Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 14. Dez. 2016 - L 9 SO 57/13

ECLI: ECLI:DE:LSGSH:2016:1214.L9SO57.13.0A
published on 14/12/2016 00:00
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 14. Dez. 2016 - L 9 SO 57/13
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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 30. August 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu

erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Übernahme der Kosten für eine Petö-Therapie (drei Blöcke) im Jahre 2009 in Höhe von 6.262,80 Euro.

2

Der 1994 geborene Kläger leidet nach Frühgeburt an einer Tetraparese, einer Visusstörung und einer Sprachstörung. Im Jahre 2009 besuchte er die L.-N….-Schule, Förderzentrum für körperliche und motorische Entwicklung im Bildungszentrum M... Der Beklagte gewährte dem Kläger eine Schulbegleitung für 26 bzw. 27,5 Stunden in der Woche. Der Kläger bezog seinerzeit Leistungen der sozialen Pflegeversicherung (Pflegegeld) nach der Pflegestufe III. Ihm wurden ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen B, G, RF, aG und H durch das Landesamt für soziale Dienste zuerkannt.

3

Mit Schreiben vom 16. Juni 2008 beantragte der Kläger die Kostenübernahme für eine Petö-Therapie in der Zeit vom 15. September bis 10. Oktober 2008 bei der Beigeladenen. Mit Bescheid vom 1. Juli 2008 lehnte die Beigeladene den Antrag ab. Nach den Heilmittel-Richtlinien (HMR) gehöre die Konduktive Förderung nach Petö zu den ausgeschlossenen Heilmitteln. Sie könne daher nicht von ihr erbracht bzw. abgerechnet werden. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

4

Mit Schreiben vom 20. November 2008 beantragte der Kläger beim Beklagten die Übernahme der Kosten für drei Blöcke einer Petö-Therapie im Jahre 2009 (30. März bis 24. April, 27. Juli bis 21. August, 5. bis 30. Oktober) einschließlich Fahrt- und Übernachtungskosten. Die regelmäßige Teilnahme an der Petö-Therapie habe ihm - dem Kläger - ein Leben ohne Schmerzen und weitere körperliche Einschränkungen ermöglicht. Dies habe sich besonders in seiner schulischen Entwicklung bemerkbar gemacht. Die Therapie gebe ihm Anleitungen an die Hand, sein Leben selber aktiver zu gestalten und solle im Zentrum für Konduktive Therapie in O… stattfinden. Die Kosten für die drei Therapieblöcke würden sich auf insgesamt 6.559,80 Euro belaufen.

5

Mit Bescheid vom 8. Januar 2009 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Der therapeutische Nutzen der Petö-Therapie sei bislang nicht wissenschaftlich nachgewiesen und belegt worden. Es handele sich somit nicht um ein anerkanntes Heilmittel. Die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Rahmen der Eingliederungshilfe entsprächen jeweils den Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Dies bedeute, dass eine Leistung nicht bewilligt werden könne, wenn sie im Leistungskatalog der GKV nicht aufgeführt bzw. wie die Petö-Therapie ausdrücklich von der Verordnung ausgeschlossen sei.

6

Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 26. Januar 2009 Widerspruch erhoben. Die Petö-Therapie helfe ihm, den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zumindest zu erleichtern. Durch die Therapie schaffe er es, dank seiner sehr guten kognitiven Fähigkeiten, Neues zu erlernen und umzusetzen. Aufgrund der familiären Situation komme eine Kostentragung auf eigene Kosten nicht in Betracht.

7

Mit Bescheid vom 7. April 2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wiederholte er im Wesentlichen seine bisherigen Ausführungen.

8

Der Kläger hat am 6. Mai 2009 Klage vor dem Sozialgericht Schleswig erhoben, mit der er sein bisheriges Vorbringen vertieft hat. Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29. September 2009 (Az. B 8 SO 19/08 R) bestehe grundsätzlich ein Anspruch auf Übernahme der Kosten. Es handele sich um Hilfen zur angemessenen Schulbildung. Ohne die Durchführung der Petö-Therapie hätten ihm nicht wiedergutzumachende Rückschritte gedroht. Er wäre nicht in der Lage gewesen, zunächst eine offene Ganztagsschule, sodann die Realschule und im Anschluss die höhere Handelsschule zu besuchen. Aufgrund seiner spastischen Lähmungen sei eine Verbesserung der Körperhaltung für den Schulbesuch unumgänglich gewesen.

9

Das Urteil des 9. Senats des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 27. Februar 2013 (Az. L 9 SO 17/11) sei auf den vorliegenden Fall nicht zu übertragen und im Übrigen rechtsfehlerhaft.

10

Der Kläger hat beantragt,

11

den Bescheid des Beklagten vom 8. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. April 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Kosten der Petö-Therapie für den Kläger im Jahre 2009 in Höhe von 6.262,80 Euro zu übernehmen.

12

Der Beklagte hat beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

15

Der Beklagte hat sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen und unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BSG vom 3. September 2003 (Az. B 1 KR 34/01 R) weiter ausgeführt, dass die Petö-Therapie das Ziel habe, die Behinderung an sich zu bessern, nicht aber die Auswirkungen der Behinderung zu mildern. Nach der Entscheidung des BSG vom 29. September 2009 (Az. B 8 SO 19/08 R) sei hinsichtlich der Abgrenzung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation von Leistungen der sozialen Rehabilitation der jeweilige Leistungszweck entscheidend, wobei Überschneidungen möglich seien. Vorliegend hätten die Zielsetzungen dazu gedient, die Behinderung des Klägers an sich zu bessern. Es handele sich mithin um eine Leistung der medizinischen Rehabilitation. Dabei liege es in der Natur der Sache, dass eine erfolgreiche medizinische Rehabilitation auch positive Auswirkungen auf die Teilhabe in der Gemeinschaft habe. Dies könne jedoch nicht zu einer Leistungspflicht des Beklagten führen.

16

Die Beigeladene hat eine inhaltliche Stellungnahme nicht abgegeben.

17

Der Kläger, der in der Zeit vom 30. März bis 24. April, vom 27. Juli bis 21. August und vom 12. bis 30. Oktober 2009 an der Petö-Therapie teilgenommen hatte, hat. die dafür angefallenen Kosten bereits mit privater Unterstützung beglichen.

18

Mit Urteil vom 30. August 2013 hat das Sozialgericht Schleswig die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die begehrte Petö-Therapie gegen den Beklagten. Zwar sei die Beigeladene der erstangegangene Träger. Sie habe den Antrag vom 16. Juni 2008 nicht rechtzeitig weitergeleitet Der Beklagte sei aber im Ergebnis trotzdem der richtige Anspruchsgegner. Vorliegend handele es sich nicht um eine Maßnahme der sozialen Rehabilitation im Sinne einer Hilfe zur angemessenen Schulbildung, sondern, da der medizinische Leistungszweck eindeutig im Vordergrund stehe, um eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation. Aus den Ziel- und Handlungsvorgaben für die im Jahre 2009 durchgeführte Therapie werde deutlich, dass es zuvorderst auf eine Verbesserung der muskulären Bedingungen und des Bewegungsapparates angekommen sei. Der vornehmliche Zweck der Maßnahme sei damit eine Behandlung der unmittelbar aus der Behinderung resultierenden Einschränkungen gewesen. Es sollten die Funktionseinschränkungen behandelt werden, die bei einem nichtbehinderten Menschen als natürliche Körperfunktionen einem funktionellen Ablauf dienten, konkret das Gehen, Stehen, Laufen, Sitzen, Greifen und Hantieren. Einen erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Besuch der Schule, der über die Verbesserung der Körperfunktionen hinausgehe, sehe die Kammer nur im marginalen Bereich, so im Rahmen der Verbesserung der feinmotorischen Fähigkeiten zur Bedienung der PC-Tastatur und des Joy-Sticks. Dieser Teilbereich sei jedoch nicht geeignet, die gesamte Petö-Therapie als Hilfe zur angemessenen Schulbildung zu qualifizieren. Die Kammer verkenne hierbei nicht, dass eine Verbesserung der körperlichen Konstitution auch positive Auswirkungen auf den Besuch der Schule und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft habe. Ließe man dies jedoch ausreichen, wäre nahezu jede Maßnahme, die die körperliche Situation irgendwie verbesserte, eine solche der sozialen Rehabilitation.

19

Der Kläger hat am 23. Oktober 2013 gegen das ihm am 27. September 2013 zugestellte Urteil Berufung eingelegt. Aus den vorgelegten Berichten ergebe sich eindeutig, dass durch die Zurückführung der Spastik der Kläger in die Lage versetzt worden sei, seine schulischen Aufgaben zu erfüllen. Insofern sei die Feststellung des Sozialgerichts, es handele sich allein um eine medizinische Rehabilitation, nicht nachvollziehbar. Die Förderung der Verbesserung des Stehens, die Verbesserung der Körperhaltung und der Sitzposition, die Lockerung der Gelenke und die Stärkung der Körpermuskulatur führten gerade dazu, dass er - der Kläger - den Schulbesuch überhaupt wahrnehmen könne. Andernfalls hätte er in einer Pflegeeinrichtung bettlägerig untergebracht werden müssen. Gerade durch die Verbesserung der muskulären Bedingungen und des Bewegungsapparates werde die soziale Integration ermöglicht. Entscheidend sei, dass die Verbesserung der gesundheitlichen Situation auch die Teilhabemöglichkeit im sozialen Bereich verbessere. Dies stelle keinen Widerspruch dar.

20

Der Kläger beantragt,

21

unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Schleswig vom 30. August 2013 den Bescheid des Beklagten vom 8. Januar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. April 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Kosten der Petö-Therapie für ihn – den Kläger – im Jahre 2009 in Höhe von 6.262,80 Euro zu erstatten.

22

Der Beklagte beantragt,

23

die Berufung zurückzuweisen.

24

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

25

Der Beklagte hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

26

Die Beigeladene nimmt inhaltlich nicht Stellung. Auf Nachfrage des Senats hat sie mit Schreiben vom 12. September 2016 ausdrücklich mitgeteilt, dass bei ihr für die Kostenübernahme der im Jahre 2009 durchgeführten Petö-Therapie kein Antrag gestellt worden sei.

27

Der Kläger hat weitere Klagen gegen die Ablehnung der Kostenübernahme der Petö-Therapien in den Folgejahren vor dem Sozialgericht Kiel erhoben (Az. S 22 SO 12/11, S 22 SO 39/12, S 22 SO 59/12), die im Hinblick auf das vorliegende Verfahren ruhend gestellt worden sind.

28

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Beigeladenen verwiesen. Diese sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe

29

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Schleswig sowie der Bescheid des Beklagten vom 8. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. April 2009 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat weder gegen den Beklagten noch gegen die Beigeladene einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die im Jahre 2009 durchgeführte Petö-Therapie.

30

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 8. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. April 2009, mit dem der Beklagte die Übernahme der Kosten für die vom Kläger im Jahre 2009 in drei Blöcken durchgeführte Petö-Therapie abgelehnt hat. Der Kläger begehrt mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG) die Erstattung der Kosten für die von ihm im Jahre 2009 durchgeführte Petö-Therapie. Gemäß der Bestätigung des Zentrums für Konduktive Therapie mit Schreiben vom 27. Mai 2010 beliefen sich die Kosten auf insgesamt 6.288,00 Euro. Mit seiner Klage und Berufung begehrt der Kläger jedoch lediglich die Übernahme von 6.262,80 Euro. Diese Summe entspricht den tatsächlich in Rechnung gestellten Beträgen (s. Rechnungen vom 5. Oktober 2009, 29. Juni 2009 und 2. März 2009, Bl. 48 – 51 der Gerichtsakte).

31

Richtiger Beklagter ist der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Kiel als Behörde (vgl. BSG, Urteil vom 9. Juni 2011 – B 8 SO 11/10 R – juris Rn. 12; Urteil vom 23. August 2013 – B 8 SO 17/12 R – juris Rn. 13). Nach § 70 Nr. 3 SGG sind Behörden beteiligtenfähig, sofern das Landesrecht dies bestimmt (Behördenprinzip). Eine entsprechende Bestimmung enthält § 5 Schleswig-Holsteinisches Ausführungsgesetz zum SGG vom 2. November 1953 (Gesetz- und Verordnungsblatt 144, in der Bekanntmachung vom 31. Dezember 1971 - GVBl 182). Der Beklagte ist auch der örtlich und sachlich zuständige Leistungsträger nach §§ 3, 97 Abs. 3 Nr. 1, 98 Abs. 1 SGB XII iVm §§ 1, 2 AG-SGB XII.

32

Ein Erstattungsanspruch des Klägers für die von seinen Eltern gezahlten Kosten der Petö-Therapie besteht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 4, 2. Alternative Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) nicht. Danach sind selbstbeschaffte Leistungen zu erstatten, wenn der Rehabilitationsträger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat.

33

Der Beklagte ist als erstangegangener Träger der zuständige Leistungsträger gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 SGB IX. Der Kläger hat die Kostenübernahme mit Schreiben vom 20. November 2008, eingegangen beim Beklagten am 24. November 2008, beantragt. Ein Antrag auf Kostenübernahme für die Petö-Therapie im Jahre 2009 ging bei der Beigeladenen hingegen nicht ein. Mit Bescheid vom 1. Juli 2008 lehnte die Beigeladene lediglich die Kostenübernahme für eine in der Zeit vom 15. September bis 10. Oktober 2008 absolvierte Petö-Therapie bestandskräftig ab. Einen darüber hinaus gehenden Verfügungssatz enthält der Bescheid nicht.

34

Eine Leistungspflicht des Beklagten im Rahmen der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch (SGB V) besteht nicht. Die Petö-Therapie gehört nicht zum Leistungskatalog der GKV. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) hat die Konduktive Förderung nach Petö in die Anlage der nicht verordnungsfähigen Heilmittel zu den Heilmittelrichtlinien (§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V) aufgenommen (siehe auch BSG, Urteil vom 3. September 2003 – B 1 KR 34/01 R – juris).

35

Auch eine Leistungspflicht des Beklagten im Rahmen der sozialen Rehabilitation gemäß §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) kommt vorliegend nicht in Betracht. Der Kläger gehört zwar – unstreitig – zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach § 53 Abs. 1 SGB XII (I.). Die Petö-Therapie kommt zudem als Leistung der sozialen Rehabilitation grundsätzlich in Betracht (II.). Die vom Kläger durchgeführte Therapie erfüllt jedoch nicht die Voraussetzungen einer sozialen Rehabilitation (III.).

36

I. Der Kläger gehört zum anspruchsberechtigten Personenkreis der Eingliederungshilfe. Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Voraussetzungen aufgrund der seit der Geburt des Klägers bestehenden Einschränkungen vorliegen.

37

II. Die Petö-Therapie kommt als Leistung der sozialen Rehabilitation grundsätzlich in Betracht. Dies ist höchstrichterlich anerkannt (siehe nur BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 19/08 R – juris). Vorliegend ist insbesondere eine Leistungspflicht des Beklagten nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII zu prüfen. Danach gehören zu den Leistungen der Eingliederungshilfe Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu. Nach § 12 Nr. 1 der Verordnung zu § 60 SGB XII (Eingliederungshilfe-Verordnung – Eingliederungshilfe-VO) umfasst die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung i.S. des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zu Gunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen und zu erleichtern.

38

Zur Abgrenzung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ist es erforderlich, den jeweiligen Leistungszweck herauszustellen. Leistungszwecke der medizinischen Rehabilitation und der sozialen Rehabilitation können sich überschneiden. Die Zwecksetzung der Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ist mit der Zwecksetzung der Leistungen der GKV nicht identisch; insbesondere verfolgen die Leistungen nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII mit der Erleichterung des Schulbesuchs über die Zwecke der GKV hinausgehende Ziele (BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 19/08 R – juris Rn. 21 m.w.N.). Entscheidend ist jedoch, welches konkrete Ziel mit der fraglichen Leistung in erster Linie verfolgt wird, d.h. welcher Leistungszweck im Vordergrund steht. Dies ist aufgrund einer Gesamtwürdigung der Bedürfnisse und Heilungschancen des einzelnen Behandlungsfalls zu bestimmen, wobei die Art der Erkrankung und ihr Bezug zu den eingesetzten Mitteln sowie die damit verbundenen Nah- und Fernziele eine Rolle spielen (BSG, Urteile vom 31. März 1998 – B 1 KR 12/96 juris Rn. 16 ff. und 3. September 2003 – B 1 KR 34/01 R – juris Rn. 15 f.; BVerwG, Urteil vom 18.10.2012 – 5 C 15/11 – juris Rn. 17; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.3.2013 – L 9 SO 17/11 – juris Rn. 34).

39

Leistungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben (soziale Rehabilitation) setzen an den sozialen Folgen einer Krankheit bzw. Behinderung an und dienen deren Überwindung. Sie sollen die Auswirkungen der Krankheit bzw. Behinderung auf die Lebensgestaltung auffangen oder abmildern. Ihr Ziel ist es einerseits, den Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung in (Teil-)Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ausgegrenzt sind, den Zugang zur Gesellschaft zu ermöglichen, andererseits aber auch Personen, die in der Gesellschaft integriert sind, die Teilhabe zu sichern, wenn sich abzeichnet, dass sie von gesellschaftlichen Ereignissen und Bezügen abgeschnitten werden. Dem behinderten Menschen soll der Kontakt mit seiner Umwelt nicht nur mit Familie und Nachbarschaft, sowie die Teilnahme am öffentlichen und kulturellen Leben ermöglicht und hierdurch die Begegnung und der Umgang mit nichtbehinderten Menschen gefördert werden. Des Weiteren zielen die Leistungen der sozialen Rehabilitation darauf, den behinderten Menschen soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen (BVerwG, Urteil vom 18.10.2012 – 5 C 15/11 – juris Rn. 18 m.w.N.). Wie bereits ausgeführt, sind die Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung als besondere Ausprägung der sozialen Rehabilitation darauf gerichtet, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen und zu erleichtern.

40

Leistungen der medizinischen Rehabilitation nach § 26 SGB IX knüpfen dagegen an der Krankheit selbst und ihren Ursachen an. Sie dienen dazu, Behinderungen, einschließlich chronischer Krankheiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, eine Verschlimmerung zu verhüten (Abs. 1 Nr. 1) oder Einschränkungen der Erwerbstätigkeit und Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern, eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug von laufenden Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern (Abs. 1 Nr. 2). Für die Einordnung als medizinische Behandlung ist nicht entscheidend, ob die gestellten Ziele objektiv erreichbar sind (BVerwG, Urteil vom 18.10.2012 – 5 C 15/11 – juris Rn. 19 m.w.N.).

41

Ob bei der jeweiligen Therapie die Zwecke der sozialen oder die der medizinischen Rehabilitation im Vordergrund stehen, bedarf einer Entscheidung am Einzelfall.

42

III. Daran gemessen, handelt es sich bei der vom Kläger im Jahre 2009 absolvierten Petö-Therapie um eine medizinische Rehabilitation und nicht um eine soziale Rehabilitation. Die Petö-Therapie diente vorliegend nahezu ausschließlich der medizinischen Rehabilitation. Dass die Therapien daneben auch die kognitiven Fähigkeiten des Klägers und seine Beschulungsmöglichkeit verbessert haben, ist für die Einordnung der Leistung unerheblich. Zur Begründung wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im Urteil vom 30. August 2013 verwiesen, denen sich der Senat nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage anschließt.

43

Ausweislich des Berichts des Sozialpädiatrischen Zentrums und der Kinderneurologie im Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des Evangelischen Krankenhauses O… vom 24. April 2009 diente die Therapie im Frühjahr 2009 (dort angegeben: 6. bis 24. April) der Förderung und Verbesserung des Stehens und Laufens an Stöcken, der Verbesserung der Körperhaltung in der Sitzposition auf dem Hocker mit Stärkung der Rückenmuskulatur und der Lockerung der Gelenke und Stärkung der Körpermuskulatur. Ausweislich des Berichts vom 21. Januar 2010 zielte die Therapie im Herbst 2009 (12. bis 30. Oktober 2009) auf die Verbesserung der Sitzsicherheit auf dem Hocker, die Stabilisierung auf der neuen Hocker-Kombination, die Stärkung der Körpermuskulatur und Körperhaltung, die Verbesserung des Gehens und der Knie- und Armstreckung sowie die Förderung des Hantierens ab. Der Bericht des Zentrums für Konduktive Therapie in O… vom 23. Juli 2013 fasst die Ziele für das Jahr 2009 wie folgt zusammen:

44

- Es sollten seine Gelenke gelockert und die gesamte Körpermuskulatur gestärkt werden.

45

- Es sollte seine Stehzeit verlängert und sein Stehen und Gehen mit den Stöcken verbessert werden.

46

- Es sollte seine Sitzsicherheit auf dem Hocker gefördert werden.

47

- Es sollte seine Körperhaltung in allen Positionen verbessert werden.

48

- Im dritten Block sollte er auf der neuen Hockerkombination sicher sitzen lernen.

49

- Es sollte seine Knie- und Armstreckung gefördert und verbessert werden.

50

- Es sollte sein Hantieren gefördert werden.

51

Hierbei zeigt sich, dass nahezu ausschließlich die Förderung des Laufens, Stehens und Sitzens durch Stärkung und Lockerung der Gelenke und Muskulatur erreicht werden sollte und die Therapie somit gerade an die Krankheit selbst und ihren Ursachen anknüpft. Sie ist damit nahezu ausschließlich der medizinischen Rehabilitation zuzuordnen. Auch aus den im Bericht des Zentrums für Konduktive Therapie in O... vom 23. Juli 2013 dargestellten Zielen der jährlichen Therapien seit 1998 geht ebenfalls hervor, dass im Rahmen der dort durchgeführten Therapien ganz überwiegend die Grobmotorik des Klägers gefördert werden sollte. Lediglich für das Jahr 2006 – das nicht in den hier streitigen Zeitraum fällt – ist die Förderung der kognitiven Ebene als konkretes Ziel angegeben.

52

Der Senat verkennt dabei nicht, dass sich jeder Erfolg der dargestellten Ziele auch auf den Schulbesuch und die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft positiv auswirkt. Dies macht eine Maßnahme jedoch nicht automatisch auch zu einer solchen der sozialen Rehabilitation. Andernfalls wäre nahezu jede Leistung der medizinischen Rehabilitation gleichfalls eine Leistung der sozialen Rehabilitation. Der Senat verbleibt insoweit im Einklang mit seiner am 27. Februar 2013 (Az. L 9 SO 17/11 – juris Rn. 60) getroffenen Entscheidung der Auffassung, dass eine Verbesserung der motorischen Fähigkeiten durch die Petö-Therapie nicht zur Kostenübernahme durch den Sozialhilfeträger führt, wenn aus Zielsetzung und Berichten über die Therapie zu entnehmen ist, dass die mit der Petö-Therapie grundsätzlich auch verfolgten Ziele der Eingliederung in die Gesellschaft, die Förderung der intellektuellen und sozial-emotionalen Fähigkeiten wie Sprache, Kultur, Technik und psychosoziales Handeln sowie die Förderung des lebenspraktischen Handelns offensichtlich keine wesentliche Rolle gespielt haben, sondern der medizinische Leistungszweck eindeutig im Vordergrund gestanden hat (vgl. auch LSG NRW, Urteil vom 20. August 2012 – L 20 SO 25/09 – juris Rn. 62 ff.). Maßgeblich für die Einordnung der Leistung ist damit stets, welcher Leistungszweck im Vordergrund steht. Der Senat sieht sich bei einem solchen Verständnis zumindest auch im Einklang mit der oben zitierten Rechtsprechung des 1. Senats des BSG und des BVerwG. Ob dies auch für die Rechtsprechung des 8. Senats des BSG (a.a.O.) gilt oder diese gerade nicht auf eine zumindest schwerpunktmäßige Leistungszweckzuordnung abstellt, geht für den Senat nicht eindeutig aus dem Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 19/08 R - hervor und bedarf ggf. weitergehender Klärung im Rahmen eines Revisionsverfahrens.

53

Auch wenn verbesserte motorische Fähigkeiten dazu führen, dass eine Eingliederung in die Gesellschaft oder auch der Schulbesuch leichter fallen können, müssen dahingehende Ziele zumindest zunächst formuliert und möglich sein. Es muss zudem dargelegt werden, dass Ansätze vorhanden sind, dass an diesen Zielen gearbeitet wird und sie erreicht werden können. Dies fehlt vorliegend. Das Ziel der Eingliederungshilfe, eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den Kläger durch die Petö-Therapie im Jahre 2009 in die Gesellschaft einzugliedern und den Schulbesuch zu erleichtern, ist hinsichtlich der drei Maßnahmen in 2009 gerade nicht formuliert und im konkreten Abschlussbericht festgehalten. Die medizinische Rehabilitation des Klägers stand hingegen eindeutig – wie dargelegt – im Vordergrund. Eine Kostenerstattung kann daher nicht erfolgen.

54

Der Senat sah sich nicht dazu veranlasst, den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung am 14. Dezember 2016 gestellten Beweisantrag, dass durch die Petö-Blocktherapien die kognitiven Fähigkeiten des Klägers verbessert worden und der Leistungszweck darauf gerichtet gewesen sei, dass die Beschulungsmöglichkeit des Klägers erleichtert wurde, durch Vernehmung der den Kläger behandelnden Dipl.-Konduktorin Frau E. D.-T......., zu laden über das Zentrum für Konduktive Therapie, F...straße --, 4---- O..., sowie des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie A. K. G…., N... --, ----- B… inklusive einer ambulanten Untersuchung des Klägers durch Herrn G…, von Amts wegen nachzukommen. Ein ablehnender Beschluss ist bereits im Rahmen der mündlichen Verhandlung ergangen und mündlich begründet worden. Eine entsprechende Aussage der Dipl.-Konduktorin D.-T…. enthält bereits der gemeinsam mit dem Geschäftsführer des Zentrums für Konduktive Therapie U. F…. am 23. Juli 2013 verfasste Bericht über die seit dem Jahre 1998 durchgeführten Petö-Therapien (vgl. insbesondere die letzten beiden Absätze des Berichts). Der Bericht ist mit Schreiben vom 8. August 2013 vom Kläger zur Gerichtsakte gereicht worden (Bl. 88 bis 98). Einer Vernehmung der benannten Zeugin misst der Senat keinen darüber hinaus gehenden Beweiswert zu, zumal der Senat keine Zweifel an der Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten und der Beschulungsmöglichkeit des Klägers auch durch die im Jahre 2009 absolvierte Petö-Therapie hat. Da diese Zwecke aber bei Betrachtung der Leistungsziele nicht im Fokus der im streitigen Zeitraum durchgeführten Therapien standen, kommt es nach Auffassung des Senats – wie ausgeführt – darauf gerade nicht an. Aus diesem Grunde war auch eine Vernehmung des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie A. K. G…. inklusive einer ambulanten Untersuchung des Klägers nicht durchzuführen. Welchen Beweiswert eine jetzt und mithin über sieben Jahre nach Abschluss der streitigen Petö-Therapie durchzuführende ambulante Untersuchung des Klägers für das vorliegende Verfahren haben sollte, erschließt sich dem Senat zudem nicht.

55

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

56

Die Revision wird im Hinblick auf eine möglicherweise denkbare Divergenz zur Entscheidung des BSGs vom 29. September 2009 (Az. B 8 SO 19/08 R) gemäß § 160 Abs. 1, 2 Nr. 2 SGG zugelassen.


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published on 23/08/2013 00:00

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published on 18/10/2012 00:00

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Tenor I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 26. Oktober 2015, S 48 SO 333/11, wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugela
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Annotations

Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind

1.
natürliche und juristische Personen,
2.
nichtrechtsfähige Personenvereinigungen,
3.
Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt,
4.
gemeinsame Entscheidungsgremien von Leistungserbringern und Krankenkassen oder Pflegekassen.

(1) Die Sozialhilfe wird von örtlichen und überörtlichen Trägern geleistet.

(2) Örtliche Träger der Sozialhilfe sind die kreisfreien Städte und die Kreise, soweit nicht nach Landesrecht etwas anderes bestimmt wird. Bei der Bestimmung durch Landesrecht ist zu gewährleisten, dass die zukünftigen örtlichen Träger mit der Übertragung dieser Aufgaben einverstanden sind, nach ihrer Leistungsfähigkeit zur Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch geeignet sind und dass die Erfüllung dieser Aufgaben in dem gesamten Kreisgebiet sichergestellt ist.

(3) Die Länder bestimmen die überörtlichen Träger der Sozialhilfe.

(1) Für die Sozialhilfe sachlich zuständig ist der örtliche Träger der Sozialhilfe, soweit nicht der überörtliche Träger sachlich zuständig ist.

(2) Die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe wird nach Landesrecht bestimmt. Dabei soll berücksichtigt werden, dass so weit wie möglich für Leistungen im Sinne von § 8 Nr. 1 bis 6 jeweils eine einheitliche sachliche Zuständigkeit gegeben ist.

(3) Soweit Landesrecht keine Bestimmung nach Absatz 2 Satz 1 enthält, ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe für

1.
(weggefallen)
2.
Leistungen der Hilfe zur Pflege nach den §§ 61 bis 66,
3.
Leistungen der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach den §§ 67 bis 69,
4.
Leistungen der Blindenhilfe nach § 72
sachlich zuständig.

(4) Die sachliche Zuständigkeit für eine stationäre Leistung umfasst auch die sachliche Zuständigkeit für Leistungen, die gleichzeitig nach anderen Kapiteln zu erbringen sind, sowie für eine Leistung nach § 74.

(5) (weggefallen)

Aufgabe der Sozialhilfe ist es, den Leistungsberechtigten die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Die Leistung soll sie so weit wie möglich befähigen, unabhängig von ihr zu leben; darauf haben auch die Leistungsberechtigten nach ihren Kräften hinzuarbeiten. Zur Erreichung dieser Ziele haben die Leistungsberechtigten und die Träger der Sozialhilfe im Rahmen ihrer Rechte und Pflichten zusammenzuwirken.

(1) Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Verpflichtungen anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger oder der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben unberührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind.

(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Absatz 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, soll der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet werden, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung erbringt. Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 keine Feststellungen nach § 11 Absatz 2a Nummer 1 des Sechsten Buches und § 22 Absatz 2 des Dritten Buches getroffen.

(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 bis 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger. In den Fällen der Anforderung einer gutachterlichen Stellungnahme bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 gilt Satz 3 entsprechend.

(3) Ist der Rehabilitationsträger, an den der Antrag nach Absatz 1 Satz 2 weitergeleitet worden ist, nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung insgesamt nicht zuständig, kann er den Antrag im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger an diesen weiterleiten, damit von diesem als leistendem Rehabilitationsträger über den Antrag innerhalb der bereits nach Absatz 2 Satz 4 laufenden Fristen entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.

(5) Für die Weiterleitung des Antrages ist § 16 Absatz 2 Satz 1 des Ersten Buches nicht anzuwenden, wenn und soweit Leistungen zur Teilhabe bei einem Rehabilitationsträger beantragt werden.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren zur Sicherung der Zusammenarbeit nach § 25 Absatz 1 gemeinsame Empfehlungen.

(2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren darüber hinaus gemeinsame Empfehlungen,

1.
welche Maßnahmen nach § 3 geeignet sind, um den Eintritt einer Behinderung zu vermeiden,
2.
in welchen Fällen und in welcher Weise rehabilitationsbedürftigen Menschen notwendige Leistungen zur Teilhabe angeboten werden, insbesondere, um eine durch eine Chronifizierung von Erkrankungen bedingte Behinderung zu verhindern,
3.
über die einheitliche Ausgestaltung des Teilhabeplanverfahrens,
4.
in welcher Weise die Bundesagentur für Arbeit nach § 54 zu beteiligen ist,
5.
wie Leistungen zur Teilhabe nach den §§ 14 und 15 koordiniert werden,
6.
in welcher Weise und in welchem Umfang Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen, die sich die Prävention, Rehabilitation, Früherkennung und Bewältigung von Krankheiten und Behinderungen zum Ziel gesetzt haben, gefördert werden,
7.
für Grundsätze der Instrumente zur Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs nach § 13,
8.
in welchen Fällen und in welcher Weise der behandelnde Hausarzt oder Facharzt und der Betriebs- oder Werksarzt in die Einleitung und Ausführung von Leistungen zur Teilhabe einzubinden sind,
9.
zu einem Informationsaustausch mit Beschäftigten mit Behinderungen, Arbeitgebern und den in § 166 genannten Vertretungen zur möglichst frühzeitigen Erkennung des individuellen Bedarfs voraussichtlich erforderlicher Leistungen zur Teilhabe sowie
10.
über ihre Zusammenarbeit mit Sozialdiensten und vergleichbaren Stellen.

(3) Bestehen für einen Rehabilitationsträger Rahmenempfehlungen auf Grund gesetzlicher Vorschriften und soll bei den gemeinsamen Empfehlungen von diesen abgewichen werden oder sollen die gemeinsamen Empfehlungen Gegenstände betreffen, die nach den gesetzlichen Vorschriften Gegenstand solcher Rahmenempfehlungen werden sollen, stellt der Rehabilitationsträger das Einvernehmen mit den jeweiligen Partnern der Rahmenempfehlungen sicher.

(4) Die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung können sich bei der Vereinbarung der gemeinsamen Empfehlungen durch ihre Spitzenverbände vertreten lassen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen schließt die gemeinsamen Empfehlungen auch als Spitzenverband Bund der Pflegekassen ab, soweit die Aufgaben der Pflegekassen von den gemeinsamen Empfehlungen berührt sind.

(5) An der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen werden die Träger der Eingliederungshilfe und der öffentlichen Jugendhilfe über die Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter sowie die Integrationsämter in Bezug auf Leistungen und sonstige Hilfen für schwerbehinderte Menschen nach Teil 3 über die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen beteiligt. Die Träger der Eingliederungshilfe und der öffentlichen Jugendhilfe orientieren sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Buch an den vereinbarten Empfehlungen oder können diesen beitreten.

(6) Die Verbände von Menschen mit Behinderungen einschließlich der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfegruppen und der Interessenvertretungen von Frauen mit Behinderungen sowie die für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenverbände werden an der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen beteiligt. Ihren Anliegen wird bei der Ausgestaltung der Empfehlungen nach Möglichkeit Rechnung getragen. Die Empfehlungen berücksichtigen auch die besonderen Bedürfnisse von Frauen und Kindern mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder.

(7) Die beteiligten Rehabilitationsträger vereinbaren die gemeinsamen Empfehlungen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Ländern auf der Grundlage eines von ihnen innerhalb der Bundesarbeitsgemeinschaft vorbereiteten Vorschlags. Der oder die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit wird beteiligt. Hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu einem Vorschlag aufgefordert, legt die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation den Vorschlag innerhalb von sechs Monaten vor. Dem Vorschlag wird gefolgt, wenn ihm berechtigte Interessen eines Rehabilitationsträgers nicht entgegenstehen. Einwände nach Satz 4 sind innerhalb von vier Wochen nach Vorlage des Vorschlags auszuräumen.

(8) Die Rehabilitationsträger teilen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation alle zwei Jahre ihre Erfahrungen mit den gemeinsamen Empfehlungen mit, die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung über ihre Spitzenverbände. Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation stellt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Ländern eine Zusammenfassung zur Verfügung.

(9) Die gemeinsamen Empfehlungen können durch die regional zuständigen Rehabilitationsträger konkretisiert werden.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.