt an ein Verhalten des VN angeknüpft wird (vgl. BGH, VersR 1971, 575; BGH, VersR 1983, 573; OLG Hamm, r+s 1984, 148; LG Dortmund, r+s 1984, 148; LG Verden, VersR 2008, 115; Prölls, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., Vorb. § 74, Rn. 18; Dietz, Hausratversicherung 84, 2. Aufl., § 19 VHB 84, Rn. 6.2).
34c) Weiter ist zu bedenken, dass der Versicherer in der Einbruchdiebstahlversicherung den Diebstahl von Wertsachen vom Versicherungsschutz von vornherein gänzlich ausnehmen kann, ohne dass die Versicherung damit jeden Wert verlieren würde. Wenn anstelle eines völligen Ausschlusses der Versicherungsschutz für Wertsachen von vornherein aber nur auf einen bestimmten Wert beschränkt wird, nur bei Aufbewahrung in sicheren und verschlossenen Behältnissen ein höherer Versicherungswert gewährt werden soll, so kann für einen solchen von vornherein beschränkten Versicherungsschutz die Form einer Risikobeschränkung gewählt werden. Gegenüber diesem versicherungsrechtlich gerechtfertigten, gegenständlich begrenzten Sacherfordernis tritt das Verhalten des Versicherungsnehmers, die Wertsachen in sicheren Behältnissen aufzubewahren, so in den Hintergrund, dass es nicht notwendig Inhalt einer Obliegenheit sein muss, weil die Versicherung andernfalls keinen Wert mehr hätte (vgl. BGH, VersR 1972, 575).
35d) Der Bundesgerichtshof bejaht bei mit § 19 Nr. 3 VHB 92 vergleichbaren Regelungen das Vorliegen von objektiven Risikobegrenzungen in Abgrenzung zu verhüllten Obliegenheiten auch deswegen, weil in derartigen Bestimmungen feste Entschädigungsgrenzen bei objektiv bestimmt umrissenen Tatbeständen vorliegen (BGH, VersR 1986, 781, Juris. Tz. 25).
36II. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers sind Wertgrenzen, wie sie in § 19 Nr. 3 VHB 92 enthalten sind, auch nicht überraschend im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB oder wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB unwirksam (vgl. OLG Hamm, r+s 2013, 439, Juris Tz. 5 ff.).
37Das OLG Hamm hat in dem soeben zitierten Urteil ausgeführt:
38„Eine Unwirksamkeit wegen Verstoßes gegen § 305 c Abs. 1 BGB läge nur dann vor, wenn eine deutliche Abweichung zwischen den Erwartungen eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers einerseits und der betreffenden Klausel andererseits bestünde. Die berechtigten Erwartungen des Versicherungsnehmers werden dabei von allgemeinen Umständen, wie etwa dem Grad der Abweichung von dispositiven Normen bzw. den Umständen des Vertragsschlusses, bestimmt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 21.11.1991, IX ZR 60/91; Saarländisches OLG, VersR 2011, 489). Daran gemessen handelt es sich bei der fraglichen Regelung nicht um eine überraschende Klausel. Ein gewöhnlicher Versicherungsnehmer wird nämlich durchaus damit rechnen, dass der Versicherer einer Hausratversicherung nicht ohne weiteres für Bargeldbeträge in Höhe der vollen Versicherungssumme einstehen wird (siehe dazu bereits Beschluss des Senats vom 04.01.2012, 20 U 124/11- juris, zu § 15 Nr. 1 und 2 AVB m.w.N.).
39Die Klauseln ist auch nicht wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, denn sie benachteiligt den Versicherungsnehmer nicht in unangemessener Weise. Angesichts der bei der Hausratversicherung in der Regel überschaubaren Prämienhöhe stellt die Vereinbarung von Entschädigungsgrenzen für Wertsachen in Abhängigkeit von ihrer konkreten Aufbewahrung gerade keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer muss deshalb mit einer Entschädigungsgrenzen rechnen (so bereits OLG Celle, Urteil vom 23.09.2010, 8 U 47/10, juris Tz. 34 m.w.N.; Saarländisches OLG, VersR 2011, 489, Juris Tz. 31).“
40Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an.
41III. Da die Voraussetzungen, die § 19 Nr. 3 VHB 92 für die Erlangung der höheren Entschädigungsgrenze nach § 19 Nr. 2 VHB 92 statuiert, unstreitig nicht erfüllt wurden, hatte der Kläger lediglich einen Anspruch auf Zahlung von 27.500,54 €. Dieser Anspruch wurde gemäß § 362 BGB durch Zahlung erfüllt.
42Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.
43Der Streitwert wird auf 28.570,00 EUR festgesetzt.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer bei deren Rechtsvorgängerin (im Folgenden ebenfalls als Beklagte bezeichnet) abgeschlossenen Hausratversicherung auf Ersatz für bei einem Einbruchdiebstahl abhanden gekommene und beschädigte Sachen in Anspruch. Dem Vertrag liegen Allgemeine Hausratversicherungsbedingungen (VHB) zugrunde , die - soweit hier von Bedeutung - den in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. S. 1567 ff. abgedruckten VHB 92 entsprechen.
- 2
- Während einer etwa zweiwöchigen Abwesenheit der Klägerin und ihres Ehemannes wurde am 5. August 2003 gegen 0.25 Uhr in deren Erdgeschosswohnung durch Aufhebeln der Balkontür eingebrochen, wie die von einem Nachbarn herbeigerufene Polizei feststellte. Nach der Rückkehr am 7. August 2003 meldete die Klägerin der Beklagten den Schadenfall telefonisch. Mit Schreiben vom selben Tage übersandte die Beklagte der Klägerin ein Formular für die Schadenanzeige. Im Anschreiben wird die Klägerin gebeten, alle in der beigefügten Schadenmeldung aufgeführten Fragen zu beantworten. Diese betreffen unter anderem die Polizeidienststelle, welcher der Schaden gemeldet wurde, und die dortige Tagebuchnummer sowie die vom Schaden betroffenen Sachen mit der Bitte, darüber ein Verzeichnis mit Datum und Preis der Anschaffung und der Schadenforderung einzureichen. Ein Hinweis, ein Verzeichnis der abhanden gekommenen Sachen auch bei der Polizei einzureichen , ist weder im Anschreiben noch im Formular für die Schadenanzeige enthalten. Das ausgefüllte Formular nebst einer Liste abhanden gekommener und beschädigter Gegenstände ging bei der Beklagten am 8. Oktober 2003 ein. Der Polizei hat die Klägerin die Liste im November 2003 vorgelegt. Am 21. November 2003 nahm der von der Beklagten beauftragte Schadenregulierer eine Verhandlungsniederschrift auf und traf mit der Klägerin eine unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Beklagten stehende Vergleichs- und Abfindungsvereinbarung über 15.000 €. Die Beklagte beantragte Ende Januar 2004 Einsicht in die Ermittlungsakten und lehnte mit Schreiben vom 18. März 2004 Leistungen ab, weil die Klägerin entgegen der Obliegenheit in § 21 Nr. 1c VHB der zuständigen Polizeidienststelle nicht unverzüglich ein Verzeichnis der abhanden gekommenen Sachen eingereicht habe. Im Rechtsstreit hat sich die Beklagte ferner auf Leistungsfreiheit wegen arglistiger Täuschung über die Schadenhöhe nach § 22 Nr. 1 VHB berufen. Außerdem hat sie geltend gemacht, sie sei wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles nach § 9 Nr. 1a VHB nicht zur Leistung verpflichtet, weil die Wohnungstür nur ins Schloss gezogen und nicht verschlossen gewesen sei.
- 3
- Landgericht Das hat der auf Zahlung von 23.861 € gerichteten Klage in Höhe von 15.000 € stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Klage auf die Berufung der Beklagten vollständig abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin den Anspruch in voller Höhe weiter.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung.
- 5
- I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Beklagte wegen einer grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung der Klägerin gemäß § 21 Nr. 1c, Nr. 3 VHB, § 6 Abs. 3 VVG a.F. von der Leistungspflicht frei. Im Gegensatz zum Landgericht - das grobe Fahrlässigkeit verneint hat - meint es, die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin anlässlich der Schadenanzeige und des daraufhin geführten Schriftverkehrs auf das Erfordernis des Einreichens einer Stehlgutliste bei der Polizei trotz der ihr gegenüber bereits gemachten Angaben hinzuweisen. Den ihr obliegenden Kausalitätsgegenbeweis gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 VVG a.F. habe die Klägerin nicht geführt. Sie habe nicht dargetan, dass bei unver- züglicher Einreichung einer vollständigen Stehlgutliste polizeiliche Maßnahmen nicht zu einer Sicherstellung von Diebesgut geführt hätten.
- 6
- II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Beklagte ist nicht wegen Verletzung der Obliegenheit nach § 21 Nr. 1c VHB von der Verpflichtung zur Leistung frei.
- 7
- 1. Soweit die Klägerin in Höhe von 3.300 € Ersatz für die behaupteten Beschädigungen der Balkontür und von Gegenständen in der Wohnung verlangt, ist die Obliegenheit schon objektiv nicht verletzt. Der Polizeidienststelle ist nur ein Verzeichnis der abhanden gekommenen Sachen einzureichen. Hinsichtlich der Beschädigungen sind deshalb auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Kausalitätsgegenbeweis fehlerhaft (vgl. dazu Senatsurteil vom 10. Februar 1999 - IV ZR 60/98 - VersR 1999, 1004 unter II 3).
- 8
- 2.Davonabgesehen ist der Beklagten das Berufen auf Leistungsfreiheit nach Treu und Glauben verwehrt. Unter den hier gegebenen Umständen hätte sie die Klägerin auf die Obliegenheit, der Polizei unverzüglich eine Stehlgutliste einzureichen, und die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Obliegenheit hinweisen müssen.
- 9
- a) Eine darauf bezogene generelle Hinweis- und Belehrungspflicht wird in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte überwiegend abgelehnt (vgl. u.a. OLG Köln VersR 2008, 917, 918 m.w.N.; KG r+s 2003, 199, 200 f.; OLG Frankfurt am Main NVersZ 2001, 37, 38; OLG Koblenz VersR 1988, 25). Ausgehend von der praktischen Erfahrung, dass diese Obliegenheit und der Verlust des Versicherungsschutzes bei deren Ver- letzung verbreitet nicht geläufig seien, wird einer fehlenden Belehrung in einigen Entscheidungen aber Bedeutung für die Widerlegung von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beigemessen (vgl. OLG Düsseldorf VersR 2005, 1727 f.; OLG Hamm r+s 1988, 22, 23; OLG Koblenz VersR 2007, 1694, 1695).
- 10
- In der Literatur wird zunehmend die Auffassung vertreten, der Versicherer sei, wenn der Versicherungsnehmer den Schaden zeitnah melde , zu einer Belehrung über die weitgehend unbekannte Obliegenheit zur Vorlage einer Stehlgutliste bei der Polizei und über die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Obliegenheit verpflichtet (Knappmann, r+s 2002, 485, 488 f.; ders. in Recht und Risiko, Festschrift für Helmut Kollhosser zum 70. Geburtstag Bd. I S. 195, 199 ff.; Versicherungsrechts-Handbuch/ Rüffer, § 32 Rdn. 186, § 33 Rdn. 145).
- 11
- b) Wie Knappmann (Festschrift aaO S. 200 f.) zutreffend ausführt, ist der Versicherer aufgrund seiner überlegenen Sach- und Rechtskenntnis nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet, den Versicherungsnehmer bei rechtzeitiger Anzeige des Versicherungsfalles über die Obliegenheit und die Rechtsfolgen ihrer Verletzung jedenfalls dann zu belehren , wenn er - wie hier durch Übersendung eines Formulars mit dem erwähnten Anschreiben - nähere Angaben zum Versicherungsfall und zur Anzeige bei der Polizei und eine Liste der abhanden gekommenen Sachen anfordert. Damit wird für den Versicherungsnehmer erkennbar konkretisiert , was der Versicherer von ihm für die Prüfung dieses angezeigten Versicherungsfalles erwartet. Es geht dann nicht mehr - wie bei der Pflicht zur Anzeige des dem Versicherer unbekannten Versicherungsfalles - um eine "spontan" zu erfüllende Obliegenheit. Verlangt der Versicherer Auskunft über die Polizeidienststelle, der der Schaden gemeldet wurde, und die Tagebuchnummer sowie die Vorlage eines Verzeichnisses der vom Schaden betroffenen Sachen, ohne auf die Vorlage einer Stehlgutliste bei der Polizei hinzuweisen, ist dies geeignet, den Versicherungsnehmer irrezuführen. Er kann annehmen, dass der Versicherer ihn über das, was zu tun ist, informiert hat und Weiteres nicht erforderlich ist. Demgegenüber ist dem Versicherer aufgrund seines Wissensvorsprungs , insbesondere der zahlreichen Instanzurteile bekannt, dass Versicherungsnehmer häufig und allein wegen verspäteter oder unterbliebener Vorlage der Stehlgutliste bei der Polizei den Versicherungsschutz verlieren. Der Versicherer ist deshalb nach Treu und Glauben verpflichtet , den Versicherungsnehmer auf derartige typische, den Versicherungsschutz gefährdende Versäumnisse und Fehler hinzuweisen. Ein solcher Hinweis im Formular für die Schadenanzeige ist ohne weiteres möglich und - wie die Praxis zeigt - in manchen Formularen auch enthalten. Unterlässt der Versicherer den - wegen möglicher Fahndungserfolge auch im eigenen Interesse - gebotenen Hinweis, handelt er rechtsmissbräuchlich , wenn er sich auf Leistungsfreiheit beruft. Auf den Nachweis fehlender grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers kommt es dann nicht an.
- 12
- III. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Zur Leistungsfreiheit wegen arglistiger Täuschung nach § 22 Nr. 1 VHB und zur grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles nach § 9 Nr. 1a VHB fehlt es an Feststellungen unter anderem darüber, welche Sachen überhaupt entwendet worden sind und ob sie über den Balkon oder die Wohnungstür abtransportiert worden sind. Aus dem bloßen Umstand, dass die Wohnungstür nur ins Schloss gezogen und nicht abgeschlossen worden war, lässt sich eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles nicht ableiten. Die Täter sind durch die Balkontür eingebrochen. In der Wohnung befindlich, hätten sie nach dem Vortrag der Klägerin die Tür mit einem Schlüssel öffnen können.
Dr. Kessal-Wulf Felsch
Vorinstanzen:
LG Verden, Entscheidung vom 16.03.2005 - 8 O 430/04 -
OLG Celle, Entscheidung vom 17.11.2005 - 8 U 57/05 -
(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.
(2) Für die Übermittlung des erteilten Rats und der Gründe hierfür gilt § 6a.
(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.
(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.
(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des § 210 Absatz 2 nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Die Zwangsvollstreckung findet ferner statt:
- 1.
aus Vergleichen, die zwischen den Parteien oder zwischen einer Partei und einem Dritten zur Beilegung des Rechtsstreits seinem ganzen Umfang nach oder in Betreff eines Teiles des Streitgegenstandes vor einem deutschen Gericht oder vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle abgeschlossen sind, sowie aus Vergleichen, die gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 oder § 492 Abs. 3 zu richterlichem Protokoll genommen sind; - 2.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen; - 2a.
(weggefallen) - 2b.
(weggefallen) - 3.
aus Entscheidungen, gegen die das Rechtsmittel der Beschwerde stattfindet; - 3a.
(weggefallen) - 4.
aus Vollstreckungsbescheiden; - 4a.
aus Entscheidungen, die Schiedssprüche für vollstreckbar erklären, sofern die Entscheidungen rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind; - 4b.
aus Beschlüssen nach § 796b oder § 796c; - 5.
aus Urkunden, die von einem deutschen Gericht oder von einem deutschen Notar innerhalb der Grenzen seiner Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind, sofern die Urkunde über einen Anspruch errichtet ist, der einer vergleichsweisen Regelung zugänglich, nicht auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist und nicht den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betrifft, und der Schuldner sich in der Urkunde wegen des zu bezeichnenden Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat; - 6.
aus für vollstreckbar erklärten Europäischen Zahlungsbefehlen nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006; - 7.
aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen als Europäische Vollstreckungstitel bestätigt worden sind; - 8.
aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union im Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (ABl. L 199 vom 31.7.2007, S. 1; L 141 vom 5.6.2015, S. 118), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2015/2421 (ABl. L 341 vom 24.12.2015, S. 1) geändert worden ist, ergangen sind; - 9.
aus Titeln eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union, die nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu vollstrecken sind.
(2) Soweit nach den Vorschriften der §§ 737, 743, des § 745 Abs. 2 und des § 748 Abs. 2 die Verurteilung eines Beteiligten zur Duldung der Zwangsvollstreckung erforderlich ist, wird sie dadurch ersetzt, dass der Beteiligte in einer nach Absatz 1 Nr. 5 aufgenommenen Urkunde die sofortige Zwangsvollstreckung in die seinem Recht unterworfenen Gegenstände bewilligt.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.