Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 10. Juli 2014 - 15 W 122/14


Gericht
Tenor
Die angefochtene Zwischenverfügung wird aufgehoben.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Beteiligte ist Eigentümerin des eingangs genannten Grundstücks, das mit einem Kaufhaus mit einer Tiefgarage bebaut ist. Dieses Grundstück ist in Abt. II des Grundbuchs unter lfd. Nr. 11 belastet mit einer Grunddienstbarkeit folgenden Inhalts:
4„Wegerecht (Befahren durch Benutzer der auf dem herrschenden Grundstück errichteten Tiefgarage) für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Gemarkung H Flur ## Flurstücke ##1 und ##2 (eingetragen in H Blatt ****). Unter Bezug auf die Bewilligung vom 15. Juni/4. Dezember 1998 (UR-Nr. 515 und 1027/1998, Notar Q in H) mit Rang vor den Rechten Abt. III Nr. 2, 3, 4, 5, 9 und 10 eingetragen am 18. Februar 1999.
5Eigentümerin des mit der Grunddienstbarkeit begünstigten Grundstücks ist die E GmbH in H, die auf dem herrschenden Grundstück in zwei unterirdischen Geschossen eine Tiefgarage unterhält. Die E GmbH will diese Tiefgarage um ca. 121 öffentliche Tiefgaragenplätze und 29 Stellplätze, die privat genutzt werden, erweitern, und zwar auf den Flurstücken ##3 und ##4, wiederum in zwei Untergeschossen. Auch diese Tiefgarage soll über den der Beteiligten gehörenden Weg zugängig sein.
6Die Beteiligte will daher den Inhalt der bereits eingetragenen Grunddienstbarkeit dahingehend erweitern, dass das bereits bestehende Wegerecht in unveränderter Form für die Nutzer der vorhandenen Tiefgarage erhalten bleibt, aber erweitert wird zugunsten der Nutzer des Erweiterungsbaus. Sie hat daher in einer unterschriftsbeglaubigten Erklärung am 08.07.2013 (UR-Nr. 473/2013 des Notars Q) die Erweiterung der unter lfd. Nr. 11 eingetragenen Grunddienstbarkeit bewilligt und beantragt, diese einzutragen.
7Mit Zwischenverfügung vom 26.11.2013 rügte das Grundbuchamt, das Gesetz sehe eine Erweiterung einer Grunddienstbarkeit nicht vor, inhaltlich sei wohl die Bestellung einer Grunddienstbarkeit für andere gewollt. Zur Behebung des Mangels sei deshalb die Vorlage einer Bewilligung für die Bestellung einer neuen Grunddienstbarkeit erforderlich. Die begünstigten Flurstücke müssten gemäß § 28 GBO bezeichnet sein, die in der Erklärung vom 08.07.2013 bezeichneten seien nicht mehr existent. An dieser Auffassung hielt das Grundbuchamt auf die Einwendung der Beteiligten, dass das bestehende Recht nicht geändert, sondern nur auf eine Mehrzahl von Nutzern erweitert werde, mit Zwischenverfügung vom 10.02.2014 fest und setzte zur Behebung des Eintragungshindernisses eine Frist gemäß § 18 GBO bis einschließlich 30.04.2014.
8Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten, der das Grundbuchamt mit Beschluss vom 04.03.2014 nicht abhalf.
9II.
10Die namens der Beteiligten vom Urkundsnotar (§ 15 GBO) eingelegte Beschwerde ist nach §§ 71, 73 GBO zulässig (vgl. Bauer/von Oefele/Budde, GBO, 3. Aufl., § 71 Rn. 11) und bereits aus formellen Gründen begründet, weil das Grundbuchamt unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung grundbuchverfahrensrechtlich eine Zwischenverfügung nicht hätte erlassen dürfen. Dieser Mangel allein führt zur Aufhebung der Zwischenverfügung.
11Nach gefestigter Rechtsprechung ist der Erlass einer Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 1 GBO nur zulässig, wenn sie zur Behebung eines mit auf den Zeitpunkt der Antragstellung rückwirkender Kraft heilbaren Hindernisses dienen soll (BayObLGZ 1990, 6, 8; in Bauer/von Oefele/Wilke, a.a.O., § 18 Rn. 9; Demharter, GBO, 28. Aufl., § 8 Rn. 8). Die Zwischenverfügung soll damit dem gestellten Eintragungsantrag zum Erfolg verhelfen und dient zugleich der Rangwahrung des noch nicht erledigten Antrags gegenüber später eingehenden weiteren Eintragungsanträgen (§ 18 Abs. 2 GBO). Hier hält das Grundbuchamt aber die Bestellung einer neuen Dienstbarkeit (Wegerecht) zugunsten des Eigentümers eines weiteren Grundstücks für erforderlich, um die beantragte Eintragung vornehmen zu können. Ein noch vorzunehmendes Rechtsgeschäft kann jedoch aus den genannten Gründen nicht Gegenstand einer Zwischenverfügung sein.
12Da die Beschwerde bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen Erfolg hat, weist der Senat ohne Präjudiz daurauf hin, dass das Grundbuchamt in der Sache Recht hat:
13Die Beteiligte will den Inhalt der eingetragenen Dienstbarkeit in Bezug auf die Befugnisse des eingetragenen Begünstigten nicht ändern - der Eigentümer des herrschenden Grundstücks (H Flur ## Flurstücke ##1 und ##2) soll das Wegerecht weiterhin so, wie es bestellt ist, nutzen dürfen -, sondern dahin erweitern, dass das eingetragene Wegerecht auch von dem Eigentümer des auf zwei anderen Grundstücken (von der Beteiligten mit Flurstücken „##3 und ##4“ bezeichnet) errichteten Tiefgaragenerweiterungsbaus genutzt werden darf. Eine solche Änderung der Rechtsinhaberschaft ist von der in § 877 BGB geregelten Inhaltsänderung, wonach für Änderungen des Inhalts eines Rechts an einem Grundstück die §§ 873, 874 und 876 BGB Anwendung finden, nicht erfasst und nicht zulässig. Der Inhalt eines Grundstücksrechts wird durch die Gesamtheit der mit ihm verbundenen Befugnisse und Pflichten bestimmt. § 877 BGB regelt demnach eine nachträgliche Abwandlung der Befugnisse oder Pflichten des Berechtigten, die unterWahrung der Identität des bestehenden Rechts weder Begründung, Übertragung, Belastung noch Aufhebung ist. § 877 regelt daher nur Inhaltsänderungen, die sich auf bloße inhaltsändernde Modalitäten des Rechts beschränken, nicht jedoch Änderungen, die die Rechtsinhaberschaft betreffen (vgl. MünchKommBGB/Kohler, 6. Aufl., § 877 Rn. 2; Staudinger/Gursky, BGB [2012] § 877 Rn. 8, 9, 22).
14Die Beteiligte hat daher zur Verwirklichung ihrer Absicht, auch zugunsten des Eigentümers der Grundstücke, auf denen die neuen Tiefgaragenplätze erbaut sind, ein Wegerecht zu bestellen, nur die Möglichkeiten,
15- entweder das bestehende Recht aufzuheben und zugunsten der Eigentümer aller herrschenden Grundstücke neu zu bestellen
16- oder unter Beibehaltung des bestehenden Wegerechts ein neues, ggf. gleichrangiges Wegerecht für den Eigentümer der Grundstücke, auf denen die neuen Tiefgaragenplätze erbaut sind, zu bestellen.
17Eine Wertfestsetzung und Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind wegen des Erfolgs der Beschwerde nicht veranlasst.

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In der Eintragungsbewilligung oder, wenn eine solche nicht erforderlich ist, in dem Eintragungsantrag ist das Grundstück übereinstimmend mit dem Grundbuch oder durch Hinweis auf das Grundbuchblatt zu bezeichnen. Einzutragende Geldbeträge sind in inländischer Währung anzugeben; durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen kann die Angabe in einer einheitlichen europäischen Währung, in der Währung eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums oder einer anderen Währung, gegen die währungspolitische Bedenken nicht zu erheben sind, zugelassen und, wenn gegen die Fortdauer dieser Zulassung währungspolitische Bedenken bestehen, wieder eingeschränkt werden.
(1) Steht einer beantragten Eintragung ein Hindernis entgegen, so hat das Grundbuchamt entweder den Antrag unter Angabe der Gründe zurückzuweisen oder dem Antragsteller eine angemessene Frist zur Hebung des Hindernisses zu bestimmen. Im letzteren Fall ist der Antrag nach dem Ablauf der Frist zurückzuweisen, wenn nicht inzwischen die Hebung des Hindernisses nachgewiesen ist.
(2) Wird vor der Erledigung des Antrags eine andere Eintragung beantragt, durch die dasselbe Recht betroffen wird, so ist zugunsten des früher gestellten Antrags von Amts wegen eine Vormerkung oder ein Widerspruch einzutragen; die Eintragung gilt im Sinne des § 17 als Erledigung dieses Antrags. Die Vormerkung oder der Widerspruch wird von Amts wegen gelöscht, wenn der früher gestellte Antrag zurückgewiesen wird.
(1) Für die Eintragungsbewilligung und die sonstigen Erklärungen, die zu der Eintragung erforderlich sind und in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Form abgegeben werden, können sich die Beteiligten auch durch Personen vertreten lassen, die nicht nach § 10 Abs. 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vertretungsbefugt sind. Dies gilt auch für die Entgegennahme von Eintragungsmitteilungen und Verfügungen des Grundbuchamtes nach § 18.
(2) Ist die zu einer Eintragung erforderliche Erklärung von einem Notar beurkundet oder beglaubigt, so gilt dieser als ermächtigt, im Namen eines Antragsberechtigten die Eintragung zu beantragen.
(3) Die zu einer Eintragung erforderlichen Erklärungen sind vor ihrer Einreichung für das Grundbuchamt von einem Notar auf Eintragungsfähigkeit zu prüfen. Dies gilt nicht, wenn die Erklärung von einer öffentlichen Behörde abgegeben wird.
(1) Gegen die Entscheidungen des Grundbuchamts findet das Rechtsmittel der Beschwerde statt.
(2) Die Beschwerde gegen eine Eintragung ist unzulässig. Im Wege der Beschwerde kann jedoch verlangt werden, daß das Grundbuchamt angewiesen wird, nach § 53 einen Widerspruch einzutragen oder eine Löschung vorzunehmen.
(1) Die Beschwerde kann bei dem Grundbuchamt oder bei dem Beschwerdegericht eingelegt werden.
(2) Die Beschwerde ist durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder durch Erklärung zur Niederschrift des Grundbuchamts oder der Geschäftsstelle des Beschwerdegerichts einzulegen. Für die Einlegung der Beschwerde durch die Übermittlung eines elektronischen Dokuments, die elektronische Gerichtsakte sowie das gerichtliche elektronische Dokument gilt § 14 Absatz 1 bis 3 und 5 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
(1) Steht einer beantragten Eintragung ein Hindernis entgegen, so hat das Grundbuchamt entweder den Antrag unter Angabe der Gründe zurückzuweisen oder dem Antragsteller eine angemessene Frist zur Hebung des Hindernisses zu bestimmen. Im letzteren Fall ist der Antrag nach dem Ablauf der Frist zurückzuweisen, wenn nicht inzwischen die Hebung des Hindernisses nachgewiesen ist.
(2) Wird vor der Erledigung des Antrags eine andere Eintragung beantragt, durch die dasselbe Recht betroffen wird, so ist zugunsten des früher gestellten Antrags von Amts wegen eine Vormerkung oder ein Widerspruch einzutragen; die Eintragung gilt im Sinne des § 17 als Erledigung dieses Antrags. Die Vormerkung oder der Widerspruch wird von Amts wegen gelöscht, wenn der früher gestellte Antrag zurückgewiesen wird.
(1) Zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück, zur Belastung eines Grundstücks mit einem Recht sowie zur Übertragung oder Belastung eines solchen Rechts ist die Einigung des Berechtigten und des anderen Teils über den Eintritt der Rechtsänderung und die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.
(2) Vor der Eintragung sind die Beteiligten an die Einigung nur gebunden, wenn die Erklärungen notariell beurkundet oder vor dem Grundbuchamt abgegeben oder bei diesem eingereicht sind oder wenn der Berechtigte dem anderen Teil eine den Vorschriften der Grundbuchordnung entsprechende Eintragungsbewilligung ausgehändigt hat.
Bei der Eintragung eines Rechts, mit dem ein Grundstück belastet wird, kann zur näheren Bezeichnung des Inhalts des Rechts auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. Einer Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung steht die Bezugnahme auf die bisherige Eintragung nach § 44 Absatz 3 Satz 2 der Grundbuchordnung gleich.
Ist ein Recht an einem Grundstück mit dem Recht eines Dritten belastet, so ist zur Aufhebung des belasteten Rechts die Zustimmung des Dritten erforderlich. Steht das aufzuhebende Recht dem jeweiligen Eigentümer eines anderen Grundstücks zu, so ist, wenn dieses Grundstück mit dem Recht eines Dritten belastet ist, die Zustimmung des Dritten erforderlich, es sei denn, dass dessen Recht durch die Aufhebung nicht berührt wird. Die Zustimmung ist dem Grundbuchamt oder demjenigen gegenüber zu erklären, zu dessen Gunsten sie erfolgt; sie ist unwiderruflich.