Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 23. Apr. 2014 - L 7 SB 40/12

ECLI: ECLI:DE:LSGST:2014:0423.L7SB40.12.0A
published on 23/04/2014 00:00
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 23. Apr. 2014 - L 7 SB 40/12
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Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50.

2

Der 1975 geborene Kläger beantragte erstmals am 25. März 2004 beim Beklagten die Feststellung von Behinderungen wegen eines insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ I. Der Beklagte holte einen Befundschein der Fachärztin für Innere Medizin Dr. B. vom April 2004 ein, die einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ I diagnostizierte. In einem beigefügten Arztbrief vom 14. Januar 2014 berichtete Oberärztin Dr. M. (Städtisches Klinikum M.) über eine stationäre Aufnahme des Klägers im Januar 2004. Die Entlassungsmedikation lautete: Novo Rapid, angepasst an BE mit Faktor 2,5/1,1 IE/BE; Korrekturfaktor 2, Protaphan 07.00 Uhr 8 IE, 22.30 Uhr 10 IE. Nach Beteiligung seines ärztlichen Dienstes stellte der Beklagte mit Bescheid vom 24. Mai 2004 beim Kläger einen GdB von 40 fest.

3

Dagegen erhob der Kläger am 23. Juni 2004 Widerspruch und trug vor: Er müsse sich täglich mindestens sechs bis acht Mal Insulin spritzen, um einen optimalen Blutzuckerwert zu erreichen. Die Erkrankung könne zu Spätfolgen führen und beeinträchtige seine derzeitige Tätigkeit als Rettungsassistent. Mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 23. November 2004 wies der Beklage den Widerspruch zurück.

4

Am 3. Februar 2009 stellte der Kläger einen Neufeststellungsantrag beim Beklagten, der einen Befundschein von Dr. B. einholte. Hiernach bestehe ein stabiler Blutzuckerwert, ohne schwerwiegende Hypoglykämien (HbA1c-Werte bewegten sich seit 2007 zwischen 6,1 und 6,4 %). Es bestünden keine Augenschäden, jedoch ein wahrnehmbares Nervenempfinden der Beine bei regelmäßiger Temperatur und Fußpuls. Die Versorgungsärztin Dipl.-Med. R. hielt in Auswertung des Befundes einen GdB von 40 für zutreffend. Die Nervenstörungen seien geringgradig und mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten, der den Gesamt-GdB nicht erhöhe. Dem folgend lehnte der Beklagte eine Neufeststellung ab (Bescheid vom 16. März 2009). Mit dem dagegen gerichteten Widerspruch vom 27. März 2009 machte der Kläger, nun anwaltlich vertreten, geltend: Im Vergleich zur Erstfeststellung habe sich seine gesundheitliche Situation verschlechtert. Es bestünden Störungen der Nervenbahnen in den Füßen, Sensibilitätsstörungen und damit zusammenhängende Schmerzen. Auch habe die Insulindosierung erhöht werden müssen. Aktuell sei eine Langzeitdosierung (2 x täglich) und eine Kurzzeitdosierung (sechs bis acht Mal täglich) notwendig. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

5

Der Kläger hat am 29. Juni 2009 Klage beim Sozialgericht (SG) Magdeburg erhoben und vorgetragen: Der Gesamt-GdB müsse auf mindestens 50 erhöht werden. Die Insulintherapie erfordere mindestens acht Injektionen am Tag. Mittlerweile hätten sich als Begleitfolgen Taubheitsgefühle sowie Schmerzen in den Beinen entwickelt.

6

In einem vom SG eingeholten Befundbericht hat Dr. B. im Juli 2011 angegeben: Beim Kläger sei zwischenzeitlich eine Insulinpumpe angepasst worden, die öfters wegen Undichtigkeiten Probleme bereite. Die Umstellung auf die Insulinpumpe sei wegen verschlechterter Blutzuckerwerte erfolgt. In einem beigefügten Bericht der MediClin S.-klinik in D. hat der leitende Arzt R. über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 31. August bis 28. September 2010 berichtet und zum Beschwerdebild angegeben: Mit der Insulintherapie komme der Kläger gut zurecht. Er spritze strikt postprandial, da er berufsbedingt nicht wisse, ob er sein Essen auch zu sich nehmen könne. Der HbA1c-Wert sei bisher ohne Hypoglykämien gut eingestellt. Die Insulintherapie behindere die Berufsausübung nicht, da der Kläger im Rettungsdienst nicht als Fahrer eingesetzt werde. Arbeitsunfähigkeit habe in den letzten zwölf Monaten nicht bestanden. Der Kläger sei in der Handhabung der Pumpe sehr sorgfältig, sicher und korrekt. Der Blutdruck liege im Normbereich, wobei eine deutliche Tachykardieneigung aufgefallen sei, die nun mit Bisoprolol behandelt werde. Hinweise auf diabetische Folgenerkrankungen hätten sich nicht ergeben. Der Kläger sei als arbeitsfähig entlassen worden und könne die zuletzt ausgeübte Tätigkeit fortsetzen. Es bestünden keine wesentlichen Beeinträchtigungen der alltagsrelevanten Aktivitäten und keine wesentliche Beeinträchtigung der Teilhabe am sozialen Leben.

7

Der Beklagte hat eine prüfärztliche Stellungnahme der Versorgungsärztin S.-S. vom 29. Juli 2011 vorgelegt, nach der eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung nicht zu erkennen sei. Es müsse daher bei einem Gesamt-GdB von 40 bleiben. Eine diabetische Nervenstörung des Fußes werde im Reha-Bericht nicht mehr bestätigt.

8

Mit Urteil vom 18. April 2012 hat das SG den Beklagten verurteilt, ab dem 3. Februar 2009 einen GdB von 50 festzustellen. Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt: Aufgrund der Therapieintensität sei die Feststellung eines GdB von 50 im Sinne der 2. Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 14. Juli 2010 gerechtfertigt.

9

Gegen das ihm am 14. Juni 2012 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 22. Juni 2012 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt und vorgetragen: Das SG habe die 2. Änderungsverordnung zur Versorgungsmedizin-Verordnung fehlerhaft ausgelegt, da neben einer bestimmten Therapieintensität auch erforderlich sei, dass der Betroffene erheblich in der Lebensführung eingeschränkt werde. Dies sei bespielweise bei schweren Unter- oder Überzuckerungen der Fall. Der Kläger komme jedoch mit seiner Insulintherapie gut zurecht und könne die Arbeit eines Rettungsassistenten ausführen. Diese Umstände sprächen gegen das Vorliegen einer Schwerbehinderung.

10

Der Beklagte beantragt,

11

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. April 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

12

Der Kläger beantragt,

13

die Berufung zurückzuweisen.

14

Er hat ergänzend ausgeführt: Bei der Insulintherapie komme es vermehrt zu Änderungen der Basalraten sowie zu häufigen Korrekturen der Blutzuckerwerte. Neben immer wieder auftretenden Hypoglykämien, Kopfschmerzen, Schwächegefühlen und Verminderung der Libido habe er Angst, seinen Arbeitsplatz zu verlieren.

15

Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers eingeholt. Dr. B. hat am 29. Oktober 2012 über gleichbleibende Befunde berichtet. Neu sei ein beim Kläger festgestellter Leistenbruch, der im August 2012 zu einer Operation geführt habe. Der Kläger müsse vier bis fünf Mal täglich den Blutzucker messen. Die Insulindosis müsse vor den Mahlzeiten und bei schlechten Werten drei bis sechs Mal angepasst werden. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin H. hat am 17. November 2012 angegeben: Sinustachykardien seien seit 2003 bekannt und würden medikamentös behandelt.

16

In einer vom Beklagten vorgelegten Stellungnahme hat die Versorgungsärztin S.-S. in Auswertung der Befunde ausgeführt: Der Bericht der Hausärztin enthalte keine relevanten Befunde. Nach der Bewertung der Diabetologin seien die Blutzuckerwerte im wünschenswerten therapeutischen Bereich, wobei leichte Unterzuckungen dokumentiert seien. Schwere Unterzuckerungen, die eine Fremdhilfe erforderlich machten, seien dagegen nicht bekannt. Die Leistenbruch-OP sei für die Bildung eines GdB nicht relevant. Zusammenfassend sei von einem Gesamt-GdB von 40 auszugehen.

17

Am 28. Juni 2013 hat der Kläger in einer nichtöffentlichen Sitzung angegeben: Er sei in seiner Lebensführung eingeschränkt. Aufgrund seiner Erkrankung könne er bei seiner Tätigkeit bei der freiwilligen Feuerwehr keine Atemschutzmasken tragen und keine großen Lastkraftwagen fahren. Es komme wiederholt zu Unterzuckerungen, aber ohne Bewusstlosigkeit. Sportlich betätige er sich durch Radfahren.

18

Der Senat hat erneut Befundberichte von Dr. B. vom 26. Juli 2013 und der Ärztin H. vom 3. September 2013 eingeholt. Dr. B. hat angegeben: Der Kläger habe über Probleme mit Unterzuckerungen und Stresssymptome bei der Arbeit berichtet. Der Fußpulsstatus habe rechts 7/8 und links 6/8 ergeben. Neben den bekannten Diagnosen bestehe ein Burnout mit depressiver Symptomatik. Vier bis fünf Mal täglich müsse der Kläger Insulin injizieren bzw. den Blutzucker messen. Erhöhte Blutzuckerwerte seien durch nicht eingehaltene Ruhephasen und Stress aufgetreten. In der letzten Zeit sei es durch unvorhergesehene körperliche Belastungen bei der Arbeit auch zu Unterzuckerungen gekommen, die eine Fremdhilfe erforderlich gemacht hätten. Der HbA1c-Wert habe in der Zeit vom 2. Mai 2012 bis 23. Juli 2013 zwischen 6,0 und 6,6 mit steigender Tendenz gelegen. Trotz des relativ guten HbA1c-Wertes sei die Erkrankung mit Schwankungen des Blutzuckers und Unterzuckerungen verbunden. Die Burnout-Symptomatik und der psychische Zustand seien aktuell stabil, wobei eine Verschlechterung durch die berufliche Situation jederzeit möglich sei. Aktuell habe der Kläger nach den Leistenbruchoperationen über keine funktionellen Beschwerden in diesem Bereich berichtet.

19

Die Versorgungsärztin Dr. W. hat unter dem 23. August 2013 diese Befunde ausgewertet und angegeben: Bedrohliche Stoffwechselentgleisungen sowie gravierende Einschnitte in den Tagesablauf seien aus den Befunden nicht ableitbar. Das Vibrationsempfinden an den Füßen sei altersentsprechend und begründe nicht die Diagnose einer Polyneuropathie. Zusammenfassend könne kein höherer GdB als 40 festgestellt werden. Die beruflichen Belastungen bei der Tätigkeit als Rettungsassistent könnten im Rahmen der Feststellung des GdB nicht beachtet werden.

20

Auf gerichtliche Nachfrage hat der Kläger am 12. März 2014 erklärt, sein gesundheitlicher Zustand habe sich nicht verändert.

21

In der mündlichen Verhandlung vom 23. April 2014 hat der Kläger ergänzend ausgeführt: Er sei im Hauptberuf Rettungsassistent und im Ehrenamt Brandmeister und stellvertretender Wehrleiter in der Freiwilligen Feuerwehr. Den Kollegen sei seine Erkrankung bekannt. Um Unterzuckerungen abzuwenden, habe er ständig Traubenzucker oder Fruchtsäfte dabei. Der Abfall des Blutzuckers werde von ihm bemerkt. Fremdhilfe sei in diesem Zusammenhang noch nicht notwendig geworden. Als Fahrer werde er weder im Rettungsdienst noch bei der Freiwilligen Feuerwehr eingesetzt. Die Tagesschicht dauere zwölf bis fünfzehn Stunden. Privat nutze er das Kraftfahrzeug auch für längere Fahrten, müsse dabei jedoch Unterbrechungen einplanen. Während der Flut in Sachsen-Anhalt im Juni 2013 sei er unter extremen Bedingungen ca. eine Woche im Einsatz gewesen.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere auf die Schriftsätze der Beteiligten, sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten und die vom Kläger vorgelegten Diabetikertagebücher Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

23

Die form- und fristgerechte eingelegte und nach § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung des Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das SG die Voraussetzungen für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft bejaht und die Bescheide des Beklagten aufgehoben.

24

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Antrag des Klägers auf Feststellung eines Behinderungsgrades von mindestens 50 ab dem 3. Februar 2009. Hierbei handelt es sich um eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, für die bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblich ist (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2000, B 9 SB 3/99 R, juris).

25

Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht in seinen Rechten verletzt, da der festgestellte GdB von 40 rechtmäßig ist.

26

Da der Beklagte bereits mit Bescheid vom 24. Mai 2004 einen GdB von 40 festgestellt und damit über den GdB des Klägers entschieden hat, richten sich die Voraussetzungen für die Neufeststellung nach § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X). Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine wesentliche Änderung ist dann anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechterung eine Herabsetzung oder Erhöhung des Gesamtbehinderungsgrades um wenigstens 10 ergibt. Im Vergleich zu den Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheids vom 24. Mai 2004 vorgelegen haben, ist keine Änderung eingetreten. Denn die Funktionsstörungen des Klägers rechtfertigen nicht die Feststellung eines GdB von 50.

27

Nach § 69 Abs. 1 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Diese Regelung knüpft materiellrechtlich an den in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten für den GdB die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Nach der damit in Bezug genommenen Fassung des § 30 Abs. 1 BVG richtet sich die Beurteilung des Schweregrades – dort des "Grades der Schädigungsfolgen" (GdS) – nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen. Die hierfür maßgebenden Grundsätze sind in der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) aufgestellt worden, zu deren Erlass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch den dem § 30 BVG durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 angefügten Abs. 17 ermächtigt worden ist.

28

Nach § 2 VersMedV sind die auch für die Beurteilung des Schweregrades nach § 30 Abs. 1 BVG maßgebenden Grundsätze in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15. Dezember 2008, G 5702) als deren Bestandteil festgelegt.

29

Soweit der streitigen Bemessung des GdB die GdS-Tabelle der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (Teil A) zugrunde zu legen ist, gilt Folgendes: Nach den allgemeinen Hinweisen zu der Tabelle (Teil B 1) sind die dort genannten GdS-Sätze Anhaltswerte. In jedem Einzelfall sind alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in Nr. 2 e (Teil A) genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Teil B, Nr. 1 a).

30

Nach diesem Maßstab ist beim Kläger weiterhin ein GdB von 40 ab dem 3. Februar 2009 bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gerechtfertigt. Dabei stützt sich der Senat auf die eingeholten Befundberichte nebst Anlagen, die versorgungsärztlichen Stellungnahmen, die Arztbriefe sowie die vorgelegten Diabetikertagebücher des Klägers und seine eigenen Angaben. Das zentrale Leiden des Klägers betrifft das Funktionssystem "Innere Sekretion und Stoffwechsel" und wird durch den insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ I geprägt. Auf der Grundlage der Zweiten Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 14. Juli 2010 gilt:

31

"Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 30 bis 40."

32

"Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdS beträgt 50."

33

"Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdS-Werte bedingen."

34

Das BSG hat mit Urteil vom 2. Dezember 2010 (B 9 SB/09 R, juris) diese Neufassung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze für rechtmäßig erklärt (vgl. BSG a.a.O. Rdn. 26) und für die Zeit vor Inkrafttreten der Verordnung unter Hinweis auf das Urteil vom 24. April 2008 (B 9/9a SB 10/06) bei der Bewertung des Einzel-GdB eines insulineingestellten Diabetes mellitus neben der Einstellungsqualität insbesondere den jeweiligen Therapieaufwand hervorgehoben, soweit sich dieser auf die Teilhabe des behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft nachteilig auswirkt. Hierbei ist der GdB eher niedrig anzusetzen, wenn bei geringem Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht werden kann. Bei einem beeinträchtigenden, wachsenden Therapieaufwand und/oder abnehmendem Therapieerfolg (instabilere Stoffwechsellage) wird der GdB entsprechend höher zu bewerten sein. Dabei sind – im Vergleich zu anderen Behinderungen – die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu prüfen (BSG a.a.O. Rdn. 33). Bei therapiebedingten Einschränkungen in der Lebensführung können z.B. die Planung des Tagesablaufs, die Gestaltung der Freizeit, die Zubereitung der Mahlzeiten, die Berufsausübung und die Mobilität beachtet werden (vgl. Begründung zur Verordnungsänderung, BR-Drucksache 285/10 S. 3 zu Nr. 2).

35

Durch die Neufassung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zum Diabetes mellitus erfordert die Feststellung eines GdB von 50 nicht nur mindestens vier Insulininjektionen pro Tag und ein selbständiges Anpassen der jeweiligen Insulindosis. Zusätzlich muss es - sei es bedingt durch den konkreten Therapieaufwand oder die jeweilige Stoffwechselqualität oder wegen sonstiger Auswirkungen der Erkrankung (z.B. Folgeerkrankungen) - zu einer krankheitsbedingten erheblichen Beeinträchtigung in der Lebensführung kommen (BSG, Urteil vom 25. Oktober 2012, B 9 SB 2/12 R, juris). Die Formulierung in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen in Teil B Nr. 15.1 "und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind" ist daher nicht nur therapiebezogen gemeint, sondern dahingehend zu verstehen, dass neben dem eigentlichen Therapieaufwand durch die notwendigen Insulininjektionen und die selbständige jeweilige Dosisanpassung eine zusätzliche Wertung notwendig ist, um die Schwerbehinderung zu rechtfertigen. Der am insulinpflichtigen Diabetes mellitus Erkrankte muss daher wegen des reinen Therapieaufwandes und/oder den durch die Erkrankung eingetretenen weiteren Begleitfolgen generell gravierende Einschnitte in der Lebensführung erleiden (so offenbar auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. Juli 2011, L 4 SB 182/10, juris). Dass zusätzlich ein gravierender Einschnitt in die Lebensführung festgestellt werden muss, ergibt sich aus den vorhergehenden Formulierungen der Versorgungsmedizinischen Grundsätze für einen GdB von 30 bis 40. Hiernach sind für die Bewertung der Teilhabeeinschränkung der konkrete Therapieaufwand und die jeweilige Stoffwechselqualität von wertungserheblicher Bedeutung. Diese beiden Kriterien müssen entsprechend auch bei der höheren Bewertungsstufe eines GdB von 50 noch bedeutsam sein. Für die besondere Bedeutung der Stoffwechsellage spricht auch, dass nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen allein bereits eine Erhöhung des GdB rechtfertigen können. Diesen Gesichtspunkt hat die Vorinstanz nicht beachtet, was zur Aufhebung des Urteils führen muss.

36

Ein GdB von 50 setzt damit mindestens vier Insulininjektionen pro Tag, ein selbständiges Anpassen der Insulindosis und gravierende und erhebliche Einschnitte in der Lebensführung voraus. Der Kläger erreicht zwar die für die Schwerbehinderung notwendige Therapieintensität. Für die Zuerkennung des GdB von 50 fehlte es jedoch an gravierenden Einschnitten in der Lebensführung. Der Senat folgt insoweit den Einschätzungen der Versorgungsärzte des Beklagten.

37

Zwar führt der Kläger als Insulinpumpenträger nach den Angaben von Dr. B. und ausweislich seines Diabetikertagebuchs die Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen und selbständigen Dosisanpassungen der Insulingabe durch. Neben der täglichen Injektion mit einem Langzeitinsulin muss der Kläger zu jeder Mahlzeit das kurz wirkende Insulin einsetzen und dabei auch die jeweilige Insulindosis variieren. Hinzu kommen Blutzuckermessungen zu jeder Mahlzeit und damit bis zu sechs Mal täglich. Allerdings fehlt es beim Kläger an erheblichen Einschnitten, die sich so gravierend auf seine Lebensführung auswirken, dass die Feststellung einer Schwerbehinderteneigenschaft gerechtfertigt werden kann. Betrachtet man die therapie- und erkrankungsbedingten Einschränkungen in der konkreten Lebensführung, lässt sich eine gravierende Einschränkung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft aufgrund der Erkrankung an Diabetes mellitus nicht erkennen. Dies entspricht auch der Einschätzung der MediClin S.-Klinik vom Oktober 2010. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Teilbereiche, in denen sich therapie- und krankheitsbedingte Einschränkungen in der Lebensführung auswirken können, lässt sich feststellen, dass gravierende Auswirkungen beim Kläger nicht in den Bereichen der Planung des Tagesablaufs, der Gestaltung der Freizeit, der Zubereitung der Mahlzeiten und der Mobilität, sondern lediglich im Bereich der Berufsausübung vorliegen. Gravierende Auswirkungen in nur einem Lebensbereich sind unter Berücksichtigung der weiteren Teilbereiche aber nicht ausreichend, um insgesamt eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung annehmen zu können.

38

Im Bereich der beruflichen Tätigkeit als Rettungsassistent ist der Kläger durch die Auswirkungen des Diabetes mellitus erheblich eingeschränkt, da er wegen der besonderen Gefährdungslage bei möglichen Unterzuckerungen nicht als Fahrer eingesetzt werden kann. Die krankheitsbedingten Einschränkungen aufgrund des Diabetes mellitus wirken sich damit auf den beruflichen Kernbereich der Arbeit als Rettungsassistent aus. Diese Einschränkungen bei der Ausübung der beruflichen Tätigkeit sind aber nicht so gravierend, dass bereits deshalb von einer erheblichen Einschränkung insgesamt ausgegangen werden kann, die die Schwerbehinderteneigenschaft rechtfertigt. Denn eine krankheitsbedingte Aufgabe der beruflichen Tätigkeit bzw. eine Veränderung des Arbeitsbereichs ist beim Kläger nicht notwendig. Trotz der ganz erheblichen Belastungen durch Schichtdienst und die körperlich schwere Arbeit beim Krankentransport kann der Kläger den beruflichen Anforderungen eines Rettungsassistenten nachkommen. Für seine hohe körperliche Belastbarkeit sprechen auch seine Aktivitäten bei der Freiwilligen Feuerwehr und während des Fluteinsatzes in Sachsen-Anhalt im Juni 2013 unter besonders belastenden Arbeitsbedingungen. Die von ihm angegebenen Nachteile durch seine Stoffwechselerkrankung sind insgesamt zwar einschränkend und belastend, jedoch nicht gravierend im Sinne der Versorgungsmedizinischen Grundsätze.

39

Der Kläger wird trotz des einschränkenden Therapieaufwandes nicht auch noch zusätzlich durch eine schlechte Einstellungsqualität in seiner Leistungsfähigkeit und damit in seiner Teilhabefähigkeit am Leben erheblich beeinträchtigt. Zwar besteht bei ihm eine deutliche Neigung zu Hypoklykämien und auch unvorhersehbar stark schwankenden Blutzuckerwerten. Der HbA1c-Wert liegt jedoch bereits seit Jahren weitgehend im Normalbereich. Schwere Hypoglykämien, die Fremdhilfe erfordert haben, sind nicht aufgetreten. Auch musste sich der Kläger seit dem Neufeststellungsantrag bis zum heutigen Zeitpunkt keinen stationäre Behandlungen wegen des Diabetes mellitus unterziehen. Auch eine wiederholte auf den Diabetes mellitus zurückzuführende Arbeitsunfähigkeit hat während dieser Zeit nicht bestanden.

40

Die weiteren Erkrankungen des Klägers sind entweder geringgradig oder wurden nach kurzer Zeit folgenlos auskuriert. Die Sinustachykardien sind medikamentös gut eingestellt. Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus liegen nicht vor. Das Vibrationsempfinden an den Füßen lässt keinen Rückschluss auf eine Polyneuropathie zu. Die Folgen der beidseitigen Leisten-OP blieben nach den Angaben der behandelnden Hausärztin und des Klägers ohne funktionelle Auswirkungen.

41

Die Grenze zur Schwerbehinderung und eines GdB von 50 ist damit noch nicht erreicht. Letztlich widerspräche die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft bei dem voll im beruflichen und gesellschaftlichen Leben integrierten Kläger, der zwar eine krankheitsbedingt eingeschränkte, aber dennoch eigenständige Lebensführung hat, dem nach Teil A Ziff. 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu berücksichtigenden Gesamtmaßstab. Gegen die Annahme einer Schwerbehinderung spricht auch ein wertungsmäßiger Vergleich mit anderen Erkrankungsgruppen für die ein Einzel-GdB von 50 vergeben werden kann. Die Schwerbehinderteneigenschaft kann nur angenommen werden, wenn die zu berücksichtigende Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsstörungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft so schwer wie etwa die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, der Verlust eines Beins im Unterschenkel oder eine Aphasie (Sprachstörung) mit deutlicher Kommunikationsstörung beeinträchtigen. Eine derartig schwere Funktionsstörung liegt bei dem Kläger nicht vor.

42

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

43

Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegt vor. Die Frage, ob gravierende Auswirkungen in einem Lebensbereich (hier: Beruf) ausreichen, um eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung annehmen zu können, ist beim BSG noch anhängig (B 9 SB 2/13 R).


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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu
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published on 16/12/2014 00:00

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. November 2012 wird zurückgewiesen.
published on 25/10/2012 00:00

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 21. Februar 2012 wird zurückgewiesen.
published on 25/07/2011 00:00

1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Trier vom 23.07.2010 wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Die Beteiligt
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Annotations

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung*als deren Bestandteil festgelegt.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.