Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 06. Okt. 2015 - I-20 U 210/14
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 29. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Klägerin ist eine Gesellschaft zur Vermarktung der Verfilmungs- und Merchandisingrechte an den Werken der Schriftstellerin Astrid Lindgren. Zu diesem Zweck hält sie verschiedene Marken, die aus deren Werk „Pippi Langstrumpf“ entlehnte Zeichen schützen. So ist sie Inhaberin der am 13. Dezember 2005 angemeldeten und am 29. Januar 2009 eingetragenen Gemeinschaftswortmarke „Pippi“, Registernummer CTM …, die für Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, T-Shirts und Mützen (Klasse 25) eingetragen ist.
4Die Beklagte ist eine Einzelhandelsfilialistin. Im Jahr 2012 bewarb sie zu Karneval ein an die äußere Gestalt der Romanfigur „Pippi Langstrumpf“ angelehntes Kostüm als „Karnevalskostüm Kinder Freche Göre - Kostüm „Püppi“ für Mädchen“ wie auf Seite 11 der Klageschrift (Bl. 11 d. GA.) wiedergegeben.
5Auf die Abmahnung der Klägerin, die in der Verwendung der Abbildung einen Eingriff in das Urheberrecht an der Romanfigur „Pippi Langstrumpf“ sah, hat die Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Das insoweit noch offene Auskunfts- und Schadensersatzbegehren war Gegenstand des beim Landgericht Köln verbliebenen Ausgangsverfahrens, von dem die vorliegend streitgegenständlichen markenrechtlichen Ansprüche abgetrennt worden sind. Inzwischen hat die Klägerin im Hinblick auf die Entscheidung „Pippi-Langstrumpf-Kostüm“ des Bundesgerichtshofs, der urheberrechtlichen Ansprüche hinsichtlich derartiger, an das äußere Erscheinungsbild der Romanfigur angelehnter Karnevalskostüme verneint hat (GRUR 2014, 258), auf den vor dem Landgericht Köln erstrittenen Titel verzichtet.
6Die Klägerin sieht in dem Anbieten des Kostüms unter dem Zeichen „Püppi“ eine von dessen konkreter Gestaltung unabhängige Rechtsverletzung; die Verwendung des Zeichens „Püppi“ für ein Karnevalskostüm stelle eine Verletzung ihrer Gemeinschaftsmarke „Pippi“ dar. Allein diese markenrechtlichen Ansprüche sind vorliegend streitgegenständlich.
7Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Nichtbenutzungseinwand der Beklagten greife mit Ablauf der Benutzungsschonfrist am 29. Januar 2014 durch, es fehle an einer rechtserhaltenden Benutzung der Marke. Die vorgetragene Benutzung für Schürzen und Strümpfe sei schon keine markenmäßige, hier werde „Pippi“ als rein beschreibende Bezugnahme auf die literarische Figur „Pippi Langstrumpf“ verstanden. Der Verkauf von 2058 Handschuhen, 905 Mützen und 925 Schals innerhalb von fünf Jahren werde den Anforderungen an eine ernsthafte Benutzung nicht gerecht. Bei den von der Firma H. abgesetzten 300.000 Schlafanzügen und Unterwäscheprodukten sei das Zeichen „Pippi“ im Rahmen eines Wort-/Bildzeichens „Pippi Langstrumpf“ und damit in einer von der Eintragung wesentlich abweichender Form verwandt worden. Gleiches gelte für den vorgetragenen T-Shirt Vertrieb durch die L. GmbH & Co. KG. Auf die Verwendung der Marke für Schuhe komme es mangels Warenähnlichkeit nicht an.
8Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie trägt vor, das Landgericht habe ihren Vortrag zur Benutzung für Schuhe zu Unrecht für unerheblich erachtet; eine Warenähnlichkeit zu Karnevalskostümen sei gegeben, traditionelle Schuhhersteller stellten auch außergewöhnliche, karnevalsgeeignete Schuhe her. Die Benutzung für Schürzen und Strümpfe sei eine markenmäßige, der Verkehr fasse die Bezeichnung „Pippi Schürze“ als herkunftshinweisend auf; es werde als Merchandisingprodukt wahrgenommen. Der von ihr vorgetragene Absatz genüge auch den an eine ernsthafte Benutzung zu stellenden Anforderungen, das Landgericht habe die Besonderheiten des Merchandisingmarktes nicht beachtet. Bei dem von der Firma H. verwandten Zeichen springe „Pippi“ schon allein aufgrund seiner Größe ins Auge, der Verkehr sehe die Kombination mit „Langstrumpf“ und dem Mädchenkopf nicht als ein einheitliches Zeichen an. Auch eine Verwechslungsgefahr sei gegeben. Das Zeichen „Pippi“ sei eine starke Marke; „Pippi“ und „Püppi“ wiesen sowohl in schriftbildlicher als auch in klanglicher Hinsicht eine ausgeprägte Ähnlichkeit auf.
9Die Klägerin beantragt,
10das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 29. Oktober 2014, Az. 2a O 196/13, abzuändern und
11- 12
1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) zu unterlassen, in Deutschland im geschäftlichen Verkehr Karnevalskostüme unter dem Zeichen „Püppi“ anzubieten und zu bewerben;
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2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rechnung zu legen über den Umfang der Handlungen in Ziffer 1) einschließlich der Angabe der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten, des erzielten Gewinns sowie der betriebenen Werbung aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe bzw. Zugriffszahlen, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;
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3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu erstatten, der ihr durch die Handlungen in Ziffer 1) entstanden ist und künftig noch entstehen wird;
- 15
4. die Beklagte zu verurteilen, als Nebenforderung an die Klägerin die Kosten der vorgerichtlichen anwaltlichen Inanspruchnahme in Höhe einer 1,5 Geschäftsgebühr zum Streitwert von 75.000 € sowie Auslagenpauschale und zwar in Höhe von 1.820 € zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
17die Berufung zurückzuweisen.
18Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil. Zu Recht habe das Landgericht eine rechtserhaltende Benutzung für Bekleidung verneint und eine Benutzung für Schuhe für unerheblich erachtet. Der nunmehrige Vortrag, es gebe Schuhe speziell für die Karnevalszeit, werde bestritten und sei verspätet. Die Verwendung von „Pippi“ auf Bekleidungsstücken, die dazu dienten, sich wie Pippi Langstrumpf fühlen zu können, sei eine rein beschreibende. Es gebe keinen speziellen Markt für Merchandisingartikel; zulässig sei allein eine Differenzierung nach Abnehmerkreisen, zu denen vorliegend alle Kinder gehörten. Das bei den Schlafanzügen verwandte Wort-/Bildzeichen werde nicht von „Pippi“ geprägt, „Langstrumpf“ und dem Mädchenkopf komme keine geringere Bedeutung zu. Unabhängig vom Fehlen einer rechtserhaltenden Benutzung bestehe aber auch keine Verwechslungsgefahr. Die klanglichen und bildlichen Ähnlichkeiten würden durch die begrifflichen Unterschiede neutralisiert. „Püppi“ als Bezeichnung für eine kleine Puppe sei als Kosename für junge Frauen und kleine Mädchen gebräuchlich.
19Der Senat hat die Sach- und Rechtslage mit den Parteien erörtert. Er verstehe das Klagebegehren dahingehend, dass sich die Klägerin gegen die Verwendung von „Püppi“ für jedwede Art von Karnevalskostümen richte, unabhängig davon, ob das Karnevalskostüm die Figur „Pippi Langstrumpf“ darstellen solle oder nicht. Vorrangig sei die Frage der Verwechslungsgefahr, die nach der vorläufigen Einschätzung des Senats nicht gegeben sei. Die Zeichen seien sich zwar klanglich und schriftbildlich ähnlich, ihr Bedeutungsgehalt sei jedoch ein völlig anderer. „Püppi“ bezeichne eine kleine Puppe; es handele sich um einen gebräuchlichen Kosename für Mädchen, der Niedlichkeit ausdrücken solle. „Pippi“ werde vom Verkehr mit der bekannten Romanfigur „Pippi Langstrumpf“ gleichgesetzt, was nach der Entscheidung „Obelix/Mobelix“ des Europäischen Gerichtshofs ebenfalls eine ohne Weiteres zu erfassende eindeutige und bestimmte Bedeutung sei. Die Frage einer rechtserhaltenden Benutzung stelle sich von daher voraussichtlich nicht, hier liege die Problematik im Bereich der markenmäßigen Nutzung. Aus der Bekanntheit von „Pippi“ als Romanfigur könne nicht auf eine Bekanntheit als Marke geschlossen werden. Vielmehr bestehe die Gefahr, dass das Zeichen als auf die Trägerin der Kleidung bezogenes Bekenntnis, wie Pippi Langstrumpf sein zu wollen, verstanden werde. Bei „Pippi“ könne es sich, wie beim „DDR-Logo“, um eine bekannte „Nicht-Marke“ handeln; allerdings sei der Verkehr an ein Merchandising von erfolgreichen Werken der Literatur und des Films gewöhnt.
20Die Klägerin hat demgegenüber den Aspekt des dem Erfassen der begrifflichen Unterschiede entgegenstehenden Verhörens betont und auf das Vorhandensein der Marke „Pippi“ im Etikett der Kleidung sowie auf Lizenzierungsgewohnheiten verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, Bl. 340 ff. d. GA., wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
21II.
22Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
23Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der Bezeichnung „Püppi“ zur Kennzeichnung von Karnevalskostümen aus Art. 9 Abs. 1 lit. b. GMV. Die Verwendung der Bezeichnung verletzt die Rechte der Klägerin aus ihrer Gemeinschaftswortmarke „Pippi“, Registernummer CTM …, nicht.
24Gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. b. GMV kann der Inhaber einer Gemeinschaftsmarke Dritten verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit des Zeichens mit der Gemeinschaftsmarke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Gemeinschaftsmarke und das Zeichen erfassten Waren für das Publikum die Gefahr der Verwechslung besteht. Ob eine Verwechslungsgefahr besteht, beurteilt sich zum einen nach der Kennzeichnungskraft der Schutz beanspruchenden Marke und der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen und zum anderen nach dem Abstand der Waren oder Dienstleistungen für die die Marke registriert ist und für die das angegriffene Zeichen benutzt wird. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Zeichen und der Kennzeichnungskraft der Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH, GRUR 2010, 833 Rn. 20 - Malteserkreuz II; GRUR 2002, 542, 543 - BIG).
25Zeichen werden nur selten unmittelbar miteinander verglichen. Der Verkehr, der sich auf sein unvollkommenes Erinnerungsbild verlassen muss, achtet nicht auf Einzelheiten (EuGH, WRP 1999, 806, Rnrn. 25, 26 - Lloyd; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 14 Rn 811). Bei dem Vergleich ist daher nicht so sehr auf die Unterschiede als auf die Übereinstimmungen abzustellen. Denn im Erinnerungsbild treten regelmäßig die übereinstimmenden Merkmale stärker hervor als die Unterschiede (BGH, GRUR 2000, 506, 509 - ATTACHÉ/TISSERAND). Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei kann für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche genügen (BGH, Urt. v. 12. Mär. 2015, I ZR 153/14, Rn. 24 - BMW-Emblem; GRUR 2011, 824 Rnrn. 25, 26 - Kappa).
26Eine klangliche oder bildliche Ähnlichkeit kann allerdings durch Bedeutungsunterschiede zwischen den fraglichen Zeichen neutralisiert werden, wenn zumindest eines der fraglichen Zeichen in der Wahrnehmung der maßgebenden Verkehrskreise eine eindeutige und bestimmte Bedeutung hat, so dass diese Verkehrskreise sie ohne weiteres erfassen können (EuGH, GRUR 2006, 413 Rn. 49 - SIHR/SIR). Eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht insoweit nicht (vgl. Steinbeck, Die Reichweite der Neutralisierungstheorie, WRP 2015, 404 Rnrn. 22 ff). So hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung „AIDA/ AIDU“ klargestellt, dass eine Verwechslungsgefahr trotz klanglicher oder schriftbildlicher Ähnlichkeit der Zeichen wegen eines ohne Weiteres erkennbaren eindeutigen Begriffsinhalts zu verneinen sein kann, wenn zumindest eines der Zeichen über einen klar erkennbaren eindeutigen Sinngehalt verfügt (GRUR 2010, 935 Rnrn. 19, 21). Eine nach dem Bild und/oder dem Klang zu bejahende Verwechslungsgefahr scheidet aus, wenn dem einen oder auch beiden Zeichen ein ohne Weiteres erkennbarer konkreter Begriffsinhalt zukommt (BGH, GRUR GRUR 2011, 824 Rn. 28 - Kappa). Bei einem jedermann verständlichen Sinngehalt werden verbleibende klangliche Unterschiede der gegenüberstehenden Bezeichnungen vom Verkehr wesentlich schneller erfasst werden, so dass es im Verkehr gar nicht erst zu Verwechslungen kommt (BGH, GRUR 1992, 130, 132 - Bally/ BALL). Ein Verhören oder Verlesen ist dann gewöhnlich ausgeschlossen (Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 14 Rn. 511).
27Dies ist vorliegend der Fall. Beiden Zeichen kommt ein ohne Weiteres erkennbarer konkreter Begriffsinhalt zu. Püppi ist ein kindersprachlicher Ausdruck für ein Püppchen, aber auch ein gebräuchlicher Kosename für Mädchen und junge Frauen, der Niedlichkeit ausdrücken soll. Auch Pippi ist eine dem Verkehr bekannte Begrifflichkeit. Der Verkehr kennt Pippi als Vorname und Kurzbezeichnung für die Romanfigur „Pippi Langstrumpf“. Der Hinweis auf eine bekannte Roman- oder Cartoonfigur vermittelt einem Zeichen eine vom Verkehr ohne Weiteres zu erfassende eindeutige und bestimmte Bedeutung, die klangliche und visuelle Ähnlichkeiten neutralisieren kann (vgl. EuGH, GRUR Int. 2009, 397 Rnrn. 96, 98 - Obelix/Mobelix). Vor diesem Hintergrund wird die gegebene klangliche und bildliche Ähnlichkeit durch die Unterschiede im Sinngehalt neutralisiert, wobei der Umstand, dass beide Zeichen einen eindeutigen Bedeutungsgehalt aufweisen, auch der Gefahr eines Verlesens und Verhörens entgegensteht. Eine Verwechslungsgefahr besteht trotz Warenidentität nicht, da eine niedlich-süße, aber auch etwas zimperliche (püppchenhafte) „Püppi“ keine freche, selbstbewusste „Pippi“ (Langstrumpf) sein kann.
28Der irreführende Gehalt der Bewerbung eines Pippi-Langstrumpf-Kostüms als Kostüm „Püppi“ ist nicht streitgegenständlich, die Klägerin greift - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - die Verwendung von „Püppi“ für Karnevalskostüme gerade losgelöst von deren Gestaltung an.
29Auf den Einwand fehlender rechtserhaltender Benutzung der Marke „Pippi“ für die Warengruppe Bekleidung kommt es daher vorliegend nicht an. Nur colorandi causa sei angemerkt, dass die Verwertung von Roman- oder Filmfiguren als Marke interessante, nicht abschließend zu beantwortende Fragen aufwirft.
30Zwar dürfte eine rechtserhaltende Benutzung von „Pippi“ durch die Verwendung des Wort-/Bildzeichens „Pippi Langstrumpf“ für 300.000 Schlafanzüge sowie Unterwäsche durch die Lizenznehmerin H. nicht am Erfordernis der Benutzung in unveränderter Form scheitern. Nach Art. 15 Abs. 1 Unterabsatz 2 lit. a GMV gilt als Benutzung auch die Benutzung der Gemeinschaftsmarke in einer Form, die von der Eintragung nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wird. Der kennzeichnende Charakter der Marke darf durch die Abweichungen nicht verändert werden; das abweichend benutzte Zeichen muss vom Verkehr gerade bei Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach noch mit der eingetragenen Marke gleichsetzt werden, der Verkehr muss in der benutzten Form noch dieselbe Marke sehen (BGH, GRUR 2014, 662 Rn. 18 - Pro Biotic). Vorliegend wird der Charakter von „Pippi“ durch Hinzufügung von „Langstrumpf“ und dem „Pippi-Langstrumpf-Kopf“ trotz der deutlichen Unterschiede in Bild und Klang nicht verändert, da der alles überstrahlende Bedeutungsgehalt derselbe ist. „Pippi“ ist die „Pippi Langstrumpf“, die der Verkehr mit dem Bild verbindet. Von daher lassen sich der Zusatz „Langstrumpf“ und der Mädchenkopf als bloße Hervorhebung von „Pippi“ begreifen.
31Problematisch ist vielmehr, ob das Wort-/Bildzeichen „Pippi Langstrumpf“ oder das Wort „Pippi“ markenmäßig, also herkunftshinweisend, verwandt worden ist oder ob der Verkehr das Zeichen dekorativ im Sinne einer Identifizierung der Trägerin der Kleidung mit der Romanfigur „Pippi Langstrumpf“ versteht. Der durchschnittlich informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher hat bei der Wiedergabe von Zeichen auf der Vorderseite von Bekleidungsstücken, die ihm gerade nicht als Produktkennzeichen, sondern mit einem anderen Bedeutungsgehalt bekannt sind, keine Veranlassung, der Bezeichnung statt dieser ihm bekannten Bedeutung nunmehr zumindest auch einen Herkunftshinweis zu entnehmen (BGH, GRUR 2010, 838 Rn. 20 - DDR-Logo). Genauso wie der Verkehr ein ihm bekanntes Produktkennzeichen auch bei einem ornamentalen Gebrauch als Herkunftshinweis erkennt, wird er ein ihm als „Nicht-Marke“ bekanntes Zeichen im Zweifel auch dann nicht als Herkunftshinweis, sondern als individuelle oder gesellschaftspolitische Aussage des (potentiellen) Trägers verstehen, wenn es an einem für Marken typischen Ort platziert ist. Selbst die Verwendung im Etikett kann dann als bloß modellbeschreibend verstanden werden. Allerdings ist der Verkehr jetzt an das Merchandising von neueren populären literarischen und filmischen Werken gewohnt, wobei er weiß, dass dahinter zumindest mittelbar der Inhaber der Rechte am Werk steht; ob dies auch für „ältere“ Figuren wie Pippi Langstrumpf gilt, ist allerdings fraglich.
32Die Kostenentscheidung folgt aus 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
33Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die hierfür in § 543 Abs. 2 ZPO niedergelegten Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die relevanten Rechtsfragen sind durch die zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen beantwortet. Die Anwendung der dort entwickelten Grundsätze ist Sache des Tatrichters. Als reine Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
34Die Frage eines herkunftshinweisenden Verständnisses von Bezugnahmen auf Roman- oder Filmfiguren im Merchandisingbereich stellt sich vorliegend in Ermangelung einer Verwechslungsgefahr nicht, sie dürfte zudem trotz ihrer weitreichenden Bedeutung tatsächlicher Natur sein.
35Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird in Übereinstimmung mit der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung auf 75.000,00 Euro festgesetzt.
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Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Klägerin werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Das Urteil ist im Hinblick auf die Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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T a t b e s t a n d:
2Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen kennzeichenrechtlicher Verwendung der Bezeichnung „Püppi“ für ein Karnevalskostüm in Anspruch.
3Die von der Schriftstellerin Astrid Lindgren gegründete Klägerin nimmt die rechtlichen Interessen hinsichtlich der Verfilmungs- und Merchandisingrechte an sämtlichen literarischen Werken Astrid Lindgrens war. Bei der Beklagten handelt es sich um einen der führenden europäischen Warenhausbetreiber mit 109 Filialen in Deutschland.
4Die Klägerin ist Inhaberin verschiedener deutscher und EU Wortmarken und Bildmarken rund um die Welt von „Pippi Langstrumpf“. Sie verfügt insbesondere über Wortmarken „Pippi“ sowie Wort-/Bildmarken mit dem prominenten Wortbestandteil „Pippi“. Auf die Übersicht Bl. 5-8 der Klageschrift wird Bezug genommen.
5In vorliegendem Verfahren stützt sich die Klägerin allein auf die Gemeinschaftswortmarke „Pippi“ (Nr. #####/####), eingetragen am 29.01.2009 mit Priorität vom 13.12.2005 unter anderem für die Warenklasse 25 – Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, T-Shirts, Mützen. Unter Bekleidung der Klasse 25 fallen auch Faschings- und Karnevalskostüme (Anlage K 3).
6Die Figur „Pippi Langstrumpf“ ist eine weltweit bekannte Schöpfung der Autorin Astrid Lindgren, wohl die bekannteste Kinderbuchautorin der Welt. Astrid Lindgrens Bücher wurden weltweit in 92 Sprachen übersetzt und in 100 Ländern verlegt. Bis heute wurden weltweit ca. 147 Millionen Buchexemplare verkauft, davon 30 Millionen allein in Deutschland, hier von 7,5 Millionen Pippi Langstrumpf Bücher.
7Das Aussehen der Pippi Langstrumpf wird bereits im Jahre 1945 in dem in Schweden und im Jahre 1949 in Deutschland erschienenen Kinderbuch „Pippi Langstrumpf“ auf Seite 12 wie folgt beschrieben:
8„Ihr Haar hatte dieselbe Farbe wie eine Möhre und war in zwei feste Zöpfe geflochten, die vom Kopf abstanden. Ihre Nase hatte dieselbe Form wie eine kleine Kartoffel und war völlig mit Sommersprossen übersät. Unter der Nase saß ein wirklich riesig breiter Mund mit gesunden weißen Zähnen. Ihr Kleid war sehr komisch. Pippi hatte es selbst genäht. Es war wunderschön gelb; aber weil der Stoff nicht gereicht hatte, war es kurz, und so guckte eine blaue Hose mit weißen Punkten darunter hervor. An ihren langen dünnen Beinen hatte sie ein paar lange Strümpfe, einen geringelten und einen schwarzen.“
9Die Beklagte warb im Karneval 2012 auf ihrer Internetseite mit einem Karnevalskostüm „Kinder Freche Göre – Kostüm Püppi für Mädchen“ (vgl. Abbildungen Bl. 10-12 der Klageschrift) und bot dieses Kostüm zu einem Preis von 19,99 EUR zum Verkauf an. Hiervon erhielt die Klägerin am 20.01.2012 Kenntnis und mahnte die Beklagte daraufhin mit Schreiben vom 27.01.2012 aufgrund unlizensierter Verwendung des Bildnisses von Pippi Langstrumpf wegen Urheberrechtsverletzung ab (Anlage K 5). Die Beklagte gab daraufhin wegen der Urheberrechtsverletzung eine strafbewerte Unterlassungserklärung ab, die die Klägerin, nachdem die Vertragsstrafenvereinbarung auf eine Höhe von bis zu 10.000 EUR festgesetzt wurde, auch annahm (Anlagen K 6 und K 7).
10Die Klägerin ist der Ansicht, die Klagemarke „Pippi“ weise wegen der Berühmtheit der Marke und der Eigenart des Zeichens eine hohe Kennzeichnungskraft auf. Das von der Beklagten benutzte Zeichen „Püppi“ sei der Wortmarke „Pippi“ der Klägerin sehr ähnlich. Schriftbildlich glichen sich die Zeichen stark. Die Anfangsbuchstaben seien identisch und auch die letzten 3 Buchstaben. Insgesamt stimmten vier von fünf Buchstaben überein und auch die Reihenfolge dieser Buchstaben sei identisch. Der Buchstabe „ü“ gehe optisch völlig unter. Sowohl der Buchstabe „i“ als auch der „ü“ hätten beide Punkte über dem Buchstaben, die sie optisch anglichen. Auch klanglich seien sich die beiden Zeichen sehr ähnlich. Sie hätten die gleiche Silbenzahl und auch die Betonung sei identisch, nämlich auf der ersten Silbe. Eine Verwechslungsgefahr ergebe sich eindeutig auch im Hinblick auf das Produkt, nämlich die Abbildung der Pippi Langstrumpf.
11Die Klägerin behauptet, die Klagemarke umfassend für Kleidung und Schuhe benutzt zu haben. Unter anderem seien dem Aussehen der Romanfigur nachempfundene Kinderschürzen und -strümpfe sowie ganze Karnevalskostüme vertrieben worden. Im Zeitraum vom 01.05.2009 bis 22.04.2014 seien vom W GmbH auch 2.058 Handschuhe, 905 Mützen sowie 925 Schals, die alle mit der Klagemarke gekennzeichnet gewesen seien, verkauft worden. Insoweit ist sie der Ansicht, dass diese Verkaufszahlen vor dem Hintergrund der Größe ihres Familienunternehmens und des speziellen Abnehmerkreises für eine ernsthafte Nutzung ausreichend seien. Überdies behauptet sie, im Zeitraum von Oktober 2011 bis Dezember 2012 seien über die Modekette I europaweit über 300.000 Produkte wie Schlafanzüge und Unterwäsche, davon allein über 150.000 Stück in der Bundesrepublik Deutschland, verkauft worden, die auf einem eingenähten Label neben dem Zeichen „Langstrumpf“ und der Abbildung eines Kopfes mit rotem Haar und Zöpfen auch das Zeichen „Pippi“ aufgewiesen hätten. Von der Firma M GmbH & Co. KG seien im ersten Quartal 2013 3.401 T-Shirts und von der Firma Q seit dem 01.04.2014 5.622 T-Shirts mit dem Label Pippi vertrieben worden. Im Hinblick auf die genaue Ausgestaltung der Labels wird auf die Anlagen K 27 und K 29 verwiesen. Die Modekette A habe europaweit 72.508 T- und Sweatshirts vertrieben, die gleichfalls ein Einnählabel mit dem Zeichen „Pippi“ und dem Kopf eines Mädchens mit Sommersprossen und abstehenden Zöpfen aufgewiesen hätten. Hinsichtlich der weiteren Ausgestaltung dieser Labels wird auf die Anlage K 30 verwiesen.
12Die Klägerin beantragt,
13- 14
1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 €, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), zu unterlassen, in Deutschland im geschäftlichen Verkehr Karnevalskostüme unter dem Zeichen „Püppi“ anzubieten und zu bewerben;
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2. die Beklagte zu verurteilen, ihr Rechnung zu legen über den Umfang der Handlungen in Ziffer 1. einschließlich der Angabe der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten, des erzielten Gewinns sowie der betriebenen Werbung aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe bzw. Zugriffszahlen, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;
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3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr allen Schaden zu erstatten, der ihr durch die Handlungen in Ziffer 1. entstanden ist und künftig entstehen wird.
Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Die Beklagte erhebt die Einrede der Nichtbenutzung. Im Übrigen ist sie der Ansicht, eine Markenverletzung liege nicht vor. Hierzu behauptet sie, der Begriff „Püppi“ werde in verschiedenen Zusammenhängen als die Diminutiv-Form des Wortes Puppe umgangssprachlich benutzt (Anlage B 1). Auch diene „Püppi“ als Kosename für Tiere, und zwar für Hunde aber auch für Kaninchen und auch für Pferde, insoweit unstreitig (Anlage B2). Schließlich sei Püppi auch ein Kosename für junge Frauen, wie sich aus Anlage B 3 ergebe und was zwischen den Parteien unstreitig ist. Gebräuchlich sei das Wort ferner und insbesondere auch als Kosename für kleine Kinder (Anlage B 4). In Anbetracht des geschilderten Sinngehalts fassten die angesprochenen Verkehrskreise die Verwendung des angegriffenen Zeichens nicht als markenmäßige Verwendung auf, sondern als Hinweis darauf, dass es sich eben um ein Kostüm für kleine Mädchen handele, mithin als reine Produktbeschreibung. Schon gar nicht würden die angesprochenen Verkehrskreise den Begriff „Püppi“ mit „Pippi“ verwechseln bzw. assoziieren.
22Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
23E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
24Die Klage ist unbegründet.
25I.
26Der Klägerin stehen die geltend gemachten Unterlassungs- und Folgeansprüche gegen die Beklagte nicht zu.
271.
28Sie kann von der Beklagten nicht verlangen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Karnevalskostüme unter dem Zeichen „Püppi“ anzubieten und zu bewerben. Ein solcher Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht aus Art. 9 Abs. 1 lit. b), 2 GMV, da es an einer rechtserhaltenden Benutzung der Klagemarke fehlt.
29Gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. b) GMV kann der Gemeinschaftsmarkeninhaber Dritten verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit des Zeichens mit der Gemeinschaftsmarke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Gemeinschaftsmarke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht. Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die sich gegenüberstehenden Bezeichnungen die angesprochenen Verkehrskreise zu der irrigen Annahme verleiten können, die konkurrierend angebotenen Waren oder Dienstleistungen stammten aus demselben Geschäftsbetrieb. Ob eine solche Gefahr besteht, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei kommt es auf die Ähnlichkeit der Waren, die Kennzeichnungskraft der Klagemarke sowie auf das Maß der Ähnlichkeit der zu vergleichenden Kennzeichnungen an, wobei zwischen diesen Faktoren eine Wechselbeziehung dergestalt besteht, dass ein geringerer Grad des einen Faktors durch einen höheren Grad eines anderen Faktors ausgeglichen werden kann (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, § 14, Rn. 415, 430, 431 m.w.N. )
30Ob eine Verwechslungsgefahr und eine markenmäßige Benutzung gegeben sind, kann dahingestellt bleiben, da die Beklagte mit Erfolg die Einrede der Nichtbenutzung gemäß Art. 99 Abs. 3 GMV erhoben hat. Denn die Klägerin hat nicht ausreichend dargelegt hat, die Klagemarke in den letzten fünf Jahren rechtserhaltend benutzt zu haben.
31Gemäß Art. 15 i.V.m. 51 Abs. 1 lit. a) GMV kann der Markeninhaber keine Rechte mehr aus seiner Marke herleiten, wenn diese verfallen ist. Verfallen ist eine Marke, wenn sie innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren in der Gemeinschaft für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, nicht ernsthaft benutzt worden ist und keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen. Der Verfall der Rechte des Inhabers kann jedoch nicht geltend gemacht werden, wenn nach Ende dieses Zeitraums und vor Erhebung der Einrede die Benutzung der Marke ernsthaft begonnen oder wieder aufgenommen worden ist. Wird die Benutzung jedoch innerhalb eines nicht vor Ablauf des ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren der Nichtbenutzung beginnenden Zeitraums von drei Monaten vor Erhebung der Einrede begonnen oder wieder aufgenommen, so bleibt sie unberücksichtigt, sofern die Vorbereitungen für die erstmalige oder die erneute Benutzung erst stattgefunden haben, nachdem der Inhaber Kenntnis davon erhalten hat, dass die Einrede erhoben werden könnte. Da die 5-jährige Benutzungsschonfrist gemäß Art. 15 Abs. 1 GMV am 29.01.2014 ablief, obliegt es der Klägerin die rechtserhaltende Benutzung darzulegen und zu beweisen.
32Eine Marke wird ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion – die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, zu garantieren – benutzt wird, um für diese Waren oder Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die allein der Wahrung der durch die Marke verliehenen Rechte dienen (vgl. EuGH GRUR 2003, 425, 427f. – Ansul). Mit der Benutzung muss im Wesentlichen das Ziel verfolgt werden, Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu behalten oder zu gewinnen.
33Ob eine ernsthafte Benutzung vorliegt, wird anhand einer umfassenden Würdigung aller relevanten Faktoren wie Benutzungsdauer und -umfang bestimmt. Diese Beurteilung impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den zu berücksichtigenden Faktoren. So kann ein geringeres Volumen von unter der Marke vertriebenen Waren durch eine große Häufigkeit oder zeitliche Konstanz der Benutzungshandlungen dieser Marke ausgeglichen werden und umgekehrt. Außerdem können die erzielten Umsätze und die Zahl der unter der Marke verkauften Waren nicht absolut beurteilt werden, sondern müssen im Zusammenhang mit den anderen relevanten Faktoren wie dem Umfang der Geschäftstätigkeit, den Produktions- und Vertriebskapazitäten oder dem Grad der Diversifizierung des Unternehmens, das die Marke verwertet, sowie den charakteristischen Merkmalen der Waren auf dem betreffenden Markt gesehen werden (vgl. Eisenführ/Schennen, GMV, 4. Aufl., Art. 15, Rn. 53 m.w.N.).
34Unter Beachtung dieser Grundsätze hat die Klägerin eine rechtserhaltende Benutzung der Klagemarke nicht dargelegt.
35Auf eine Benutzung der Klagemarke für Schuhe kommt es vorliegend nicht an, weil eine Warenähnlichkeit zwischen Schuhen und den angegriffenen Karnevalskostümen nicht gegeben ist.
36Auch auf eine Benutzung des Klagezeichens für Schürzen, Strümpfe sowie komplette Karnevalskostüme kommt es nicht an, da es insoweit bereits an einer markenmäßigen Benutzung fehlt. Das bunte Design dieser Waren ist der Bekleidung der literarischen Figur Pippi Langstrumpf nachempfunden, so dass die Klagemarke rein beschreibend verwendet wird.
37Der Verkauf von 2058 Handschuhen, 905 Mützen sowie 925 Schals durch den W im Zeitraum vom 01.05.2009 bis 22.04.2014 (Anlage K 23 zum Schriftsatz vom 30.04.2014) sind ebenfalls nicht geeignet, eine ernsthafte Benutzung der Klagemarke zu begründen. Der Verlag hat nahezu ausschließlich Buchhandlungen beliefert, wobei es sich bei den meisten Lieferungen um Einzelstücke bzw. Stückzahlen im einstelligen Bereich handelt. Vor dem Hintergrund der geringen Liefermengen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Kennzeichnung der Waren mit der Marke der Erschließung oder Sicherung eines Absatzmarktes für die gekennzeichneten Waren diente. Vielmehr dienten die gelieferten Einzelstücke der Dekoration der jeweiligen Verkaufsstände und Schaufenster. Unabhängig davon, stellen die behaupteten Verkäufe angesichts der Gängigkeit der betreffenden Waren eine zu geringe Menge dar, um von einer ernsthaften Benutzung ausgehen zu können (vgl. OLG München, Urt. v. 31.01.2008, Az. 29 U #####/####, Tz. 36). Überdies kann auch der Umstand, dass es sich bei der Klägerin um ein kleineres Familienunternehmen handelt, nichts an der fehlenden Ernsthaftigkeit der Nutzung ändern. Denn auch kleinere Unternehmen setzen von gängigen Produkten auf dem Bekleidungsmarkt jährlich regelmäßig Stückzahlen im Bereich von mehreren tausend Stück ab. Die Klägerin hat hingegen im Durchschnitt nur 411 Handschuhe, 180 Mützen und 185 Schals pro Jahr abgesetzt.
38Auch der Vertrieb von 300.000 Schlafanzügen und Unterwäscheprodukten durch die Modefirma I können eine rechtserhaltende Benutzung der Klagemarke nicht begründen. Zwar gilt die Benutzung einer Gemeinschaftsmarke mit Zustimmung des Inhabers auch als Nutzung durch den Inhaber, § 15 Abs. 2 GMV. I hat die Klagemarke aber nicht in der eingetragenen Form, sondern in einer stark abgewandelten Form benutzt. Gemäß Art. 15 Abs. 1 S. 2 lit. a) GMV gilt als Benutzung der Klagemarke auch die Benutzung in einer Form, die von der Eintragung nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wird. Dies bedeutet, dass eine Gemeinschaftsmarke auch durch die Benutzung eines abgewandelten Zeichens benutzt wird, wenn der jeweils angesprochene Verkehr in dem tatsächlich benutzten Zeichen die Marke erkennt (vgl. Eisenführ/Schennen, aaO, Art. 15, Rn. 11). Während die Klagemarke aus dem Zeichen „Pippi“ besteht, ist in den seitens I verkauften Waren ein Einnählabel angebracht, das nicht nur das Zeichen „Pippi“ sondern darüber hinaus auch noch das Zeichen „Langstrump“ und zwischen diesen beiden Zeichen die bildliche Darstellung des Kopfes eines Mädchens mit Sommersprossen und anstehenden Zöpfen enthält. Diese Zeichen werden auf Grund ihres unmittelbaren räumlichen und inhaltlichen Zusammenhangs vom angesprochenen Verkehr als ein Zeichen wahrgenommen. Insoweit stellt die Verwendung des Zeichens „Pippi Langstrump“ mit Kopf gerade keine Benutzung (auch) der Klagemarke dar, da der Verkehr das Zeichen „Pippi“ nicht als zusätzliche Einzelmarke erkennt.
39Gleiches gilt im Übrigen auch für den Vertrieb von T-Shirts durch die M GmbH & Co. KG und die Q, da auch insoweit das Zeichen „Pippi“ nicht in Alleinstellung, sondern zusammen mit den Zeichen „Langstrump“ und der bildlichen Darstellung eines Mädchenkopfes verwendet wurde.
40Soweit die Beklagte behauptet, die Modefirma A habe 72.508 Bekleidungsstücke in der Europäischen Union unter dem Klagezeichen vertrieben, hat sie bereits nicht substantiiert vorgetragen, in welchem Zeitraum der Vertrieb erfolgte. Im Übrigen wurde die Klagemarke auch nicht in Alleinstellung sondern im Zusammenhang mit der bildlichen Darstellung eines Mädchenkopfes benutzt, so dass auch darin keine rechtserhaltende Benutzung der Klagemarke zu sehen ist.
412.
42Mangels Rechtsverletzung stehen der Klägerin auch die geltend gemachten Folgeansprüche gegen die Beklagte auf Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung aus Art. 9 Abs. 1 lit. b), 102 GMV i.V.m. §§ 14, 19 Abs. 1, 3 MarkenG sowie aus § 242 BGB nicht zu.
43II.
44Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
45Streitwert: 75.000,00 €
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.