Landessozialgericht NRW Beschluss, 28. Nov. 2013 - L 9 AL 81/13

ECLI:ECLI:DE:LSGNRW:2013:1128.L9AL81.13.00
bei uns veröffentlicht am28.11.2013

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 22.01.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 153


(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 183


Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kos

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 57 Förderungsfähige Berufsausbildung


(1) Eine Berufsausbildung ist förderungsfähig, wenn sie in einem nach dem Berufsbildungsgesetz, der Handwerksordnung oder dem Seearbeitsgesetz staatlich anerkannten Ausbildungsberuf betrieblich oder außerbetrieblich oder nach Teil 2, auch in Verbindu

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 39 Ermessensleistungen


(1) Sind die Leistungsträger ermächtigt, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, haben sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Auf p

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 119 Übergangsgeld


Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf Übergangsgeld, wenn1.die Voraussetzung der Vorbeschäftigungszeit für das Übergangsgeld erfüllt ist und2.sie an einer Maßnahme der Berufsausbildung, der Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Be

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 118 Leistungen


Die besonderen Leistungen umfassen1.das Übergangsgeld,2.das Ausbildungsgeld, wenn ein Übergangsgeld nicht gezahlt werden kann,3.die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme.

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 93 Gründungszuschuss


(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 127 Teilnahmekosten für Maßnahmen


(1) Teilnahmekosten bestimmen sich nach den §§ 49, 64, 73 und 74 des Neunten Buches. Sie beinhalten auch weitere Aufwendungen, die wegen Art und Schwere der Behinderung unvermeidbar entstehen, sowie Kosten für Unterkunft und Verpflegung bei anderweit

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 3 Leistungen der Arbeitsförderung


(1) Leistungen der Arbeitsförderung sind Leistungen nach Maßgabe des Dritten und Vierten Kapitels dieses Buches. (2) Leistungen der aktiven Arbeitsförderung sind Leistungen nach Maßgabe des Dritten Kapitels dieses Buches und Arbeitslosengeld bei

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 4 Vorrang der Vermittlung


(1) Die Vermittlung in Ausbildung und Arbeit hat Vorrang vor den Leistungen zum Ersatz des Arbeitsentgelts bei Arbeitslosigkeit. (2) Der Vermittlungsvorrang gilt auch im Verhältnis zu den sonstigen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, es sei

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Tenor Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. Februar 2014 wird zurückgewiesen.Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Tatbestand  1 Die Klägerin begehrt die Gewährun

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(1) Leistungen der Arbeitsförderung sind Leistungen nach Maßgabe des Dritten und Vierten Kapitels dieses Buches.

(2) Leistungen der aktiven Arbeitsförderung sind Leistungen nach Maßgabe des Dritten Kapitels dieses Buches und Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung.

(3) Leistungen der aktiven Arbeitsförderung sind Ermessensleistungen mit Ausnahme

1.
des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins nach § 45 Absatz 7,
2.
der Berufsausbildungsbeihilfe während der ersten Berufsausbildung oder einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme,
3.
der Leistung zur Vorbereitung auf den nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses oder eines gleichwertigen Schulabschlusses im Rahmen einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme,
4.
der Weiterbildungskosten zum nachträglichen Erwerb eines Berufsabschlusses, des Hauptschulabschlusses oder eines gleichwertigen Schulabschlusses,
5.
des Kurzarbeitergeldes bei Arbeitsausfall,
6.
des Wintergeldes,
7.
der Leistungen zur Förderung der Teilnahme an Transfermaßnahmen,
8.
der besonderen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und
9.
des Arbeitslosengeldes bei beruflicher Weiterbildung.

(4) Entgeltersatzleistungen sind

1.
Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit und bei beruflicher Weiterbildung,
2.
Teilarbeitslosengeld bei Teilarbeitslosigkeit,
3.
Übergangsgeld bei Teilnahme an Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
4.
Kurzarbeitergeld bei Arbeitsausfall,
5.
Insolvenzgeld bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers.

(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten.

(2) Ein Gründungszuschuss kann geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer

1.
bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht,
2.
der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und
3.
ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute.

(3) Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten.

(4) Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.

(5) Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten.

(1) Leistungen der Arbeitsförderung sind Leistungen nach Maßgabe des Dritten und Vierten Kapitels dieses Buches.

(2) Leistungen der aktiven Arbeitsförderung sind Leistungen nach Maßgabe des Dritten Kapitels dieses Buches und Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung.

(3) Leistungen der aktiven Arbeitsförderung sind Ermessensleistungen mit Ausnahme

1.
des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins nach § 45 Absatz 7,
2.
der Berufsausbildungsbeihilfe während der ersten Berufsausbildung oder einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme,
3.
der Leistung zur Vorbereitung auf den nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses oder eines gleichwertigen Schulabschlusses im Rahmen einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme,
4.
der Weiterbildungskosten zum nachträglichen Erwerb eines Berufsabschlusses, des Hauptschulabschlusses oder eines gleichwertigen Schulabschlusses,
5.
des Kurzarbeitergeldes bei Arbeitsausfall,
6.
des Wintergeldes,
7.
der Leistungen zur Förderung der Teilnahme an Transfermaßnahmen,
8.
der besonderen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und
9.
des Arbeitslosengeldes bei beruflicher Weiterbildung.

(4) Entgeltersatzleistungen sind

1.
Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit und bei beruflicher Weiterbildung,
2.
Teilarbeitslosengeld bei Teilarbeitslosigkeit,
3.
Übergangsgeld bei Teilnahme an Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
4.
Kurzarbeitergeld bei Arbeitsausfall,
5.
Insolvenzgeld bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers.

(1) Die Vermittlung in Ausbildung und Arbeit hat Vorrang vor den Leistungen zum Ersatz des Arbeitsentgelts bei Arbeitslosigkeit.

(2) Der Vermittlungsvorrang gilt auch im Verhältnis zu den sonstigen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, es sei denn, die Leistung ist für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich. Von der Erforderlichkeit für die dauerhafte Eingliederung ist insbesondere auszugehen, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit fehlendem Berufsabschluss an einer nach § 81 geförderten beruflichen Weiterbildung teilnehmen oder voraussichtlich teilnehmen werden. Der Vermittlungsvorrang gilt nicht im Verhältnis zur Förderung von Existenzgründungen mit einem Gründungszuschuss nach § 93.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Eine Berufsausbildung ist förderungsfähig, wenn sie in einem nach dem Berufsbildungsgesetz, der Handwerksordnung oder dem Seearbeitsgesetz staatlich anerkannten Ausbildungsberuf betrieblich oder außerbetrieblich oder nach Teil 2, auch in Verbindung mit Teil 5, des Pflegeberufegesetzes oder dem Altenpflegegesetz betrieblich durchgeführt wird und der dafür vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen worden ist.

(2) Förderungsfähig ist die erste Berufsausbildung. Eine zweite Berufsausbildung kann gefördert werden, wenn zu erwarten ist, dass eine berufliche Eingliederung dauerhaft auf andere Weise nicht erreicht werden kann und durch die zweite Berufsausbildung die berufliche Eingliederung erreicht wird.

(3) Nach der vorzeitigen Lösung eines Berufsausbildungsverhältnisses darf erneut gefördert werden, wenn für die Lösung ein berechtigter Grund bestand.

Die besonderen Leistungen umfassen

1.
das Übergangsgeld,
2.
das Ausbildungsgeld, wenn ein Übergangsgeld nicht gezahlt werden kann,
3.
die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme.

Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf Übergangsgeld, wenn

1.
die Voraussetzung der Vorbeschäftigungszeit für das Übergangsgeld erfüllt ist und
2.
sie an einer Maßnahme der Berufsausbildung, der Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung, der individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung nach § 55 des Neunten Buches, einer Maßnahme im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder an einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung teilnehmen, für die die besonderen Leistungen erbracht werden.
Im Übrigen gelten die Vorschriften des Kapitels 11 des Teils 1 des Neunten Buches, soweit in diesem Buch nichts Abweichendes bestimmt ist. Besteht bei Teilnahme an einer Maßnahme, für die die allgemeinen Leistungen erbracht werden, kein Anspruch auf Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung, erhalten Menschen mit Behinderungen Übergangsgeld in Höhe des Arbeitslosengeldes, wenn sie bei Teilnahme an einer Maßnahme, für die die besonderen Leistungen erbracht werden, Übergangsgeld erhalten würden.

(1) Sind die Leistungsträger ermächtigt, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, haben sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens besteht ein Anspruch.

(2) Für Ermessensleistungen gelten die Vorschriften über Sozialleistungen, auf die ein Anspruch besteht, entsprechend, soweit sich aus den Vorschriften dieses Gesetzbuchs nichts Abweichendes ergibt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. April 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Abfindung einer so genannten kleinen Verletztenrente. Der im Jahre 1958 geborene Kläger erlitt am 4.10.2002 einen Arbeitsunfall, aufgrund dessen die Rechtsvorgängerin der beklagten Berufsgenossenschaft (BG; im Folgenden: Beklagte) ihm gegenüber ein Recht auf Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vH auf unbestimmte Zeit feststellte (Bescheid vom 18.8.2005). Die vom Kläger Anfang Februar 2007 beantragte Abfindung seiner Rente lehnte die Beklagte unter Hinweis auf ein bei Dr. R. eingeholtes internistisches Gutachten ab, da die Lebenserwartung des Klägers aufgrund dessen Adipositas, Nikotin- und Alkoholkonsums erheblich herabgesetzt sei (Bescheid vom 20.4.2007, Widerspruchsbescheid vom 29.6.2007).

2

Das SG hat nach Einholung eines Gutachtens bei Privatdozent Dr. S. die Klage abgewiesen, weil die Beklagte ermessensfehlerfrei gehandelt habe (Urteil vom 27.5.2009). Das LSG hat auf die Berufung des Klägers die Beklagte verurteilt, dessen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden (Urteil vom 15.4.2010), und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Nach § 76 Abs 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) stehe die Entscheidung über einen Abfindungsantrag im Ermessen des Unfallversicherungsträgers. Eine Ablehnung komme in Betracht, wenn die Lebenserwartung des Antragstellers erheblich geringer sei als die altersübliche und die Zeit unterschreite, die dem für die Abfindung festgesetzten Kapitalwert entspreche. Sei diese Voraussetzung nicht erfüllt, könne der Gesichtspunkt der Lebenserwartung des Versicherten das Interesse des Unfallversicherungsträgers an der Verweigerung einer Abfindung nicht begründen. Der Kapitalwert der Verletztenrente des Klägers betrage 14,5 Jahre nach der Anlage 1 der Verordnung über die Berechnung des Kapitalwertes bei Abfindung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung vom 17.8.1965 (BGBl I S 894, idF aufgrund von Art 21 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 7.8.1996, BGBl I S 1254, im Folgenden: Abfindungsverordnung), weil der Kläger bei Eintritt des Arbeitsunfalls zwischen 40 und 45 Jahre alt gewesen sei und zur Zeit der mündlichen Verhandlung mehr als sieben Jahre seit dem Arbeitsunfall vergangen seien. Welche genaue Lebenserwartung der Kläger im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung habe, könne dahingestellt bleiben, da sie zumindest nicht niedriger als 14,5 Jahre sei, auch wenn von einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 29,75 Jahren bei einem Mann im Alter des Klägers und einer nikotinbedingten Verkürzung von 8 Jahren ausgegangen werde und die weiteren Risiken berücksichtigt würden. Die Beklagte sei folglich bei ihrer Ermessensentscheidung von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen, sodass der angefochtene Bescheid aufzuheben und sie zur Neubescheidung zu verurteilen sei.

3

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie macht geltend, entgegen der Auffassung des LSG müsse die Verkürzung der Lebenserwartung nicht den für die Abfindung festgesetzten Kapitalwert unterschreiten. Beim Vorliegen von gesundheitlichen Risikofaktoren und Krankheitsanlagen, die eine erhebliche Verkürzung der Lebenserwartung bedingten, könne nur eine ablehnende Entscheidung ergehen und zwar nicht nur in klaren Missbrauchsfällen, wie zB nach dem Bekanntwerden einer Geschwulsterkrankung. Das LSG habe nicht festgestellt, zu welcher Verkürzung der Lebenserwartung in Jahren die neben dem Nikotinkonsum bestehenden anderen Risikofaktoren beim Kläger führen würden, und hätte hierzu weitere Ermittlungen anstellen müssen.

4

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 15. April 2010 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Ulm vom 27. Mai 2009 zurückzuweisen.

5

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision der Beklagten ist insoweit begründet, als das angefochtene Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist. Das Urteil des LSG ist aufzuheben, weil das LSG die Bescheide der Beklagten wegen fehlerhafter Ermessenausübung aufgehoben hat, ohne zuvor alle tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ermessensausübung festzustellen (dazu 1.). Zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerungen hat der Senat beschlossen, Hinweise zu Inhalt und Grenzen der richterlichen Überprüfung der im Ermessen des Unfallversicherungsträgers stehenden Entscheidung nach § 76 SGB VII zu geben(dazu 2.).

7

1. Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Abfindung ist § 76 Abs 1 Satz 1 SGB VII, der lautet: Versicherte, die Anspruch auf eine Rente wegen einer MdE von weniger als 40 vH haben, können auf ihren Antrag mit einem dem Kapitalwert der Rente entsprechenden Betrag abgefunden werden. Die Berechnung des Kapitalwerts ist durch Rechtsverordnung zu bestimmen (Abs 1 Satz 3). Eine Abfindung darf nur bewilligt werden, wenn nicht zu erwarten ist, dass die MdE wesentlich absinkt (Abs 2).

8

Dass der Beklagten im Hinblick auf die Gewährung einer Abfindung Ermessen eingeräumt ist, folgt zunächst aus dem Wortlaut des § 76 Abs 1 Satz 1 SGB VII mit dem Gebrauch des Wortes "können", das kein bloßes "Kompetenz-Kann" beinhaltet - so die Rechtsprechung des Senats(BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 19/99 R - SozR 3-2700 § 76 Nr 2; BSG vom 28.4.2004 - B 2 U 10/03 R - SozR 4-2700 § 76 Nr 1 RdNr 8)sowie die Literatur (Burchardt in Becker/ Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII-Komm, § 76 RdNr 10; Jung in Juris-PK SGB VII, § 76 RdNr 12; Kranig in Hauck/Noftz, SGB VII, § 76 RdNr 12; Mehrtens in Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 76 SGB VII RdNr 3.1; Ricke in Kasseler Komm, SGB VII, § 76 RdNr 4; Sacher in Lauterbach, Unfallversicherung - SGB VII, § 76 RdNr 19) und die Auslegung der im Wortlaut vergleichbaren Vorläufervorschrift des § 604 Reichsversicherungsordnung(vgl insofern BSG vom 24.6.1987 - 5a RKnU 2/86 - SozR 1200 § 40 Nr 3; Wiesner, BG 1985, 327).

9

Davon ist das LSG bei seiner Entscheidung auch ausgegangen. Denn es hat den Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben und sie zur Neubescheidung verurteilt, weil sie bei ihrer Ermessensentscheidung von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen sei. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Bewilligung eines Anspruchs auf eine Abfindung sind aber den Feststellungen des LSG nur zum Teil zu entnehmen: Nach den für den Senat bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG hat der Kläger gegen die Beklagte Anspruch auf eine Rente nach einer MdE von 20 vH, und er hat auch einen Abfindungsantrag gestellt. Hinsichtlich des negativen Tatbestandsmerkmals (so schon im Urteil des Senats vom 18.4.2000 - B 2 U 19/99 R - SozR 3-2700 § 76 Nr 2; ebenso: Sacher in Lauterbach, Unfallversicherung - SGB VII, § 76 RdNr 24), dass eine Abfindung nur bewilligt werden darf, wenn nicht zu erwarten ist, dass die MdE wesentlich sinkt (§ 76 Abs 2 SGB VII), hat das LSG keine Feststellungen getroffen.

10

Solange aber nicht feststeht, ob der Tatbestand der Rechtsgrundlage erfüllt ist, mangelt es an den Voraussetzungen der Ermessenseinräumung und damit auch für eine Ermessensausübung und an den Grundlagen für ein dem Kläger günstiges Bescheidungsurteil, das die Behörde verpflichtet, eine Ermessensentscheidung zu treffen. Die Tatbestandserfüllung kann nicht durch - stets unzulässige - gerichtliche Ermessenserwägungen ersetzt werden. Dementsprechend ist das Urteil des LSG aufzuheben, damit das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren zunächst klären kann, ob die genannte (negative) Tatbestandsvoraussetzung erfüllt ist. Erst wenn alle Tatbestandsvoraussetzungen des § 76 SGB VII gegeben sind, wird das LSG die Ermessensausübung der Beklagten auf Ermessensfehler überprüfen dürfen.

11

2. Im Hinblick auf das Gebot, einer überlangen Verfahrensdauer entgegenzuwirken (Art 19 Abs 4 Satz 1 Grundgesetz , Art 6 Abs 1 Satz 1 Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten), hat der Senat beschlossen, Hinweise zu geben zu Inhalt und Grenzen der richterlichen Überprüfung einer im Ermessen des Unfallversicherungsträgers stehenden Entscheidung (dazu a) sowie zu den Ermessenszwecken des § 76 Abs 1 SGB VII und den deshalb von dem Träger jeweils abzuwägenden Ermessensgesichtspunkten(dazu b).

12

a) Soweit die Leistungsträger ermächtigt sind, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, haben sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch). Der Versicherte hat Anspruch auf eine pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB I). Hingegen entsteht ein Anspruch auf eine bestimmte Sozialleistung nur aufgrund der Bewilligungsentscheidung (§ 40 Abs 2 SGB I). Darüber hinaus kann im Einzelfall ein Rechtsanspruch auf die Leistung ausnahmsweise bei einer "Ermessensreduzierung auf Null" bestehen, bei der es nur ein ermessensgerechtes Ergebnis gibt (vgl dazu nur Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 29). Feststellungen, die vorliegend für eine solche Ermessensreduzierung auf Null sprechen, hat das LSG nicht getroffen; der Kläger hat derartiges im Revisionsverfahren nicht behauptet und keine entsprechenden Rügen erhoben.

13

Zur Sicherung der Funktionentrennung (Art 20 Abs 2 Satz 2 GG) und der Entscheidungsfreiheit des Leistungsträgers über die Zweckmäßigkeit seines Handelns ist die Überprüfung seiner Ermessensentscheidung durch die Gerichte auf die Rechtmäßigkeitsprüfung begrenzt. Das Gericht hat nur zu prüfen, ob der Träger sein Ermessen überhaupt ausgeübt, er die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder ob er von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 54 Abs 2 Satz 2 SGG; "Rechtmäßigkeit-, aber keine Zweckmäßigkeitskontrolle").

14

Dass die Beklagte Ermessen ausgeübt hat, ist den Feststellungen des LSG hinsichtlich des Inhalts der angefochtenen Bescheide der Beklagten zu entnehmen. Denn sie hat nicht nur - was allein nicht ausreichend ist - auf das eingeräumte Ermessen hingewiesen, sondern auch (zumindest) einen Ermessensgesichtspunkt genannt. Ebenso ist ein Überschreiten der Grenzen des Ermessens zu verneinen, weil § 76 SGB VII nur zwei Rechtsfolgen zulässt, entweder den Anspruch auf die Abfindung zu gewähren oder nicht, und die Beklagte sich für Letzteres entschieden hat. Ferner hat das LSG keine Tatsachen festgestellt, die für eine Verletzung der objektiven verfassungsrechtlichen Schranken (Gleichheitsgebote, Übermaßverbot) jeder Ermessensausübung sprechen könnten.

15

Als Ermessensfehler kommt nur eine dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechende Ermessensausübung in Betracht. Ein Ermessensfehlgebrauch liegt zum einen vor, wenn die Behörde ein unsachliches Motiv oder einen sachfremden Zweck verfolgt (Ermessensmissbrauch). Zum anderen liegt der Fehlgebrauch als Abwägungsdefizit vor, wenn sie nicht alle Ermessensgesichtspunkte, die nach der Lage des Falls zu berücksichtigen sind, in die Entscheidungsfindung einbezogen hat. Der Fehlgebrauch kann zudem als Abwägungsdisproportionalität vorliegen, wenn die Behörde die abzuwägenden Gesichtspunkte rechtlich fehlerhaft gewichtet hat. Diese beiden letztgenannten Arten des Ermessensfehlgebrauchs kommen hier nach den bisherigen Feststellungen des LSG in Betracht. Des Weiteren kann ein Fehlgebrauch erfolgt sein, wenn die Behörde ihrer Ermessensbetätigung einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat. Deshalb haben die Tatsacheninstanzen in tatsächlicher Hinsicht zu überprüfen, ob die Behörde die Tatsachen, die sie ihrer Ermessensentscheidung zugrunde gelegt hat, zutreffend und vollständig ermittelt hat (Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 28b; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Aufl 2009, § 114 RdNr 12 mwN).

16

Wenn der eine Sozialleistung regelnde Verwaltungsakt wegen Ermessensnicht- oder -fehlgebrauchs rechtswidrig ist, darf das Gericht nur den Verwaltungsakt aufheben und den Träger zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilen, nicht aber eigene Ermessenserwägungen anstellen und sein Ermessen an die Stelle des Ermessens des Leistungsträgers setzen (vgl Urteil des Senats vom 18.3.2008 - B 2 U 1/07 R - BSGE 100, 124 = SozR 4-2700 § 101 Nr 1, jeweils RdNr 14 ff).

17

b) Zur Konkretisierung der Ermessenszwecke des § 76 SGB VII ist von Folgendem auszugehen: Dem Wortlaut der Vorschrift selbst ist kein Ermessenszweck zu entnehmen und auch die Gesetzesmaterialien zum Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 7.8.1996 (BGBl I 1254) sind insofern unergiebig (vgl zB Begründung der Bundesregierung, BT-Drucks 13/2204 S 94 zu § 76). Eingeführt worden ist die Möglichkeit der Abfindung von Verletztenrenten schon mit dem Unfallversicherungsgesetz vom 6.7.1884 (RGBl 69) und später wurde die Regelung durch die nachfolgenden Gesetze ausgebaut.

18

Zusammengefasst zeigt die Gesetzesgeschichte, dass bei der Ermessensausübung über die Bewilligung eines Abfindungsanspruchs neben den Interessen der Allgemeinheit folgende Zwecke abzuwägen sind. Auf Seiten des Versicherten besteht das Interesse, seine wirtschaftlichen Verhältnisse durch eine Verfügungsmacht über einen erheblichen Geldbetrag im Unterschied zu laufenden, ggf nicht allzu hohen monatlichen Rentenzahlungen zu verbessern. Auf Seiten der Verwaltung geht es um die Verringerung des Verwaltungsaufwandes, um eine Bemessung der Höhe des Kapitalbetrags nach der durch das Lebensalter und die körperliche Beschaffenheit des Berechtigten bedingten voraussichtlichen Dauer des Rentenbezugs - also der weiteren Lebenserwartung - des Versicherten sowie um die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unfallversicherungsträgers (vgl Reichstag, 10. Legislaturperiode, I. Session 1898/1900, Drucksache Nr 523 S 96 f; Reichstag, 12. Legislaturperiode, II. Session 1909/1910, Drucksache zu Nr 340 S 307, 300 ff; Reichstag, III. Wahlperiode 1924/25, Drucksache Nr 691 S 32; BT-Drucks IV/938 S 15 f zu § 601). Diese Zwecke werden auch heute noch in der Literatur angeführt (vgl Burchardt in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII-Komm, § 76 RdNr 10 f; Jung in Juris-PK SGB VII, § 76 RdNr 13 ff; Kranig in Hauck/Noftz, SGB VII, § 76 RdNr 13 ff; Mehrtens in Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 76 SGB VII RdNr 3.1 f; Ricke in Kasseler Komm, SGB VII, § 76 RdNr 4; Sacher in Lauterbach, Unfallversicherung SGB VII, § 76 RdNr 20 ff; Plagemann, NJW 1996, 3173, 3176; Wiesner, BG 1985, 327 f).

19

Soweit in der Literatur weitere Zwecke genannt werden, sind diese zum Teil mit den gesetzgeberischen Zielen vereinbar, zB ob in absehbarer Zeit der Bezug anderer steuerfinanzierter Sozialleistungen droht, womit die Allgemeinheit belastet werden würde, der aber durch den Bezug einer Verletztenrente zumindest verringert würde, während es für andere genannte Zwecke, wie zB eine Berücksichtigung des von dem Versicherten beabsichtigten Verwendungszwecks der Abfindung bei einer so genannten kleinen Verletztenrente, keine erkennbare Begründung gibt.

20

Inwieweit die Beklagte bei ihrer Ermessensentscheidung die angeführten gesetzgeberischen Zwecke für die Einräumung des Ermessens richtig gewichtet abgewogen hat (vgl zu den Anforderungen an die Begründung einer solchen Entscheidung: BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 19/99 R - SozR 3-2700 § 76 Nr 2), wird das LSG - nach Feststellung der Tatbestandsvoraussetzungen und der formellen Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides - in einem weiteren Schritt zu überprüfen haben. Dabei wird zu beachten sein, dass die den Interessen des Unfallversicherungsträgers dienenden Ermessensgesichtspunkte (anders als § 76 Abs 2 SGB VII)keine "negativen Tatbestandsmerkmale" sind, sondern gegen das Interesse des Versicherten abzuwägen sind und dass nur die Ermessensausübung der Beklagten im vorgezeigten Rahmen zu überprüfen ist, nicht aber eigene Ermessenserwägungen seitens des LSG zur Ausfüllung der aufgezeigten Zwecke anzustellen sind.

21

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Eine Berufsausbildung ist förderungsfähig, wenn sie in einem nach dem Berufsbildungsgesetz, der Handwerksordnung oder dem Seearbeitsgesetz staatlich anerkannten Ausbildungsberuf betrieblich oder außerbetrieblich oder nach Teil 2, auch in Verbindung mit Teil 5, des Pflegeberufegesetzes oder dem Altenpflegegesetz betrieblich durchgeführt wird und der dafür vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen worden ist.

(2) Förderungsfähig ist die erste Berufsausbildung. Eine zweite Berufsausbildung kann gefördert werden, wenn zu erwarten ist, dass eine berufliche Eingliederung dauerhaft auf andere Weise nicht erreicht werden kann und durch die zweite Berufsausbildung die berufliche Eingliederung erreicht wird.

(3) Nach der vorzeitigen Lösung eines Berufsausbildungsverhältnisses darf erneut gefördert werden, wenn für die Lösung ein berechtigter Grund bestand.

(1) Die Vermittlung in Ausbildung und Arbeit hat Vorrang vor den Leistungen zum Ersatz des Arbeitsentgelts bei Arbeitslosigkeit.

(2) Der Vermittlungsvorrang gilt auch im Verhältnis zu den sonstigen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, es sei denn, die Leistung ist für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich. Von der Erforderlichkeit für die dauerhafte Eingliederung ist insbesondere auszugehen, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit fehlendem Berufsabschluss an einer nach § 81 geförderten beruflichen Weiterbildung teilnehmen oder voraussichtlich teilnehmen werden. Der Vermittlungsvorrang gilt nicht im Verhältnis zur Förderung von Existenzgründungen mit einem Gründungszuschuss nach § 93.


Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 4.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2012 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger unter Beachtung der Rechtssauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

3. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Gründungszuschusses nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB III).

2

Der am …. 1973 geborene Kläger hat in den Jahren 1991 bis 1995 den Beruf des Radio- und Fernsehtechnikers erlernt. Vom 1.1.2003 bis 31.8.2012 war er in T. als angestellter Filialleiter bei dem Telefonunternehmen V. beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis endete durch Kündigung des Klägers. Als Grund für die Kündigung gab der Kläger eine zu hohe Stressbelastung in seiner Tätigkeit als Filialleiter an. Die Hausärzte des Klägers bestätigten in einer ärztlichen Stellungnahme vom 11.7.2011, dass die Tätigkeit als Filialleiter eines V.-Shops vom Kläger nicht mehr ausgeübt werden könne. Der Kläger leide an Konzentrationsstörungen und Schlafstörungen.

3

Am 5.6.2012 beantragte der Kläger die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 1.9.2012, welches ihm antragsgemäß bewilligt wurde.

4

Bereits am 4.7.2012 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Bewilligung eines Gründungszuschusses als Betreiber einer V. Partneragentur. Er legte eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung und einen Businessplan vor. Der Kläger meldete zum 3.9.2012 ein Gewerbe „Einzelhandel mit Telekommunikationsgeräten/-artikeln“ an und sich am gleichen Tage aus dem Leistungsbezug ab.

5

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 4.10.2012 ab. Zur Begründung führte sie aus, die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 93 SGB III seien nicht ausreichend. Bei dieser Vorschrift handele es sich um eine Ermessensvorschrift. Im Rahmen von Ermessensleistungen könne eine Leistung nur gewährt werden, wenn die Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte - insbesondere der Interessen der Beitragszahler - zu Gunsten des Antragstellers ausfalle. Bei dieser Abwägung sei der Vorrang der Vermittlung nach § 4 Abs 2 SGB III zu berücksichtigen. Aufgrund des beruflichen Werdeganges und der Qualifikation des Klägers gehe sie davon aus, dass bei aktiver Arbeitssuche durch den Kläger Arbeitslosigkeit beendet werden könne. Diese ungeförderte Integration sei aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit vorrangig vor einer geförderten Existenzgründung zu sehen.

6

Der Kläger legte Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, er habe die Arbeitssuche sehr intensiv betrieben und zahlreiche Bewerbungen bei verschiedensten Arbeitgebern eingereicht. Eine positive Rückmeldung habe er jedoch zu keiner Zeit erhalten, so dass er von einer in der Zukunft liegenden zeitnahen Integration nicht ausgegangen sei. Auch habe er die Jobbörse der Beklagten intensiv genutzt und die jeweiligen Arbeitgeber bei geeigneten Stellenangeboten kontaktiert.

7

Die Beklagte ermittelte im November 2012 freie Arbeitsstellen für Filialleiter bei einem Lebensmitteldiscounter, bei zwei Bekleidungsgeschäften, bei einem Handelsunternehmen, bei einem Autozubehörunternehmen, bei einem Logistikunternehmen und bei einem Mobilfunkladen, davon vier im zumutbaren Pendelbereich. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.12.2012 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Die Beklagte führte aus, der Kläger sei ein motivierter, mobiler und sehr gut qualifizierter Bewerber ohne erkennbare Hemmnisse, der über eine langjährige Berufserfahrung als Filialleiter/Verkaufsstellenleiter verfüge. Dem allgemeinen Arbeitsmarkt habe er sich für Vollzeitbeschäftigungen zur Verfügung gestellt. Auf dem für ihn fachlich und persönlich in Betracht kommenden Arbeitsmarkt seien Integrationsmöglichkeiten in eine unbefristete sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung vorhanden. Der Beklagten seien am 21.11.2012 mehrere potenzielle Vollzeitstellen als Filialleiter/Verkaufsstellenleiter innerhalb des zumutbaren Tagespendelbereiches gemeldet gewesen, darunter auch eine Beschäftigung als Filialleiter in einem Mobilfunkladen. Da sich Arbeitgeber nicht zwingend an die Beklagte wenden würden, um offene Stellen zu besetzen, bestünden darüber hinaus auch durchaus weitere Beschäftigungsmöglichkeiten bei Arbeitsstellen, die ihr nicht gemeldet seien, auf die sich der Kläger jedoch im Rahmen verstärkter Eigenbemühungen initiativ hätten bewerben können. Insgesamt seien die Erfolgsaussichten der Eigenbemühungen sowie der Vermittlungsaktivitäten zur Erlangung einer sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigung im Rahmen einer Prognoseentscheidung als günstig zu bewerten, so dass eine Förderung der selbständigen Tätigkeit nicht in Betracht komme.

8

Hiergegen richtet sich die am 27.12.2012 fristgerecht beim Sozialgericht Trier erhobene Klage. Der Kläger trägt vor, seit der Umstellung der Gewährung eines Gründungszuschusses auf eine Ermessensleistung seien Bewilligungen zu Anträgen auf Gewährung eines Gründungszuschusses um bis zu 85% zurückgegangen, und zwar obgleich Experten den Gründungszuschuss für eines der erfolgsreichsten arbeitsmarktpolitischen Instrumente halten würden. Die Agenturen für Arbeit agierten äußerst restriktiv, vielfach würden potenzielle Antragsteller dahin beraten, wegen vermeintlicher Erfolgsaussicht keinen Antrag zu stellen, vielfach würden Anträge mit phrasenhaften Musterformulierungen zurückgewiesen. Die Agenturen für Arbeit übten daher regelmäßig ihr Ermessen dahingehend aus, Anträge im Regelfall abzulehnen. Der Gründungszuschuss sei aber nach wie vor eine Versicherungsleistung mit gesetzlich exakt benannten Voraussetzungen, so dass für eine Ermessenserwägung wenig Raum bleibe. Ohne entsprechende Auswahlkriterien sei es daher sehr schwierig, Anträge auf Grund einer Ermessensentscheidung abzulehnen, denn es handele sich beim Gründungszuschuss um eine Versicherungsleistung, deren Anspruch auf meist langjährigen Beitragszahlungen beruhe. In diesem Zusammenhang könne es nicht richtig sein, dass im Rahmen des „Vorrangs der Vermittlung“ im Sinne des § 4 SGB III jedem Gründungswilligen unabhängig von den persönlichen Umständen erzählt werde, er habe wunderbare Vermittlungschancen, wenn er denn flexibel genug sei, weit genug pendele oder umziehe und bereit sei, ausreichend hohe Gehaltseinbußen in Kauf zu nehmen. Hier seien zukünftig klar definierte Grenzen der Zumutbarkeit zu ziehen. In diesem Kontext sei das erste zu dieser Problematik ergangene Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23.8.2012, S 14 AL 2139/12 zu sehen. In seinem Fall liege ein Ermessensnichtgebrauch bzw Fehlgebrauch vor. Unstreitig erfülle er die Tatbestandsvoraussetzungen des § 93 Abs 2 SGB III. Der Ablehnungsgrund „gute Vermittelbarkeit“ sei im Ergebnis ein „Totschlagargument“, mit welchem man fast jeden Antrag ablehnen könne. Dieser Ablehnungsgrund sei umstritten, da ein Mensch eigentlich frei entscheiden können sollte, ob er lieber in einem Anstellungsverhältnis oder als Selbständiger arbeiten wolle. Die Entscheidung, ein selbständiges Unternehmen zu gründen, erfolge meist erst nach monatelangen Überlegungen. Gebe es von der Qualifikation her passende, gut bezahlte, sichere Tätigkeiten als Angestellter in Hülle und Fülle, werde sich ein Antragsteller häufig gar keine Gedanken über eine Selbständigkeit machen. Hieraus folge, dass die Vermittelbarkeit von dem Berater der Beklagten sorgfältig geprüft und dokumentiert werden müsse. Hiervon könne im vorliegenden Fall keine Rede sein. Vielmehr sei der Antrag mit einer nichtssagenden, unsubstantiierten Behauptung abgelehnt worden. Der Umkehrschluss der Argumentation der Beklagten sei, dass nur der unmotivierte, unqualifizierte Bewerber ohne langjährige Berufserfahrung eine Chance habe, einen Gründungszuschuss bewilligt zu erhalten, weil nur ein solcher Bewerber auf dem Arbeitsmarkt kaum vermittelbar sei, so dass er nur als Selbständiger tätig werden könne. Richtigerweise sei daher zu prüfen, ob die von ihm beabsichtigte Selbständigkeit nach den persönlichen Neigungen und Fähigkeiten am ehesten geeignet sei, auf Dauer seinen Lebensunterhalt sicherzustellen und die Inanspruchnahme weiterer staatlicher Mittel zu vermeiden. Für ihn sei die Entwicklung in die Selbständigkeit zwangsläufig gewesen. Er habe in den letzten 10 Jahren Verkaufsfilialen von V. geleitet und es habe letztlich eine Produktspezialisierung stattgefunden, verbunden mit einer Leitungsposition. Er sei nahezu 40 Jahre alt, niemand in diesem Bereich arbeite bis zur Rente als angestellter Filialleiter unter einem Inhaber, welchem die Agentur gehöre. Das vormalige Anstellungsverhältnis sei beendet worden, weil diese Tätigkeit ihn psychisch belastet habe. Die Vorlage eines ärztlichen Attestes habe dazu geführt, dass gegen ihn auch keine Sperrzeit verhängt worden sei. Als vertretungsabhängiger Arbeitnehmer sei er gezwungen gewesen, Vertriebsmethoden zu realisieren, die er persönlich abgelehnt habe. Unerheblich sei, dass der Beklagten am 21.11.2012 vier potenzielle Vollzeitstellen als Filialleiter gemeldet gewesen seien. Zum Zeitpunkt der Antragstellung habe ihm die Beklagte keine geeigneten Stellen anbieten können. Er habe mit Wirkung vom 3.9.2012 ein Gewerbe angemeldet, so dass eine spätere Entwicklung von möglichen offenen Stellen unbeachtlich sei. In dem vorgelegten Businessplan sei dokumentiert, dass er die Erfolgsaussichten des geschäftlichen Vorhabens zu bejahen seien. Er sei spezialisiert, auch hinsichtlich des Produktbereiches eines bestimmten Markenherstellers, so dass in Verbindung mit der Führungsposition, die er sich erarbeitet habe, die selbständige Führung einer V.-Agentur sinnvoll sei. Hieraus folge, dass seine Vermittlungsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt sehr eingeschränkt seien. Es sei ihm zudem nicht zumutbar, zu deutlich schlechteren Arbeitsbedingungen eine Angestelltentätigkeit auszuüben.

9

Der Kläger beantragt,

10

den Bescheid der Beklagten vom 4.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn unter der Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Sie hält ihre Entscheidung für rechtmäßig. Ergänzend trägt sie vor, im Rahmen des von ihr auszuübenden Ermessens habe sie die Erwägung in den Vordergrund stellen dürfen, dass nach § 4 Abs 2 SGB III die Vermittlung in Arbeit Vorrang habe vor der Gewährung sonstiger Leistungen der aktiven Arbeitsförderung. Daher sei es nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie prüfe, ob der Arbeitslose dauerhaft im Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden könne. Kurz nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit durch den Kläger seien vier potenzielle Vollzeitstellen als Filialleiter/Verkaufsstellenleiter innerhalb des zumutbaren Tagespendelbereiches gemeldet gewesen. Dem stehe nicht entgegen, dass dem Kläger Arbeitsangebote nicht unterbreitet worden seien, denn er habe von Anfang an klargestellt, dass er sich ab 3.9.2012 selbständig machen werde. Sie habe daher davon ausgehen können, dass der Kläger Arbeitsangebote nicht annehmen werde. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Entscheidung des SG Mannheim. In diesem Fall sei das SG von einem Entschließungsermessen auf Null ausgegangen, da sich die Agentur für Arbeit in einer Eingliederungsvereinbarung auf einen Beruf als Eingliederungsziel festgelegt habe, der typischerweise selbständig ausgeübt werde. Da Filialleiter auch häufig in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen stünden, seien die Entscheidungsgründe dieses Urteils auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.

14

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten. Der Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

16

Nach § 93 Abs 1 SGB III in der ab 1.4.2012 geltenden Fassung (bis zum 31.3.2012 § 57 Abs 1 SGB III) können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Ein Gründungszuschuss kann nach § 93 Abs 2 SGB III (bis 31.3.2012 § 57 Abs 2 SGB III) geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Abs 3 beruht, der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.

17

Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen. Fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute. Der Gründungszuschuss wird nach § 93 Abs 3 SGB III nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 SGB III vorliegen oder vorgelegen hätten. Nach § 94 Abs 1 SGB II (bis 31.3.2012 § 58 SGB III) wird als Gründungszuschuss für die Dauer von sechs Monaten der Betrag geleistet, den die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer als Arbeitslosengeld zuletzt bezogen hat, zuzüglich monatlich 300 Euro. Der Gründungszuschuss kann nach § 94 Abs 2 SGB III für weitere neun Monate in Höhe von monatlich 300 Euro gezahlt werden, wenn die geförderte Person ihre Geschäftstätigkeit anhand geeigneter Unterlagen darlegt. Bestehen begründete Zweifel an der Geschäftstätigkeit, kann die Agentur für Arbeit verlangen, dass ihr erneut eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorgelegt wird.

18

Bis zum 27.12.2011 bestand nach § 57 Abs 1 SGB III in der ab dem 1.8.2009 geltenden Fassung dagegen ein Anspruch auf einen Gründungszuschuss bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen, eine Ermessensentscheidung durch die Beklagte war bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorgesehen. Zur Begründung der Gesetzesänderung ab 28.12.2011 wurde im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 24.6.2011 (BT-Drucksache 17/6277, Seite 86) ausgeführt:

19

„Der Gründungszuschuss wird vollständig in eine Ermessensleistung umgewandelt. Die erste Förderphase (Zuschuss plus Pauschale) wird von neun auf sechs Monate verkürzt und die zweite Förderphase (nur Pauschale) wird von sechs auf neun Monate verlängert. Der für den Bezug des Gründungszuschusses mindestens erforderliche Restanspruch auf Arbeitslosengeld wird auf 150 Tage erhöht. Durch die vollständige Umwandlung in eine Ermessensleistung entsteht auf der Ebene der Agenturen für Arbeit eine höhere Flexibilität bei der Förderung von Gründungen. Ob im Einzelfall ein Gründungszuschuss gewährt wird, liegt künftig im Ermessen des Vermittlers. Jenseits der Beurteilung der Tragfähigkeit des Geschäftskonzepts ist durch den Vermittler die persönliche Eignung der Gründerin oder des Gründers einzuschätzen. Zur Vorbereitung der Gründung kann eine Maßnahme nach § 45 absolviert werden. Zudem bewirkt die Erhöhung des Restanspruchs auf Arbeitslosengeld als Fördervoraussetzung, dass sich die Gründungsförderung vor allem auf die erste Phase der Arbeitslosigkeit konzentriert und so Arbeitslose früher in den Arbeitsmarkt reintegriert werden. Ziele der zweiten Förderphase sind die Stärkung der Nachhaltigkeit der Gründung und die soziale Absicherung der Gründerinnen und Gründer. Die Änderungen führen zu einer Entlastung des Haushaltes der Bundesagentur für Arbeit.“

20

Vorliegend hat der Kläger die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 93 Abs 2 SGB III erfüllt. Sein Anspruch auf Arbeitslosengeld betrug bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 2.4.2012 noch mehr als 150 Tage, weiterhin hatte er die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachgewiesen und seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit dargelegt. Die Bewilligung eines Gründungszuschusses scheitert auch nicht an möglicherweise fehlenden Fähigkeiten des Klägers nach § 93 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB III. Zwar ist der Kläger gemäß der vorgelegten hausärztlichen Bescheinigung aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, eine Beschäftigung als angestellter Filialleiter für ein Telekommunikationsunternehmen auszuüben. Hierfür maßgebend sind insbesondere die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung näher geschilderte Stressbelastung sowie die ständigen Kontrollen und Berichtspflichten, die sich für ihn bei einer Beschäftigung als selbständiger Unternehmer im Bereich des Telekommunikationshandels nicht ergeben. Daher ist davon auszugehen, dass der Kläger auch über die notwendigen Fähigkeiten für die Ausübung der von ihm begonnenen selbständigen Tätigkeit verfügt.

21

Auch wenn somit die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung eines Gründungszuschusses erfüllt sind, steht es nach § 93 Abs 1 SGB III im Ermessen der Beklagten, ob ein Gründungzuschuss gewährt wird.

22

Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes gemäß § 54 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Behörde ist bei Ermessensentscheidungen nicht völlig frei, sie hat ihr Ermessen pflichtgemäß auszuüben. § 39 Abs 1 Satz 1 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) bestimmt, dass die Leistungsträger, wenn sie ermächtigt sind, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten haben. Auf pflichtgemäße Ermessensausübung besteht nach § 39 Abs 1 Satz 2 SGB I ein Anspruch. Eine Ermessensentscheidung ist rechtswidrig bei Ermessensfehlgebrauch, dh wenn die Behörde ihr Ermessen nicht ausgeübt oder im Bescheid nicht zum Ausdruck gebracht hat, Ermessensunterschreitung, dh wenn die Verwaltung ihr Ermessen zu eng eingeschätzt hat, Ermessensüberschreitung, dh wenn sich die Behörde nicht im Rahmen der ihr vom Gesetz gegebenen Ermächtigung gehalten hat, Ermessensfehlgebrauch, dh wenn die Behörde von ihrem Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat (Keller in: Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 54 Rnr 27).

23

Das Gericht darf bei der Ermessensüberprüfung nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen. Bei der Überprüfung der eigentlichen Ermessensentscheidung findet nur eine Rechtskontrolle, keine Zweckmäßigkeitsüberprüfung statt. Das Gericht überprüft nur, ob einer der oben aufgeführten Ermessensfehler vorliegt und ob der Kläger durch den Ermessensfehler beschwert ist (Keller aaO, Rnr 28).

24

Da die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen erkannt und ausgeübt hat, liegt ein Ermessensnichtgebrauch nicht vor. Auch sind Anhaltspunkte für eine Ermessensunterschreitung oder eine Ermessensüberschreitung nicht ersichtlich. Allerdings liegt der vom Kläger geltend gemachte Ermessensfehlgebrauch vor. Der Gründungszuschuss soll für eine Übergangs- und Anfangszeit, in der aus der neu aufgenommenen selbständigen Tätigkeit keine vollen Einnahmen zu erwarten sind, den Lebensunterhalt des vorher Arbeitslosen sichern. Die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit durch einen Arbeitslosen trägt nämlich ebenso zur Entlastung des Arbeitsmarktes bei wie die Vermittlung in eine abhängige Beschäftigung (Niesel, Kommentar zum SGB III, 5. Aufl 2010, § 57 RdNr 3). Im Rahmen des von der Beklagten auszuübenden Ermessens darf diese nach der bisherigen Rechtsprechung der erkennenden Kammer (Urteil vom 16.8.2012, S 1 AL 36/12; Urteil vom 17.1.2013, S 1 AL 39/12) die Erwägung in den Vordergrund stellen, dass nach § 4 Abs 2 SGB III die Vermittlung in Arbeit Vorrang hat vor der Gewährung sonstiger Leistungen der aktiven Arbeitsförderung. Daher ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Beklagte prüft, ob der Arbeitslose dauerhaft im Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden kann. Deshalb wurde in den oben genannten Fällen ein Ermessensfehlgebrauch abgelehnt, da für die seinerzeit zugrunde gelegten Beschäftigungen als Koch bzw als Steuerberater eine Vielzahl von offenen Stellen gemeldet waren.

25

Die Prüfung durch die Beklagte hat ergeben, dass im November 2012 im Tagespendelbereich mehrere Stellen als Filialleiter/Verkaufsstellenleiter zu besetzen waren, darüber hinaus weitere im weiteren Umfeld. Allerdings handelt es sich bei der Beschäftigung als Filialleiter nicht um einen Beruf, sondern um eine Funktionsbezeichnung, die in einer Vielzahl von Berufen im Bereich des Handels und sonstiger Bereiche ausgeübt wird. Die Beklagte hat im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung nicht dargelegt, dass ein Arbeitsloser, der bisher als Filialleiter in einem Telekommunikationsunternehmen beschäftigt war, ohne größere Schwierigkeiten in eine Beschäftigung als Filialleiter in einer völlig anderen Branche vermittelt werden kann. Die von der Beklagten aufgeführten offenen Stellen umfassen Beschäftigungen im Bereich des Lebensmittelhandels, des Bekleidungshandels und des Autozubehörs. Dass der Kläger ohne große Umstellungsschwierigkeiten in eine solche Beschäftigung hätte vermittelt werden können, obwohl ihm jegliche Branchenkenntnisse in diesem Bereich fehlten, hätte von der Beklagten im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung näher dargelegt werden müssen. Insbesondere hätte angegeben werden müssen, dass Filialleiterstellen unabhängig von dem bisher ausgeübten konkreten Bereich branchenübergreifend häufig besetzt werden, woran die erkennende Kammer erhebliche Zweifel hat. Bei den offenen Stellenangeboten befand sich lediglich eine in der bisherigen Branche des Klägers. Unabhängig davon, dass er ärztlich bescheinigt eine Beschäftigung als angestellter Filialleiter in diesem Bereich aufgrund der hohen Stressbelastung nicht mehr ausüben kann, reicht das Vorhandensein einer einzigen freien Stelle im Tagespendelbereich bereits bei weitem nicht aus, nachzuweisen, dass eine zeitnahe Vermittlung in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis hätte erfolgen können.

26

Aufgrund dieses Ermessensfehlgebrauches war die Entscheidung der Beklagten deshalb aufzuheben und sie zu verurteilen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gericht neu zu bescheiden. Eine Verurteilung der Beklagten zur Gewährung eines Gründungszuschusses konnte dagegen nicht erfolgen. Dies wäre nur dann möglich, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegen würde, also jede andere Entscheidung als die Bewilligung des Gründungszuschusses ermessensfehlerhaft wäre. Hiervon kann trotz der oben genannten Gründe bisher nicht ausgegangen werden. Sollten im nahen zeitlichen Zusammenhang mit der Existenzgründung des Klägers Stellen als Filialleiter/Verkaufsstellenleiter zu besetzen gewesen sein und der Kläger hierfür auch trotz fehlender Branchenkenntnisse in anderen Bereichen gut vermittelbar gewesen sein, müsste dies die Beklagte durch geeignete Unterlagen bzw sonstige Nachweise entsprechend begründen.

27

Der Klage ist nach alledem stattzugeben.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten.

(2) Ein Gründungszuschuss kann geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer

1.
bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht,
2.
der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und
3.
ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute.

(3) Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten.

(4) Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.

(5) Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten.


Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 4.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2012 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger unter Beachtung der Rechtssauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

3. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Gründungszuschusses nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB III).

2

Der am …. 1973 geborene Kläger hat in den Jahren 1991 bis 1995 den Beruf des Radio- und Fernsehtechnikers erlernt. Vom 1.1.2003 bis 31.8.2012 war er in T. als angestellter Filialleiter bei dem Telefonunternehmen V. beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis endete durch Kündigung des Klägers. Als Grund für die Kündigung gab der Kläger eine zu hohe Stressbelastung in seiner Tätigkeit als Filialleiter an. Die Hausärzte des Klägers bestätigten in einer ärztlichen Stellungnahme vom 11.7.2011, dass die Tätigkeit als Filialleiter eines V.-Shops vom Kläger nicht mehr ausgeübt werden könne. Der Kläger leide an Konzentrationsstörungen und Schlafstörungen.

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Am 5.6.2012 beantragte der Kläger die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 1.9.2012, welches ihm antragsgemäß bewilligt wurde.

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Bereits am 4.7.2012 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Bewilligung eines Gründungszuschusses als Betreiber einer V. Partneragentur. Er legte eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung und einen Businessplan vor. Der Kläger meldete zum 3.9.2012 ein Gewerbe „Einzelhandel mit Telekommunikationsgeräten/-artikeln“ an und sich am gleichen Tage aus dem Leistungsbezug ab.

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Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 4.10.2012 ab. Zur Begründung führte sie aus, die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 93 SGB III seien nicht ausreichend. Bei dieser Vorschrift handele es sich um eine Ermessensvorschrift. Im Rahmen von Ermessensleistungen könne eine Leistung nur gewährt werden, wenn die Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte - insbesondere der Interessen der Beitragszahler - zu Gunsten des Antragstellers ausfalle. Bei dieser Abwägung sei der Vorrang der Vermittlung nach § 4 Abs 2 SGB III zu berücksichtigen. Aufgrund des beruflichen Werdeganges und der Qualifikation des Klägers gehe sie davon aus, dass bei aktiver Arbeitssuche durch den Kläger Arbeitslosigkeit beendet werden könne. Diese ungeförderte Integration sei aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit vorrangig vor einer geförderten Existenzgründung zu sehen.

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Der Kläger legte Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, er habe die Arbeitssuche sehr intensiv betrieben und zahlreiche Bewerbungen bei verschiedensten Arbeitgebern eingereicht. Eine positive Rückmeldung habe er jedoch zu keiner Zeit erhalten, so dass er von einer in der Zukunft liegenden zeitnahen Integration nicht ausgegangen sei. Auch habe er die Jobbörse der Beklagten intensiv genutzt und die jeweiligen Arbeitgeber bei geeigneten Stellenangeboten kontaktiert.

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Die Beklagte ermittelte im November 2012 freie Arbeitsstellen für Filialleiter bei einem Lebensmitteldiscounter, bei zwei Bekleidungsgeschäften, bei einem Handelsunternehmen, bei einem Autozubehörunternehmen, bei einem Logistikunternehmen und bei einem Mobilfunkladen, davon vier im zumutbaren Pendelbereich. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.12.2012 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Die Beklagte führte aus, der Kläger sei ein motivierter, mobiler und sehr gut qualifizierter Bewerber ohne erkennbare Hemmnisse, der über eine langjährige Berufserfahrung als Filialleiter/Verkaufsstellenleiter verfüge. Dem allgemeinen Arbeitsmarkt habe er sich für Vollzeitbeschäftigungen zur Verfügung gestellt. Auf dem für ihn fachlich und persönlich in Betracht kommenden Arbeitsmarkt seien Integrationsmöglichkeiten in eine unbefristete sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung vorhanden. Der Beklagten seien am 21.11.2012 mehrere potenzielle Vollzeitstellen als Filialleiter/Verkaufsstellenleiter innerhalb des zumutbaren Tagespendelbereiches gemeldet gewesen, darunter auch eine Beschäftigung als Filialleiter in einem Mobilfunkladen. Da sich Arbeitgeber nicht zwingend an die Beklagte wenden würden, um offene Stellen zu besetzen, bestünden darüber hinaus auch durchaus weitere Beschäftigungsmöglichkeiten bei Arbeitsstellen, die ihr nicht gemeldet seien, auf die sich der Kläger jedoch im Rahmen verstärkter Eigenbemühungen initiativ hätten bewerben können. Insgesamt seien die Erfolgsaussichten der Eigenbemühungen sowie der Vermittlungsaktivitäten zur Erlangung einer sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigung im Rahmen einer Prognoseentscheidung als günstig zu bewerten, so dass eine Förderung der selbständigen Tätigkeit nicht in Betracht komme.

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Hiergegen richtet sich die am 27.12.2012 fristgerecht beim Sozialgericht Trier erhobene Klage. Der Kläger trägt vor, seit der Umstellung der Gewährung eines Gründungszuschusses auf eine Ermessensleistung seien Bewilligungen zu Anträgen auf Gewährung eines Gründungszuschusses um bis zu 85% zurückgegangen, und zwar obgleich Experten den Gründungszuschuss für eines der erfolgsreichsten arbeitsmarktpolitischen Instrumente halten würden. Die Agenturen für Arbeit agierten äußerst restriktiv, vielfach würden potenzielle Antragsteller dahin beraten, wegen vermeintlicher Erfolgsaussicht keinen Antrag zu stellen, vielfach würden Anträge mit phrasenhaften Musterformulierungen zurückgewiesen. Die Agenturen für Arbeit übten daher regelmäßig ihr Ermessen dahingehend aus, Anträge im Regelfall abzulehnen. Der Gründungszuschuss sei aber nach wie vor eine Versicherungsleistung mit gesetzlich exakt benannten Voraussetzungen, so dass für eine Ermessenserwägung wenig Raum bleibe. Ohne entsprechende Auswahlkriterien sei es daher sehr schwierig, Anträge auf Grund einer Ermessensentscheidung abzulehnen, denn es handele sich beim Gründungszuschuss um eine Versicherungsleistung, deren Anspruch auf meist langjährigen Beitragszahlungen beruhe. In diesem Zusammenhang könne es nicht richtig sein, dass im Rahmen des „Vorrangs der Vermittlung“ im Sinne des § 4 SGB III jedem Gründungswilligen unabhängig von den persönlichen Umständen erzählt werde, er habe wunderbare Vermittlungschancen, wenn er denn flexibel genug sei, weit genug pendele oder umziehe und bereit sei, ausreichend hohe Gehaltseinbußen in Kauf zu nehmen. Hier seien zukünftig klar definierte Grenzen der Zumutbarkeit zu ziehen. In diesem Kontext sei das erste zu dieser Problematik ergangene Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23.8.2012, S 14 AL 2139/12 zu sehen. In seinem Fall liege ein Ermessensnichtgebrauch bzw Fehlgebrauch vor. Unstreitig erfülle er die Tatbestandsvoraussetzungen des § 93 Abs 2 SGB III. Der Ablehnungsgrund „gute Vermittelbarkeit“ sei im Ergebnis ein „Totschlagargument“, mit welchem man fast jeden Antrag ablehnen könne. Dieser Ablehnungsgrund sei umstritten, da ein Mensch eigentlich frei entscheiden können sollte, ob er lieber in einem Anstellungsverhältnis oder als Selbständiger arbeiten wolle. Die Entscheidung, ein selbständiges Unternehmen zu gründen, erfolge meist erst nach monatelangen Überlegungen. Gebe es von der Qualifikation her passende, gut bezahlte, sichere Tätigkeiten als Angestellter in Hülle und Fülle, werde sich ein Antragsteller häufig gar keine Gedanken über eine Selbständigkeit machen. Hieraus folge, dass die Vermittelbarkeit von dem Berater der Beklagten sorgfältig geprüft und dokumentiert werden müsse. Hiervon könne im vorliegenden Fall keine Rede sein. Vielmehr sei der Antrag mit einer nichtssagenden, unsubstantiierten Behauptung abgelehnt worden. Der Umkehrschluss der Argumentation der Beklagten sei, dass nur der unmotivierte, unqualifizierte Bewerber ohne langjährige Berufserfahrung eine Chance habe, einen Gründungszuschuss bewilligt zu erhalten, weil nur ein solcher Bewerber auf dem Arbeitsmarkt kaum vermittelbar sei, so dass er nur als Selbständiger tätig werden könne. Richtigerweise sei daher zu prüfen, ob die von ihm beabsichtigte Selbständigkeit nach den persönlichen Neigungen und Fähigkeiten am ehesten geeignet sei, auf Dauer seinen Lebensunterhalt sicherzustellen und die Inanspruchnahme weiterer staatlicher Mittel zu vermeiden. Für ihn sei die Entwicklung in die Selbständigkeit zwangsläufig gewesen. Er habe in den letzten 10 Jahren Verkaufsfilialen von V. geleitet und es habe letztlich eine Produktspezialisierung stattgefunden, verbunden mit einer Leitungsposition. Er sei nahezu 40 Jahre alt, niemand in diesem Bereich arbeite bis zur Rente als angestellter Filialleiter unter einem Inhaber, welchem die Agentur gehöre. Das vormalige Anstellungsverhältnis sei beendet worden, weil diese Tätigkeit ihn psychisch belastet habe. Die Vorlage eines ärztlichen Attestes habe dazu geführt, dass gegen ihn auch keine Sperrzeit verhängt worden sei. Als vertretungsabhängiger Arbeitnehmer sei er gezwungen gewesen, Vertriebsmethoden zu realisieren, die er persönlich abgelehnt habe. Unerheblich sei, dass der Beklagten am 21.11.2012 vier potenzielle Vollzeitstellen als Filialleiter gemeldet gewesen seien. Zum Zeitpunkt der Antragstellung habe ihm die Beklagte keine geeigneten Stellen anbieten können. Er habe mit Wirkung vom 3.9.2012 ein Gewerbe angemeldet, so dass eine spätere Entwicklung von möglichen offenen Stellen unbeachtlich sei. In dem vorgelegten Businessplan sei dokumentiert, dass er die Erfolgsaussichten des geschäftlichen Vorhabens zu bejahen seien. Er sei spezialisiert, auch hinsichtlich des Produktbereiches eines bestimmten Markenherstellers, so dass in Verbindung mit der Führungsposition, die er sich erarbeitet habe, die selbständige Führung einer V.-Agentur sinnvoll sei. Hieraus folge, dass seine Vermittlungsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt sehr eingeschränkt seien. Es sei ihm zudem nicht zumutbar, zu deutlich schlechteren Arbeitsbedingungen eine Angestelltentätigkeit auszuüben.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 4.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn unter der Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hält ihre Entscheidung für rechtmäßig. Ergänzend trägt sie vor, im Rahmen des von ihr auszuübenden Ermessens habe sie die Erwägung in den Vordergrund stellen dürfen, dass nach § 4 Abs 2 SGB III die Vermittlung in Arbeit Vorrang habe vor der Gewährung sonstiger Leistungen der aktiven Arbeitsförderung. Daher sei es nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie prüfe, ob der Arbeitslose dauerhaft im Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden könne. Kurz nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit durch den Kläger seien vier potenzielle Vollzeitstellen als Filialleiter/Verkaufsstellenleiter innerhalb des zumutbaren Tagespendelbereiches gemeldet gewesen. Dem stehe nicht entgegen, dass dem Kläger Arbeitsangebote nicht unterbreitet worden seien, denn er habe von Anfang an klargestellt, dass er sich ab 3.9.2012 selbständig machen werde. Sie habe daher davon ausgehen können, dass der Kläger Arbeitsangebote nicht annehmen werde. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Entscheidung des SG Mannheim. In diesem Fall sei das SG von einem Entschließungsermessen auf Null ausgegangen, da sich die Agentur für Arbeit in einer Eingliederungsvereinbarung auf einen Beruf als Eingliederungsziel festgelegt habe, der typischerweise selbständig ausgeübt werde. Da Filialleiter auch häufig in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen stünden, seien die Entscheidungsgründe dieses Urteils auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten. Der Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

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Nach § 93 Abs 1 SGB III in der ab 1.4.2012 geltenden Fassung (bis zum 31.3.2012 § 57 Abs 1 SGB III) können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Ein Gründungszuschuss kann nach § 93 Abs 2 SGB III (bis 31.3.2012 § 57 Abs 2 SGB III) geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Abs 3 beruht, der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.

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Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen. Fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute. Der Gründungszuschuss wird nach § 93 Abs 3 SGB III nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 SGB III vorliegen oder vorgelegen hätten. Nach § 94 Abs 1 SGB II (bis 31.3.2012 § 58 SGB III) wird als Gründungszuschuss für die Dauer von sechs Monaten der Betrag geleistet, den die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer als Arbeitslosengeld zuletzt bezogen hat, zuzüglich monatlich 300 Euro. Der Gründungszuschuss kann nach § 94 Abs 2 SGB III für weitere neun Monate in Höhe von monatlich 300 Euro gezahlt werden, wenn die geförderte Person ihre Geschäftstätigkeit anhand geeigneter Unterlagen darlegt. Bestehen begründete Zweifel an der Geschäftstätigkeit, kann die Agentur für Arbeit verlangen, dass ihr erneut eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorgelegt wird.

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Bis zum 27.12.2011 bestand nach § 57 Abs 1 SGB III in der ab dem 1.8.2009 geltenden Fassung dagegen ein Anspruch auf einen Gründungszuschuss bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen, eine Ermessensentscheidung durch die Beklagte war bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorgesehen. Zur Begründung der Gesetzesänderung ab 28.12.2011 wurde im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 24.6.2011 (BT-Drucksache 17/6277, Seite 86) ausgeführt:

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„Der Gründungszuschuss wird vollständig in eine Ermessensleistung umgewandelt. Die erste Förderphase (Zuschuss plus Pauschale) wird von neun auf sechs Monate verkürzt und die zweite Förderphase (nur Pauschale) wird von sechs auf neun Monate verlängert. Der für den Bezug des Gründungszuschusses mindestens erforderliche Restanspruch auf Arbeitslosengeld wird auf 150 Tage erhöht. Durch die vollständige Umwandlung in eine Ermessensleistung entsteht auf der Ebene der Agenturen für Arbeit eine höhere Flexibilität bei der Förderung von Gründungen. Ob im Einzelfall ein Gründungszuschuss gewährt wird, liegt künftig im Ermessen des Vermittlers. Jenseits der Beurteilung der Tragfähigkeit des Geschäftskonzepts ist durch den Vermittler die persönliche Eignung der Gründerin oder des Gründers einzuschätzen. Zur Vorbereitung der Gründung kann eine Maßnahme nach § 45 absolviert werden. Zudem bewirkt die Erhöhung des Restanspruchs auf Arbeitslosengeld als Fördervoraussetzung, dass sich die Gründungsförderung vor allem auf die erste Phase der Arbeitslosigkeit konzentriert und so Arbeitslose früher in den Arbeitsmarkt reintegriert werden. Ziele der zweiten Förderphase sind die Stärkung der Nachhaltigkeit der Gründung und die soziale Absicherung der Gründerinnen und Gründer. Die Änderungen führen zu einer Entlastung des Haushaltes der Bundesagentur für Arbeit.“

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Vorliegend hat der Kläger die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 93 Abs 2 SGB III erfüllt. Sein Anspruch auf Arbeitslosengeld betrug bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 2.4.2012 noch mehr als 150 Tage, weiterhin hatte er die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachgewiesen und seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit dargelegt. Die Bewilligung eines Gründungszuschusses scheitert auch nicht an möglicherweise fehlenden Fähigkeiten des Klägers nach § 93 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB III. Zwar ist der Kläger gemäß der vorgelegten hausärztlichen Bescheinigung aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, eine Beschäftigung als angestellter Filialleiter für ein Telekommunikationsunternehmen auszuüben. Hierfür maßgebend sind insbesondere die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung näher geschilderte Stressbelastung sowie die ständigen Kontrollen und Berichtspflichten, die sich für ihn bei einer Beschäftigung als selbständiger Unternehmer im Bereich des Telekommunikationshandels nicht ergeben. Daher ist davon auszugehen, dass der Kläger auch über die notwendigen Fähigkeiten für die Ausübung der von ihm begonnenen selbständigen Tätigkeit verfügt.

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Auch wenn somit die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung eines Gründungszuschusses erfüllt sind, steht es nach § 93 Abs 1 SGB III im Ermessen der Beklagten, ob ein Gründungzuschuss gewährt wird.

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Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes gemäß § 54 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Behörde ist bei Ermessensentscheidungen nicht völlig frei, sie hat ihr Ermessen pflichtgemäß auszuüben. § 39 Abs 1 Satz 1 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) bestimmt, dass die Leistungsträger, wenn sie ermächtigt sind, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten haben. Auf pflichtgemäße Ermessensausübung besteht nach § 39 Abs 1 Satz 2 SGB I ein Anspruch. Eine Ermessensentscheidung ist rechtswidrig bei Ermessensfehlgebrauch, dh wenn die Behörde ihr Ermessen nicht ausgeübt oder im Bescheid nicht zum Ausdruck gebracht hat, Ermessensunterschreitung, dh wenn die Verwaltung ihr Ermessen zu eng eingeschätzt hat, Ermessensüberschreitung, dh wenn sich die Behörde nicht im Rahmen der ihr vom Gesetz gegebenen Ermächtigung gehalten hat, Ermessensfehlgebrauch, dh wenn die Behörde von ihrem Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat (Keller in: Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 54 Rnr 27).

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Das Gericht darf bei der Ermessensüberprüfung nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen. Bei der Überprüfung der eigentlichen Ermessensentscheidung findet nur eine Rechtskontrolle, keine Zweckmäßigkeitsüberprüfung statt. Das Gericht überprüft nur, ob einer der oben aufgeführten Ermessensfehler vorliegt und ob der Kläger durch den Ermessensfehler beschwert ist (Keller aaO, Rnr 28).

24

Da die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen erkannt und ausgeübt hat, liegt ein Ermessensnichtgebrauch nicht vor. Auch sind Anhaltspunkte für eine Ermessensunterschreitung oder eine Ermessensüberschreitung nicht ersichtlich. Allerdings liegt der vom Kläger geltend gemachte Ermessensfehlgebrauch vor. Der Gründungszuschuss soll für eine Übergangs- und Anfangszeit, in der aus der neu aufgenommenen selbständigen Tätigkeit keine vollen Einnahmen zu erwarten sind, den Lebensunterhalt des vorher Arbeitslosen sichern. Die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit durch einen Arbeitslosen trägt nämlich ebenso zur Entlastung des Arbeitsmarktes bei wie die Vermittlung in eine abhängige Beschäftigung (Niesel, Kommentar zum SGB III, 5. Aufl 2010, § 57 RdNr 3). Im Rahmen des von der Beklagten auszuübenden Ermessens darf diese nach der bisherigen Rechtsprechung der erkennenden Kammer (Urteil vom 16.8.2012, S 1 AL 36/12; Urteil vom 17.1.2013, S 1 AL 39/12) die Erwägung in den Vordergrund stellen, dass nach § 4 Abs 2 SGB III die Vermittlung in Arbeit Vorrang hat vor der Gewährung sonstiger Leistungen der aktiven Arbeitsförderung. Daher ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Beklagte prüft, ob der Arbeitslose dauerhaft im Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden kann. Deshalb wurde in den oben genannten Fällen ein Ermessensfehlgebrauch abgelehnt, da für die seinerzeit zugrunde gelegten Beschäftigungen als Koch bzw als Steuerberater eine Vielzahl von offenen Stellen gemeldet waren.

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Die Prüfung durch die Beklagte hat ergeben, dass im November 2012 im Tagespendelbereich mehrere Stellen als Filialleiter/Verkaufsstellenleiter zu besetzen waren, darüber hinaus weitere im weiteren Umfeld. Allerdings handelt es sich bei der Beschäftigung als Filialleiter nicht um einen Beruf, sondern um eine Funktionsbezeichnung, die in einer Vielzahl von Berufen im Bereich des Handels und sonstiger Bereiche ausgeübt wird. Die Beklagte hat im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung nicht dargelegt, dass ein Arbeitsloser, der bisher als Filialleiter in einem Telekommunikationsunternehmen beschäftigt war, ohne größere Schwierigkeiten in eine Beschäftigung als Filialleiter in einer völlig anderen Branche vermittelt werden kann. Die von der Beklagten aufgeführten offenen Stellen umfassen Beschäftigungen im Bereich des Lebensmittelhandels, des Bekleidungshandels und des Autozubehörs. Dass der Kläger ohne große Umstellungsschwierigkeiten in eine solche Beschäftigung hätte vermittelt werden können, obwohl ihm jegliche Branchenkenntnisse in diesem Bereich fehlten, hätte von der Beklagten im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung näher dargelegt werden müssen. Insbesondere hätte angegeben werden müssen, dass Filialleiterstellen unabhängig von dem bisher ausgeübten konkreten Bereich branchenübergreifend häufig besetzt werden, woran die erkennende Kammer erhebliche Zweifel hat. Bei den offenen Stellenangeboten befand sich lediglich eine in der bisherigen Branche des Klägers. Unabhängig davon, dass er ärztlich bescheinigt eine Beschäftigung als angestellter Filialleiter in diesem Bereich aufgrund der hohen Stressbelastung nicht mehr ausüben kann, reicht das Vorhandensein einer einzigen freien Stelle im Tagespendelbereich bereits bei weitem nicht aus, nachzuweisen, dass eine zeitnahe Vermittlung in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis hätte erfolgen können.

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Aufgrund dieses Ermessensfehlgebrauches war die Entscheidung der Beklagten deshalb aufzuheben und sie zu verurteilen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gericht neu zu bescheiden. Eine Verurteilung der Beklagten zur Gewährung eines Gründungszuschusses konnte dagegen nicht erfolgen. Dies wäre nur dann möglich, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegen würde, also jede andere Entscheidung als die Bewilligung des Gründungszuschusses ermessensfehlerhaft wäre. Hiervon kann trotz der oben genannten Gründe bisher nicht ausgegangen werden. Sollten im nahen zeitlichen Zusammenhang mit der Existenzgründung des Klägers Stellen als Filialleiter/Verkaufsstellenleiter zu besetzen gewesen sein und der Kläger hierfür auch trotz fehlender Branchenkenntnisse in anderen Bereichen gut vermittelbar gewesen sein, müsste dies die Beklagte durch geeignete Unterlagen bzw sonstige Nachweise entsprechend begründen.

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Der Klage ist nach alledem stattzugeben.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

(1) Eine Berufsausbildung ist förderungsfähig, wenn sie in einem nach dem Berufsbildungsgesetz, der Handwerksordnung oder dem Seearbeitsgesetz staatlich anerkannten Ausbildungsberuf betrieblich oder außerbetrieblich oder nach Teil 2, auch in Verbindung mit Teil 5, des Pflegeberufegesetzes oder dem Altenpflegegesetz betrieblich durchgeführt wird und der dafür vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen worden ist.

(2) Förderungsfähig ist die erste Berufsausbildung. Eine zweite Berufsausbildung kann gefördert werden, wenn zu erwarten ist, dass eine berufliche Eingliederung dauerhaft auf andere Weise nicht erreicht werden kann und durch die zweite Berufsausbildung die berufliche Eingliederung erreicht wird.

(3) Nach der vorzeitigen Lösung eines Berufsausbildungsverhältnisses darf erneut gefördert werden, wenn für die Lösung ein berechtigter Grund bestand.

(1) Teilnahmekosten bestimmen sich nach den §§ 49, 64, 73 und 74 des Neunten Buches. Sie beinhalten auch weitere Aufwendungen, die wegen Art und Schwere der Behinderung unvermeidbar entstehen, sowie Kosten für Unterkunft und Verpflegung bei anderweitiger auswärtiger Unterbringung.

(2) Die Teilnahmekosten nach Absatz 1 können Aufwendungen für erforderliche eingliederungsbegleitende Dienste während der und im Anschluss an die Maßnahme einschließen.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.