Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 23. Aug. 2016 - L 4 AS 775/13

ECLI:ECLI:DE:LSGST:2016:0823.L4AS775.13.0A
bei uns veröffentlicht am23.08.2016

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Rechts-züge zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten über die Teilaufhebung von Leistungsbewilligungen und die Rückforderung von erbrachten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für Zeiträume vom 1. Juni 2005 bis 30. November 2008.

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Die im Jahr 1953 geborene Klägerin und Berufungsbeklagte (im Weiteren: Klägerin) stellte am 29. September 2004 bei der Außenstelle des Beklagten und Berufungsklägers (im Weiteren: Beklagter) in G. einen Antrag auf SGB II-Leistungen. Sie gab an, sie sei alleinstehend und habe bislang Arbeitslosenhilfe bezogen. Arbeitslosengeld I habe sie zuletzt im Jahr 1997 erhalten. Zu ihren Wohnverhältnissen erklärte sie, sie bewohne als Untermieterin mit dem Hauptmieter L. (im Weiteren: Zeuge) eine 70,3 m² große Dreiraumwohnung im P. in G. Für die Wohnung war eine Gesamtmiete von 374 EUR (Kaltmiete: 234 EUR, Vorauszahlung für Heizkosten einschließlich Warmwasserversorgung: 75 EUR und für die Betriebskosten: 65 EUR) zu erbringen. In einer beigefügten Mietbescheinigung der Vermieterin, der G. Wohnungsgesellschaft mbH, vom 21. September 2004 sind der Zeuge und die Klägerin als Hauptmieter aufgeführt. Das Mietverhältnis bestehe seit März 2002. Bei der Antragstellung erklärte die Klägerin durch ihre Unterschrift auf einem Formblatt des Beklagten sinngemäß, die in der Wohnung lebenden weiteren Personen gehörten nicht zu ihrer Bedarfsgemeinschaft, führten selbständig und getrennt ihren Haushalt und unterstützten sie weder durch Sach- noch durch Geldleistungen. Sie sei über den Begriff "Bedarfsgemeinschaft" informiert worden. Der Zeuge erklärte handschriftlich am 6. Oktober 2004, die Klägerin bezahle "einen Anteil an Miete, GEZ und Kabelrechnungen". In der Verwaltungsakte ist sodann vermerkt: "Fünf Monate - hat eine WG mit jemanden - Aufteilung d. KdU-Kosten".

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Der Beklagte bewilligte der Klägerin ab Januar 2005 SGB II-Leistungen, u.a. für den streitbefangenen Zeitraum von Juni 2005 bis November 2008; die Daten der Bescheide und der Änderungsbescheide sowie die monatliche Leistungshöhe ergeben sich aus der nachstehenden Tabelle (erste bis dritte Spalte). Er berücksichtigte neben der Regelleistung für einen alleinstehenden Erwachsenen bei den Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) die Hälfte der Gesamtmiete, wobei er für die Kosten der Warmwasserbereitung 18% von der Heizkostenvorauszahlung abzog. Einkommen wurde nicht angerechnet.

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- Tabelle nicht darstellbar -

5

Nach Stellung des Weiterbewilligungsantrags für die Zeit ab Juni 2008 veranlasste der Beklagte am 21. Mai 2008 – ohne ersichtlichen äußeren Anlass – die Durchführung eines Hausbesuchs bei der Klägerin zur "Feststellung Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft". Aus dem "Ermittlungsbericht" über den Hausbesuch vom 16. Juli 2008 ergibt sich: Bad und Küche der Wohnung würden gemeinsam genutzt. Im Bad sei keine Trennung zwischen männlichen und weiblichen Hygieneartikeln erkennbar; jeder wasche seine Kleidung in der gemeinsamen Waschmaschine. Eine Trennung der Lebensmittel im Kühlschrank sei nicht erkennbar. Die Klägerin habe angegeben, sie schlafe im Wohnzimmer auf der Couch, diese habe jedoch keine Schlaffunktion. Das Doppelbett im Schlafzimmer sei zweifach aufgebettet; die Kleidung der Klägerin und des Zeugen werde in einem Kleiderschrank, in gesonderten Schrankteilen aufbewahrt. Aus Sicht des Außendienstes deute alles auf eine eheähnliche Lebensgemeinschaft hin.

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Mit Schreiben vom 14. August 2008 wies der Beklagte die Klägerin auf ihre Mitwirkungs-pflichten nach § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) hin. Er erläuterte, dass er nach Änderung von § 7 Abs. 3 Nr. 3b SGB II im August 2006 zu einer "Änderung der Rechtsauffassung beim Zusammenleben zweier Partner in einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft" gekommen sei. Bislang habe er nur eheähnliche Gemeinschaften als Bedarfsgemeinschaft angesehen. Nunmehr komme es auf den Willen der Partner an, füreinander einzustehen. Die Gemeinschaft müsse nach verständiger Würdigung einer Ehe ähnlich sein. U.a. wenn Partner länger als ein Jahr zusammen lebten, werde ein Einstandswillen vermutet. Beim Hausbesuch hätten sich Hinweise auf ein Zusammenleben mit dem Zeugen ergeben. Daher müsse eine Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft unterstellt werden. Der Beklagte forderte die Klägerin auf, weitere Angaben zum Zeugen zu machen und Unterlagen, insbesondere Einkommensnachweise ab Juni 2005, vorzulegen. Zunächst würden keine SGB II-Leistungen mehr ausbezahlt.

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Daraufhin machte die Klägerin in der Anlage WEP Angaben zur Sozialversicherung des Zeugen und legte Belege über dessen Berufsunfähigkeitsrente und eine Kopie seines Personalausweises vor.

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Mit Änderungsbescheid vom 1. Oktober 2008, gegen den die Klägerin – soweit ersichtlich – keinen Widerspruch eingelegt hatte, änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung für die Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis 30. November 2008. Er bewilligte ihr Leistungen (nur noch) für die KdU in Höhe von 171,35 EUR monatlich. Mit diesem Bescheid bewilligte er auch dem Zeugen Leistungen von 171,34 EUR monatlich. Es sei "folgende Änderung" eingetreten: "Aufnahme von L. in die Bedarfsgemeinschaft." Deshalb werde der Bewilligungsbescheid teilweise aufgehoben; die Einzelheiten der Berechnung ergäben sich aus dem beigefügten Berechnungsbogen.

9

Unter dem 20. November 2008 erließ der Beklagte weitere Änderungsbescheide für den Zeitraum von Juni 2005 bis August 2008, mit denen er der Klägerin geringere Leistungen und dem Zeugen erstmals Leistungen bewilligte. Er gab als Änderung an: "Durch die Feststellung des Vorliegens einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft wurde Herr L. ab 01.06.2005 in die Bedarfsgemeinschaft mit aufgenommen." Deshalb werde der Bewilligungsbescheid teilweise aufgehoben. Dazu erließ der Beklagte unter dem 2. Juni 2009 Änderungsbescheide, mit denen er die Leistungen geringfügig erhöhte (geänderter Warmwasserabzug bzw. Heizkostenberücksichtigung). Die Höhe der monatlichen Leistungs-beträge für die Klägerin ergibt sich aus der vierten Spalte der Tabelle (Seite 3).

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Mit Schreiben vom 21. November 2008 hörte der Beklagte die Klägerin zur Teilaufhebung und Erstattung an. Sie habe im Zeitraum von Juni 2005 bis August 2008 SGB II-Leistungen zu Unrecht bezogen. Sie lebe bereits seit März 2002 mit dem Zeugen zusammen und die Überprüfung des Außendienstes habe Hinweise auf ein Zusammenleben ergeben, sodass eine Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft unterstellt werden müsse. Die Klägerin habe sich zum Schreiben von 14. August 2008 nicht geäußert, jedoch Einkommensnachweise des Zeugen vorgelegt, sodass dieser ab Juni 2005 in die Bedarfsgemeinschaft habe aufgenommen werden können. Sie sei ihrer Verpflichtung, alle Änderungen in den leistungserheblichen Verhältnissen mitzuteilen, zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X). Die überzahlten Leistungen seien gemäß § 50 SGB X zu erstatten. In der Zeit von Juni 2005 bis August 2008 seien Regelleistungen von insgesamt 8.654,01 EUR und KdU-Leistungen von 16,27 EUR (insgesamt 8.670,28 EUR) überzahlt worden.

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Am 4. Dezember 2008 legte die Klägerin gegen die Bescheide vom 20. November 2008 Widerspruch ein und führte aus, sie habe bereits 2002 alle Angaben zu ihren Wohnverhält-nissen gemacht und auch den Rentenbescheid des Zeugen vorgelegt.

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Am 3. Februar 2009 erließ der Beklagte einen Rücknahme- und Erstattungsbescheid, mit dem er "die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen" nach dem SGB II "vom 01.06.2005 bis 31.08.2008" für die Klägerin teilweise zurücknahm. Näheres sei dem Änderungsbescheid zu entnehmen. Es ergebe sich eine Erstattungsforderung von insgesamt 8.670,28 EUR. Am 19. Februar 2009 legte die Klägerin auch gegen diesen Bescheid Widerspruch ein.

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Nach Erlass der Änderungsbescheide vom 2. Juni 2009 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 25. Juni 2009 die Widersprüche gegen die Änderungsbescheide vom 20. November 2008 zurück. Er führte aus, zwischen der Klägerin und dem Zeugen bestehe eine Bedarfsgemeinschaft. Sowohl die Voraussetzungen von § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II als auch von § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II seien erfüllt, denn sie hätten bereits im März 2002 eine gemeinsame Wohnung bezogen. Von einem Zusammenleben sei immer schon dann auszugehen, wenn Partner so wohnten, dass sie "Tisch und Bett" teilten. Es sei keine Trennung der Wohnbereiche, der individuellen Habe oder der Lebensmittel ersichtlich gewesen. Zudem habe die Klägerin das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft nicht bestritten. Im Weiterbewilligungsantrag vom 21. Oktober 2008 habe sie den Zeugen als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft angegeben. Im Erstantrag von September 2004 habe sie verschwiegen, dass der Zeuge Mitglied ihrer Bedarfsgemeinschaft sei. Der Beklagte habe vom Vorliegen einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft erst durch den Hausbesuch vom 16. Juli 2008 Kenntnis erlangt.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2009 wies der Beklagte auch den Widerspruch gegen den Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 3. Februar 2009 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 2. Juni 2009 zurück. Als Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung und Erstattung der Leistungen zog er § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X und § 50 SGB X heran. Nach den Wohnverhältnissen sei von einer Bedarfsgemeinschaft auszugehen. Die Klägerin könne sich auf Vertrauensschutz nicht berufen, da sie bei ihrer Leistungsantragsstellung grob fahrlässig falsche Angaben gemacht habe, auf denen die ursprünglichen Bewilligungen beruht hätten. Sie habe erklärt, sie sei Untermieterin des Zeugen. Sie habe jedoch nicht erklärt, dass sie in einer Bedarfsgemeinschaft zusammen lebten. Der Beklagte sei daher unzutreffend von einer Haushaltsgemeinschaft und nicht von einer Bedarfsgemeinschaft ausgegangen.

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Die Klägerin hat gegen die Änderungsbescheide vom 20. November 2008 am 24. Juli 2009 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhoben und am selben Tag auch gegen den Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 3. Februar 2009 Klage eingereicht. Zur Begrün-dung hat sie ausgeführt, sie bilde mit dem Zeugen keine Einstehens- und Verantwortungs-gemeinschaft. Sie kenne ihn bereits seit Jugendzeiten. Der Kontakt sei nie abgerissen. Im Jahr 2004 habe sie ihre aus ihrer Wohnung in B. ausziehen müssen, denn die Wohnverhältnisse im Mietshaus seien nicht mehr auszuhalten gewesen. Da in B. kleine Wohnungen nicht verfügbar gewesen seien, habe der Zeuge ihr angeboten, zu ihm nach G. zu ziehen. Dort habe es passenden Wohnraum gegeben. Der Zeuge habe die Wohnung im P. angemietet, sie sei als Untermieterin eingezogen. Es sei ein Untermietvertrag abgeschlossen worden, und sie zahle die Hälfte der Miete. Dies sei vom Arbeitsamt stets unproblematisch akzeptiert worden. Die aktuelle Situation sei unverändert. Es bestehe keine Einstandsgemeinschaft. Sie schlafe im Wohnzimmer, wo sie auch Fernsehen schaue. Es gebe dort auch eine Klappcouch für Besucher. Der Zeuge schlafe im Schlafzimmer, wo sich ein großer Kleiderschrank befinde, den sie sich teilten. Jeder nutze eine Hälfte des Schranks. Ihr Bettzeug werde tagsüber im Schlafzimmer aufbewahrt. In ihrem Bereich der Wohnung, dem Wohnzimmer, sei dafür oder für einen Kleiderschrank kein Platz. Küche und Bad würden gemeinsam genutzt. Die Fächer des Kühlschranks seien nicht aufgeteilt, denn das sei nicht notwendig. Sie habe einen Ein-Euro-Job bei der V. und nehme dort das Mittagessen ein. Für ihr Abendbrot kaufe sie Wurst stets frisch ein. Der Zeuge und sie hätten keine gemeinsamen Konten, jeder sei für seine finanziellen Angelegenheiten selbst zuständig. Ihr Zusammenleben entspreche dem einer Wohngemeinschaft.

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Im Erörterungstermin vom 16. Februar 2012 hat die Klägerin ausgeführt, der Zeuge habe bereits in der Wohnung im P. gewohnt, als die Verhältnisse in ihrem Haus in B. unzumutbar geworden seien. Er habe ihr dann angeboten, zu ihm zu ziehen. Entgegen den Feststellungen beim Hausbesuch handele es sich bei der Couch im Wohnzimmer um eine Klappcouch. Beim Hausbesuch sei die Couch nicht untersucht worden. Sie verlasse regelmäßig morgens gegen 08:00 Uhr das Haus und kehre erst am Abend meist nach 17:00 Uhr zurück. Sie sei bei der Begegnungsstätte der V. beruflich und zusätzlich ehrenamtlich tätig und werde dort mit Essen versorgt. Der Zeuge sei von einer Ein- in eine Dreiraumwohnung gezogen, weil im Zeitpunkt seines Einzuges schon festgestanden habe, dass sie mit einziehen werde. Sie habe ihre Couch und ihre Schlafzimmermöbel in die Wohnung eingebracht. Diese nutze jetzt der Zeuge.

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Mit Beschluss vom 22. Februar 2010 hat das SG die Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

18

Im Erörterungstermin am 18. April 2013 hat der Zeuge bekundet, er habe keine Liebesbeziehung zu der Klägerin. Eine solche habe es auch in der Vergangenheit nicht gegeben. Der Einzug der Klägerin habe sich so ergeben. Er sei für ihn günstig gewesen, denn damals sei er nach einer Hüftoperation nicht mobil gewesen. Die Klägerin sei mit in den Mietvertrag aufgenommen worden. Die Miete werde von seinem Konto abgebucht. Die Klägerin zahle ihm die Hälfte der Kosten. Er habe mit ihr keine gemeinsamen Versicherungen oder ähnliches. Einkäufe würden getrennt erledigt. Er wasche seine Wäsche selber.

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Im Einverständnis der Beteiligten hat das SG ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 18. Juni 2013 entschieden und die angegriffenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Anfechtungsklage sei zulässig und begründet. Dies gelte zunächst in Ansehung der Änderungsbescheide vom 20. November 2008. Es könne dahinstehen, ob diese bereits eine wirksame teilweise Leistungsaufhebung enthielten. Der Beklagte habe jeweils ohne nähere Bezifferung des Aufhebungsbetrags seine Bewilligungen teilweise aufgehoben und lediglich auf einen Berechnungsbogen zur Änderung der Leistungshöhe verwiesen. Auch als "Änderungsbescheide" seien sie rechtswidrige belastende Verwaltungsakte. Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 3. Februar 2009 sei wegen fehlender Bestimmtheit rechtswidrig, weil nicht klar erkennbar sei, was der Beklagte geregelt habe. Es werde zu der teilweisen Rücknahmeentscheidung nur der Gesamtbetrag für den erfassten Gesamtzeitraum genannt. Der monatliche Aufhebungsbetrag sei nicht ersichtlich Dieser Mangel werde durch den Widerspruchsbescheid nicht geheilt, weil in diesem nur die monatlich verbleibenden Leistungsbeträge im streitigen Zeitraum genannt würden. Wegen der vielen Zahlen und der Art der Darstellung in den Bescheiden sei nicht davon auszugehen, dass die Klägerin die monatlichen Rücknahmebeträge selbst ermitteln könne. Mangels wirksamer Rücknahme fehle es an einer Grundlage für eine Erstattungsforderung nach § 50 SGB X. Auch in den Änderungsbescheiden vom 20. November 2008 seien die monatlichen Aufhebungsbeträge nicht genannt. Wegen der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Bescheide komme es insoweit auf das Bestehen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft mit dem Zeugen nicht an. Dies sei jedoch maßgeblich für die weitere Leistungsbewilligung in den Monaten September bis November 2008. Es könne bereits keine Wirtschaftsgemeinschaft zwischen der Klägerin und dem Zeugen festgestellt werden. Der Beklagte beschränke sich im Wesentlichen auf die Feststellungen zur Wohnsituation. Daraus lasse sich nicht auf eine Wirtschaftsgemeinschaft schließen. Die Klägerin habe glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass nicht gemeinsam gewirtschaftet werde. Dies habe der Zeuge bestätigt. Gegenteiliges habe der Beklagte nicht substantiiert behauptet. Es gebe keine Anhaltspunkte für wirtschaftliche Verflechtungen zwischen der Klägerin und dem Zeugen. Die Vorausset-zungen des Vermutungstatbestandes des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II lägen nicht vor. Zwar wohnten die Klägerin und der Zeuge mehr als einem Jahr unter einem Dach, dies sei jedoch nicht als Zusammenleben zu qualifizieren Soweit der Beklagte sich darauf berufe, die Klägerin habe in späteren Leistungsanträgen den Zeugen als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft aufgeführt habe, ergebe sich keine andere rechtliche Bewertung. Aus den Angaben im Oktober 2008 lasse sich nicht zwingend auf frühere Zeiträume (ab Juni 2005) schließen. Zudem sei zu berücksichtigen, die Klägerin weitgehend "vorbereitete" Vordrucke des Beklagten ausgefüllt habe. Als juristischer Laie habe sie offensichtlich die von dem Beklagten mitgeteilten Formulierungen bzw. seine rechtliche Bewertung "übernommen".

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Gegen das ihm am 24. Juni 2013 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 24. Juli 2013 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt: Die angegriffenen Bescheide seien hinreichend bestimmt. Maßgeblich sei, dass der Hausbesuch ergeben habe, dass es keine Trennung der Wohnbereiche der Klägerin und des Zeugen gebe.

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Der Beklagte beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 18. Juni 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie hält das Urteil des SG für zutreffend. Sie habe die Wohngemeinschaft mit dem Zeugen letztlich aus Kostengründen begründet, weil sie in B. keine kostenangemessene Wohnung für sich als Einzelperson finden können. Der Wohnungsmarkt in G. sei entspannter gewesen. Ihren Mietanteil zahle sie immer bar an den Zeugen. Sie habe den Zeugen in den Leistungs-anträgen seit 2008 nicht aus freien Stücken als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft angegeben. Sie sei gegen alle Bescheide des Beklagten, in denen von einer Bedarfsgemeinschaft mit den Zeugen ausgegangen worden sei, vorgegangen. Insoweit ruhten weitere Klageverfahren beim SG.

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Auf Nachfrage des Senats hat die Vermieterin der Klägerin unter dem 16. März 2015 ausgeführt, die Klägerin sei seit dem 15. September 2004 neben dem Zeugen als Mieterin in den Mietvertrag aufgenommen worden. Die Mieter hätten immer betont, dass sie eine Wohngemeinschaft bildeten. Auf Anforderung hat die Sparkasse Umsatzlisten für das Girokonto der Klägerin ab dem Jahr 2005 übersandt.

27

Im Erörterungstermin am 18. Dezember 2015 hat die Klägerin erklärt, sie arbeite weiterhin gegen eine geringe Aufwandsentschädigung bei der V. und halte sich dort fast täglich auf. Sie besuche ab und zu ihre Kinder. Der Zeuge habe einen Garten, aber da arbeite sie nicht mit. Den Haushaltsstrom bezahle der Zeuge alleine. Seit November 2008 habe sie ihren Mietanteil nicht mehr zahlen können. Sie zahle seither nur noch die bewilligten Leistungen für die KdU. Sie beabsichtige, nach Renteneintritt wieder nach B. zu ziehen.

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Die Klägerin bezieht weiterhin SGB II-Leistungen. Der Beklagte geht von einer Bedarfsgemeinschaft aus und gewährt – nach Anrechnung des Renteneinkommens des Zeugen – ergänzende KdU-Leistungen für sie und den Zeugen.

29

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben durch die Vernehmung des Zeugen. Wegen der Einzelheiten seiner Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

30

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen. Die genannten Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die form- und fristgerechte eingelegte Berufung ist zulässig. Die Berufungswertgrenze von 750 EUR ist überschritten (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG), da eine Erstattungsforderung von 8.105,70 EUR im Streit steht.

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Streitgegenständlich ist das Urteil des SG, in dem es die Änderungsbescheide des Beklagten vom 20. November 2008 und der Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 3. Februar 2009, alle in der Fassung der Änderungsbescheide vom 2. Juni 2009 und in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25. und 26. Juni 2009, aufgehoben worden sind. Dadurch ist es für die Klägerin bei den ursprünglichen Leistungsbewilligungen für den streitigen Gesamtzeitraum vom 1. Juni 2005 bis zum 30. November 2008 geblieben. Ein höherer Leistungsanspruch der Klägerin war und ist nicht Gegenstand des Verfahrens, denn diese hat sich im Wege der Anfechtungsklage allein gegen die teilweise Aufhebung der bestandskräftigen Leistungsbewilligung gewehrt.

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Die Berufung des Beklagten ist unbegründet, weil die Voraussetzungen für die verfügten Änderungen und teilweisen Aufhebungen der ursprünglichen Leistungsbewilligung sowie eine Erstattungsforderung nicht vorliegen. Dementsprechend sind die angefochtenen Bescheide rechtswidrig; das SG hat sie zu Recht aufgehoben.

34

Prüfungsmaßstab für die vom Beklagten erlassenen "Änderungsbescheide", die jeweils eine teilweise Aufhebung der vorherigen Leistungsbewilligung enthalten, und den Rücknahmebescheid ist § 40 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) und § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 sowie Abs. 4 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit er von Anfang an rechtswidrig begünstigend ist. Voraussetzung ist weiter, dass der Begünstigte sich nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen kann, weil der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat oder weil er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.

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Die angefochtenen Bescheide sind im Ergebnis formell rechtmäßig. Zwar ist eine den Anforderungen des § 24 Abs. 1 SGB X entsprechende Anhörung der Klägerin nicht erfolgt, denn das Schreiben vom 21. November 2008, mit dem ihr eine zumindest grob fahrlässige Verletzung der Pflicht zur Angabe von Änderungen in den leistungserheblichen Tatsachen nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X vorgeworfen wurde, ist erst nach Erlass der Änderungsbescheide vom 20. November 2008 versandt worden. Das darin vom Beklagten angeführte sog. Anhörungsschreiben vom 14. August 2008 enthielt jedoch lediglich eine Aufforderung zur Mitwirkung u.a. durch Vorlage von Einkommensbelegen des Zeugen im Hinblick auf ein nach Durchführung des Hausbesuchs vermutetes Vorliegen einer Einstandsgemeinschaft. Diesem Schreiben, das eine Überprüfung des Leistungsanspruchs in Aussicht stellte, lassen sich weder die konkret beabsichtigte Regelung (Eingriff) noch hinreichende Informationen über die den bevorstehenden Eingriff tragenden Haupttatsachen (wie: falsche oder unzureichende Angabe der Tatsachen zur aktuellen Wohn- und Lebenssituation und dem persönlichen Verhältnis zum Zeugen) entnehmen. Daher war der Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 3. Februar 2009 im Zeitpunkt seines Erlasses formell rechtswidrig.

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Indes ist der Anhörungsmangel durch eine Nachholung im Sinne von § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt worden. Zum einen enthielt der Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 3. Februar 2009, der auf die grundsätzlich in Betracht kommende zutreffende Ermächtigungsgrundlage (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X) gestützt ist, die wesentlichen Tatsachen, auf die es nach der Rechtsansicht des Beklagten für den Verfügungssatz objektiv ankam (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011, Az.: B 13 R 9/11 R, juris RN 14); insbesondere ist der Verschuldensvorwurf genannt worden: Die Klägerin habe in ihrem Leistungsantrag zumindest grob fahrlässig falsche und unvollständige Angaben (zum Zusammenleben mit dem Zeugen) gemacht. Es sei ihr bekannt gewesen, dass die Bewilligung rechtwidrig gewesen sei. Auf dieser Grundlage war die Klägerin in der Lage, sich im Widerspruchsverfahren sachgerecht zu den entscheidungserheblichen Tatsachen bzw. zum vorgeworfenen Verhalten äußern. Insoweit ersetzt das mit dem Widerspruchsbescheid des Beklagten endende Vorverfahren die förmliche Anhörung.

37

Indes sind die angegriffenen Bescheide – auch in der Fassung, die sie durch die Änderungs-bescheide und die Widerspruchsbescheide erhalten haben – schon deshalb rechtswidrig, weil sie den gesetzlichen Anforderungen an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten nicht genügen. Als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung verlangt das Bestimmtheitserfordernis des § 33 Abs. 1 SGB X, dass der Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist. Dies bezieht sich sowohl auf den Verfügungssatz als auch auf den Adressaten. Der Betroffenen muss bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände in die Lage versetzt werden, die in dem Bescheid getroffene Rechtsfolge vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten (vgl. BSG, Urteil vom 10. September 2013, Az.: B 4 AS 89/12 R, juris RN 15). Ausreichende Klarheit kann auch dann bestehen, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsaktes, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2012, Az.: B 14 AS 6/12 R, juris; BSG, Urteil vom 29. November 2012, Az.: B 14 AS 196/11 R, juris RN 16). Die Grenze der zumutbaren Auslegung ist nach der Rechtsprechung des BSG jedoch erreicht, wenn es dem Adressaten eines Bescheids überlassen bleibt, Gegenstand, Inhalt, Zeitpunkt und Umfang der Aufhebung zu bestimmen, weil dies den Kernbereich der dem Leistungsträger obliegenden Entscheidung betrifft (vgl. BSG, a.a.O.).

38

Allein aus dem Rücknahmebescheid vom 3. Februar 2009 sind die Einzelregelungen für die streitgegenständlichen Monate nicht erkennbar, weil die monatlichen Teilaufhebungen nicht beziffert sind und nur die Erstattungsforderung für den Gesamtzeitraum genannt wird. Die Grenze des der Klägerin zumutbaren Rückgriffs auf andere Unterlagen, um die in den angegriffenen Bescheiden getroffene Regelung eindeutig zu erkennen, ist im vorliegenden Fall nach der Auffassung des Senats aufgrund einer Summierung besonderer Umstände überschritten:

39

Zwar wird im Rücknahmebescheid auf "den" Änderungsbescheid Bezug genommen, aber diese Verweisung ist nicht eindeutig. Denn weder ist das Erlassdatum des Änderungsbescheids genannt noch ist nach der Formulierung eindeutig erkennbar, dass alle (sechs) Änderungsbescheide vom 20. August 2008 gemeint sein sollen. Darüber hinaus ergeben sich auch aus diesen Änderungsbescheiden die monatlichen Aufhebungsbeträge nicht. Dafür hätte die Klägerin die ursprünglichen Bewilligungsbescheide sowie die dazu erlassenen Änderungsbescheide, die ihrerseits weder in den Änderungsbescheiden vom 20. August 2008 noch im Rücknahmebescheid vom 3. Februar 2009 vollständig mit den Daten ihres Erlasses bezeichnet sind, hinzunehmen müssen. Sodann hätte eine einfache Rechenoperation (ursprüngliche Bewilligung abzüglich des verbleibenden Leistungsbetrags gemäß Änderungsbescheid vom 20. August 2008) den monatlichen Aufhebungsbetrag ergeben (vgl. fünfte Spalte der Tabelle auf Seite 3).

40

Diese Operation ist 42 mal für die sechs streitigen Regelbewilligungszeiträume durchzuführen. An ihrem Ende stehen 42 Teilaufhebungsbeträge, die indes in ihrer Addition nicht die Erstattungsforderung des Beklagten ergeben, was die Nachvollziehbarkeit der getroffenen Regelung zusätzlich erschwert. Denn der Beklagte hat im angegriffenen Rücknahmebescheid offensichtlich eine "Querverrechnung" der Erstattungsforderung mit denjenigen Leistungen vorgenommen, die er in dem Bescheid erstmalig für den Zeugen bewilligt hat. Er hat dies jedoch im Bescheid nicht erwähnt oder erläutert. Daneben ist die atypische und für die Regelungsklarheit nicht förderliche Bescheidkonstellation zu berücksichtigen. In den so bezeichneten (sechs) "Änderungsbescheiden" für die einzelnen Bewilligungszeiträume hat der Beklagte nicht nur die Leistungen für die Klägerin in geringerer Höhe festgesetzt, sondern auch Leistungen an den Zeugen geregelt, der bis dahin keine SGB II-Leistungen bezogen hatte. Eine Gegenüberstellung von bisheriger und neuer Leistungshöhe ist nicht erfolgt. Erst auf der zweiten Seite der "Änderungsbescheide" – und nicht im Zusammenhang mit der Neuregelung der Leistungshöhe – befindet sich die weitere maßgebliche, aber ebenfalls nicht erläuterte Regelung: "Der Bescheid über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wird deshalb teilweise aufgehoben." Der (eine) insoweit maßgebliche Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 3. Februar 2009 ist von dem Beklagten erst rund zwei Monate später und nicht mehr in einem engen zeitlichen Zusammenhang erlassen worden.

41

Daher trifft es dem Grunde nach zwar zu, wenn der Beklagte ausführt, für jeden einzelnen Monat des Aufhebungszeitraums sei der jeweilige Rücknahmebetrag mit einer einfachen Rechenoperation ermittelbar. Jedoch erschweren die vorgenannten Umstände, die Länge des streitbefangenen Zeitraums und die dadurch vorgegebene Zahl der notwendigen Rechenoperationen im Zusammenhang mit der unklaren Bescheidlage die der Klägerin abverlangten Überlegungen und Berechnungen derart, dass sie ihr im Ergebnis nicht mehr zuzumuten sind. Für den Senat ist nicht feststellbar, dass die Klägerin danach in der Lage war, die getroffene Regelung bzw. die damit verbundenen Rechtsfolge vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen und ihr Verhalten daran auszurichten. Die vom SG angenommene Rechtwidrigkeit der Bescheide wegen mangelnder Bestimmtheit im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.

42

Darüber hinaus liegen auch die objektiven Voraussetzungen von § 45 SGB X nicht vor. Denn die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts nach der genannten Vorschrift setzt nach deren systematischen Stellung im Gefüge der §§ 44 ff. SGB X voraus, dass eine ursprüngliche Rechtswidrigkeit vorlag, der Verwaltungsakt also bereits im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war (ständige Rspr, vgl. nur BSG, Urteil vom 25. Juni 2015, Az.: B 14 AS 30/14 R, juris RN 15). Die ursprünglichen Bewilligungsbescheide für den streitbefangenen Gesamtzeitraum vom 1. Juni 2005 bis zum 30. November 2008 müssten von Anfang an teilweise rechtswidrig gewesen sein.

43

Zu Recht hat das SG entschieden, dass die Beklagte nicht berechtigt war, die Leistungsbewilligungen rückwirkend für den vorgenannten Zeitraum teilweise aufzuheben und die überzahlten Leistungen zurückzufordern, weil die Bewilligungen für den Zeitraum ab 1. Juni 2005 nicht teilweise rechtswidrig waren. Der Beklagte hat zur Begründung der Rücknahme ausgeführt, dass die Klägerin einen geringeren Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gehabt habe, weil mit dem Zeugen eine Einstehensgemeinschaft bestehe. Sie habe mit ihm eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II gebildet. Die Klägerin könne sich nicht auf Vertrauen berufen, da ihr die näheren Umstände ihres Zusammenlebens bekannt gewesen seien und sie bei der Leistungsantragstellung zumindest grob fahrlässig falsche und unvollständige Angaben gemacht habe.

44

Die Begründung trägt indes nicht die Rücknahme der Leistungsbewilligung, weil es an einer entscheidenden Voraussetzung für eine solche Aufhebung fehlt. Notwendig ist das Bestehen einer Partnerschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft. Die Feststellungen des Beklagten im Verwaltungsverfahren reichen hierzu nicht aus. Auch im Berufungsverfahren hat sich eine Partnerschaft und mithin eine Bedarfsgemeinschaft zwischen der Klägerin und dem Zeugen nicht feststellen lassen.

45

Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Berechtigt, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erhalten, sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben bzw. in der seitdem 1. Januar 2008 geltenden Fassung, die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfsbedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eignen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderlich Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

46

Die Klägerin ist im streitigen Zeitraum im passenden Alter und erwerbsfähig gewesen und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Die Klägerin ist auch hilfsbedürftig gewesen und hat daher dem Grunde nach einen Leistungsanspruch nach dem SGB II. Dieser hätte nur dann nicht im ursprünglich bewilligten Umfang bestanden, wenn die Klägerin und der Zeuge im streitigen Zeitraum eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 SGB II bildeten und daher bei der Berechnung ihres Leistungsanspruchs das Einkommen des Zeugen zu berücksichtigen gewesen wäre. Dann wäre die Leistungsgewährung an die Klägerin als alleinstehende Person, die in einer Wohngemeinschaft lebt, unzutreffend und der Höhe nach teilweise rechtswidrig gewesen.

47

Denn gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen auch Personen, die mit erwerbs-fähigen hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Zur Bedarfsgemeinschaft im vorgenannten Sinne gehören der erwerbsfähige Hilfebedürftige und u.a. als Partner der erwerbsfähige Hilfebedürftige die Person, die mit ihm in eheähnlicher Gemeinschaft lebt (§ 7 Abs. 3 Nr. 3b SGB II in der maßgeblichen Fassung des Kommunalen Optionsgesetz vom 30. Juli 2004, BGBl I S. 2014). Diese Regelung wurde durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706) neu gestaltet, indem in Abs. 3 Nr. 3c die Rechtsfigur der eheähnlichen Gemeinschaft zugunsten einer Einstands-gemeinschaft aufgegeben wurde. Danach gehört als Partner des erwerbsfähigen Leistungs-berechtigten zur Bedarfsgemeinschaft eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammen lebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Zusätzlich wurde eine Vermutungsregelung in § 7 Abs. 3a SGB II neu eingefügt. Danach wird eine wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben, mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

48

Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23. August 2012, Az.: B 4 AS 34/12 R, juris) liegt eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft nur vor, wenn kumulativ die folgenden Voraussetzungen gegeben sind: Es muss sich 1. um Partner handeln, die 2. in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft leben (objektive Voraussetzungen) und zwar 3. so, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (subjektive Voraussetzung). Für das "Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt" im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II müssen zwei Elemente zusammenkommen, nämlich das Zusammenleben und kumulativ das Wirtschaften aus einem Topf (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 2009, Az.: B 14 AS 6/08 R, juris RN 15; BSG, Urteil vom 19. Februar 2009, Az.: B 4 AS 68/07 R, juris RN 3; BSG, Urteil vom 18. Februar 2010, Az.: B 4 AS 5/09 R, juris RN 15; BSG, Urteil vom 18. Februar 2010, Az.: B 14 AS 32/08 R, juris RN 16). Eine – über eine reine Wohngemeinschaft hinausgehende – Wirtschaftsgemeinschaft ist gegeben, wenn der (eine) Haushalt von beiden Partnern geführt wird und die damit verbundenen Kosten des Haushalts gemeinschaftlich durch beide Partner bestritten werden, wobei es nicht zwingend nicht auf gleichwertige Beiträge ankommt; ausreichend ist eine Absprache zwischen den Partner, wie sie diese zum Wohl des partnerschaftlichen Zusammenlebens untereinander aufteilen.

49

Hierzu mangelt es an Feststellungen des Beklagten. Er hat beim Hausbesuch ein "Zusammenwohnen" festgestellt, aber nicht zwischen einer Wohngemeinschaft und einem "Zusammenleben" im oben ausgeführten Sinne differenziert. Zudem fehlen Feststellungen zum erforderlichen gemeinsamen Wirtschaften. Der Beklagte hat über das langjährige gemeinsame Bewohnen einer Wohnung hinaus keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt und für das Vorliegen einer Partnerschaft zwischen der Klägerin und dem Zeugen aufgezeigt. Denn unter "Zusammenleben" in einer Wohnung ist mehr als ein bloßes "Zusammenwohnen", wie es bei Wohngemeinschaften der Regelfall ist, zu verstehen (vgl. BSG, a.a.O., RN 22). Zum Zusammenleben in einer Wohnung bedarf es eines gemeinsamen Wirtschaftens, das über eine gemeinsame Nutzung von Bad, Küche und ggf. weiterer Gemeinschafträume hinausgeht. Eine Wirtschaftsgemeinschaft ist auch dann noch nicht anzunehmen, wenn – wie bei Wohngemeinschaften häufig – ein gemeinsamer Einkauf von Grundnahrungsmitteln, Reinigungs- und Sanitärartikeln aus einer von allen Mitbewohnern zu gleichen Teilen angesparten Gemeinschaftskasse finanziert wird. Entscheidend ist vielmehr, dass der Haushalt von beiden Partnern geführt wird, wobei die Beteiligung an der Haushaltsführung von der jeweiligen wirtschaftlichen und körperlichen Leistungsfähigkeit der Partner abhängig ist. Maßgeblich ist eine Absprache zwischen den Partner, wie die Haushaltsführung zum Wohle des partnerschaftlichen Zusammenlebens untereinander aufgeteilt wird.

50

Zu all dem gibt es keine Feststellungen des Beklagten. Er hat aus den Befunden beim Hausbesuch auf das Bestehen einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft geschlossen, ohne dies durch tragfähige Indizien zu belegen. Die von ihm beim Hausbesuch festgestellten Tatsachen, wie das mit Bettzeug für zwei Personen versehene Doppelbett im Schlafzimmer, die gemeinsame Nutzung eines viertürigen Kleiderschranks, die fehlende Trennung von Lebensmitteln im Kühlschrank bzw. Hygieneartikeln im Bad, belegen zunächst lediglich eine Wohngemeinschaft. Der Befund könnte auf eine Wirtschaftsgemeinschaft (und darüberhinausgehende Partnerschaft) zwischen der Klägerin und dem Zeugen hindeuten; dieser Schluss ist jedoch nicht zwingend.

51

Im Kern betreffen die Feststellungen des Beklagten, die er als Grundlage für die Annahme einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft anführt, nur das gemeinsame Wohnen von Klägerin und Zeugen. Er hat die weiteren erforderlichen Kriterien für das Vorliegen einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft nicht überprüft. Erkenntnisse zur Art des Zusammenlebens der Klägerin und des Zeugen, zu einer gegenseitigen finanziellen Unter-stützung oder zum gemeinsamen Wirtschaften fehlen. Soweit die Feststellungen beim Hausbesuch auf eine Verbindung hindeuten, die über eine Wohngemeinschaft hinausgehen könnte, sind sie nicht weiter untermauert, sondern das Bestehen einer Partnerschaft schlicht unterstellt worden. Die aus den Feststellungen beim Hausbesuch gezogenen Schlüsse auf eine Einstehensgemeinschaft sind durch die nachvollziehbaren Erläuterungen der Klägerin im sozialgerichtlichen Verfahren sowie in der mündlichen Verhandlung des Senats entkräftet worden. Die Angaben der Klägerin zur gemeinsamen Nutzung der Wohnung, aber im Übrigen getrennten Lebensführung, sind schlüssig und nicht zu widerlegen. Es ist möglich, dass ihr das Wohnzimmer als individueller Wohnbereich zugewiesen ist, und sie dort auch nächtigt. Ebenso ist gut denkbar, dass die Klägerin einen Teil ihrer Kleidung im Kleiderschrank in dem vom Zeugen (als dessen Wohnbereich) genutzten Schlafzimmer aufbewahrt und daraus im alltäglichen Zusammenwohnen keine Probleme resultieren. Entsprechendes gilt für ihre weiteren Angaben, es werde getrennt gewirtschaftet, es erfolge keine gemeinsame Einnahme von Mahlzeiten, es werde nicht zusammen gekocht, jeder beschaffe seine Lebensmittel eigenständig, auch die Wäsche werde getrennt gewaschen. Diese Angaben hat der Zeuge bestätigt und zudem zur Überzeugung des Senats deutlich gemacht, dass ihm nicht an einer Zweisamkeit im Sinne einer gemeinsamen Lebensführung mit der Klägerin gelegen ist.

52

Das Bestehen von wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen der Klägerin und dem Zeugen, die über ihre Beteiligung an den Unterkunftskosten hinausgehen, hat der Beklagte nicht substantiiert behauptet oder in den angegriffenen Bescheiden dargelegt. Entsprechendes ergibt sich weder aus seinen Verwaltungsakten noch aus den gerichtlichen Ermittlungen oder den Angaben des Zeugen bei dessen Vernehmung in der mündlichen Verhandlung des Senats.

53

Der Zeuge und die Klägerin unterhalten eigene Girokonten. Aus den vorliegenden Umsatzübersichten des Girokontos der Klägerin sind keine Besonderheiten erkennbar. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass über ihr Konto Zahlungsverkehr für den Zeugen abwickelt würde. Vielmehr ist es offensichtlich so, dass sie unmittelbar nach Eingang der SGB II-Leistungen zum Monatsende bzw. Monatsbeginn einen größeren Barbetrag, der jeweils über 200 EUR liegt, vom Konto abhebt. Damit konnte sie ihren Mietanteil – wie behauptet – bar an den Zeugen zahlen. Nach den übereinstimmenden Angaben der Klägerin und des Zeugen wird die Miete regelmäßig von seinem Girokonto abgebucht. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Klägerin und der Zeuge gegenseitig als Begünstigte bei etwaigen Lebensversicherungen o.ä. eingesetzt hätten. Es gibt keine tatsächlichen Anhaltspunkte für ein gemeinsames Wirtschaften. Die Klägerin und der Zeuge bestreiten ein "Wirtschaften auf einem Topf". Dies ist für den streitbefangenen Zeitraum nicht zu widerlegen.

54

Nach den Angaben der Klägerin erfolgt eine getrennte Freizeitgestaltung. Sie beteiligt sich nicht an der Bewirtschaftung des (Pacht-)Gartens des Zeugen und nutzt diesen nicht. Sie hat bekundet, sich täglich regelmäßig – auch über den zeitlichen Umfang der Arbeitsgelegenheit hinaus – in der Begegnungsstätte der V. aufzuhalten. Der Zeuge hat in der mündlichen Verhandlung des Senats glaubhaft erklärt, dass er nur wenige soziale Kontakte habe und die Begegnungsstätte nicht besuche.

55

Bei der Bewertung der Erkenntnisse aus dem Hausbesuch im Juli 2008 ist zudem zu beachten, dass diese zunächst nur die tatsächlichen Verhältnisse im Besuchszeitpunkt abbilden und nur eine eingeschränkte Aussagekraft für Zeiträume der Vergangenheit besitzen; dies gilt umso mehr, je weiter diese zurückliegen. Insoweit könnten sich die tatsächlichen Verhältnisse verändert haben. Insoweit ist entgegen der Auffassung des Beklagten der Umstand, dass die Klägerin im Weiterbewilligungsantrag vom 21. Oktober 2008 den Zeugen als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft angegeben hat, kein Indiz für das tatsächliche Bestehen einer Lebens- und Einstehensgemeinschaft im Zeitraum von Juni 2005 bis Juni 2008. Offensichtlich ist diese Angabe auf Veranlassung des Beklagten erfolgt. Denn die Klägerin hat die nachfolgenden Bewilligungsbescheide, mit denen ihr SGB II-Leistungen – unter Anrechnung des Renteneinkommens des Zeugen – bewilligt wurden, jeweils im Rechtsbehelfsverfahren angegriffen.

56

Ein über das eingeräumte Zusammenwohnen hinausgehendes Zusammenleben der Klägerin und des Zeugen im beschriebenen Sinne kann für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht festgestellt werden. Damit liegen die Voraussetzungen der Vermutungsregelung in § 7 Abs. 3a SGB II für eine Partnerschaft nicht vor. Daher kann das Bestehen einer Einstehens-gemeinschaft nicht unterstellt werden. Insoweit trägt der Beklagte, der ursprünglich Leistungen ohne Annahme einer Bedarfsgemeinschaft bewilligt hatte, die Beweislast für das Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II. Hinzu kommt, dass es in der gegebenen Rücknahmekonstellation des § 45 SGB X ohnedies Aufgabe der Behörde ist, die Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Bewilligungsbescheide bzw. die Fehlerhaftigkeit der ursprünglichen Tatsachenannahme (nur Wohngemeinschaft) zu beweisen (vgl. Schütze in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 45 RN 29 mit weiteren Nachweisen). Indes ist aufgrund der objektiven Gegebenheiten eine Beweiswürdigung, die zur Annahme einer Partnerschaft führt, nicht möglich.

57

Da sich der Beklagte auf die ursprüngliche Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligungen beruft, geht die Unerweislichkeit seiner Annahme des Bestehens einer über die eingeräumte Wohngemeinschaft hinausgehende Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft zwischen der Klägerin und dem Zeugen zu seinen Lasten. Denn über den Hausbesuch hinaus hat der Beklagte keine Ermittlungen angestellt und insbesondere den Zeugen als mutmaßlichen Partner der Klägerin auch nicht befragt. Es kann dahinstehen, ob in einer solchen Situation überhaupt weitergehende Ermittlungen des Senats geboten waren. Jedenfalls haben die vom Senat unternommenen weiteren Aufklärungsversuche keinen Nachweis für eine Einstehensgemeinschaft erbracht: Die Bewegungen auf dem Girokonto der Klägerin ergaben keine Hinweise auf wirtschaftlichen Verflechtungen mit dem Zeugen. Die Befragung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Senats ergab keine Hinweise auf das Bestehen einer Partnerschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II; aus den Bekundungen des Zeugen ist vielmehr deutlich geworden, dass er es zwar schätzt, dass eine weitere Person mit in der Wohnung lebt, er aber sein Leben eigenständig führt und – unabhängig von seiner Mitbewohnerin – seinen Interessen nachgeht.

58

Abgesehen vom Vorstehenden ist nach der Einschätzung des Senats das Bestehen einer Einstandsgemeinschaft nicht überwiegend wahrscheinlich. Angesichts des Umstands, dass die Klägerin bereits im ersten Leistungsantrag das Bestehen einer Wohngemeinschaft offen gelegt hat, erscheinen die sich aus dem Hausbesuch 2008 ergebenen Indizien zu schwach, um vom Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft auszugehen.

59

Da der Senat nicht zu der Überzeugung gelangt ist, dass im streitbefangenen Zeitraum von Juni 2005 bis November 2008 eine Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft zwischen der Klägerin und dem Zeugen vorlag, waren die ursprünglichen Leistungsbewilligungen an die Klägerin nicht rechtwidrig. Denn zur Beurteilung des Hilfebedarfs der Klägerin kam es allein auf ihr Einkommen und Vermögen und nicht auf dasjenige des Zeugen an, weil keine Bedarfsgemeinschaft bestand.

60

Die insoweit rechtmäßigen begünstigenden Bewilligungsbescheide konnten daher nicht nach § 45 SGBX zurückgenommen werden; die angegriffenen Bescheide des Beklagten waren aufzuheben. Die Berufung des Beklagten war zurückzuweisen.

61

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

62

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfall-entscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage.


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(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass1.rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 19 Bürgergeld und Leistungen für Bildung und Teilhabe


(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten Bürgergeld. Nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten Bürgergeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 24 Anhörung Beteiligter


(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. (2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn 1. eine sof

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 60 Angabe von Tatsachen


(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat 1. alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen,2. Änderungen

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 8 Erwerbsfähigkeit


(1) Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. (2) Im Sinne von Absatz 1 kön

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 33 Bestimmtheit und Form des Verwaltungsaktes


(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein. (2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, w

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 330 Sonderregelungen für die Aufhebung von Verwaltungsakten


(1) Liegen die in § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil er auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes für nichtig

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 41 Heilung von Verfahrens- und Formfehlern


(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn 1. der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird,2. die erforderliche Be

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(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat

1.
alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen,
2.
Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen,
3.
Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.
Satz 1 gilt entsprechend für denjenigen, der Leistungen zu erstatten hat.

(2) Soweit für die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Angaben Vordrucke vorgesehen sind, sollen diese benutzt werden.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

(2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend.

(2a) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes, auf Grund dessen Leistungen zur Förderung von Einrichtungen oder ähnliche Leistungen erbracht worden sind, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Satz 1 verlangt werden; Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind; § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(3) Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.

(4) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. § 52 bleibt unberührt.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten bei Berichtigungen nach § 38 entsprechend.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

(2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend.

(2a) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes, auf Grund dessen Leistungen zur Förderung von Einrichtungen oder ähnliche Leistungen erbracht worden sind, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Satz 1 verlangt werden; Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind; § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(3) Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.

(4) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. § 52 bleibt unberührt.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten bei Berichtigungen nach § 38 entsprechend.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

(1) Liegen die in § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil er auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt oder in ständiger Rechtsprechung anders als durch die Agentur für Arbeit ausgelegt worden ist, so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen.

(2) Liegen die in § 45 Abs. 2 Satz 3 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vor, ist dieser auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

(3) Liegen die in § 48 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vor, ist dieser mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben. Abweichend von § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches ist mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an ein Verwaltungsakt auch aufzuheben, soweit sich das Bemessungsentgelt auf Grund einer Absenkung nach § 200 Abs. 3 zu Ungunsten der Betroffenen oder des Betroffenen ändert.

(4) Liegen die Voraussetzungen für die Rücknahme eines Verwaltungsaktes vor, mit dem ein Anspruch auf Erstattung des Arbeitslosengeldes durch Arbeitgeber geltend gemacht wird, ist dieser mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

(5) (weggefallen)

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn

1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint,
2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde,
3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll,
4.
Allgemeinverfügungen oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl erlassen werden sollen,
5.
einkommensabhängige Leistungen den geänderten Verhältnissen angepasst werden sollen,
6.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen oder
7.
gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als 70 Euro aufgerechnet oder verrechnet werden soll; Nummer 5 bleibt unberührt.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird,
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird,
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird,
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird,
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird,
6.
die erforderliche Hinzuziehung eines Beteiligten nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 können bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 15. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der dem Kläger seit August 2007 vorzeitig gewährten Altersrente wegen Arbeitslosigkeit streitig.

2

Der am 1947 geborene Kläger bezog vom 1.8.1996 bis 30.6.1998 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU). Die Beklagte ermittelte für diese Rente 56,3265 Entgeltpunkte (EP). Abzüglich von 3,1838 EP aufgrund eines durchgeführten Versorgungsausgleichs ergaben sich - nach Multiplikation mit dem Zugangsfaktor 1,0 - 53,1427 persönliche EP (Bescheide vom 19.3.1997, 7.1.1998 und 24.2.1998). Nach Auslaufen der Rente war der Kläger wieder versicherungspflichtig beschäftigt und im Anschluss daran arbeitslos.

3

Im Oktober 2007 beantragte er Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab August 2007, die die Beklagte mit Bescheid vom 30.10.2007 bewilligte. Insgesamt ermittelte sie für diese Rente 60,0784 EP. Abzüglich von 3,1838 EP für den durchgeführten Versorgungsausgleich ergaben sich 56,8946 EP. Der Rentenberechnung legte die Beklagte 56,3265 persönliche EP unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,0 zu Grunde, da diese bereits Grundlage der bis Juni 1998 bezogenen Rente wegen BU gewesen seien. Weitere 0,5681 EP multiplizierte sie wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente um 54 Monate mit einem entsprechend geminderten Zugangsfaktor von 0,838, sodass sich (gerundet) 0,4761 persönliche EP errechneten. Die Summe der persönlichen EP von 56,8026 (= 56,3265 EP + 0,4761 EP) multipliziert mit dem aktuellen Rentenwert von 26,27 Euro ergaben ab Dezember 2007 einen monatlichen Bruttorentenbetrag von 1492,20 Euro, entsprechend einem monatlichen Nettozahlbetrag nach Abzug der Beiträge bzw Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 1353,43 Euro, und für die Zeit von August bis November 2007 einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 5413,72 Euro.

4

Bereits zwei Tage später nahm die Beklagte diese Rentenbewilligung hinsichtlich der festgestellten Höhe mit Bescheid vom 1.11.2007 gestützt auf § 45 SGB X rückwirkend ab August 2007 zurück. Der Bescheid vom 30.10.2007 sei von Anfang an rechtswidrig gewesen. Fälschlicherweise seien die EP, die bereits Grundlage der Rente wegen BU gewesen seien, bei der Berechnung der Altersrente voll berücksichtigt worden. Die Rücknahme des Bescheids sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft sei zulässig, weil sich der Kläger nicht auf Vertrauen in den Bestand des Bescheids vom 30.10.2007 berufen könne. Die ihr bekannten Umstände, die einer Rücknahme entgegenstehen könnten, seien bei der Prüfung des Vertrauensschutzes und bei der Ausübung des Ermessens beachtet worden. Diese seien jedoch nicht geeignet, von der Bescheidrücknahme abzusehen. Wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente seien alle dem Kläger (nach dem durchgeführten Versorgungsausgleich) zustehenden 56,8946 EP (= 56,3265 EP + 0,5681 EP) - also auch die EP, die bereits als persönliche EP der Rente wegen BU zu Grunde lagen - nur unter Berücksichtigung des reduzierten Zugangsfaktors von 0,838 heranzuziehen. Ausgehend von den sich danach ergebenden 47,6777 persönlichen EP (= 56,8946 EP x 0,838) ergab sich nach Multiplikation mit dem aktuellen Rentenwert von 26,27 Euro ab Dezember 2007 ein monatlicher Bruttorentenbetrag von 1252,49 Euro, entsprechend einem monatlichen Nettozahlbetrag von 1136,02 Euro. Die Nachzahlung für die Zeit von August bis November 2007 reduzierte sich auf 4544,08 Euro.

5

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8.9.2009 im Wesentlichen aus den Gründen des angefochtenen Bescheids zurück. Zum Zeitpunkt der Bescheidrücknahme seien noch keine Rentenleistungen gezahlt worden, sodass ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers nicht habe entstehen können. Gesichtspunkte, die im Rahmen des Ermessens für eine Begrenzung der Rücknahme sprechen könnten, seien nicht ersichtlich. Dies gelte umso mehr, als die Rücknahme keine unzumutbare wirtschaftliche Härtesituation bewirke. Zusammen mit der bewilligten Rente und der Rentenabschlagsausgleichszahlung aus der Seemannskasse seien ausreichend Einkünfte zur Sicherung des Lebensunterhalts vorhanden.

6

Die Klage hat das SG abgewiesen (Urteil vom 28.5.2010). Das LSG hat die vom Kläger eingelegte Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 15.12.2010). Die Beklagte sei nach Maßgabe des § 45 SGB X zur Teilrücknahme der Rentenbewilligung im Bescheid vom 30.10.2007 unter Heranziehung des reduzierten Zugangsfaktors von 0,838 für alle EP berechtigt gewesen, weil dieser Bescheid rechtsfehlerhaft 56,3265 EP mit einem Zugangsfaktor von 1,0 multipliziert habe und sich der Kläger gegenüber der damit korrespondierenden Teilrücknahme nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen könne. Die Beklagte habe das ihr durch § 45 SGB X eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Der Kläger könne sich für die 56,3265 EP nicht auf die Ausnahmevorschrift des § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI berufen, wonach für diejenigen EP, die bereits Grundlage von persönlichen EP einer früheren Rente gewesen seien, der frühere Zugangsfaktor maßgebend bleibe. Zwar könnte man dem Wortlaut des § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI, der eigentlich gewährleisten solle, dass die über den Zugangsfaktor gesteuerten Rentenabschläge auch für alle Folgerenten gelten sollten, einen Bestandsschutz für den Zugangsfaktor 1,0 für diejenigen persönlichen EP, die der BU-Rente des Klägers zu Grunde lagen, auch bei der Berechnung der Altersrente entnehmen. Dies widerspräche jedoch der entsprechend heranzuziehenden Regelung des § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI, die für vergleichbare Fälle den Vertrauensschutz nur dann auf Folgerenten erstrecke, wenn diese längstens 24 Kalendermonate nach deren Auslaufen beginne. Eine entsprechende Frist finde sich auch in der Regelung des § 306 Abs 2 SGB VI. Diese Höchstfrist sei beim Kläger längst überschritten. Die vor Erlass des Rücknahmebescheids vom 1.11.2007 durch § 24 SGB X vorgeschriebene Anhörung des Klägers sei zwar unterblieben. Durch die Nachholung der Anhörung im Widerspruchsverfahren sei dieser Verfahrensfehler jedoch gemäß § 41 Abs 1 Nr 3 SGB X geheilt.

7

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 77, 88 und 306 SGB VI. § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI erfasse EP, die bereits Grundlage einer früheren Rente gewesen seien. Hierfür bleibe nach dem Wortlaut grundsätzlich der frühere Zugangsfaktor maßgebend. Nur EP, die nach der letzten Feststellung des Rentenwerts erworben seien, würden mit einem neuen Zugangsfaktor bewertet. Weder aus den Materialien noch aus dem Wortlaut der Norm lasse sich entnehmen, dass dabei nach dem Zeitpunkt des Auslaufens der früheren Rente differenziert werden solle. Eine planwidrige Regelungslücke liege nicht vor. Eine analoge Anwendung des § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI verbiete sich. Ebenso wenig tauge der Hinweis des LSG auf § 306 Abs 2 SGB VI.

8

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 15. Dezember 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 28. Mai 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 1. November 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8. September 2009 aufzuheben.

9

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

10

Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend. Es bestehe allerdings keine planwidrige Regelungslücke, die in entsprechender Anwendung der in § 88 Abs 1 Satz 2 und § 306 Abs 2 SGB VI jeweils normierten Frist von 24 Kalendermonaten zu schließen sei. Vielmehr sei von der Notwendigkeit des nahtlosen Übergangs von der Vorrente zur Altersrente auszugehen. Zwar bleibe gemäß § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI für EP, die bereits Grundlage von persönlichen EP einer früheren Rente gewesen seien, der frühere Zugangsfaktor grundsätzlich maßgeblich. Dies gelte aber beim Wegfall der früheren Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres nur dann, wenn die spätere Rente nahtlos an die vorherige Rente anschließe. Dies ergebe sich aus § 77 Abs 2 Satz 3 SGB VI, wonach die Zeit des Bezugs einer Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres nicht als Zeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme gelte. Für den Fall, dass die Rente wegen BU vor Vollendung des 60. Lebensjahres wegfalle und sich die Folgerente nicht nahtlos anschließe, sei der Zugangsfaktor für die Folgerente nach § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI zu bestimmen.

11

Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung im Wege eines Teilanerkenntnisses den Bescheid vom 1.11.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.9.2009 insoweit aufgehoben, als hierin der Bescheid vom 30.10.2007 für die Monate August bis November 2007 zurückgenommen wurde. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision des Klägers ist, soweit sich das Verfahren nicht durch das angenommene Anerkenntnis erledigt hat (vgl § 101 Abs 2 SGG), nicht begründet.

13

Streitig ist nach Abgabe des Teilanerkenntnisses durch die Beklagte und dessen Annahme durch den Kläger im Revisionsverfahren nur noch, ob die Beklagte berechtigt war, die mit Bescheid vom 30.10.2007 erfolgte Rentenbewilligung ab 1.12.2007 (teilweise) zurückzunehmen. Insoweit hat das LSG zu Recht entschieden, dass die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) unbegründet ist. Denn die im angefochtenen Bescheid vom 1.11.2007 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.9.2009) erfolgte Rücknahme der mit Bescheid vom 30.10.2007 erfolgten Rentenbewilligung hinsichtlich der Rentenhöhe war rechtmäßig.

14

1. Der angefochtene Bescheid ist nicht mangels der nach § 24 Abs 1 SGB X gebotenen Anhörung aufzuheben. Zwar hat die Beklagte dem Kläger nicht vor Erlass des Bescheids vom 1.11.2007 Gelegenheit gegeben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dieser Verfahrensfehler ist hier aber nach § 41 Abs 1 Nr 3 und Abs 2 SGB X durch Nachholung der unterbliebenen Anhörung im Widerspruchsverfahren geheilt worden(vgl BSG vom 14.7.1994 - SozR 3-4100 § 117 Nr 11 S 72 f; BSG vom 30.4.1997 - BSGE 80, 215, 217 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4 S 12). Der Kläger konnte aus dem Bescheid vom 1.11.2007 die entscheidungserheblichen Tatsachen für die Rücknahme des Rentenbescheids vom 30.10.2007 erkennen; denn ihm war zu entnehmen, dass die Berücksichtigung der EP, die bereits Grundlage der persönlichen EP bei der Rente wegen BU waren, mit dem damals maßgebenden Zugangsfaktor 1,0 bei der Berechnung der vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zur Rücknahme führte. Der Kläger hatte somit im Rahmen des Widerspruchsverfahrens Gelegenheit, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Davon hat er Gebrauch gemacht. Auch hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebracht, dass sie nach den ihr "bekannten Umständen" keinen Vertrauensschutz oder Ermessensgesichtspunkte zugunsten des Klägers sehe. Diese Ausführungen waren vor dem besonderen Hintergrund ausreichend, dass die Beklagte den Bescheid vom 30.10.2007 bereits zwei Tage später (also unmittelbar nach dessen Erlass) mit Bescheid vom 1.11.2007 zurückgenommen hat und der Kläger aufgrund des Bescheids vom 30.10.2007 noch keine Zahlungen erhalten hatte, die er hätte verbrauchen oder über die er hätte disponieren können. Soweit die Beklagte im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen erstmals im Widerspruchsbescheid vom 8.9.2009 ausgeführt hat, "dies gelte um so mehr", als die Rücknahme auch keine unzumutbare wirtschaftliche Härtesituation bewirke, da zusammen mit dem Rentenabschlagsausgleich aus der Seemannskasse ausreichend Einkünfte zur Sicherung des Lebensunterhalts vorhanden seien, handelt es sich - wie sich schon aus der Formulierung erschließt - um keine zuvor in einem gesonderten Anhörungsschreiben mitzuteilende, die Entscheidung tragende Tatsache.

15

2. Rechtsgrundlage für die Rücknahme der mit Bescheid vom 30.10.2007 erfolgten Rentenbewilligung durch den angefochtenen Bescheid vom 1.11.2007 ist § 45 SGB X. Gemäß Abs 1 Satz 1 dieser Bestimmung darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Da vorliegend aufgrund des angenommenen Teilanerkenntnisses nur noch die Rücknahme der Rentenbewilligung ab 1.12.2007 durch den Bescheid vom 1.11.2007 streitig ist, ist im Revisionsverfahren lediglich die Rechtmäßigkeit einer in die Zukunft gerichteten Rücknahme zu prüfen (vgl Senatsurteil vom 24.4.1997 - BSGE 80, 186, 196 f = SozR 3-7140 § 1 Nr 1 S 13 mwN).

16

3. Der Rentenbescheid vom 30.10.2007 war von Anfang an rechtswidrig. Denn dem Kläger stand kein Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in der dort festgestellten Höhe zu, da bei der Rentenberechnung rechtsfehlerhaft 56,3265 EP mit einem (ungeminderten) Zugangsfaktor von 1,0 multipliziert wurden. Richtigerweise waren auch diese EP gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente um 54 Monate nur nach Maßgabe des reduzierten Zugangsfaktors von 0,838 als persönliche EP zu berücksichtigen.

17

a) Voraussetzung für die Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ist - neben der Erfüllung versicherungsrechtlicher Voraussetzungen (§ 237 Abs 1 Nr 3 bis 5 SGB VI) - grundsätzlich, dass der Versicherte vor dem 1.1.1952 geboren ist und das 60. Lebensjahr vollendet hat (§ 237 Abs 1 Nr 1 und 2 SGB VI). Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger.

18

Nach § 237 Abs 3 iVm Anlage 19 zum SGB VI in der zu Rentenbeginn des Klägers am 1.8.2007 anzuwendenden Fassung (vgl § 300 Abs 1 und 2 SGB VI)des Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz - RVNG) vom 21.7.2004 (BGBl I 1791) wird jedoch die Altersgrenze von 60 Jahren bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit für nach dem 31.12.1936 geborene Versicherte angehoben, wobei die vorzeitige Inanspruchnahme (unter Inkaufnahme eines Abschlags für jeden Monat des vorzeitigen Bezugs) möglich ist.

19

Nach Anlage 19 zum SGB VI wird für im Januar 1947 geborene Versicherte - wie der Kläger - die Altersgrenze von 60 Jahren bei Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit für eine abschlagsfreie Gewährung um 60 Monate auf 65 Jahre angehoben; die vorzeitige Inanspruchnahme der Rente, die für den Kläger wegen seiner bereits vor Januar 2004 bestehenden Arbeitslosigkeit (vgl S 3 der Anlage 2 des Bescheids vom 1.11.2007) gemäß § 237 Abs 5 Satz 1 Nr 1 SGB VI in der ab 1.1.2006 geltenden Fassung des RVNG noch ab Vollendung des 60. Lebensjahres möglich war, führt zu Abzügen nach § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI. Eine abschlagsfreie Inanspruchnahme der Altersrente wäre für den Kläger nach § 237 Abs 3 iVm Anlage 19 zum SGB VI erst ab 1.2.2012 möglich gewesen. Tatsächlich hat er sie aber bereits zum 1.8.2007 mit 60 Jahren und 6 Monaten - und damit 54 Monate vorzeitig - in Anspruch genommen.

20

Die vorzeitige Inanspruchnahme der Rente mit Absenkung des Zugangsfaktors führt zu einem geringeren Rentenbetrag. Denn der Zugangsfaktor als Berechnungselement der persönlichen EP (vgl § 63 Abs 6, § 64 Nr 1 SGB VI)beträgt für EP, die noch nicht Grundlage von persönlichen EP einer Rente waren, gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI bei Renten wegen Alters grundsätzlich 1,0. Bei Renten wegen Alters, die vorzeitig in Anspruch genommen werden, ist der Zugangsfaktor hingegen gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI für jeden Kalendermonat um 0,003 niedriger als 1,0. Mit der um 54 Monate vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrente war der Zugangsfaktor daher - wie mit dem angefochtenen Bescheid geschehen - um 54 x 0,003 auf 0,838, insgesamt also um einen Abzug von 0,162 (entsprechend einem "Rentenabschlag" von 16,2 vH), zu mindern.

21

Dass die Rentenabschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit verfassungsgemäß sind, haben sowohl das BSG (Urteil vom 25.2.2004 - BSGE 92, 206 = SozR 4-2600 § 237 Nr 1, RdNr 14 ff; Senatsurteil vom 5.8.2004 - SozR 4-2600 § 237 Nr 6 RdNr 28 ff; Senatsurteil vom 6.5.2010 - B 13 R 18/09 R - Juris RdNr 19 ff) als auch das BVerfG (Senatsbeschluss vom 11.11.2008 - BVerfGE 122, 151 = SozR 4-2600 § 237 Nr 6 RdNr 75 ff; Kammerbeschluss vom 5.2.2009 - 1 BvR 1631/04 - Juris RdNr 11 ff) bereits entschieden.

22

b) Der Kläger kann sich für sein Begehren auf eine höhere Altersrente nicht auf die Bestimmung des § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI berufen, wonach für diejenigen EP, die bereits Grundlage von persönlichen EP einer früheren Rente waren, der frühere Zugangsfaktor maßgebend bleibt. Denn die Heranziehung eines ungekürzten Zugangsfaktors für die persönlichen EP aus einer früher (vor dem 1.1.2001) bezogenen (abschlagsfreien) Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit kommt bei Berechnung einer nachfolgend vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrente allenfalls dann in Betracht, wenn - wie das LSG zu Recht entschieden hat - die Unterbrechung im Rentenbezug höchstens 24 Kalendermonate gedauert hat. Diese Frist ist hier weit überschritten. Im vorliegenden Fall lagen mehr als neun Jahre zwischen dem Auslaufen der BU-Rente zum 30.6.1998 und dem Beginn der Altersrente am 1.8.2007.

23

aa) Mit dem Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 - RRG 1992) vom 18.12.1989 (BGBl I 2261) hatte der Gesetzgeber ab 1.1.1992 zur Kosteneinsparung in der gesetzlichen Rentenversicherung begonnen, die Altersgrenzen für den Bezug von vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrenten anzuheben. Die weiter bestehende Möglichkeit, ab dem 60. Lebensjahr eine Altersrente vorzeitig in Anspruch zu nehmen, wurde mit Rentenabschlägen verbunden. Der erstmals mit dem RRG 1992 eingeführte Zugangsfaktor bestimmt, in welchem Umfang EP bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche EP zu berücksichtigen sind (§ 77 Abs 1 SGB VI). Während der Zugangsfaktor bei Renten wegen Alters, die mit Ablauf der Vollendung des 65. Lebensjahres oder eines für den Versicherten maßgebenden niedrigeren Rentenalters beginnen, mit 1,0 anzusetzen ist, wird der Zugangsfaktor für jeden Monat, für den eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch genommen wird, um 0,003 gekürzt (§ 77 Abs 2 Nr 1 SGB VI idF des RRG 1992, ab 1.1.2001 inhaltsgleich: § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI). Die dadurch verursachte Kürzung kann je nach Geburtsjahr, Rentenart und Rentenbeginn bis zu 18 vH betragen.

24

Mit der bereits durch das RRG 1992 mit Wirkung zum 1.1.1992 eingefügten Regelung in § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass die mit einem "vorzeitigen" Rentenbezug gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 SGB VI einhergehende (sich auf die gesamte Dauer des Rentenbezugs erstreckende) Kürzung des Zugangsfaktors grundsätzlich auch bei Bezug einer oder mehrerer aufeinander folgender Renten wirksam bleibt. Denn bei den Folgerenten handelt es sich um eigenständige (neue) Leistungsansprüche mit eigenen, ggf neu zu ermittelnden Berechnungsfaktoren, ua auch mit einem neuen Zugangsfaktor, abgestimmt auf den späteren Rentenbeginn (vgl BSG vom 29.1.2008 - B 5a/5 R 32/07 R - Juris RdNr 24). Damit die - vom Gesetzgeber gewollte - Dauerwirkung des über den Zugangsfaktor gesteuerten Abschlags aus der Vorrente wegen deren vorzeitigen Inanspruchnahme auch bei Folgerenten gewährleistet bleibt, ordnet § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI die Übernahme des bisherigen Zugangsfaktors in die Folgerente an(BSG vom 29.1.2008 - aaO). Dies hat zur Folge, dass für alle mit der früheren Rente vorzeitig in Anspruch genommenen persönlichen EP der bisherige (gekürzte) Zugangsfaktor auch dann (weiterhin) maßgebend bleibt, wenn eine neue (Folge-)Rente festzustellen ist. Der eigene, neue Zugangsfaktor ist damit nur noch für zusätzliche (neu hinzugekommene) EP in der Folgerente maßgebend, die bisher noch nicht in Anspruch genommen wurden und somit der früheren Rente noch nicht zu Grunde lagen, die also bei der Berechnung der neuen Rente erstmals zu berücksichtigen sind (vgl Einzelbegründung zu § 77 SGB VI im Gesetzentwurf des RRG 1992, BT-Drucks 11/4124, S 172 zu § 76 des Entwurfs - Zugangsfaktor).

25

Grundsätzlich verfolgt der Gesetzgeber mit der Regelung in § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI also die Perpetuierung des reduzierten Zugangsfaktors für EP einer vorzeitig in Anspruch genommenen Rente auf Folgerenten zu Lasten des Versicherten (zur "Durchbrechung" der Perpetuierung des abgesenkten Zugangsfaktors einer Rente wegen Erwerbsminderung vor Vollendung des 60. Lebensjahres nach dem seit 1.1.2001 geltenden Recht des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 bei einer nach Unterbrechung im Rentenbezug folgenden Altersrente zu Gunsten des Versicherten iS eines Schutzes vor einem "immerwährenden Abschlag": BSG vom 14.8.2008 - BSGE 101, 193 = SozR 4-2600 § 77 Nr 5, RdNr 17 f; BSG vom 25.11.2008 - B 5 R 112/08 R - Juris RdNr 22 f). Dies entspricht der Zielsetzung des Gesetzgebers, der mit einem gekürzten Zugangsfaktor längere Rentenlaufzeiten ausgleichen will, damit aus einem vorzeitigen Rentenbezug kein finanzieller Vorteil gegenüber anderen Versicherten entsteht, die eine Rente nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt vorzeitig in Anspruch nehmen (vgl Begründung zum Gesetzentwurf des RRG 1992, BT-Drucks 11/4124, S 144 zu VII. Flexibilisierung und Verlängerung der Lebensarbeitszeit).

26

bb) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI auch dann gilt, wenn - wie im vorliegenden Fall - die persönlichen EP einer späteren Rente nach einem niedrigeren Zugangsfaktor(hier: Altersrente mit Zugangsfaktor 0,838 gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI wegen vorzeitiger Inanspruchnahme um 54 Monate) zu errechnen sind als die einer zuvor bezogenen Rente (hier: Rente wegen BU mit Zugangsfaktor 1,0 gemäß § 77 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB VI idF des RRG 1992) und ob sich diese Norm in diesen Fällen wie eine "Bestandsschutzregelung" in dem Sinne auswirken kann, dass der Versicherte bei der Festsetzung der Höhe der späteren Rente den höheren Zugangsfaktor für die EP, die bereits Grundlage von persönlichen EP der früheren Rente waren, "behalten" darf; eine Kürzung dieser EP aus der früher bezogenen Rente also nicht erfolgt.

27

Selbst dann, wenn man § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI eine bestandsschützende Wirkung iS der Perpetuierung des ungekürzten Zugangsfaktors für persönliche EP aus einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (nach dem bis zum 31.12.2000 geltenden Recht) auf eine nachfolgend vorzeitig in Anspruch genommene Altersrente beimessen wollte, gälte diese zeitlich nur beschränkt.

28

cc) Zwar lässt sich dem Wortlaut des § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI eine zeitliche Beschränkung für die Heranziehung eines höheren Zugangsfaktors aus einer früheren Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht entnehmen. Andererseits ergeben sich aus den Gesetzesmaterialien aber auch keine Hinweise dafür, dass der Gesetzgeber mit der Regelung in § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI eine Begünstigung des Versicherten durch einen höheren Zugangsfaktor aus einer Vorrente bei einer später vorzeitig beanspruchten Rente ohne jegliche Begrenzung der Dauer einer zwischenzeitlichen Unterbrechung im Rentenbezug einführen wollte(vgl Einzelbegründungen zu § 77 SGB VI im Gesetzentwurf des RRG 1992, BT-Drucks 11/4124, S 172 und im Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum RRErwerbG, BT-Drucks 14/4230, S 26 zu Nr 22<§ 77>).

29

Dies stünde auch im Gegensatz dazu, dass der Gesetzgeber in § 88 Abs 1 SGB VI ausdrücklich geregelt hat, in welchem Umfang persönliche EP(als Produkt aus Zugangsfaktor und EP, § 66 Abs 1 SGB VI) aus einer früheren Rente bei einer späteren Rente noch zu berücksichtigen sind. Für den hier vorliegenden Fall einer zuvor bezogenen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gilt nach Satz 2 der Bestimmung Folgendes: Hat ein Versicherter eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente erneut eine Rente, sind dem Versicherten für diese Rente mindestens die bisherigen persönlichen EP zu Grunde zu legen. Insoweit handelt es sich um eine Besitzschutzregelung für persönliche EP einer vorausgegangenen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (vgl Senatsurteil vom 22.10.1996 - SozR 3-2600 § 88 Nr 2 S 5; BSG vom 11.6.2003 - SozR 4-2600 § 88 Nr 1 RdNr 8; vgl auch Gesetzentwurf des RRG 1992, BT-Drucks 11/4124, S 173 ).

30

Die persönlichen EP der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sind also bei der Berechnung der Folgerente zu berücksichtigen, wenn diese Rente spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach dem Ende des Bezugs der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beginnt, zB auch dann, wenn sich wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente der Zugangsfaktor (§ 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI)verringert, sodass sich bei der Berechnung der Altersrente weniger persönliche EP als bei der früheren Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ergeben (vgl Kommentar zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung , § 88 SGB VI Anm 6 mit Berechnungsbeispiel, Stand Einzelkommentierung Februar 2005).

31

Im Umkehrschluss folgt daraus aber zugleich, dass sich der Versicherte bei einer Folgerente auch mit einer geringeren Zahl an persönlichen EP zu begnügen hat, wenn die Unterbrechung des Rentenbezugs mehr als 24 Kalendermonate gedauert hat und sich bei der Bewilligung der Folgerente nach Maßgabe der dann bei Rentenbeginn geltenden gesetzlichen Vorschriften (etwa aufgrund eines niedrigeren Zugangsfaktors) eine entsprechend verminderte Zahl an persönlichen EP ergibt. Die persönlichen EP der Vorrente sind dann (dh 24 Kalendermonate nach Ende des Bezugs der Vorrente) nicht mehr besitzgeschützt.

32

Die von § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI geregelte Interessenlage des Versicherten stimmt mit der eines Versicherten überein, der eine für ihn günstige Bemessung des Zugangsfaktors für persönliche EP, die bereits Grundlage einer früheren Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit waren, nach dem Wegfall dieser Rente bei einer späteren (vorzeitig in Anspruch genommenen) Altersrente gemäß § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI fortgeschrieben sehen will. In beiden Fällen will der Versicherte (mindestens) die der bisherigen Rentenberechnung zu Grunde liegenden persönlichen EP auch für den Bezug der Folgerente behalten. Den Schutz des Versicherten hat der Gesetzgeber in § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI aber lediglich auf eine Dauer von 24 Kalendermonaten begrenzt. Angesichts der insoweit übereinstimmenden Interessenlagen ist es gerechtfertigt, die Wertung des § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI hinsichtlich der Dauer der Schutzbedürftigkeit des Versicherten an der Beibehaltung von (höheren) persönlichen EP aus einer früheren Rente bei Unterbrechungen im Rentenbezug auf § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI zu übertragen. Daraus folgt, dass ein Versicherter eine für ihn günstigere Bemessung des Zugangsfaktors für die persönlichen EP aus einer früheren (abschlagsfreien) Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach einer Rentenunterbrechung bei der Feststellung der persönlichen EP einer vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrente allenfalls dann beanspruchen kann, wenn die Unterbrechung im Rentenbezug nicht mehr als 24 Kalendermonate gedauert hat. Wird diese Frist überschritten, ist der (höhere) Zugangsfaktor der früheren Rente nicht mehr "bestandsgeschützt".

33

dd) Diese Höchstfrist ist vorliegend um ein Mehrfaches überschritten, sodass die der BU-Rente des Klägers zu Grunde liegenden persönlichen EP weder nach § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI noch im Rahmen der Bestimmung des § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI über den Zugangsfaktor "besitzgeschützt" waren. Die Beklagte hat daher bei der Festsetzung der Höhe der Altersrente zu Recht alle vom Kläger bis zum Rentenbeginn am 1.8.2007 erworbenen EP gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente um 54 Monate mit einem Zugangsfaktor von 0,838 multipliziert und die sich aus diesem Rechenvorgang ergebenden persönlichen EP (0,838 x 56,8946 EP =§ 121 abs 2 sgb vi> 47,6777 persönliche EP) der Rente zu Grunde gelegt.

34

Hiergegen kann nicht eingewendet werden, dass es für den Kläger bezogen auf die Höhe seines Anspruchs auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit günstiger gewesen wäre, wenn sich sein Gesundheitszustand nicht gebessert hätte, er also dauerhaft berufsunfähig geblieben wäre und eine entsprechende Rente bis zum Beginn der Altersrente bezogen hätte. Denn eine solche Begünstigung wäre - worauf das LSG zu Recht hingewiesen hat - als Ausdruck dessen zu werten gewesen, dass der Gesetzgeber die Einführung eines reduzierten Zugangsfaktors (auch) für Erwerbsminderungsrenten zum 1.1.2001 auf neu zu bewilligende Renten begrenzt und insbesondere unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes keine vergleichbaren Kürzungen für Bestandsrenten vorgesehen hat. Zur Zeit der Gesetzesänderung bezog der Kläger aber schon längst keine Rente wegen BU mehr. Es ist kein Grund ersichtlich, dem Kläger den ungeminderten Zugangsfaktor nur deshalb zu belassen, weil er früher einmal eine abschlagsfreie Rente bezogen hat, und ihn auf diese Weise zeitlich unbegrenzt besser zu stellen als einen Rentner, der erstmals eine Rente (vorzeitig) in Anspruch genommen hat.

35

4. Das LSG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen auch zu Recht entschieden, dass der Kläger für sich keinen Vertrauensschutz beanspruchen konnte. Ein rechtswidriger Verwaltungsakt darf (auch für die Zukunft) nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit den öffentlichen Interessen an der Rücknahme schutzwürdig ist (§ 45 Abs 2 Satz 1 SGB X). Nach § 45 Abs 2 Satz 2 SGB X ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann.

36

Nach den unangefochtenen und insoweit bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat der Kläger den Differenzbetrag zwischen den mit dem Bescheid vom 30.10.2007 zuerkannten Rentenleistungen und den mit dem (Teil-)Rücknahmebescheid vom 1.11.2007 noch festgestellten Leistungen nie erhalten, sodass er ihn nicht hat verbrauchen können. Auch hatte der Kläger insoweit noch keine Vermögensdispositionen getroffen.

37

Die Beklagte hat das ihr durch § 45 Abs 2 Satz 1 SGB X eingeräumte Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Gesichtspunkte, die Anlass zu einer anderweitigen Ermessensausübung hätten geben können, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

38

Da die weiteren Voraussetzungen für die (Teil-)Rücknahme des Bescheids vom 30.10.2007 (Einhaltung der Zwei-Jahres-Frist nach § 45 Abs 3 Satz 1 SGB X) ebenfalls gegeben sind, war die (Teil-)Rücknahme der Rentenbewilligung mit Wirkung für die Zukunft ab 1.12.2007 rechtmäßig.

39

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 36a Abs. 2 des Ersten Buches findet insoweit keine Anwendung.

(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 36a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 des Ersten Buches muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 36a Abs. 2 des Ersten Buches erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.

(5) Bei einem Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Satz 1 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen; bei einem elektronischen Verwaltungsakt muss auch das der Signatur zugrunde liegende Zertifikat nur die erlassende Behörde erkennen lassen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 19. September 2012 wird zurückgewiesen, soweit der Beklagte die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis 31. März 2006 aufgehoben hat.

Im Übrigen wird das bezeichnete Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung und Erstattung von SGB II-Leistungen für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 31.3.2007.

2

Die 1958 geborene Klägerin lebte seit Oktober 2004 mit Herrn S. (im Folgenden "S") zusammen, den sie in ihrem Erstantrag zur Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes vom 15.10.2004 als ihren Lebensgefährten bezeichnet hatte. Die Klägerin erzielte Erwerbseinkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung, S bis Ende 2005 aus einer Angestelltentätigkeit. Sein Einkommen war jeweils im Folgemonat fällig. Für den Zeitraum vom 1.10.2005 bis 31.3.2006 bewilligte der Beklagte weiterhin Leistungen nach dem SGB II (Bescheid vom 26.10.2005). Von dem Gesamtbedarf setzte er ein anrechenbares monatliches Erwerbseinkommen der Klägerin in Höhe von 51,82 Euro sowie des S in Höhe von 797,82 Euro ab und bewilligte monatliche Leistungen in Höhe von 344,36 Euro (davon für die Klägerin in Höhe von 231,18 Euro).

3

Die Beschäftigung von S endete zum 31.12.2005. Auf sein Konto wurde am 5.12.2005 ein Betrag in Höhe von 1482,59 Euro (Verwendungszweck "Lohn- und Gehalt 11.2005") sowie am 19.12.2005 ein weiterer Betrag in Höhe von 23 838,11 Euro (Verwendungszweck "Lohn- und Gehalt 12.2005") gutgeschrieben. Hiervon hatte der Beklagte zunächst keine Kenntnis. Ab Januar 2006 erhielt S für die Dauer von 780 Kalendertagen Alg I in Höhe von monatlich 787,80 Euro. Nach Eingang des Alg-Bescheids bei dem Beklagten im Januar 2006 hörte dieser die Klägerin dazu an, dass S im Januar 2006 zwei Einkommen (Arbeitsentgelt und Arbeitslosengeld) erhalten habe und daher Leistungen zu Unrecht bezogen worden seien (Schreiben vom 31.3.2006). Hierzu erklärte S, er habe im Januar 2006 keine zwei Einkommen erzielt, sein letzter Verdienst sei am 19.12.2005 ausgezahlt worden. Sodann bewilligte der Beklagte unter Berücksichtigung des Alg I für den Zeitraum vom 1.2.2006 bis 31.3.2006 SGB II-Leistungen in Höhe von 354,58 Euro, der Klägerin davon in Höhe von 236,19 Euro (Änderungsbescheid vom 31.3.2006). Auf den Fortzahlungsantrag vom 7.4.2006 wurden vom 1.4.2006 bis 30.9.2006 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 404,95 Euro (davon für die Klägerin in Höhe von 261,48 Euro) unter Berücksichtigung eines anrechenbaren monatlichen Erwerbseinkommens der Klägerin sowie des Alg I von S festgesetzt (Bescheid vom 24./25.4.2006). Wegen der Anhebung der Regelleistungen ab 1.7.2006 erhöhte der Beklagte die monatlichen Leistungen für die Klägerin auf 274,48 Euro (Änderungsbescheid vom 13.5.2006). Für den weiteren Bewilligungszeitraum vom 1.10.2006 bis 31.3.2007 bewilligte er auf der Grundlage eines Fortzahlungsantrags vom 12.9.2006 weiterhin SGB II-Leistungen unter Anrechnung der Einkünfte (Bescheid vom 14.9.2006).

4

Im Juni 2006 gingen bei dem Beklagten die geforderten Kontoauszüge von S für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 31.1.2006 ein, nach weiterer Anforderung am 26.9.2006 die Gehaltsabrechnung von S für Dezember 2005. Hieraus ergab sich, dass S neben seinem Lohn für Dezember 2005 in Höhe von 1079,86 Euro auch eine Abfindung in Höhe von 33 406,75 Euro brutto (= 22 758,25 Euro netto) erhalten hatte. Auf das Anhörungsschreiben des Beklagten vom 9.1.2007 zu einem unrechtmäßigen Leistungsbezug in Höhe von 4434,09 Euro in der Zeit vom 1.12.2005 bis 31.3.2007 und einer möglichen Erstattung teilte die Klägerin mit, ihr Lebensgefährte habe seine Unterlagen, auch die Papiere über die Abfindung, persönlich vorgelegt. Die bewilligten Leistungen seien verbraucht.

5

Der Beklagte hob die Entscheidung über die Bewilligung von SGB II-Leistungen gemäß § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X ab dem 1.12.2005 ganz auf und ordnete die sofortige Vollziehung der Erstattung an. Wegen der Einkommensverhältnisse des Lebensgefährten sei die Klägerin nicht hilfebedürftig gewesen, weil im Dezember 2005 das Einkommen von November/Dezember 2005 angerechnet und ab Januar 2006 die Abfindung, aufgeteilt auf 15 Monate in Höhe von monatlich 1517,22 Euro, als Einkommen berücksichtigt werde (Bescheid vom 31.1.2007). Den Widerspruch wies der Beklagte mit der Begründung zurück, dass die Klägerin erst im Juni 2006 durch Vorlage der Kontoauszüge den Erhalt einer Abfindung und das zusätzliche Erwerbseinkommen des Partners im Dezember 2005 angezeigt habe. Wegen dieses Einkommens sei die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen vom 1.12.2005 bis 31.3.2007 aufzuheben. Es seien Leistungen in Höhe von 4434,09 Euro zu erstatten (Widerspruchsbescheid vom 11.12.2007).

6

Das SG hat den Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 aufgehoben (Urteil vom 8.6.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die Voraussetzungen für eine Aufhebung oder Rücknahme vorlägen, weil der Aufhebungs- und Rückerstattungsbescheid sowohl hinsichtlich des Adressaten als auch inhaltlich zu unbestimmt sei und eine geltungserhaltende Reduktion ausscheide.

7

In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG hat der Beklagte die von ihm eingelegte Berufung teilweise zurückgenommen, soweit die Erstattungsforderung einen Betrag in Höhe von 2808,27 Euro (Leistungsanteil für S) überschreite und dessen Leistungsanteil geltend gemacht werde. Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG das Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit sie sich nicht durch Berufungsrücknahme des Beklagten erledigt hat (Urteil vom 19.9.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, Rechtsgrundlage der Aufhebung für die Zeit vom 1.12.2005 bis 31.3.2006 sei § 48 Abs 1 S 1 und 2 SGB X, weil durch die zusätzliche Lohnzahlung für den laufenden Monat und die Abfindungszahlung im Dezember 2005 eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten sei. Die Klägerin und S bildeten eine Bedarfsgemeinschaft. Dessen Einkommen sei daher auch bei dem Leistungsanspruch der Klägerin zu berücksichtigen; dies führe zum Wegfall der Hilfebedürftigkeit ab 1.12.2005. Das sich aus den Lohnzahlungen für November und Dezember ergebende Einkommen von S übersteige den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft. Ab Januar 2006 sei neben dem Alg I die im Dezember zugeflossene Abfindungszahlung mit einem monatlichen Teilbetrag anzurechnen. Die vom Beklagten vorgenommene Festlegung des Verteilzeitraums auf 15 Monate begegne keinen Bedenken. Der "Aggregatzustand" der nach Antragstellung zugeflossenen Abfindung habe sich nicht dadurch verändert, dass im Zuflussmonat auch ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme die Hilfebedürftigkeit entfallen sei. Allein die vorgezogene Auszahlung des Dezemberlohns begründe keine derart geänderten Verhältnisse, die eine "Umwandlung" der einmaligen Einnahme in Vermögen rechtfertigen könne. Eine echte "Überwindung" der Hilfebedürftigkeit durch Erzielung von Erwerbseinkommen liege nicht vor. Die Klägerin sei ihrer Pflicht zur Mitteilung wesentlicher Änderungen mindestens grob fahrlässig nicht nachgekommen. Ihre Angabe, bereits im Januar 2006 sei eine Mitteilung über die Abfindungszahlung erfolgt, sei nicht nachvollziehbar. Mit der Einreichung von Kontoauszügen des Partners im April 2006 sei durch eine Manipulation der Kontostände offensichtlich versucht worden, den Erhalt der Abfindung zu verschleiern. Erstmals aus den am 1.6.2006 beim Beklagten eingegangenen Kontoauszügen sei die Zahlung der Nettoabfindung in Höhe von 23 838,11 Euro ersichtlich gewesen. Der Vortrag der Klägerin, über die genauen Einnahmen ihres Partners keine Kenntnis gehabt zu haben, widerspreche ihrem erstinstanzlichen Vorbringen zur Mitteilung der Abfindung bereits im Januar 2006. Es habe sich aufgrund ihrer Kenntnis vom Kauf eines neuen Pkw sowie einer neuen Küche Anfang 2006 mit Barzahlung durch ihren Partner aufdrängen müssen, dass dieser über zusätzliche Einnahmen verfügt habe. Rechtsgrundlage der Aufhebung für die Zeit vom 1.4.2006 bis 31.3.2007 sei § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X. Die rechtswidrigen Leistungsbewilligungen für diesen Zeitraum hätten auf Angaben beruht, die die Klägerin mindestens grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe. Der angefochtene Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 werde hinsichtlich der Aufhebung und der Erstattungsforderung dem Bestimmtheitserfordernis wie auch dem Anhörungserfordernis gerecht. Die Revision sei zuzulassen. Klärungsbedürftig sei, ob eine einmalige Einnahme auch dann weiterhin als Einkommen zu berücksichtigen sei, wenn die Hilfebedürftigkeit für einen Monat nur wegen des Zuflusses von zwei Monatsentgelten aus derselben Beschäftigung (und ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme) beseitigt werde.

8

Mit ihrer Revision trägt die Klägerin vor, nach der Rechtsprechung des BSG werde der Verteilzeitraum dann unterbrochen, wenn für mindestens einen Monat die Hilfebedürftigkeit - ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme - entfalle (Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R). Ihr Lebensgefährte habe Arbeitsentgelt erhalten, welches die Hilfebedürftigkeit für mindestens einen Monat aufgehoben habe, ohne dass die Abfindung dabei eine Rolle gespielt habe. Die Vorhersehbarkeit einer möglichen Hilfebedürftigkeit für den Folgemonat sei keine Voraussetzung für die weitere Behandlung der Abfindung als Einkommen. Entscheidend sei das Zuflussprinzip, welches stringent anzuwenden sei.

9

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 19. September 2012 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 8. Juni 2010 zurückzuweisen.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Er bezieht sich auf die Ausführungen des Berufungsgerichts.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet, soweit sie die Aufhebung der laufenden Bewilligung von SGB II-Leistungen für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis zum 31.3.2006 betrifft. Insofern hat das LSG die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zu Recht abgewiesen. Wegen der Erstattungsforderung des Beklagten für diesen Zeitraum ist die Revision im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG), weil der Senat mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden konnte, in welcher Höhe die Erstattung für diese Zeit rechtmäßig ist. Auch soweit der Beklagte die Bewilligungsbescheide für die weiter streitigen Zeiträume vom 1.4.2006 bis 30.9.2006 und 1.10.2006 bis 31.3.2007 aufgehoben hat und die Erstattung der SGB II-Leistungen begehrt, ist die Revision im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.

13

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007, mit dem der Beklagte die Bewilligungsentscheidungen von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Klägerin ab 1.12.2005 in vollem Umfang aufgehoben und die Erstattung der ihr vom 1.12.2005 bis 31.3.2007 erbrachten Leistungen verlangt. Durch seine Erklärungen im Berufungsverfahren hat der Beklagte die Berufung gegen das zusprechende Urteil des SG zurückgenommen, soweit der angefochtene Bescheid die Aufhebung und Erstattung des Individualanspruchs von S betrifft (vgl hierzu BSG SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16). Gegen den Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 wendet sich die Klägerin zu Recht mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG). Entgegen der Ansicht des LSG enthielt der Ausgangsbescheid vom 31.1.2007 auch bereits eine Erstattungsverfügung und wahrt insgesamt das Bestimmtheitserfordernis. Bezogen auf die Klägerin ist er auch formell rechtmäßig.

14

2. Der Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung durch den Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 ist eine ordnungsgemäße Anhörung vorausgegangen. Nach § 24 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dies sind alle Tatsachen, die zum Ergebnis der Verwaltungsentscheidung beigetragen haben, dh auf die sich die Verwaltung auch gestützt hat (BSGE 69, 247 = SozR 3-1300 § 24 Nr 4 S 9; vgl zuletzt Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 59/12 R - SozR 4-1300 § 45 Nr 13 RdNr 15, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen). Der Beklagte hat die Klägerin mit Schreiben vom 9.1.2007 zu dem Einkommenszufluss bei S im Dezember 2005 und zu der beabsichtigten Anrechnung, auch der Abfindung - aufgeteilt auf 15 Monate - für die Zeit ab 1.1.2006, angehört. Er hat ihr vorgehalten, eine Überzahlung verursacht zu haben, indem sie eine für den Leistungsanspruch erhebliche Änderung in ihren Verhältnissen nicht angezeigt habe. Schließlich umfasste das Anhörungsschreiben vom 9.1.2007 die Erstattungsforderung, indem der Beklagte darauf hinwies, dass die Klägerin in der Zeit vom 1.12.2005 bis 31.1.2007 Alg II in Höhe von 4434,09 Euro zu Unrecht bezogen und diesen Betrag zu erstatten habe. Hiermit eröffnete er in hinreichendem Umfang die Möglichkeit zur Stellungnahme zu den objektiven und subjektiven Merkmalen der maßgebenden Rechtsgrundlagen für die Aufhebungsentscheidung.

15

3. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 genügt den Anforderungen an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten. Als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung verlangt das Bestimmtheitserfordernis nach § 33 Abs 1 SGB X, dass der Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist. Dieses Erfordernis bezieht sich sowohl auf den Verfügungssatz der Entscheidung als auch auf den Adressaten des Verwaltungsaktes (BSG SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16). Der Betroffene muss bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers und unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls in die Lage versetzt werden, die in ihm getroffene Rechtsfolge vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten (BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 16 mwN; BSG Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R - RdNr 18; BSGE 108, 289 ff = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 31). Ausreichende Klarheit kann auch dann bestehen, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsaktes, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (vgl zuletzt Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 59/12 R - SozR 4-1300 § 45 Nr 13 RdNr 16, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen; BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 26; BSG SozR 4-2600 § 96a Nr 9 RdNr 38).

16

Nach diesen Maßstäben geht aus dem angefochtenen Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 hinreichend bestimmt hervor, dass der Beklagte die Bewilligungsentscheidungen ab 1.12.2005 ausschließlich gegenüber der Klägerin in vollem Umfang aufheben wollte. Dies lässt sich - wie das LSG zutreffend festgestellt hat - seiner Adressierung, seinem Verfügungssatz sowie seiner Begründung entnehmen. Diese betreffen - ohne Erwähnung der Bedarfsgemeinschaft oder des S - jeweils nur die Klägerin. Der Bestimmtheit eines Aufhebungsbescheides steht insoweit nicht entgegen, dass er nur an ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gerichtet ist, wenn die Auslegung - wie hier - ergibt, dass nur dieses Mitglied in Anspruch genommen werden soll (vgl BSG SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16 f). Ebenso ist das Maß der Aufhebung nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont für die Klägerin erkennbar auf den Zeitraum ab 1.12.2005 und eine Aufhebung sämtlicher Bewilligungen in vollem Umfang festgelegt. Zwar hat der Beklagte in der "Betreff-Zeile" des Bescheides vom 31.1.2007 nur die den jeweiligen Bewilligungsabschnitt insgesamt regelnden Bescheide vom 26.10.2005, 25.4.2006 und 14.9.2006 aufgeführt. Aus dem Inhalt der weiteren Begründung des Bescheides ergibt sich jedoch für den objektiven Empfänger unzweideutig, dass auch die Änderungsbescheide vom 31.3.2006 und 13.5.2006 erfasst sein sollten, die für jeweils kürzere Zeiträume innerhalb der jeweiligen Bewilligungsabschnitte geringfügig höhere Leistungen festlegten. Einer näheren Differenzierung nach Monaten sowie nach dem Umfang der Aufhebung bezüglich der Leistungsarten (Regelleistung, Kosten der Unterkunft und Heizung) bedurfte es hier wegen der vollumfänglichen Aufhebung nicht, weil für die Klägerin erkennbar war, welche Bezugsmonate von der Aufhebung in vollem Umfang betroffen waren (vgl BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 196/11 R - SozR 4-1300 § 33 Nr 2 RdNr 16).

17

Der Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 ist auch bezüglich der Erstattungsforderung hinreichend bestimmt. Der Beklagte hat bereits durch die Angabe einer Erstattungsforderung in der "Betreffzeile" des Bescheides vom 31.1.2007 sowie die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Erstattung eine Regelung iS von § 31 SGB X getroffen. Zwar ist die Höhe der zu erstattenden Beträge nicht bereits in diesem Bescheid, sondern erst im Widerspruchsbescheid genannt. Nach den vom LSG zutreffend gewürdigten Einzelfallumständen ist dies jedoch für die Annahme einer Regelung iS des § 31 SGB X sowie auch für die Bestimmtheit der Erstattungsforderung unschädlich, weil zur Höhe der Erstattungsforderung insbesondere auf den Inhalt des Anhörungsschreibens vom 9.1.2007 und die vorangegangenen Bewilligungsbescheide zurückgegriffen werden konnte.

18

4. a) Rechtsgrundlage für die Aufhebung der mit Bescheid vom 26.10.2005 für den Zeitraum vom 1.10.2005 bis 31.3.2006 bewilligten Leistungen ist hier § 40 SGB II, § 330 Abs 3 SGB III, § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt ist - ohne Ausübung von Ermessen - mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Bezogen auf den Bewilligungsbescheid vom 26.10.2005 ist erst nach dessen Bekanntgabe der Zufluss der doppelten Entgeltzahlung sowie der Abfindung an S erfolgt, sodass unter Berücksichtigung der maßgebenden objektiven tatsächlichen Verhältnisse, die bei Erlass des Bewilligungsbescheides vorgelegen haben (vgl nur BSG Urteil vom 21.6.2011 - B 4 AS 22/10 R - juris RdNr 16 mwN), eine wesentliche Änderung nach Erlass des Verwaltungsaktes, der aufgehoben werden soll, eingetreten ist. Die wesentliche Änderung lag hier darin, dass die Hilfebedürftigkeit der Klägerin und damit eine Anspruchsvoraussetzung für die bewilligten SGB II-Leistungen mit dem Zufluss dieser Beträge ab Dezember 2005 bis zum Ablauf des Bewilligungsabschnitts am 31.3.2006 entfallen ist (vgl für die Zeit ab 1.4.2006 unter 6).

19

b) Zwar konnte die Klägerin ihren von dem Beklagten zutreffend ermittelten Bedarf nicht durch eigenes Einkommen oder Vermögen decken. Sie gehörte aber im gesamten hier streitigen Zeitraum einer Bedarfsgemeinschaft mit S an. Zur Bedarfsgemeinschaft gehört nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II(idF des Gesetzes vom 30.7.2004 - BGBl I 2014) als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person, die mit der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebt. Das LSG hat nach Würdigung der vorliegenden Tatsachen das Vorliegen einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft positiv festgestellt. Es hat die erforderlichen Kriterien für das Vorliegen einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft überprüft und diese im Ergebnis bejaht, indem es in der Art des Zusammenlebens der Klägerin und S eine Partnerschaft, eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft sowie ein gegenseitiges Einstehen bejaht hat. Neben der auch von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellung einer Partnerschaft sah das LSG das erforderliche Einstehen aufgrund der Kontoauszüge des S bestätigt, woraus eine finanzielle Unterstützung der Klägerin ersichtlich war. Ferner wohnten die Klägerin und S seit Oktober 2004 in der gemeinsamen Wohnung (vgl zur auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft zuletzt BSGE 111, 250 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 32). Das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft führt nach § 9 Abs 2 S 1 SGB II dazu, dass bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen sind.

20

Für den Monat Dezember 2005 entfiel die Hilfebedürftigkeit der Klägerin bereits wegen des Zuflusses der Lohnzahlungen an S für November 2005 am 5.12.2005 und für Dezember 2005 am 19.12.2005. Diese stellten Einkommen iS von § 11 SGB II dar, welches als laufende Einnahme gemäß § 2 Abs 2 S 1 Alg II-V für den Monat zu berücksichtigen ist, in dem es zufließt. Bereits das auf den Gesamtbedarf der Klägerin und S anrechenbare Einkommen aus der Lohnzahlung für November 2005 betrug 1104,45 Euro. Auch unter Heranziehung des vom LSG zutreffend ermittelten Gesamtbedarfs von 1095,26 Euro ergibt sich ein Wegfall der Hilfebedürftigkeit der Klägerin in vollem Umfang.

21

c) Auch die weitere vollständige Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 26.10.2005 (sowie des Änderungsbescheides vom 31.3.2006) bis zum Ablauf des Bewilligungsabschnitts am 31.3.2006 ist rechtmäßig. Die am 19.12.2005 mit einem Nettobetrag in Höhe von 22 758,25 Euro zugeflossene Abfindung ist anrechenbares Einkommen iS von § 11 SGB II. Zu Abfindungszahlungen haben die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG bereits entschieden, dass für diese vom tatsächlichen Zufluss auszugehen ist und es sich nicht um von der Anrechnung ausgenommene zweckbestimmte Einnahmen nach § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II handelt(vgl BSGE 102, 295 = SozR 4-4200 § 11 Nr 24, RdNr 15, BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 64/08 R - juris RdNr 18).

22

d) Der Verteilzeitraum, in dem das Einkommen aus der Abfindung zu berücksichtigen war, erstreckte sich unter voller Anrechnung auf den Zeitraum vom 1.1.2006 bis 31.12.2006. Nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG bleibt eine nach Antragstellung zugeflossene einmalige Einnahme rechtlich auch über den Zuflussmonat und den Bewilligungsabschnitt hinaus zu berücksichtigendes Einkommen. Der Aggregatzustand der Einnahme verändert sich nicht durch eine neue Antragstellung. Das Einkommen mutiert nicht gleichsam zu Vermögen (vgl nur BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 20). Die konkrete Verteilung wird normativ durch § 2 Abs 3 Alg II-V in der Fassung vom 22.8.2005 (BGBl I 2499) bestimmt. Hiernach sind einmalige Einnahmen von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Abweichend davon ist nach S 2 der Regelung eine Berücksichtigung der Einnahmen ab dem Monat, der auf den Monat des Zuflusses folgt, zulässig, wenn Leistungen für den Monat des Zuflusses bereits erbracht worden sind. Einmalige Einnahmen sind, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen, dh monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag, anzusetzen (§ 2 Abs 3 S 3 Alg II-V). Als unbestimmter Rechtsbegriff ist der einzelfallbezogen zu bestimmende angemessene Zeitraum der Verteilung ausfüllungsbedürftig und unterliegt uneingeschränkter richterlicher Kontrolle. Zulässige Sachgesichtspunkte, die für die Angemessenheit einer Verteilung, die Belassung eines (geringfügigen) Anspruchs auf SGB II-Leistungen bei der Anrechnung und die zeitliche Dauer des Verteilzeitraums maßgebend sein können, sind die Höhe der einmaligen Einnahme, der mögliche Bewilligungszeitraum sowie der Umstand, ob der Hilfebedürftige durch die Höhe des festgesetzten monatlichen Teilbetrags seinen Krankenversicherungsschutz behalten kann (BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 16 RdNr 29). Zwar liegt grundsätzlich ein Regelfall mit einem Erfordernis zur Aufteilung nach § 2 Abs 3 S 3 Alg II-V vor, wenn der über den SGB II-Bezug vermittelte Krankenversicherungsschutz bei voller Berücksichtigung der Einnahme für mindestens einen Monat entfallen würde. Sind indes - wie hier - höhere Beträge im Streit, welche die Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft bei prognostischer Betrachtung auf längere Dauer - hier konkret für einen Zeitraum von über einem Jahr - entfallen ließen, ist eine vollständige Anrechnung ohne Belassung von SGB II-Leistungen grundsätzlich nicht zu beanstanden. Ein solcher Fall liegt hier vor.

23

Allerdings ist der Verteilzeitraum nach der Rechtslage bis zum 31.3.2011 auf ein Jahr, dh hier auf den Zeitraum vom 1.1.2006 bis 31.12.2006, zu beschränken. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber mit dem am 1.4.2011 in Kraft getretenen § 11 Abs 3 S 2 SGB II nF(BGBl I 453) den "Verteilzeitraum" zeitlich eindeutig auf einen Zeitraum von sechs Monaten mit einer nachfolgend nur möglichen Berücksichtigung noch vorhandener Beträge als Vermögen eingegrenzt hat (vgl BT-Drucks 17/3404 S 94), können keine Rückschlüsse für die Bewertung der Rechtslage vor diesem Zeitpunkt gezogen werden (vgl BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 32). Zu der bis dahin geltenden Rechtslage hat das BSG eine Verteilung über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten hinaus im Einzelfall als angemessen angesehen, ist jedoch nicht über den Zeitabschnitt von zwölf Monaten hinausgegangen (vgl BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 32; sa BVerfG Beschluss vom 7.4.2010 - 1 BvR 688/10). Dies berücksichtigt, dass eine Erstreckung über den im Gesetz angelegten maximalen Bewilligungszeitraum von zwölf Monaten (§ 41 SGB II) hinaus Leistungsbezieher mit hohen einmaligen Einnahmen unbillig lange von der Möglichkeit einer Vermögensbildung ausnehmen würde.

24

e) Die Bestimmung eines Verteilzeitraums und die Anrechnung der einmaligen Einnahme auf denselben entfällt hier auch nicht deshalb, weil die Abfindung in einem Monat zufloss, in dem bereits aufgrund der vorhergehenden Entgeltzahlungen an S die Hilfebedürftigkeit entfallen war. Soweit das LSG auf die Entscheidung des Senats vom 30.9.2008 (B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15) Bezug genommen hat, lag ein (abweichender) Sachverhalt zugrunde, weil sich die für die Bewilligung maßgebenden Verhältnisse erst nach Beginn des Verteilzeitraums durch einen Steuerklassenwechsel mit einem höheren monatlichen Nettoeinkommen sowie Wohngeld verändert haben konnten. Die als mögliche Konsequenz diskutierte Unterbrechung des Verteilzeitraums wegen Überwindung der Hilfebedürftigkeit für einen Monat erfasst die vorliegende Konstellation nicht, weil die Hilfebedürftigkeit der Klägerin und S allein im Dezember 2005, also zeitlich bereits vor dem Beginn des Verteilzeitraums wegen der Abfindung im Januar 2006, unterbrochen war. Unabhängig hiervon liegt auch keine Überwindung der Hilfebedürftigkeit vor. Allein die Tatsache, dass die erhöhte Lohnzahlung für November 2005 aus dem Arbeitsverhältnis als einem Dauerrechtsverhältnis zu einem Wegfall der Hilfebedürftigkeit nur in diesem Monat führte, begründete keine geänderten Verhältnisse, die eine "Umwandlung" der einmaligen Einnahme in Vermögen zu rechtfertigen vermögen. Es lag keine echte "Überwindung" der Hilfebedürftigkeit durch Erzielung von Erwerbseinkommen vor, weil es sich um ein bloßes Aussetzen der Hilfebedürftigkeit wegen einer höheren Lohnzahlung und einen vom Normalverlauf abweichenden Auszahlungsvorgang ohne Änderung der tatsächlichen Verhältnisse handelte.

25

f) Der vollständigen Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 26.10.2005 für den bis zum 31.3.2006 laufenden Bewilligungsabschnitt steht auch nicht entgegen, dass die Abfindungszahlung ausweislich der Feststellungen des LSG "für den Kauf eines neuen Pkw sowie einer neuen Küche Anfang 2006 durch ihren Partner" verwendet worden ist. Nähere Angaben zum Umfang des Verbrauchs der Abfindung und zum Zeitpunkt der Anschaffungen fehlen. Für den Bewilligungsabschnitt bis zum 31.3.2006 ist dies jedoch irrelevant. Die Aufhebung der laufenden Bewilligung nach § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X erfolgt schon deshalb, weil nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 26.10.2005 und während des laufenden Bewilligungsabschnitts Einkommen tatsächlich zugeflossen ist ("erzielt" im Sinne einer wesentlichen Änderung nach § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X), zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stand und daher im Verteilzeitraum zu berücksichtigen war. Bereits hierin lag die wesentliche Änderung, die dazu führte, dass der Beklagte den Bewilligungsbescheid unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen nicht oder nicht wie geschehen hätte erlassen dürfen (vgl BSG SozR 1300 § 48 Nr 44). Ein späterer Verbrauch als weiteres Ausgabeverhalten des Hilfebedürftigen während des Verteilzeitraums ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Insofern hat der 14. Senat zu Recht betont, dass bei der Anwendung des § 48 SGB X - wegen Nichtanzeige der zugeflossenen Einnahme - mit Wirkung für die Vergangenheit nicht eine aktuelle Bedarfslage ungedeckt blieb - also eine Hilfebedürftigkeit tatsächlich bestand, sondern erst nach Aufhebung der Bewilligung bezogen auf die Vergangenheit und Rückforderung und daher regelmäßig und auch hier erst künftig eine Verbindlichkeit gegenüber dem Träger der Grundsicherung entstehe(vgl BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57, RdNr 15).

26

5. Ausgehend von einer rechtmäßigen Aufhebung der Bewilligung für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 31.3.2006 vermochte der Senat anhand der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend zu entscheiden, in welcher Höhe die Erstattungsforderung für diesen Zeitraum rechtmäßig ist. Gemäß § 40 Abs 2 S 1 SGB II in der bis zum 31.3.2006 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) sind - abweichend von § 50 SGB X - 56 vom Hundert der bei der Leistung nach § 19 S 1 Nr 1 und S 2 sowie § 28 berücksichtigten Kosten für Unterkunft, mit Ausnahme der Kosten für Heizungs- und Warmwasserversorgung, nicht zu erstatten. S 1 gilt nicht in Fällen des § 45 Abs 2 S 3 SGB X(§ 40 Abs 2 S 2 SGB II). Bis zum 31.3.2006 war eine Rückausnahme von der nur reduziert möglichen Rückforderung von Unterkunftskosten bei einer Aufhebung nach § 48 Abs 1 S 2 SGB X gesetzlich nicht vorgesehen. Eine ohnehin nur in engen Grenzen mögliche analoge Anwendung einer Regelung zum Nachteil von Leistungsberechtigen (vgl BSG Urteil des Senats vom 23.8.2012 - B 4 AS 32/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 61 RdNr 24 mwN) scheidet schon deshalb aus, weil die Bezugnahme auf § 48 Abs 1 S 2 SGB X aufgrund der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit vom 15.10.2003 (vgl BT-Drucks 15/1728 S 190; BT-Drucks 15/1749 S 33) aus dem ursprünglichen Gesetzentwurf (BT-Drucks 15/1516 = BT-Drucks 15/1638 S 18) gestrichen worden ist (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 40 RdNr 723, Stand 6/2012).

27

Für den Aufhebungszeitraum vom 1.12.2005 bis 31.3.2006 ist die Erstattungsforderung daher um den in § 40 Abs 2 S 1 SGB II genannten Anteil zu reduzieren. Insofern sind noch Feststellungen des LSG zu den in den aufgehobenen Bewilligungsbescheiden vom 26.10.2005 und 31.3.2006 berücksichtigten (nicht den tatsächlichen) Unterkunftsbedarfen (Aubel in jurisPK-SGB II, § 40 RdNr 135, Stand 12/2012) sowie zur Höhe der für die Heizungs- und Warmwasserversorgung angesetzten Kosten erforderlich.

28

6. a) Soweit die Aufhebung der Bewilligungsbescheide und die Erstattung für die weiter streitigen Bewilligungsabschnitte vom 1.4.2006 bis 30.9.2006 und 1.10.2006 bis 31.3.2007 betroffen ist, ist die Revision der Klägerin im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.

29

Grundlage für die Rücknahme dieser Bescheide ist § 40 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 2 SGB III iVm § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X. Wegen der für einen angemessenen Verteilzeitraum zu berücksichtigenden einmaligen Einnahme aus der Abfindungszahlung können diese Bescheide nur von Beginn an rechtswidrig sein. Einer Rücknahme nach § 45 SGB X steht nicht schon entgegen, dass der Beklagte den Bescheid vom 31.1.2007 auf § 48 SGB X gestützt hat. Da der angefochtene Bescheid in seinem Verfügungssatz nicht geändert worden ist und die Rücknahme nur mit einer anderen Rechtsgrundlage begründet wird, sind die Voraussetzungen einer Umdeutung nach § 43 SGB X hier nicht zu prüfen(vgl BSG SozR 3-1300 § 45 Nr 42 S 138; BSG SozR 3-1300 § 24 Nr 21 S 61). Ein Austausch der Rechtsgrundlage aus dem Bescheid des Beklagten vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 ist möglich, weil nach § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt - wegen § 330 Abs 2 SGB III - gleichfalls ohne Ermessensausübung - mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit er auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Dies ist hier der Fall (vgl hierzu unter d).

30

b) Bezogen auf eine Rücknahme nach § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X fehlt es aber an tatsächlichen Feststellungen dazu, ob die mit dem streitgegenständlichen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 aufgehobenen Bewilligungsbescheide vom 24./25.4.2006 und 13.5.2006 (Bewilligungsabschnitt vom 1.4.2006 bis 30.9.2006) und vom 14.9.2006 (Bewilligungsabschnitt vom 1.10.2006 bis 31.3.2007) objektiv anfänglich rechtswidrig iS des § 45 SGB X waren. Dies war der Fall, wenn der Klägerin Leistungen bewilligt worden sind, obwohl sie aufgrund der Abfindungszahlung über noch ausreichend bedarfsdeckendes Einkommen verfügte, also nicht hilfebedürftig war. Zwar spricht hierfür die normative Verteilregelung des § 2 Abs 3 S 3 Alg II-V, die grundsätzlich vorsieht, dass eine einmalige Einnahme - unabhängig vom Ablauf eines Bewilligungsabschnitts und einer erneuten Antragstellung über den angemessenen Zeitraum von zwölf Monaten als oberste Grenze - zu verteilen und weiterhin zu berücksichtigen ist.

31

Aufgrund der rechtlichen Ausgangslage bei § 45 SGB X ist jedoch zu prüfen, ob die von der Klägerin bei den erneuten Antragstellungen am 7.4.2006 und 12.9.2006 angegebene Hilfebedürftigkeit wegen des Nichtvorhandenseins von Mitteln zur Deckung des Lebensunterhalts dennoch tatsächlich gegeben war, weil hier ein (zwischenzeitlicher) Verbrauch der zugeflossenen Mittel geltend gemacht wird. Waren die Mittel aus der Abfindung tatsächlich und unwiederbringlich verbraucht, standen "bereite Mittel" also bei den erneuten Bewilligungen tatsächlich - auch nicht als Restbeträge - zur Verfügung, erweisen sich diese nicht als anfänglich rechtswidrig iS von § 45 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X. Insofern haben die tatsächlichen Verhältnisse gegenüber der nur normativen und als Berechnungsgrundlage zu verstehenden Regelung des § 2 Abs 3 Alg II-V den Vorrang(Geiger in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, RdNr 9 zu § 11; aA LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 27.4.2010 - L 3 AS 79/08 - und LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 15.4.2011 - L 13 AS 333/10 - RdNr 34 f; vgl hierzu auch BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57, RdNr 16 f mit Verweis auf § 34 SGB II). Ist nach weiteren Feststellungen des LSG eine anfängliche Rechtswidrigkeit der bezeichneten Bewilligungsbescheide zu bejahen, ist weiter zu prüfen, ob - nach Ablauf des zwölfmonatigen Verteilzeitraums zum 31.12.2006 - ein ggf noch vorhandener Betrag aus der Abfindung als zu berücksichtigendes Vermögen die Rücknahme der bestandskräftigen Bewilligung auch für den Zeitraum vom 1.1.2007 bis 31.3.2007 rechtfertigen konnte. Auch insofern müssten allerdings die formellen Voraussetzungen (§ 24 SGB X) zu bejahen sein.

32

c) Das LSG wird also zu prüfen haben, ob, in welcher Höhe und wann die Abfindungszahlung für die Anschaffung eines Pkw sowie einer Küche bereits Anfang 2006 verwendet und daher (auch) etwaige Restbeträge aus der Abfindung bei der Antragstellung und Bewilligung im April 2006 bzw September 2006 nicht mehr vorhanden waren und auch nicht realisiert werden konnten. Insofern liegt die objektive Feststellungslast für das Vorliegen einer anfänglichen Rechtswidrigkeit - nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts - zwar grundsätzlich bei der Behörde. Es dürfte aber eine Beweislastumkehr zu erwägen sein. Diese hat das BSG zB für tatsächliche Fallgestaltungen anerkannt, in denen der Gegner der beweisbelasteten Partei den Beweis vereitelt oder erschwert oder die Beweisführung unmöglich ist, weil die zu beweisenden Tatsachen sich im Bereich des Gegners abgespielt haben und dieser an der ihm möglichen Sachverhaltsaufklärung nicht oder nicht rechtzeitig mitgewirkt hat (vgl insgesamt BSGE 95, 57, 64 = SozR 4-1300 § 48 Nr 6; auch BSG SozR 4-1500 § 128 Nr 5). Die in arbeitsförderungsrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Senate haben dies vor allem bei unterlassenen Angaben zu Vermögenswerten bei der Antragstellung angenommen (BSGE 96, 238, 245 f = SozR 4-4220 § 6 Nr 4; BSG Urteil vom 28.8.2007 - B 7/7a AL 10/06 R).

33

d) Kommt das LSG nach erneuter Prüfung zu dem Ergebnis, dass eine anfängliche Rechtswidrigkeit der aufgehobenen Bewilligungsbescheide vorlag, wird es davon ausgehen können, dass diese auf Angaben beruhte, die die Klägerin als Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Dem gleichzustellen ist eine vorsätzlich oder grob fahrlässig unterlassene Mitteilung von wesentlichen Änderungen in den Verhältnissen, welche kausal zu der Leistungsbewilligung geführt hat (vgl zuletzt Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 59/12 R - SozR 4-1300 § 45 Nr 13 RdNr 22, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).

34

Auf Grundlage der bindenden Feststellungen des LSG ist davon auszugehen, dass weder die Klägerin noch S die Zahlung der Abfindung vor Erlass der Bewilligungsbescheide vom 24./25.4.2006 und 14.9.2006 mitgeteilt haben. Hierzu wären sie jedoch verpflichtet gewesen, weil die Zahlung der Abfindung erkennbar eine wesentliche Veränderung in den Verhältnissen bewirkt hat. Das LSG hat zutreffend erst die Vorlage der Lohn- und Gehaltsabrechnung zum 26.9.2006 als maßgeblichen Zeitpunkt der Kenntniserlangung des Beklagten hinsichtlich der einmaligen Einnahme in Form der Abfindung angesehen. Vor diesem Zeitpunkt hatte der Beklagte nur bruchstückhafte Informationen über einen generellen Geldzufluss erhalten, ohne dass sich aus diesen die Zahlung einer einmaligen Einnahme hat erkennen lassen. Der Klägerin ist schließlich zumindest der Schuldvorwurf eines grob fahrlässigen Handelns zu machen. Den Antragsunterlagen zum Bewilligungsabschnitt ab dem 1.4.2006 waren die - vom LSG als manipuliert bewerteten - Kontoauszüge von S ua für den Monat Dezember 2005 beigefügt, die einen unzutreffenden Kontostand in Höhe von nur 959,73 Euro anstatt von 6959,73 Euro enthielten. Die unrichtige Angabe wirkte sich sowohl auf den Bewilligungsbescheid vom 24./25.4.2006 als auch auf denjenigen vom 14.9.2006 aus, weil die Angabe aus April 2006 bis zur Vorlage der Lohn- und Gehaltsabrechnung am 26.9.2006 "fortwirkte".

35

7. Die Höhe der Erstattungsforderung ist von der weiteren Sachaufklärung des LSG zur Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung abhängig. Das LSG hat zu Recht die bereits mit dem bestandskräftigen Bescheid vom 13.9.2006 für Juni bis September 2006 zurückgeforderten Leistungen in Höhe von 62,80 Euro berücksichtigt. Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. November 2011 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung und Rückforderung einer Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum von April 2006 bis Juni 2006 in Höhe von zuletzt noch 452,43 Euro.

2

Die 1963 geborene Klägerin lebt mit ihrer 1989 geborenen Tochter in einer gemeinsamen Wohnung. Beide bezogen seit 1.1.2005 durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Rechtsvorgänger des Beklagten (im Folgenden Beklagter). Im Oktober 2005 zeigte sie die Aufnahme einer Vollzeittätigkeit als Packerin an und legte einen nach dem Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge befristeten Arbeitsvertrag vom 1.9.2005 vor. Die Lohnzahlung erfolgte danach am 11. Werktag des Folgemonats (vgl § 3 Nr 1 des Arbeitsvertrages). Mit Schreiben vom 24.5.2006 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum 9.6.2006.

3

Auf ihren Antrag vom 20.3.2006 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrer Tochter Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.3.2006 bis zum 30.4.2006 in Höhe von 402,62 Euro und für die Zeit vom 1.5.2006 bis 31.8.2006 in Höhe von 578,52 Euro monatlich (Bescheid vom 6.4.2006). Dabei führte er aus, für den Monat April 2006 erfolge die vorläufige Anrechnung des Einkommens des Monats März in Höhe des vorherigen Gehaltes (Monat Februar). Falls das Gehalt des Monats März höher ausfalle als das des vorherigen Monats, sei dies mittels Vorlage der Verdienstbescheinigung nachzuweisen.

4

Nach Vorlage von Einkommensbescheinigungen für die Monate März 2006 bis Juni 2006 versandte der Beklagte einen an die Klägerin adressierten Bescheid vom 25.9.2006, mit dem er aufgegliedert nach den Monaten April bis Juli 2006 die gewährten Leistungen teilweise aufhob, und zwar für April 2006 in Höhe von 195,61 Euro, für Mai 2006 in Höhe von 239,19 Euro, für Juni in Höhe von 251,19 Euro und für Juli 2006 in Höhe von 75,36 Euro. Zur Begründung führte der Beklagte unter anderem wörtlich aus:

        

"Sie haben für die genannten Zeiträume nunmehr die entsprechenden Einkommensnachweise eingereicht, wodurch eine abschließende Berechnung erfolgen konnte.
[…]

        

Mit den nachgewiesenen Einkommensverhältnissen sind Sie und die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nicht hilfebedürftig …, so dass ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts teilweise nicht mehr besteht.
[…]

        

Diese Voraussetzungen liegen in Ihrem Fall vor.
[…]

        

Sie haben nach Erlass der Entscheidung Einkommen in unterschiedlicher Höhe erzielt, das zur Minderung des Anspruchs geführt hat […].

        

Während der aufgeführten Zeiträume wurden Ihnen Leistungen wie folgt in Höhe von insgesamt 761,35 € zu Unrecht gezahlt
[…]".

5

Mit als Änderungsbescheid überschriebenem Bescheid vom selben Tag bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrer Tochter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat April 2006 noch in Höhe von 207,01 Euro, für den Monat Mai 2006 in Höhe von 339,33 Euro, für den Monat Juni 2006 in Höhe von 327,33 Euro und für den Monat Juli 2006 in Höhe von 529,16 Euro.

6

Im Laufe des gegen beide Bescheide gerichteten Widerspruchsverfahrens half der Beklagte dem Widerspruch wegen der Aufhebung für Juli 2006 ganz ab (Änderungsbescheid vom 12.12.2007). Mit weiterem, ausschließlich an die Klägerin gerichtetem Bescheid vom 12.12.2007 mit der Betreffzeile "Aufhebungs- und Erstattungsbescheid - Änderungsbescheid zum Bescheid vom 25.9.2006" teilte er ua mit, die Entscheidung vom 6.4.2006 über die Bewilligung von Leistungen werde vom 1.4.2006 bis 30.6.2006 "für Sie" teilweise in Höhe von 188,59 Euro für den Monat April 2006, in Höhe von 230,61 Euro für den Monat Mai 2006 in Höhe von 242,18 Euro für den Monat Juni 2006 aufgehoben. Es ergebe sich eine Gesamtforderung in Höhe von 661,38 Euro. Der Widerspruch im Übrigen blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 13.12.2007).

7

Während des bei dem Sozialgericht (SG) Potsdam anhängigen Klageverfahrens hat der Beklagte von der Klägerin geltend gemachte Fahrkosten anerkannt und den Umfang der Aufhebung für die Monate April 2006 bis Juni 2006 unter Aufschlüsselung der einzelnen Monate reduziert. Er hat nunmehr die auf die Klägerin entfallenden, seiner Ansicht nach zu viel gewährten Leistungen individuell ausgewiesen und auf dieser Grundlage eine Erstattungsforderung wegen der an die Klägerin zu Unrecht gezahlten in Höhe von 452,43 Euro errechnet (Schriftsatz vom 10.12.2008). Das SG hat "die Bescheide vom 25.9.2006 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 12.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2007" aufgehoben, weil sie nicht hinreichend bestimmt seien (Urteil vom 12.5.2009).

8

Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.11.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die fehlende Anhörung sei gemäß § 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) durch das Widerspruchsverfahren, spätestens aber durch das Schreiben des Beklagten vom 14.3.2011 geheilt worden. Die streitgegenständlichen Bescheide entsprächen auch den Anforderungen des § 33 Abs 1 SGB X. Es sei davon auszugehen, dass der Beklagte durch den Bescheid vom 25.9.2006 ausschließlich die Klägerin habe verpflichten wollen. Die Tatsache, dass der Beklagte offensichtlich auch Leistungen zurückfordere, die nicht an die Klägerin bzw für sie, sondern für ihre zur Bedarfsgemeinschaft zählende Tochter erbracht worden seien, führe zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Der Bescheid sei dann lediglich (teilweise) rechtswidrig, weil (und soweit) er die Klägerin über das Maß dessen belaste, das sie selbst zu Unrecht erhalten habe. Die Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides richte sich nach § 48 SGB X. Eine Änderung in den (Einkommens-)Verhältnissen sei erst durch den jeweiligen Zufluss des Einkommens in dem Folgemonat erfolgt. Zur Ermittlung der Höhe des Rückforderungsbetrages habe der Senat nach eigener Prüfung den von der Beklagten zugrunde gelegten Bedarf der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft und das Einkommen im Übrigen nachvollzogen und als zutreffend festgestellt.

9

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, der Anhörungsmangel habe nicht mehr geheilt werden können, weil der Beklagte das Recht zur Nachholung verwirkt habe. Sie habe - nachdem sie mehrfach auf die fehlende Anhörung hingewiesen habe - darauf vertrauen dürfen, dass eine solche nicht mehr erfolgen werde. Darüber hinaus seien die angegriffenen Bescheide auch nicht hinreichend bestimmt und damit rechtswidrig. Es werde insbesondere nicht deutlich, welches Mitglied der Bedarfsgemeinschaft von der Aufhebung materiell-rechtlich betroffen sei. Der im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erlassene Änderungsbescheid vom 12.12.2007 entspreche auch nicht der zum Arbeitsförderungsrecht ergangenen Rechtsprechung (Hinweis auf BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1 RdNr 10 und SozR 3-1500 § 128 Nr 15 S 32 f), wonach ein Aufhebungsbescheid dann zu unbestimmt sei, wenn er nur eine Teilaufhebung für einen Gesamtzeitraum in Höhe eines Gesamtbetrages ohne Konkretisierung dieses Betrages für die einzelnen Wochen enthalte. Im Übrigen sei auch die Entscheidungsfrist von einem Jahr nicht eingehalten worden. Schließlich sei auch der Erstattungsbescheid in Ansehung der Entscheidung des Senats vom 7.7.2011 (B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2) nicht hinreichend bestimmt.

10

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. November 2011 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 12. Mai 2009 zurückzuweisen.

11

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Er hält die angegriffene Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision hat im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht Erfolg (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Auf Grundlage der bisherigen Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Beklagte zu Recht die Bewilligung von Leistungen für die Monate April bis Juni 2006 teilweise aufgehoben und insoweit Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen von der Klägerin verlangt.

14

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 25.9.2006 und vom 12.12.2007 (§ 86 SGG) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2007 (§ 95 SGG), gegen die sich die Klägerin mit der (isolierten) Anfechtungsklage wendet (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG). Mit diesen Bescheiden hat der Beklagte zum einen die mit Bescheid vom 6.4.2006 verfügte Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.4.2006 bis zum 30.6.2006 als teilweise rechtswidrig insoweit zurückgenommen, als von der Klägerin erzieltes Einkommen hätte berücksichtigt werden müssen, und zum anderen die Erstattung des überzahlten Betrages in Höhe von ursprünglich 661,38 Euro verlangt. Nachdem die Klägerin im Revisionsverfahren das Teilanerkenntnis des Beklagten im Schriftsatz vom 10.12.2008 angenommen hat, ist insoweit nur die Aufhebung und Erstattung wegen Leistungen in Höhe von 452,43 Euro streitig. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist darüber hinaus aber auch der (bewilligende) Änderungsbescheid vom 25.9.2006, weil er mit dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom gleichen Tage eine rechtliche Einheit im Sinne eines einheitlichen Bescheides zur Höhe des Arbeitslosengelds II (Alg II) in dem von der Aufhebung betroffenen Zeitraum darstellt. Die Verfügungssätze der beiden am 25.9.2006 erlassenen Bescheide korrespondieren miteinander (im Einzelnen dazu unter 4b); dementsprechend hat die Klägerin ausdrücklich beide Bescheide angegriffen.

15

Beteiligt ist auf Klägerseite nur die Klägerin selbst. Sie lebte nach den Feststellungen des LSG im streitigen Zeitraum zwar mit ihrer Tochter in einer Bedarfsgemeinschaft. Sie hat aber das Klageverfahren von Beginn an allein betrieben, ohne dass es einen Hinweis darauf gab, dass sie - bis zum Eintritt deren Volljährigkeit - als gesetzliche Vertreterin auch Ansprüche ihrer Tochter geltend machen wollte. Ohnehin macht der Beklagte nach Abgabe des Teilanerkenntnisses Ansprüche nur noch gegen die Klägerin selbst geltend.

16

2. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des vorangegangenen Bewilligungsbescheides kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Zu Unrecht sind der Beklagte und die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Aufhebungsentscheidungen am Maßstab des § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II(hier in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) iVm § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X zu überprüfen sind. Vielmehr kommt wegen der Aufhebung von zuvor bewilligten Leistungen hier nur die Regelung des § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 45 Abs 1, Abs 2 bis 4 SGB X als Ermächtigungsgrundlage in Betracht. Feststellungen, nach denen beurteilt werden kann, ob der Tatbestand des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X erfüllt ist, was Voraussetzung für eine Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit wäre, fehlen aber.

17

Nach § 48 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. § 45 SGB X regelt demgegenüber, dass ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Abs 2 bis 4 ganz oder teilweise zurückgenommen werden darf. Die Normen grenzen sich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des aufzuhebenden Verwaltungsakts voneinander ab (vgl BSGE 96, 285 = SozR 4-4300 § 122 Nr 4, RdNr 13; BSGE 65, 221, 222 = SozR 1300 § 45 Nr 45 S 141; vgl zuletzt auch BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 45/09 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 36 RdNr 15). Dabei ist die Verwaltung grundsätzlich verpflichtet, vor Erlass eines Bescheides die Sachlage vollständig aufzuklären, um die objektiven Verhältnisse festzustellen (vgl BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1, RdNr 6 mwN). Erlässt die Verwaltung einen endgültigen Bescheid auf Grundlage eines nicht endgültig aufgeklärten Sachverhalts und stellt sich später heraus, dass der Bescheid bereits im Zeitpunkt des Erlasses objektiv rechtswidrig war, ist ein Fall des § 45 SGB X gegeben. Dies gilt unabhängig davon, zu welchen Ermittlungen sich die Verwaltung aufgrund der Angaben des Antragstellers vor Erlass des Ausgangsverwaltungsakts gedrängt sehen musste (vgl bereits BSG vom 21.6.2011 - B 4 AS 21/10 R - BSGE 108, 258 = SozR 4-4200 § 11 Nr 39, RdNr 16).

18

Der Erlass eines endgültigen Bescheides ist damit kein taugliches Instrumentarium in Fällen, in denen objektiv nur die Möglichkeit einer prospektiven Schätzung insbesondere der Einkommenssituation besteht. Wenn das zu erwartende Arbeitsentgelt etwa als Leistungsentlohnung (wie nach Aktenlage hier auf Basis einer Stückzahl) oder als Zeitlohn ohne von vornherein fest vereinbarte Stundenzahl vertraglich geregelt ist, ist typischerweise der Anwendungsbereich des § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II(seit 1.1.2011 § 40 Abs 2 Nr 1 SGB II)iVm § 328 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) eröffnet. Der Erlass eines endgültigen Bescheides statt eines vorläufigen Bescheides ist dann von Anfang an rechtswidrig und § 45 SGB X die für seine Aufhebung einschlägige Ermächtigungsgrundlage. § 48 SGB X wäre demgegenüber nur dann anwendbar, soweit sich hinsichtlich der anderen Voraussetzungen eine wesentliche Änderung ergibt(BSG vom 21.6.2011 - B 4 AS 21/10 R - BSGE 108, 258 = SozR 4-4200 § 11 Nr 39, RdNr 16 unter Hinweis auf BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1, RdNr 6).

19

Wegen der Bewilligung von Leistungen für April 2006 ist der Beklagte von vornherein von einer unzutreffenden (wenn auch für die Klägerin günstigen) Tatsachengrundlage ausgegangen (vgl zum Fall der fehlerhaften Ausgangsentscheidung auf Grundlage eines mangelhaft ermittelten, zu günstigen Sachverhalts auch Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 45 RdNr 29). Er hat im Bescheid vom 6.4.2006 das künftige Einkommen für April 2006 in Höhe des Einkommenszuflusses für März 2006 zugrunde gelegt, obwohl zwischen den Parteien des Arbeitsvertrages kein festes monatliches Arbeitsentgelt, sondern ein Leistungslohn vereinbart war. Dabei lässt sich den Formulierungen im Bescheid nicht entnehmen, dass die Bewilligung als solche unter dem Vorbehalt ihrer Vorläufigkeit stehen sollte. Für den Empfänger des Bescheides ist unter Würdigung der Gesamtumstände - insbesondere seiner Gestaltung - nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar geworden, dass eine abschließende Entscheidung noch ausstehen könnte (vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 46 S 384; BSG SozR 3-1300 § 32 Nr 4 S 35; SozR 3-1300 § 31 Nr 10 S 12). An keiner Stelle des Bewilligungsbescheides sind Ausführungen zu einer nur vorläufigen Bewilligung zu finden. Damit hat der Beklagte insoweit eine Entscheidung getroffen, die nur noch unter den Voraussetzungen des § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II aF iVm § 45 SGB X korrigiert werden kann.

20

Auch für die Monate Mai 2006 und Juni 2006 stellt sich die Ausgangsentscheidung als von Anfang an rechtswidrig dar. Nach den Feststellungen des LSG hat zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides im April 2006 das Arbeitsverhältnis der Klägerin nach wie vor bestanden; nach wie vor wurden hieraus unregelmäßig hohe Einkünfte erzielt. Zwar hat das LSG nicht festgestellt, bis zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis der Klägerin ursprünglich befristet war, es hat aber mitgeteilt, dass dieses jedenfalls (erst) zum 9.6.2006 endete. Im Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides lagen damit auch für die Monate Mai 2006 und Juni 2006 objektiv erst künftig ermittelbare Umstände vor, die lediglich eine vorläufige Bewilligung von Leistungen gerechtfertigt hätten. Der Beklagte hat jedoch ausgehend von der unzutreffenden Annahme, Einkommen werde nur noch für April erzielt werden, endgültig entschieden. Unerheblich ist - wie bereits ausgeführt -, ob der objektiv zu erwartende Einkommenszufluss dem Beklagten zu diesem Zeitpunkt bekannt war. Die Frage, ob der Behörde zuzurechnen ist, dass auf Grundlage unzureichender Ermittlungen ein bereits anfänglich objektiv fehlerhafter und deshalb rechtswidriger Verwaltungsakt erlassen worden ist, bleibt nach der Struktur des § 45 SGB X der Prüfung seines Absatzes 2 Satz 3 vorbehalten.

21

3. Wenn sich danach § 45 SGB X als einschlägige Rechtsgrundlage für die Aufhebung darstellt, erweisen sich die angegriffenen Verfügungen des Beklagten nicht etwa deshalb als formell rechtswidrig, weil die Klägerin zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 SGB X nicht gemäß § 24 Abs 1 SGB X ordnungsgemäß angehört worden ist. Denn bezüglich der Frage, ob ein Anhörungsfehler vorliegt, ist von der materiell-rechtlichen Rechtsansicht der handelnden Verwaltungsbehörde auszugehen, mag sie auch falsch sein (BSGE 69, 247, 252 = SozR 3-1300 § 24 Nr 4 und BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 1; dazu auch BSG vom 9.11.2010 - B 4 AS 37/09 R - SozR 4-1300 § 41 Nr 2 RdNr 12). Zwar hat der Beklagte die Klägerin vor Erlass der in ihre Rechtsposition eingreifenden Aufhebungsverfügungen nicht angehört. Ausgehend von ihrer materiell-rechtlichen Rechtsansicht, wonach § 48 SGB X taugliche Ermächtigungsgrundlage war, ist aber bereits während des Widerspruchsverfahrens, in dessen Rahmen sich die Klägerin zu den aus Sicht des Beklagten entscheidungserheblichen Tatsachen äußern konnte, die erforderliche Anhörung nachgeholt und damit der Verfahrensmangel gemäß § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II aF iVm § 41 Abs 1 Nr 3, Abs 2 SGB X geheilt worden. Selbst wenn man dies als nicht ausreichend ansehen wollte, hat der Beklagte im Rahmen des Berufungsverfahrens ein mehr oder minder förmliches Anhörungsverfahren durch das an die Klägerin adressierte Schreiben in die Wege geleitet. Da der Beklagte im Grundsatz nach § 41 Abs 2 SGB X befugt ist, die fehlende Anhörung bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen Verfahrens nachzuholen(dazu etwa BSG Urteil vom 31.10.2002 - B 4 RA 15/01 R - SozR 3-1300 § 24 Nr 22; BSG Urteil vom 9.11.2010 - B 4 AS 37/09 R - SozR 4-1300 § 41 Nr 2), fehlt für die von der Klägerin geäußerte Auffassung, der Beklagte habe "sein Anhörungsrecht verwirkt" eine nachvollziehbare Grundlage. Wegen der Aufhebungsentscheidungen kam - vom rechtlichen Ausgangspunkt des Beklagten betrachtet - im Übrigen die Regelung des § 24 Abs 2 Nr 5 SGB X zum Tragen, weil einkommensabhängige Leistungen geänderten Verhältnissen angepasst werden sollten.

22

4. Ob die angegriffenen Aufhebungsverfügungen materiell rechtmäßig sind, kann der Senat aufgrund fehlender tatsächlicher Feststellungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der maßgeblichen Ermächtigungsgrundlage des § 45 SGB X nicht abschließend entscheiden.

23

a) Der Umstand, dass der Beklagte seine Aufhebungsverfügungen fehlerhaft auf § 48 SGB X gestützt hat, ist allein nicht klagebegründend. Weil die §§ 45, 48 SGB X auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsakts, gerichtet sind, ist das Auswechseln dieser Rechtsgrundlagen grundsätzlich zulässig(dazu bereits BSG vom 21.6.2011 - B 4 AS 21/10 R - BSGE 108, 258 = SozR 4-4200 § 11 Nr 39, RdNr 34 mwN). Vorliegend kann dies bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung aber nur dann gelten, wenn Vertrauensschutzgesichtspunkte auf Seiten der Klägerin einer Befugnis zur Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit nicht entgegenstehen; ansonsten wäre eine Ermessensentscheidung zu treffen gewesen. § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II aF verweist ergänzend auf § 330 Abs 2 SGB III; dieser ordnet an, dass bei Vorliegen der in § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes diese - im Wege einer gebundenen Entscheidung, also ohne Ermessen - auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist. Das LSG hat bisher - von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend - noch keine Tatsachen festgestellt, nach denen beurteilt werden kann, ob der Tatbestand des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X erfüllt ist. Dies wird es im wieder eröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben.

24

b) Wie das LSG im Ergebnis zutreffend entschieden hat, erweisen sich die angefochtenen Aufhebungsverfügungen vom 25.9.2006 als inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 40 Abs 1 Satz 1 SGB II aF iVm § 33 Abs 1 SGB X) und sind nicht schon aus diesem Grund materiell rechtswidrig.

25

Nach § 33 Abs 1 SGB X muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dieses Erfordernis bezieht sich sowohl auf den Verfügungssatz der Entscheidung (BSG SozR 4-5910 § 92c Nr 1 RdNr 11) als auch auf den Adressaten eines Verwaltungsaktes (BSG vom 16.5.2012 - B 4 AS 154/11 R - SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16). Insofern verlangt das Bestimmtheitserfordernis, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und - den unzweifelhaft erkennbaren - Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten. Nur der inhaltlich hinreichend bestimmte Verwaltungsakt kann seine Individualisierungs- und Klarstellungsfunktion erfüllen und - soweit erforderlich - als Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung dienen. Sichergestellt muss daher sein, zwischen wem (Adressat, Betroffenem und Behörde) die Rechtsbeziehung geregelt werden soll. Darüber hinaus muss klar sein, welche Rechtsbeziehung geregelt wird und wie die Regelung aussehen soll. Aus dem Verfügungssatz muss für die Beteiligten vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will und von wem sie es will (vgl BSG Urteil vom 15.5.2002 - B 6 KA 25/01 R - SozR 3-2500 § 85 Nr 46 S 384 mwN). Es darf nicht dem Adressaten überlassen bleiben, Gegenstand, Inhalt, Zeitpunkt und Umfang der Aufhebung zu bestimmen, weil der in begünstigende Rechtspositionen eingreifende Leistungsträger verpflichtet ist, diese Entscheidung selbst zu treffen und dem Adressaten bekannt zu geben (so BSG vom 30.3.2004 - B 4 RA 36/02 R - SozR 4-2600 § 149 Nr 1, RdNr 19 und - B 4 RA 46/02 R - Juris RdNr 29, jeweils unter Hinweis auf BSG SozR 3-2600 § 149 Nr 6 S 14 sowie BSG vom 29.4.1997 - 4 RA 25/96 - und vom 16.12.1997 - 4 RA 56/96).

26

Das Bestimmtheitserfordernis als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung verlangt zum einen, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten (näher BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13 mwN). Dabei genügt es zunächst, wenn aus dem gesamten Inhalt des Bescheids einschließlich der von der Behörde gegebenen Begründung hinreichende Klarheit über die Regelung gewonnen werden kann (vgl zur Frage der Aufhebung von Leistungsbescheiden im SGB II allgemein auch Udsching/Link, SGb 2007, 513 ff). Ausreichende Klarheit besteht selbst dann, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlangen zurückgegriffen werden muss.

27

Ausgehend von diesen Grundsätzen bestehen zwar - entgegen der Auffassung des LSG - für sich genommen Bedenken gegen die Bestimmtheit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 25.9.2006, weil sich allein aus diesem Bescheid nicht klar und unzweideutig erkennen lässt, ob sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft angesprochen und ihnen gegenüber Leistungsbewilligungen teilweise aufgehoben werden und damit beide Personen Inhaltsadressaten - also die von der Regelung materiell Betroffenen (dazu Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand April 2011, § 39 SGB X RdNr 13) -der Verwaltungsakte sein sollen oder ob der Bescheid und die in ihm verfügten Aufhebungen für die genannten Monate sich inhaltlich nur an die Klägerin richten. Es ist nur die Klägerin im Adressfeld des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 25.9.2006 genannt; sie wird in der einleitenden Anrede allein angesprochen. Die Formulierung betreffend die Erstattungsverfügung "… wurden Ihnen zu Unrecht gezahlt" spricht ebenfalls dafür, dass sich auch der Aufhebungsverwaltungsakt allein an die Klägerin richtet. Andererseits wird im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25.9.2006 im Verfügungssatz pauschal die (teilweise) Aufhebung über die Bewilligung von Leistungen für die Monate April 2006 bis Juli 2006 ohne Bezugnahme auf einen bestimmten Adressaten bestimmt. In der weiteren Begründung wechselt die ausschließlich persönliche Anrede mit der Bezugnahme auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ("Sie und die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft") ab. Wegen dieser Unklarheiten geht allein aus dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25.9.2006 für einen objektiven Empfänger nicht klar, unzweideutig und widerspruchsfrei hervor, wem gegenüber welche Verfügungen in welchem Umfang aufgehoben werden sollen.

28

Die Aufhebungsverfügungen im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid werden aber mit dem Änderungsbescheid vom selben Tag aus Sicht des Empfängers ausreichend konkretisiert. Mit diesem Bescheid hat der Beklagte ua für die Monate April 2006 bis Juni 2006 unter Beifügung detaillierter Berechnungsbögen geringere Leistungen bewilligt. Dieser Änderungsbescheid bildet mit dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid eine rechtliche Einheit für den von der Aufhebung betroffenen Zeitraum (vgl zur Aufhebung einer Bewilligung wegen Eintritts einer Sperrzeit bereits BSG Urteil vom 25.5.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R - BSGE 95, 8 = SozR 4-4300 § 140 Nr 1, RdNr 6; BSG Urteil vom 18.8.2005 - B 7a AL 4/05 R - SozR 4-1500 § 95 Nr 1 RdNr 5; BSG Urteil vom 5.8.1999 - B 7 AL 14/99 R - BSGE 84, 225, 227 = SozR 3-4100 § 119 Nr 17 S 78; zur Absenkung von Alg II wegen einer Sanktion BSG vom 22.3.2010 - B 4 AS 68/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 4 RdNr 9). So ist er von der Klägerin auch verstanden und dem entsprechend gemeinsam mit dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25.9.2006 angegriffen worden. Die Verfügungssätze der beiden Bescheide korrespondieren miteinander. Bei einem Vergleich der sich aus den jeweiligen Berechnungsbögen ergebenden Individualansprüche ergibt sich, dass sowohl die Leistungsbewilligungen der Klägerin als auch die Leistungsbewilligungen ihrer Tochter jeweils zum Teil aufgehoben werden. Denn in jedem einzelnen Monat zeigt sich jeweils eine Reduzierung der Leistungen bei der Klägerin und ihrer Tochter, aufgeschlüsselt auch nach Regelbedarf und Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (zur Bestimmtheit von Aufhebungsentscheidungen unter diesem Aspekt vgl BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 196/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Zur Begründung des Änderungsbescheides wird - wie im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid - auf die Neuberechnung der Leistungen auf Grundlage der nachgereichten Gehaltsnachweise hingewiesen. Nach alledem ergibt die Auslegung der Bescheide, dass die Aufhebungsverfügungen vom 25.9.2006 sowohl an die Klägerin als auch an ihre Tochter - gesetzlich vertreten durch die Klägerin - gerichtet sind.

29

Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob ein Aufhebungsbescheid dann nicht hinreichend bestimmt iS des § 33 SGB X ist, wenn er nur eine Teilaufhebung für einen Gesamtzeitraum in Höhe eines Gesamtbetrags ohne Konkretisierung dieses Betrags für den jeweiligen Zeitraum enthält(zum Arbeitsförderungsrecht BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1, RdNr 10; SozR 3-1500 § 128 Nr 15 S 32 f). Eine solche Fallkonstellation liegt hier nicht vor. Aus den Aufhebungsverfügungen und dem Änderungsbescheid lässt sich hinreichend deutlich entnehmen, in welchem Umfang eine monatliche Aufhebung jeweils wem gegenüber erfolgt ist.

30

Unerheblich ist schließlich auch, ob der Bescheid vom 12.12.2007, mit dem der Beklagte gegenüber der Klägerin (erneut) die Aufhebungen für die Monate April bis Juni 2006 und eine (nunmehr reduzierte) Erstattung verfügt hat, außerhalb der Jahresfrist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X ergangen ist, wie die Klägerin meint. Soweit der Bescheid die Klägerin nicht nur begünstigt, handelt es sich lediglich um eine wiederholende Verfügung ohne eigenständigen Regelungsgehalt.

31

5. Mangels entsprechender Feststellungen des LSG kann der Senat auch nicht entscheiden, ob die zu Recht auf die Ermächtigungsgrundlage des § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X gestützte Erstattungsverfügung materiell rechtmäßig ist. Wenn, wie vorliegend, die Aufhebungsverfügungen noch nicht bestandskräftig und mit angefochten sind, kann nur Erstattung verlangt werden, soweit sich die Aufhebungen im Ergebnis der Prüfung des LSG als rechtmäßig erweisen. Dabei bestehen an der formellen Rechtmäßigkeit der Erstattungsverfügung unter dem Gesichtspunkt der Anhörung aus den bereits dargestellten Gründen keine Zweifel. Die im Bescheid vom 25.9.2006 enthaltene Erstattungsverfügung und die auch insoweit wiederholende Verfügung im Bescheid vom 12.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2007 (und des im Revisionsverfahren angenommenen Teilanerkenntnisses vom 10.12.2008) erweisen sich schließlich als bestimmt genug. Nach den insoweit eindeutigen Formulierungen ist nicht zweifelhaft, dass wegen der Erstattung von zu Unrecht gezahlten Leistungen von vornherein allein die Klägerin in Anspruch genommen worden ist.

32

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. November 2011 wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Aufhebung des Bescheids vom 5. Februar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2008 für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Oktober 2005 sowie vom 1. Februar bis 30. April 2006 wendet.

Im Übrigen wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. November 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des Landessozialgerichts vorbehalten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bescheids, mit dem der Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeit-raum von Juni 2005 bis November 2006 aufgehoben und die Erstattung von insgesamt 11 771,66 Euro gefordert hat.

2

Die im Juli 1950 geborene Klägerin war im streitigen Zeitraum alleinstehend und bezog von der Rechtsvorgängerin des beklagten Jobcenters (im Folgenden nur noch Beklagter) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Beklagte gewährte der Klägerin Leistungen für den Zeitraum vom 1.5. bis 31.10.2005 (Bescheid vom 8.4.2005) und änderte in der Folge diese Bewilligung für den Zeitraum vom 1.7. bis 31.10.2005 (Bescheid vom 22.6.2005). Für den Bewilligungsabschnitt vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 bewilligte der Beklagte wiederum Leistungen in wechselnder Höhe (Bescheid vom 11.10.2005) und änderte diese für die Zeit vom 1.2. bis 30.4.2006 (Bescheid vom 13.12.2005). Für den Bewilligungsabschnitt vom 1.5.2006 bis 31.10.2006 bewilligte er Leistungen mit Bescheid vom 18.4.2006 und schließlich für die Zeit vom 1.11.2006 bis 30.4.2007 mit Bewilligungsbescheid vom 10.10.2006.

3

Der Beklagte erhielt in der Folge Kenntnis davon, dass der Klägerin im Jahr 2005 mehrere kleinere Geldbeträge sowie am 14.12.2005 ein Betrag von 9693,48 Euro aus einer Erbschaft zugeflossen seien. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 hob der Beklagte "die Entscheidungen" vom "8.4.2005, 11.10.2005, 18.4.2006 und 11.10.2006" über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II vom 1.6.2005 bis 31.7.2005 und vom 1.10.2005 bis 30.11.2005 teilweise sowie vom 1.9.2005 bis 30.9.2005 und vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 vollständig auf. Es folgte die Bezifferung der Aufhebungsbeträge getrennt nach Regelleistung, Beiträgen für Kranken- und Pflegeversicherung sowie für Leistungen für Unterkunft und Heizung, insgesamt ergab sich eine Gesamterstattungsforderung in Höhe von 11 771,66 Euro.

4

Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17.6.2008 zurückgewiesen. Der Klägerin seien im Jahr 2005 insgesamt 10 793,48 Euro aus einer Erbschaft im Zeitraum von Juni 2005 bis Dezember 2005 zugeflossen. Es ergebe sich, ausgehend von der Aufschlüsselung im Einzelnen, ein monatlich anzurechnender Betrag von 869,46 Euro. Unter Berücksichtigung der im streitbefangenen Zeitraum ausgezahlten Leistungen und der abgeführten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung folge daraus ein Rückforderungsbetrag in Höhe von 11 771,66 Euro. Nicht berücksichtigt werden könnten die Darlehensverpflichtungen der Klägerin. Der Widerspruchsbescheid enthielt darüber hinaus eine Übersicht, von welchen zugeflossenen Beträgen der Beklagte im streitigen Zeitraum jeweils monatlich ausgegangen ist sowie ferner eine nach Monaten differenzierte Übersicht, wie sich der Rückforderungsbetrag nach Auffassung des Beklagten errechnet (insoweit aber ohne Aufschlüsselung nach Regelleistung und Kosten der Unterkunft).

5

Das Sozialgericht (SG) Braunschweig hat auf die daraufhin erhobene Klage mit Urteil vom 23.6.2010 den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.6.2008 aufgehoben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben (Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1.11.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Erbschaft vorliegend um Einkommen oder Vermögen gehandelt habe; ebenso könne offenbleiben, ob der Beklagte die Jahresfrist des § 48 Abs 4 Satz 1 iVm § 45 Abs 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) eingehalten habe, denn der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17.6.2008 sei bereits deshalb rechtswidrig und aufzuheben, weil er den Anforderungen des § 33 SGB X an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten nicht genüge. Es müsse die Kennzeichnung des Regelungsgegenstands nach dem bewilligten Betrag, den begünstigten Personen und dem Bewilligungszeitraum erfolgen. Zudem müsse die Aufhebung erkennbar machen, ob sie alle von dem jeweiligen Bewilligungsbescheid und seinen Änderungen geregelten Bezugsmonate betreffe oder sich auf einzelne Teilzeiträume beschränke, die dann zu benennen seien. Entsprechendes gelte hinsichtlich einer betragsmäßig vollständigen oder lediglich anteiligen Rücknahme. Vorliegend ergebe sich die mangelnde Bestimmtheit schon deshalb, weil gleich drei aufzuhebende Bescheide nicht benannt worden seien.

6

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision macht der Beklagte geltend, die angegriffenen Verwaltungsentscheidungen seien hinreichend bestimmt. Durch die ausdrückliche Benennung des Aufhebungszeitraums und unter Heranziehung der Begründung sowie ggf vorhandener Anlagen und früher ergangener Bescheide sei der Regelungsgehalt des Verwaltungsakts jedenfalls einer widerspruchsfreien Auslegung zugänglich. Zudem seien die Aufhebungszeiträume dahingehend konkretisiert worden, ob eine teilweise oder eine vollständige Aufhebung der Bewilligung erfolgt sei. Die Regelung habe nur dahingehend verstanden werden können, dass im Hinblick auf die benannten Zeiträume die Leistungen unter Berücksichtigung der zugrundeliegenden Bewilligungsentscheidungen in ihrer jeweils gültigen Fassung aufgehoben werden sollten. Die Benennung der fehlenden Änderungsbescheide sei schriftsätzlich im Klageverfahren nachgeholt worden. Im Übrigen genüge die angegriffene Entscheidung auch im Hinblick auf die Aufhebungssumme den Bestimmtheitsanforderungen, da jedenfalls im Widerspruchsbescheid eine ausführliche und detaillierte Darstellung der monatlichen Einzelbeträge erfolgt sei.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. November 2011 und das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 23. Juni 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält die vorinstanzlichen Entscheidungen für zutreffend und führt ergänzend aus, bei fehlender Aufhebung von Bescheiden komme auch keine Erstattung in Betracht.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Beklagten (§ 160 Abs 1, § 164 Sozialgerichtsgesetz) ist nur teilweise im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Für die Zeiträume vom 1.7. bis 31.10.2005 sowie vom 1.2. bis 30.4.2006 war die Revision dagegen zurückzuweisen, denn insoweit fehlte es an der Aufhebung der auf diese Zeiträume entfallenden Leistungsbescheide (Änderungsbescheide), sodass das LSG insoweit die Berufung im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen hat.

11

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.6.2008. Gegen die in diesem Bescheid enthaltenen Verfügungen, die zuvor ergangenen Bewilligungsentscheidungen vom 8.4.2005, 11.10.2005, 18.4.2006 und 10.10.2006 über Leistungen nach dem SGB II vom 1.6. bis 31.7.2005 und vom 1.10. bis 30.11.2005 teilweise sowie vom 1.9. bis 30.9.2005 und vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 ganz aufzuheben, und für den Gesamtzeitraum vom 1.6.2005 bis 30.11.2006 Arbeitslosengeld II in Höhe von insgesamt 7286,56 Euro (Regelleistung 5557,51 Euro, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge 1729,05 Euro) und Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 4485,10 Euro, also insgesamt 11 771,66 Euro zurückzufordern, wendet sich die Klägerin mit ihrer Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG).

12

2. Es kann vorliegend über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der vorangegangenen Verwaltungsakte nicht abschließend entschieden werden, weil das LSG im Hinblick auf die von ihm angenommene fehlende Bestimmtheit dieser angefochtenen Verwaltungsakte die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligungsbescheide nicht weiter geprüft hat.

13

a) Der Beklagte hat den angefochtenen Bescheid insoweit auf § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch und § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X gestützt. Ob er die Aufhebung der Bewilligungsentscheidungen vom 8.4.2005, 11.10.2005, 18.4.2006 und 10.10.2006 durchgehend auf § 48 SGB X stützen konnte, kann mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen durch das LSG nicht entschieden werden. Eine Anwendung des § 48 SGB X kommt in Betracht, wenn nach Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung eine wesentliche Änderung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht eingetreten ist. § 45 SGB X, der weitergehenden Vertrauensschutz bietet(vgl § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X), findet dagegen Anwendung, wenn der Verwaltungsakt bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war und deshalb geändert werden soll. Beide Normen grenzen sich folglich nach dem Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts, der aufgehoben werden soll, ab (vgl BSGE 96, 285 = SozR 4-4300 § 122 Nr 4, RdNr 13; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R).

14

Das LSG hat es bereits offen gelassen, ob es sich bei "der Erbschaft", die nach der Aufstellung im Widerspruchsbescheid in mehreren Etappen zugeflossen ist, um zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen gehandelt hat; der für die Abgrenzung maßgebliche Zeitpunkt des jeweiligen Einkommenszuflusses (bzw Vermögenserwerbs) ist nicht geprüft worden. Schließlich fehlen auch Feststellungen zur Höhe ggf zu berücksichtigenden Einkommens. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, ob sämtliche Leistungsbewilligungen gemäß § 48 SGB X aufgehoben werden konnten, oder - wofür hier viel spricht - nicht jedenfalls die Bescheide betreffend die Leistungszeiträume ab dem Jahr 2006 nach dem Zufluss des Betrags von 9693,48 Euro im Dezember 2005 bereits anfänglich rechtswidrig waren und eine Aufhebung deshalb nur unter den Voraussetzungen von § 45 SGB X hätte erfolgen dürfen. Erst im Anschluss an diese Prüfung können abschließende Aussagen zur Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung getroffen werden. Allein der Umstand, dass der Beklagte seine Aufhebungsentscheidung vorliegend ausschließlich auf § 48 SGB X gestützt hat, führt allerdings nicht zum Erfolg der Klage, denn die §§ 45, 48 SGB X haben dasselbe Ziel, weshalb das Auswechseln der genannten Rechtsgrundlagen grundsätzlich zulässig ist(vgl BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 45/09 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 36 RdNr 17 mwN).

15

Je nachdem, welche Rechtsgrundlage einschlägig ist, wird das LSG die weiteren Voraussetzungen der jeweiligen Norm zu prüfen haben. Dabei werden auch Feststellungen zur formellen Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheids nachzuholen sein, insbesondere zur Durchführung der Anhörung, wobei ungeachtet der in den Verwaltungsakten befindlichen Unterlagen dazu das Erfordernis einer eigenständigen, nicht notwendigerweise förmlichen Anhörung jedenfalls durch das Widerspruchsverfahren gewahrt wäre (vgl BSG Urteil vom 9.11.2010 - B 4 AS 37/09 R - SozR 4-1300 § 41 Nr 2 RdNr 17; Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 144/10 R).

16

b) Die vom LSG angenommene Rechtswidrigkeit der Aufhebungsverfügung ergibt sich aber nicht aus der mangelnden Bestimmtheit iS von § 33 Abs 1 SGB X. Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2; Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R). Maßstab für die Bestimmtheitsprüfung ist also der Empfängerhorizont, für die Beteiligten muss sich aus dem Verfügungssatz vollständig, klar und unzweideutig ergeben, was die Behörde will. Unschädlich ist es dabei, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (vgl auch BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Diese Auslegungsmöglichkeiten finden allerdings ihre Grenze dort, wo es dem Adressaten überlassen bleibt, Gegenstand, Inhalt, Zeitpunkt und Umfang der Aufhebung zu bestimmen, weil der in begünstigende Rechtspositionen eingreifende Leistungsträger verpflichtet ist, diese Entscheidung selbst zu treffen und dem Adressaten bekannt zu geben (so BSG vom 30.3.2004 - B 4 RA 36/02 R - SozR 4-2600 § 149 Nr 1 RdNr 14 unter Hinweis auf BSG SozR 3-2600 § 149 Nr 6 S 14 sowie BSG vom 29.4.1997 - 4 RA 25/96 - und vom 16.12.1997 - 4 RA 56/96).

17

Der Aufhebungsverwaltungsakt des Beklagten genügt den dargelegten Anforderungen an das Bestimmtheitserfordernis. Es geht aus dem Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides klar und unzweideutig hervor, dass der Beklagte als handelnde Behörde bestimmte, näher bezeichnete Leistungsbescheide, die allein die Klägerin betreffen, ganz oder teilweise aufhebt. Die Aufhebungsverfügungen sind auch nicht deshalb zu unbestimmt, weil sie nicht monatsweise zwischen der bewilligten Regelleistung und den Leistungen für Unterkunft und Heizung unterschieden hätten. Soweit teilweise vertreten wird, ein Aufhebungsverwaltungsakt sei nur dann hinreichend bestimmt, wenn er - spiegelbildlich zur Bewilligung - die aufgehobenen Leistungen monatsweise nach Leistungsarten unterscheide, insbesondere also deutlich machte, ob es sich um Leistungen für Unterkunft und Heizung oder um die Regelleistung handele (so LSG Rheinland-Pfalz vom 30.3.2010 - L 3 AS 138/08 - Juris RdNr 54 ff), folgt der Senat dem nicht (ablehnend für die Festsetzung der Erstattungsforderung nach § 50 Abs 1 SGB X bereits Urteil des Senats vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2 RdNr 37). Für den Leistungsberechtigten muss nur erkennbar sein, ob und in welchem Umfang ihm monatlich Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts verbleiben, um sein Verhalten daran ausrichten zu können. Jedenfalls mit dem Widerspruchsbescheid hat der Beklagte aber im Einzelnen erkennbar gemacht, welche Bezugsmonate in welchem Umfang von der Aufhebung betroffen sind.

18

Auch die Tatsache, dass der Beklagte im Aufhebungsverwaltungsakt einen Bewilligungsbescheid statt mit "10.10.2006" mit "11.10.2006" bezeichnet hat, hat nicht zur Folge, dass der Verwaltungsakt insgesamt wegen mangelnder Bestimmtheit rechtswidrig ist. Es handelte sich bei der fehlerhaften Datumsangabe - wie sich aus dem Gesamtzusammenhang ergibt - um eine offensichtliche Unrichtigkeit, die jederzeit beseitigt werden kann (vgl § 38 SGB X). Die fehlende Aufzählung sämtlicher für die betreffenden Leistungszeiträume relevanter Bewilligungsbescheide ist keine Frage der Bestimmtheit, denn dies wirkt sich lediglich auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung aus (dazu unter 3). Die Bestimmtheit des Verwaltungsakts ist deshalb nicht in Frage gestellt.

19

3. Der Erstattungsverwaltungsakt ist teilweise rechtswidrig und war insoweit aufzuheben. Eine Erstattung zu Unrecht erbrachter Geldleistungen kann auf § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X nur gestützt werden, soweit ein Verwaltungsakt (mithin die entsprechende Leistungsbewilligung) aufgehoben worden ist. Dies hat der Beklagte vorliegend hinsichtlich der Änderungsbescheide vom 22.6.2005 und vom 13.12.2005 versäumt. Zwar ist für den Zeitraum vom 1.5. bis 31.10.2005 einerseits und den Zeitraum vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 andererseits der zunächst maßgebliche Bewilligungsbescheid (vom 8.4.2005 bzw vom 11.10.2005) von der Aufhebung erfasst. Im laufenden Bewilligungszeitraum vom 1.5. bis 31.10.2005 hat der Beklagte aber ab dem 1.7.2005 aufgrund einer Änderung der Verhältnisse eine vollständig neue Leistungsbewilligung erlassen, nämlich den Änderungsbescheid vom 22.6.2005. Ebenso hat er für den Bewilligungszeitraum vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 mit Änderungsbescheid vom 13.12.2005 vom 1.2.2006 bis 30.4.2006 eine neue Leistungsbewilligung vorgenommen. Diese beiden Änderungsbescheide sind im Aufhebungsbescheid nicht genannt. Damit ist eine Aufhebung dieser Bescheide nicht verfügt; die Bewilligungsbescheide vom 22.6.2005 und vom 13.12.2005 sind bestandskräftig. Die Aufhebung der Bewilligungsbescheide vom 8.4.2005 und vom 11.10.2005 geht insoweit ins Leere. Eine Erstattung der Leistungen für die Zeiträume vom 1.7. bis 31.10.2005 und vom 1.2.2006 bis 30.4.2006 auf Grundlage von § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X scheidet aus.

20

Wegen des Erstattungsverwaltungsakts im Übrigen ist eine abschließende Entscheidung nicht möglich, solange nicht feststeht, inwieweit die Aufhebung der übrigen Bewilligungen Bestand hat. Auch für den Erstattungsverwaltungsakt gilt, dass seine mangelnde Bestimmtheit nicht erkennbar ist. Die übrige Prüfung, ob die Erstattungsverfügung in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig ist, wird das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben. Ggf ist die gesamte Erstattungssumme im Hinblick auf die fehlende Aufhebung für einzelne Leistungszeiträume neu zu bestimmen.

21

Das LSG wird ggf über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 36a Abs. 2 des Ersten Buches findet insoweit keine Anwendung.

(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 36a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 des Ersten Buches muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 36a Abs. 2 des Ersten Buches erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.

(5) Bei einem Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Satz 1 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen; bei einem elektronischen Verwaltungsakt muss auch das der Signatur zugrunde liegende Zertifikat nur die erlassende Behörde erkennen lassen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 13. Juni 2013 geändert.

Die Berufung der Klägerin wird als unzulässig verworfen, soweit die Aufhebung des Bescheids vom 27. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juni 2007 auch hinsichtlich ihres Sohnes beantragt wurde.

Im Übrigen wird die Revision des Beklagten zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin 3/4 der Kosten des Rechtsstreits in allen drei Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Rücknahme einer Leistungsbewilligung ab dem 1.10.2006. Das beklagte Jobcenter bewilligte der Klägerin und ihrem minderjährigen Sohn mit Bescheid vom 14.7.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom 1.7. bis zum 31.12.2006 in Höhe von 592,23 Euro monatlich. In ihrem Leistungsantrag hatte die Klägerin angegeben, mit ihrem geschiedenen Ehemann K. als Mitmieter in einer gemeinsam ab dem 1.3.2005 angemieteten Wohnung zu leben. K. erklärte nach Antragstellung, er und die Klägerin bildeten keine Bedarfsgemeinschaft. Zugleich legte er Verdienstbescheinigungen für die Monate Oktober 2005 bis April 2006 vor. Nach einem im August 2006 durchgeführten Hausbesuch in der Wohnung der Klägerin ging der Beklagte vom Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen der Klägerin und ihrem geschiedenen Ehemann aus und forderte beide mit Schreiben vom 20.9.2006 unter Hinweis auf ihre Mitwirkungspflicht nach §§ 60 ff Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) auf, bis zum 26.9.2006 die Verdienstabrechnungen des K. für Mai bis August 2006 sowie seine Kontoauszüge der letzten drei Monate einzureichen. Nach einem Aktenvermerk des Beklagten vom 27.9.2006 hatte die Klägerin auf dieses Schreiben telefonisch mitgeteilt, dass K. seine Unterlagen nicht vorlegen wolle, da keine eheähnliche Gemeinschaft zwischen ihnen bestehe.

2

Daraufhin hat der Beklagte mit Bescheid vom 27.9.2006 die Leistungen ab 1.10.2006 wegen Nichterfüllung der Mitwirkungspflicht nach §§ 60 ff SGB I eingestellt und den Bewilligungsbescheid ab dem 1.10.2006 aufgehoben. Den eingelegten Widerspruch hat der Beklagte nach einem Anhörungsschreiben zu einer Änderung der Rechtsgrundlage mit Widerspruchsbescheid vom 20.6.2007 zurückgewiesen. Der Bewilligungsbescheid sei zu Recht nach § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufgehoben worden, da bei dessen Erlass nicht bekannt gewesen sei, dass die Klägerin und K. eine Bedarfsgemeinschaft bildeten. Die Klägerin habe nicht darlegen können, dass sie hilfebedürftig sei. Es sei davon auszugehen, dass die Bedarfsgemeinschaft in der Lage sei, den notwendigen Lebensunterhalt aus dem vorhandenen Einkommen zu bestreiten.

3

Auf ihre am 24.7.2007 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) K. als Zeugen vernommen und die Klage abgewiesen (Urteil vom 21.7.2010). Im von der Klägerin angestrengten Berufungsverfahren hat K. dem Landessozialgericht (LSG) Einkommensunterlagen zugeschickt mit dem Hinweis, dass diese lediglich für das Gericht bestimmt seien. Daraufhin hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG hilfsweise beantragt, Beweis darüber zu erheben, dass K. im streitigen Zeitraum monatlich weiterhin 1700 Euro brutto an Einkünften gehabt habe, durch die von K. bei Gericht eingereichten Unterlagen und das Zeugnis des K. Das LSG hat das Urteil des SG sowie den Bescheid vom 27.9.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgehoben, weil die Voraussetzungen des § 45 SGB X nicht erfüllt seien(Urteil vom 13.6.2013). Der Beklagte trage die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts nach der genannten Vorschrift und sei verpflichtet gewesen, die Auskünfte bei K. selbst unmittelbar nach § 60 Abs 4 SGB II einzufordern. Da der Beklagte dies unterlassen habe, "greife" sein in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellter Beweisantrag nicht. Eine Leistungsentziehung gegenüber der Klägerin wegen fehlender Mitwirkung komme in einem solchen Fall nicht in Betracht; für die Annahme einer fehlenden Hilfebedürftigkeit sei der Beklagte mangels Umkehr der Beweislast beweispflichtig geblieben. Im Übrigen sei die Aufhebungsentscheidung nicht ausreichend iS von § 35 Abs 1 SGB X begründet worden, da lediglich von dem Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft ausgegangen worden sei; dies allein führe jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit der bewilligten Leistungen.

4

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner vom Senat zugelassenen Revision. Er rügt eine Verletzung von § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG), weil das LSG dem hilfsweise gestellten Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei. Verfahrensfehlerhaft sei insbesondere, dass das LSG nicht mitgeteilt habe, warum es den Beweisantrag abgelehnt habe. Im Hinblick auf die Aktenlage sei die Tatsachenbehauptung aufgestellt worden, dass der geschiedene Ehemann der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum Bruttobezüge von 1700 Euro gehabt habe. Die Höhe seiner angenommenen Einkünfte ergebe sich aus den von ihm vorgelegten Unterlagen, wonach er zwischen November 2005 und April 2006 konstante Bruttoeinkünfte ("Festlohn") von 1700 Euro gehabt habe, teilweise zuzüglich Urlaubsgeld. Das LSG habe, ausgehend von seiner Auffassung, dass ihm - dem Beklagten - die Beweislast für das Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen einer Rücknahme des Leistungsbescheids, also insbesondere die mangelnde Hilfebedürftigkeit, oblegen habe, dem Beweisantrag nachgehen müssen. Außerdem verletze das Urteil des LSG Bundesrecht, weil es die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 45 SGB X mit Wirkung nur für die Zukunft verkannt habe.

5

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 13. Juni 2013 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 21. Juli 2010 zurückzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. Dieses sei nicht vom Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft ausgegangen, weshalb das Bundessozialgericht (BSG) über die Sache ohne Zurückverweisung an das LSG abschließend entscheiden könne.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Beklagten ist nur zum Teil begründet, insofern ist das Urteil des LSG vom 13.6.2013 zu ändern (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG), im Übrigen ist die Revision als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).

9

Die Revision ist begründet und das Urteil des LSG ist zu ändern, soweit in ihm der angefochtene Bescheid vom 27.9.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.6.2007 auch hinsichtlich des Sohnes der Klägerin aufgehoben wurde. Die Berufung der Klägerin war hinsichtlich der vom Beklagten aufgehobenen Einzelansprüche des Sohnes als unzulässig zu verwerfen, weil nur die anwaltlich vertretene Klägerin sich gegen den Bescheid gewandt hat, der Sohn an dem Klageverfahren von Anfang an nicht beteiligt war und die Übergangsfrist bis zum 30.6.2007 (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 11) zur Zeit der Klageerhebung am 24.7.2007 abgelaufen war. Der Bescheid des Beklagten ist insoweit bestandskräftig geworden.

10

Im Verhältnis zur Klägerin ist die Revision des Beklagten unbegründet, weil die Voraussetzungen für die Rücknahme des Bewilligungsbescheids vom 14.7.2006 durch den angefochtenen Bescheid vom 27.9.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.6.2007 nach § 45 SGB X nicht erfüllt sind.

11

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind neben dem Urteil des LSG, mit dem das für den Beklagten günstige Urteil des SG aufgehoben worden ist, der Bescheid des Beklagten vom 27.9.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.6.2007, mit dem die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mit Wirkung ab dem 1.10.2006 eingestellt, der zuvor ergangene Bewilligungsbescheid vom 14.7.2006 für die Klägerin und ihren Sohn für die Zeit ab dem 1.10.2006 aufgehoben und ein gesonderter Bescheid hinsichtlich der Rücknahme der Bewilligung für den Zeitraum von Juli bis September 2006 sowie ein Erstattungsbescheid angekündigt worden sind. Sowohl die Klägerin als auch ihr minderjähriger Sohn waren in dem Bewilligungsbescheid namentlich im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft aufgeführt, gegen sie richtete sich sowohl der ursprüngliche Bescheid vom 27.9.2006 als auch der Widerspruchsbescheid vom 20.6.2007 (im Folgenden: Rücknahmebescheid).

12

2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Gegen den genannten Rücknahmebescheid geht die Klägerin zu Recht mit einer reinen Anfechtungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGG vor. Eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage war vorliegend nicht notwendig, denn wenn der Rücknahmebescheid durch das Gericht aufgehoben wird, bleibt es bei der ursprünglichen Leistungsbewilligung des Bescheids vom 14.7.2006 für den Zeitraum vom 1.10.2006 bis 31.12.2006.

13

3. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 27.9.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.6.2007 ist formell rechtmäßig. Insbesondere wurde die Klägerin im Laufe des Widerspruchsverfahrens zu einer Rücknahme nach § 45 SGB X gemäß § 24 SGB X angehört. Ebenso wenig fehlt es dem Bescheid iS von § 35 SGB X deshalb an einer Begründung, weil der Beklagte lediglich Ausführungen zum Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft gemacht hat und im Übrigen davon ausgegangen ist, die Bedarfsgemeinschaft sei in der Lage, den notwendigen Unterhalt aus vorhandenem Einkommen zu bestreiten. Selbst wenn diese Begründung unzureichend oder fehlerhaft ist, würde sich dies als bloßer Begründungsmangel oder Begründungsfehler bei einem gebundenen Verwaltungsakt nicht auf dessen formelle Rechtmäßigkeit selbst auswirken (vgl BSG Urteil vom 29.6.2000 - B 11 AL 85/99 R - BSGE 87, 8 = SozR 3-4100 § 152 Nr 9 mwN).

14

4. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass die Feststellungen des Beklagten (zur Ermittlungspflicht des LSG unter 5.) die aufgeführten Rücknahmevoraussetzungen nicht tragen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte, der nach § 85 Abs 2 SGG iVm § 44b Abs 1 Satz 3 und § 6d SGB II für die Widerspruchsentscheidung zuständig war, im Rahmen seiner umfassenden Prüfungskompetenz(siehe nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 85 RdNr 4a) die im Ausgangsbescheid vom 27.9.2006 angeführte Rechtsgrundlage im Widerspruchsbescheid durch eine andere Rechtsgrundlage ersetzen durfte. Jedenfalls liegen die Voraussetzungen von § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II in der in der strittigen Zeit geltenden Fassung sowie von § 45 Abs 1 und Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X als der in dem Widerspruchsbescheid genannten Rechtsgrundlage für den in die Zukunft gerichteten Rücknahmebescheid nicht vor.

15

a) Nach § 45 Abs 1 SGB X darf ein begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden. Nach § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X kann sich der Begünstigte dabei nicht auf sein Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts nach der genannten Vorschrift setzt nach deren systematischen Stellung im Gefüge der §§ 44 ff SGB X voraus, dass eine ursprüngliche Rechtswidrigkeit vorlag, der Verwaltungsakt also bereits im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war(stRspr, vgl nur BSG Urteil vom 1.6.2006 - B 7a AL 76/05 R - BSGE 96, 285 = SozR 4-4300 § 122 Nr 4, RdNr 13; ebenso Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 45 RdNr 31 mwN).

16

Diese Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bewilligungsbescheids vom 14.7.2006 sind dem Bescheid vom 27.9.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids nicht zu entnehmen. Der Beklagte hat zur Begründung der Rücknahme in dem Widerspruchsbescheid ausgeführt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gehabt habe, weil sie nicht habe nachweisen können, dass sie hilfebedürftig nach § 9 SGB II gewesen sei, da sie mit ihrem früheren Ehemann eine Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 SGB II gebildet habe. Die Klägerin könne sich nicht auf Vertrauen berufen, da ihr die näheren Umstände ihres Zusammenlebens bekannt gewesen seien.

17

Diese Begründung trägt indes nicht die Rücknahme der Leistungsbewilligung, weil es an einer entscheidenden Voraussetzung für eine solche Rücknahme fehlt. Notwendig für die Verneinung der Hilfebedürftigkeit ist in derartigen Konstellationen nicht nur das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft, sondern ebenfalls, dass innerhalb der Bedarfsgemeinschaft ein ausreichendes zu berücksichtigendes Einkommen erzielt wird (§ 9 Abs 2 SGB II). Zur Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens hat der Beklagte aber keine Feststellungen in den angefochtenen Bescheiden getroffen und insbesondere nicht ein Auskunftsverlangen nach § 60 Abs 4 Satz 1 SGB II gegen den früheren Ehemann K. der Klägerin eingeleitet, sondern nur ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass die Bedarfsgemeinschaft in der Lage sei, den notwendigen Lebensunterhalt aus dem vorhandenen Einkommen zu bestreiten. Dies war keine Feststellung aufgrund von Ermittlungen, sondern eine bloße Vermutung, auf die jedoch ein Rücknahmebescheid nicht gestützt werden kann.

18

b) Dass es Aufgabe des beklagten Jobcenters ist, alle Tatsachen zu ermitteln, die zum Erlass eines Verwaltungsakts notwendig sind, folgt aus dem in § 20 SGB X festgeschriebenen Untersuchungsgrundsatz, dessen Reichweite sich nach dem jeweiligen Gegenstand des Verwaltungsverfahrens richtet(vgl Siefert in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 20 RdNr 5). Es müssen somit alle Tatsachen ermittelt werden, die für die Verwaltungsentscheidung wesentlich im Sinne von entscheidungserheblich sind. Ein Absehen von Ermittlungen ist nur zulässig, wenn es auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt, sie offenkundig ist oder als wahr unterstellt werden kann oder das Beweismittel unerreichbar ist (siehe Siefert, aaO, § 20 RdNr 15; Luthe in jurisPK-SGB X, 2013, § 20 RdNr 13).

19

Dementsprechend durfte es der Beklagte bei seiner Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 45 SGB X für eine Rücknahme des Leistungsbescheids vorlagen, nicht dahingestellt sein lassen, ob und ggf in welcher Höhe Einkommen vorhanden war, das für die Deckung der Bedarfe der Bedarfsgemeinschaft ganz oder teilweise ausgereicht hätte. Im Ausgangspunkt noch zutreffend ist der Beklagte seiner Ermittlungspflicht hier insoweit nachgekommen, als er nach einem durchgeführten Hausbesuch und Abwägung weiterer Tatsachen, wie der Zeitdauer des Zusammenlebens der Klägerin und des K. und der Übernahme finanzieller Forderungen, zu der Folgerung gelangt ist, dass zwischen der Klägerin und dem K. eine eheähnliche Gemeinschaft und eine Bedarfsgemeinschaft vorgelegen habe. Es kam dann bei der folgenden Prüfung aber nicht - wie der Beklagte im Widerspruchsbescheid nochmals ausgeführt hat - darauf an, ob die Klägerin ihre Hilfebedürftigkeit darlegen konnte, sondern in der Rücknahmesituation war der Beklagte gehalten, die erforderlichen Ermittlungen zum zu berücksichtigenden Einkommen und der sich daraus ergebenden Folgen für die Hilfebedürftigkeit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft anzustellen, wozu er zunächst das angesprochene Verfahren nach § 60 Abs 4 Satz 1 SGB II gegenüber dem K. hätte einleiten müssen.

20

c) Nach den allgemeinen Regeln für die Darlegungs- und Beweislast gilt, dass derjenige die objektiven Tatsachen darlegen muss, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen. Dies betrifft sowohl das Vorhandensein von positiven, als auch das Fehlen von negativen Tatbestandsvoraussetzungen (vgl allgemein bereits BSG Urteil vom 24.10.1957 - 10 RV 945/55 - BSGE 6, 70). Damit trägt der Beklagte nicht nur die objektive Beweislast für die belastende Rücknahmeentscheidung (siehe nur BSG Urteil vom 13.9.2006 - B 11a AL 13/06 R - RdNr 18; BSG Urteil vom 20.10.2005 - B 7a/7 AL 102/04 R - SozR 4-1500 § 103 Nr 5 RdNr 13 ff; BSG Urteil vom 2.4.2009 - B 2 U 25/07 R - SozR 4-1300 § 45 Nr 8), sondern er ist bereits im vorherigen Verfahrensstadium verpflichtet, die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Norm, auf die er seine Verwaltungsentscheidung stützt, zu ermitteln und entsprechend festzustellen, damit sich der Leistungsberechtigte im Verfahren mit seiner Argumentation auf die die Entscheidung tragenden Gründe einrichten kann.

21

Das ist auch ausnahmsweise deshalb nicht unbeachtlich, weil von Ermittlungen abgesehen werden konnte, da die ungeklärte Tatsache nicht oder nur unter unzumutbar erschwerten Bedingungen zu erreichen war. Vielmehr stand dem Beklagten gerade für Sachverhalte wie dem vorliegenden, bei dem das Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft bestritten wird und mit einer Weigerung des Partners, die geforderte Auskunft über die Einkommens- und Vermögenssituation zu erteilen, einhergeht (§ 60 Abs 4 SGB II), die Möglichkeit zur Verfügung, sich zur Ermittlung des Vorliegens der tatsächlichen Voraussetzungen des Leistungsanspruchs unmittelbar an den Dritten zu wenden. Der Beklagte kann auf der Grundlage des § 60 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB II einen Verwaltungsakt erlassen und bei unterbliebener oder pflichtwidriger Erfüllung der Auskunftspflicht durch den Dritten die Rechte und Befugnisse nach den §§ 62 und 63 SGB II (Schadenersatz, Ordnungswidrigkeitenrecht) in Anspruch nehmen, zudem wäre ein vollstreckungsrechtlicher Zwangsgeldbescheid gemäß § 40 Abs 6 SGB II nach Erlass des Auskunftsverwaltungsakts gemäß § 60 Abs 4 SGB II zu erwägen(vgl Blüggel in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 60 RdNr 56 ff mwN).

22

5. Das LSG war aufgrund seiner Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG nicht verpflichtet, die vom Beklagten unterlassene Ermittlung des zu berücksichtigenden Einkommens als Voraussetzung für seinen Rücknahmebescheid hinsichtlich des Bewilligungsbescheids nachzuholen.

23

a) Die Gerichte sind grundsätzlich verpflichtet, den angefochtenen Verwaltungsakt in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend nachzuprüfen (vgl § 54 Abs 2 Satz 1, § 103 SGG); die beklagte Behörde kann deshalb im Laufe des Gerichtsverfahrens neue Tatsachen und Rechtsgründe "nachschieben" (stRspr: BSGE 3, 209, 216; BSGE 9, 277, 279 f; zuletzt etwa BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 87/09 R - BSGE 107, 255 = SozR 4-4200 § 60 Nr 1; vgl zudem BSG Urteil vom 21.9.2000 - B 11 AL 7/00 R - BSGE 87, 132, 139 = SozR 3-4100 § 128 Nr 10 S 87 f: nicht nur "Kassation", sondern auch "Reformation"). Hinsichtlich eines solchen Nachschiebens von Gründen gibt es jedoch bei belastenden Verwaltungsakten, die im Wege der reinen Anfechtungsklage angefochten werden, Einschränkungen, wenn die Verwaltungsakte dadurch in ihrem Wesen verändert werden und der Betroffene infolgedessen in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden kann (BSGE 3, 209, 216; BSGE 9, 277, 279 f; BSGE 29, 129, 132; BSGE 38, 157, 159; BSGE 87, 8, 12; vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 54 RdNr 35 f mwN; Kischel, Folgen von Begründungsfehlern, 2004, 189 ff). Da die Aufrechterhaltung eines Verwaltungsakts mit einer völlig neuen tatsächlichen Begründung dem Erlass eines neuen Verwaltungsakts gleichkommt, würde das Gericht andernfalls entgegen dem Grundsatz der Gewaltentrennung (Art 20 Abs 2 Satz 2 Grundgesetz) selbst aktiv in das Verwaltungsgeschehen eingreifen (BSGE 9, 277, 280). Eine solche Änderung des "Wesens" eines Verwaltungsakts, das in Anlehnung an den Streitgegenstand eines Gerichtsverfahrens bestimmt werden kann (vgl dahingehend schon BSGE 9, 277, 280 sowie Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl 2015, § 113 RdNr 69), ist ua angenommen worden, wenn die Regelung auf einen anderen Lebenssachverhalt gestützt wird, zB bei einem Streit um die Höhe einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Laufe des Gerichtsverfahrens ein weiteres Element der Rentenberechnung vom Rentenversicherungsträger in Abrede gestellt wird (BSGE 38, 157, 159; BSG SozR 1500 § 77 Nr 56), oder wenn auf eine andere Rechtsgrundlage zurückgegriffen werden soll, die einem anderen Zweck dient (BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 87/09 R - BSGE 107, 255 = SozR 4-4200 § 60 Nr 1, RdNr 16).

24

b) Neben dieser Entwicklung der Rechtsprechung hat der Gesetzgeber einerseits in § 41 Abs 2 SGB X die Heilungsmöglichkeiten für Verfahrens- und Formfehler der Behörde bei Erlass eines Verwaltungsakts bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines gerichtlichen Verfahrens erleichtert(vgl dazu kritisch und zum Verhältnis von Verwaltung und Gericht: Dolderer, DÖV 1999, 104 ff) und andererseits die Möglichkeit der Zurückverweisung vom Gericht an die Behörde eingeführt, wenn diese Ermittlungen unterlässt (§ 131 Abs 5 SGG), sowie dem Gericht das Recht eingeräumt, der Behörde die Kosten einer von ihr unterlassenen und vom Gericht nachgeholten Ermittlung aufzuerlegen (§ 192 Abs 4 SGG). Hierdurch sind die Heilungs- und Nachbesserungsmöglichkeiten der Behörde in formeller Hinsicht erweitert worden, während sie auf der anderen Seite ihre Ermittlungsarbeit nicht auf die Gerichte verlagern soll, weil diese für die materielle Entscheidung von zentraler Bedeutung ist und deren Kern und damit das Wesen des erlassenden Verwaltungsakts bestimmt. Ausgehend von diesen Konkretisierungen des Gesetzgebers und der zuvor dargestellten Rechtsprechung ist in reinen Anfechtungssachen das Nachschieben eines Grundes durch die Behörde regelmäßig unzulässig (vgl zur gesetzlich ausdrücklich angeordneten Pflicht der Gerichte zur Nachermittlung neuer Sachverhalte im Asylrecht etwa BVerwG Urteil vom 29.6.2015 - 1 C 2/15 - juris RdNr 14 f), wenn dieser umfassende Ermittlungen seitens des Gerichts erfordert, die Behörde ihrerseits insofern keine Ermittlungen angestellt hat und der Verwaltungsakt hierdurch einen anderen Wesenskern erhält, weil dann der angefochtene Verwaltungsakt - bei einem entsprechenden Ergebnis der Ermittlungen - mit einer wesentlich anderen Begründung bestand hätte (vgl Kischel, Folgen von Begründungsfehlern, 2004, 190 f).

25

c) Nach diesen Voraussetzungen zielte der Beweisantrag des Beklagten auf eine Wesensänderung des angefochtenen Rücknahmebescheids in der Gestalt des Widerspruchsbescheids ab, weil dieser ausschließlich auf das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft zwischen der Klägerin und K. sowie die nicht nachgewiesene Hilfebedürftigkeit der Klägerin gestützt und mangels weiterer Ermittlungen des Beklagten zum Einkommen des K. offenkundig rechtswidrig war. Erst wenn das LSG dem gestellten Beweisantrag des Beklagten zur Ermittlung des Einkommens des K. nachgekommen wäre, hätte das Gericht die Grundlagen für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts legen können. Trotz des Zusammenhangs zwischen dem Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft und der Erzielung von Einkommen innerhalb der Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs 2 SGB II sind es grundlegend verschiedene Prüfungspunkte, bei denen eigenständige Ermittlungen erforderlich sind, wie zB die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nach § 60 SGB II zeigen. Es handelt sich also nicht nur um eine Ergänzung des Sachverhalts, auf den der Beklagte seine Entscheidung gestützt hat, sondern um die umfassende Prüfung einer weiteren Voraussetzung für den angefochtenen Rücknahmebescheid, die der Beklagte bisher nicht beachtet hatte und deren Prüfung und Aufklärung in tatsächlicher Hinsicht in erster Linie von ihm durchzuführen war. Außerdem wären hierdurch die Verteidigungsmöglichkeiten der Klägerin erheblich erschwert worden, weil - zumal im Stadium des Berufungsverfahrens - die gesonderte Prüfung der Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens seitens des Beklagten gegenüber ihrem geschiedenen Ehemann hinsichtlich des auf der Grundlage von § 60 Abs 4 Satz 1 SGB II zu führenden Verfahrens entfallen wäre. Im Rahmen einer Anfechtungsklage der vorliegenden Art ist es Aufgabe des Gerichts, die Entscheidung der Verwaltungsbehörde zu überprüfen, nicht aber die Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts erst zu schaffen.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Im Sinne von Absatz 1 können Ausländerinnen und Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 des Aufenthaltsgesetzes aufzunehmen, ist ausreichend.

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 8. September 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1.6.2007 bis 31.12.2010.

2

Die 1947 geborene Klägerin wohnt seit 1975 mit dem 1941 geborenen L zusammen. 1986 zogen sie in ein gemeinsam finanziertes und im jeweils hälftigen Eigentum stehendes Eigenheim. Die laufenden Ausgaben für die Finanzierung des Hauses, die Versorgung mit Energie und den Telefonanschluss finanzieren die Klägerin und L seither über ein gemeinsames Konto. Darüber hinaus verfügen beide über eigene Konten, für die dem jeweils anderen eine Verfügungsvollmacht erteilt wurde. Für die das Hauseigentum und den Hausrat betreffenden Versicherungen (Wohngebäude-, Hausrat- und Haftpflichtversicherung) sind beide Versicherungsnehmer.

3

Der Beklagte bewilligte der Klägerin ab 20.5.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Durch Bescheid vom 14.6.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.11.2007 lehnte er die Fortzahlung für die Zeit ab 1.6.2007 ab. Er ging vom Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft mit L aus. Hilfebedürftigkeit sei nicht gegeben. L bezog seinerzeit eine Altersrente aus der DRV (1705,75 Euro netto monatlich) sowie eine monatliche Firmenpension (230,24 Euro netto monatlich). Die Klägerin erfülle sowohl die Voraussetzungen des § 7 Abs 3a Nr 1 SGB II, wonach ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, vermutet werde, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenlebten, als auch des § 7 Abs 3a Nr 4 SGB II, wonach die Vermutungsregel zum Tragen komme, wenn Partner befugt seien, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen. Die Klägerin habe die gesetzliche Vermutung auch nicht widerlegt.

4

Nach Anhörung der Klägerin und Vernehmung des L als Zeugen hat das SG die Klage abgewiesen (Urteil vom 28.4.2009) und das LSG hat die Berufung der Klägerin hiergegen zurückgewiesen (Urteil vom 8.9.2011). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe für die Zeit ab Juni 2007 keinen Leistungsanspruch gegen den Beklagten, weil sie nicht hilfebedürftig iS des SGB II sei. Sie sei nicht außerstande, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen sowie aus dem Einkommen und Vermögen ihres Partners L, zu sichern. Voraussetzung für die Annahme einer Partnerschaft iS des § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Sozialhilfe- als auch Arbeitsförderungsrecht nur eine derart dichte und auf Dauer angelegte Verbindung, dass angenommen werden könne, die Partner fühlten sich so füreinander verantwortlich, dass sie zunächst ihren gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellten, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwendeten. Seiner Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen einer Einstehensgemeinschaft zwischen der Klägerin und L habe der Beklagte bereits in Anwendung der Vermutungsregel des § 7 Abs 3a Nr 4 SGB II genügt. Selbst nach dem unstreitigen tatsächlichen Vorbringen der Klägerin seien die Voraussetzungen für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft gegeben. Denn abgesehen davon, dass die Klägerin und L ein gemeinsames Girokonto unterhielten, über das die gemeinsamen Ausgaben für das Hausgrundstück getätigt würden, bestünden auch für die von beiden allein geführten Girokonten wechselseitige Vollmachten. Darauf, dass die Klägerin nach ihrem eigenen Vorbringen von der erteilten Vollmacht bislang niemals Gebrauch gemacht habe, komme es nicht an, denn bereits die diesbezügliche Verfügungsbefugnis genüge, um eine Partnerschaft zu indizieren. An der Verfassungsmäßigkeit dieser Anknüpfung habe der Senat keine Zweifel. Das BVerfG (Urteil vom 17.11.1992 - 1 BvL 8/87) habe die Befugnis, über das Partnervermögen zu verfügen, als tragendes äußeres Anzeichen für das Bestehen eines gegenseitigen Einstandswillens bereits hervorgehoben. Ob daneben zusätzlich auch die Voraussetzungen der Vermutungsregel des § 7 Abs 3a Nr 1 SGB II vorlägen, lasse der Senat dahinstehen. Die Klägerin habe die bestehende Vermutung einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft nicht widerlegen können. Insoweit werde auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen. Aus dem eigenen Vortrag der Klägerin sowie den Angaben des L lasse sich unstreitig entnehmen, dass beide etwa 1988/89 vereinbart hätten, ein weiteres Zusammenleben auf einer als "freundschaftlich" gekennzeichneten Basis zu versuchen. Sie sähen in der gemeinsamen Erhaltung des Wohnhauses eine die Zukunftsvorstellung prägende Lebensgrundlage. Zudem hätten beide anderweitige Beziehungen auch seit 1988/89 kaum jemals, allenfalls kurzzeitig und stets nur außerhalb der häuslichen Sphäre unterhalten, nicht zuletzt um eine Störung ihres internen Verhältnisses zu vermeiden. Das langjährige Zusammenleben der Klägerin mit L habe daher auch nach 1988/89 auf einer Beziehung beruht, die trotz einer in wesentlichen Teilen selbstständigen alltäglichen Lebensführung für beide eine existenziell wichtige und anderweitige partnerschaftliche Beziehungen ausschließende Bedeutung habe. Maßgeblich sei insoweit das Bestehen einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft, die daneben keine Lebensgemeinschaft gleicher Art zulasse und sich durch eine enge innere Bindung auszeichne, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründe. Da hier von der nicht widerlegten Vermutung einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft auszugehen sei, komme es nicht mehr darauf an, ob daneben eine den Alltag prägenden Gemeinschaftlichkeit der Haushaltsführung oder sexuelle Beziehungen bestünden. Der Senat lasse die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu, weil der Klärung bedürfe, ob in Übereinstimmung mit der von ihm vertretenen Rechtsauffassung auch eine solche Beziehung als Partnerschaft iS von § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II anzusehen sei, in der es an einer indiziellen Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft ebenso wie an einer sexuellen Beziehung fehle, bei der jedoch der insoweit selbstständigen Lebensführung in einer langjährigen gemeinsamen Wohnung eine über Jahrzehnte aufrechterhaltene persönliche Beziehung zugrunde liege, neben der anderweitige Beziehungen lediglich sporadisch und außerhalb des häuslichen Bereichs eingegangen würden, und die mit einer existenziellen Verflechtung der wirtschaftlichen Sphären der Partner durch die gemeinsame Finanzierung des Wohneigentums einhergehe.

5

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 7 Abs 3 Nr 3c, Abs 3a SGB II. Selbst bei Vorliegen der Vermutungstatbestände müsse berücksichtigt werden, dass eine Partnerschaft dann nicht bestehe, wenn jemand sein Einkommen oder Vermögen ausschließlich zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse oder zur Erfüllung eigener Verpflichtungen verwende. Dies sei in der Person des Zeugen L der Fall. Ein Wille, für die Klägerin einzustehen, habe nicht bestanden. Die Bedienung der Hausschulden sei Jahr für Jahr strikt getrennt hälftig durch die Klägerin und L erfolgt. Ferner habe sie seit Einstellung der Leistungen nach dem SGB II ihren Lebensunterhalt in Form von monatlichen Abhebungen von dem Sparbuch ihrer Schwester bestritten. Durch Vorlage der Kontoauszüge und der Auszahlung des Lebensversicherungsvertrages habe sie die Vermutung des § 7 Abs 3a Nr 4 SGB II widerlegt. Aus dem Vorhandensein einer wechselseitigen Kontovollmacht, die auf Verlangen der Bank bei Abschluss der Darlehnsverträge für den Hauskauf ausgestellt worden sei und von der über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren noch niemals Gebrauch gemacht worden sei, könne nicht der wechselseitige Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, entnommen werden. Das bloße Bestehen einer wechselseitigen Kontovollmacht erfülle nicht den Tatbestand des gemeinsamen Wirtschaftens aus einem Topf, welches für die Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft einer Einstehensgemeinschaft als Voraussetzung vorzuliegen habe.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 28. April 2009 und das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 8. September 2011 sowie den Bescheid des Beklagten vom 14. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. November 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin ab 1. Juni 2007 bis 31. Dezember 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens des Herrn L zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet.

10

Der Senat vermag nicht abschließend zu beurteilen, ob der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zustehen. Es kann nach den Feststellungen des LSG nicht erkannt werden, ob die Klägerin und L eine Bedarfsgemeinschaft bilden, in der das Einkommen und Vermögen des L bei der Berechnung des Alg II der Klägerin zu berücksichtigen ist und ihre Hilfebedürftigkeit damit entfällt. Insoweit mangelt es insbesondere an Feststellungen, die die Bewertung zulassen, dass die Klägerin und L in einer Partnerschaft sowie einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft leben. Sollte das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren das Vorliegen dieser beiden objektiven Tatbestandsmerkmale bejahen, wird es gleichwohl, insbesondere unter Beachtung der Revisionsbegründung, zu prüfen haben, ob die Vermutung einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft zwischen den beiden widerlegt ist.

11

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 14.6.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.11.2007, mit dem der Beklagte die Weitergewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab 1.6.2007 mangels Hilfebedürftigkeit der Klägerin aufgrund der Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens des L abgelehnt hat. Die Klägerin hat den streitigen Zeitraum, für den sie Leistungen begehrt, in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat bis zum 31.12.2010 beschränkt. Sie bezieht seit dem 1.1.2011 eine Altersrente und ist damit ab diesem Zeitpunkt gemäß § 7 Abs 4 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.

12

2. Die Vorinstanz hat festgestellt, dass die Voraussetzungen der Nr 1, 2 und 4 des § 7 Abs 1 S 1 SGB II für einen Anspruch auf Alg II vorliegend gegeben sind. Ob bei der Klägerin auch Hilfebedürftigkeit iS des § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II besteht, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen. So mangelt es an Feststellungen des LSG, ob der Hilfebedarf der Klägerin durch Zuwendungen ihrer Schwester und/oder eigenes Einkommen sowie ggf ab wann gemindert oder gedeckt war. Ausgehend von seiner Rechtsauffassung brauchte das LSG dies zwar keiner näheren Prüfung zu unterziehen, denn es hat das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft der Klägerin und L iS des § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II bejaht, in der das Einkommen und Vermögen des L nach § 9 Abs 2 SGB II zur Bedarfsdeckung der Klägerin zu verwenden wäre, sodass ihre Hilfebedürftigkeit iS des § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II entfallen sein könnte. Nach § 9 Abs 2 S 1 SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt nach § 9 Abs 2 S 3 SGB II jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig(vgl hierzu nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 15). Das Vorliegen einer derartigen Bedarfsgemeinschaft vermag der Senat allerdings nach den Feststellungen des LSG im konkreten Fall nicht abschließend nachzuvollziehen.

13

Nach § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II(in der ab dem 1.8.2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) gehört als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die Person zur Bedarfsgemeinschaft, die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Dieser Wille wird nach § 7 Abs 3a SGB II vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben(Nr 1), mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben (Nr 2), Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen (Nr 3) oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen (Nr 4). Ob eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft in diesem Sinne vorliegt, ist anhand von Indizien und im Wege einer Gesamtwürdigung festzustellen.

14

Es mangelt hier bereits an Feststellungen des LSG zum Vorliegen einer Partnerschaft zwischen der Klägerin und L sowie des Zusammenlebens in einem gemeinsamen Haushalt. Das LSG hat bei seiner rechtlichen Prüfung unbeachtet gelassen, dass § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II für das Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft drei Voraussetzungen normiert, die kumulativ vorliegen müssen: Es muss sich 1. um Partner handeln, die 2. in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben, und zwar 3. so, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (siehe Hänlein in Gagel, SGB II, Stand 1/2009, § 7 RdNr 46 ff; S. Knickrehm in KSW, 2. Aufl 2011, § 7 RdNr 17; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, 2. Aufl 2008, § 7 RdNr 44 ff; Sächsisches LSG Urteil vom 7.1.2011 - L 7 AS 115/09 - juris RdNr 31; Sächsisches LSG Beschluss vom 10.9.2009 - L 7 AS 414/09 B ER - juris RdNr 58; Bayerisches LSG Beschluss vom 9.12.2009 - L 16 AS 779/09 B ER - juris RdNr 14). Bei den Kriterien zu 1. und 2. (Partnerschaft und Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt) handelt es sich um objektive Tatbestandsvoraussetzungen, die nach der Systematik des § 7 Abs 3 Nr 3 SGB II kumulativ zu der subjektiven Voraussetzung des Einstehens- und Verantwortungswillens gegeben sein müssen. Partnerschaft und Zusammenleben im gemeinsamen Haushalt sind zugleich Anknüpfungspunkte der Vermutung des § 7 Abs 3a SGB II(siehe auch Wolff-Dellen in Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl 2011, § 7 RdNr 31b). Die subjektive Seite, dass die in einem Haushalt zusammenlebendenden Partner auch den gemeinsamen Willen, füreinander Verantwortung zu tragen und füreinander einzustehen, haben müssen, wird nach § 7 Abs 3a SGB II bei positiver Feststellung einer der dort aufgezählten vier Fälle - die ebenso wie die beiden objektiven Kriterien von Amts wegen ermittelt werden müssen(§ 20 SGB X bzw § 103 SGG) - allerdings vermutet. Es obliegt dann dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, diese Vermutung zu widerlegen. § 7 Abs 3a SGB II regelt mithin (nur) die subjektive Voraussetzung einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft und gibt mit den dort aufgezählten, nicht abschließenden(BT-Drucks 16/1410, 19) Fallgestaltungen Indizien für eine gesetzliche Vermutung von Tatsachen vor, mit deren Hilfe auf den inneren Willen, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, geschlossen werden kann.

15

Das SGB II knüpft insoweit an die bisherige Rechtslage und Rechtsprechung zu § 193 SGB III bzw § 137 AFG und § 122 BSHG an. Insbesondere die Notwendigkeit, dass für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft zwingend eine objektiv festzustellende Partnerschaft sowie Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft - neben dem subjektiven Einstehens- und Verantwortungswillen - gegeben sein muss, folgt dem bisherigen Konzept der Einkommens- und Vermögensberücksichtigung bei existenzsichernden Transferleistungen.

16

§ 137 Abs 2a AFG(eingefügt zum 1.1.1986 durch das Siebte Gesetz zur Änderung des AFG vom 20.12.1985, BGBl I 2484) regelte für den Bereich der Alhi vor Inkrafttreten des § 193 SGB III, dass Einkommen und Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, wie das Einkommen und Vermögen eines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen sind. Nach der Rechtsprechung des BSG war eine eheähnliche Gemeinschaft iS des § 137 Abs 2a AFG gegeben, wenn zwei miteinander nicht verheiratete Personen, zwischen denen die Ehe jedoch rechtlich grundsätzlich möglich ist, so wie ein nicht getrennt lebendes Ehepaar in gemeinsamer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft leben, sie also in Übereinstimmung einen gemeinsamen Haushalt so führen, wie es für zusammenlebende Ehegatten typisch ist(BSG Urteil vom 24.3.1988 - 7 RAr 81/86 - BSGE 63, 120, 123 = SozR 4100 § 138 Nr 17; BSG Urteil vom 26.4.1989 - 7 RAr 116/87). Das BSG bezog sich hierbei (auch) auf die Vorschrift des früheren § 149 Abs 5 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung(AVAVG, idF vom 23.12.1956, BGBl I 1018 - Bekanntmachung der Neufassung vom 3.4.1957, BGBl I 321 - § 141e Abs 5 desselben Gesetzes idF vom 16.4.1956, BGBl I 243), wonach im Rahmen der dortigen Bedürftigkeitsprüfung bei der Alhi ebenfalls das Einkommen und Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, in gleicher Weise zu berücksichtigen war wie das Einkommen und Vermögen des Ehegatten. Diese Vorschrift hatte das BVerfG (Beschluss vom 16.12.1958 - 1 BvL 3/57, 4/57 und 8/58 - BVerfGE 9, 20 = SozR Nr 42 zu Art 3 GG) als mit dem GG vereinbar erklärt und als wesentliches Vergleichselement darauf abgestellt, dass in der eheähnlichen Gemeinschaft wie in einer Ehe "aus einem Topf" gewirtschaftet werde.

17

Ebenfalls auf das objektive Kriterium des "Wirtschaftens aus einem Topf" in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft stellte die Rechtsprechung im Bereich der Sozialhilfe ab (siehe nur BVerwG Urteil vom 27.2.1963 - BVerwGE 15, 306; BVerwG Urteil vom 20.1.1977 - BVerwGE 52, 11; BVerwG Urteil vom 20.11.1984 - BVerwGE 70, 278), wonach gemäß § 122 BSHG Personen, die in eheähnlicher Gemeinschaft leben, hinsichtlich der Voraussetzungen sowie des Umfanges der Sozialhilfe nicht besser gestellt werden durften als Ehegatten.

18

Zwar forderte das BVerfG in seinem Urteil vom 17.11.1992 (1 BvL 8/87 - BVerfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3)zu § 137 Abs 2a AFG, dass die Beziehungen in einer eheähnlichen Gemeinschaft über eine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen müssten. Die Partner müssten in einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft dergestalt leben, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellten, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwendeten. Demnach ist zusätzlich ein subjektives Element iS eines Verantwortungs- und Einstehenswillens erforderlich (wie ihn § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II iVm § 7 Abs 3a SGB II nunmehr auch ausdrücklich anführt). An dem Erfordernis einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft als Grundvoraussetzung änderte dies jedoch nichts. Im Anschluss an die Entscheidung des BVerfG änderte sowohl das BSG als auch das BVerwG seine Rechtsprechung zwar. Sie bezogen die weiteren Voraussetzungen für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft mit ein. Das BSG ließ jedoch keinen Zweifel daran, dass daneben weiter das Bestehen einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen den Partnern erforderlich sei (siehe nur BSG Urteil vom 29.4.1998 - B 7 AL 56/97 R - SozR 3-4100 § 119 Nr 15; BSG Urteil vom 17.10.2002 - B 7 AL 96/00 R - BSGE 90, 90, 94 = SozR 3-4100 § 119 Nr 26; BSG Urteil vom 17.10.2002 - B 7 AL 72/00 R - SozR 3-4300 § 144 Nr 10; BSG Urteil vom 17.10.2007 - B 11a/7a AL 52/06 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 16 RdNr 17; ebenso in der Literatur Ebsen in Gagel, SGB III, Stand 7/1999, § 193 RdNr 54 ff; Henke in Hennig, AFG, Stand 7/1997, § 137 RdNr 33).

19

Dass auch nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II ein "Wirtschaften aus einem Topf" vorab als Voraussetzung für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft zu prüfen ist, zeigt auch die Entwicklung des § 7 SGB II sowie die Gesetzesbegründung hierzu. In § 7 Abs 3 Nr 3b SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, BT-Drucks 15/1516, 52) hieß es zunächst "Zur Bedarfsgemeinschaft gehören als Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen … b) die Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt". Die mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) zum 1.8.2006 erfolgte Änderung des § 7 Abs 3 Nr 3b SGB II sollte lediglich bewirken, dass auch Partner einer nicht eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft eine Bedarfsgemeinschaft bilden können und damit eine Schlechterstellung von Ehepartnern, Partnern einer eheähnlichen Gemeinschaft aber auch Partnern einer gleichgeschlechtlichen eingetragenen Lebenspartnerschaft im Hinblick auf die Einkommens- und Vermögensanrechnung aufheben(vgl BT-Drucks 16/1410, 19). Auswirkungen auf die bis dahin aufgestellten Voraussetzungen einer "eheähnlichen Gemeinschaft" waren damit nicht verbunden. Vielmehr ließen sich nun diese Voraussetzungen auch auf nicht eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften übertragen. Mit der gleichzeitigen Einfügung des § 7 Abs 3a SGB II hat der Gesetzgeber lediglich zu dem vom BVerfG geforderten wechselseitigen Willen, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, eine Vermutungsregelung eingefügt, ohne hierdurch die objektiven Voraussetzungen einer Bedarfsgemeinschaft unter nicht verheirateten Partnern zu verändern.

20

a) Von dem Bestehen einer Partnerschaft ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung von BVerfG (Urteil vom 17.11.1992 - 1 BvL 8/87 - BVerfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3)und BSG (s nur BSG BSGE 90, 90, 100 = SozR 3-4100 § 119 Nr 26, RdNr 39)auszugehen, wenn eine gewisse Ausschließlichkeit der Beziehung gegeben ist, die keine vergleichbare Lebensgemeinschaft daneben zulässt. Zudem muss zwischen dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und dem Dritten die grundsätzliche rechtlich zulässige Möglichkeit der Heirat bzw Begründung einer Lebenspartnerschaft nach dem LPartG bestehen (s Hänlein in Gagel SGB II/SGB III, Stand 01/2009, § 7 SGB II RdNr 47; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 7 RdNr 45). Anhand dieser Kriterien wird das LSG nunmehr - ohne gleichzeitige Einbeziehung des subjektiven Merkmals des Einstehens- und Verantwortungswillens - aufgrund der objektiven Gegebenheiten eine insoweit eigenständige Beweiswürdigung vornehmen müssen. Dabei wird es insbesondere die von ihm selbst dargelegten Aspekte der fehlenden sexuellen Beziehungen zwischen der Klägerin und L, der nur seltenen anderweitigen partnerschaftlichen Beziehungen beider Beteiligter und des Pflegens von anderen Beziehungen nur außerhalb des gemeinsamen häuslichen Bereichs in seine Wertung einzubeziehen haben.

21

b) Das "Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt" iS des § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II erfordert - wie bereits dargelegt - das Bestehen einer "Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft". § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II stellt damit bereits vom Wortlaut her(im Gegensatz zu § 7 Abs 3 Nr 3a und b SGB II für den nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten bzw Lebenspartner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, siehe auch BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 49/09 R - BSGE 105, 291 = SozR 4-4200 § 7 Nr 16, RdNr 14)auf zwei Elemente ab, nämlich das Zusammenleben und kumulativ das Wirtschaften aus einem Topf (BSG Urteil vom 27.1.2009 - B 14 AS 6/08 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 6 RdNr 15; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 68/07 R - BSGE 102, 258 = SozR 4-4225 § 1 Nr 1, RdNr 3; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 5/09 R - juris RdNr 15; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 32/08 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 9 RdNr 16; s auch Hackethal in jurisPK-SGB II, Stand 15.8.2011, § 7 RdNr 56; Hänlein in Gagel, SGB II, Stand 1/2009, § 7 RdNr 47; S. Knickrehm in KSW, 2. Aufl 2011, § 7 RdNr 17; A. Loose in GK-SGB II, Stand 7/2010, § 7 RdNr 7 RdNr 56.1; Sauer in Sauer, SGB II, § 7 RdNr 25; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, 2. Aufl 2008, § 7 RdNr 46; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 1/2012, § 7 RdNr 216).

22

Unter "Zusammenleben" in einer Wohnung ist mehr als nur ein bloßes "Zusammenwohnen", wie es bei Wohngemeinschaften der Regelfall ist, zu verstehen. Andererseits ist es für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft unter nicht ehelich verbundenen Partnern zwingend, dass sie in "einer Wohnung" zusammenleben. Auch bei einer Ehe ist die häusliche Gemeinschaft zwar ein Grundelement der ehelichen Lebensgemeinschaft; jedoch kann bei Vereinbarung einer abweichenden Lebensgestaltung auch eine Ehe ohne räumlichen Lebensmittelpunkt (Ehewohnung) eine solche iS des § 1353 BGB sein(Palandt/Brudermüller, BGB, 69. Aufl 2010, § 1353 BGB RdNr 6 ff; MünchkommBGB, 5. Aufl 2010, § 1565 RdNr 23; BGH, Urteil vom 7.11.2001 - XII ZR 247/00 - NJW 2002, 671; s auch BSGE 105, 291 = SozR 3-4200 § 7 Nr 16, RdNr 13). Haben die Ehegatten bei oder nach der Eheschließung einvernehmlich ein Lebensmodell gewählt, das eine häusliche Gemeinschaft nicht vorsieht, kann allein der Wille, diese auf absehbare Zeit nicht herzustellen, ein Getrenntleben nach familienrechtlichen Grundsätzen nicht begründen (Staudinger/Rauscher, BGB, 2004, § 1567 RdNr 51). Hier ist vielmehr regelmäßig der nach außen erkennbare Wille eines Ehegatten erforderlich, die häusliche Gemeinschaft nicht herstellen zu wollen, weil er die eheliche Gemeinschaft ablehnt (§ 1567 Abs 1 BGB). Da es bei einer nichtehelichen Partnerschaft an der einzig durch die Eheschließung bereits nach außen dokumentierte Verbundenheit mangelt und dort diese nur dann verneint werden kann, wenn sie ausdrücklich nach außen hin dokumentiert wird, erfordert die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft unter nicht verheirateten bzw nicht nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz verbundenen Partnern umgekehrt, dass deren Verbundenheit durch das Zusammenleben in einer Wohnung nach außen erkennbar wird.

23

Zusätzlich bedarf es zum zweiten des gemeinsamen Wirtschaftens. Die Anforderungen an das gemeinsame Wirtschaften gehen dabei über die gemeinsame Nutzung von Bad, Küche und ggf Gemeinschaftsräumen hinaus. Auch der in Wohngemeinschaften häufig anzutreffende gemeinsame Einkauf von Grundnahrungsmitteln, Reinigungs- und Sanitärartikeln aus einer von allen Mitbewohnern zu gleichen Teilen gespeisten Gemeinschaftskasse begründet noch keine Wirtschaftsgemeinschaft. Entscheidend insoweit ist, dass der Haushalt von beiden Partnern geführt wird, wobei die Beteiligung an der Haushaltsführung von der jeweiligen wirtschaftlichen und körperlichen Leistungsfähigkeit der Partner abhängig ist. Die Haushaltsführung an sich und das Bestreiten der Kosten des Haushalts muss gemeinschaftlich durch beide Partner erfolgen, was allerdings nicht bedeutet, dass der finanzielle Anteil der Beteiligung am Haushalt oder der Wert der Haushaltsführung selbst gleichwertig sein müssen. Ausreichend ist eine Absprache zwischen den Partnern, wie sie die Haushaltsführung zum Wohle des partnerschaftlichen Zusammenlebens untereinander aufteilen.

24

Hierzu mangelt es an Feststellungen des LSG. Es hat das Bestehen einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen der Klägerin und L im Ergebnis offen gelassen. Das LSG wird im wieder eröffneten Berufungsverfahren die von ihm benannten Aspekte der gemeinsamen Finanzierung des Hauses sowie der Unterhaltungs- und Betriebskosten hierfür, die gegenseitige Erteilung von Kontovollmachten, die getrennten Haushaltskassen und im Wesentlichen getrennte Zubereitung und Einnahme der Mahlzeiten einerseits, aber ua auch die sich aus dem Vorbringen der Klägerin und den Akten ergebenden Erkenntnisse zur Haushaltsführung an sich, sei es die Organisation des Einkaufs, das Reinigen der Wohnung und der Wäsche sowie der Finanzierungshilfen durch die Schwester der Klägerin in seine Wertung einzubeziehen haben.

25

c) Sind die unter a) und b) benannten objektiven Voraussetzungen gegeben, gilt es den Einstehens- und Verantwortungswillen der Partner festzustellen. Diesen hat das LSG zwar für den Senat bindend, weil nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen (§ 163 SGG), bejaht. Es wird in der erneuten Entscheidung jedoch die Ausführungen der Klägerin in der Revisionsbegründung einer zusätzlichen Betrachtung unter dem Aspekt der Widerlegbarkeit der Vermutung zu unterziehen haben.

26

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

Tatbestand

1

Im Streit ist, ob die Kläger in der Zeit vom 1.9.2005 bis 28.2.2006 Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss oder als Darlehen haben.

2

Die 1999 und 2002 geborenen Kläger leben mit ihrer Mutter und M. L. zusammen, der nicht ihr leiblicher Vater ist und mit dem ihre Mutter seit August 2005 verheiratet ist. M. L. ist seit 1994 zusammen mit seinem Bruder je zur Hälfte Miteigentümer eines mit einem vermieteten Haus bebauten Grundstücks in H., welches mit einem lebenslangen Nießbrauch zu Gunsten seiner Großmutter belastet ist. Zumindest bis September 2004 sind hieraus Mieteinnahmen erzielt worden. Der Beklagte bewilligte den Klägern sowie deren Mutter und Stiefvater für die Zeit vom 1.9.2005 bis 30.9.2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II in Höhe von 1.258,46 Euro und vom 1.10.2005 bis 28.2.2006 in Höhe von monatlich 1.230,60 Euro lediglich als Darlehen (Bescheid vom 16.9.2005; Widerspruchsbescheid vom 16.2.2006).

3

Im sozialgerichtlichen Verfahren haben die Kläger geltend gemacht, das Hausgrundstück sei wertlos und mit erheblichen Grundschulden belastet, die dessen Wert überstiegen. Das lebenslange Nießbrauchsrecht zu Gunsten der Großmutter des M. L. beeinträchtige den Wert des Grundstücks und mache dessen Verwertung unzumutbar. Zudem werde der Substanzwert des Hauses durch dessen Baufälligkeit erheblich vermindert. Das SG Hildesheim hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 3.4.2007). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, die Vermögensverhältnisse des M. L. seien unklar. Aufklärungsverfügungen habe er unbeantwortet gelassen. Nachweise zum Beleg seiner Behauptung, dass der Miteigentumsanteil an dem Hausgrundstück praktisch wertlos sei und hierauf Grundschulden lasteten, die dessen Wert überstiegen, habe er - auch auf gerichtliche Aufforderung - nicht eingereicht. Weitere denkbare Ermittlungen (beispielsweise in Form eines Sachverständigengutachtens über den Wert des Grundstücks und ggf dessen Veräußerungsmöglichkeiten am Markt) erschienen erst sinnvoll, wenn geklärt sei, in welcher Höhe das Eigentum noch belastet sei.

4

Das LSG Niedersachsen-Bremen hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen (Urteil vom 19.6.2008). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, den Klägern stehe im streitigen Zeitraum allenfalls ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II als Darlehen zu. M. L. sei zur Hälfte Miteigentümer eines bebauten Grundstücks, welches in der Vergangenheit erhebliche Mieteinnahmen abgeworfen habe. Ob im streitigen Zeitraum Mieteinnahmen erzielt worden seien, könne ungeklärt bleiben. Der Beklagte habe diesen Umstand unberücksichtigt gelassen und die Kläger darauf verwiesen, das nicht selbst bewohnte Hausgrundstück zu verwerten. Dies sei rechtlich nicht zu beanstanden, wenn - wie hier - der Grundsicherungsträger für eine Übergangsphase bis zur Verwertung des Grundstücks den Lebensunterhalt durch eine darlehensweise Leistungsgewährung sicherstelle. Anhaltspunkte dafür, dass die Verwertung des Grundstücks nicht möglich oder unzumutbar gewesen sei, seien nicht erkennbar. Noch im September 2004 sei eine Wohnung in diesem Haus durch den Vater von M. L. an die Mutter der Kläger zu einem Preis vermietet worden, den der Beklagte oberhalb der Angemessenheitsgrenze des § 22 SGB II eingestuft habe. M. L. habe nicht dargelegt, in welcher Höhe das Grundstück mit Grundschulden belastet sei. Die Berufung sei auch nicht begründet worden. Eine wirtschaftliche Bewertung des der Großmutter eingeräumten Nießbrauchsrechts und weitere Ermittlungen seien ohne weiterführende Angaben nicht möglich. Wegen der fehlenden Mitwirkung des Stiefvaters der Kläger müssten auch diese damit rechnen, dass ihnen der Lebensunterhalt allenfalls als Darlehen geleistet werde.

5

Mit ihren Revisionen rügen die Kläger eine Verletzung von § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II in der bis zum 31.7.2006 geltenden Fassung. Hinsichtlich der Neufassung des § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II stelle sich die Frage, ob die volle Einstandspflicht des Partners mit Verfassungsrecht, insbesondere mit Art 2 Abs 1 Grundgesetz (GG), Art 6 Abs 1 GG und Art 1 Abs 1 iVm Art 20 GG vereinbar sei, weil die Regelung einer faktischen Unterhaltspflicht des neuen Partners aus Vermögen für fremde Kinder gleichkomme, die allein an den Umstand der Bedarfsgemeinschaft mit der Mutter der Kinder anknüpfe.

6

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 19. Juni 2008 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 3. April 2007 aufzuheben sowie den Bescheid vom 16. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2006 zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, ihnen die für die Zeit vom 1. September 2005 bis 28. Februar 2006 erbrachten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Zuschuss zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Aus der Gesamtkonzeption des SGB II und dem Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft ergebe sich, dass das Vermögen des M. L. auch bei den Klägern zu berücksichtigen sei.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässigen Revisionen der Kläger sind im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) . Der Senat kann auf Grund der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden, ob ihnen im streitigen Zeitraum Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss statt als Darlehen zustanden.

10

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 16.9.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.2.2006, mit dem der Beklagte die begehrten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.9.2005 bis 28.2.2006 als Darlehen bewilligt hat. Die hiergegen gerichtete Klage ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§§ 54 Abs 1, 56 SGG) zulässig, weil die angefochtenen Bescheide des Beklagten den Verfügungssatz enthalten, dass die Leistungen lediglich als Darlehen bewilligt werden (vgl BSG, Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1, jeweils RdNr 13; BSG, Urteil vom 27.1.2009 - B 14 AS 42/07 R - SozR 4-4200 § 12 Nr 12 RdNr 16) . Nach den Anträgen der Kläger ist nicht über höhere Leistungen nach dem SGB II zu befinden, sondern nur darüber, ob die zugebilligten Darlehensleistungen als Zuschuss hätten erbracht werden müssen. Da der Beklagte bereits geleistet hat und deshalb nicht erneut zur Leistung verurteilt werden kann, muss lediglich der Rechtsgrund der Zahlung (Zuschuss statt Darlehen) verändert werden (BSG Urteil vom 19.5.2009 - B 8 SO 7/08 R - RdNr 10) . Auch für diesen geltend gemachten Anspruch auf Umwandlung der Leistungen in eine zuschussweise Bewilligung von SGB II-Leistungen gilt, dass grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen sind.

11

Ob den Klägern nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften die bewilligten Grundsicherungsleistungen als Zuschuss statt als Darlehen zustehen, kann der Senat nicht abschließend beurteilen. Zwar bildeten die Kläger mit ihrer Mutter und M. L. als ihrem Stiefvater eine Bedarfsgemeinschaft. Anders als vom LSG offenbar angenommen, entfiel ihre Hilfebedürftigkeit aber nicht schon wegen eines innerhalb der Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens des Stiefvaters M. L., weil nach der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung des § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II lediglich das Einkommen und Vermögen der Mutter der Kläger, nicht jedoch dasjenige des Stiefvaters berücksichtigt werden konnte. Etwaiges Einkommen oder Vermögen des M. L. konnte nach dem bis zum 31.7.2006 geltenden Recht nur nach den Regelungen zu dessen Berücksichtigung bei Haushaltsgemeinschaften nach § 9 Abs 5 SGB II die Hilfebedürftigkeit der Kläger mindern bzw ausschließen. Eine solche Prüfung hat das LSG aber nicht vorgenommen. Es fehlen rechtliche Erörterungen und tatsächliche Feststellungen dazu, ob die Voraussetzungen dieser Regelung zur Einkommens- und Vermögensberücksichtigung vorliegen.

12

1. Leistungen nach dem SGB II erhalten nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Hilfebedürftig iS von § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 iVm § 9 Abs 1 SGB II ist ua, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, ua aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen (Nr 2) sichern kann, und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Nach § 12 SGB II sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände - mit ihrem Verkehrswert (§ 12 Abs 4 Satz 1 SGB II) - zu berücksichtigen. Dabei kann hier nicht schon ohne weitere Feststellungen allein der Umstand, dass ein Nießbrauchsrecht auf dem Haus lastet, den Grundsicherungsträger von der Prüfung der tatsächlichen Verwertbarkeit eines von dem Hilfebedürftigen nicht selbst bewohnten Hausgrundstücks entbinden, zumal schon nicht festgestellt ist, ob von dem Nießbrauchsrecht sämtliche der im Haus offenbar vorhandenen Wohnungen umfasst sind und ob das Haus von der Großmutter des M. L. auf Grund des Nießbrauchsrecht bewohnt wird (vgl aber auch BSG, Urteil vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 46/06 R zur Konstellation der wegen eines auf dem Grundstück lastenden Nießbrauchsrechts festgestellten tatsächlichen Nichtverwertbarkeit eines Erbbaurechts am Grundstück und Eigentums am Wohnhaus: BSGE 99, 248 ff RdNr 12 = SozR 4-4200 § 12 Nr 6) . Ob und in welchem Umfang einem Hilfebedürftigen die Verwertung zumutbar ist, regeln § 12 Abs 2 und Abs 3 SGB II (BSG, Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 58/08 R - BSGE 103, 153 ff = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, RdNr 28 mwN) . Nach Maßgabe dieser Vorschriften kann es sich bei den hier in die Prüfung einzubeziehenden Vermögensgegenständen des Stiefvaters der Kläger (vgl zu den Vermögensgegenständen bei ungeteilter Erbengemeinschaft BSG, Urteil vom 27.1.2009 - B 14 AS 42/07 R - SozR 4-4200 § 12 Nr 12 RdNr 19) grundsätzlich um verwertbares Vermögen handeln, aus dem nach den Feststellungen des LSG in der Vergangenheit zumindest Mieteinnahmen erzielt werden konnten.

13

2. a) Dieses etwaige Vermögen des M. L. kann aber - anders als vom LSG offenbar angenommen - nicht nach den Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen in Bedarfsgemeinschaften ein (teilweises) Entfallen der Hilfebedürftigkeit der Kläger bewirken. Zwar bildeten die Kläger auch eine Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Stiefvater. Zur Bedarfsgemeinschaft gehören gemäß § 7 Abs 3 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) neben den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (Nr 1) insbesondere als Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte (Nr 3a) und die dem Haushalt angehörenden minderjährigen unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, soweit sie nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts beschaffen können (Nr 4). Dabei folgt aus § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II wie auch im Umkehrschluss aus § 9 Abs 2 Satz 1, Satz 2 SGB II, dass Einkommen und Vermögen der minderjährigen Kinder einer Bedarfsgemeinschaft bei der Berechnung der Leistungen der Eltern bzw eines Elternteils außer Betracht bleiben. Dies bedeutet, dass Einkommen und Vermögen des minderjährigen Kindes anders als dasjenige des volljährigen Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft nicht zur Verteilung innerhalb dieser nach § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II ansteht und die Ermittlung des Bedarfs der Kläger folglich zunächst unter Berücksichtigung allein ihres Einkommens und Vermögens vorzunehmen ist (BSG, Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 58/08 R - BSGE 103, 153 ff = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, RdNr 15; BSG, Urteil vom 18.6.2008 - B 14 AS 55/07 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 4 RdNr 24 f) . Hier unterschreitet das Einkommen der Kläger ihren Bedarf iS des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 1 iVm § 20 Abs 2 und § 19 Satz 1 Nr 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) sowie § 22 Abs 1 SGB II. Dem (zunächst darlehensweise gewährten) Sozialgeld gemäß § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB II in Höhe von monatlich 207,00 Euro stand im streitigen Zeitraum jeweils nur das Kindergeld in Höhe von 154,00 Euro gegenüber (vgl zur Berücksichtigung von Kindergeld als Einkommen des Kindes nach § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II: BSG, Urteil vom 19.3.2008 - B 11b AS 7/06 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 10 RdNr 15) , das nicht ausreichte, um ihren Bedarf zu decken. Über Vermögen verfügten die Kläger nicht.

14

b) Die demnach gegebene Hilfebedürftigkeit der Kläger entfiel aber nicht schon wegen eines innerhalb der Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens des M. L. Nach § 9 Abs 2 Satz 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II bestimmt, dass bei minderjährigen unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils zu berücksichtigen sind. Nach dieser Regelung konnte bei den Klägern lediglich das Einkommen und Vermögen ihrer Mutter, nicht jedoch dasjenige des Stiefvaters herangezogen werden. Nach § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II in der durch Art 1 Nr 8 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) geltenden Fassung, durch den mit Wirkung vom 1.8.2006 bei § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II nach den Worten "oder dessen Elternteils" die Wörter "und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners" eingefügt worden sind, findet (noch) keine Anwendung. § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II in der bis zum 31.7.2006 geltenden Fassung kann andererseits nicht über den Wortlaut hinaus dahin ausgelegt werden, dass Einkommen des Partners eines Elternteils wie Einkommen des Elternteils zur Bedarfsdeckung des mit ihm nicht verwandten oder verschwägerten Kindes heranzuziehen ist. Insofern schließt sich der Senat der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG an (BSG, Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R - BSGE 102, 76 ff RdNr 27 = SozR 4-4200 § 9 Nr 7) .

15

3. Ob die Hilfebedürftigkeit der Kläger nach den Regelungen zu Haushaltsgemeinschaften (§ 9 Abs 1 iVm Abs 5 SGB II) verringert bzw entfallen ist, kann der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des LSG nicht beurteilen. Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird nach § 9 Abs 5 SGB II vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann. Diese Vermutungsregelung kann grundsätzlich Anwendung finden, weil mit der Heirat der Mutter der Kläger und des M. L. im August 2005 eine Schwägerschaft entstanden ist (vgl § 1590 Bürgerliches Gesetzbuch) . Weitere tatbestandliche Voraussetzung für das Eingreifen der Vermutungsregelung des § 9 Abs 5 SGB II ist die Bildung einer Haushaltsgemeinschaft. Dabei ist der Begriff der Haushaltsgemeinschaft gegenüber demjenigen der Wohngemeinschaft dadurch gekennzeichnet, dass ihre Mitglieder nicht nur vorübergehend in einer Wohnung zusammenleben, sondern einen Haushalt in der Weise führen, dass sie aus einem "Topf" wirtschaften (BT-Drucks 15/1516 S 53; BSG, Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 68/07 R - BSGE 102, 258 ff = SozR 4-4225 § 1 Nr 1, RdNr 13) . Das Bestehen einer solchen Wirtschaftsgemeinschaft muss - auch im Unterschied zur vergleichbaren Regelung in § 36 Satz 1 SGB XII - ausdrücklich festgestellt werden (BSG, Urteil vom 27.1.2009 - B 14 AS 6/08 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 6 RdNr 16) . Das angefochtene Urteil enthält insofern schon keine Feststellungen zu der Frage, ob eine Haushaltsgemeinschaft auch zwischen den Klägern und M. L. iS des § 9 Abs 5 SGB II vorliegt. Dies erscheint zwar naheliegend, muss aber - gerade wegen der zwischen dem Stiefvater und den Klägern hier nicht vorhandenen Unterhaltspflichten - ausdrücklich festgestellt werden.

16

4. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das LSG auch die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des § 9 Abs 5 SGB II prüfen und dabei nach Maßgabe des § 103 Satz 1 SGG den Sachverhalt aufklären müssen, wobei Beteiligte in Fällen einer mangelnden Mitwirkung über die Folgen der Nichtbeachtung einer gerichtlichen Aufforderung zur Mitwirkung zu belehren sind, soweit ihnen dies nicht bereits konkret geläufig ist (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 103 RdNr 17a; BSG SozR Nr 55 zu § 103 SGG; SozR 1500 § 103 Nr 23 und 27 mwN) . Das LSG wird zu beachten haben, dass die Unterstützungsvermutung des § 9 Abs 5 SGB II nur eingreift, wenn - nach Bejahung einer Haushaltsgemeinschaft - nach dem Einkommen und Vermögen der Verwandten oder Verschwägerten eine Unterstützung "erwartet werden kann". Bezogen auf die streitige Verwertung des Hausgrundstücks ist insofern zu werten, dass hier offenbar ausschließlich Sachvermögen vorliegt, dessen Einsatz fraglich sein könnte (vgl zur Berücksichtigung von Sachvermögen bei nicht unterhaltsverpflichteten Mitgliedern einer Haushaltsgemeinschaft vgl zB Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 9 RdNr 63) .

17

Bei der Ermittlung des einzusetzenden Vermögens ist weiter § 4 Abs 2 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung) idF vom 20.10.2004 (BGBl I 2622) heranzuziehen. Diese Regelung bestimmt, dass bei der nach § 9 Abs 5 SGB II zugrunde liegenden Vermutung Vermögen nicht zu berücksichtigen ist, das nach § 12 Abs 2 SGB II abzusetzen oder nach § 12 Abs 3 SGB II nicht zu berücksichtigen ist. Die Regelung findet allerdings im Sinne einer "unteren Grenzziehung" zur Bestimmung nur der Höhe des zu berücksichtigenden Vermögens erst Anwendung, wenn die (weiter gefassten) tatbestandlichen Voraussetzungen für das Eingreifen der Unterstützungsvermutung des § 9 Abs 5 SGB II erfüllt sind (vgl Mrozynski, Grundsicherung und Sozialhilfe, II.7 RdNr 37, Stand August 2006). Zu der weiter vom LSG zu prüfenden Frage, ob etwaige Mieteinnahmen des M. L. als Einkommen im Rahmen der Unterstützungsvermutung des § 9 Abs 5 SGB II zu beachten sind, bestimmt § 1 Abs 2 Satz 1 Alg II-V, dass die um Absetzbeträge nach § 11 Abs 2 SGB II bereinigten Einnahmen in der Regel nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind, soweit sie einen Freibetrag in Höhe des doppelten Satzes der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung (zzgl der anteiligen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung) sowie darüber hinausgehend 50% der diesen Freibetrag übersteigenden bereinigten Einnahmen nicht überschreiten (vgl hierzu auch BSG, Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 68/07 R - BSGE 102, 258 ff = SozR 4-4225 § 1 Nr 1, RdNr 12) . Insofern sind auch die Angaben des Stiefvaters der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG zu den Mieteinnahmen zu berücksichtigen.

18

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld II (Alg II).

2

Die 1954 geborene Klägerin wohnt mit ihrer 1920 geborenen Mutter in einem im Eigentum der Mutter stehenden Haus und pflegt sie. Die Mutter bezieht eine Rente in Höhe von 1300 Euro monatlich. Leistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch werden nicht gewährt. Die Klägerin beteiligt sich an den Kosten für den Unterhalt des Hauses nicht; insbesondere zahlt sie keine Miete.

3

Die Klägerin ist zusammen mit ihrem Lebensgefährten Miteigentümerin eines (nicht mit Verbindlichkeiten belasteten) Grundstücks mit einer Fläche von 972 qm, das mit einem Einfamilienhaus bebaut ist. Der Lebensgefährte bewohnt das Haus allein. Den Verkehrswert des Hausgrundstücks hat die Klägerin mit 193 700 Euro angegeben; es sei jedoch eine Wertminderung eingetreten, weil nach 29 Jahren Renovierungsbedarf bestehe. Daneben verfügte die Klägerin im hier streitigen Zeitraum über drei Lebensversicherungen.

4

Nachdem ein zum 1.1.2005 gestellter Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Erfolg geblieben war, beantragte die Klägerin am 23.3.2005 bei der Beklagten erneut Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und machte geltend, ihr Vermögen sei unter den Freibetrag gesunken. Sie habe eine Lebensversicherung in Höhe von 3385 Euro aufgelöst, hiervon 1498 Euro für dringende Instandhaltungsarbeiten an ihrem eigenen Haus eingesetzt und den Rest für ihren Lebensunterhalt verbraucht. Antrag und Widerspruch blieben ohne Erfolg (Bescheid der Agentur für Arbeit Balingen vom 28.4.2005; Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 13.7.2005). Die Klägerin verfüge über verwertbares Vermögen in Höhe von 105 477,05 Euro, das den Freibetrag von 10 750 Euro übersteige. Dabei seien Lebensversicherungen in Höhe von 8627,37 Euro sowie der Miteigentumsanteil mit einem Wert von 96 849,68 Euro zu berücksichtigen.

5

Das Sozialgericht (SG) Reutlingen hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 19.10.2007). Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 13.3.2008 zurückgewiesen. Die Klägerin sei gemäß § 9 Abs 1 Halbs 2 SGB II nicht hilfebedürftig, weil sie die erforderliche Hilfe von ihrer Mutter, mit der sie nicht in Bedarfsgemeinschaft lebe, tatsächlich erhalte. Die Verwendung der Rente ihrer Mutter zur Sicherung des eigenen Lebensunterhalts sowie das in Anspruch genommene kostenfreie Wohnen stellten zwar kein Einkommen der Klägerin im Sinne des § 9 Abs 1 Halbs 1 SGB II dar. § 9 Abs 1 SGB II enthalte in Halbs 2 aber einen eigenständigen und unmittelbaren Subsidiaritätsgrundsatz, wie er auch in § 2 Abs 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) normiert sei. Die Hilfeleistung anderer sei insoweit von eigenem Einkommen zu trennen. Diese anderweitige Bedarfsdeckung schließe im Sozialhilferecht Leistungen auf Grund des Nachranggrundsatzes in § 2 Abs 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) aus(Hinweis auf Bundesverwaltungsgericht , BVerwGE 108, 36 und BVerwGE 122, 317). Dies gelte weiterhin, denn der mit der Einführung des SGB II und SGB XII vorgenommene Systemwechsel berühre die grundsätzliche Subsidiarität des den gesamten Lebensunterhalt sichernden materiellen Sozialhilferechts nicht. Vorliegend habe die Klägerin tatsächlich Zuwendungen von ihrer Mutter erhalten und erhalte diese weiterhin, die den gesamten Bedarf deckten. Sie wohne mietfrei im Haus der Mutter und habe selbst eingeräumt, seit April 2005 ihren Lebensunterhalt aus dem Einkommen der Mutter zu decken. Die Mutter sei auch tatsächlich in der Lage, den Lebensunterhalt der Klägerin zu decken, ohne ihren eigenen notwendigen Lebensunterhalt zu gefährden. Es ergebe sich ein grundsicherungsrechtlicher Gesamtbedarf in Höhe von 945,61 Euro (Regelsatz der Mutter nach dem SGB XII zuzüglich eines Mehrbedarfs nach § 30 Abs 1 SGB XII in Höhe von insgesamt 406 Euro, Regelbedarf der Klägerin in Höhe von 347 Euro, Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 192,65 Euro ausgehend von den für das Jahr 2004 angegebenen Kosten), der das Einkommen der Mutter in Höhe von 1300 Euro nicht übersteige. Dieses Ergebnis widerspreche nicht den Kriterien, die im Rahmen des § 9 Abs 5 SGB II anzuwenden seien. § 9 Abs 5 SGB II regele nicht die Fälle, in denen der Verwandte tatsächlich Leistungen erbringe, auch wenn dies von ihm - typisiert - nicht erwartet werden könne. Daher komme es vorliegend auf das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft nicht an. Die Klägerin habe schließlich nicht vorgetragen, die Sicherung ihres Lebensunterhalts aus dem Einkommen ihrer Mutter stelle nur eine vorschussweise Überbrückung bis zur Leistungsgewährung durch die Beklagte dar. Angesichts der Höhe der Rente und der Pflegeleistungen der Klägerin dränge sich dies auch nicht auf.

6

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Sie hält die Berücksichtigung von Leistungen ihrer Mutter nach § 9 Abs 1 SGB II für nicht zulässig. Die Auffassung des LSG verletze insbesondere § 9 Abs 1 und § 9 Abs 5 iVm § 1 Abs 2 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V), wonach das Einkommen der Mutter im dort genannten Umfang nicht anrechnungsfähig sei. Nach der Auffassung des LSG sei sie ferner von der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeschlossen, die aber ebenso wie die Bedarfsdeckung im Übrigen zur notwendigen Daseinsvorsorge gehöre. Aus der Tatsache, dass die Mutter die von der Beklagten geschuldete Leistung erbringe, könne ferner nicht geschlossen werden, dass die Leistungspflicht der Beklagten hinfällig sei. Insoweit würden ihr in Konsequenz der Auffassung des LSG notwendige Leistungen zur Existenzsicherung vorenthalten und insoweit Art 2 Grundgesetz (GG) verletzt. Es widerspreche schließlich jeder Lebenserfahrung, dass für den Nachweis einer nur übergangsweisen Unterstützung durch Verwandte eine ausdrücklich abgeschlossene Darlehensvereinbarung Voraussetzung sei.

7

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13.3.2008 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 19.10.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28.4.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.7.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab dem 23.3.2005 bis zum 21.6.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.

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Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

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Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne einer Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet, § 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Senat kann auf Grundlage der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden, ob und ggf welches zu berücksichtigende Einkommen oder Vermögen der Klägerin zur Abwendung ihrer Hilfebedürftigkeit zur Verfügung stand.

11

1. Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren sind noch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 23.3.2005 bis zum 21.6.2005. Die Klägerin hat auf Hinweis des Senats ihren Antrag im Revisionsverfahren entsprechend begrenzt, nachdem sich die Beteiligten wegen der Folgezeiträume, über die die Beklagte auf einen Antrag vom 22.6.2005 hin mit einem weiteren Bescheid entschieden hatte, im Wege eines so genannten Überprüfungsvergleichs geeinigt hatten.

12

2. Leistungen nach dem SGB II erhalten nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), die erwerbsfähig (Nr 2) und hilfebedürftig (Nr 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4).

13

Nach § 7 Abs 1 Nr 3, § 9 Abs 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit (Nr 1) oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen (Nr 2) sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Die Klägerin bildete hier gemäß § 7 Abs 3 Nr 1 SGB II allein für ihre Person "eine Bedarfsgemeinschaft". Eine Bedarfsgemeinschaft zwischen über fünfundzwanzigjährigen Kindern und ihren Eltern sieht das Gesetz nicht vor, weshalb hier eine Bedarfsgemeinschaft zwischen der Klägerin und ihrer Mutter nicht angenommen werden kann (dazu BSGE 97, 211 = SozR 4-4200 § 20 Nr 2, jeweils RdNr 18 f). Die Hilfebedürftigkeit der Klägerin misst sich daran, ob und inwieweit im streitigen Zeitraum ihr Bedarf (dazu unter 3) von dem zu berücksichtigenden Einkommen (dazu unter 4) und ggf einzusetzenden Vermögen (dazu unter 5) gedeckt wird.

14

3. Bei Prüfung des Anspruchs der Klägerin auf Alg II ist vorliegend der durch die Regelleistung nach § 20 Abs 2 SGB II(in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954) für einen Alleinstehenden ausgedrückte Bedarf in Höhe von 345 Euro zu Grunde zu legen. Das LSG ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (BSGE 101, 70 = SozR 4-4200 § 11 Nr 11) davon ausgegangen, dass im Hinblick auf die pauschalierte Regelleistung für eine individuelle Bedarfsermittlung vor dem Hintergrund möglicherweise ersparter Aufwendungen kein Raum ist. Daneben besteht ein Bedarf für Kosten der Unterkunft und Heizung (vgl § 22 SGB II) nach den bisherigen Feststellungen des LSG nicht, weil der Klägerin keine solchen tatsächlichen Aufwendungen entstanden sind. Insoweit kommt nach dem Wortlaut des § 22 SGB II abweichend von § 20 SGB II nur die Berücksichtigung tatsächlich anfallender Kosten als die Hilfebedürftigkeit begründender Bedarf in Betracht.

15

4. Ob und ggf in welchem Umfang dieser Bedarf der Klägerin durch Einkommen gedeckt ist, kann nicht abschließend entschieden werden. Die Feststellung des LSG, die Klägerin habe "seit April 2005 ihren Lebensunterhalt aus dem Einkommen der Mutter bestritten", trägt allein die rechtliche Schlussfolgerung nicht, sie - die Klägerin - sei wegen der vollständigen Deckung ihres Bedarfs nicht hilfebedürftig im Sinne des § 9 Abs 1 SGB II. Nur soweit die Klägerin mit ihrer Mutter in einer Haushaltsgemeinschaft lebt, kann nach § 9 Abs 5 SGB II vermutet werden, dass ihr Unterstützungsleistungen in dem dann nach §§ 1 Abs 2, 4 Abs 2 Alg II-V(hier in der Fassung vom 20.10.2004 ) zu bestimmenden Umfang zufließen, ohne dass der entsprechende Zufluss im Einzelnen nachgewiesen sein muss (dazu unter a). Darüber hinausgehend können Einnahmen nur Berücksichtigung finden, wenn feststeht, dass und in welchen Umfang Geldleistungen der Mutter tatsächlich zugeflossen sind (dazu unter b). Das LSG wird die noch fehlenden Ermittlungen im Hinblick auf beide Möglichkeiten nachzuholen haben (dazu unter c).

16

a) Lebt der Hilfebedürftige mit anderen Personen zusammen, ohne dass sie eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs 3 SGB II bilden, bietet lediglich § 9 Abs 5 SGB II iVm § 1 Abs 2, § 4 Abs 2 Alg II-V eine Handhabe dafür, Einkommen (und ggf Vermögen) eines Mitglieds des Haushalts bei der Prüfung des Bedarfs beim Hilfebedürftigen zu berücksichtigen, ohne dass der entsprechende Zufluss bei ihm nachgewiesen sein muss. § 9 Abs 5 SGB II knüpft insoweit an eine bestehende Haushaltsgemeinschaft zwischen Verwandten und Verschwägerten im Sinne des Wirtschaftens aus einem Topf die Vermutung, dass der Hilfebedürftige bei Leistungsfähigkeit des Verwandten Leistungen in bestimmter Höhe auch erhält(im Einzelnen BSG SozR 4-4200 § 9 Nr 6). Der Zufluss der Unterstützungsleistungen wird dabei widerleglich vermutet: Besteht eine Haushaltsgemeinschaft, ist es dem Hilfebedürftigen möglich, die gesetzliche Vermutung - er erhält Leistungen von den Verwandten oder Verschwägerten - zu widerlegen, indem er Tatsachen vorträgt, die geeignet sind, Zweifel an der Richtigkeit der Vermutung zu begründen. Nur dann besteht Anlass, weitergehend von Amts wegen zu ermitteln. Unterstützungen von Verwandten werden im Anwendungsbereich des § 9 Abs 5 SGB II mithin dann nicht berücksichtigt, wenn nachgewiesen ist, dass sie trotz entsprechender Leistungsfähigkeit tatsächlich nicht erbracht werden. Der Sache nach handelt es sich im Übrigen auch bei solchen Leistungen durch Familienangehörige um zu berücksichtigendes Einkommen des Hilfebedürftigen iS des § 9 Abs 1 Nr 2, § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II(vgl bereits BSGE 102, 258 = SozR 4-4225 § 1 Nr 1, jeweils RdNr 18).

17

b) Tatsächlich gewährte Unterstützungsleistungen von Verwandten oder Verschwägerten in Geld oder Geldeswert, die über die Leistungsfähigkeit im Sinne des § 9 Abs 5 SGB II iVm § 1 Abs 2 Alg II-V hinaus erfolgen, sind wie sonstige Zuwendungen von Dritten nach den Grundsätzen des § 9 Abs 1 Nr 2 iVm § 11 SGB II zur Deckung der Bedarfe heranzuziehen. Entgegen der Auffassung der Klägerin schließt § 9 Abs 5 SGB II die Berücksichtigung von weitergehenden, tatsächlich zufließenden Unterstützungsleistungen innerhalb von Haushaltsgemeinschaften nicht von vornherein aus. § 9 Abs 5 SGB II beinhaltet lediglich die entsprechende Wertung des Gesetzgebers, dass unter Angehörigen einer Haushaltsgemeinschaft eine gegenseitige Unterstützung erst erwartet und also der Zufluss vermutet werden kann, wenn dem Verwandten oder Verschwägerten ein deutlich über den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts liegendes Lebenshaltungsniveau verbleibt. Soweit Zuflüsse tatsächlich nachgewiesen sind, räumt die Vorschrift keine über § 11 Abs 2 und 3 SGB II hinausgehende Privilegierung von Einkommen auf Seiten des Hilfebedürftigen ein.

18

Der Zufluss solcher Geldleistungen muss aber konkret nachgewiesen sein. Während § 9 Abs 2 SGB II innerhalb der Bedarfsgemeinschaft eine bestimmte Verteilung des Einkommens ihrer Mitglieder unwiderleglich unterstellt(vgl etwa BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 29; BSGE 102, 76 = SozR 4-4200 § 9 Nr 7, jeweils RdNr 31) und § 9 Abs 5 SGB II die Anforderungen an die Ermittlungen zum Tatbestandsmerkmal "Hilfebedürftigkeit" wegen der Vermutung von Einkommen einschränkt, treffen den Hilfebedürftigen bei der Berücksichtigung von Einkommen in den übrigen Fällen bei der Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen Mitwirkungsobliegenheiten(vgl § 60 Sozialgesetzbuch Erstes Buch und dazu BSGE 101, 260 = SozR 4-1200 § 60 Nr 2). Lässt sich Hilfebedürftigkeit nicht nachweisen, geht dies zu Lasten des Antragstellers. Dies erlaubt es aber nicht, den Zufluss von Einkommen, der der Annahme von Hilfebedürftigkeit entgegenstehen könnte, zu unterstellen (vgl auch Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 12.5.2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 = Breith 2005, 803 = juris RdNr 28).

19

Vorliegend hat das LSG, ausdrücklich ohne Feststellungen zu einer Haushaltsgemeinschaft iS des § 9 Abs 5 SGB II zu treffen, den Zufluss von Einkommen der Mutter in ausreichender Höhe (lediglich) vermutet und dies damit begründet, das Einkommen der Mutter reiche (in entsprechender Anwendung der ausschließlich für Bedarfsgemeinschaften vorgesehenen horizontalen Berechnungsmethode) zur Deckung des Gesamtbedarfs aus. Eine solche "Vermutungsregel" widerspricht den insoweit abschließenden Grundsätzen des § 9 Abs 5 SGB II und ist damit unzulässig. Unerheblich ist im Hinblick auf die Ermittlung von Einkommen auch, dass die Klägerin "keine konkreten Bedarfslagen genannt hat, die ungedeckt bleiben würden", wie das LSG meint. Der in der Regelleistung zum Ausdruck kommende Gesamtbedarf eines Hilfebedürftigen ist pauschal bestimmt, sodass die Begründung von Ansprüchen nach dem SGB II gerade nicht die Feststellung (und erst recht nicht den entsprechenden Vortrag des Antragstellers) voraussetzt, bestimmte Bedarfe, die in der Regelleistung zum Ausdruck kommen (Essen, Kleidung etc), seien ungedeckt. Schließlich genügt die in den Urteilsgründen wiedergegebene (offenbar erst nach Antragstellung gemachte) Angabe der Klägerin, "seit April 2005 ihren Lebensunterhalt aus dem Einkommen der Mutter zu decken", in dieser Allgemeinheit nicht, um von einer vollständigen Bedarfsdeckung durch den Zufluss von Einkommen auszugehen. Allein die Tatsache, dass auch ohne die entsprechenden Leistungen durch den Träger der Grundsicherung jedenfalls das Lebensnotwendige offenbar gesichert war, lässt Hilfebedürftigkeit nicht (im Nachhinein) entfallen. Entscheidend ist, ob Einkommen in Geld oder Geldeswert im jeweils zu beurteilenden Zeitraum in einer Höhe konkret zur Verfügung steht, das den Gesamtbedarf (vorliegend 345 Euro) vollständig deckt.

20

Entgegen der Auffassung des LSG folgt aus § 9 Abs 1 letzter Halbsatz SGB II nichts anderes. Soweit hier neben den Möglichkeiten der Bedarfsdeckung durch zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen auf die erforderliche Hilfe anderer, insbesondere die Hilfe von Angehörigen, Bezug genommen wird, ist damit keine weitere, eigenständige Möglichkeit der "faktischen" Bedarfsdeckung aufgezeigt. Sobald ein Hilfebedürftiger solche Hilfen "erhält", handelt es sich um Einkommen im Sinne des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II. Die Nennung der Hilfe anderer im Gesetz ist vor dem Hintergrund des § 9 Abs 1 Nr 2 SGB II überflüssig und verdeutlicht nur, dass es (auch) insoweit auf den tatsächlichen Zufluss "bereiter Mittel" ankommt(vgl Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 9 RdNr 14 f). Nichts anderes galt im Übrigen unter Geltung des BSHG. Auch insoweit war entscheidend, ob Einkommen im Sinne des § 11 BSHG tatsächlich zufließt(so etwa ausdrücklich die vom LSG herangezogene Entscheidung BVerwGE 108, 36, 39 = juris RdNr 13). Daneben kam zwar auf Grundlage des § 22 Abs 1 Satz 2 BSHG die Minderung des eigenen Bedarfs durch Hilfeleistungen anderer in Betracht(vgl BVerwG aaO sowie BVerwG Beschluss vom 30.12.1996 - 5 B 47/96 - FEVS 47, 337; BVerwGE 72, 354). Wie der Senat bereits entschieden hat, ist eine § 22 Abs 1 Satz 2 BSHG und § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII entsprechende Rechtsgrundlage, die eine abweichende Bestimmung der Bedarfe erlaubt, im SGB II aber nicht ersichtlich(BSGE 101, 70 = SozR 4-4200 § 11 Nr 11 zur Verköstigung während eines Krankenhausaufenthalts und Urteil vom 18.6.2008 - B 14 AS 46/07 R - zur kostenlosen Verpflegung durch Familienangehörige). Insoweit hat sich das SGB II von den zuvor geltenden Grundsätzen der Sozialhilfe gelöst.

21

c) Das LSG hat es ausdrücklich offen gelassen, ob zwischen der Klägerin und ihrer Mutter eine Haushaltsgemeinschaft im Sinne des § 9 Abs 5 SGB II bestand. Die notwendigen Ermittlungen dazu, ob die Klägerin und ihre Mutter aus einem Topf wirtschafteten (vgl BSG SozR 4-4200 § 9 Nr 6), wird es nachzuholen haben. Gelangt es zu der Überzeugung, es habe im streitigen Zeitraum eine Haushaltsgemeinschaft bestanden, wird es weiter zu überprüfen haben, ob überhaupt bzw in welchem Umfang auf Grundlage des § 9 Abs 5 iVm § 1 Abs 2 Alg II-V und § 4 Abs 2 Alg II-V(nunmehr: § 7 Abs 2 Alg II-V in der Fassung vom 17.12.2007 ) eine Unterstützung der Klägerin durch ihre Mutter erwartet werden konnte. Nach den bisherigen Feststellungen spricht einiges für die Leistungsfähigkeit der Mutter (jedenfalls in gewissem Umfang) als weitere Voraussetzung für die Vermutung iS des § 9 Abs 5 SGB II, ohne dass hierzu vom Senat abschließend eine Entscheidung getroffen werden könnte.

22

Zunächst ist das bereinigte Einkommen der Mutter zu ermitteln. Von dem Rentenzahlbetrag, der bislang die einzige ersichtliche Einnahme darstellt, sind die Absetzungen des § 11 Abs 2 SGB II vorzunehmen. Im Hinblick auf den Vortrag der Klägerin, ihre Krankenversicherung sei nicht gesichert gewesen, wird das LSG dabei zu beachten haben, dass vom Einkommen der Mutter auch solche Absetzungen entsprechend § 11 Abs 2 SGB II vorzunehmen sind, die zugunsten der Klägerin erfolgen. Zahlt die Mutter beispielsweise tatsächlich Aufwendungen für eine Krankenversicherung (§ 11 Abs 2 Nr 3 SGB II) oder eine geförderte Altersvorsorge nach § 82 Einkommensteuergesetz(§ 11 Abs 2 Nr 4 SGB II) für die Klägerin, sind die entsprechenden Beiträge von ihrem Einkommen abzusetzen.

23

Sodann ist der Freibetrag nach § 1 Abs 2 Satz 1 Alg II-V festzulegen. Auszugehen ist vom doppelten Freibetrag nach § 20 Abs 2 SGB II (im streitigen Zeitraum mithin 690 Euro monatlich) zuzüglich der anteiligen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wobei die Mutter nach den bisherigen Feststellungen des LSG sämtliche Aufwendungen für den Unterhalt des Hauses trägt. Solche Aufwendungen sind nach der Rechtsprechung der für das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate allerdings auch zugunsten selbst genutzter Immobilien lediglich in den Monaten, in denen sie tatsächlich anfallen, berücksichtigungsfähig (vgl etwa BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10, jeweils RdNr 34; SozR 4-4200 § 22 Nr 17 RdNr 14). Abweichend von dem in § 1 Abs 2 Alg II-V beschriebenen Regelfall wird schließlich der Einsatz des Einkommens von Angehörigen, die in ihrer Person die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf entsprechend §§ 21, 28 Abs 1 Satz 3 SGB II bzw § 30 SGB XII erfüllen, nur erwartet werden können, soweit die Einnahmen zusätzlich zum Freibetrag den für den jeweiligen Mehrbedarf vorgesehenen Betrag (hier also in Ansehung des Alters der Mutter ein Mehrbedarf von 17 Prozent der Regelleistung) überschreiten. Soweit die bereinigten Einnahmen diese Grenze überschreiten, wird der Zufluss dieser Einnahmen bei der Klägerin in Höhe von 50 Prozent als Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II unterstellt.

24

Schließlich sind die notwendigen Feststellungen zum Vermögen der Mutter nachzuholen. Es kann auf Grundlage der bisherigen Feststellungen insbesondere nicht beurteilt werden, ob das selbst genutzte Hausgrundstück eine angemessene Größe hat und damit von einer möglichen Verwertung nach § 4 Abs 2 Alg II-V iVm § 12 Abs 3 Nr 3 SGB II ausgenommen ist. Ob und ggf welcher Einsatz von weiteren Vermögensgegenständen der Mutter zur Abwendung von Hilfebedürftigkeit der Klägerin erwartet werden kann, ist bislang ebenfalls nicht ermittelt.

25

In Anbetracht der schriftlichen Angaben der Klägerin im Verlauf des bisherigen Verfahrens, wie sie aus den Akten ersichtlich sind, kann es abschließend - sofern diese Anhaltspunkte auch nach Aufklärung der Einzelheiten zu einer möglichen Haushaltsgemeinschaft fortbestehen - angebracht sein, den Sachverhalt im Hinblick auf (weitergehende) tatsächliche Geldzuwendungen der Mutter aufzuklären. Die für diesen Fall erforderlichen umfassenden Ermittlungen und Würdigungen dahin, ob und in welcher Höhe im Einzelnen Einkommen in Geld tatsächlich (und zum endgültigen Verbrauch) zugeflossen ist, hat das LSG - ausgehend von seiner Rechtsauffassung - bislang unterlassen. Dies wird es ggf nachzuholen haben.

26

5. Ergeben die weiteren Ermittlungen des LSG, dass das zur Verfügung stehende Einkommen den Bedarf der Klägerin nicht oder nicht vollständig deckt, wird es zu prüfen haben, inwieweit der Miteigentumsanteil an dem Hausgrundstück zum verwertbaren Vermögen der Klägerin gehört hat, das zur Beseitigung der Hilfebedürftigkeit einzusetzen wäre. Problematisch erscheint insoweit schon, ob - wie vom SG angenommen - der Miteigentumsanteil prognostisch innerhalb von 6 Monaten ab Antragstellung rechtlich und tatsächlich verwertbar war (dazu BSGE 99, 248 = SozR 4-4200 § 12 Nr 6 RdNr 15 und BSG SozR 4-4200 § 12 Nr 12 RdNr 23). Schließlich ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang - wie von der Beklagten angenommen - auch die Lebensversicherungen zum zu berücksichtigenden Vermögen gehören.

27

Das LSG wird auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.